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Vollständige Version anzeigen : Was meint Ihr: kann ich von dem Meister eines Dojo auf seine Schüler schließen?



hans-charles
03-05-2015, 16:41
Hallo,

vor einiger Zeit, habe ich wieder einige Berichte hier gelesen.
Immer wieder wird auf den Begründer eines Karate-Stils verwiesen, auf seine Ausbildung und auch auf seine Art des Unterrichts.

Einer meiner Lehrer sagte mir vor langer Zeit, wenn Du den Meister eines Dojo kennst,weißt wie er unterrichtet, was er seinen Schüler vermittelt, hält er sich an die Etikette, usw.
dann kannst Du erwarten, daß seine Schüler/Schülerinnen sich auch an diese Regeln halten.

In unserem Dojo wird versucht die Etikette den Schülern zu vermitteln, Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt, werden erwartet.
Daher könnte ich sagen, wir unterrichten kein reines " Sport-Karate " .
wir wollen auch das DO nicht vergessen.

Wie beurteilt Ihr Euer Dojo?
Dabei ist der Stil, der Verband, usw. nicht so wichtig.
Die Frage bezieht sich nur auf das " Heimat- Dojo ".

Gruß

freakyboy
03-05-2015, 17:23
Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt

Das hat doch nicht unbedingt nur etwas mit Karate zu tun. Das erwarte ich auch, wenn ich in einem anderen Verein wäre! :)

Nite
03-05-2015, 18:11
Ich finde die Arroganz der Do-Fraktion in der Hinsicht immer belustigend.

DerSchleifer
03-05-2015, 18:22
Ich finde die Arroganz der Do-Fraktion in der Hinsicht immer belustigend.

Vor allem weil sich immer wieder gerne nur die für einen passenden Aspekte rausgepickt werden und der Rest, der schwierige Teil gerne mal links liegen gelassen wird.

Aber das Ego will und muss ja auch gefüttert werden.

kaffeegeniesser
03-05-2015, 19:11
Wie beurteilt Ihr Euer Dojo?

Hallo,

ich sehe mich nicht als Schüler, sondern als Trainierender. Entsprechend sehe ich den, der vorne steht, als Trainer und nicht als Meister.

Ich hatte vor dem Karate ein
+ Privatleben mit Höhen und Tiefen
+ Berufsleben mit Höhen und Tiefen

Mein Benehmen im Leben wie im Dojo sind Ergebnis meiner persönlichen Entwicklung im Privat- wie im Berufsleben. Brauch ich vorne jemand, der mir was über das Leben oder wie man sich benimmt erzählt? Nein. Habe ich Ecken und Kanten? Ja. Was hat Karate verursacht bei mir? Ich befürchte die eine oder andere Ecke und Kante mehr.

==> Der "do" ging bei mir daneben.

Gruß

DerSchleifer
03-05-2015, 20:49
Ich finde auch immer wieder extrem interessant was so alles in dieses "Do"-Thema reininterpretiert wird, was da garnet hingehört.

Im Kern heißt "Do", so wie er eigentlich aus dem Zen / Chan in die Kampfkünste eingeflochten wurde:

1) Übe, übe, übe und ach ja, übe!
2) Denk nicht so viel nach ... übe!
3) Denk nicht an das was hinten rauskommt .... übe!

Nicht mehr und nicht weniger. Die ganzen "Moralaspekte" haben relativ wenig mit Do zu tun. Diese sind entweder religiöser oder ethischer Natur und vermitteln auch nicht mehr als das man sich anständig benehmen soll, was ich von jedem zivilisierten und ordentlich sozialisierten Menschen sowieso erwarte. Das muss ich nicht im Rahmen der Kampfkunst vermitteln.

Ach ja und noch das allerwichtigste überhaupt. Man schmückt sich nicht mit "Do".

Nite
03-05-2015, 20:59
Ach ja und noch das allerwichtigste überhaupt. Man schmückt sich nicht mit "Do".
Das kann man wohl nicht oft genug wiederholen.
Wieviele das "Do" vor sich hertragen wie ein Abzeichen....

gast
03-05-2015, 21:06
In unserem Dojo wird versucht die Etikette den Schülern zu vermitteln, Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt, werden erwartet.


Im Schrebergartenverein meiner Oma auch... ;)

marasmusmeisterin
03-05-2015, 21:15
Das Schönste ist ja immer, zu hören, daß man ohne Verbeugen und OSS-sagen (...argh...) kein ordentlich fairer Kämpfer/ Sportler sein kann.
SO zu stehen ist eine Heraudforderung für den Trainer (ach ja...?)
SO zu grüßen ist eine Herausforderung für den Trainer (...armes Schwein ...)
SO die Hände zu halten ist ...

