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Vollständige Version anzeigen : Kenbu Tenshin-Ryū: bewegte Bilder



Gibukai
30-08-2015, 13:55
Hallo,

neben alten und heute eher unbekannten (weil nicht so weit verbreiteten) Strömungen des Karate, entstehen in Japan auch weiterhin neue Richtungen. Kenbu Tenshin-Ryū (Strömung der Säbelkampfkunst der himmlischen Wahrheit) wurde 2009 von H. Aoki (geb. 1936) der Öffentlichkeit vorgestellt. Kennern ist der Name H. Aoki natürlich bekannt: er war ein Schüler von S. Egami (1912–1981) am Karate-Klub der Chūō-Universität, an der er zahlreiche technische Veränderungen bewirkte. Später stellte er das Shintaidō zusammen, und nachdem er immer stärkere Probleme mit seiner Wirbelsäule bekam, beendete er dieses Training und begann Kenbu Tenshin-Ryū zu entwerfen.

Obwohl der Schwerpunkt auf dem Umgang mit dem Katana liegt, handelt es sich um eine Übungsform, die sich aus dem Karate entwickelte. Tatsächlich enthält sie auch noch entfernt an Karate erinnernde Elemente. Ich stelle sie hier vor, um zu zeigen, dass Entwicklungen im Karate nicht zwingend in Richtung Sport oder „Bunkai“ gehen müssen. Zum Einordnen meiner beiden Beispielvideos ist vielleicht erwähnenswert, dass H. Aoki selbst behauptet, dass er in seiner Entwicklung an der Grenze zur Gott- oder Buddhawerdung stand, sich dann aber entschloss, doch zu uns Menschen zurückzukehren – ein freundlicher Zug von ihm!

Eine aktuelle Vorführung:

https://www.youtube.com/watch?v=s-Pg5zrKm_A

Ein Werbefilm dieser Strömung:

https://www.youtube.com/watch?v=o_zLyuWId5g

Grüße,

Henning Wittwer

Gürteltier
30-08-2015, 14:05
Zum Einordnen meiner beiden Beispielvideos ist vielleicht erwähnenswert, dass H. Aoki selbst behauptet, dass er in seiner Entwicklung an der Grenze zur Gott- oder Buddhawerdung stand, sich dann aber entschloss, doch zu uns Menschen zurückzukehren – ein freundlicher Zug von ihm!


Naja, knapp die Hälfte von uns KKB Usern hat in der gleichen Zwickmühle die gleiche Entscheidung getroffen.

Magni
30-08-2015, 14:09
Ich hab nen kompromiss gefunden,ich bin Gott geworden UND hier bei euch Maden geblieben!:cooolll:

Bin ich nicht Gütig?:cool:

Gürteltier
30-08-2015, 14:11
Ich hab nen kompromiss gefunden,ich bin Gott geworden UND hier bei euch Maden geblieben!:cooolll:

Bin ich nicht Gütig?:cool:

Auf jeden Fall gehörst Du zur anderen Hälfte.

Magni
30-08-2015, 14:21
Auf jeden Fall gehörst Du zur anderen Hälfte.

:cry::cry::cry:

Inushishi
30-08-2015, 14:22
Sieht Herr Aoki seine Ryûha noch als Budô an?
Er schreibt sie ja 剣武 und nicht 剣舞.

Gürteltier
30-08-2015, 14:28
:cry::cry::cry:

Kein Grund zu weinen. Die andere Hälfte hat sich halt komplett so wie Du entschieden.

Gibukai
30-08-2015, 17:36
Hallo,

seiner eigenen Aussage nach war sein Shintaidō, der Vorläufer davon, keine Kampfkunst, was ich auch in meinem „Shōtōkan Band I“ (S. 183) anspreche. Gegen Kategorisierungen hat er auf jeden Fall etwas und er meint, dass sein Zeug (also auch sein Kenbu Tenshin-Ryū) am besten einfach „Körpertechniken von Aoki“ (Aoki no Taigi) heißen sollte. Dennoch verknüpft er es mit japanischem „Budō“ allgemein.

