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Vollständige Version anzeigen : Hartes und weiches Wing Chun



Sam V
07-01-2015, 17:33
Eines der Themen die immer wieder diskutiert werden, ist wie hart oder weich Wing Chun sein sollte. Da ich bei den häufigsten Vertretern der Theorien völlig außen vor bin, ich habe bislang in den letzten 35 Jahren, die ich Wing Chun mache keinen einzigen Tag WT oder VT trainiert, hänge ich mich dazu mal aus dem Fenster. Als hartes Wing Chun sehe ich in den Stilen die ich gemacht habe erst mal Duncan Leung an, als weiches Eddie Chong.

Im Duncan Leung Stil werden Techniken auf Automatismus hin trainiert und tausende male wiederholt. Der eine greift mit einem vorgegeben Angriff an, der andere wehrt mit einer vorgegeben Technik ab. Dabei werden die Armpositionen so eintrainiert, dass sie absolut stabil sind und diese Positionen in den Gegner hineingeschlagen. Tan Sao –Fauststoß heißt dabei, dass der gegnerische Arm mit dem Tan Sao direkt angegriffen wird, während der andere Arm zum Körper schlägt. Die zentrale Kampfstrategie ist das reincrashen in den Gegner um diesem die Bewegungsfreiheit zu nehmen und seine Deckung zu öffnen.

Im Eddie Chong Stil wird extrem weich zwischen den Positionen aus den Formen gewechselt. Die Arme sind dabei durchgehend so entspannt, dass es dem Gegner unmöglich ist sie zu greifen und daran den ausführenden wegzuziehen. Es gibt duzende von Übungen dazu, wie man den Griff des Gegners abgleiten lässt und die Kampfstrategie ist eher mit einem fechten mit dem Man Sao unter steter Beibehaltung des Wu Sao als mit klassischem Kampf zu vergleichen. Das ist dann so ähnlich wie das Boxen der Klitschkos. Kraft kommt ausschließlich aus den Strukturen und die müssen dafür milimetergenau sein. Im Eddie Chong Wing Chun gibt es keine Dauerübungen von Techniken, das dies dort nicht möglich ist. Wenn der Gegner mit Fauststoß angreift, wird eine andere Technik genutzt, je nachdem er auf der Zentrallinie, einen halben Zentimeter links, oder rechts davon ist.

Die meisten anderen Stile, bei denen ich im Laufe der Zeit trainiert habe, lagen irgendwo dazwischen. Für mich liegt die Trennung zwischen weichen und harten Stil in der Trainingsmethode: Technikbasiert, also mit Wiederholungen derselben Abwehr unabhängig davon, ob der andere immer haargenau gleich angreift ist für mich hart.

Und jetzt die große Frage, was ist denn besser?

Vorab, straßentauglich ist beides. Als ich noch ein ganzes Stück jünger war, konnte ich beide Methoden schon mal live testen und beides hat funktioniert.

Die Frage ist jedoch zu einfach gestellt. Richtig wäre: Besser für wen?

Unter großem Stress ist es leichter auf automatisierte begrenzte Mengen an Techniken zurückzugreifen, bei denen man einfach durch den Gegner durchläuft, während man ununterbrochen aus allen Richtungen auf ihn einprügelt. Das ist erst mal eine Universalstrategie, bei der man nicht viel falsch machen kann, insbesondere dann nicht, wenn man es hunderte mal so im Dojo trainiert hat. Wenn man aber auf einen durchtrainierten Gegner trifft, der ein Drittel größer ist und die Hälfte mehr wiegt als man selber und die Schläge nur als lästig empfindet, aber nicht als gefährlich, scheitert das grandios. Man landet unausweichlich in etwas, das wir im Training scherzhaft die Schrottpresse genannt haben, wenn die Arme des –dann reichlich saueren – Gegners einfach von beiden Seiten mit überlegener Kraft um den Körper zusammenschnappen. Und glaubt nicht, dass der gut positionierte Tan Sao dazwischen irgendwas aufhält. Das heißt nicht umsonst Schrottpresse, das fühlt sich dann auch so an.

Also doch lieber weiches Wing chun? Weiches Wing Chun ist nur solange weich, wie man es selber schafft entspannt zu bleiben. Das erfordert neben einem sehr gesunden Selbstbewusstsein sehr sehr viel Trainingserfahrung. Und es erfordert das sichere Wissen, das man im Zweifel schneller ist als der Gegner. Und darin liegt das Problem des weichen Wing Chun. Die Positionen müssen 100% stimmen, und damit sind nicht nur die Arme gemeint, sondern auch die Position zum Gegner. Es erfordert deutlich mehr an Schrittarbeit als das harte und ein sehr gutes Gefühl für Winkel und Distanzen. Und jetzt stellt euch mal einen Schwergewichtsboxer vor, der versuchen soll ein Fliegengewicht auszumanövrieren. Bevor der Schwergewichtler auch nur einen Arm bewegt hat, ist der Fliegengewichtler drei mal um den rum gelaufen.

Daraus ergibt sich recht einfach; Bin ich klein und schnell, kann ich mich nicht auf harte Techniken verlassen. Bin ich groß, kräftig und schwer, kann ich mit weichen Techniken eigentlich nichts anfangen.

Und was macht man, wenn man genau durchschnittlich groß, kräftig und stark ist. Wer hat denn behauptet, dass es nur eine richtige Methode gibt und man nur eine davon lernen kann? Schon mal was von Segmentierung in Techniken gehört? Wer sagt denn, dass beide Arme gleichzeitig nur hart oder weich agieren können?

