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Vollständige Version anzeigen : Erstschlagkonzepte funktionieren nicht oder man ist der Angreifer?



Ununoctium
26-12-2014, 22:54
Hallo Leute,

ich habe nun einige Methoden kennengelernt wo es darum geht mit einfachen Techniken dem Angriff des Angreifers mit einem eigenen Angriff zu begegnen.

Nun die Frage – kann das überhaupt funktionieren?

Klar beim Sparring und Co - ist es sicher kein Fehler den Gegner zuerst zu treffen – aber beim Sparring ist auch klar dass es jetzt zu einer kontrollierten Auseinandersetzung kommt.

Nur wie ist das sonst?

Wenn jemand zuerst angreift bevor der eigentliche „Angreifer / Aggressor“ angreift – ist er doch eigentlich der Täter, oder?

Und wenn man „wartet“ bis es wirklich zu einem Angriff kommt (muss ja nicht immer der Fall sein) – kann man dann überhaupt noch schneller den Angreifer treffen – immerhin hat er ja einen Vorsprung? Oder Schlägt man nur noch mit?

Edit - Ich erweitere die Frage mal noch: Kann bei Erstschlagkonzepten – Deeskalation überhaupt noch eine Thema sein?

Mich würden Eure Meinungen zu dem Thema interessieren.

Viele Grüße

Heiko

Schnueffler
26-12-2014, 23:00
Kommt ja drauf an, wie der Angriff des Aggressors aussieht.

StaySafe
26-12-2014, 23:20
Hallo Leute,

ich habe nun einige Methoden kennengelernt wo es darum geht mit einfachen Techniken dem Angriff des Angreifers mit einem eigenen Angriff zu begegnen.

Nun die Frage – kann das überhaupt funktionieren?

Klar kann das funktionieren.
Kommt halt auf die Situation, die Aufmerksamkeit, die zugrunde gelegte Taktik, die Positionierung im Vorfeld, etc. an.


Klar beim Sparring und Co - ist es sicher kein Fehler den Gegner zuerst zu treffen – aber beim Sparring ist auch klar dass es jetzt zu einer kontrollierten Auseinandersetzung kommt.

Nur wie ist das sonst?

Wenn wirklich Gefahr im Verzug ist und die Möglichkeit zur Flucht (erstmal) nicht besteht, ist der eigene, zuvorkommende Angriff sogar noch wichtiger. ;)


Wenn jemand zuerst angreift bevor der eigentliche „Angreifer / Aggressor“ angreift – ist er doch eigentlich der Täter, oder?

Kommt eben auf die Situation an. Aber derjenige der zuerst schlägt ist, auch rechtlich gesehen, nicht automatisch der Angreifer.

Wenn der Angriff auf ein rechtlich geschütztes Gut gegenwärtig ist, handelt auch derjenige in Notwehr, der zuerst zuschlägt.

Aus § 32 StGB ergibt sich nicht, dass ich den ersten Schlag, Stich, whatever abwarten muss.


Und wenn man „wartet“ bis es wirklich zu einem Angriff kommt (muss ja nicht immer der Fall sein) – kann man dann überhaupt noch schneller den Angreifer treffen – immerhin hat er ja einen Vorsprung? Oder Schlägt man nur noch mit?

Mich würden Eure Meinungen zu dem Thema interessieren.

Viele Grüße

Heiko

Man schlägt im Grunde mit. Ergibt sich ja einfach aus der Betrachtung der Timeline:

Angriff steht bevor - Flucht oder Erstschlag
Angriff ist auf dem Weg - Abwehr (defensiv) oder zusammentreffen mit dem eigenen Angriff
Angriff ist bereits erfolgt - KO oder Re-cover

Ununoctium
26-12-2014, 23:29
Kommt ja drauf an, wie der Angriff des Aggressors aussieht.

Scheinbar / Anscheinend - nicht - da der (nennen wir es mal so) Verteidigungsschlag immer der gleiche ist egal wie oder mit was angegriffen wird.

Mr.Fister
26-12-2014, 23:31
Wenn jemand zuerst angreift bevor der eigentliche „Angreifer / Aggressor“ angreift – ist er doch eigentlich der Täter, oder?
falls du das rechtlich meinen solltest: du brauchst nicht abzuwarten, bis dich jemand tatsächlich angreift - es reicht, wenn der angriff unmittelbar bevorsteht (siehe http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/)


Und wenn man „wartet“ bis es wirklich zu einem Angriff kommt (muss ja nicht immer der Fall sein) – kann man dann überhaupt noch schneller den Angreifer treffen – immerhin hat er ja einen Vorsprung? Oder Schlägt man nur noch mit?
der kopfkino-idealfall wäre wohl bruce-lee-mäßiges intercepten des angriffs, die realität dürfte bei den meisten aber eher anders aussehen, siehe stay safes darstellung.

Filzstift
26-12-2014, 23:35
Ich bin ja kein jurist, aber ich kann mir nicht vorstellen dass ich umzingelt und bedroht ernsthaft abwarten muss bis mich einer aussackeln will.
Putative notwehr sagt mein Herr Papa dazu ;)

Chondropython
26-12-2014, 23:36
Auf SV Seminaren höre ich immer wieder von Fällen in denen der Verteidiger zuerst körperlich aktiv wird, bzw der Aggressor garnicht tätlich wird... Und trotzdem wurde richterlich Notwehr bestätigt. Es muss eine "Bedrohungslage" gegeben sein. Die kann auch nur verbal erfolgen!

Mr.Fister
27-12-2014, 00:02
Ich bin ja kein jurist, aber ich kann mir nicht vorstellen dass ich umzingelt und bedroht ernsthaft abwarten muss bis mich einer aussackeln will.
Putative notwehr sagt mein Herr Papa dazu ;)
der begriff putativnotwehr steht gemeinhin für das irrige annehmen einer notwehrlage, welche objektiv gar nicht besteht. sich auf putative notwehr berufen zu wollen wäre also eher suboptimal... ist vielmehr einer der begriffe, die man in diesem kontext lieber aus dem gedächtnis streichen sollte (genauso wie alles mit "präventiv" im namen). ;)

Ununoctium
27-12-2014, 00:10
Schlussendlich ist jede Notwehr zuerst mal eine Körperverletzung – ob und welche Art von Notwehr dabei zutrifft – entscheidet der Richter (oder Staatsanwalt – indem er das Verfahren fallen lässt).

Tipp – überhaupt keine Aussage nach einer Verteidigung machen – Personenangaben – fertig!
Mehr müsst Ihr nicht machen und alles andere solltet Ihr dann mit einem Anwalt besprechen!

Filzstift
27-12-2014, 10:25
der begriff putativnotwehr steht gemeinhin für das irrige annehmen einer notwehrlage, welche objektiv gar nicht besteht. sich auf putative notwehr berufen zu wollen wäre also eher suboptimal... ist vielmehr einer der begriffe, die man in diesem kontext lieber aus dem gedächtnis streichen sollte (genauso wie alles mit "präventiv" im namen). ;)


Drum sag ich ja " ;) " :))

Rene
27-12-2014, 10:51
Scheinbar / Anscheinend - nicht - da der (nennen wir es mal so) Verteidigungsschlag immer der gleiche ist egal wie oder mit was angegriffen wird.

Öhm, wie kommst du darauf?

Ununoctium
27-12-2014, 13:53
Öhm, wie kommst du darauf?
Trainingsteilnahme ;)

Rene
27-12-2014, 15:39
Ich kann dir da nicht folgen. Ich interpretiere das grad so, als ob es immer der gleiche Schlag ist, egal ob ich auf einen Angriff reagiere, oder selbst den Angriff präventiv ausführe. Hab ich dich da richtig verstanden?

StaySafe
27-12-2014, 15:46
Ich kann dir da nicht folgen. Ich interpretiere das grad so, als ob es immer der gleiche Schlag ist, egal ob ich auf einen Angriff reagiere, oder selbst den Angriff präventiv ausführe. Hab ich dich da richtig verstanden?

Es gibt Systeme / Methoden die das so handhaben.

Beispielsweise im Alpha Combat System und beim Approach SPM von Eddie Quinn ist das so. Dürfte mWn. auch für Trinity Combat Concepts von H. Röber zutreffen. Zumindest hab ichs da so kennengelernt.

Das heißt natürlich nicht, dass es nur bei diesen Systemen die Taktik des präventiven Erstschlags aus Gründen der Selbstverteidigung gibt, oder dass es bei allen die sowas trainieren, auch nur ein immer gleicher Schlag ist.

Wir trainieren diverse Erstschlagmodelle. Zu Beginn bekommen die Trainierenden einen sehr einfachen, klar strukturierten "Kampfplan" an die Hand. Nach und nach wird das Repertoire dann erweitert und auf die Fertigkeiten und Möglichkeiten der Anwender angepasst.

Ununoctium
27-12-2014, 16:18
Ich kann dir da nicht folgen. Ich interpretiere das grad so, als ob es immer der gleiche Schlag ist, egal ob ich auf einen Angriff reagiere, oder selbst den Angriff präventiv ausführe. Hab ich dich da richtig verstanden?

Ja - wie StaySafe schon schreibt - gibt es einige Systeme die das genauso machen (sind noch ein paar mehr als StaySafe schreibt).

Also Systeme wo das ganze "System" oder Methode nur aus 1-2 Techniken besteht.


Wir trainieren diverse Erstschlagmodelle.
Macht ja eigentlich jede Kampfsportart – ob Boxen – Karate usw. – mir geht es aber in der Frage um Methoden die nur damit arbeiten und dazu meist eben nur 1 Technik benutzen egal was kommt.

Du hast ja einige Beispiele aufgezählt wo das genauso trainiert/unterrichtet wird.


Ich erweitere die Frage mal noch: Kann bei Erstschlagkonzepten – Deeskalation überhaupt noch eine Thema sein?

AndyLee
27-12-2014, 16:23
Nun die Frage – kann das überhaupt funktionieren?


Wenn es um den Angriff eines Täters geht, der plötzlich und unerwartet aus einer vorher nicht erkennbaren Richtung geht, ist m. E. nichts abzuwehren. Gute Nehmerqualitäten und die psychische Stabilität sich dann zu sagen: "Jetzt erst recht..." - seine Haut eben so teuer wie möglich zu verkaufen. Man muss eben den 1. Angriff "überleben"... bitter aber wohl die wahrscheinlichste Variante... Ein "Erstschlagskonzept" setzt voraus, dass der Angriff vorher auszumachen ist... ich glaube, eine eher unwahrscheinliche Variate.

Wenn es um die rechtliche Situation eines Verteidigers geht, der einem gerade stattfindenden, rechtswidrigen Angriff zuvorkommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser rechtlich zu ahnden ist. Auch die Verhältnismäßigkeit wurde hier ja nun oft durchdiskutiert, sodass auch hier wol keine Probleme zu erwarten sind. Allerdings bin ich kein Jurist sondern habe nur die hier im Forum gängigen Diskussionen wiedergegeben.

Mr.Fister
27-12-2014, 16:31
Edit - Ich erweitere die Frage mal noch: Kann bei Erstschlagkonzepten – Deeskalation überhaupt noch eine Thema sein?
da du die frage ja nachgeschoben hast (und ich sie jetzt erst sehe ;)):

worauf willst du konkret hinaus? warum sollte das kein thema (mehr) sein?

