Vollständige Version anzeigen : Artikel: Alignment
Ich denke, das könnte den einen oder anderen interessieren:
Alignment von Detlef Klossow
http://www.taiji-duesseldorf.de/resources/alignment.pdf
Gruß
Martin
Kamenraida
04-01-2015, 14:36
Danke für den Link, Martin.
Und hier direkt auch ein Leseeindruck:
Einerseits ein schlauer Artikel, der viele westliche Denkansätze zur Betrachtung des Taichi mobilisiert. Andererseits markiert eben das auch schon die große Schwäche des Textes.
Ich musste direkt zu Beginn einen gehörigen Widerstand überwinden, um überhaupt weiterzulesen: „Die Idee, multiples Alignment zu einem zentralen Thema im Taijiquanunterricht zu machen, wurzelt in den Forschungsansätzen der Salutogenese und Resilienz.“
Alles klar, originär aus dem Taichi heraus scheint der Autor also keine Idee des Alignments entwickeln zu können – dabei ist es mMn das, womit man sich im Taichi vorwiegend beschäftigt.
Der Eindruck wird auf den folgenden Seiten wortreich und immer wortreicher bestätigt: Immer neue Interpretationen, Denkansätze, physische und psychische Leistungen werden ans Taichi bzw Alignment herangetragen – mein Gott, das arme Taichi. Darf es denn nicht einfach mal es selbst sein?
Ich frage mich desöfteren, warum so viele Westler eine traditionsreiche Disziplin nehmen – Taichi, Yoga, Qi Gong, von mir aus auch Tango, Trommeln oder Malen – um dann etwas ganz anderes draus zu machen, nämlich etwas therapeutisch-esoterisch-religiöses. Zumal diese Menschen meiner Erfahrung oft solche sind, die wenig von den Dingen an sich verstehen. Ich erinnere an das Bild von der vollen Teeschale, in die nichts mehr hineinpasst.
Hinzu kommt: Der Artikel ist zutiefst geprägt von einem pathologischen Blick auf den Menschen. Alles ist ständig in der Gefahr überfordert zu sein, geschädigt zu werden, etc – in der Tat, dann wird vernünftiges Training schwierig (Aber ausgerechnet einen Ringer bei einem selbstdestruktiven Wurf bezeichnet er als „perfektes Alignment“ – da ist das Urteil „keine Ahnung“ nicht mehr weit, sorry.
Keine Missverständnisse: Ein westlich-analytischer Blick kann sehr hilfreich sein, wenn er hilft, Dinge besser zu verstehen, die möglicherweise hinter einer chinesisch-metaphorischen Sprache unklar bleiben. Hier aber wird das Gegenteil erreicht. Hier werden Begriffsungetüme aufgebaut, die gar nichts klarer machen.
Vielleicht verstehe ich aber auch Herrn Kossows Erkenntnisinteresse einfach nicht.
Hallo Martin,
uiuiui...also ich persönlich fühle mich von so viel Text in diesem Zusammenhang ein wenig erschlagen...
Sorry, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass wir hier im Westen aus allem, aber wirklich allem, eine nach unseren Standards fundierte Wissenschaft machen möchten. Auch wenn es vielleicht im Ursprung gar nicht so gewollt (und nach unseren Grundsätzen vielleicht auch gar nicht möglich) ist, so führt das Zerkleinern des Ganzen hin zu Einzelteilen und noch mehr Einzelteilen dann doch irgendwie genau dort hin.
Na klar ist es wichtig, beim Taijiquan z.B. zu erkennen wie der Körper ausgerichtet ist (bzw sein soll) und grundlegende Erkenntnisse von Anatomie haben auch noch keinem geschadet. Aber selbst hier stellt sich für mich relativ schnell die Frage, ab welchem Punkt es zu viel wird.
Ich lese gern und viel zum Taijiquan und Qigong. Aber es muss halt irgendwo "passen". Wie z.B. die Klassiker, die du so wundervoll übersetzt hast. Oder auch Kommentare dazu. Oder Texte über die Vorstellungen und Komzepte, die hinter dem Taiji(quan) und Qigong stehen. Aber muss ich es so weit treiben, immer mehr Begriffe quasi so zu stutzen, dass sie genau passen? Muss ich versuchen, solch wunderbare Künste wie Taijiquan und Qigong, die ja gerade helfen sollen, d e n K o p f z u l e e r e n, immer weiter zu verkomplizieren und so den Kopf eher zu f ü l l e n ?? Ich weiß nicht, mir geht das persönlich viel zu weit.
