Vollständige Version anzeigen : Frage zu Taijiquan
Armani42
23-09-2015, 07:43
Hi Leute,
gestern hab ich mir mal Kung Fu Taijiquan angeschaut und da wurde mir dann auch im Training gesagt, dass man eigentlich nur Formen lernt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass man auch viel lernt, wie man seine Schlag - und Tritttechnik verbessern kann und wie man Blockt und sowas...
Habe zwar auch gelesen, dass es das Ziel ist, Formen zu beherrschen und dann anwenden zu können, aber wie soll man das dann anwenden?
Ist das beim Kung Fu, Wushu und Wing Tsun genauso?
Viele Grüße
Tobi
In vielen Taijiquan-Gruppen lernt man auch nur Formen, das ist dann eben so ein Wellness-Taijiquan.
Grundsätzlich gibt es aber auch Gruppen, in denen mehr oder weniger „Kämpfen“ geübt wird oder wenigstens Tuishou und ein bisschen Anwendungen geübt werden.
Was man in den Formen lernt, kann man nicht automatisch anwenden, dazu braucht man extra Training, aber das wollen viele nicht (die Wellness-Schiene eben) und nicht alle Lehrer können das.
Wenn du an Taijiquan als Kampfkunst interessiert bist, suche dir eine Gruppe, die das anbietet (z.B. bei der WTCAG).
Jadetiger
23-09-2015, 08:44
Willkommen hier im Forum!
Ist das beim Kung Fu, Wushu und Wing Tsun genauso?Kung Fu, (modernes Sport-)Wushu und Wing Chun sind völlig andere Baustellen und in Art des Trainings und in ihrer Zielsetzung kaum mit Taijiquan vergleichbar.
Da das hier das Taijiquan-Unterforum ist, antworte ich mal dazu:
Hi Leute,
gestern hab ich mir mal Kung Fu Taijiquan angeschaut und da wurde mir dann auch im Training gesagt, dass man eigentlich nur Formen lernt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass man auch viel lernt, wie man seine Schlag - und Tritttechnik verbessern kann und wie man Blockt und sowas...
Habe zwar auch gelesen, dass es das Ziel ist, Formen zu beherrschen und dann anwenden zu können, aber wie soll man das dann anwenden?Erstens: Formen zu beherrschen ist nie das Ziel. In keiner Kampfkunst. Formen sind ein Werkzeug. Das Ziel im Taiji ist hauptsächlich, ein möglichst feines Körpergefühl für sich selbst und sein Gegenüber zu entwickeln.
Je nach Zielsetzung der Übungsgruppe und des Lehrers kann dieses verfeinerte Körpergefühl Gesundheitsaspekten dienen oder auch Kampfaspekten.
Das besondere an Taijiquan ist, dass es Strömungen/Übungsgruppen gibt, in denen der Kampfaspekt komplett wegfällt. Das ist das reine Gesundheitsgymnastik. Du solltest den Lehrer auf jeden Fall darauf ansprechen, ob auch Kampfübungen werden. So erfährst du gleich, ob du in die Gruppe passt.
Wenn du eine Schule suchst, die explizit kampfgerichtet ist, schau am besten ob du eine Schule findest, die Chen Taijiquan anbietet. Im Chen-Stil ist das am verbreitetsten.
Generell ist vielleicht gut zu erwähnen, dass Taijiquan vorwiegend Grappling ist, also sozusagen Ringen im Stehen. Es wird viel geschoben, gerungen, gehebelt usw. Als explizit schlagend-tretender Stil fällt mir eigentlich nur das Ma Tsun Kuen Tai Chi Chuan ein, aber das ist ziemlich selten... einfach mal googlen.
karate_Fan
23-09-2015, 08:59
Generell ist vielleicht gut zu erwähnen, dass Taijiquan vorwiegend Grappling ist, also sozusagen Ringen im stehen. Es wird viel geschoben, gerungen, gehebelt usw. Als explizit schlagend-tretender Stil fällt mir eigentlich nur das Ma Tsun Kuen Tai Chi Chuan ein, aber das ist ziemlich selten... einfach mal googlen.
Ist das mit der Grappling Intensität nicht auch etwas stilabhängig? Meine ja mal gelesen zu haben ,dass es im Wu Tai Chi das meiste Grappling gibt, weil der Gründer gut um Shuai Jiao war???
Ob das für den TE relevant ist, kann ich nicht sagen, da ich keine Ahnung habe wie häufig das Wu TC in D-Land verbreitet ist..