StaySafe
27-12-2014, 16:36
Ja - wie StaySafe schon schreibt - gibt es einige Systeme die das genauso machen (sind noch ein paar mehr als StaySafe schreibt).

Ist mir schon klar. Die hatte ich nur spontan direkt zur Hand und kenn sie einigermaßen gut. ;)




Macht ja eigentlich jede Kampfsportart – ob Boxen – Karate usw. – mir geht es aber in der Frage um Methoden die nur damit arbeiten und dazu meist eben nur 1 Technik benutzen egal was kommt.

Du hast ja einige Beispiele aufgezählt wo das genauso trainiert/unterrichtet wird.

Naja in wirklicher Konsequenz, machen das ja nur die wenigsten. Die Techniken die es bspw. im Boxen oder Karate (etc.) gibt, eignen sich dazu, aber wirklich trainiert wirds ja zumindest mal nicht so, dass es Stilprägend wäre.

Zur Umsetzbarkeit von Systemen / Modellen die eine solche Taktik verfolgen und mit minimalem Technikkatalog umsetzen:

Meiner Erfahrung nach, funktionieren diese Dinge vor allem am Anfang wenn man die Trainierenden intensiv in dem jeweiligen Modell schult und sie funktionieren (meistens) so lange gut, wie man es mit eher unqualifizierten Angriffen zu tun hat.

Nun kann man sagen, dass das für SV ja ausreichend ist, da man ja vom "ungeübten Straßenschläger" ausgeht.

Ich halte das allerdings für eine gefährliche Verkürzung dessen was möglich ist und auch für eine Grundannahme, die der realistischen und tragfähigen Vorbereitung auf SV Situationen absolut nicht gerecht wird.

Oder wie Frank in einem anderen Thread heute schrieb:

Ich gehe im SV Training nie von einem ungeübten Angreifer aus...egal in welcher Distanz.

Und so vernünftig es ist, das technische Repertoire überschaubar zu halten, so sehr kann man es mit dem technischen Minimalismus auch übertreiben.

Nicht falsch verstehen: So ein ultrakompaktes Tool wie bspw. das RAT-Modell im Alpha oder (noch einfacher) Eddie Quinns Approach SPM, ist eine nette Sache für jemanden der sich nicht ganz wehrlos fühlen will und keine Zeit, Lust oder Möglichkeit hat dauernd in einem echten "SV Rahmen" zu trainieren.

Ich halte die Ergebnisse aber für durchaus überschaubar.

~Wolf´s Den~
27-12-2014, 16:44
Es gibt Systeme / Methoden die das so handhaben.

Beispielsweise im Alpha Combat System und beim Approach SPM von Eddie Quinn ist das so. Dürfte mWn. auch für Trinity Combat Concepts von H. Röber zutreffen. Zumindest hab ichs da so kennengelernt.

Das heißt natürlich nicht, dass es nur bei diesen Systemen die Taktik des präventiven Erstschlags aus Gründen der Selbstverteidigung gibt, oder dass es bei allen die sowas trainieren, auch nur ein immer gleicher Schlag ist.

Wir trainieren diverse Erstschlagmodelle. Zu Beginn bekommen die Trainierenden einen sehr einfachen, klar strukturierten "Kampfplan" an die Hand. Nach und nach wird das Repertoire dann erweitert und auf die Fertigkeiten und Möglichkeiten der Anwender angepasst.

Wie sieht Euer Erstschlagskonzept aus, wenn eine verbal aggressive Person in drohender Haltung, ggf. Arme in kämpferischer Haltung erhoben, auf den durchschnittlichen Krav Maga-Anwender trifft?

StaySafe
27-12-2014, 16:50
Wie sieht Euer Erstschlagskonzept aus, wenn eine verbal aggressive Person in drohender Haltung, ggf. Arme in kämpferischer Haltung erhoben, auf den durchschnittlichen Krav Maga-Anwender trifft?

Mal davon abgesehen, dass ich einen Störer in "kämpferischer Haltung" für reichlich konstruiert halte (zumindest so lange hier so etwas wie eine schlechte "Boxerhaltung" gemeint ist) kann ich nicht für den durchschnittlichen Krav Maga Anwender bzw. das durchschnittliche Krav Maga Training sprechen. ;)

Wir handhaben die Sachen anders als die meisten "durchschnittlichen" Krav Maga Schulen.
(Für alle die sich gleich angepinkelt fühlen wollen: anders heißt nicht besser oder schlechter. Einfach anders)

Aber eine Technik / Taktik die man auch bei uns so findet erklärt Ryan Hoover hier:

RWACP_3cSV4

~Wolf´s Den~
27-12-2014, 16:54
Ist mir schon klar. Die hatte ich nur spontan direkt zur Hand und kenn sie einigermaßen gut. ;)




Naja in wirklicher Konsequenz, machen das ja nur die wenigsten. Die Techniken die es bspw. im Boxen oder Karate (etc.) gibt, eignen sich dazu, aber wirklich trainiert wirds ja zumindest mal nicht so, dass es Stilprägend wäre.

Zur Umsetzbarkeit von Systemen / Modellen die eine solche Taktik verfolgen und mit minimalem Technikkatalog umsetzen:

Meiner Erfahrung nach, funktionieren diese Dinge vor allem am Anfang wenn man die Trainierenden intensiv in dem jeweiligen Modell schult und sie funktionieren (meistens) so lange gut, wie man es mit eher unqualifizierten Angriffen zu tun hat.

Nun kann man sagen, dass das für SV ja ausreichend ist, da man ja vom "ungeübten Straßenschläger" ausgeht.

Ich halte das allerdings für eine gefährliche Verkürzung dessen was möglich ist und auch für eine Grundannahme, die der realistischen und tragfähigen Vorbereitung auf SV Situationen absolut nicht gerecht wird.

Oder wie Frank in einem anderen Thread heute schrieb:


Und so vernünftig es ist, das technische Repertoire überschaubar zu halten, so sehr kann man es mit dem technischen Minimalismus auch übertreiben.

Nicht falsch verstehen: So ein ultrakompaktes Tool wie bspw. das RAT-Modell im Alpha oder (noch einfacher) Eddie Quinns Approach SPM, ist eine nette Sache für jemanden der sich nicht ganz wehrlos fühlen will und keine Zeit, Lust oder Möglichkeit hat dauernd in einem echten "SV Rahmen" zu trainieren.

Ich halte die Ergebnisse aber für durchaus überschaubar.

So sehe ich das auch.

Technischer Minimalismus hilft zwar in Stress-Situationen die "Schrecksekunde" besser zu überwinden, weil man auf wenige Techniken gedrillt ist, aber leider nicht gegen technisch höherwertigere und entschlossene Gegner.

Und von denen gibt es eben leider immer mehr. Man muss heutzutage damit rechnen, dass Täter auch gewisse Grundlagen in Kampfkunst oder Kampfsport trainieren oder sogar ein erweitertes Repertoire beherrschen.

Bei einem Aufeinandertreffen eines solchen Tätertypus mit dem minimalistisch trainierten Max Mustermann, der sich auf Schema-F verlässt, weil man ihm das so eingetrichtert hat und mehr in dieser Situation einfach mental für ihn nicht machbar wäre, dann muss man auch mit dem negativen Ergebnis leben.

Und leider sehe ich es einem Aggressor nicht an, ob er trainiert oder untrainiert ist. Daher muss ich immer vom "worst case" ausgehen.

krav maga münster
27-12-2014, 16:54
Edit - Ich erweitere die Frage mal noch: Kann bei Erstschlagkonzepten – Deeskalation überhaupt noch eine Thema sein?
Es gibt drei Möglichkeiten wie der "Tag X" ablaufen kann und eine davon ist aus der Deeskalationsphase mit einem Preemptive Strike.

Ergo ist ein Erstschlag u.a. ein Resultat der Deeskalation!

Gruß Markus

StaySafe
27-12-2014, 17:02
Und von denen gibt es eben leider immer mehr. Man muss heutzutage damit rechnen, dass Täter auch gewisse Grundlagen in Kampfkunst oder Kampfsport trainieren oder sogar ein erweitertes Repertoire beherrschen.


Eben. Wer sagt mir denn, dass bei dem vlt. einen Mal wo ich Stress habe, mein Gegenüber ne Wurst is die nichts kann ?

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein potenzieller Angreifer "was kann", nimmt eher zu als ab. Und wenn ich mich hier bei uns so umschaue, dann reden wir hier überwiegend von Erfahrungen im Vollkontaktkampfsport.

NEIN, das ist ein verunglimpfender Angriff auf VK´ler! Es gibt nur ausreichend Gyms in denen man nicht so arg drauf schaut wen man da trainiert.

Darüberhinaus darf man mMn. Medien wie Youtube nicht unterschätzen. Da ist so viel Material vorhanden mit dem man rumspielen kann und eine gewisse Vorbereitung erhält. Das reicht meistens nicht mal für 2 Runden Sparring, kann aber dem Max Mustermann schon arge Probleme bereiten.

~Wolf´s Den~
27-12-2014, 17:17
@StaySafe:

Wieso soll ein solcher Täter konstruiert sein? Ja, ich meinte die schlechte Boxerhaltung.

Und nein, ich rede nicht von einem Störer, sondern von jemandem von dem eine eindeutige Gefahr ausgeht, respektive jemand der kurz davor ist mich schlagen zu wollen.

Bsp.: ein Streit entwickelt sich verbal über eine gewisse Schutzdistanz hinweg. Es wird gestikuliert, gebrüllt, beleidigt. Irgendwann möchte es der Aggressor wissen und kommt auf den Verteidiger in der Absicht zu, ihm das Gesicht etwas zu verschönern, weil der sich vom verbalen Aufgeblustere nicht hat beeindrucken lassen.

Sowas kommt immer wieder vor und ist alles andere als konstruiert.

Das Ziel des Erstschlags ist es eine akute Bedrohung auszuschalten, bevor der Gegner die Gelegenheit zum Eröffnungsschlag nutzt. Dabei kann es durchaus sein, dass der Gegner seine Arme in einer irgendwie gearteten Schutzhaltung angehoben hat (egal ob das ja boxer-like ist oder nicht), da dies ein natürlicher Reflex ist, wenn das Gehirn signalisiert: "jetzt wird gekämpft".

Ich würde dabei niemals den im Videoclip gewählten hakenähnlichen Handflächenschlag verwenden.

Erstens, Du bist zu offen. Wenn Dein Gegner boxerischer Grundlagen beherrscht und ein Pfund in der Faust hat (beides weißt Du nicht und siehst es ihm auch nicht an), dann schießt er Dich straight line ab und das war´s.

Zweitens, selbst wenn Du Deinen Handflächenschlag starten kannst ... seine Arme sind sowieso angehoben und er wird ganz unstilistisch eine instinktiven Passiv-Block mit beiden Armen ausführen und verfolgt danach seinen Angriffsgedanken weiter, aber evtl. nun gewarnt, dass da was auf ihn zukommt. Ergo, der Verteidiger hat sein Überraschungsmoment in den Sand gesetzt. Und schwächere Personen ... insbesondere Frauen ... leben in der SV vom überraschenden Erstschlag.

Besser wäre Pak-Punch. Du kannst mich jetzt als WT- oder Kung Fu-Neurotiker bezeichnen oder was auch immer ... aber ... beim Pak-Punch hat man sich was dabei gedacht.

Barriere wegräumen, Arm durch Gegendrücken immobilisieren ... und geradewegs voll auf die Zwölf. Wenn man dabei noch in einem leichten Winkel zum Gegner läuft ... perfekt!

