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Vollständige Version anzeigen : Gewalthandhabung im Rettungsdienst



Brodala
07-05-2015, 10:33
Ich unterrichte seit fünf Jahren Einsatztaktik der First Responder für besondere Schadenlagen mit Bezug zu Amok und Terrorismus an einer öffentlichen Einrichtung des Bundes. Über diese Arbeit bin ich in Kontakt mit einer großen Nachfrage der Hilfsorganisationen betreffs Eigensicherung und Selbstverteidigung gekommen und das Vitamin B dieser sehr bekannten Behörde hat dazu geführt, dass sich lokal viele Rettungsdienste an mich gewendet haben. Tatsächlich hat das eine mit dem anderen nicht viel gemein, aber zufällig denke ich, dass ich diesen Arbeitsbereich hervorragend abbilden kann.

Zusammengefasst haben wir dann gemeinsam mit dem Lehr-Rettungsassistent der Malteser in Neuss ein Kursdesign entworfen und mit der Staffel der hauptamtlichen RD'ler vor Ort eine Betaversion getestet. Der Kurs kam ganz hervorragend an und wir durften uns initial über tolle Lagefeedbacks aus dem Dienstalltag freuen.

Die ehrenamtlichen Retter der Malteser in Bonn haben dann vor kurzem innerhalb ihrer Vorbereitung auf Rhein in Flammen auch angeklopft und bei diesem Kurs sind dann folgende Bilder entstanden:


2zVGhVsNQnA


Das konkrete Angebot für Hilfsorganisationen findet man inklusive einer Kurzbeschreibung und
einem Verlaufsplan zum Download auf dieser Internetseite: Tobias Brodala präsentiert: PGh RD (http://www.brodala-gruppe.de/PGH_RD.html)

marasmusmeisterin
07-05-2015, 22:04
das schlägt bestimmt gut ein.

Aber ich habe doch im ersten Anfall GewaltHANDLUNGEN im RD gelsesen - und dann ist das Programm ja auch noch "minimal invasiv"-:D

Nagare
08-05-2015, 02:58
Ich verstehe den Begriff der "minimal invasiven Vorbereitung" nicht. Kannst Du mir das erklären wie das gemeint ist? Inwiefern ist das "minimal"?

Brodala
08-05-2015, 06:38
Ich verstehe den Begriff der "minimal invasiven Vorbereitung" nicht. Kannst Du mir das erklären wie das gemeint ist? Inwiefern ist das "minimal"?
Ein wichtiges Motto des Kurses ist, dass sich die primäre Aufgabe der RD'ler nicht durch das Training verändern darf. Auf der Webseite steht dazu "Sie sind notfallmedizinischer Spezialist und dieser Kurs soll das nicht verändern. Deswegen lernen Sie hier kein neues Nahkampfkonzept oder komplizierte Deeskalationstechniken." Das meine ich mit minimal-invasiv.

Eine Truppe Malteser im Rhein-Sieg-Kreis hatten neulich jemanden mit ganz explizitem Kampfkunsthintergrund da, der im Rahmen eines Deeskalationstrainings ne ganze Menge handlungsalgorithmen überschreiben wollte, indem er für jedes denkbare Problem sensibilisiert hat. Das darf nicht sein, finde ich. Man verhindert sonst schnell mal die Effektivität sonder Einsatzkräfte.


das schlägt bestimmt gut ein.

Aber ich habe doch im ersten Anfall GewaltHANDLUNGEN im RD gelsesen - und dann ist das Programm ja auch noch "minimal invasiv"-:D
:-D Ein kleines bisschen ist das auch beabsichtigt gewesen. Wenn in ner Wache irgendwas mit Gewalt und rotem RD draufsteht, guckt man schneller mal hin. Derzeit spielt das zwar noch nicht so die Rolle, weil wir z.B. die Kameraden in Neuss einfach komplett durchschlugen dürfen, aber es gibt durchaus HiOrgs, die z.B. nur ihre Ehrenämtler beschulen wollen. Und anders als in Neuss kriegen die das ggf. nicht in Form einer Weiterbildung bescheinigt und nehmen entsprechend nach eigener Motivationslage teil.

marasmusmeisterin
08-05-2015, 08:59
weil wir z.B. die Kameraden in Neuss einfach komplett durchschlugen dürfen,

:rofl:

EY - manchmal gehts aber echt mit dir durch ...

Nagare
08-05-2015, 12:34
Ein wichtiges Motto des Kurses ist, dass sich die primäre Aufgabe der RD'ler nicht durch das Training verändern darf.

Ok, ich verstehe. Auch wenn ich den Begriff etwas irritierend gewählt finde, ist der Gedanke dahinter absolut richtig :halbyeaha

Jupp, das mit der anderen "Truppe" habe ich auch mitbekommen.

Haben die Malteser irgendwo auf ihrer Homepage nen Bericht/Artikel o.ä. zu dem Kurs?

Brodala
08-05-2015, 12:41
@Nagare: Auf ihrer Facebookseite. Malteser Neuss & Bonn.

@meisterin: das ist diese dumme iMac Autokorrektur. Ich bin beinahe normal...

Gürteltier
08-05-2015, 18:54
Gute Zielgruppe. Ist wahrscheinlich auch minimal-invasiv für das Zeitkonto des jeweiligen Referenten. Großer Pool mit begrenztem LG-Ziel.

hans-charles
20-05-2015, 14:22
Hallo Brodala,

Du schreibst:



[QUOTE=Brodala;3359813]Ich unterrichte seit fünf Jahren Einsatztaktik der First Responder für besondere Schadenlagen mit Bezug zu Amok und Terrorismus an einer öffentlichen Einrichtung des Bundes. Über diese Arbeit bin ich in Kontakt mit einer großen Nachfrage der Hilfsorganisationen betreffs Eigensicherung und Selbstverteidigung gekommen und das Vitamin B dieser sehr bekannten Behörde hat dazu geführt, dass sich lokal viele Rettungsdienste an mich gewendet haben. Tatsächlich hat das eine mit dem anderen nicht viel gemein, aber zufällig denke ich, dass ich diesen Arbeitsbereich hervorragend abbilden kann.


