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Vollständige Version anzeigen : Training gegen Kontrollverlust



JoHatsu
15-07-2015, 12:25
Es gab vor Kurzem zwei Fälle, wo Kämpfer eines Teams wegen Verstoß gegen die 3Punkte-Regel disqualifiziert wurden, und zwar beide am selben Tag auf derselben Veranstaltung. Ich kenne bisher nur das erste Video eines der beiden Kämpfe. Dort sieht man, dass der Verursacher bei der DQ selbst ungläubig den Kopf schüttelt über sein Verhalten. Das Team ist bekannt und wird geschätzt. Soccerkicks werden dort mit Sicherheit nicht trainiert. Bleibt für mich als Ursache ein Blackout des Kämpfers.
Für mich geht es bei einem Kampf immer um Kontrolle; um die des Gegners, aber auch um die eigene. Krasse Regelverstöße sind zum Glück recht selten, aber man sieht halt immer wieder, wie Kämpfer die Kontrolle über eine Situation verlieren. Ein Boxtrainer hat in der Ecke mal seinen Kämpfer Maß genommen: "Boxt du?! Boxt du?! Nein, du prügelst! Also geh jetzt raus und fang an zu boxen!"

Eigentlich könnte man das Thema an alle Vollkontakter richten, aber im MMA ist mMn die Aufregung oft ein Stück größer und damit die Blackout-Gefahr.

Also wie trainiert man das? Wie trainiert man als Coach die Frustrationstolleranz eines Kämpfers? Wie kann man dem "Tunnelblick" entgegen steuern? Wie nimmt man den Druck vom Kämpfer? Durch mehr Modellwettkämpfe? Sparring mit Störgrößen? Reaktionstraining? Mehr Teilnahme an Amateur-Turnieren? Vorgespräche mit den Kämpfern? Was sind eure Erfahrungen? Was hat funktioniert, was nicht?

Passion-Kickboxing
15-07-2015, 14:26
Bei mir hat damals Sparring mit deutlich stärkeren/besseren Kämpfern geholfen. Wenn ich hier zu hart geworden bin, gab es richtig auf die Backen, da durch überlegt man sich zweimal ob man die Kontrolle verliert. :D Es erhöt zumindest den Druck sie zu behalten...

Björn Friedrich
18-07-2015, 17:52
Das Problem ist, das MMA eine recht extreme Form von körperlicher Gewalt darstellt. Auch wenn das immer alles so sportlich dargestellt wird. Wenn ich auf jemanden sitze und ihm mit den Ellebogen solange ins Gesicht haue bis er nicht mehr kann oder die Gesichtsknochen brechen, dann brauche ich dafür entweder einen extrem hohen Level an Aggression, oder ich bin so extrem professonell, das ich wie z.B. Fedor, Gewalt vollkommen emotionslos ausführen kann.

Das zweite ist jedoch eher selten. Leute wie Wanderlei Silva haben von dieser extremen Gewalt und Agression in den ersten Jahren ihrer Karriere gelebt, nur so wurden sie Champions......

Von daher ist es extrem schwierig auf der einen Seite ein skrupelloses Verhalten in Einklang mit den Regeln zu fordern und zu trainieren und auf der anderen Seite Respekt und Menschlichkeit einzufordern, das sind gegensätzliche Emotionen.

Meiner Meinung besteht der beste Weg sowas zu verhindern darin, das Leute lernen wirklich komplett emotionslos ihre Aufgabe zu erledigen und ihre klare Zielsetzung inkl. der Verbote) nie durch Wut und Aggression überlagert wird.

Allerdings kann man das von einem Anfänger noch nicht erwarten und ich denke solche Regelverstöße, sind einfach Kollateralschäden im MMA Bereich.

Für mich ist genau dieser Sachverhalt auch ein Grund, warum ich MMA nicht wirklich mag. Ich glaube nicht, das es der eigenen Psyche langfristig gut tut.....

Hosenscheißer
18-07-2015, 18:42
Im K-1 oder MMA kommt der Kontrollverlust schneller als beim Boxen oder Judo, weil die Zielfläche viel grösser ist was oft zu Fouls einlädt.