Das ist jetzt keine Technik, die besonders hochwertig ist und für die man Jahre Training und ein gelbes T-Shirt braucht. Die Technik ist auch nicht so komplex, dass man sie nicht in einen Anfänger hineingedrillt bekommt ...

Und selbst wenn man nicht vom Gegner in Schutzhaltung ausgeht, würde ich auch bei einem Gegner der sonstwie störend auf mich einwirkt, immer auf eine Flanke laufen und einen Ellbogen immobilisieren ... Principle of Flanking ... da gibt es ein nettes Video von Lee Morrison.

Habe nichts gegen den Handflächenschlag, aber nicht als Erstschlag.

AndyLee
27-12-2014, 17:22
Ich frage einfach mal so dazwischen: Kann man nur auf das reagieren, was man auch mitbekommt bzw. sieht? Was also, wenn so ein Angriff unerwartet, plötzlich und ohne vorheriges Zeichen abläuft... m. E. ein eher wahrscheinliches Szenarium... Deeskalation geht nur dort, wo man Einfluss hat.

Meiner Erfahrung nach kann man anfänglich auch nur Reagieren... das agieren muss man sich erstmal erkämpfen - Nehmerqualitäten sind gefragt... oder gibt es ihn... den 7. Sinn und man kann wirklich alles in jeder Situation abwehren und schafft man es nicht, hat es nur damit zu tun, dass man falsch oder noch nicht lang genug trainiert hat?

~Wolf´s Den~
27-12-2014, 17:31
Ich frage einfach mal so dazwischen: Kann man nur auf das reagieren, was man auch mitbekommt bzw. sieht? Was also, wenn so ein Angriff unerwartet, plötzlich und ohne vorheriges Zeichen abläuft... m. E. ein eher wahrscheinliches Szenarium... Deeskalation geht nur dort, wo man Einfluss hat.

Meiner Erfahrung nach kann man anfänglich auch nur Reagieren... das agieren muss man sich erstmal erkämpfen - Nehmerqualitäten sind gefragt... oder gibt es ihn... den 7. Sinn und man kann wirklich alles in jeder Situation abwehren und schafft man es nicht, hat es nur damit zu tun, dass man falsch oder noch nicht lang genug trainiert hat?

Auf überraschende Dinge kann man überhaupt nicht einwirken.

Bsp.: angenommen wir beide sitzen im ÖPNV direkt nebeneinander und haben vermeintlich keinen Streit. Plötzlich und unvermittelt schlage ich Dir mit dem Ellbogen volle Kanne seitlich gegen das Gesicht. Vielleicht habe Dich vorher sogar noch wie ein Hasenfuß angelächelt oder so getan als kratze ich mich an der Nase ... was denkst Du passiert?

Denkt wirklich einer ernsthaft, dass er die Hand noch zum Blocken hochbekommt?

Du kassierst erstmal und dann ist es die Frage, ob Du K. O. bist oder es wegstecken kannst und sofort zurückkommst oder Du durch den Schmerz und die Überraschung so paralysiert bist, dass ich Dich mit ein oder zwei Folgeaktionen finishen kann.

Wenn man was abwehren will, muss man es mindestens antizipieren können und eine gewisse Reaktionszeit (Distanz) haben, ansonsten geht nix.

krav maga münster
27-12-2014, 17:36
Ich frage einfach mal so dazwischen: Kann man nur auf das reagieren, was man auch mitbekommt bzw. sieht? Was also, wenn so ein Angriff unerwartet, plötzlich und ohne vorheriges Zeichen abläuft... m. E. ein eher wahrscheinliches Szenarium... Deeskalation geht nur dort, wo man Einfluss hat.

Meiner Erfahrung nach kann man anfänglich auch nur Reagieren... das agieren muss man sich erstmal erkämpfen - Nehmerqualitäten sind gefragt... oder gibt es ihn... den 7. Sinn und man kann wirklich alles in jeder Situation abwehren und schafft man es nicht, hat es nur damit zu tun, dass man falsch oder noch nicht lang genug trainiert hat?
Hallo Andy,
wie zuvor geschrieben gibt es diese drei Möglichkeiten wie "Tag X" aussehen kann und neben der versuchten Deeskalation aus dem aggressiven Dialog, ist eine weitere Möglichkeit der Angriff aus dem Hinterhalt und den muß man erstmal fressen, so wie du es ja schon beschrieben hast.

Gruß Markus

StaySafe
27-12-2014, 18:00
@StaySafe:

Wieso soll ein solcher Täter konstruiert sein? Ja, ich meinte die schlechte Boxerhaltung.

Gegenfrage bevor ich antworte: Hast du mal außerhalb der Trainingshalle kämpfen müssen ? Mir kommts nicht so vor. Ganz ehrlich.

Diese Nummer mit der (schlechten) Boxerhaltung ist konstruiert, weil sie die gesamte Dynamik einer echten Gewaltsituation völlig außen vor lässt.

Gehen wir auf dein Beispiel ein:



Bsp.: ein Streit entwickelt sich verbal über eine gewisse Schutzdistanz hinweg. Es wird gestikuliert, gebrüllt, beleidigt.

Hier fängt es doch schon an: Schutzdistanz bedeutet doch, dass ich nicht so ohne weiteres getroffen werden kann, weil die Distanz zu groß ist. Alles andere ist keine Schutzdistanz.

Nun ist das aufrecht erhalten dieser Distanz mitunter schon schwer genug. Es entbindet mich aber ja nicht davon, alle Äußerungsformen meines Gegenübers (Bewegung der Beine, der Arme, allgemeine Gestik, Mimik, etc.) im Blick zu behalten. Aus diesen Informationen ergibt sich meine Positionierung und mein weiteres handeln.

Hier kommt die Frage ins Spiel, warum ich mich überhaupt auf diesen Monkey Dance mit gegenseitigem beleidigen und anschreien einlassen sollte ?

Wenn ich kann, verlasse ich den Ort des Geschehens. Trotz aller "Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen" Grundhaltung. Kann ich (warum auch immer) nicht so einfach weg, dann besteht meine Taktik doch trotzdem nicht darin, mich dem Monkey Dance hinzugeben und den Dicken zu machen, in der Hoffnung das würde mein Gegenüber vlt. abschrecken.



Irgendwann möchte es der Aggressor wissen und kommt auf den Verteidiger in der Absicht zu, ihm das Gesicht etwas zu verschönern, weil der sich vom verbalen Aufgeblustere nicht hat beeindrucken lassen.

Wir halten fest: Es besteht eine ausreichend große Schutzdistanz, ich bin nicht ganz blöd und lasse mich, nicht auf den Monkey Dance ein und verfolge eine bessere Strategie: Ich signalisiere dass ich keinen Ärger will und ziehe eine räumliche Grenze. JETZT nähert sich der Aggressor.

Und er überbrückt die Distanz in Boxerhaltung ? Come on.
Solche Situationen sind dynamisch, da bewegen sich Arme und es verändern sich Positionen. Training, anständiges und realitätsbezogenes Training, verhelfen mir dazu so etwas zu erkennen und auch die Lücken und Momente zu erkennen in die ich ggf. einen Erstschlag setzen kann.


Sowas kommt immer wieder vor und ist alles andere als konstruiert.

Was vorkommt, ist, dass zwei Idioten die ihr Ego nicht im Griff haben, vor die sprichwörtliche Tür gehen, weil sie sich selbst und ihrem Gegenüber beweisen wollen, was sie für Typen sind. Da stehen dann auch zwei Simpel voreinander und versuchen irgendwelche Boxerhaltungen einzunehmen oder Kicks zu platzieren die in ihrer Vorstellung besser sind als das was sie dann da abliefern. Das hat aber nichts mit SV, sondern nur etwas mit Idiotie zu tun. ;)


Das Ziel des Erstschlags ist es eine akute Bedrohung auszuschalten, bevor der Gegner die Gelegenheit zum Eröffnungsschlag nutzt. Dabei kann es durchaus sein, dass der Gegner seine Arme in einer irgendwie gearteten Schutzhaltung angehoben hat (egal ob das ja boxer-like ist oder nicht), da dies ein natürlicher Reflex ist, wenn das Gehirn signalisiert: "jetzt wird gekämpft".

Ja, der Gegner wird seine Hände irgendwie positionieren. Aber du würfelst die Sachen hier wild durcheinander.

Nochmal:
Kneipenschlägerei / Bierzeltschlägerei / Discoschlägerei, etc.

Zwei Simpel tanzen den Monkey Dance, wollen kämpfen und nehmen irgendwelche Kampfhaltungen ein.

SV Situationen sind anders. Hier will ich gar nicht kämpfen. Werde plötzlich überrascht (nicht notwendigerweise aus dem Hinterhalt) und werde von Eindrücken und Einwirkungen auf mich überrollt.

Hier kommt es nicht zu irgendwelchen kampfsportartigen Vor-positionierungen.
Jedenfalls nicht auf Seiten des potenziellen Angreifers. Denn der will mich aufmischen, für mich ganz plötzlich, überraschend. Da ist der Mann aktiv und nicht in Schutzhaltung.

Was eher passiert ist, dass ich in eine Schutzhaltung übergehe ;)



Ich würde dabei niemals den im Videoclip gewählten hakenähnlichen Handflächenschlag verwenden.

Musst du nicht. ;)
Würd ich dir auch nicht empfehlen wenn du es nicht kannst.
Du wolltest etwas zu meinem Training wissen. Dazu dieses Video als Beispiel.
Wenn du es dir ganz ansiehst, wirst du bemerken dass nicht nur Handflächenschläge sondern auch Faustschläge (first knuckle down) benutzt werden.



Erstens, Du bist zu offen. Wenn Dein Gegner boxerischer Grundlagen beherrscht und ein Pfund in der Faust hat (beides weißt Du nicht und siehst es ihm auch nicht an), dann schießt er Dich straight line ab und das war´s.

Zweitens, selbst wenn Du Deinen Handflächenschlag starten kannst ... seine Arme sind sowieso angehoben und er wird ganz unstilistisch eine instinktiven Passiv-Block mit beiden Armen ausführen und verfolgt danach seinen Angriffsgedanken weiter, aber evtl. nun gewarnt, dass da was auf ihn zukommt. Ergo, der Verteidiger hat sein Überraschungsmoment in den Sand gesetzt. Und schwächere Personen ... insbesondere Frauen ... leben in der SV vom überraschenden Erstschlag.

Du vermischt die Ausgangslagen und kommst zu falschen Grundannahmen.
Hast du Ryan Hoover im Video zugehört ? Kommt mir nicht so vor.
Es geht nicht nur um eine Schlagtechnik, sondern um eine dahinterstehende Taktik.


Raise his ego - lower his guard - strike when he´s talking



Besser wäre Pak-Punch. Du kannst mich jetzt als WT oder Kung Fu-Neurotiker bezeichnen oder was auch immer ... aber ... beim Pak-Punch hat man sich was dabei gedacht.

Barriere wegräumen, Arm durch Gegendrücken immobilisieren ... und geradewegs voll auf die Zwölf. Wenn man dabei noch in einem leichten Winkel zum Gegner läuft ... perfekt!

Das ist jetzt keine Technik, die besonders hochwertig ist und für die man Jahre Training und ein gelbes T-Shirt braucht. Die Technik ist auch nicht so komplex, dass man sie nicht in einen Anfänger hineingedrillt bekommt ...