Ein Nachsatz sei mir aber noch gestattet. H. Aoki stammt ursprünglich aus derselben Übertragungslinie wie mein Karate-Lehrer, nämlich der über S. Egami. S. Egami nutzte den Budō-Begriff, aber keineswegs in der Art und Weise wie er heute meinetwegen von der Japanischen Budō-Gesellschaft in der „Budō Kenshō“ definiert wird. Z. B. geht es darin auch um (sportlichen) Wettkampf. Das hat nichts mit dem Budō nach G. Funakoshi (1868–1957), S. Egami oder auch dem, wie ich es sehe/lerne zu tun. D. h. wenn jemand von „Budō“ spricht, muss vorher klar sein, was derjenige darunter versteht – pauschale Aussagen dazu sind nicht möglich (außer man ist „Budō“-Politiker) …

Grüße,

Henning Wittwer

Inushishi
30-08-2015, 17:58
Danke für deine Antwort. Diese Art das Schwert zu benutzen kannte ich vorher noch nicht.

Gibukai
05-05-2024, 15:23
Hallo,

hier kann ein aktueller Film von den Feierlichkeiten von H. Aokis achtundachtzigstem Geburtstag angeschaut werden:

https://www.youtube.com/watch?v=Di5zf-kA0a4

Neben dem Anschneiden der Torte zeigt er auch sein körperliches Können mit zwei Schülern. Dass er sich trotz mehrfacher Knieoperationen, für die er selbst sein frühes und übertriebenes Karate-Training (z. B. Hunderte/Tausende Hockstrecksprünge mit Doppeltritten in der Luft) als Ursache angibt, in diesem Alter noch recht frei bewegen kann, ist gewiss erfreulich für ihn.

Grüße,

Henning Wittwer

FireFlea
05-05-2024, 16:05
Ich wünschte uke würde bei sowas normal reagieren...

Ergün
05-05-2024, 20:24
Sind diese Vorführungen „ernst gemeint“? Ich hoffe, das es sich hierbei um Slapstick-Einlagen handelt.

Gibukai
06-05-2024, 08:30
Hallo nochmal,

aus meiner Perspektive sind das Anschneiden der Torte mit dem Säbel oder auch die extravagante Be- oder Verkleidung von H. Aoki sicherlich bewusst eingesetzte Showelemente, die unterhalten und vielleicht auch Eindruck schinden sollen.

Die Frage, ob die Vorführungen mit Partnern „ernst gemeint“ sind, ist sicherlich berechtigt. Ebenfalls aus meinem Blickwinkel halte ich sie für recht üblich – und zwar in der Welt des Kikō (jap. Ch’i-Kung). Denn in bestimmten Formen des Kikō gehören solche Übungen „ganz normal“ dazu und sind nichts Außergewöhnliches. Um das Thema hier nicht zu sprengen, würde ich bitten, bei Interesse meinen kurzen Artikel zum Thema Kikō und Karate zu lesen:

https://gibukai.blogspot.com/2011/05/karate-und-chi-kung.html

Wichtig wäre auch zu verstehen, dass ich selbst nur sehr begrenzten Kontakt zum Shintaidō (dem Vorgänger des Kenbu Tenshin-Ryū) hatte. Während meiner Studienzeit zeigte mir nämlich freundlicherweise ein japanischer Dozent, der selbst Shintaidō u. a. auch mit einem der Söhne von S. Egami gelernt hatte, die „Tenshin-Gosō“ genannte, grundlegende Übungsform (gewissermaßen eine „Kata“) des Shintaidō. Dieses Tenshin-Gosō übte ich tatsächlich eine Zeit lang in der Annahme, dass es sich technisch nahe am Karate von S. Egami befände. Dank der Übung mit meinem späteren Lehrer (und seinen Erläuterungen zur Thematik) verstand ich dann, dass H. Aoki und sein Shintaidō ganz am Anfang tatsächlich über einen validen technischen Ansatzpunkt verfügten, der jedoch durch H. Aokis eigenes Weiterentwickeln in eine andere inhaltliche Richtung gewissermaßen durch andere Ideen verwässert wurde.