Dastin
18-07-2015, 20:17
Im K-1 oder MMA kommt der Kontrollverlust schneller als beim Boxen oder Judo, weil die Zielfläche viel grösser ist was oft zu Fouls einlädt.
was verstehst du unter ein Faul.

Hosenscheißer
19-07-2015, 11:19
was verstehst du unter ein Faul.

verbotene Techniken wie z.B. Soccerkick im MMA oder Ellenbogen bei der Spinning Backfist im K-1.

Hug n' Roll
19-07-2015, 11:43
Ich glaube nicht, das es der eigenen Psyche langfristig gut tut.....

Das ist der eine Aspekt, über den ich mal nachdenken muß, ohne das jetzt sofort zu kommentieren.

Zum anderen muß man wohl bei solchen Zwischenfällen sehen, wie oft so etwas vorkommt und das dann mit Entgleisungen gewalttätiger Art in anderen Sportarten vergleichen.
-Im Ergebnis wird man wohl dahin kommen, daß vielleicht nicht jeder Mensch für den Wettkampf in jeder Sportart geeignet ist.....

Ich jedenfalls würde mich weigern, im Wettkampf mit jemandem auf die Matte zu gehen, von dem ich weiß, daß er schonmal die Kontrolle verloren und z.B. trotz Tap Arme gebrochen hat.
Außerdem stelle ich fest, daß so jemand bei mir im Training die Ansage bekäme, sich entweder einen anderen Sport zu suchen oder zumindest auf Wettkämpfe zu verzichten.

JoHatsu
19-07-2015, 19:01
Das zweite ist jedoch eher selten. Leute wie Wanderlei Silva haben von dieser extremen Gewalt und Agression in den ersten Jahren ihrer Karriere gelebt, nur so wurden sie Champions......

Mir gehts nicht um das Thema Agression. Die braucht man nun mal im Wettkampfsport. Mir gehts darum, dass im Eifer des Gefechtes Regeln über Bord geworfen werden. Auch ein Wanderlei konnte sich nach seiner Pride-Zeit auf die UFC-Regeln umstellen. Lags daran, dass er mehr Kämpfe hat und daher großes Publikum gewöhnt ist?


Meiner Meinung besteht der beste Weg sowas zu verhindern darin, das Leute lernen wirklich komplett emotionslos ihre Aufgabe zu erledigen...
Das ist schon mal ein interessanter Denkansatz. Doch wie schafft man das? Mehr Abgebrühtheit durch mehr Amateur-Kämpfe? Mehr Pott rauchen? Grünen Tee trinken?

An die Trainer: Wie geht ihr mit Regelverstößen um, begangen von euren Schülern beziehungsweise wie würdet ihr reagieren? Welche Konsequenzen würdet ihr ziehen?

Hug n' Roll
19-07-2015, 19:53
Ich könnte mich selbst mit meinem letzten Satz im vorletzten Post zitieren, gehe aber mal davon aus, Du meinst exklusiv MMA-Trainer?!

Hosenscheißer
19-07-2015, 20:13
Das ist schon mal ein interessanter Denkansatz. Doch wie schafft man das? Mehr Abgebrühtheit durch mehr Amateur-Kämpfe? Mehr Pott rauchen? Grünen Tee trinken?



Durch viel Sparring gegen bessere Leute kann man Routine bekommen und dadurch cool und kontrolliert im Ring kämpfen.