Und selbst wenn man nicht vom Gegner in Schutzhaltung ausgeht, würde ich auch bei einem Gegner der sonstwie störend auf mich einwirkt, immer auf eine Flanke laufen und einen Ellbogen immobilisieren ... Principle of Flanking ... da gibt es ein nettes Video von Lee Morrison.

Habe nichts gegen den Handflächenschlag, aber nicht als Erstschlag.

Ich halte dich nicht für einen Fanatiker. Aber für einen Theoretiker.
Daran ändert auch das einstreuen von Hinweisen auf Lee Morrison nichts.
Denn nur btw: Da findest du solche Techniken (auch als Eröffnung) nämlich auch. ;)



Ich frage einfach mal so dazwischen: Kann man nur auf das reagieren, was man auch mitbekommt bzw. sieht? Was also, wenn so ein Angriff unerwartet, plötzlich und ohne vorheriges Zeichen abläuft... m. E. ein eher wahrscheinliches Szenarium... Deeskalation geht nur dort, wo man Einfluss hat.

Was du nicht siehst, wirst du erstmal nicht abwehren. Ist halt so.


Meiner Erfahrung nach kann man anfänglich auch nur Reagieren... das agieren muss man sich erstmal erkämpfen - Nehmerqualitäten sind gefragt... oder gibt es ihn... den 7. Sinn und man kann wirklich alles in jeder Situation abwehren und schafft man es nicht, hat es nur damit zu tun, dass man falsch oder noch nicht lang genug trainiert hat?

Welcher Erfahrung nach ? Realerfahrung mit plötzlichen Konfrontationen die sich einseitig aufbauen ? (Also nicht ein von beiden getanzter Monkey Dance)

Es gibt durchaus Situationen, bei denen Gefahr bevorsteht und ein Erstschlag durchaus möglich ist. Das hat auch nichts mit einem 7. Sinn zu tun.

~Wolf´s Den~
27-12-2014, 19:57
Monkey Dance ... fantasievoller Ausdruck.

Offenbar hast Du das von mir beschriebene, real existierende (weil nicht real am eigenen Leib erlebt, aber real gesehen), Szenario nicht verstanden.

Es geht hier nicht um eine Vorkampfhase im Sinne eines Gespräches, sondern um die paar Sekunden wo man ahnt, jetzt kommt einer auf Dich zu und haut Dir auf´s Maul (deutlicher kann man es nicht schreiben). Dieser Typ hat die Arme oben und kommt entschlossen, wütend auf Dich zu ... hier nimmt niemand eine Kampfstellung ein und wartet bis irgendwas angepfiffen wird ... keine Boxerstellung, kein Monkey sonstwas ... Arme hoch und los geht´s ...

Wenn Du in Abrede stellen möchtest, dass es solche Situationen gibt, dann fällt mir ab diesem Punkt nichts mehr ein und wir sollten in diesem Board getrennte Wege gehen.

Du siehst SV zu sehr aus der Krav Maga-Blase.

Und zum Thema weggehen, wenn es Ärger gibt ... gerade diejenigen, die behaupten, dass sie jedem Ärger cool aus dem Weg gehen und das in ihren Unterrichtsstunden lehren, sind diejenigen, die am Ehesten auf Provokationen ansprechen.

StaySafe
27-12-2014, 20:12
Monkey Dance ... fantasievoller Ausdruck.

Ein sehr gängiger Begriff in der Sv Hybridszene ;)


Offenbar hast Du das von mir beschriebene, real existierende (weil nicht real am eigenen Leib erlebt, aber real gesehen), Szenario nicht verstanden.

Genau, ich habs nicht verstanden. Deshalb hab ich es ja auch haarklein zerpflückt und beschrieben wo deine Annahmen fehlgehen. :rolleyes:


Es geht hier nicht um eine Vorkampfhase im Sinne eines Gespräches, sondern um die paar Sekunden wo man ahnt, jetzt kommt einer auf Dich zu und haut Dir auf´s Maul (deutlicher kann man es nicht schreiben).

Lies dir bitte noch einmal dein Beispielszenario durch.
Du beschreibst doch einen Streit der über eine, Zitat: "gewisse Schutzdistanz" hinweg stattfindet. Nun ist so ein Streit, so eine verbale Nummer im Vorfeld, eben das was man mit Monkey Dance beschreibt.

Ich schreie mit, beleidige mit, etc. Sollte man nicht tun.
Hast du es anders gemeint, schreibs bitte auch so.


Dieser Typ hat die Arme oben und kommt entschlossen, wütend auf Dich zu ... hier nimmt niemand eine Kampfstellung ein und wartet bis irgendwas angepfiffen wird ... keine Boxerstellung, kein Monkey sonstwas ... Arme hoch und los geht´s ...

Ja was denn nun ? Kampfstellung oder nicht ?
Es war doch deine Aussage, dass eine vorher eingenomme "Boxerhaltung" eben nicht konstruiert sei. Du wirst dich schon entscheiden müssen.

"Arme irgendwie oben" ist nicht das selbe wie eine (wenn auch schlechte) "Boxerhaltung".


Wenn Du in Abrede stellen möchtest, dass es solche Situationen gibt, dann fällt mir ab diesem Punkt nichts mehr ein und wir sollten in diesem Board getrennte Wege gehen.

Ich stelle theoretische Konstrukte in Abrede, die nicht mal die grundlegendsten Unterschiede zwischen frei gewähltem Kampf und SV Situationen mit ihren jeweiligen Besonderheiten berücksichtigen.


Du siehst SV zu sehr aus der Krav Maga-Blase.

Ich betrachte gar nichts aus irgendeiner Blase heraus, sondern stelle mich den Dingen wie sie nun mal sind und versuche nicht eine konstruierte "Pak-Punch" Lösung über ein so komplexes Thema zu stülpen.

Btw: Ich hab ja nun auch meine Zeit im WT verbracht und kann dir sagen, dass Pak-Punch schlichtweg nicht annähernd so gut funktioniert wie man das von seinem Sifu oder Si-Hing noch im Trainingsraum demonstriert bekommen hat. ;)

Das hat einmal mit der (fehlenden) Vorbereitung und Taktik zu tun, dann mit Anatomie (speziell der Halswirbelsäule und des Schädels) und letztlich eben mit der Dynamik von Gewalt zu tun. ;)


Und zum Thema weggehen, wenn es Ärger gibt ... gerade diejenigen, die behaupten, dass sie jedem Ärger cool aus dem Weg gehen und das in ihren Unterrichtsstunden lehren, sind diejenigen, die am Ehesten auf Provokationen ansprechen.

Belege ?

krav maga münster
27-12-2014, 20:53
Es geht hier nicht um eine Vorkampfhase im Sinne eines Gespräches, sondern um die paar Sekunden wo man ahnt, jetzt kommt einer auf Dich zu und haut Dir auf´s Maul (deutlicher kann man es nicht schreiben). Dieser Typ hat die Arme oben und kommt entschlossen, wütend auf Dich zu...
Das ist Nummer 3 meiner zuvor angegebenen Möglichkeiten wie "Tag X" aussehen kann.

Der "Monkey Dance" gehört jedoch auch hierzu, eine Situation spitzt sich in diesem Stadium zu, die Gewaltspirale schraubt sich immer weiter hoch und es kommt zu einer umgangssprachlichen "Boxerei".

Gruß Markus

~Wolf´s Den~
27-12-2014, 22:57
@StaySafe:

Okay, lassen wir´s einfach. Ich mach Pak Sao & Punch und Du den seitlichen Handflächenschlag.

Für mich funktioniert´s. Für Dich auch.

Was wollen wir mehr.

Alex R.
28-12-2014, 02:10
Es geht hier nicht um eine Vorkampfhase im Sinne eines Gespräches, sondern um die paar Sekunden wo man ahnt, jetzt kommt einer auf Dich zu und haut Dir auf´s Maul (deutlicher kann man es nicht schreiben). Dieser Typ hat die Arme oben und kommt entschlossen, wütend auf Dich zu ... hier nimmt niemand eine Kampfstellung ein und wartet bis irgendwas angepfiffen wird ... keine Boxerstellung, kein Monkey sonstwas ... Arme hoch und los geht´s ...
Sorry, aber die meisten "Boxereien" die ich erleben durfte, liefen so nicht ab. Da gabs nix mit Arme hoch und druff. Da wurde der Schlag kilometerweit vorweg telegrafiert (so richtig mit ganz weit Ausholen und so), der Oberkörper wurde für das letzte Quentchen Kraft noch schön nach hinten gebogen und dann mit aller Gewalt nach vorne. Derweil hing die andere Hand fröhlich baumelnd seitlich rum, bzw folgte den physikalischen Gesetzen und bewegte sich nach hinten (Drehbewegung).

Und nein, da waren trotz beeindruckender Anzahl an Kloppereien (beruflich) nirgends nie nicht irgendwelche Kampfsportler bei. Oder sie haben ihr Können gut versteckt. :D



Btw: Ich hab ja nun auch meine Zeit im WT verbracht und kann dir sagen, dass Pak-Punch schlichtweg nicht annähernd so gut funktioniert wie man das von seinem Sifu oder Si-Hing noch im Trainingsraum demonstriert bekommen hat. ;)
Hat mir bisher immer gut geholfen in Situationen, wo er anwendbar war. Bedingung:
Pak mit Vorwärts-/Sternschritt und dann seitlich in die Fresse. Und man sollte den Pak nicht dazu verwenden, sich um den Arm des Gegners zu schlängeln, sondern wild und kompromisslos seinen Schlagarm aus dem Weg räumen.



Das hat einmal mit der (fehlenden) Vorbereitung und Taktik zu tun, dann mit Anatomie (speziell der Halswirbelsäule und des Schädels) und letztlich eben mit der Dynamik von Gewalt zu tun. ;)

Das mit der Anatomie erklär mir bitte nochmal. Mag ja sein, dass ich nicht aufgepasst habe, aber irgendwie fehlt mir da was. Wo liegt der Unterschied zwischen einem Haken/kurvigen Angriff und einem schräg zum Gegner stehenden geraden Angriff/Punch in Bezug auf die Längsachse und Drehbewegung des Kopfes?

Und was soll das mit der Taktik? Überlegst du dir ernsthaft vorher/dabei, wie du den Gegner treffen willst?
Ich tue das nicht, ich folge meinem Instinkt. Registriere ich eine Lücke, dann versuche ich, den Gegner dort zu treffen. Das Wie ergibt sich aus der Lücke, der Distanz sowie meinem eigenen Aggressions-Level.
Mal funktioniert's, mal nicht. Hängt vom Können und den Nehmerqualitäten des Gegners ab.

Bei der Dynamik geb ich dir Recht. Es gibt keine Universal-Lösung für jeden Angriff. Und es ist absolut widersinnig, da auch nur annähernd nach einer universellen Lösung zu suchen.
Es gibt zwar einige Grundmuster, die immer wieder auftauchen, aber trotzdem muss ich mich jedes Mal aufs neue an den Gegner anpassen.

StaySafe
28-12-2014, 02:26
Das mit der Anatomie erklär mir bitte nochmal. Mag ja sein, dass ich nicht aufgepasst habe, aber irgendwie fehlt mir da was. Wo liegt der Unterschied zwischen einem Haken/kurvigen Angriff und einem schräg zum Gegner stehenden geraden Angriff/Punch in Bezug auf die Längsachse und Drehbewegung des Kopfes?

