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Vollständige Version anzeigen : bjj, gjj, mbjj, was sind die unterschiede?



Filzstift
01-01-2015, 15:59
Servus, ich hab hier und woanders ein bisschen herumgelesen (hat ja erst kürzlich einen thread gegeben aber den fand ich nicht hilfreich. Wenn nötig bitte einfach zusammenführen:) ) aber irgendwie keine klare Antwort gefunden. Was ist eigentlich der unterschied zwischen all den unterschiedlichen bjj lineages? Die erklarungen reichen von großem SV schwerpunkt (gracie), super komplizierte Techniken (machado), bis hin zu "alles das gleiche, nur Marketing und abgrenzungswut".
Gibts einen unterschied in Methode, techniken, Philosophie? Oder ist das ganze so undurchsichtig wie bei vielen chinesischen kks?

jkdberlin
01-01-2015, 16:15
Das wird schwer auf zu klären sein. Kommt nämlich neben vielen anderen Dingen immer auf den Standpunkt des Betrachters an. Manche Unterscheidungen sind marginal, andere können sehr groß sein. Ja, es gibt Unterschiede in Methoden, Philosophien und Techniken sowie deren Entwicklung. Die gibt es aber auch noch zwischen ganz anderen Schulen und Schulverbänden.
Und die Unterschiede zwischen all den Lineages raus zu arbeiten...das wird eine Menge Arbeit, zumal es dazu auch schon jede Menge Literatur gibt, aber sicher noch kein übergreifendes Werk.
Interessant dabei ist ja auch, dass sich die verschiedenen Linien ja ab und an dann doch wieder kreuzen, wieder zusammen oder/und auseinander gehen usw.
Das heißt, es kommt auch immer auf den Zeitpunkt der Betrachtung an.
Großer SV Schwerpunkt bei den Gracies? Naja, Gracie Barra ist eins der erfolgreichsten "Sport BJJ" Teams. "komplizierte Techniken bei den Machados"? Bei welchem der Brüder und deren Schulen?
Wie kleinmaschig ist die Matrix, durch die wir das betrachten? Denn auch die Schüler der Gracies, Machados und anderer Linien im BJJ sind ja meistens nicht neutrale Wesen, sie bringen immer auch ihre eigenen Erfahrungen und Auslegungen mit ins Training. Mein Training sieht anders aus als das meines Hauptinstructors, und auch anders als die Summe meiner BJJ Instructoren, da ich neben eigenen Erfahrungen ja auch mein Training im Luta Livre und im JKD mit einfließen lasse.
Spätestens ab diesem Punkt frage ich mich, in weit so eine Darstellung der Unterschiede ins kleinste Detail dann auch noch sinnvoll ist. Denn jede Schule, auch innerhalb eines Schulverbandes und sogar unter dem gleichen Lehrer, unterscheidet sich immer von den anderen.
Oder halt auch nicht, denn wenn man über diese vielen kleinen Dinge mal hinwegsieht ist es letztendlich auch nur Grappling...soweit mal ein kleines Brainstorming dazu...mal sehen, wie es weiter geht...

Björn Friedrich
01-01-2015, 16:41
Ich würde sagen, es gibt mehr verschiedene BJJ Stile, als es Namen gibt.:-)

BJJ ist ein lebendiges System, was extrem von individuellen Fähigkeiten, Charakterzügen, Zielsetzungen, usw. abhängt und meiner Meinung nach hat jeder gute Lehrer seinen eigenen Stil.

Als Anfänger muss man kopieren und wenn man BJJ nur so als Hobby macht, ist das kopieren des Lehrers und das Vertrauen zum Lehrer enorm wichtig, aber als Lehrer selbst, reicht es niemals nur den eigenen Lehrer zu kopieren und einfach das weiterzugeben, was man gelernt hat.

Leben ist Veränderung und die Erfahrung auf der Matte die man macht veranlasst einen dazu, bestimmte Dinge zu ändern. Das ist die Evolution des BJJ.

Ein "toter" Stil, bei dem es hauptsächlich um das Kopieren von Techniken geht und kaum Sparring gemacht wird, hat diese Veränderung weniger, weil es ja keine Grundlage für die Veränderung gibt. Das Rollen sorgt dafür, das man Dinge immer wieder anders wahrnimmt.