Viel Spaß beim diskutieren und bleibt beim Thema und nicht beim Verbandsbashing.

1789
08-01-2015, 00:00
für mich persönlich gibt es kein rein "weiches" und rein "hartes" wing chun.
auch die idee,dass hartes wing chun mehr kraft benötigt als weiches wing chun,ist aus meiner sicht falsch.
richtig hingegen ist ,dass sich wing chun für das gegenüber !! manchmal hart und manchmal weich anfühlt.
gutes wing chun muss beide komponenten beeinhalten hart und weich.
wobei ich weichheit eher mit extremer feinfühligkeit und flexibilität in den gliedmassen definieren würde.diese sog. weichheit kann niemals zu irgendeiner abwehr benutzt werden,sondern immer nur,wenn ich mich selber im angriffsmodus befinde.
die sog.härte entsteht auch nicht aus muskelkraft sondern nur aus einer ganzkörperstruktur und den passenden winkeln in den gliedmassen,die genau zu dieser eben führen.
generell attackiert man immer mit "härte" um dann,wenn das gegenüber noch "härter" ist mit "weichheit"oder flexibilität oder feinfühligkeit in die nächste position zu fliessen.
wing chun ist anspannung &entspannung,hart&weich,druck& zug.


just my 5cents

gruss1789 :)

fang_an
08-01-2015, 07:48
weich fand ich immer verwirrend.
eher "internal" ;):
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f134/inneres-wing-tsun-gab-bereits-170502/

also begriffe wie: flexibilität, feinfühligkeit, feinsinnigkeit, scheinbare mühelosigkeit, fliessend, selbstverständlichkeit.
das meiste eine sache der übung, fokusierung & konzentration (blöde floskel).

an das harte muss man gar nicht so viel arbeiten, es ist eher zu bändigen.

Sam V
08-01-2015, 21:54
Hart und weich haben nicht das geringste mit innerer und äußerer Kampfkunst zu tun. Die bekannteste innere Kata des Karate ist die Kata Sanchin, und diese Kata wird mit massiver Körperspannung durchgeführt.

fang_an
09-01-2015, 07:36
Hart und weich haben nicht das geringste mit innerer und äußerer Kampfkunst zu tun. Die bekannteste innere Kata des Karate ist die Kata Sanchin, und diese Kata wird mit massiver Körperspannung durchgeführt.

Spannung ist hart, external, sonnenzugewandt, Yang.
Weich ist internal, sonnenabgewandt, Yin.
ein user hier schrieb "meine 20jahre Karate stehen mir in Tai Chi nur in weg". es ist eine andere spannung in Karate als die von der man in internal spricht. oder ich habe dich völlig missverstanden...

ThiS
09-01-2015, 07:52
Hart und weich haben nicht das geringste mit innerer und äußerer Kampfkunst zu tun. Die bekannteste innere Kata des Karate ist die Kata Sanchin, und diese Kata wird mit massiver Körperspannung durchgeführt.

Vorsicht! Gibt auch Stile, die die Sanchin extrem weich laufen.

Phönixauge
09-01-2015, 08:04
Spannend dass du das ansprichst. Habe mich in letzter Zeit in das WingChun von Klaus Brand eingelesen. Der ist einen völlig anderen Weg gegangen. War Wtler. Sein WingChun ist total hart. Mit bewusster Anspannung der Muskelatur.

Er begründet dies mit der Idee, dass in der SV das Adrenalin die Muskelatur sowiso angespannt wird (oder verkrampft) und es eigentlich keinen Sinn macht weich zu arbeiten.

Finde ich spannend die These. Hier noch ein Videohttps://www.youtube.com/watch?v=5duI2M55pN8

Gruss Phönix

ThiS
09-01-2015, 08:18
Er begründet dies mit der Idee, dass in der SV das Adrenalin die Muskelatur sowiso angespannt wird (oder verkrampft) und es eigentlich keinen Sinn macht weich zu arbeiten.

Naja andersrum kann man ja daran arbeiten nicht zu verspannen im Ernstfall..
Aber das ist ja auch ein jahrelanger Streitfall..

fang_an
09-01-2015, 08:28
oder das "neue" modell:
anfänger eine äußere ("hart") KK, fortgeschrittene schüler halb halb und profis eine innere KK.
bin selbst einen ähnlichen weg gegangen, bin aber bei halb halb geblieben ;)

Phönixauge
09-01-2015, 09:39
Naja andersrum kann man ja daran arbeiten nicht zu verspannen im Ernstfall..
Aber das ist ja auch ein jahrelanger Streitfall..

Nun ja ist dann halt eine Art Wing Chun Karate:)

ThiS
09-01-2015, 11:02
Nun ja ist dann halt eine Art Wing Chun Karate:)

:ups:
Also was Brand macht, wäre selbst für das strunznormale Shotokan etwas zu verspannt.
(Soll jetzt bitte keine Wertung sein, aber er das ist schon extrem hart was er veranstaltet)

Phönixauge
09-01-2015, 11:20
:ups:
Also was Brand macht, wäre selbst für das strunznormale Shotokan etwas zu verspannt.
(Soll jetzt bitte keine Wertung sein, aber er das ist schon extrem hart was er veranstaltet)

Ja sehe ich ähnlich, würde es aber trotzdem mal gerne spüren, wie die arbeiten.

Gibt leider keine Schulen in der Schweiz..

Gruss