Wing Tsun konnte das übrigens auch gut.

JA, ich habe da eine Leidensgeschichte aufzuarbeiten.

Nite
03-05-2015, 21:18
Aber um zum Thema zurückzukommen: natürlich hat ein Headcoach (den Begriff "Meister" vermeide ich bewusst, asiatische Titel noch viel mehr) einen prägenden Einfluss darauf wie es in seinen Schulen zugeht.

Wobei Respekt und dergleichen wie schon angesprochen auch einfach gelebt werden kann, ohne dass man dazu Do und dergleichen braucht.

bouncer
03-05-2015, 21:23
Das Schönste ist ja immer, zu hören, daß man ohne Verbeugen und OSS-sagen (...argh...) kein ordentlich fairer Kämpfer/ Sportler sein kann.

SO zu stehen ist eine Heraudforderung für den Trainer (ach ja...?)

SO zu grüßen ist eine Herausforderung für den Trainer (...armes Schwein ...)

SO die Hände zu halten ist ...



Wing Tsun konnte das übrigens auch gut.



JA, ich habe da eine Leidensgeschichte aufzuarbeiten.


Schön geschrieben! Das Problem ist einfach das viele Trainer / "Meister" sich viel zu wichtig nehmen! Was für ein mieses Selbstbewusstsein muss ich haben, wenn ich mich als Trainer von solchen Dingen provozieren lasse? Ich werde das nie verstehen!

@ topic
Ich denke auch das der Trainer durchaus seine Schüler prägt, und das man gewisse Verhaltensweisen durchaus mit dem Gym/Dojo/Verein in Verbindung bringen kann.

Schnueffler
03-05-2015, 22:34
@ topic
Ich denke auch das der Trainer durchaus seine Schüler prägt, und das man gewisse Verhaltensweisen durchaus mit dem Gym/Dojo/Verein in Verbindung bringen kann.

Ich denke schon, das der Trainer, Vorturner, Motivator, Coach, Meister, wie auch immer prägsam ist, weil er seine Art auf die Mittrainierenden überträgt und vorlebt.
Und gleich artig gelagerte Leute werden sich auch besser verstehen und länger bleiben.

hans-charles
03-05-2015, 22:55
Hallo freakyboy,

das war eine gute Antwort.
Natürlich wirst Du Freundlichkeit, Höflichkeit, Achtung vor dem anderen, usw. auch in einigen Vereinsvorschriften finden.

Nur im Karate wird das immer mit den Leitsätzen von Funakoshi verbunden, die sich auch in einigen Büchern über Karate finden lassen.
Auch die Regeln des Dojo oder Dojang finden sich in ähnlicher Form bestimmt in vielen Vereinen wieder.


Das hat doch nicht unbedingt nur etwas mit Karate zu tun. Das erwarte ich auch, wenn ich in einem anderen Verein wäre! :)

Aber im Karate wird der Zusatz DO und der Begriff der WEG immer hervorgehoben und auch auf die Kultur verwiesen, aus der unsere Kampfkunstart kommt.

Daher sagen viele Trainer auch, wir üben mehr als nur eine Kampfkunst.
Liege ich da jetzt völlig falsch?

:(

Cillura
04-05-2015, 05:17
Ja, man kann vom Trainer/Lehrer auf seine Schüler schließen. Ein guter Lehrer macht sich gute Schüler (auch wenn bei dem ein oder andern Hopfen und Malz verloren scheint ;) ). Das hat aber nichts mit Do und der gleichen zutun. Das hat etwas mit dem Können des Trainers zutun die Gruppe anzuleiten, zu motivieren und seinen Stoff zu vermitteln. Respekt und Disziplin muss man nicht predigen, man muss es vorleben. Der Rest ergibt sich von allein.

Ich schließe mich daher den drei Punkten von DerSchleifer an und hänge noch einen Vierten dran: Shut up and train! :D

küken
04-05-2015, 11:30
Denke diesbezüglich eher, dass jeder Trainer/Meister/Chef die Schüler bekommt, die zu ihm passen und dass man deswegen schon ein wenig von den Schülern auf den Chef schließen kann. Nicht der Trainer beeinflußt die Leute, sondern es scharen sich entsprechend die Leute um ihn. So hab ichs zumindest bisher erlebt.

Cobra-Kai-Affine Leute werden nicht zum Myagi-Do gehn und andersrum.....