Wenn der Rettungsdienst, der Menschen helfen will und soll sich mit Selbstverteidigung während seiner Tätigkeit beschäftigen muß, dann ist etwas falsch.
Haben wir schon Verhältnisse wie in den USA, wo im Krankenhaus extra Sicherheitsmitarbeiter sind?

Hoffentlich noch lange nicht.

:)

Brodala
20-05-2015, 14:31
Grüß dich.


Wenn der Rettungsdienst, der Menschen helfen will und soll sich mit Selbstverteidigung während seiner Tätigkeit beschäftigen muß, dann ist etwas falsch.
Du, ich geb dir vollkommen Recht. Deswegen ist Gewalt grundsätzlich immer ne Straftat. Niemand sollte jemand anderem wehtun dürfen. Aber ich kann da nix machen, ne?


Haben wir schon Verhältnisse wie in den USA, wo im Krankenhaus extra Sicherheitsmitarbeiter sind?
Diese Frage kann ich dir direkt beantworten: Haben wir nicht. So ein Glück, wa?

Liebe Grüße
T

StaySafe
20-05-2015, 14:47
Wenn der Rettungsdienst, der Menschen helfen will und soll sich mit Selbstverteidigung während seiner Tätigkeit beschäftigen muß, dann ist etwas falsch.

Natürlich läuft das was falsch. Gewalt im Einsatz ist aber für Feuerwehr und Rettung schon lange nichts ungewöhnliches mehr.

Das kann man versuchen zu ignorieren, man kann drüber schimpfen und sich entsetzt geben, oder man setzt an den neuen Bedürfnissen an und versucht den Einsatzkräften zu helfen.



Haben wir schon Verhältnisse wie in den USA, wo im Krankenhaus extra Sicherheitsmitarbeiter sind?

Hoffentlich noch lange nicht.



Diese Frage kann ich dir direkt beantworten: Haben wir nicht. So ein Glück, wa?

Mit Sicherheit noch nicht bundesweit. Wir haben aber durchaus Krankenhäuser mit Sicherheitsleuten und eine Vielzahl von Krankenhäusern die aktuell darüber nachdenkt sich Sicherheitsmitarbeiter ins Haus zu holen.

Auch die Nachfrage nach Beschulungen und SV Trainings für Pfleger nimmt nach und nach zu.

Terao
20-05-2015, 14:52
Das kann man versuchen zu ignorieren, man kann drüber schimpfen und sich entsetzt geben, oder man setzt an den neuen Bedürfnissen an und versucht den Einsatzkräften zu helfen.Ist das tatsächlich ein neues Bedürfnis? Oder gibts dafür halt nur mittlerweile Angebote?

Brodala
20-05-2015, 14:53
Auch die Nachfrage nach Beschulungen und SV Trainings für Pfleger nimmt nach und nach zu.
Absolut. Ich will hier noch mal drauf hinweisen: Ich habe nicht einfach Rettungsdienste angeschrieben, dass ich da unbedingt mal nen Kurs machen will. Ich suggeriere hier keine Gefahr. Man ist auf mich zugekommen. Das mit dem Vitamin B aus der Behörde hab ich ja erwähnt.

Brodala
20-05-2015, 14:54
Ist das tatsächlich ein neues Bedürfnis? Oder gibts dafür halt nur mittlerweile Angebote?
Mit Sicherheit beides. Wobei es immer mal nen Unterschied gibt, inwieweit eine Bedrohung nur empfunden wird und inwieweit sie tatsächloch vorliegt.

In meinem Fall habe ich - und das ist mir mega wichtig - niemandem zu einem Kurs mit mir geraten.

Terao
20-05-2015, 15:02
Ich finds ja komisch, dass das nicht die Polizei macht. Denn mit denen werden sie doch häufig am Ort des Geschehens kooperieren müssen. Kann ja auch nicht Sinn der Sache sein, dass die dann der polizeilichen Arbeit im Weg stehen, oder deren Taktiken nicht kennen.

Brodala
20-05-2015, 15:09
Ich finds ja komisch, dass das nicht die Polizei macht. Denn mit denen werden sie doch häufig am Ort des Geschehens kooperieren müssen. Kann ja auch nicht Sinn der Sache sein, dass die dann der polizeilichen Arbeit im Weg stehen, oder deren Taktiken nicht kennen.
Im Bereich größerer Schadenlagen ist sone Kooperation auch durchaus äußerst sinnvoll. Da gibt es ne Menge Projekte, Stichwort Amok & Terrorismus. Ganz unbeteiligt bin ich dabei auch nicht und insgesamt sind Zusammenarbeiten auf diesem Level wünschenswert solange sie auf gleicher Augenhöhe geschehen.

Aber mal unter uns: Warst du schon mal auf nem SV Kurs von der Polizei? :o
Das ist gar nicht irgendwie abschätzend gemeint, aber die polizeiliche Perspektive deckt sich freilich kaum einen Meter mit der rettungsdienstlichen oder der der Bevölkerung. Ein guter Kurs liegt regelmäßig an einem guten Lehrer. Die Polizei hat da aufgrund einer gewissen dienstlichen Nähe zum Arbeitsfeld Gewalt kaum einen Kompetenz- oder Wissensvorsprung. Ist ein bisschen schade, aber da machste nix :)

Und nach ein paar Jahren als Referent auf der Europäischen Polizeitrainerkonferenz, meiner Arbeit mit Polizisten im Bevölkerungsschutz und immer mal so auf diversen Fort- & Ausbildungen im SE-Bereich: die Polizei

StaySafe
20-05-2015, 15:15
Ist das tatsächlich ein neues Bedürfnis? Oder gibts dafür halt nur mittlerweile Angebote?

Angriffe auf Helfer hat es vereinzelt immer gegeben. Die Häufigkeit und die Qualität hat sich jedoch enorm gesteigert.

Das berichten mir auch die zahlreichen Feuerwehrleute und Rettungsassistenten die mittlerweile ganz regulär bei uns trainieren.



Absolut. Ich will hier noch mal drauf hinweisen: Ich habe nicht einfach Rettungsdienste angeschrieben, dass ich da unbedingt mal nen Kurs machen will. Ich suggeriere hier keine Gefahr. Man ist auf mich zugekommen. Das mit dem Vitamin B aus der Behörde hab ich ja erwähnt.