Grüße,

Henning Wittwer

MGuzzi
06-05-2024, 09:33
Ich wünschte uke würde bei sowas normal reagieren...

Die Reaktion ist wahrscheinlich genau die, die in dem Kontext "normal" ist.
Auchwenn es für die meisten bescheuert zu sein scheint.

FireFlea
06-05-2024, 09:47
Die Reaktion ist wahrscheinlich genau die, die in dem Kontext "normal" ist.
Suchvwenn es für die meisten bescheuert zu sein scheint.

Was soll es denn für ein "Kontext" sein, in dem sowas "normal" ist? Slapstick? Wenn uke schon vor Kontakt bzw. ohne Kontakt wie ein Zitteraal zusammenbricht, hat das jedenfalls wenig mit KK zu tun.

MGuzzi
06-05-2024, 10:09
Wenn uke schon vor Kontakt bzw. ohne Kontakt wie ein Zitteraal zusammenbricht, hat das jedenfalls wenig mit KK zu tun.

Hat es auch nicht.
Es ist irgendeine Form von Kiko ( Chi-kung), und kein Budo, wie ja von Henning dargelegt wurde.
Vielleicht muss man mal lesen, um Kontext zu verstehen.
Mir erschließt sich das allerdings auch nicht.
Diese "Hockstrecksprünge", die die im Shintaido gemacht haben, sind jedenfalls eine gute körperliche Übung für Schnellkraft und Beweglichkeit.

FireFlea
06-05-2024, 10:30
Hat es auch nicht.
Es ist irgendeine Form von Kiko ( Chi-kung), und kein Budo, wie ja von Henning dargelegt wurde.
Vielleicht muss man mal lesen, um Kontext zu verstehen.
Mir erschließt sich das allerdings auch nicht.

Auch in einem Qi Gong Kontext macht das für mich keinen Sinn. Abgesehen davon werden klar Würfe gezeigt, die wieder etwas mit KK zu tun haben, egal welchen Namen man dem Kind gibt. Das ist halt einfach lächerlich.

MGuzzi
06-05-2024, 11:21
Auch in einem Qi Gong Kontext macht das für mich keinen Sinn. Abgesehen davon werden klar Würfe gezeigt, die wieder etwas mit KK zu tun haben, egal welchen Namen man dem Kind gibt. Das ist halt einfach lächerlich.


Ich sehe keine Würfe, dss ist eher eine Tanzperformance.
Sowas können die auch bei Pina Bausch, da würde auch niemand sagen das sei lächerlich.
Wie gesagt, der Kontext ist entscheidend, und Kampfkunst ist das nicht, mit nem Schwert die Torte anschneiden ist auch kein Tameshigiri.
In Japan gibt es viel schräges Zeug, das ist nur ein Beispiel.
Ich weiß allerdings dass der Aoki auch ganz anders könnte.

Gibukai
06-05-2024, 13:08
Hallo,

persönlich sehe ich die Selbstbeschreibung des Kenbu Tenshin-Ryū kritisch, da wie hier anhand der letzten Beiträge zu sehen ist, nur sehr schwammig dargelegt wird, was Kenbu Tenshin-Ryū sein soll/möchte. Zuvor schrieb ich bereits, dass H. Aoki selbst es u. a. einfach als „Körpertechniken von Aoki“ (Aoki no Taigi) beschreiben würde. Es ist aus meiner Sicht ein Mischmasch aus vielerlei Übungs- und Glaubenssystemen, der ursprünglich aus Karate hervorgegangen ist, aber schon lange kein Karate mehr sein möchte, auch keine „Kampfkunst“ als solche (aber „irgendwie“ doch schon), und als einen zentralen Pfeiler die Arbeit mit „Ki“ enthält.