Nite
04-05-2015, 12:08
Cobra-Kai-Affine Leute werden nicht zum Myagi-Do gehn und andersrum.....
Nachdem Myagi Kreese auf dem Parkplatz vermopt hat sind die aber alle bei Cobra Kai ausgetreten ;)

Cillura
04-05-2015, 12:25
Hm ... gut möglich das beides zutrifft.

Ich habe vor kurzem drei unserer Nachwuchskampfsportler aus der Kindergruppe "rausgeschmissen" und in die Erwachsenengruppe zum Cheffe "verbannt" :D Klingt garstig, ist aber so - die Kücken mussten das Nest verlassen als sie flügge waren. Und was soll ich sagen: Sie haben einige meiner "Macken" übernommen (ist dem Cheffe aufgefallen), genauso wie ich jetzt beobachte, dass sie die "Macken" vom Cheffe übernehmen. Im positiven Sinne natürlich. :)

Ich sag da nur: Lautes Aufstampfen am Ende einer Technikfolge unterstreicht die entschlossene und kraftvolle Ausführung jenerwelcher :rolleyes: :D

Bero
04-05-2015, 13:29
Nur im Karate wird das immer mit den Leitsätzen von Funakoshi verbunden, die sich auch in einigen Büchern über Karate finden lassen.
Auch die Regeln des Dojo oder Dojang finden sich in ähnlicher Form bestimmt in vielen Vereinen wieder.

Aber im Karate wird der Zusatz DO und der Begriff der WEG immer hervorgehoben und auch auf die Kultur verwiesen, aus der unsere Kampfkunstart kommt.


Ach ja die Budoromantik, komischerweise findet sie sich nur in der westlichen Welt.

Weißt du, mein erster Trainer war gebürtiger Japaner der dort auch seine Dan-Graduierungen abgelegt hat.
Der hatte für das ganze Budo-Getue von uns "Langnasen" nur ein müdes Lächeln über.
Das wirkte auf den etwas so, wie ein jodelnder Japaner in Lederhosen der bayrisches Brauchtum pflegt auf uns.

In Japan macht deswegen niemand so einen Aufstand bzw. der Kontext ist ein ganz anderer.
Er meinte immer wir würden Japaner "spielen" und das trifft es meiner Meinung nach sehr gut.
Manchmal grenzt es schon an positiven Rassismus.

Freundlichkeit, Höflichkeit, Rücksichnahme, Hilfbereitschaft, dass alles sollte ohnehin selbstverständlich sein, dafür braucht es keinen ominösen Budogeist und schon gar keine Kleidervorschriften und "wer-verbeugt-wie-vor-wem"-Rituale.

Ach ja zur Ausgangsfrage, natürlich beeinflusst ein Trainer seine Gruppe.

Gibukai
04-05-2015, 14:31
Titel: Re: Was ist DO?
Beitrag von: Gibukai am August 19, 2008, 07:54:13
Hallo,

grundsätzlich ist der Gedankenansatz, daß die Sache mit dem „Weg“ (jap. eben „Dō“) als Kulturgut vom chinesischen Festland nach Japan gelangte, richtig. Vereinfacht ausgedrückt, bezeichnete „Dō“ im alten China entweder ein nicht greifbares Urprinzip, das dem Weltraum, dem Sein an sich zugrunde liegt (Taoismus), oder aber eine Art sich zu benehmen, eine Art zu leben, die von den „alten Weisen“ (Seijin) beispielhaft vorgelebt wurde (Konfuzianismus).

Als diese Gedanken in Japan eingeführt wurden, vereinfachten sie die eher pragmatisch denkenden Insulaner. In aller Deutlichkeit heißt das, daß die chinesischen Philosophien vom „Dō“ nicht mit den japanischen Denkansätzen bezüglich „Dō“ übereinstimmen.

Jeder Mensch wird geboren. Jeder Mensch stirbt. Darin gleichen sich alle Menschen. Wenn sich nun aber ein einzelner Mensch klarmacht, daß ihm von diesem Augenblick an nur noch eine begrenzte Zeit als Erdenbürger bleibt, und er sich auf Grund dessen dazu entschließt, eben diesen beschränkten Zeitraum aktiv (!) für die Verbesserung seiner Person (auf einem bestimmten Gebiet) zu nutzen, ist sein „Weg“ entstanden.

Entschließt sie sich beispielsweise dazu, auf diesem Weg (also der ihr verbleibenden Lebensspanne bis zu ihrem Tod) die Kampfkunst aufzumöbeln und bis zum äußerst möglichen zu meistern, ist da der kriegerische Weg, d.h. „Budō“. An und für sich handelt es sich also um einen sehr pragmatischen Gedanken!