In Bezug auf Längsachse und Drehbewegung ist da kein Unterschied. In Bezug auf die eigene Kraftentwicklung bei Haken in Vergleich zu nem vertikalen Faustschlag jedoch schon. Zumindest mein Erfahrungswert.


Und was soll das mit der Taktik? Überlegst du dir ernsthaft vorher/dabei, wie du den Gegner treffen willst?

Vorher. Nicht dabei. Aber lang vorher und nicht erst wenn einer vor mir steht.
Das macht Taktik ja eben aus. Sie bestimmt mein bevorzugtes Verhalten ohne mich davon frei zu sprechen, auch andere Lösungen zu berücksichtigen wenn sie notwendig sein sollten.

Rene
28-12-2014, 13:08
Und was soll das mit der Taktik? Überlegst du dir ernsthaft vorher/dabei, wie du den Gegner treffen willst?

Beim Punkt "Erstschlagkonzept" sollte man das vorher schon überlegt haben, ansonsten wäre es kein Konzept, sondern konzeptloses Rumgezappel.^^

Ich hatte die Frage defintiv falsch verstanden, oder auch grad deswegen den "immer gleichen Schlag" in Frage gestellt. Ich bin nun auch, bedingt durch fehlende Meter, geneigt den Erstschlag durchzuführen, und dann u.U. die Beine in die Hand zu nehmen oder mittels Hilfmittel für längerfristigen Frieden zu sorgen. Ich muss mir also vorher gut überlegen was ich bei wem wie mache. Mit einem "Ein-Schlag-für-Alles" System wär ich vermutlich noch mehr benachteiligt.

concrete jungle
28-12-2014, 16:33
Habe vom Trottelschwinger bis zu ansatzlosem linken Haken schon so einiges erlebt, also nicht so sicher seien, die Störer könnten eh alle nix(mag aber auch von der Szene abhängen, in der man gerade trinkt ;) ...)

Zum Thema Erstschlag der Klassiker vom Geoff T., hat für mich gut funktioniert:

https://www.youtube.com/watch?v=T6OJnZG3joA

Sein Schüler Alan Peasland (echt schlau und artikuliert, der hat u.a. nen Top-Job!) hat dazu eine schöne DVD gemacht:

https://www.youtube.com/watch?v=EmAMVSYpds0

Die anderen Vids von Alan sind auch gut:

http://www.completeselfprotection.com/dvd.html

Alex R.
29-12-2014, 14:26
In Bezug auf Längsachse und Drehbewegung ist da kein Unterschied. In Bezug auf die eigene Kraftentwicklung bei Haken in Vergleich zu nem vertikalen Faustschlag jedoch schon. Zumindest mein Erfahrungswert. Kein Wunder. Vertikal (http://de.wikipedia.org/wiki/Vertikale) ist ja auch ein Aufwärtsschlag. :D
Aber ich verstehe auch so, was du meinst. Meiner Meinung nach liegt das aber 100% an der Ausführung. Wenn beide richtig ausgeführt werden, mit vollem und vor allem richtigen (System richtig!) Körpereinsatz sowie der passenden Distanz, wird es meiner Erfahrung nach nicht viel Unterschied geben. Das muss aber geübt werden. Der Haken ist nur schneller und leichter zu lernen. Weil weniger an der Körpermechanik gearbeitet werden muss. Macht also für SV-Systeme mehr Sinn.


Vorher. Nicht dabei. Aber lang vorher und nicht erst wenn einer vor mir steht.
Das macht Taktik ja eben aus. Sie bestimmt mein bevorzugtes Verhalten ohne mich davon frei zu sprechen, auch andere Lösungen zu berücksichtigen wenn sie notwendig sein sollten.Die Frage bleibt: Warum? Warum sollte ich mir vorher taktische Gedanken machen? Wenn es knallt, dann knallt es. Ob ich mir da nun taktische Gedanken zu gemacht habe oder nicht.
Allerdings:
Wenn ich mir vorher ein taktisches Vorgehen überlege, dann schränke ich mich doch in meinen Möglichkeiten ein? Rene bringt es hierfür gut auf den Punkt, wenn er sagt:
Ich muss mir also vorher gut überlegen was ich bei wem wie mache.
Läuft das dann nicht auf das übliche "Macht er dies, mach ich das" hinaus?
Das wäre aus meiner Sicht ein fataler Fehler. Ich kann, nein ich muss auf den Gegner reagieren. Darauf was er tatsächlich tut, nicht auf das, was er vllt. tun könnte.

Oder meinst du evtl. Dinge wie Übersicht oder die vielbeschworene Awareness? Das wäre für mich keine taktische Überlegung sondern simpler gesunder Menschenverstand.
Vllt. sehe ich das ganze ja auch zu sehr aus einem persönlichen Blickwinkel und mir erschließt sich deswegen der Sinn nicht ganz hinter deinen Aussagen.

StaySafe
29-12-2014, 14:45
Aber ich verstehe auch so, was du meinst. Meiner Meinung nach liegt das aber 100% an der Ausführung. Wenn beide richtig ausgeführt werden, mit vollem und vor allem richtigen (System richtig!) Körpereinsatz sowie der passenden Distanz, wird es meiner Erfahrung nach nicht viel Unterschied geben. Das muss aber geübt werden. Der Haken ist nur schneller und leichter zu lernen. Weil weniger an der Körpermechanik gearbeitet werden muss. Macht also für SV-Systeme mehr Sinn.

Mein Reden. Einfacher, schneller, (durchschnittlich) mehr Power...


Die Frage bleibt: Warum? Warum sollte ich mir vorher taktische Gedanken machen? Wenn es knallt, dann knallt es. Ob ich mir da nun taktische Gedanken zu gemacht habe oder nicht.

Weil es Sinn macht einen groben Fahrplan zu haben und ungefähr zu wissen wo ich hin will wenn es knallt ?


Wenn ich mir vorher ein taktisches Vorgehen überlege, dann schränke ich mich doch in meinen Möglichkeiten ein?
Läuft das dann nicht auf das übliche "Macht er dies, mach ich das" hinaus?

Nein. Weder das eine noch das andere.


Das wäre aus meiner Sicht ein fataler Fehler. Ich kann, nein ich muss auf den Gegner reagieren. Darauf was er tatsächlich tut, nicht auf das, was er vllt. tun könnte.

Sicher richtig ist, dass ich reagieren können muss. Aber gerade deshalb schaut man sich an was insgesamt möglich und was sehr wahrscheinlich ist. Das heißt nicht dass man sich selbst auf eine im Vorfeld bestimmte und festgelegte Auswahl an möglichen Angriffen und Reaktionen beschränkt, sondern einfach versucht die Sache etwas zu ordnen.

Wenn ich bspw. anerkenne, dass der weit ausgeholte, mit nach vorn geneigtem Oberkörper ausgeführte, rechte Schwinger immer noch der häufigste zu beobachtende Angriff ist, dann stimme ich doch mein Training (zumindest für den Anfänger) mal sehr stark darauf ab. Natürlich ohne andere, aber eben weniger wahrscheinliche (Schlag)manöver außen vor zu lassen.

Das sind bereits taktische Überlegungen die durchaus Sinn machen.

Oder die im Video angesprochene Manipulation des Gegenüber um Schwachstellen (offener Mund durch reden - dadurch verbesserte KO Chancen bei Erstschlag) zu erzeugen.

Letztlich ist es doch so, dass "Lücken" mehr gemacht als einfach so gefunden werden. Ist im Sparring ja nichts anderes.


Oder meinst du evtl. Dinge wie Übersicht oder die vielbeschworene Awareness? Das wäre für mich keine taktische Überlegung sondern simpler gesunder Menschenverstand.

Awareness ist tatsächlich gesunder Menschenverstand und keine besondere Taktik. Man kann dann noch gezielt schulen, worauf man vlt. achten sollte (Check der Hosentaschen nach Messerclips, Position der Hände, etc.)
Aber darum gings mir nicht.



Vllt. sehe ich das ganze ja auch zu sehr aus einem persönlichen Blickwinkel und mir erschließt sich deswegen der Sinn nicht ganz hinter deinen Aussagen.

Das wirds sein.

Rene
29-12-2014, 15:58
Rene bringt es hierfür gut auf den Punkt, wenn er sagt:
Läuft das dann nicht auf das übliche "Macht er dies, mach ich das" hinaus?

Nein, denn dann ist es keine Erstschlag-Überlegung mehr, sondern man reagiert auf Reize in der Vorkampfphase, die man selbst vorher festgelegt hat, bspw. "Schubst er mich, rede ich, greift er mich, schlage ich".

Erstschlag heißt für mich, ich gebe ihm oder ihnen nicht die Zeit, ihr "Prozedere" durchzuführen, sondern treffe kurzfristig und nach Ansicht meines/er Gegner die Entscheidung, wie ich wen Angreife, wie mein Fluchtweg ist oder welche Position ich als sicheren Rückzugsort erreichen will. Alles nach dem Erstschlag ist Kampf und dessen Verlauf dann letztendlich den Fähigkeiten und dem jeweiligen Glück geschuldet.

Wir trainieren sowas auch gezielt in Szenerien 1/3 oder 1/4. Je nach dem, viele Leute zur Verfügung stehen.

krav maga münster
29-12-2014, 16:27
Die Frage bleibt: Warum? Warum sollte ich mir vorher taktische Gedanken machen? Wenn es knallt, dann knallt es. Ob ich mir da nun taktische Gedanken zu gemacht habe oder nicht....

...Allerdings:
Wenn ich mir vorher ein taktisches Vorgehen überlege, dann schränke ich mich doch in meinen Möglichkeiten ein?
Hallo Alex,
es geht in der taktischen Überlegung u.a. darum in der Deeskalationsphase einen "Anker" zu setzen und dann entsprechend des weiteren Verlaufes (verbal/nonverbal) darauf zu reagieren.

Gruß Markus

Alex R.
30-12-2014, 02:44
Mein Reden. Einfacher, schneller, (durchschnittlich) mehr Power... Einfacher auf jeden Fall, da der Haken auf der natürlichen Bewegungsmechanik beruht. Dagegen ist der Fauststoß ein schwieriges Ding, da er die gesamte Körpermechanik beeinflusst und verändert.
Schneller zu lernen ebenfalls aus o.a. Gründen.
Mehr Power? Darüber ließe sich streiten. Wie schon erwähnt: Unter der Bedingung das beides gleich gut erlernt wurde, sehe ich keine großen Unterschiede zwischen den beiden Methodiken.

BTW: Ich muss dich sogar um Entschuldigung bitten für meine flapsige Bemerkung über den vertikalen Fauststoß. Mir ist eingefallen, dass der auch im Training immer so genannt wurde, da nicht die Bewegung sondern die Haltung der Faust damit gemeint ist. Und die steht natürlich im Wing Chun vertikal, also senkrecht zum Boden. Asche auf mein Haupt.


Weil es Sinn macht einen groben Fahrplan zu haben und ungefähr zu wissen wo ich hin will wenn es knallt ? Ich weiß auch so, wo ich hin will. Nach Hause zu Frau und Kindern. Das dann bitte möglichst unbeschadet. Ergo muss der Gegner so schnell und hart wie möglich weg. Dafür mache ich mir aber keinen Fahrplan. Der kriegt je nach Bedarf eins in die Fresse. Wie ist mir scheißegal. Das ergibt sich für mich instinktiv aus seinem Angriff.


