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Vollständige Version anzeigen : Lehrer- vs. Schülerdasein



Björn Friedrich
19-05-2015, 15:07
Eine Sache die mir in den letzten Jahren immer mehr auffällt, ist das der Unterschied zwischen dem eigenen Lehrer und Schüler Dasein, immer größer wird.

Ich finde als Lehrer, ist es enorm wichtig sich auf den Level der Schüler einzustellen und sein eigenes Spiel relativ weit aussen vor zu lassen.

Ein 40 jähriger Familienvater, erwartet und mag ein anderes BJJ als ein 20 jähriger Student und auch wenn am Anfang die Basics gleich sind, wird das Ganze dann mit der Zeit doch sehr individuell.

Wenn ich z.B. neue Videos im Netz entdecke, hab ich immer bestimmte Schüler im Kopf, d.h. auch wenn ich das Zeug selber, überhaupt nicht mag, weiß ich, wem das von meinen Leuten gefallen könnte und gebe es weiter.
Man beschäftigt sich also, krass gesagt, mit Dingen die einen persönlich nicht interessieren, aber für die Schüler von Wert sind.

Ich erwische mich oft bei dem Satz: Ich würde das nie machen, aber für euch ist das gut.:-)

Ich ernte dafür erstaunte Blicke, aber im Grunde macht das für mich einen wichtigen Teil des BJJ Unterrichts aus, den Schülern das geben was SIE umsetzen können, nicht das, was man selber gerne macht.

Ehrlich gesagt, hätte ich wahrscheinlich verdammt schlechte Schüler, wenn ich ihnen das unterrichten würde, was ich selber mache:-)

Jiu Jitsu zu unterrichten ist für mich daher auch weniger Kunst, als Beruf. Man muss seine eigenen Präferenzen beiseite tun und sich wirklich auf die Didaktik und das Grundgerüst fokussieren.

Wenn ich mit meinen Freunden BJJ trainiere, dann ist es für mich null Buisness und eigentlich nur Kunst, aber dann fallen eben Erklärungen und das Einstellen auf den Verständnislevel des Einzelnen weg. Das kann auch für eine Gruppe Inspiration sein, aber das ist gerade am Anfang noch zu wenig, da gehört einfach viel handfester Unterricht rein.

Ich finde das sehr interessant, weil ich mit so einer Spaltung eigentlich nie gerechnet habe, aber habe natürlich auch gemischte Gefühle dazu.

Gerade das "Warum tut man es", ist ja für beide Bereiche vollkommen unterschiedlich und somit natürlich auch die eigene Motivation.

Jiu Jitsu ist also plötzlich nicht mehr nur das BJJ, sondern eben aufgeteilt in 2 vollkommen verschiedene Bereiche.....

Vielleicht bin ich aber auch nur Wahnsinnig, dann löst sich das alles irgendwann auch wieder auf;-);-)

ommo
19-05-2015, 17:18
@Bjön und die Trainer unter euch:

Wie beeinflussen sich euer Lehrer- und Schülerdasein gegenseitig?
Verbessern sich eure KK-Fähigkeiten durch das Lehren?
Ist man planmäßiger selbstreflektiver beim Üben?



Gruß o

PS: Überlege ob das Trianingsgundlagenstudium (als Schüler) sinnvoll ist.

Droom
19-05-2015, 17:37
Ist bei meinem Trainer ähnlich und genau der Grund warum ich sein Training so sehr schätze.
Er ist eigentlich eher nen Bottom-Player aber predigt trotzdem bei den aller meisten von uns ein solides Top-Game und hat Z.B. sowohl für Strength&Mass-Player als auch für bewegliche langgliedrige "Tentakelmenschen" ganz eigene Bewegungsansätze und Taktiken.

Habe schon einige Leute erlebt die zwar wirklich sehr gut in ihrem Game waren, aber eben auch nur ihre eigene Art zu kämpfen Unterrichten konnten. Und spätestens da hat man als kleiner flinker und wendiger Schüler eben verloren wenn der Lehrer z.B. ein 90kg-Kraftbolzen ist.

Denke als Lehrer sieht man das Ganze auch recht schnell wenn man sich seine Gruppe anschaut. Wenn ich 10 Leute habe die meinen Kampfstil nahezu 1:1 kopiert haben, dann habe ich nicht so variantenreich und angepasst gelehrt als wenn ich an Schüllern alles vom Guard-Player über Back-Taker bis hin zum Top-Controler dabei habe.

Björn Friedrich
19-05-2015, 18:28
Es gab mal ne Zeit, da hat mir mein Unterrichten sehr viel geholfen, weil ich dadurch die strategischen und technischen Zusammenhänge noch besser verstanden habe. Ich musste viele Dinge verdeutlichen und das war gut.