Bis kurz vor Ende der Edo-Zeit (1600-1868) bestand der kriegerische Weg (Budō) noch vor allem darin, seinem Herrn ein guter Gefolgsmann zu sein. Durch den Mangel an echter kriegerischer Betätigung in der Edo-Zeit sowie den darauf folgenden Verlust ihres Standes, hatten die japanischen Krieger einen mittelgroßen Minderwertigkeitskomplex zu bewältigen: Wie kann ich die Ausübung der Kampfkunst rechtfertigen? Schrittweise kam es dann daher zu der Verlagerung des Schwerpunkts hin zur gerade angerissenen Idee vom Budō.

In diesem Zusammenhang ist sehr wichtig, daß „Dō“ im japanischen Sinne unabdingbar „Vollendung“, „Perfektion“ sogar „Gottwerdung“ beinhaltet. Dieser Punkt steht im absoluten Widerspruch zum deutschen Kulturgut, das ab einem bestimmten Zeitpunkt durch den Monotheismus des Christentums geprägt wurde. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, „Dō“ vor dem Hintergrund bzw. mit Hilfe unserer Kultur zu erklären. Ignoriert man unsere Kultur, dann versteht man das eigentlich einfache Konzept.

„Jutsu“ enthält im Unterschied zu „Dō“ nicht diese Vorstellung von Meisterschaft.

Akzeptiert man diese Idee, versteht man auch Bilder, die z.B. G. Funakoshi (1868-1957) zeichnete. Z.B. erklärt er, daß man einen vermeintlich starken Herausforderer durchaus ignorieren kann. Das ist natürlich auch moralisch eine tolle Sache, doch ohne weitergehendes Verständnis bleibt das eben (aus Sicht des deutschen Laien) nur moralisieren und philosophieren. Hat man „Meisterschaft“ auf dem „Weg“ des Karate erlangt, ist es doch einfach nur albern, einem Halbstarken seine technische Überlegenheit zu demonstrieren.

Zusammengefaßt folgendes: Übe ich Karate (oder was auch immer) als „Weg“ (Dō), dann muß es ein ganz konkretes Ziel geben! Ohne Ziel kein Weg! Im Karate ist das Ziel technischer Natur (wobei „Technik“ körperliche wie geistige Faktoren umfaßt).

Folglich sind Sätze, wie „Der Weg ist das Ziel“, vom Standpunkt der deutschen Kultur aus sicher eine tolle Sache, sie widersprechen aber schlichtweg dem gerade skizzierten Gedanken des Budō. Entweder ich folge dem „Weg“ oder ich folge ihm nicht!

Da es schließlich um persönliche Vollendung geht, ist Karate als Weg (Karate-Dō) eine eigentlich ziemlich egoistische Angelegenheit. Ich ergänzte das noch, da ich solche (europäischen) Glaubensformen, von wegen „Weg“ bedeutet Gemeinschaft, die in manchen Fällen sektiererische Ausmaße (im negativen Sinne) annimmt, kenne. Solche Leute projizieren ihre religiös-philosophischen Sehnsüchte auf eine Kampfkunst, welche dann natürlich völlig entartet – in harmlosen Fällen geht es dann um „Übung um der Übung willen“...

Was ich hier geschrieben habe, läßt sich in dieser Form in den ältesten überlieferten Texten des Karate nachvollziehen. Quelle für die okinawanischen Kampfkünstler war das Gedankengut des japanischen Budō.

Grüße,

Henning Wittwer

Und:


Titel: Re: Was ist DO?
Beitrag von: Gibukai am August 19, 2008, 12:32:02
Hallo,

wie ich schon schrieb, ist das „Ziel“ des Wegs im Karate konkret technischer Natur.

Leute, die kein Ziel haben, betreiben Karate nicht als „Weg“, d.h. sie betreiben kein „Karate-Dō“.

Leute, die zwar von einem allgemeinen „Ziel“, einem nebulösen, aber nie klar definierten „Ideal“ fabulieren, hören sich zwar gerne von „Weg“ usw. reden, zeigen aber gleichzeitig, daß sie keinen Schimmer davon haben, wovon sie da eigentlich sprechen. Oder, viel schlimmer, sie sind Mitglieder einer sektenartigen Gruppierung, deren Mitglieder „Kampfkunst“ mit „asiatischer Spiritualität“ gleichsetzen und deren „Training“ einer ununterbrochenen Gruppentherapie gleichkommt, bei der es darum geht, den „rechten Glauben“ (d.h. die Vorstellungen des „Meisters“) zu verinnerlichen.