Denn wenn ich Qigong/Taijiquan und weitere Übungen i n S t i l l e einfach mache und mache und mache... (den richtigen Stand und Ausrichtung vorausgesetzt, meinetwegen auch mit entsprechenden Vorstellungsbildern, wobei hier die Meinungen ja auseinander gehen), stellen sich irgendwann automatisch entsprechende Wirkungen ein. Sei es eine äußere und innere Entspannung, ein besseres Allgemeinbefinden, ein flexiberer Körper und ein zentrierterer Geist und einige andere Eigenschaften mehr.
Das ist für mich das Wichtige: die Theorie soll gute Beschreibungen und Hintergründe über das "Wie" der Ausführung bzw der Kunst ansich liefern und dann gehe ich in den praktischen Teil, nämlich das Machen und dadurch entstehen lassen.
Das was im verlinkten Artikel geschrieben steht, geht mir einfach viel zu weit darüber hinaus. Aber das ist nur meine persönliche Ansicht.
Viele Grüße
Pilger
Hallo ihr zwei,
dachte mir schon, dass dieser Artikel (nicht von mir, sondern Detlef Klossow - Yang-Tai Chi Lehrer aus Düsseldorf) Diskussion auslösen würde.
Deswegen habe ich ihn ja auch hier hin gepostet.
Ich selber bin ja auch eher auf der traditionellen Schiene - liegt an meinem Lehrer Ma Jiangbao, der sich ganz dem Tai Chi Chuan seines Großvaters verpflichtet fühlt.
Ich lese aber natürlich auch links und rechts und so bin ich auf diesen Artikel gestoßen und wollte ihn hier einmal vorstellen, da er doch einen ganz anderen Ansatz bietet.
Gerade die Diskussion, wohin soll sich das Tai Chi Chuan entwickeln und soll es sich überhaupt verändern, ist eine spannende Frage.
Ma Jiangbao hat sich dazu auch geäußert. Er sah sich selber als jemanden, der traditionelles Tai Chi Chuan nach Europa bringt. Viele seiner Schüler haben aber weiter Qualifizierungen und hatten den Wunsch, diese in das Tai Chi-Training einzubringen.
Je nach Grad die Qualifikation war das für Ma Jiangbao OK. Ihm war jedoch sehr wichtig, dass man das dann auch korrekt kennzeichnet - was ist traditionell, was bringt man selber ein.
Er selber wollte aber bei dem, was er gelernt hatte, bleiben. Und so war es dann auch für mich - ich wollte sein Tai Chi Chuan verstehen, lernen, unterrichten und es im Austausch mit anderen Stilen vertiefen, aber auch für Neues offen bleiben, solange es mich nicht zu weit vom Ursprung weg führt.
Gruß
Martin
Das Problem ist, wenn man "Verstehen" da einbringt. Der Körper bzw. dessen Feinsteuerung muss verstehen, und autark den Körper so ausrichten dürfen wie es das für richtig hält. Das geschieht in Bruchteilen von Augenblicken, und oft aus Gründen die man direkt nicht versteht. Ich habe so, aus dem Gefühl, mal meine komplette Grundausrichtung im Skifahren umgestellt, ohne zu wissen warum - danach ging es aber viel leichter, und sicherer. Das war erstmal total komisch, wie ein Äffchen auf Skiern, aber trotz der runden Haltung und der hohen Lage der Skistöcke ging es supergenau. Irgendwann ist mir aufgefallen dass Alberto Tomba so fährt. :)
Dieses Alignment ist tatsächlich das A und O, weil die Grundlage für alle möglichen anderen Dinge die sonst nicht funktionieren. Darum DARF man das auch nicht anfangen ständig mit dem Kopf zu steuern, der ist für sowas nicht gedacht, weil er planen soll und nicht durchführen. Alignment ist dynamisch, nicht statisch, es unterliegt Abhängigkeiten von Zielen die sich ständig ändern können wenn man in Aktionen ist. Sport zum Beispiel ändert ständig Anforderungen an das was als nächstes auf mich zukommt, daran muss der Körper ständig seine Ausrichtung anpassen, auch vorausplanend. Dafür haben wir, wie der Zufall es will, eine hervorragend geeignete Recheneinheit die irgendwo tief in unserem Gehirn vergraben ist, und gerne alleine vor sich hin improvisiert, mit artistischer Eleganz. Die Aktionen verlagern sich ins Gefühl, ins Spontane. Wir müssen dafür nur die richtigen Übungen machen, und uns diesem Gefühl anvertrauen, dann entwickelt sich das mit der Zeit.
Man kann sowas sicher analysieren und in Worte fassen, davon wird die Fähigkeit aber nicht besser. Detlef Klossow war aber in manchen Bereichen der beste Deutsche den ich je getroffen habe, der konnte "wie Rauch sein" dass er kaum zu fassen war.