Royce Gracie unterricht komplett anders wie sein Bruder Rickson und Eddie Bravo macht anders BJJ als sein Lehrer Jean Jaques Machado, vollkommen normal.

Mein BJJ von 1995 war anders als das von 2005 und das von 2015 ist wieder komplett anders.

Für mich haben viele BJJ Stile kaum etwas gemeinsam. Klar auf den ersten Blick sind sich alle ähnlich, aber die Ideen und Feinheiten dahinter sind komplett verschieden.

Von daher ist es wirklich undursichtig, was aber nicht negativ gemeint ist, sondern einfach die Tatsache widerspiegelt das BJJ von jedem Lehrer weiterentwickelt wird.

Als Schüler muss man halt den Lehrer finden, der zu den eigenen Ideen einer Kampfkunst am besten passt......

chris87
02-01-2015, 07:07
Ein sehr interessantes Thema, wie ich finde! Danke an Frank und Björn für die gehaltvollen Beiträge!

Persönlich halte ich es, um zurück zum Ausgangspost zu gelangen, bezogen auf die Einordnung bzw. Abgrenzung diverser stilistischer Ausprägungen des JJ bzw. Grappling, mit den sog. universellen Filtern, wie sie Ryron und Rener für das JJ von GM Helio Gracie anführen. Diese wären nachfolgend..

survival mindset
d. h. zunächst Fokus auf Verteidigung, anstatt den Gegenüber dominieren zu wollen. "making sure not to lose, is victory in itself!" - Stichwort: "counter strategy"

Ausgangspunkt ist ein, anthropometrisch als auch vom konditionellen Profil her, überlegener Gegner. Der physisch Unterlegene unternimmt nicht den Versuch, seinem Gegenüber forcierend den eigenen Willen aufzuzwingen.

patience
Nach "weathering the storm" bzw. erfolgreicher Vereitelung der ersten Angriffswellen des Gegners, wird entweder auf Fehler gewartet, was entweder Achtsamkeit (v. a. Erkennen von Indikatoren) und Geduld erfordert oder auf höherem Niveau dazu führt, dass jener zu Fehlern verleitet wird, was entsprechendes taktisches Manövrieren voraussetzt. Stichwort: baiting, feinting, drawing, etc.

distance management for punch protection
d. h. in allen Positionen Schläge (impliziert auch die sog. "dirty tricks") und deren Vereitelung bzw. Verteidigung einkalkulieren (v. a. bottom-position). Stichwort: "all the way in or all the way out"

energy efficiency
d. h. wirtschaftliches bzw. ökonomisches Haushalten mit den limitierten konsumtiven Ressourcen. Stichwort: "pacing"

natural body movement
d. h. Techniken sollten in ihrer Wirkweise nicht prinzipiell auf extraordinärer Ausprägung konditioneller als auch koordinativer Faktoren beruhen oder gar jene als Voraussetzung zur effektiven Ausführung haben, wie beispielsweise großes Bewegungsausmaß (ROM), hoher Ausprägungsgrad der Maximalkraftkomponente, Schnellkraft, etc.

leverage based technique
bedarf keiner gesonderten Erläuterung, da Basis in allen Grappling- bzw. Kampfstilen!

scientific mindset
bedarf keiner gesonderten Erläuterung, da kreative und innovative Köpfe in allen Bereichen vorzufinden!

Es soll hierin keine Wertung gegenüber abweichenden Kampfstrategien anderer BJJ-Stilrichtungen oder Grapplingdisziplinen entnommen werden, die ebenso, wenn nicht sogar erfolgreicher (v. a. im sportiven Sinne) mit einer etwaig dominanteren, auf aggressiv ausgerichteter all-out (pacing) Strategie basierend und unter Einbeziehen erforderlicher konditioneller Parameter, agieren.

Man sollte nicht außer Acht lassen, dass top-control bzw. Dominanz ein erstrebenwertes (Etappen-)Ziel darstellt , insofern dies die äußeren Umstände zulassen!

Auch stellen die vorangegangenen Filter noch lange kein Alleinstellungsmerkmal des HG GJJ dar, sondern fungieren primär als Charakteristika in Abgrenzung zu anderen Herangehensweisen im Kontext des BJJ.

"Es führen ja bekanntlich viele Wege nach Rom"