Im herkömmlichen Karate suche ich mir einen Lehrmeister, der über kampftechnische Fertigkeiten verfügt, die ich persönlich als erstrebenswert erachte. Mein „Ziel“ ist also ganz nachvollziehbar, ohne „wenn und aber“ das Können einer lebenden Person (oder einer verstorbenen Person, mit der ich in Kontakt stand). Außerhalb einer Übertragungslinie, wäre es natürlich auch denkbar, daß ich mir mit Hilfe meiner Phantasie eine technische Zielvorstellung ausmale. Wobei hier vielleicht der ein oder andere Fallstrick lauern dürfte.

Mehr gibt es dazu erst einmal nicht zu sagen.

Grüße,

Henning Wittwer

Sowie:


Titel: Re: Was ist DO?
Beitrag von: Gibukai am August 19, 2008, 04:28:49
Hallo,

„Respekt und Höflichkeit“ haben in der Tat erst einmal rein gar nichts mit dem eigentlichen „Weg“ hin zur technischen Vollendung zu tun. (Nur um sicher zu gehen: diese technische Vollendung ist ein klar umrissenes Ding, ich weiß ganz genau, wohin ich will.)

Ich schreibe das so deutlich, weil eben dies (die Geschichte mit dem Respekt) für den Guru-Typ im Karate Ausgangspunkt und Rechtfertigung für seinen Psychomüll darstellt. Er spielt bewußt oder unbewußt mit den spirituellen Bedürfnissen seiner Jünger/“Karate-Schüler“, labt sich an dem Gedanken, daß er ihr „Führer“ ist (im spirituellen wie im banal alltäglichen Sinne), und kann – ganz nebenbei – davon leben. Je seltsamer und vernebelter seine „Anleitungen“ klingen, für desto tiefgründiger hält sie das Gefolge...

Kriegerische Traditionen (Ryū) entstanden in Japan nicht, weil ein Kämpfer Höflichkeit und Respekt verbreiten wollte, sondern weil er die Arroganz und technische Fertigkeit besaß, sich hinzustellen und zu verkünden: „Eh, das ist mein System! Wer was daran bemängeln will, kann gegen mich antreten!“

Die Art zu gehen, sich zu grüßen usw. waren kein Ausdruck von Höflichkeit, sondern von Vorsicht. Ein Beispiel aus unserem Kulturraum: Heute schüttle ich jemandem seine Hand, um ihm klarzumachen (aufrichtig oder gespielt), daß er mir willkommen ist, daß ich ihn in Ordnung finde usw. Ein paar Jahrhunderte früher bedeutete das für mich: „O.K., ich nähere mich Dir, aber ich halte besser Deinen Waffenarm unter Kontrolle. So läßt es sich doch einigermaßen entspannt kommunizieren.“ Genauso verhält es sich in Japan. Oberflächliche Höflichkeit – ja; was ich eigentlich denke, das behalte ich für mich.

Kriegerisches Benehmen/Verhalten, welches irgendwie unhöflich wirkt, war kein Hindernis auf dem Pfad zur technischen Vollendung. Diese Grundregel gilt auch heute noch.

Nun kommen aber noch zwei Punkte dazu.

Zum einen beinhaltet die „technische Fertigkeit“ (Waza) körperliche wie geistige Faktoren. Wer das falsch versteht, wird gleich wieder an die „Höflichkeit“ denken. Ich meine damit aber u.a. Gespanntheit, Wachsamkeit, Konzentration, Einfühlungsvermögen. Wenn Du also schreibst, man könne diese "'Meisterschaft' nur erlangen, wenn Körper, Geist und Technik richtig zusammenspielen“, liegst Du absolut richtig. Und diese geistigen Faktoren zu trainieren, ist nicht einfach, es ist eine ziemliche Herausforderung. Nur haben diese „geistigen Elemente“ eben nichts mit Höflichkeit oder gar „Erleuchtung“ (im religiösen Sinne) zu tun.

Zweitens ist es so, daß nur die wenigsten alten Lehrmeister einen Schüler akzeptiert hätten, der ihnen pampig gekommen wäre. G. Funakoshi schreibt klar und deutlich, daß kein Lehrmeister einen Schüler mit unlauterem Charakter unterrichtet hätte. D.h., der Auszubildende mußte bereits vorher ein höflicher, respektvoller Mensch sein – andernfalls hätte er gar keine Chance gehabt, Karate zu erlernen. Also könnte man zurecht argumentieren, daß mir ungehobeltes Verhalten den „Weg“ zur Meisterschaft versperrt – aber eben bevor ich überhaupt mit dem Training anfangen konnte. Wenn die Chemie zwischen mir und meinem Karate-Lehrer nicht stimmen würde, dann würde er mich nicht unterrichten. Mit jemandem, der mir unsympathisch ist, kann ich nicht trainieren.

