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Vollständige Version anzeigen : Artikel: Taijiquan üben und der Blick



martin3
10-01-2015, 08:53
Das Thema wurde ja in einem anderen Thread leicht angesprochen -

deswegen hier ein Artikel aus Shanghai dazu:

Taijiquan üben und der Blick

http://boedickerbooks.jimdo.com/artikel-tai-chi-chuan/taijiquan-üben-und-der-blick/

Viel Spaß beim Schmökern

Martin

Huangshan
10-01-2015, 09:20
Taijiquan ist eine innere Kampfkunst. Trotzdem ist es eine Kampfkunst und eine Form der Selbstverteidigung. Deswegen muss man bei der Anwendung ein Ziel im Auge haben. Wenn man den Anderen schlagen möchte, ist – ohne dass man noch etwas dazu sagen müsste – der Blick von größter Bedeutung. Wenn man beim Pushhands „die günstige Gelegenheit und den strategischen Vorteil" erreicht hat, braucht man gelegentlich nur noch kurz blicken und der andere fühlt sich bedroht und fällt leicht hin. Der Blick ist beim Kämpfen von wichtiger Natur. Ich wünsche allen, die Taijiquan üben, dass sie großen Wert auf den Blick legen, ernsthaft trainieren und nicht nachlässig werden. Man muss dabei aber darauf achten, dass man einen natürlichen Ausdruck behält und sich nicht, wie die Schauspieler der Pekingoper, übermäßig in Positur setzt.

Danke fürs posten.

martin3
10-01-2015, 12:13
Hallo Huangshan,

ja, die Stelle fand ich auch toll.

Man muss sich vorstellen, der Mensch hat in den wilden 30ern mit Wu Jianquan trainiert und sicherlich all die anderen, wie Yang Chengfu usw. getroffen. Wow!

Gruß

Martin

Huangshan
10-01-2015, 15:30
Ja, viele vergessen das Taijiquan eine effektive Kampfkunst ist, es kommt eben drauf an wie es unterrichtet wird und wie einer selbst das Erlernte individuell anpasst,anwendet.....

Gruß
Thomas

Eistee
10-01-2015, 17:11
Seltsam, die Stelle oben fand' ich im Vergleich weniger wichtig. Stattdessen:

Beim Üben des Taijiquan ist die Lebenskraft natürlich konzentriert, der Kopf ist nicht gesenkt oder gehoben und man schaut nicht umher. Wenn man gerade steht, ist die Blickrichtung ungefähr 45 Grad nach unten.
Interessant, 45 Grad nach unten. Also nicht ganz geradeaus, sondern leicht zum Boden. Dürfte auch für ZZ gelten.
Erinnert mich ein bißchen an meine Fahradlampe: Die richtet man auch so aus, daß sie nach ein paar Metern auf den Boden scheint. Haha, siehe auch § 67 Abs. 3 StVZO (http://www.gesetze-im-internet.de/stvzo_2012/__67.html):

Der Lichtkegel muss mindestens so geneigt sein, dass seine Mitte in 5 m Entfernung vor dem Scheinwerfer nur halb so hoch liegt wie bei seinem Austritt aus dem Scheinwerfer.
Daß man nicht die Augen schließen sollte, war mir schon klar. Aber schön, es mal als klare Anweisung zu lesen.

Neulich hatte ich mir in der Nacht mal den Kopf verlegen und hatte daher am Tag einen etwas "steifen Hals". Dadurch fiel mir in der Yang-Form auf, daß man den Kopf ganz überwiegend nach links dreht, und zwar insbesondere in der "einzelnen Peitsche":

http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_single_whip.jpg

Das ist leider wirklich etwas einseitig. Damit muß man wohl irgendwie umgehen. Manchmal lasse ich die Kopfdrehung nach links jetzt weg, weiß dabei aber, daß das "nicht original" ist und man den Kopf natürlich eigentlich dahin drehen soll, weil dort der Gegner steht.
Andererseits dürfte die Yang-Peitsche ja eine Vereinfachung der Chen-Peitsche sein

http://cdweinmann.tripod.com/swhip.gif

bei der Kopf- und Blickrichtung im Verhältnis zum Oberkörper wohl etwas weniger stark nach links gehen. Na ja, Einzelheiten.