Heute ist es aber so, das mein Unterricht mein eigenes Training überhaupt nicht mehr beeinflusst. Mein eigenes Training beeinflusst jedoch meinen Unterricht.

Grundsätzlich denke ich aber, das für beide Bereiche, unterschiedliche Qualitäten gefragt sind.

Hug n' Roll
19-05-2015, 20:03
Es gab mal ne Zeit, da hat mir mein Unterrichten sehr viel geholfen, weil ich dadurch die strategischen und technischen Zusammenhänge noch besser verstanden habe. Ich musste viele Dinge verdeutlichen und das war gut.

Heute ist es aber so, das mein Unterricht mein eigenes Training überhaupt nicht mehr beeinflusst. Mein eigenes Training beeinflusst jedoch meinen Unterricht.


Halte ich für eine völlig normale Entwicklung. Das geht sicher sehr vielen so, die unterrichten und auch selber trainieren.
-Aber es ist doch schön, daß auch solche Banalitäten, die man so unterwegs entdeckt, immer ein angenehmes (fast kindliches) Erstaunen bei einem selbst auslösen.

Das geht mir jedenfalls seit mehr als 20 Jahren so und ich finde das immer wieder und immer noch schön.:)

Gast
19-05-2015, 20:58
@björn:

cool, dann bin ich wenigstens nicht der einzige, dem es so geht ...
:D

hab mich in deiner beschreibung wiedergefunden.
im stand, bei den würfen, isses übrigens ganz genau das gleiche ...
:)

Cillura
20-05-2015, 05:27
Ich hab meinen Lehrer in deiner Beschreibung wiedergefunden. :)

Die meisten bei uns in der Traininggruppe sind größer als ich und somit klappen manche Übungen bei mir überhaupt gar nicht. In solchen Fällen bekomm ich dann immer eine Variante für mich zugeschnitten, die auch bei größeren Gegnern klappt. So lerne ich immer zwei was, gegen gleich große / kleinere und gegen größere :D Fetzt schon, wenn der Lehrer sich auf sowas einstellen kann. :)

jkdberlin
20-05-2015, 08:17
Ich denke, jeder Lehrer wird sich hier wiederfinden. Das ist die Natur der Sache. Eine Entwicklung aus "man lernt erst richtig wenn man lehrt". Nach eienr Weile kommt man einfach da an, die eigenen Vorlieben für die Vorlieben der Leute, die mit und bei einem trainieren, neben an zu stellen. So viel zu trainieren und doch so wenig Zeit dafür...
Ich löse das zur Zeit so, dass ich neben dem normalen täglichen Unterricht in zwei freien Drillklassen den Stoff mache, der mich zur Zeit interessiert. Nicht optimal, aber anders geht es nicht.

Dreiven
20-05-2015, 11:41
Matt Thornton predigt ja auch immer, dass man seinen Schülern nicht seinen persönlichen Stil beibringen soll, weil die eben vielleicht garnichts damit anfangen können, sondern sich auf die Grundlagen beschränken und sie ihr eigenes Game entwickeln lassen soll.

Ein Paar Leute haben ja schon was dazu geschrieben, aber wie handhabt der Rest das? Beschränkt ihr auch auf die Grundlagen oder habt ihr für jeden Schülertyp ein komplett angepasstes Repertoire?

Björn Friedrich
20-05-2015, 12:11
Ich meine die Basics sind immer gleich.

Jeder Schüler braucht Mount Escapes, Side Mount Escapes, Guard Kontrolle, usw. Submissions wie Kimura, Straight Armbar, usw. all das ist ja ziemlich grundlegend am Anfang und keiner kommt dran vorbei.

Ich würde sagen die ersten 12-24 Monate ist das alles ziemlich ähnlich, wobei da ab und zu schon Dnge einfliessen. Das hängt auch vom Schüler ab, manche machen das nur hobbymäßig und wollen gar nicht mehr und andere, gerade junge Schüler, wollen soviel Input wie möglich.

Danach schau ich halt wie sich jemand entwickelt und da spielt der Körper eine große Rolle. Mir ist z.B aufgefallen das viele meiner kleineren Schüler, gerne Half Guard machen, da bring ich dann z.B. die Lockdown Sachen mit ins Spiel.

Größere Leute stehen da eher auf Z-Guard da pass ich mich dann an;-)

Für meine enge Schülergruppe finde ich diese individuelle Arbeit auch sehr interessant, weil sie die gesamte Gruppe befruchtet. Wir haben z.B. einen jungen BJJler der ist fanatisch mit dem Kneebar, geht aus allen Positionen zum Kneebar. Da das sonst keiner macht, lernen alle Anderen auch damit umzugehen, was die Gruppe natürlich stärker macht und wenn ich irgendwo auf Youtube ein brauchbares Kneebar Video sehe, bekommt er er geschickt. :-)