Hinzu kommt, daß G. Funakoshi im Kontext seiner Kultur, seiner Bildung konfuzianische Werte über die Kampfkunst Karate stülpte. Vor dem Hintergrund des Doppelwegs von Kampfkunst und Literatur (Bu und Bun) ist das nichts ungewöhnliches. Insofern ist beispielsweise seine Forderung nach „respektvollem Verhalten“ eine seiner persönlichen Anliegen, die er an seine Schüler hatte. Diese Forderung hat aber nichts mit dem eigentlichen Fortschritt auf dem „Weg“ des Karate zu tun. Genauso wenig wie immer wieder ertönende Maximen, die darauf hinauslaufen, daß man nicht einfach losprügeln soll. Hilberts Punkt mit der Selbstverständlichkeit trifft den Kern dieser Sache.

Unterm Strich ist herkömmliches Karate (also nicht Sport-Karate) eine ziemlich anspruchsvolle Sache. Wer es nicht kennt, muß sich, wenn er nach „Tiefgründigkeit“ sucht, an Schlagworten, wie eben „Dō“ oder „Respekt“, festkrallen. Und eben weil er keinen Schimmer vom herkömmlichen Karate hat, aber davon ausgeht, daß er mit seinen persönlichen Auslegungen eigentlich unverstandener Begriffe, wie „Dō“, auf genau diese Tiefgründigkeit gestoßen sei, wird er sich verbissen gegen Aussagen „echter“ Lehrmeister des Karate zur Wehr setzen. Oder er pickt sich verkrampft ein Schlagwort aus einer solchen Aussage, um zu belegen, daß seine Interpretation auch von diesem Lehrmeister geteilt wird. Das sieht dann so aus: „Der Weg des Karate hat nichts mit religiöser Erleuchtung zu tun.“ - „Seht ihr, er hat 'Erleuchtung' gesagt – ich hatte recht!“...

Grüße,

Henning Wittwer

(Seite drucken - Was ist DO? (http://www.karate-news.de/smfalt/index.php?action=printpage;topic=2687.0))

DerSchleifer
04-05-2015, 16:50
@ Henning

Danke für den ausführlichen Beitrag. Ich denke damit ist alles gesagt.

Wer spirituelle Erleuchtung sucht soll sich bitte in Meditation und Religion üben.

Keiner sagt, das beides in Kombination nicht eine sehr gewinnbringende Sache sein kann, aber es als "Bestandteil" der Kampfkunst Karate zu sehen, dagegen wehre ich mich wehement. Genauso wie gegen das immer noch aktive "Missionieren" der Budo-Romantik-Fraktion. Nicht umsonst ist in fast allen buddhistschen Schulen das Missionieren verboten.

Terao
04-05-2015, 16:54
Aber höflich darf man trotzdem noch sein, oder? ich mein, auch im Sport und so?
Bin nämlich eigentlich ganz gerne höflich, wenn ich nicht grad Leuten auf die Mütze haue. Also, so davor und danach. :)

DerSchleifer
04-05-2015, 16:59
Aber höflich darf man trotzdem noch sein, oder? ich mein, auch im Sport und so?


Wie gesagt. Eine Grundeigenschaft die ich von jedem Menschen in unserer heutigen Gesellschaft automatisch erwarte. ;)

Sensei-T
07-05-2015, 11:03
Wie gesagt. Eine Grundeigenschaft die ich von jedem Menschen in unserer heutigen Gesellschaft automatisch erwarte. ;)

Erwarten kann jeder viel...

Leider ist das, ohne allgemein werden zu wollen, seltenst anzutreffen, da heut so ziemlich viele Personen nur noch auf ihren persönlichen Vorteil bedacht sind.

Und somit ist das Dreigestirn: "Höflichkeit", "Respekt" und "Ehrlichkeit" oft nur nur noch aufgesetzt: "Ich grinse Dir ins Gesicht und trete Dir in den Ar..., wenn Du Dich umdrehst".

Da sind alle drei Elemente, oder besser Werte, drin, um die es eigentlich mal ging und die, ich erlebe es (leider) fast jeden Tag, nicht mehr das sind, was sie auszudrücken "versuchen":

eine wirkliche Ehrlichkeit: in bzw. bei der auch das gesagt wird, was gemeint ist. Bei der gesagt wird, was gesagt werden muss und dann noch unter dem Aspekt:
(ehrlich gemeinte) Höflichkeit: ohne anfeindend und verletzend zu werden
(ehrlich gemeinter) Repekt: ohne ein egoistisches Verhalten anzusetzen


gibt es kaum noch. Da, wo das Wort das Wert war, was es gemeint hat. An das sich die Beteiligten erinnerten und nicht nach zwei Minuten wieder vergessen war: "Wie, ich habe gesagt, dass... Nein, da müssen Sie sich irren, denn das habe ich so nicht gesagt."