Sicher richtig ist, dass ich reagieren können muss. Aber gerade deshalb schaut man sich an was insgesamt möglich und was sehr wahrscheinlich ist. Das heißt nicht dass man sich selbst auf eine im Vorfeld bestimmte und festgelegte Auswahl an möglichen Angriffen und Reaktionen beschränkt, sondern einfach versucht die Sache etwas zu ordnen.

Wenn ich bspw. anerkenne, dass der weit ausgeholte, mit nach vorn geneigtem Oberkörper ausgeführte, rechte Schwinger immer noch der häufigste zu beobachtende Angriff ist, dann stimme ich doch mein Training (zumindest für den Anfänger) mal sehr stark darauf ab. Natürlich ohne andere, aber eben weniger wahrscheinliche (Schlag)manöver außen vor zu lassen. Verstehe. Und so langsam wird mir auch das Verständnis-Dilemma deutlich. Du bist Trainer, ich bin Nutzer. Daraus ergibt sich auch die unterschiedliche Herangehensweise.


Letztlich ist es doch so, dass "Lücken" mehr gemacht als einfach so gefunden werden. Ist im Sparring ja nichts anderes. Ich verstehe zwar nicht, warum du Lücken in "" setzt, da es ja tatsächlich Deckungslücken sind. Aber das ist ja auch nicht weiter wichtig. Ja, es werden Lücken geschaffen, aber oft ergeben sich Lücken auch durch Fehler des Gegners, hängende/nicht vorhandene Deckung wäre hier als oft erlebtes Beispiel zu nennen.
Wie da jetzt die statistische Verteilung ist entzieht sich meiner Kenntnis, ist mir persönlich aber auch relativ egal. Ist eine da, werde ich versuchen, meinen nächsten Treffer dort anzubringen. Ob die jetzt vom Himmel fällt, durch Beten auftaucht, ich eine reißen kann oder weil der Gegner zu dumm für eine ordentliche Deckung ist.


Awareness ist tatsächlich gesunder Menschenverstand und keine besondere Taktik. Man kann dann noch gezielt schulen, worauf man vlt. achten sollte (Check der Hosentaschen nach Messerclips, Position der Hände, etc.)
Aber darum gings mir nicht.Worum dann?


Das wirds sein.
Ich wiederhole mich zwar, aber ich glaube das Problem liegt eher an dem bereits oben Beschriebenen. Du lehrst, ich nicht, sondern nutze es nur. Du musst das ganze ein wenig theoretischer aufziehen, da das von einem Trainer erwartet wird. Du musst Dinge in Worte gießen, die ich mittlerweile instinktiv tue.
Mir fällt auf, dass mir bedingt durch den Job viele Dinge automatisiert und instinktiv von der Hand gehen, an denen sich ihr SV-Experten (nicht abwertend gemeint) stunden- und seitenlang drüber auslassen könnt. Deswegen wahrscheinlich auch meine Verwunderung über sowas wie "taktische Überlegung", Awareness und Co. Mir sind die Dinge nicht auf dem Silbertablett serviert worden (in Form eines SV-Kurses), sondern ich habe sie mir erarbeitet. An der Tür, im Bierzelt, auf Veranstaltungen. Bin halt nur ein stumpfer Security.


Hallo Alex,
es geht in der taktischen Überlegung u.a. darum in der Deeskalationsphase einen "Anker" zu setzen und dann entsprechend des weiteren Verlaufes (verbal/nonverbal) darauf zu reagieren.
Das wiederum kann ich verstehen und sogar nachvollziehen. Das wäre dann sowas wie das berühmte "Bis hierher und nicht weiter", korrekt?

krav maga münster
30-12-2014, 14:14
Das wiederum kann ich verstehen und sogar nachvollziehen. Das wäre dann sowas wie das berühmte "Bis hierher und nicht weiter", korrekt?
Es geht darum Menschen die kaum bis keine Erfahrung mit Gewalt haben in ihrer mentalen Einstellung zu unterstützen.

Angst in ein für den Kampf "bessere" Emotion zu verändern, wie z.B. Wut.

Dafür braucht man einen "Anker"!

Man reagiert auf bestimmte Sätze (die eigenen wie auch fremden), bestimmte Mimik/Gestik, Geräusche etc....also einen bestimmten "Trigger".

Oftmals erkennt man auch, das die Situation sich durch viel Reden entspannen lässt, also sich von allein runterschraubt fernab der ganzen Deeskalation.

Gruß Markus

Alex R.
31-12-2014, 02:42
Also exakt das, was ich mir erarbeiten musste. Immerhin war es dadurch kostenfrei. :D
Danke für die Info.

krav maga münster
31-12-2014, 03:05
Nicht nur du, ich war auch 10 Jahre an der Tür aber die Erfahrung wird einem ja hier im Forum schnell abgesagt. ;)

Gruß Markus

bilbo
31-12-2014, 12:01
gelöscht

Culture
07-01-2015, 12:36
Hallo zusammen,

Aus aktuellem Anlass beschäftigt mich genau diese Frage.
Am Montag nach dem Training kam ich zu Bahnhaltestelle. Auf der anderen Seite der Haltestelle klirrte plötzlich eine Bierflasche auf den Boden. Als ich rüberschaute sah ich wie ein Typ ein Frau auf übelste Weise beschimpfte.
Sonst war niemand an der Haltestelle.
Dann bin rüber zu dem Typ. Ihm habe ich gesagt dass er verschwinden solle. Die Frau gefragt was los ist.

Die beiden kannten sich nicht. Er hat sie einfach grundlos beleidigt.
Als ich dann da war hat er sich auf mich konzentriert.
Er hat mir ein paarmal vor die Füße gespuckt mich auf übelste beleidigt und sich einmal bis auf ein Meter genähert.
Ich hab ihm gesagt er soll verschwinden und ich glaube dass ich äußerlich sehr ruhig geblieben.

Naja dann kam die Straßenbahn. Die Bahn war voll. Die Frau ist hinten eingestiegen, wo andere Leute saßen. Der Typ vorne.

Daraufhin habe ich mit dem Handy die Polizei gerufen und den Vorfall so geschildert.

Gestern war ich dann bei der Polizei. Für die ist das nur eine Beleidigung; keine Bedrohung, weil er nicht zu mir gesagt hat, dass er mich schlagen will.
Mich mich war das eine klare Bedrohungssituation.

Hätte ich den Typen körperlich angegangen hätte ich jetzt das Verfahren am Hals.
Ich muss dazu sagen, dass ich ihn mit meiner Technik nur hätte ummähen können. Mit Sicherungsgriffen kenn ich mich zu wenig aus.


Meine Fragen dazu:
Hättet ihr anders gehandelt als ich?
Ist die rechtliche Einschätzung der Polizei richtig?

Der Typ wurde nicht gefasst. Welch Wunder.

Axel_C_T
07-01-2015, 12:56
Hallo zusammen,

Aus aktuellem Anlass beschäftigt mich genau diese Frage.
Am Montag nach dem Training kam ich zu Bahnhaltestelle. Auf der anderen Seite der Haltestelle klirrte plötzlich eine Bierflasche auf den Boden. Als ich rüberschaute sah ich wie ein Typ ein Frau auf übelste Weise beschimpfte.
Sonst war niemand an der Haltestelle.
Dann bin rüber zu dem Typ. Ihm habe ich gesagt dass er verschwinden solle. Die Frau gefragt was los ist.


Erstmal: Respekt vor deiner Zivilcourage.




Die beiden kannten sich nicht. Er hat sie einfach grundlos beleidigt.
Als ich dann da war hat er sich auf mich konzentriert.
Er hat mir ein paarmal vor die Füße gespuckt mich auf übelste beleidigt und sich einmal bis auf ein Meter genähert.
Ich hab ihm gesagt er soll verschwinden und ich glaube dass ich äußerlich sehr ruhig geblieben.

Naja dann kam die Straßenbahn. Die Bahn war voll. Die Frau ist hinten eingestiegen, wo andere Leute saßen. Der Typ vorne.

Daraufhin habe ich mit dem Handy die Polizei gerufen und den Vorfall so geschildert.

Gestern war ich dann bei der Polizei. Für die ist das nur eine Beleidigung; keine Bedrohung, weil er nicht zu mir gesagt hat, dass er mich schlagen will.
Mich mich war das eine klare Bedrohungssituation.

Hätte ich den Typen körperlich angegangen hätte ich jetzt das Verfahren am Hals.
Ich muss dazu sagen, dass ich ihn mit meiner Technik nur hätte ummähen können. Mit Sicherungsgriffen kenn ich mich zu wenig aus.


Meine Fragen dazu:
Hättet ihr anders gehandelt als ich?
Ist die rechtliche Einschätzung der Polizei richtig?


Naja, es ist erstmal egal, wie die Polizei so eine Situation rechtlich einschätzt. Wichtiger ist Staatsanwaltschaft bzw. Gericht. Eine rechtliche zuverlässige Würdigung kann durch die Polizei - außer die haben einen Juristen - nicht erfolgen.

Wobei ich die Situation aufgrund deiner Schilderung als kritisch ansehe. Die Annäherung auf einen Meter ist ja schon gefährlich.

Ich persönlich denke, du hast schon das richtige getan.

Bero
07-01-2015, 13:49
Naja, es ist erstmal egal, wie die Polizei so eine Situation rechtlich einschätzt. Wichtiger ist Staatsanwaltschaft bzw. Gericht. Eine rechtliche zuverlässige Würdigung kann durch die Polizei - außer die haben einen Juristen - nicht erfolgen.

Wobei ich die Situation aufgrund deiner Schilderung als kritisch ansehe. Die Annäherung auf einen Meter ist ja schon gefährlich.


Sagen wir es doch ganz ehrlich, Recht haben und Recht bekommen sind nun einmal zwei verschiedene Sachen.

Wenn ich mich Verteidige sitze ich nun einemal mit einer Backe auf der Anklagebank, dessen muss ich mir einfach bewusst sein.
Mit dieser Tatsache im Vorfeld meinen "Frieden" zu machen, ist meiner Meinung nach ein essentieller Faktor im SV-Mindsetting.

Wenn ich mir während der Situation die ganze Zeit Gedanken machen, was mir alles so strafrechtlich passieren kann, werde ich wahrscheinlich zögern und in folge dessen den kürzeren ziehen.

Man sollte sich schon vorher bewusst machen ob man tatsächlich bereit ist zu handeln und die daraus resultiernden, möglichen konsequenzen zu tragen oder eher nicht.
Wenn nicht, sollte ich in manchen Fällen wohl eher von der Verteidigung absehen.

Wie schnell man sich auf der falschen Seite des Richtertisches wiederfinden kann, konnte man in letzten Jahr bei einem Szenario der SV-Arge erleben.

Da wurde ein Fall von Selbstverteidigung incl. Gerichtsverhandlung (mit echten Polizisten, Anwalt, Staatsanwalt, Richter) durchgespielt und der Verteidiger wurde nur mit viel Glück und eher aus mangel an Beweisen freigesprochen.

hand-werker
07-01-2015, 14:22
@ bero: hast du da was konkretes zu?

Bero
07-01-2015, 14:43
@ bero: hast du da was konkretes zu?

Also es gab man ne bebilderte Kurzbeschreibung auf der Arge-Facebookseite, die find ich jetzt aber nicht mehr.
Evtl. gibt es auch einen Artikel in nem JJ-Journal des DJJV, da bin ich aber überfragt.