Same story here. Wir schreiben da auch niemanden an, sondern bekommen ganz gezielte Anfragen. Auch von Organisationen die mit einem großen, deutschen Anbieter Verträge haben, weil der "gebotene Ansatz zu technisch ist und den Anforderungen im Dienst oft nicht gerecht wird."

Brodala
20-05-2015, 15:18
weil der "gebotene Ansatz zu technisch ist und den Anforderungen im Dienst oft nicht gerecht wird."
Bekanntheit :rolleyes:

gast
20-05-2015, 15:26
edit

Nagare
20-05-2015, 16:20
Die Polizei hat da aufgrund einer gewissen dienstlichen Nähe zum Arbeitsfeld Gewalt kaum einen Kompetenz- oder Wissensvorsprung.

Wie sollte das auch zu lösen sein...?

Brodala
20-05-2015, 16:23
Gaaaanz genau.
Und dafür bin ich ja da ;)

Nagare
20-05-2015, 16:25
Und ich. :p :D

Krümel2
20-05-2015, 20:37
Ich finds ja komisch, dass das nicht die Polizei macht. Denn mit denen werden sie doch häufig am Ort des Geschehens kooperieren müssen. Kann ja auch nicht Sinn der Sache sein, dass die dann der polizeilichen Arbeit im Weg stehen, oder deren Taktiken nicht kennen.

Sporadisch gibt es hin und wieder ein paar, die sich unser erbarmen. Viel wünschenswerter wäre allerdings eine vernünftige Kommunikation (Funk!) bei entsprechenden gemeinsamen Einsätzen, damit der eine weiß was der andere schafft, wo der andere steckt und es somit weniger böse Überraschungen gibt.

gast
20-05-2015, 21:29
edit

Willi von der Heide
20-05-2015, 21:38
Ich finds ja komisch, dass das nicht die Polizei macht. Denn mit denen werden sie doch häufig am Ort des Geschehens kooperieren müssen. Kann ja auch nicht Sinn der Sache sein, dass die dann der polizeilichen Arbeit im Weg stehen, oder deren Taktiken nicht kennen.

Wie soll das dennoch geleistet werden ?

Ich habe auch lange geglaubt, daß z.Bsp. THW und Feuerwehr miteinander gut vernetzt sind - Pustekuchen !

Ein Feuerwehrmann hat mich da mal aufgeklärt ... :D

THW = Tausend Hilflose Wesen

und ja Rettungskräfte werden zunehmend bedroht. Ein Phänomen das es in den 90ern so nicht gab. Da bilden sich dann Trauben von Menschen und bedrängen die Feuerwehr:" Warum löscht er erst dort und nicht bei uns ? "

Sprecht mal mit Leuten die in Krankenhäusern arbeiten ... was da in Notaufnahmen abgeht, glaubt man fast nicht.

hans-charles
20-05-2015, 22:26
Hallo Willi von der Heide,

ich stimme Dir in einigen Punkten zu.
Meine Ausführungen habe ich gelöscht.
:)

Krümel2
20-05-2015, 22:39
Wobei es auch dann noch sinnvoll ist ein paar Strategien zu haben, wie man z.B. die Zeit überbrückt bis die Polizei vor Ort ist, weil die Situation erst nach der Alamierung des RD eskalierte und die Polizei erst nachgefordert werden muss. Oder wenn ein Patient plötzlich im RTW das randalieren beginnt.
Eigensicherungstraining soll ja nicht die Polizei ersetzen sondern nur in die Lage versetzen die Zeit bis zu ihrem Eintreffen so verletzungsarm wie möglich gestalten.

Deshalb sprach ich ja von "bei gemeinsamen Einsätzen ", wenn also von vorneherein klar ist, dass da Arbeit für beide Seiten da sein wird. Da lässt man gern der Polizei den Vortritt, statt ohne Rückendeckung dazustehen.
Wenn ein zunächst harmloser Einsatz eskaliert und man Zeit überbrücken muss, stimme ich dir zu. In punkto Eigensicherungstraining fehlen mir aber Dinge wie Einschätzen der Situation am Einsatzort, Verhalten /Vorgehen, wenn man zB. plötzlich dem Täter gegenüber steht, taktischer Rückzug etc. Genaugenommen sollte das für die jeweiligen helfenden Berufsgruppen fest als Modul in der Ausbildung integriert sein.
Ähnliches gilt für die Kliniken, aber da ist der Hund ja ganz begraben. Die Kundschaft wird immer bekloppter und man selbst ist vogelfrei.

Willi von der Heide
20-05-2015, 22:42
@hans charles

Das meine ich ja !

Es gibt nicht genügend Geld und Kapazitäten dafür. Ich engagiere mich in einer Reservistenkameradschaft. Da haben wir mittlerweile gute Kontakte zu THW, Feuerwehr usw. . Wir haben sogar schon gemeinsame Übungen durchgeführt. Und jetzt ?

Mit dem Abzug der Briten, bricht uns unsere Basis weitestgehend weg. Wir werden unsere Aktivitäten neu ausrichten müssen. Die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr, THW, DRK usw. ist nicht wirklich doll. Die kochen alle ihr eigenes Süppchen.

Ich habe in der Familie jemanden der im Krankenhaus arbeitet. Wenn der von seiner Tätigkeit erzählt - und er macht das wirklich gerne - dann komme ich zu dem persönlichen Schluß: Bloß nicht im Krankenhaus landen ! Ist wirklich so ! Das System - und ich bin Außenstehender - steht mehr oder weniger vor dem Kollaps.

Das läßt sich auf andere Bereich ebenfalls übertragen. Schaue ich mir die Pensionierungswelle der nächsten 10 Jahre bei Polizei/Justiz und Zoll an ... auweia ! Und es gibt jetzt schon nicht genügend qualifizierten Nachwuchs.

Aber jetzt wird es politisch - daher bitte eine PN wenn weiteres Interesse besteht.