Gestern hatte ich (wieder) so eine Situation, in der (m)ein Arbeitskollege fast meine geschlossene Hand "gefuttert" hätte, als es darum ging, seinen Hals gegenüber der Chefin zu retten und mich ins Messer laufen lassen wollte. Eine Terminangelegenheit mit einem Kunden, die der Kollege und ich bereits vor Wochen besprochen hatten und die er nun der Chefin als gaaanz neu und gar nicht geplant auftischen wollte (erstmal gab's bei mir Stress mit der Vorgesetzten); also:

a) von Ehrlichkeit anfänglich keine Spur, erst als die Chefin meinen Blick gegenüber meinem Kollegen mitbekommen hat, wurde sie aufmerksamer und hat ihn mal zur Rede gestellt und hinterfragt

b) Höflichkeit, nö, eher aggressiv und als er dann noch zur Rede gestellt wurde...

c) Respekt (verbinde ich hier mit seinem egoistischem Verhalten, seinen Kopf zu retten und mich in die Pfanne hauen zu wollen): wohl eher gar nicht vorhanden; zudem habe ich ja "...nicht seine Gehaltsstufe..." (pruuust)

Zurück zur Frage: Ja, wie hier schon erwähnt, man kann doch (mitunter) von einem Trainierenden, bzw. dessen "Werte", auf seinen Trainer schließen - vice versa.

Schönen Tag noch!

Norman P.
15-05-2015, 17:43
Generell weiß ich gar nicht, wie man diese Ausführungen aus dem früheren Japan auf unsere heutige Gesellschaft 1:1 übertragen kann. Wenn ich da z.B. an die Edo-Zeit denke, ist diese ja nun doch ein paar Tage her. Hinzu kommt, dass sie damals sowieso einem ganz anderen Kulturkreis angehörte.

Heute, im Jahr 2015 der westlichen Welt, gibt es natürlich auch Budoka, die sich wirklich noch an das "Do" mit all seinem Drumherum versuchen zu halten. Die meisten Budoka, die ich aber so gesehen habe, sind eher "ganz normale" Leute, die mit "Do" nicht wirklich viel an der Mütze haben.

Darüber hinaus habe ich gehört, dass es oft unter den hohen Danträgern (die ja eigentlich die größten Vorbilder sein sollten) auch mal (Verbands)-Streitigkeiten gibt. Da ist das "Do" dann plötzlich seltsamer Weise verschwunden. Auch habe ich mal eine Karatetrainerin beim Training gesehen, die ihr Ego mit ihrem Auftreten ganz schön pflegen musste. Die Schüler standen da nur und haben sich ihren Teil wohl nur noch gedacht...

Watt
15-05-2015, 17:58
Was anderes: Ju-DO wird oftmals mit "Sanfter Weg" übersetzt. Hierbei ist aber das "sanft" eher als "flexibel" zu verstehen und "Weg" eher als "Prinzip" womit wir bei "Flexibles Prinzip" also einer ganz anderen Bedeutung landen, die mmn viel sinniger erscheint. Ich denke in diese Richtung wird es auch beim Karate gemeint sein.

hans-charles
16-05-2015, 15:10
Hallo Gibukai,

ein sehr guter Beitrag, der sich mit der Lehrmeinung der alten Meister aus Japan oder Okinawa beschäftigt.

Nur, wie halten es die Meister die heute unterrichten?
Nehmen wir als Beispiel den Kampfkunstmeister: Matsutatsu Oyama und sein Stil das Kyokushin-KAIKAN.
Viele der Organisationen des Kyokushin KIAIKAn - Karate, es soll 7 geben, dazu noch das Kyokushin von Jon Bluming,.....
bei vielen kann ich lesen, wie sehr sie ihren Meister Oyama verehren, seine Leitsätze befolgen....

Aber erst ein Gericht mußte in Japan entscheiden, das Karate von Matsutatsu Oyama ist ein Vermächtnis an seine Familie.

Im Shotokan gibt es viele - Richtungen oder Strömungen - wer vertritt die Lehrmeinung des Meister?
Gab es in Japan nicht auch eine Gerichtsverhandlung, wer nun das Shotokan-Karate in Japan vertreten darf?