Ich selbst hab mir das mal von einem der Teilnehmer des Szenarios schildern bzw. zeigen lassen.

War ne sehr interessante Geschichte, vor allem weil alle Beteiligten aus der Praxis kamen und man sich wirklich viel Mühe gegeben hat, ein äußerst realistisches Szenario zu schaffen.

Der Vorfall wurde zunächst 1 zu 1 "gespielt" (incl. Zeugen), aufgenommen, vor „Gericht“ verhandelt und letztendlich durch eine nachträgliche Videoanalyse mit allen Beteiligten, analysiert.

Interessant dabei ist, dass Richter und Staatsanwalt gesagt haben, hätten sie das Video bei der Verhandlung gesehen, wäre der Verteidiger nach gängigem „Prozessalltag“ wohl verurteilt worden, trotz klarer Notwehrsituation.

Eskrima-Düsseldorf
07-01-2015, 14:54
Ich muss dazu sagen, dass ich ihn mit meiner Technik nur hätte ummähen können. Mit Sicherungsgriffen kenn ich mich zu wenig aus.


Ja, aber wenn Du einem untrainierten - der so etwas nicht kennt - einen Lowkick gibst hat er auch keinen bleibenden Schaden, der wird eine Woche nur unter Schmerzen laufen können aber immerhin besser als ein Flying Knee ;)

Was die restliche Situation angeht - ich glaube Du hast alles richtig gemacht.

Grüße
Chrsitian

Culture
07-01-2015, 15:22
Ich hatte mit mir selber abgemacht, dass wenn er mich anspuckt, es für mich kein Halten mehr gibt. Jab, Jab, Cross, Lowkick.

Nachdem ich alleine war, habe ich jedoch gemerkt, dass mir schon leicht die Knie schlottern und geatmet, habe ich auch nicht richtig.


Die Sache beschäftigt mich sehr. Noch dazu hatte ich vor Weihnachten eine ähnliche Situation, wo ich meine Mitfahrer (Mitfahrgelegenheit) vom Bahnhof abholen wollte. Ein Betrunkender hatte die beiden, ein Päarchen rassistisch beleidigt. Das hat mich so wütend gemacht.

Davor ist Jahre nichts passiert. Mein inneres Gerechtigkeitsempfinden sagt eigentlich die hätten beide auf die Fresse verdient!
Sorry :(

Axel_C_T
07-01-2015, 15:30
Mein inneres Gerechtigkeitsempfinden sagt eigentlich die hätten beide auf die Fresse verdient!
Sorry :(

Ich kann verstehen, dass man in so einer Situation wütend wird. Doch was "bringt" es einem, außer dass man sein Gefühl auslebt?

In einer körperlichen Auseinandersetzung kann man nur verlieren, aber nichts gewinnen. Oder glaubt ihr, dass jemand, der einen auf die Fresse bekommen hat, dadurch erzogen wird?

Deswegen finde ich es so wichtig, dass zur Selbstverteidigung mehr gehört als zu kämpfen. Deeskalation, ein Auge dafür, wann es wirklich zum Kampf kommt.

Axel_C_T
07-01-2015, 15:34
Sagen wir es doch ganz ehrlich, Recht haben und Recht bekommen sind nun einmal zwei verschiedene Sachen.

Wenn ich mich Verteidige sitze ich nun einemal mit einer Backe auf der Anklagebank, dessen muss ich mir einfach bewusst sein.
Mit dieser Tatsache im Vorfeld meinen "Frieden" zu machen, ist meiner Meinung nach ein essentieller Faktor im SV-Mindsetting.


Ja, ich glaube auch, dass Recht haben und Recht bekommen verschiedene Dinge sind. Aber die Chancen, dass es auch rechtlich ordentlich läuft, kann man durch ... ich nenne es SV-Plan (Einschätzung der Situation, Deeskalation, Flucht...) erhöhen.

m.l.l.
07-01-2015, 15:47
[...]
In einer körperlichen Auseinandersetzung kann man nur verlieren [...].

Z. B. Aggressionen. :p

Alex R.
07-01-2015, 15:48
Ihr kommt grad ein bisschen arg weit weg vom eigentlichen Thema.

StaySafe
07-01-2015, 16:07
Ich selbst hab mir das mal von einem der Teilnehmer des Szenarios schildern bzw. zeigen lassen.

War ne sehr interessante Geschichte, vor allem weil alle Beteiligten aus der Praxis kamen und man sich wirklich viel Mühe gegeben hat, ein äußerst realistisches Szenario zu schaffen.

Der Vorfall wurde zunächst 1 zu 1 "gespielt" (incl. Zeugen), aufgenommen, vor „Gericht“ verhandelt und letztendlich durch eine nachträgliche Videoanalyse mit allen Beteiligten, analysiert.

Sehr gute Sache sowas!!!
Wenn man sowas auch im regulären (SV) Training bearbeiten will ohne ein so großes und aufwändiges Programm zu fahren (was ich aber hin und wieder absolut befürworte!), kommt man auch schon weit, wenn man die Trainierenden nach einer Aktion "interviewt".

Das kann z.b. sehr lebensnah durch Trainierende passieren, die bpsw. im Polizeivollzugsdienst arbeiten oder durch andere Mitglieder denen man eine Hilfestellung (Fragen auf einer Karte) an die Hand gibt.

Meiner Meinung nach, führt dass zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und ist ein wichtiger Baustein für realitätsbezogenes Training.


Interessant dabei ist, dass Richter und Staatsanwalt gesagt haben, hätten sie das Video bei der Verhandlung gesehen, wäre der Verteidiger nach gängigem „Prozessalltag“ wohl verurteilt worden, trotz klarer Notwehrsituation.

Auch ohne Video ist das leider (gerade bei Erstinstanzentscheidungen) wirklich die Regel. Hundertfach erlebt. Ebenso wie die oftmals völlige Ahnungslosigkeit von Richtern (und auch Staatsanwälten) in Bezug auf Gewalt.

Culture
07-01-2015, 17:49
Ich muss sagen, ich war immer überzeugt, dass der Erstschlag unter bestimmten Bedingungen erlaubt, d.h. nicht strafrechtlich verfolgt wird.

Danke Euch

Bero
07-01-2015, 18:11
Ich muss sagen, ich war immer überzeugt, dass der Erstschlag unter bestimmten Bedingungen erlaubt, d.h. nicht strafrechtlich verfolgt wird.


Ist er ja auch, deshalb gilt aber trotzdem der Spruch: "Recht haben und Recht bekommen."
Der Erstschlag kann einem nun einmal sehr schnell negativ Ausgelegt werden. Vor allem weil Zeugen meist nur: "Erster Schlag = Aggressor" sehen.

Um so wichtiger ist es, seiner Umwelt ganz klar zu signalisieren: "Ich bin hier das Opfer! Ich will das nicht!"


Ja, ich glaube auch, dass Recht haben und Recht bekommen verschiedene Dinge sind. Aber die Chancen, dass es auch rechtlich ordentlich läuft, kann man durch ... ich nenne es SV-Plan (Einschätzung der Situation, Deeskalation, Flucht...) erhöhen.

Hab ja auch nie was gegenteiliges gesagt, natürlich soll man alles daran setzen, die Rollenverteilung (Gut/Böse) klar kenntlich zu machen.

Trotzdem, es ist meiner Meinung nach essentiell sich vorher darüber im klaren zu seien, dass man sich mit der Verteidigung auch juristische Probleme einhandeln kann.

Das meint ja "Seinen Frieden damit machen.", wenn ich mich entschließe mich zu verteidigen, so muss ich dieses Risiko eben von vorne herein in Kauf nehmen und akzeptieren, sonst hemmt es mich wahrscheinlich.



Meiner Meinung nach, führt dass zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und ist ein wichtiger Baustein für realitätsbezogenes Training.

+1
Hab an solchen Sachen selbst schon teilgenommen (teilweise mit Filmen) und es sind wirklich extrem eindringliche Augenöffner.

Da mal nen Blick von Außen und sei es nur durch andere Teilnehmer als Beobachter zu haben, ist enorm hilfreich.


Auch ohne Video ist das leider (gerade bei Erstinstanzentscheidungen) wirklich die Regel. Hundertfach erlebt. Ebenso wie die oftmals völlige Ahnungslosigkeit von Richtern (und auch Staatsanwälten) in Bezug auf Gewalt.

Es war ja so, dass der Angeklagte (der sich bzw. seine Freundin) verteidigt hat, in der "Verhandlung" wirklich in erster Linie in dubio pro reo Freigesprochen wurde.

Nachdem sich Anwalt, Staatsanwalt, Strafrichter (waren sie ja im echten Leben wirklich) das Video nach der Verhandlung angesehen haben sagten sie, dass der Angeklagte wohl verurteilt worden wäre, hätte das Material im Prozess vorgelegen.

Ich schreib mal Carsten an, ob da noch was zugänglich ist, interessiert mich gerade selbst noch mal.

So genug OT, sorry Alex R.;)

Gerar
07-01-2015, 18:33
Hier auch was vom Lee zum Thema Erstschlag

https://www.youtube.com/watch?v=u1Fl_l9SUfs

https://www.youtube.com/watch?v=3gPCkumDmiI

bilbo
07-01-2015, 18:49
gelöscht

Alex R.
07-01-2015, 19:05
So genug OT, sorry Alex R.;)

Nicht falsch verstehen, denn für sich genommen ist das durchaus sehr interessant. Hat nur leider nix mit dem Thema hier zu tun. Wenn ihr wollt, kann ich das nachher mal auslagern zur weiteren Diskussion.

Hau.drauf.wie.nix
07-01-2015, 22:54
Nun die Frage – kann das überhaupt funktionieren?

Klar, warum nicht



Wenn jemand zuerst angreift bevor der eigentliche „Angreifer / Aggressor“ angreift – ist er doch eigentlich der Täter, oder?

Wurde ja schon drauf eingegangen, kommt auf die Situation an


Und wenn man „wartet“ bis es wirklich zu einem Angriff kommt (muss ja nicht immer der Fall sein) – kann man dann überhaupt noch schneller den Angreifer treffen – immerhin hat er ja einen Vorsprung? Oder Schlägt man nur noch mit?

Edit - Ich erweitere die Frage mal noch: Kann bei Erstschlagkonzepten – Deeskalation überhaupt noch eine Thema sein?

Klar kann und sollte Deeskalation ein Thema sein, genauso wie in den meisten anderen Situationen (außer natürlich der berühmte psychopathische KKB-Messerstecher, der einfach alles zerhäckselt, rennt mit einem Urschrei auf dich zu).
Ausschlaggebend für einen Angriff meinerseits ist die Kampfentfernung. Kann ich aus seiner draußen bleiben, alles gut. Muss ich sie gezwungenermaßen betreten - Angriff!
Es gibt zwei Arten von Situationen:
1. Mit relevanten Zeugen (damit meine ich nicht deren Kumpels, die sowieso für deine Gegner aussagen würden)
2. ohne Zeugen.

Befinde ich mich in der ersten von beiden, MUSS ich für alle Umstehenden deutlich erkennbar und hörbar deeskalierend vorgehen - zurückweichen, ruhig bleiben (nicht auf provokante Art) und deutlich sagen, dass man keinen Ärger möchte und bitte Abstand eingehalten wird, da man Angst hat :D. Somit ist die Situation für sämtliche Zeugen klargestellt und wenn´s knallt, werden die wohl sagen müssen, dass du alles getan hast, es zu vermeiden.