Hallo Martin,
es ist ja auch nichts dagegen zu sagen, wenn sich etwas entwickelt. Denn alles veränderts sich nun mal, so sicher auch Taijiquan. Anpassungen sind da sicher nicht verkehrt, zumindest wenn Leute wie Du (obwohl ich dich nicht kenne wage ich mal zu behaupten, dass du sehr sehr tief in der Materie steckst und vermutlich sowohl was theoretisches Verständnis als auch praktische Skills anbelangt, die allermeisten hier und mich erst recht locker einwickelst - und das ist ganz ehrlich und positiv gemeint).
Und da ich Klaus schon mal persönlich kennengelernt habe, und nun von ihm lese, dass Herr Klossow ein Könner ist, sieht es so aus, als ob auch Herr Klossow jemand ist, der sehr tief in der Materie des Taijiquan steckt, sowohl theoretisch als auch was praktische Fähigkeiten anbelangt. Insofern spricht bestimmt auch hier überhaupt nichts dagegen, wenn er "Eigenes" einbringt.
Mir persönlich ist der Text einfach etwas zu viel. So viele Gedanken möchte ich mir da gar nicht drum machen müssen. Aber das liegt ja an jedem selbst. Ich selbst bin froh, wenn ich auf meinem amateurhaften Niveau was meine Skills anbelangt, mit nur relativ wenig Zeit für mein tägliches Üben, doch noch den ein oder anderen Fortschritt machen kann...mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.
Von daher reicht es mir derzeit einfach aus, täglich ein wenig zu üben und ab und an etwas zu lesen bzw hier auch mal zu schreiben.
Viele Grüße
Pilger
Aber muss ich es so weit treiben, immer mehr Begriffe quasi so zu stutzen, dass sie genau passen? Muss ich versuchen, solch wunderbare Künste wie Taijiquan und Qigong, die ja gerade helfen sollen, d e n K o p f z u l e e r e n, immer weiter zu verkomplizieren und so den Kopf eher zu f ü l l e n ?? Ich weiß nicht, mir geht das persönlich viel zu weit.
Denn wenn ich Qigong/Taijiquan und weitere Übungen i n S t i l l e einfach mache und mache und mache...
Und genau deshalb heißt es ja:
Der Wissende redet nicht.
Der Redende weiß nicht.
Man muß seinen Mund schließen
und seine Pforten zumachen,
seinen Scharfsinn abstumpfen,
seine wirren Gedanken auflösen,
sein Licht mäßigen,
sein Irdisches gemeinsam machen.
;)
T. Stoeppler
06-01-2015, 16:16
Ich habe den Artikel jetzt auch gelesen und finde ihn sehr gelungen, was das Thema "Alignment" an sich betrifft. In diversen Therapiekonzepten ist bzw war das vor einigen Jahren das Ding - Alignment.
Auf das Thema Taijiquan bezogen ist das natürlich keine besondere Verständnishilfe für den Praktiker, aber sicher kann man den Artikel als Anregung nehmen um - ganz KK-unabhängig - mal zu schauen, ob bestimmte Gelenkstellungen vielleicht nicht irgendwie verbessert werden könnten. Ein bischen zur Lerntechnik und dem Aufbrechen von unbewussten Schonhaltungen steht da auch drin - das fand ich persönlich sehr gut, schadet keinem, mal drüber nachzudenken. Ist aber vielleicht eher ein allgemeiner Trainingslehre Artikel als ein Fachartikel zu TJQ.
Gruss, Thomas
Interessant sind da halt Übungen, die alle wichtigen Körperstrukturen ansprechen, so dass nichts aussen vor bleibt. Man kann Leute nicht erstmal röntgen um zu bestimmen was jetzt genau "optimal" für den Einzelnen ist, weil seine Gelenkköpfe vielleicht anders gewachsen sind als bei anderen.
Naja, die große Frage ist ja ob Resilienz und Salutogenese was "Anderes" sind als Taiji. Oder ob Ringen wirklich so viel anders ist (Um das Bild zu verstehen müsste man den gesamten Kontext in dem das Bild entstanden ist kennen, deshalb finde ich es auch suboptimal). So wie ich das sehe blasen alle die auf der Suche nach Wahrheit sind mehr oder weniger in die gleiche Sorte von Horn, auch wenn das eine oder andere dann etwas anders klingt. Was mir hier wieder mal auffällt ist die Nachteiligkeit die eine dogmatische Sicht mit sich bringt.
Wenn Martin einen Artikel postet scheint er darin Inhalt gefunden zu haben. Wenn Klaus sagt Detlef ist gut hat er dafür seine Gründe. Der wichtige Punkt ist aber das die beiden Detlef persönlich kennen, und sich deswegen ein Urteil wie auch immer es auch ausfallen mag erlauben können.
Im Zweifelsfall kann man ja auch mal googlen.
Im konkreten Fall aber die Seiten unseres Lieblingstrolls auslassen ;)
vBulletin v4.2.5, Copyright ©2000-2025, Jelsoft Enterprises Ltd.