Terao
21-05-2015, 00:18
Es gibt nicht genügend Geld und Kapazitäten dafür.WEenns beides für private Angebote gibt, müsste es das doch erst recht für gemeinsame Übungen geben, oder?

carstenm
21-05-2015, 09:27
Moin Brodalla,

schön, daß du in dem Bereich was anbieten kannst! :)

Ich hatte im Zusammenhang mit meinen eigenen Fobis immer wieder Anfragen aus dem Bereich des Rettungsdienstes. Die Nachfrage hier in der Region ist wahrhaft enorm.

Leider hatten wir aber nicht die Kapazität, etwas anzubieten. Und leider scheint die Qualität entsprechender Fobis, die von der Berufsgenossenschaft angeboten werden, mehr als mau. Und vor allem nicht auf diesen Einsatzbereich abgestimmt.

Ich freu mich also sehr, wenn jemand tatsächlich was tut. Die Kollegen haben's echt verdient!

Ein wichtiges Thema war bei den Anfragen immer die Arbeit in räumlich engen Settings, wie zum Beispiel im Wagen. Oder auch das Festhalten von Dritten, die aufgrund der Situation "austicken" und z.B. 'ne Reanimation unterbrechen wollen o.ä..

Und - was mich aufgrund meiner Erfahrung mit der Elefantenruhe von Rettungskräften komplett überrascht hat - Hilfen zu vor allem verbalen Deeskalation.
Es stellte sich heraus, daß Kollegen da aufgrund ihrer Erfahrungen eigentlicht recht gut sind, aber subjektiv nicht das Gefühl haben, tatsächlich kompetent zu sein.

Machst du ähnliche Erfahrungen?

Viele Grüße,
Carsten

yawara
21-05-2015, 13:13
[Ich hoffe die Antwort hier wird nicht zu lang ;-)]

Zunächst mal: Finde ich gut, dass du bewährte sowie leicht erlernbare Konzepte/ Strategien und Taktiken zur Eigensicherung vermittelst - häufig werden m.M. in solchen Kursen Inhalte vermittelt, die jahreslanges Training voraussetzen, unbrauchbar oder unverhältnismäßig sind.

Ich bin mir allerdings unsicher, ob diese Konzepte nicht besser Teil eines Curriculums sein sollten, mit Schulung in weiteren Maßnahmen zur Gefahrendetektion, zur Einschätzung der Lage (inkl. Gefahrenscreening), zur Eigensicherung und zur Deeskalation sowie zur Entwicklung eines "Gefahren-Radars" (werden diese zusätzliche Skills nicht auch in dem ursprünglichen "Blauer-System" vermittelt?).

Genauso sollten Einsatzkräfte (noch) mehr über Psycho-Diagnostik lernen, insb. in Kombination mit Selbst- und Fremdgefährdendes Verhalten.

Die zentrale Frage ist: Warum nehmen die Übergriffe zu?

Laut Untersuchungen umfasst das Einsatzspektrum von Notärzten und Rettungsdienstmitarbeitern heutzutage im zunehmenden Maße den Umgang mit bzw. die Versorgung von psychisch auffälligen bzw. psychisch Kranken Menschen. Inzwischen stellen diese Patientenkontakte aufgrund psychiatrisch relevanter Symptomatik die zweithäufigste Einsatzursache für den Rettungsdienst dar, direkt nach den internistischen, traumatologischen und neurologischen Notfällen.

In konkreten Einsatzzahlen: Rettungsdienstmitarbeiter sehen zwischen 160.000 und 290.000 Patienten mit psychiatrisch relevanter Symptomatik pro Jahr. Bei diesen Patienten handelt es sich überwiegend um junge Männer im Alter zwischen 18 – 39 Jahren, bei denen folgende Problematiken bestehen:

- Alkohol und Drogenassoziierte Störungen (ca. 30-45%)
- Erregungszustände (ca. 15-25%) und
- Suizidhandlungen (ca. 15-25%).

Insbesondere bei der Kombination von Substanzmittelabusus oder akuter Intoxikation mit einer weiteren psychiatrischen Erkrankung, ist von einem erhöhten Maß an Gewaltbereitschaft auszugehen. Des Weiteren kann auch vom sozialen Umfeld des Patienten eine Gefahr für die Rettungsdienstmitarbeiter ausgehen, wenn diese beispielsweise zu notwendigen therapeutischen Maßnahmen (z.B. Einweisung in die Klinik aufgrund einer unmittelbaren Selbstgefährdung des Patienten oder Sicherungsmaßnahmen aufgrund akuter Fremdgefährdung durch den Patienten) greifen müssen.

By the way: (Drogen-, Medikamenten-, Alkohol-) Intoxikation muss prinzipiell zunächst so lange psychiatrische Notfallsituation mit erhöhter Fremd- und Selbstgefährdung bewertet werden, bis diesbezüglich Entwarnung gegeben werden kann.

Aggressivität und Gewalttätiges Verhalten tritt selbstverständlich nicht nur bei psychiatrischen Erkrankungen/ psychischen Notfall Situationen auf, sondern kann auch durch neurologische, internistisch-endokrinologische, sowie pharmakologische Ursachen bedingt werden.

Anbei einige wichtige Merkmale (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), die auf eine erhöhte bzw. wachsende Fremdgefährdung durch den Patienten und/ oder sein Umfeld schließen lassen:

►Individuelle Merkmale:
- Befindet sich der Patient in einer Psychosoziale Krise oder Konfliktsituation?
- Hat der Patient aktuell wenig Perspektiven bzw. „viel zu verlieren“?
- Sind vorbestehende psychische Erkrankung bekannt (insb. aus dem schizophrenen Formenkreis und aus dem Erkrankungsbereich Persönlichkeitsstörung)?
- Steht der Patient unter Medikamenten- oder Drogeneinfluss (i. S. einer Enthemmung bzw. verminderten Steuerungsfähigkeit)?
- Liegen beim Patienten Wahnerleben oder Halluzinationen vor?
- Hat sich der Patient bereits zu einem früheren Zeitpunkt gewalttätig bzw. fremdaggressiv verhalten?
- Spricht der Patient zunehmend lauter oder schreit sogar?