sivispacemparabellum
21-07-2015, 21:53
Hat es in unserem Team in mehr als sechs Jahren noch nicht gegeben. In meiner Zeit als Trainer, die mehr als doppelt so lang ist, auch nicht.
Finde den Begriff der Gewalt auch falsch. "Soziolog.: G. bedeutet den Einsatz physischer oder psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen a) Schaden zuzufügen, b) sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder c) der solchermaßen ausgeübten G. durch Gegen-G. zu begegnen."
Ich erkenne im Sport keinen gegen den Willen, keine Absicht Schaden zuzufügen, auch wenn Schäden entstehen können, ist es doch nicht das alleinige Ziel. Auch eine Herrschaft sehe ich nicht.
Weitere Wissenschaftler benennen auch noch den Regelbruch bei der Anwendung von Gewalt. Da wird es wieder interessant und kann auch juristisch relevant werden. Wie bei einem klaren und wiederholten Foul.
Warum die beiden Kämpfer so gehandelt haben, können nur sie sagen. Die Haltung und Erklärung des Teams halte ich für gut, denn sie beschönigt nichts und zeigt eine klare Ablehnung der Aktionen.
Björn mag da ein Ideal des Kämpfers haben, das hat mit dem Regelverstoß nur wenig zu tun. Denn egal ob emotional unbewusst, oder kühl und durchdacht eingesetzt, es bleibt das falsche Mittel. Und beides kommt leider immer wieder vor-nicht nur im MMA, sondern jedem Sport.

JoHatsu
22-07-2015, 09:42
Hat es in unserem Team in mehr als sechs Jahren noch nicht gegeben. In meiner Zeit als Trainer, die mehr als doppelt so lang ist, auch nicht.
Als Trainer und Punkterichter habe ich Regelverstöße einige Male erlebt. In einem Fall war ich Punkterichter in einem Kampf, wo ein Kämpfer einen Regelverstoß beging, dafür ermahnt wurde, und sich sein Gegner dann seinerseits mit einem Regelverstoß revanchierte. Der Ref ermahnte wieder, und der Kampf wurde weiter geführt. In einem anderen Fall stand ich in der Ecke, wo eine ähnliche Situation unbewußt oder aus Frust passierte.

Warum die beiden Kämpfer so gehandelt haben, können nur sie sagen. Die Haltung und Erklärung des Teams halte ich für gut, denn sie beschönigt nichts und zeigt eine klare Ablehnung der Aktionen.
Wettkampfsport berührt in meinen Augen eine Grenzlinie. Es geht um Dominanz, und es geht darum, die Dominanz eines Kontrahenten anzuerkennen, und das steht im Widerspruch zum einen Ego. Ich denke, dass dieser Widerspruch in einigen Menschen aufgrund Temperament oder Sozialisierung stärker ausgeprägt ist als in anderen. Insbesondere, wenn ein Haufen Zuschauer anwesend ist, die eigene Peer-Group. Ich höre in dem Zusammenhang häufiger den Satz, dass "es um etwas geht".
Ein Allheil-Mittel gibts sicherlich nicht, aber ich halte Turniere, die stark reglementiert sind, für eine gute Methode, die Frustrationstolleranz zu testen. Allkampf zum Beispiel, Amateur-Shooto oder BJJ-Turniere. Da wird es zur Gewohnheit, die Guard zu passieren, statt sie aufzutreten. (Obwohl ich auch da beim BJJ schon einige Dinger erlebt habe, auch oder gerade bei höher Graduierten.)

sivispacemparabellum
22-07-2015, 17:15
Exakt. Es ist auch im BJJ so und es sind auch sehr erfahrene Leute, die die Regeln ignorieren. Die Gründe sind eben verschieden. Ich denke gerade wenn Leute glauben es sei der wichtigste Kampf in ihrem Leben, neigen sie dazu an die Grenzen zu gehen oder darüber, auch an die des Regelwerkes.
Wettkampfsport bedeutet für mich eben auch mich mit anderen zu arrangieren. Ich mag da bestimmte Teams lieber, da sie mit einer entspannten Art ran gehen.
Wer den großen Krieger und das Monster raus hängen lässt ist nicht zwangsläufig erfolgreicher.
Zum Sport gehört auch der Umgang mit Niederlagen. Diese sind mit sozialen/sympathischen Konkurrenten deutlich besser zu nehmen. Es ist auch immer eine Frage der Kultur und der Ziele. Ich denke da greifen viele Kämpfer und Trainer zu kurz. Erfolg ist nicht der Sieg um jeden Preis. Denn jeder zahlt-früher oder später.