Besuche ich einen Lehrgang bei Wolf-Dieter Wichmann, Karate- Shotokan der seine eigene Vorstellung von Karate hat, ist es doch klar, was ich auf dem Lehrgang lernen kann.
Das ist bei Albrecht Pflüger,.... und einigen anderen bekannten Karate-ka ähnlich.

Auch bei Ochi-Shihan der die JKA in Deutschland leitet, ist doch absehbar, was ich auf einem Lehrgang oder in seinem Dojo lerne.
Nichts gegen die alten Meister, leider leben die nicht mehr und ich kann nur von den Schülern dieser Meister lernen.

Gruß
hans-charles

Gibukai
16-05-2015, 17:21
Hallo,

in meinen obigen Ausführungen gehe ich auf historische Vorbilder ein und ziehe einen Bogen zur Jetztzeit. D. h., was S. Matsumura oder G. Funakoshi lehrten, hat auch heute noch Gültigkeit und kann auch heute noch umgesetzt werden.

Ich bin kein „Meister“ von heute, aber ich bin ein Karate-Anhänger von heute, der eben diesen oben dargelegten Denkansatz für logisch hält und umsetzt. Was „andere“ heute machen, was die Masse heute macht, ist für mein privates Training vollkommen unerheblich. Wer auf Mittelmaß und tiefer steht, soll es trainieren. Wer sich auf bequeme Ausreden – „Ich kann ja nicht …“, „Heute ist es nun mal so …“ usw. – betten möchte, soll das tun. Ändern kann ich nichts an deren Einstellung. Für die Leute aber, die sich für herkömmliches Karate interessieren und mit dem heute verbreiteten Wissensstand unzufrieden sind, stelle ich jede Menge Informationen zur Verfügung.

Grüße,

Henning Wittwer

hans-charles
17-05-2015, 09:39
Hallo Gibukai,

ich möchte mich für Deine Ausführungen bedanken.


in meinen obigen Ausführungen gehe ich auf historische Vorbilder ein und ziehe einen Bogen zur Jetztzeit. D. h., was S. Matsumura oder G. Funakoshi lehrten, hat auch heute noch Gültigkeit und kann auch heute noch umgesetzt werden.


Das war auch ein Grund, warum ich mir Literatur über Karate und andere Kampfkünste beschafft und auch gelesen habe.
Nur ist mein Karate noch das Karate der " alten Meister " ?
Ich übe in einem Dojo und lerne von einem Ausbilder oder Sensei der sein Wissen und Können je nach Verbandszugehörigkeit von einem bestimmten Lehrer hat.
Bei meinem Verband sind das verschiedene Meister, die überwiegend auch bei Ochi-Shihan ( DJKB) einmal gelernt haben.

Wessen Karate ist besser? Diese Frage ist unnütz, denn wer möchte sie beantworten?
Bin ich Wettkampf-Karate-ka werde ich mich nach dem Regelwerk des jeweiligen Verbandes richten müssen. Mache ich Breitensport-Karate werde ich selber entscheiden, möchte ich eine Prüfung ablegen oder nicht.
Möchte ich mehr für die SV machen, werde ich im Breitensport- Karate - Kurs falsch sein.

Daher sage ich einfach, ich muß mir den entsprechenden Verein oder die entsprechende Schule selber wählen, je nachdem was ich machen möchte. Bin ich zum Beispiel beim JKA und Ochi-Shihan gelandet, dann bestimmt dieser Lehrer meinen Karate-Weg und jeder Karate-ka kann mich einschätzen.

Gruß
hans-charles

:kaffeetri

Gibukai
18-05-2015, 08:25
Hallo nochmal,

nein, die Frage danach, wessen Karate „besser“ ist, ist nicht unnütz! Jemand, der Verantwortung für sich selbst übernommen hat, der sucht ganz bewusst das Karate, das ihm (nach seinen Kriterien) am besten erscheint. Es gibt Leute, die sich einfach nur berieseln lassen oder nur mal so „irgendwie“ abschwitzen möchten. Das ist o. k. Aber wenn jemand wirklich Karate lernen möchte – und das schrieb ich oben (Stichwort „Ziel“) – der muss ehrlich genug zu sich selbst sein können und mittelmäßiges sowie schlechtes Karate (einschließlich deren Vertreter/Lehrkräfte) aussieben. Die Beantwortung dieser Frage kann einem niemand abnehmen; die Frage muss von einem selbst beantwortet werden. Wer sie beantworten möchte, sollte viel Vorarbeit leisten.

Grüße,

Henning Wittwer

hans-charles
18-05-2015, 12:37
Hallo Gibukai,

Danke, das war eine gute Antwort.
Gruß