►Psychophysiologische Anzeichen:
- Ist beim Patienten eine zunehmende muskuläre körperliche Anspannung festzustellen (z.B. Ballen der Fäuste, angespannte Kiefermuskulatur, gespannter Gesichtsausdruck,)?
- Sind beim Patienten vegetative Anzeichen von Stress festzustellen (z.B. gerötetes Gesicht, starkes Schwitzen, Veränderung der Pupillen, „Wutschnauben“, Tachykardie, Dyspnoe)?
- Ist beim Patienten eine erhöhte motorische Aktivität festzustellen (z.B. Auf- und Abgehen)?

►Interaktive Merkmale:
- Wie zugänglich auf verbale Interventionen ist der Patient?
- Werden Grenzsetzungen respektiert, Anweisungen befolgt?
- Spricht der Patient den Anwesenden gegenüber Drohungen aus oder flucht vor sich hin?
- Zeigt der Patient nonverbale Drohgebärden (z.B. Spucken, mit dem Fuß Aufstampfen, mit dem Gehstock oder anderen Gegenstand drohen)?

►situative Merkmale:
- sind Zeichen von abgelaufener Gewalt erkennbar? (beschädigte Einrichtung, verängstigte oder verletzte Mitmenschen)
- Wurden Waffen eingesetzt bzw. sind "gefährliche Gegenstände" verfügbar?

Fakt ist: bei Einsätzen mit psychisch Kranken oder auffälligen Menschen, sowie bei Intoxikation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Patienten bzw. deren Umfeld mit den Rettungsdienstmitarbeitern kooperieren - häufig muss sogar mit aggressivem Verhalten bis gewalttätigen Übergriffen gerechnet werden.

Deshalb benötigen Rettungsdienstmitarbeiter verstärkt Kompetenzen in psychiatrischer Diagnostik und Pharmako-Therapie (z.B. "rapid tranquilisation"), sowie in „Psychologischer Erster Hilfe“; dies wird aber bislang in Aus- und Weiterbildung nur unzureichend berücksichtigt. Genauso wenig in entsprechenden Selbstverteidigungskursen.

Dieses (diagnostische) Wissen in Kombination mit Maßnahmen zur präventiven Eigensicherung sowie den handlungsbezogenen Skills machen m.E. das Konzept rund - wahrscheinlich könnte man auf diese Art und Weise einige Gefahrensituationen im voraus besser einschätzen bzw. früher wahrnehmen, Eigensicherungs- sowie Patientensicherungs-Maßnahmen ergreifen und Eskalationen verhindern.

Liebe Grüße_Roberto

Brodala
21-05-2015, 14:09
Ein wichtiges Thema war bei den Anfragen immer die Arbeit in räumlich engen Settings, wie zum Beispiel im Wagen. Oder auch das Festhalten von Dritten, die aufgrund der Situation "austicken" und z.B. 'ne Reanimation unterbrechen wollen o.ä..
Das deckt sich sehr mit den Anfragen, die ich bekommen habe. Dabei ging es selten um massive Gewalthandlungen, aber immerhin diesen unangenehmen Widerstand. Wir arbeiten innerhalb unseres Curriculums explizit nur an solchen Maßnahmen, die sich ohne Veränderung in einem beengten Umfeld adaptieren lassen. Siehste selbst:
https://scontent-fra3-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xpf1/v/t1.0-9/p180x540/11149528_963016463711097_2158514614672416751_n.jpg ?oh=929e9f7d24217c554f2d8500f68bca04&oe=55CB04AC


Und - was mich aufgrund meiner Erfahrung mit der Elefantenruhe von Rettungskräften komplett überrascht hat - Hilfen zu vor allem verbalen Deeskalation. Es stellte sich heraus, daß Kollegen da aufgrund ihrer Erfahrungen eigentlicht recht gut sind, aber subjektiv nicht das Gefühl haben, tatsächlich kompetent zu sein.
Die Anfrage hatte ich so deutlich noch nicht, aber natürlich fragen die Leute immer mal am Rande danach. Die Sache mit der Deeskalation ist immer ne sehr schwierige, weil sie eigentlich nicht sinnvoll zu beantworten ist. Natürlich wären optimal zurechtgelegte Satzbausteine toll oder die grundsätzliche Fähigkeit, sein Gegenüber zu beruhigen. Aber letztlich kommt es dann doch unglaublich auf das Individuum (auf beiden Seiten an), inkl. Stimmungslage, Sicherheitsgefühl, Fokus etc. Wie du sagst, ist da Erfahrung das A und O. Deswegen baue ich eher auf konsequente Eigensicherung und das Ermöglichen von künstlichen Erfahrungen in diesem Bereich.

Wenn ich mir als Kontrast die Ideen so mancher Mitbewerber in dem Sektor angucke, dann gleichen diese tollen NLP-artigen Deeskalationsmanöver nem eingesprungenen Omoplata in der SV. Soll heißen, dass das schon toll wäre. Aber solange wir das nicht in der Realität beobachten können, bin ich geneigt, das eher als Wunschdenken und guten Willen abzutun.


Ich bin mir allerdings unsicher, ob diese Konzepte nicht besser Teil eines Curriculums sein sollten, mit Schulung in weiteren Maßnahmen zur Gefahrendetektion, zur Einschätzung der Lage (inkl. Gefahrenscreening), zur Eigensicherung und zur Deeskalation sowie zur Entwicklung eines "Gefahren-Radars" (werden diese zusätzliche Skills nicht auch in dem ursprünglichen "Blauer-System vermittelt?).
Grüß dich, Roberto.
Du sagst es. Und zwar ausgesprochen gut und ausführlich. Die Aspekte wie pre contact cues, instincts/intuition/intelligence, A-SAP, meta-cognition, 3-fights-theory etc . sind natürlich Bestandteil des Kurses. Ich mache hier nicht "mein eigenes Ding", ganz im Gegenteil. Ich vergleiche ALLE meine Kurse immer gerne mit der wasserdichten Adidasjacke. Sie ist wasserdicht, weil Goretex drin ist (=SPEAR), aber die Jacke ist im Design von Adidas (=Brodala) und an den jeweiligen Träger (=Rettungsdienst) maßgeschneidert.