Befinde ich mich in der zweiten Situation, alles egal. Solang du gewinnst und denen nicht gerade deinen Ausweis mitgibst... Selbst wenn dich zehn Mann mit Morgensternen, Ketten und Hellebarden angreifen und du alle umhaust, werden die vor Gericht sagen, dass du wie eine Furie einfach so, ganz ohne Grund, auf sie losgegangen bist. :rolleyes:
Daher: am besten so schnell und hart umhauen, dass sich keiner mehr an dich erinnern kann :D+

PS: Ich gehe von einer echten Bedrohung und nicht einem betrunkenen Pöbler aus, der sich nicht richtig auf den Beinen halten kann und einen vollsülzt (der an sich auch für jeden, der sich etwas auskennt, eine Lachnummer ist).

Promille Prolet
08-01-2015, 04:07
Die beiden kannten sich nicht. Er hat sie einfach grundlos beleidigt.
Als ich dann da war hat er sich auf mich konzentriert.
Er hat mir ein paarmal vor die Füße gespuckt mich auf übelste beleidigt und sich einmal bis auf ein Meter genähert.


Die Annäherung ist sicher sehr bedrohlich, aber ich würde da genau keinen Erstschlag versuchen.
Was spricht zum Beispiel dagegen, die Distanz einfach wieder zu vergrößern, zumindest wenn es das Gelände erlaubt? Wenn er nachrückt und sich wieder vor mir aufbaut, ohne was zu tun, von mir aus auch noch ein zweites Mal. Das sieht dann auf den Smartphonevideos schon mal gleich viel besser aus.

Ich verstehe, dass die Frau in der Begebenheit zu einem VIP geworden ist, aber deswegen ist sie immer noch nicht meine Freundin oder Oma. Und wenn der Agressor auf die Weise vom VIP abrückt, ist das auch nicht schlecht. Und wenn er sich dann wieder ihr zuwendet, hat er mich unbeobachtet im Rücken-ziemlich blöd. Was meint ihr?

Bero
08-01-2015, 10:53
Die Annäherung ist sicher sehr bedrohlich, aber ich würde da genau keinen Erstschlag versuchen.
Was spricht zum Beispiel dagegen, die Distanz einfach wieder zu vergrößern, zumindest wenn es das Gelände erlaubt? Wenn er nachrückt und sich wieder vor mir aufbaut, ohne was zu tun, von mir aus auch noch ein zweites Mal.

Dagegen spricht zunächst einmal absolut nichts aber rechtlich muss ich es halt auch nicht.

„Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“ heißt es dazu so schön vollmundig und was ist, wenn der Bösewicht wieder nachrückt?

Natürlich ist es in der Regel angebracht erst einmal den „Sicherheitsabstand“ wiederherzustellen aber es gibt auch Situationen, wo ein direktes Umnatzen eine weit bessere Alternative darstellt.
Für manche Aggressoren ist dieses zurückweichen der Trigger den sie brauchen, um loszulegen, da knallt es besser gleich, so lange ich noch die Initiative habe.

Jeder Mensch hat definierte Zonen (die je nach Gesellschaft unbewusst auf den Millimeter eingehalten werden) und ein bewusstes/vermeidbares Eindringen in die Persönlich- oder gar Intimstzone ist schon einmal per se Bedrohlich.

Hier kommen wir auch schon wieder zum Hauptproblem bei der SV, sie ist immer so unterschiedlich, wie die daran beteiligten Menschen und entsprechend kann man immer schlecht sagen: „Genauso musst du dich Verhalten, nur das ist richtig!“.

Generell ist es immer besser auf Distanz zu bleiben aber wenn man sowieso das Gefühl hat: „Gleich knallt es“, warum warten?
Wenn der andere, vielleicht sogar ohne adäquate Eigensicherung die Distanz schließt (typisches Arme zur Seite gestreckt – Brust raus – Kinn hoch – „Was willst du!“ – Masche), na dann nehme ich das Geschenk doch gerne an.

Sehe ich deswegen vielleicht wie der Täter aus? Kann ich deswegen juristischen Ärger bekommen? Klar und ob!
Deswegen sollte man sich mir dieser Fragestellung schon mal beschäftigen, bevor man überhaupt in eine solche Situation kommt.
„Was bin ich bereit zu tun, wie weit zugehen und bin ich auch bereit, die möglichen Konsequenzen zu tragen?“, dass sollte sich jeder mal für sich durch den Kopf gehen lassen.

Ich weiß, dass ist alles leichter gesagt als getan aber auch so kann man an seinem Mindsetting arbeiten, einfach indem man sich selbst Referenzpunkte setzt und sich mit seinen Ängsten/Sorgen/Befürchtungen vorher schon mal beschäftigt.

Wenn man das dann noch im Training durch Szenarion/Übungen thematisiert und sich auch noch die von Stay-Safe beschriebene Außenperspektive dazu einholt, hat man eigentlich schon gut was für seine Wehrhaftigkeit getan.

Aber um nochmal auf das Thema „Erstschlag“ an sich zurückzukommen. Das ist uns gut sozialisierten Menschen die wir ja in der Regel sind, sehr schwer beizubringen.
Klar man kann es üben, trainieren aber ich werde erst Wissen ob ich es wirklich kann, wenn es mal soweit ist.

Das ist auch verständlich, wir sehen uns in der SV als „Verteidiger“, der andere ist der Aggressor.
Durch eine pre attack vertauschen wir in gewissem Sinne die Rollen, der andere hat sich vielleicht bedrohlich verhalten, uns beschimpft aber vielleicht wollte er nicht zuhauen.
Ja, vielleicht wollte er das tatsächlich nie, dass kann tatsächlich sein und wenn wir unsere Sache gut machen, werden wir es auch nie erfahren.
Das ist nun einmal der Knackpunkt beim „Erstschlag“ mit dem wir uns auseinandersetzen müssen und der selbigen nicht selten verhindert.

Darum ist es ja auch so wichtig, den Leuten ein gutes Distanz- und Abwehrverhalten beizubringen, einfach damit sie nach dem ersten Schlag überhaupt noch stehen und sich verteidigen können.

Man kann es nun einmal drehen und wenden wie man will, Angriff ist die beste Verteidigung und wer zuerst zuschlägt hat einen enormen Vorteil.

Das muss man sich klar machen und damit muss man arbeiten.

So Alex R., ich denke bevor das hier weiter OT geht, solltest du vielleicht verschieben.:rolleyes:

Rene
08-01-2015, 20:39
aber ich werde erst Wissen ob ich es wirklich kann, wenn es mal soweit ist

Ich les hier immer sowas wie, ich muss dies tun oder das tun, damit Zeugen erkennen, dass ich das Opfer bin. Ja und dann? Zieh ich dann mein Erstschlag Konzept durch? Mal ehrlich, was hast das mit Realität zu tun?

Ich behaupte, NIX. Und ich greif da auf eine ziemlich bewegte Vergangenheit zurück, in der ich in mehreren Gelegenheiten nicht auf eine Attacke gewartet habe. Die Frage, die sich in einer akuten Bedrohungslage (so dass man den Erstschlag als Option wählt) stellt, ist doch nicht, wie sieht das für Zeugen aus, selbst mit viel Training nicht. Wann fühlt man sich denn in der Not, dies vorzuziehen, wenn man nicht der Aggressor ist? Dann wenn man von einem oder mehreren Gegnern einen Angriff erwartet und auch kein Plan B (aka Fluchtweg/Rückzugsweg) bereit steht.

Und vor Gericht spielen viele Dinge eine Rolle. Unter anderem, wie glaubhaft das "Gefühl des bedroht seins" ist. Aber auch dass ist eine Frage, die in der praktischen Anwendung erst später stellt. In der Situation stellt die sich nicht. Da schaut man, wo die Gegner sind, wie kann ich mir Raum verschaffen und wie komm ich halbwegs gesund aus der Situation.

bilbo
09-01-2015, 06:57
gelöscht

Rene
09-01-2015, 10:14
Aber: man kann sich ja im Rahmen seines Trainings dennoch mit dem weiteren juristischen Werdegang eines solchen Falles auseinandersetzen, damit man sich besonders in den ersten Angaben nach dem "Vorfall" nicht unnötig rein reitet.
..
Ich finde es fahrlässig, wenn man sich nicht auch für alle Fälle juristisch den Rücken freihält. Auch das ist Selbst-Verteidigung.

Unbedingt. Ohne anschließende Auswertung macht so ein Training keinen Sinn.


Beispiel: sobald eine Waffe oder ein gefährlicher Gegenstand zur Verteidigung mit ins Spiel kommt, bin ich erstmal schnell Beschuldigter einer Gefährlichen Körperverletzung, obwohl ich mich vielleicht am Ende doch rechtmäßig gewehrt habe.

Ich werte das das Ziehen und deutliche Zeigen eines Messers, Schlagstocks oder einer anderen Waffe, die man mit sich mitführt, schon als eine Form der Selbstverteidigung. Das heißt ja nichts anderes als "Ich habe eine Gefahr erkannt und wehre mich aktiv". Ab hier greifen die Ratschläge zum Thema "Wie sieht das für Zeugen aus" wieder, aber auch, weil man mit dem Zeigen der Waffe seine Gegner beeinflussen will. Oder der Angriff erfolgt bereits und man wehrt sich durch das Ziehen und den Gebrauch der Waffe, dann ist es allerdings kein Erstschlag-Konzept mehr.

Aber, wenn wir im Erstschlag-Konzept bleiben und eine Waffe im Spiel haben, muss hier auch ein Training mit Waffen in der SV ansetzen. Es ist nicht zwingend nötig, mit eventuelle tödlichen Gebrauch eines Messers zu agieren (also z.B. stechen in den Körper, Hals oder Kopf), sondern zum Beispiel als "Türöffner" im Vorwärtsdrang durch gezielte Schnitte oder Stiche auf/in Arme und Beine in Verbindung mit Schläge dahin wo es passt, einen Durchbruch zu erreichen und sich in eine gute Flucht- oder Rückzugsposition zu bringen.

Denn das ist meiner Meinung nach das vorrangige Ziel der SV. Ich will nicht in der Situation sein, sondern mich ihr schadlos entziehen.


Die Wahrscheinlichkeit, bei Alkoholkonsum zur Blutprobe mitgenommen zu werden ist groß. In der ersten Wut, die man wohl immer noch hat, könnte man damit nicht einverstanden sein und u. U. Widerstand gegen Polizeibeamte leisten, usw.

Ja, das stimmt wohl. Ich kenne aber keine Trainingsform - ausser der Abstinenz-, die Menschen unter ausreichend Alkoholeinfluss Verstand wiedergibt. ;-) In nüchternen Zustand siehts anders aus. Wir haben relativ viele Polizisten im Verein, die ich hier um Beratung bitten kann. Ich setz aber grundlegend immer auf einen Ratschlag an unsere Teilnehmer. In dem Moment, in dem die Polizei da ist, hat die das Kommando über die Lage. Heißt Hände sichtbar nach unten, und versuchen die Kontrolle über den Kopf zu bekommen. Aber das ist auch wieder etwas wo man sich fragt, wie will man es trainieren. Sicher kann man ordentlich Druck aufbauen, wenn man in Szenerien trainiert, aber es ist und bleibt am Ende eine Fiktion.