Man muss sich vorstellen, der Mensch hat in den wilden 30ern mit Wu Jianquan trainiert und sicherlich all die anderen, wie Yang Chengfu usw. getroffen. Wow!
Also ich persönlich bin sehr froh, daß ich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht erlebt habe. 1900 geboren, das bedeutete hier Erster Weltkrieg (und Hunger) ab 14, möglicherweise mit 18 noch Front 1918. Bei Überleben große Inflation 1923, dann Taumel der Demokratie bis hin zur Wirtschaftskrise 1929/30 und zur Machtübernahme 1933. Dann, mit 39, Beginn des Zweiten Weltkriegs (und dann auch des Holocausts). Da hat man die wichtigsten ersten 50 Lebensjahre in einer völlig kaputten Zeit verbracht.
Und auch in China war erst der Untergang des jahrtausendealten Kaiserreichs im Jahre 1912, und dann die Besetzung und Unterdrückung durch die Japaner alles andere als leicht.
Woran Yang Chengfu schon mit 52 gestorben ist, weiß ich immer noch nicht. Er hatte unter anderem Chiang Kaischecks Frau im Tai Chi unterrichtet, in seinem Buch (http://www.amazon.de/Essence-Applications-Taijiquan-Yang-Chengfu-ebook/dp/B008GMZQ8K/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1420909642&sr=8-2) ist eine (übrigens sehr schöne) Kalligrafie von Chiang Kaischeck selbst (sie lautet: "Temper and train, body and mind"). Bei solchen Schülern kann man spekulieren ...

Schnitzelsekt
11-01-2015, 02:53
Das Augentraining ist bei vielen Stilen und Schulen leider nicht mehr enthalten.
Sehr schade, wenn man die Connection von Yi und dem Blick bedenkt.
Theatralische Gesichtsausdrücke hingegen wachsen und gedeihen...

Gawan
12-01-2015, 09:19
…"einzelnen Peitsche"…
Das ist leider wirklich etwas einseitig. Damit muß man wohl irgendwie umgehen.

Übe die Form einfach einmal seitenverkehrt, dann blickst du in diesem Bild nach rechts. Unabhängig von Blickrichtungs-Aspekten kann man der Form auf diese Weise ganz neue Seiten abgewinnen.

Hundertzehn
12-01-2015, 16:56
Interessant, 45 Grad nach unten. Also nicht ganz geradeaus, sondern leicht zum Boden. Dürfte auch für ZZ gelten.

45 Grad? Das ist ja schon ziemlich boden-fixiert.

martin3
12-01-2015, 17:07
Ich denke, 45 Grad sollte man nicht so wörtlich nehmen (komme ja aus der Linie des Autors) - die Idee ist, entspannt etwas nach unten und Nacken strecken.

Bei den Partnerübungen schauen wir auch etwas nach unten, auf den Hals des anderen - ist etwa die gleiche schräge.

Physios bei uns haben mal gesagt, dass passt auch zur Augenmuskulatur - dann stehe sie auf null.

Gruß

Martin

martin3
24-01-2015, 12:05
Hallo Eistee,

ich bin auch froh, heute zu leben, aber die Zeit war und ist halt so spannend für die Entwicklung des Tai Chi Chuan. Hier auch etwas Literatur dazu - ein altes Buch von mir - habe ich mit meinem Lehrer für chinesische Kultur Armin Sievers schon 1998 geschrieben - aber jetzt als günstiges Taschenbuch:

China zur Zeit der großen Tai Chi-Meister 1897 - 1937

China zur Zeit der großen Tai Chi-Meister: 1897 - 1937: Amazon.de: Martin Bödicker, Armin Sievers: Bücher (http://www.amazon.de/gp/product/1507632797)

Gruß

Martin