Deswegen ist das manchmal befremdlich, wenn mir ein Polizist per Facebook schreibt, dass er das SPEAR System aufm Nikolaus Udo Lehrgang getestet hat und sich dabei auf n kostenloses 2-Stunden-Training bezieht :)

Beinahe alles was du schreibst, wird dir jeder Experte so unterschreiben (und manche würden dabei noch was lernen). Das Problem sehe ich in meinem Anspruch, diese Schulung "minimal-invasiv" zu gestalten. Ganz parallel: Ich spreche oft vor Lehrern über das Thema Schulamok, aber ich weigere mich, ihnen ein Disgnostiktool zu liefern. Tatsächlich haut das die meisten nämlich komplett in einen anderen Fokus. Sie können ihre Primärfunktion dann wesentlich weniger gut erfüllen. Und das darf nicht sein. Entsprechend möchte ich es auch so lassen, dass RD'ler vor allem hilfsbereit und effektiv helfen und retten können ohne die ganze Zeit ne emotionale Schussweste anzuhaben. Wenn es dann im Einzelfall dennoch kracht, reicht es mir, wenn sie das emotional und körperlich überstehen.

Und am Rande: Für ein wirklich vorbereitendes Training im Bereich Gewalthandhabung ist das psychologische Profil eines (v.a. ehrenamtlichen) RD'lers nicht unbedingt das passende. Sie in eine prätraumatische Belastungsstörung zu entlassen, darf auf keinen Fall dabei rauskommen.

gast
21-05-2015, 14:22
edit

yawara
21-05-2015, 14:29
Deine (weiteren) Ausführungen teile ich weitgehend bzw. kann diese nachvollziehen.

Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass eine durchlebte Gewalterfahrung im Rettungsdienst häufig eine "Erschütterung des Selbstverständnisses" als "willkommener Helfer" darstellt.

Da Gewalt häufig im psychiatrischen Notfallsituationen vorkommt, sehe ich durch die Vermittlung von entsprechendem psychopathologischem Handlungs-Wissen eher die Chance, Traumatisierung bzw. die Entwicklung einer PTBS zu vermeiden, da man das Geschehen anders für sich abspeichern kann.

Deshalb auch die Frage nach einem Curriculum oder Modulsystem, bei denen zusätzlich zu deinen Maßnahmen noch weitere Tools vermittelt werden - i.S. einer "superdichten wasserdichten ADIDAS-Jacke" - die zusätzliche Imprägnierung kommt durch das Fachwissen ;-))

Diese einzelnen Module müssten aufeinander abgestimmt und im Rahmen eines Abschluss-Lehrgangs zusammengeführt werden, so dass bspw. ein Szenario Training mit detect - escape -protect (und was-weis-ich-noch-alles-mehr ;-) absolviert werden kann.

Durch deine Tools ist man sicherlich besser auf die eigentliche SV vorbereitet und kommt zum anderen eher (körperlich) heil aus der Situation heraus - das sind natürlich auch wichtige Punkte.

Liebe Grüße_Roberto

Krümel2
21-05-2015, 14:50
Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass eine durchlebte Gewalterfahrung im Rettungsdienst häufig eine "Erschütterung des Selbstverständnisses" als "willkommener Helfer" darstellt.

Danke, dass du das ansprichst.
Es ist eben nicht nur das Problem, dass Helfer immer öfter Angriffen ausgesetzt sind sondern auch, was solche Erfahrungen mit ihnen (auf Dauer) machen. Zumal auch die Nachsorge bei entsprechenden Vorfällen in RD und Pflege gleichermaßen beschissen ist. Als ob so manche Einsätze/Klinikdienste nicht so schon belastend genug wären... Neben vielen anderen Faktoren ist auch das einer, der Folgen wie Belastungsstörungen, Suchterkrankungen, etc haben kann oder die Leute wie ich den Job schmeißen weil sie sich neben den ohnehin schon miserablen Arbeitsbedingungen nicht auch noch dafür, dass sie helfen wollen, sich misshandeln lassen wollen.

Brodala
21-05-2015, 14:56
Klingt spannend.
Kannst du diesen Gedanken noch ein wenig mehr ausführen?
Würde ich hier nicht so gerne. Nimm's mir bitte nicht übel. Manche Betroffene neigenextrem dazu, das dann irgendwie als Beleidigung zu empfinden und so ist es selbstverständlich nicht gemeint. Auf den Kursen gehe ich da auch nur oberflächlich drauf ein. Hier möchte ich mir das gerne sparen.


Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass eine durchlebte Gewalterfahrung im Rettungsdienst häufig eine "Erschütterung des Selbstverständnisses" als "willkommener Helfer" darstellt.
Diese Verarbeitungen sind wieder sehr persönlich. Durch ein gutes Copingsystem kann das vermieden werden bzw. noch besser einfach durch Intelligenz und Reflexion. Damit sind natürlich nicht alle gesegnet.



Da Gewalt häufig im psychiatrischen Notfallsituationen vorkommt, sehe ich durch die Vermittlung von entsprechendem psychopathologischem Handlungs-Wissen eher die Chance, Traumatisierung bzw. die Entwicklung einer PTBS zu vermeiden, da man das Geschehen anders für sich abspeichern kann.
PTBS geschieht eigentlich kaum auf ner intellektuellen Ebene. Da spielen noch ein paar Querfaktoren eine entscheidende Rolle. Vorbereitung ist sicher ein wichtiger Schritt, aber nicht so sehr kognitiv.



Deshalb auch die Frage nach einem Curriculum oder Modulsystem, bei denen zusätzlich zu deinen Maßnahmen noch weitere Tools vermittelt werden - i.S. einer "superdichten wasserdichten ADIDAS-Jacke" - die zusätzliche Imprägnierung kommt durch das Fachwissen ;-))
Dazu sind die Rettungsdienste angehalten, keine Frage. Ähnlich wie Supervision (oft nur im Rahmen eine losen Gruppenstunde) oder guter Führung davor und danach. Vielerorts empfinden (auch Hauptamtliche) das Fortbildungsangebot ihrer Organisationen für zu dürftig. Auf diesen Zug möchte ich selber nicht aufspringen. Das könnte ich auch nicht adäquat leisten.