Im Kikō von O. Aoki (geb. 1948; JKA Spanien und „Aoki-Bio-Energie“), das auf dem Kikō von K. Nishino (1926–2021; „Nishino-Atemmethode“) beruht, werden neben Soloübungen auch Partnerübungen gelehrt, bei denen „Ki ausgetauscht“ werden soll. Dabei geht man nicht wie in der Kampfkunst als „Kontrahenten“ gegeneinander vor, sondern versucht harmonisch miteinander zu arbeiten, später auch ohne Kontakt. Wenn das funktioniert, werden Reaktionen ähnlich denen in den Vorführungen des Kenbu Tenshin-Ryū hervorgerufen. Ich hatte Ende der 1990er Jahre an zwei Wochenendlehrgängen mit O. Aoki teilgenommen (vor der Youtube-Zeit, ohne zu „wissen“, was da auf mich zukommen würde) und fand das rein körperlich sehr angenehm und wirkungsvoll (damit meine ich als eine Art Gesundheitssystem, nicht als „Kampfkunst“). D. h. ich habe wenig Zweifel an der Wirksamkeit eines solchen Kikō (wenn es eben nicht als „Kampfkunst“ missverstanden/repräsentiert wird).

D. h. wenn ich das Kenbu Tenshin-Ryū von außen technisch „analysieren“ sollte, dann würde ich – wie schon getan – den Partnerübungen einen erheblichen Anteil Kikō als eine Grundlage unterstellen, der aber nicht klar von "Kampftechnik/-kunst" abgegrenzt, sondern mit ihr vermischt wurde. Das beträfe dann auch die Einstellung, mit der die Übenden an ihre Übung herangehen. Dabei kann ich allerdings nicht ausschließen, dass einige Mitglieder des Kenbu Tenshin-Ryū davon ausgehen, bis zu einem gewissen Grad „echte Kampfkunst“ oder „auch Kampfkunst“ zu betreiben, was dann u. a. an der von mir kritisch betrachteten Selbstbeschreibung des Kenbu Tenshin-Ryū liegen würde ...

Grüße,

Henning Wittwer

FireFlea
06-05-2024, 13:52
...Partnerübungen gelehrt, bei denen „Ki ausgetauscht“ werden soll. Dabei geht man nicht wie in der Kampfkunst als „Kontrahenten“ gegeneinander vor, sondern versucht harmonisch miteinander zu arbeiten, später auch ohne Kontakt. Wenn das funktioniert, werden Reaktionen ähnlich denen in den Vorführungen des Kenbu Tenshin-Ryū hervorgerufen.

Ja aber wie? Auch ohne KK Kontext fängt einer nicht an zu zappeln, wenn er berührt wird. Ki ist ja keine Magie, es geht ja immer noch um Prozesse, die irgendwo im Körper stattfinden. Selbst wenn ich wohlwollend eine harmonische Körperarbeit konstatiere, ist die Reaktion des Partners kaum nachvollziehbar.

Gibukai
07-05-2024, 09:02
Hallo nochmal,

die Frage nach dem Wie, also den tatsächlichen Wirkmechanismen im Körper, kann ich auf das Kikō bezogen überhaupt nicht beantworten, da ich über keinen medizinischen o. Ä. Hintergrund verfüge. Daher würde ich Dich da „einfach“ auf die Studien hinweisen wollen, die darüber veröffentlicht worden sind, angefangen z. B. mit dieser:

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1475930/

Praktiker erklären (und demonstrieren das) auf ihre Weise z. B. wie hier im Film:

https://www.youtube.com/watch?v=SA9JuhNF0_8

O. Aoki („Aoki-Bio-Energie“) lieferte auf den beiden Lehrgängen, an denen ich teilnahm, am Anfang auch ausführliche biologisch/medizinische Erklärungen über die Wirkmechanismen und wies auf Studien darüber hin. Möglich wäre es also auch, einen seiner Lehrgänge zu besuchen und zuzuhören, was er dazu erklären kann.

Und wie geschrieben, da ich diese Art von Reaktion als eher „normal“ im Zusammenhang mit diesem Kikō kennengelernt habe, ordne ich sie im Fall des hier besprochenen Kenbu Tenshin-Ryū dementsprechend ein …

Grüße,

Henning Wittwer