Brodala
25-10-2015, 12:01
Habe jetzt mal eine Hand voll Fortbildungen in dem Bereich gegeben und kann mich nur bei allen Teilnehmern bedanken. Das war immer ne ganz feine Sache und ich denk, dass ich in dem Bereich durchaus hin und wieder aktiv werde.

Was mich besonders freut ist, dass die HiOrgs mein PGH RD als offizielle Fortbildung einstufen und die RD'ler damit eine coole Option für ihre Pflichtstunden haben. Hat ihnen Spaß gemacht und viel wichtiger, sie formulieren aus sich heraus die Notwendigkeit für solche Trainings.

http://www.brodala-gruppe.de/Files_files/RD-Basis_FB.jpg (http://www.brodala-gruppe.de/PGH_RD.html)

concrete jungle
28-10-2015, 11:11
Sieht gut aus und leider brauchen die Leute das wohl auch!

Den ,,Gangwechsel"von Helfen zu sich wehren muß man erst mal hinbekommen...

Oft sind die ja schon recht körperlich von der Art her, da muß man dann mental schärfen und als Autorität das sich-wehren-,,erlauben".

Jan_
28-10-2015, 12:23
We


Eine Truppe Malteser im Rhein-Sieg-Kreis hatten neulich jemanden mit ganz explizitem Kampfkunsthintergrund da, der im Rahmen eines Deeskalationstrainings ne ganze Menge Handlungslogarhythmen überschreiben wollte, indem er für jedes denkbare Problem sensibilisiert hat.
Was sind Handlungslogarythmen?

Brodala
28-10-2015, 12:36
Hehehe, ich bin manchmal echt...

Also ich meinte Handlungsalgorithmen. :D

Jan_
28-10-2015, 12:55
:)

Brodala
21-10-2016, 21:16
Gewalt. Das ist ein Phänomen, das in jedem Betätigungsfeld auftreten kann. Der Rettungsdienst - mit seinem Bezug zu allen Teilnehmern der Gesellschaft - ist davon nicht ausgenommen. Deswegen freuen wir uns, morgen einen Beitrag für die Malteser in Neuss leisten zu dürfen. #besservorbereitet #profisfürprofis

Danke an Tim Gladis, Lehr-Rett-Ass., der uns zum wiederholten Male für diese offizielle Fortbildung ins Boot holt. Yeah - anerkannt. Keine "jeder bezahlt für sich und dann gibts keine Eintragung" Fobi -> Freude!

https://scontent-frt3-1.xx.fbcdn.net/t31.0-8/14682161_1309686085710798_4203547739492012011_o.jp g

musclesnatch
22-10-2016, 09:28
Ich habe so meine Schwierigkeiten mit der "verwissenschaftlichten" Ausdrucks- und Herangehensweise von Brodala an das Thema SV und Gewalt. Aber wenn was bringt....die Mädels in dem Video scheinen jedenfalls ne menge Spass zu haben.

Brodala
22-10-2016, 19:51
Jo, kein Ding. Das liegt nicht jedem. Manchmal ist das gar nicht irgendwie verwissenschaftlicht, sondern einfach kompliziert ausgedrückt. Leider son bisschen meine Art, sorry. Ähnlich ists mit Fluchen, bisweilen dem Diskriminieren von Minderheiten und ich höre furchtbar schlecht und muss dauernd nachfragen. Sind ganz klar persönliche Fehler, aber ich arbeite dran. An den meisten ;)

Was das Akademische angeht: Lass dich davon nicht täuschen in Bezug darauf, was die praktische Umsetzung angeht. Die ist natürlich nicht theoretisch, verkompliziert oder irgendwie besonders eloquent. Da kracht es natürlich mächtig und es bleibt dabei, dass Gewalt stets mit ein bisschen mehr Gewalt besiegt werden kann.

Und hier noch mal ein Bildchen aus dem Kurs heute. Danke an die Malteser. Gute, dynamische Truppe mit paar richtigen Brocken. Hat auch schon mal ordentlich geballert.

https://scontent-frt3-1.xx.fbcdn.net/t31.0-8/14680802_1310674508945289_4977551129230548588_o.jp g (http://www.brodala-gruppe.de/PGH_RD.html)

Kusagras
25-06-2020, 14:29
Da der thread bzw. das Thema Gewalthandhabung im Rettungsdienst schon besteht, poste ich den folgenden Text hier:

https://www.feuerwehrmagazin.de/wissen/gewalt-gegen-rettungskraefte-wie-reagiert-die-feuerwehr-auf-angriffe-67641


Interessnat fand ich folgenden Aussagen:


Der Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum befragte im Mai und Juni 2017 rund 4.000 haupt- und ehrenamtliche Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte aus Nordrhein-Westfalen. 812 davon füllten die Fragebögen aus.... Im Gesamtbild ergibt sich, dass die meisten Angriffe im rettungsdienstlichen Bereich während der Diagnose oder Therapie erfolgen....
80 Prozent der Einsatzkräfte meldeten den letzten verbalen oder nonverbalen Übergriff auf ihre Person nicht. 30 Prozent selbst dann nicht, wenn sie Opfer körperlicher Gewalt wurden....Dabei sagten mehr als 20 Prozent der Angegriffenen aus, in dessen Folge psychische Beeinträchtigungen erlitten hätten. Rund 40 Prozent berichteten von körperlichen Schäden....In der Studie äußerten die Befragten zudem den Wunsch, in ihrer Ausbildung intensiver auf eskalierende Einsatzsituationen vorbereitet zu werden. Sowohl soziale Brennpunkte in Großstädten als auch bürgerliche Wohngebiete sind besonders betroffen... .

Was zählt zur Gewalt gegen Rettungskräfte?

Das Spektrum von Gewalt gegen Einsatzkräfte ist sehr vielfältig und breit gefächert: Vom fehlenden Verständnis für erforderliche Absperrungen bis zu dem stark alkoholisierten Patienten, der nicht mehr erkennt, dass die Rettungswagen-Besatzung ihm nur helfen will.
Und da sind natürlich auch die „erlebnisorientierten“ Menschen (Polizeijargon für gewaltbereite Jugendliche), die mit Steinen und Flaschen auf Einsatzkräfte im Löscheinsatz werfen. Die Bandbreite reicht demnach von verbalen und nonverbalen Angriffen (Beleidigungen, Drohungen, drohende Gesten) bis hin zu körperlicher Gewalt (Treten, Schlagen, Schubsen, Anwendung von Waffen).


Können Leute aus der Praxis das bestätigen? Das jede/r Dritte körperliche Übergriffe nicht meldet, hat mich erstaunt und
verweist auf die hohe Dunkleziffer, die nicht in die PKS bzw. Studien eingeht bzw. nur als solche erwähnt wird. Auch das nur 20 % die Fragebogen der Studie aus 2019 ausfüllen, auch sehr bedenklich. Woran liegst?

Was haltet ihr von den im Text vorgeschlagenen Präventionsmaßmahmen? Sind sie bekannt und gar internalisiert bei den meisten? Gibt es wiederholte Schulungen, z.B. wie sie hier im thread vorgestellt sind?

Krümel2
25-06-2020, 14:37
Deckt sich mit meinen persönlichen Erfahrungen und auch meinen eigenen Forschungsergebnissen zu dieser Thematik.

Little Green Dragon
25-06-2020, 16:41
Das war einer der Gründe weshalb ich mein freiwilliges Engagement in dem Bereich dann beendet habe.

Man opfert seine Freizeit damit andere Spaß haben können und wird zum Dank dafür dann auch noch angepöbelt oder rumgeschubst. Ne brauche ich nicht.

kanken
25-06-2020, 22:42
In meiner Erfahrung liegt die Quote der nicht gemeldeten „Übergriffe“ bei 100%. Ich kenne niemanden im Rettungsdienst der eine non-verbale Aggression gemeldet hat und eine verbale erst Recht nicht.
So etwas wurde hinterher auf der Wache nachbesprochen und damit der Frust abgebaut. Schnittfeste Handschuhe, Pfeffer, Kobutan-Taschenlampen gehören zur (privaten) Standardausrüstung.

Kusagras
26-06-2020, 13:52
In meiner Erfahrung liegt die Quote der nicht gemeldeten „Übergriffe“ bei 100%. ...

Upps. Dann wollen wir mal hoffen das u.a. die 30 % aus dem Artikel wirklich obere Grenze sind.

Woran liegt das deiner Meinung nach. Zu viel Aufwand? Keine Extra-zeit dafür? Nicht so als relevant wahrgenommen,
...?

Kusagras
26-06-2020, 13:54
Das war einer der Gründe weshalb ich mein freiwilliges Engagement in dem Bereich dann beendet habe.

Man opfert seine Freizeit damit andere Spaß haben können und wird zum Dank dafür dann auch noch angepöbelt oder rumgeschubst. Ne brauche ich nicht.


Und selbst die Bezahlung dürfte nicht so üppig sein, als dass es sich DAFÜR lohnen würde. Abgsehen, dass man evtl. auch irgendwann zu alt für son Schei.. ist.

kanken
26-06-2020, 14:33
Upps. Dann wollen wir mal hoffen das u.a. die 30 % aus dem Artikel wirklich obere Grenze sind.

Woran liegt das deiner Meinung nach. Zu viel Aufwand? Keine Extra-zeit dafür? Nicht so als relevant wahrgenommen,
...?

Wie ich es erlebt habe hat man sich zwar darüber aufgeregt, aber „Idioten gibt es halt immer“. Die Zusammenarbeit mit der Polizei war auch immer spitze, so dass man die Situation in der Regel schnell lösen konnte.
Die Jungs, mit denen ich gefahren bin, waren aber auch alle „praktisch“ veranlagt und haben eine „natürliche Resilenz“ gegenüber Gewalt mitgebracht.

Wurde also nie als wirklich relevant wahrgenommen. Hinterher zusammen auf der Wache auskotzen hat gereicht und das kennt man ja auch von den ganzen traumatischen Bildern. Das wird ja auch so verarbeitet.

Little Green Dragon
26-06-2020, 14:39
Und selbst die Bezahlung dürfte nicht so üppig sein, als dass es sich DAFÜR lohnen würde.

Vielleicht müssen wir (leider) wirklich erst an den Punkt kommen an denen aufgrund von fehlendem Personal die Leute mal schmerzhaft merken was es heißt eine so gute "Rundumversorgung" zu haben.

Es muss dabei ja gar nicht immer gleich verbal- oder körperlich aggressiv werden, allein schon die schleichende Veränderung im Auftreten gegenüber dem anderen spricht da schon Bände. Es ist z.B. eine Sache wenn jemand jetzt freundlich fragt ob man nicht eine Windel oder ggf. etwas Sonnencreme über hat (auch wenn das jetzt nicht unbedingt zu den originären Aufgaben beim Sandienst gehört).

Da wird dann nassforsch aufgetreten (Respekt ist ein Fremdwort) und es werden entsprechende Forderungen gestellt.

"Gib mir mal Sonnencreme..."

"Sorry haben wir keine da..."

"Dann müsst ihr mir jetzt sofort welche besorgen..."

Und ähnliche Beispiele mehr.

Krümel2
26-06-2020, 14:54
Upps. Dann wollen wir mal hoffen das u.a. die 30 % aus dem Artikel wirklich obere Grenze sind.

Woran liegt das deiner Meinung nach. Zu viel Aufwand? Keine Extra-zeit dafür? Nicht so als relevant wahrgenommen,
...?

Zentrale Ergebnisse für Gründe Nichtmeldung einer verwandten Berufgruppe sind: Nicht bekannt, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt, dann würde man nur noch Übergriffe melden (aufgrund der Häufigkeit), so schlimm war es nicht (Bagatellisieren), ist Alltag/gehört zum Job und Meldung hat keine Konsequenzen.

Gegen die angebliche Resilienz sprechen die als mittel und hoch angegebene Belastung durch Übergriffe und die daraus resultierenden negativen Beanspruchungsfolgen.

Klaus
26-06-2020, 15:29
Das "gib ma Sonnencreme" ist das gleiche wie "hasse ma ne Zigarette?". Irgendwas muss er halt sagen um nicht gleich mit "lass uns prügeln!" anzukommen. Wobei, auch das habe ich erlebt, da war ich aber 12.