Generell ist vielleicht gut zu erwähnen, dass Taijiquan vorwiegend Grappling ist, also sozusagen Ringen im stehen. Es wird viel geschoben, gerungen, gehebelt usw. Als explizit schlagend-tretender Stil fällt mir eigentlich nur das Ma Tsun Kuen Tai Chi Chuan ein, aber das ist ziemlich selten... einfach mal googlen.
Natürlich hat Taijiquan auch Tritte, Schläge und Stöße, aber die werden wohl zumeist weniger geübt. Insofern stimmt die Charakterisierung. Im Tuishou („schiebende Hände“) wird vor allem geschoben, gehebelt und ein bisschen gerungen. Vielleicht hat es mit dieser Übungsart zu tun, dass Taijiquan eher als „Ringen im Stehen“ wahrgenommen wird.
Im Prinzip geht es beim Taijiquan darum, innere Kraft zu entwickeln, die bei Bedarf plötzlich ausgestoßen werden kann (Fashin). Dazu wird zunächst die innere Struktur entwickelt. Ein Tritt z.B. ist nicht dann gut, wenn er im Sinne einer vorgeschriebenen Technik ausgeführt wird, sondern wenn die innere Struktur dabei erhalten bleibt. Dann kann ein Tritt seltsam aussehen und trotzdem wirksam sein.
In der Hoffnung, keinen Unsinn zu schreiben… :cool:
Jadetiger
23-09-2015, 09:10
Fast alle Tai Chi Kampfstrategien, die ich bisher gesehen habe (eben mit Ausnahme von Ma Tsun Kuen), waren Grappling-Strategien.
Das heißt:
Entweder einen Angreifer weich aufnehmen oder aktives "Bridging" (also Kontaktaufnahme), danach Ringen, Hebeln, Schieben. Blocken von feindlichen Angriffen kombiniert mit Schlagen und Treten aus der Distanz ala Karate gibt es kaum.
Wie du ja schon selbst schreibst: Hat ja auch irgendwie Sinn, wenn man vorher jahrelang "Pushing Hands" trainiert :D
So, das muss aber jetzt von mir reichen. Für Detailfragen gibt es hier auf alle Fälle bessere Experten als mich.
Glückskind
23-09-2015, 09:49
Es gibt gute und auch im kämpferischen Bereich aktive Taiji-ler in wohl allen Familienzweigen; d.h. was das betrifft spielt es keine Rolle ob Yang, Chen, Wu, Lee, Sun, ... -> entscheidend ist ob der jeweilige Lehrer vor Ort den kämpferischen Aspekt selbst gelernt hat und auch anbietet.
Ist das mit der Grappling Intensität nicht auch etwas stilabhängig?
Das ist wiederum nicht nur Stil- sondern auch Lehrerabhängig. Schliesslich haben die Lehrer ja auch wieder Vorlieben, Übungsschwerpunkte usw.
Meine ja mal gelesen zu haben ,dass es im Wu Tai Chi das meiste Grappling gibt, weil der Gründer gut um Shuai Jiao war???
Das kann ich nicht bestätigen; gerade die Vollständigkeit des Wu Taiji, auch in Hinsicht auf die verschiedenen Möglichkeiten im Kampf ist etwas was mir gefällt. D.h. es gibt das typische Grappling/Tuishou, es gibt Hebel, es gibt Boxen, Tritte.
Ob das für den TE relevant ist, kann ich nicht sagen, da ich keine Ahnung habe wie häufig das Wu TC in D-Land verbreitet ist..
Davon kann man sich hier:
EWTC | Unsere Lehrer (http://www.wu-taichi.net/Lehrer)
Und hier ein Bild machen:
Wu tai Chi Chuan (http://www.wu-taichi.de/cms/wu-taichi/index.php?idcatside=30&sid=4d94f895274bbe2315d196d3b7e5521e)
Schau Dich um was es in der Nähe gibt, guck es Dir persönlich an. Viel Erfolg!
Schöne Grüße
Glückskind
relaunch
23-09-2015, 12:20
In vielen Taijiquan-Gruppen lernt man auch nur Formen, das ist dann eben so ein Wellness-Taijiquan.
Grundsätzlich gibt es aber auch Gruppen, in denen mehr oder weniger „Kämpfen“ geübt wird oder wenigstens Tuishou und ein bisschen Anwendungen geübt werden.
Was man in den Formen lernt, kann man nicht automatisch anwenden, dazu braucht man extra Training, aber das wollen viele nicht (die Wellness-Schiene eben) und nicht alle Lehrer können das.
Wenn du an Taijiquan als Kampfkunst interessiert bist, suche dir eine Gruppe, die das anbietet (z.B. bei der WTCAG).
ich zitiere mal aus der wctag seite:
Übungsleiter 2 Jahre Assistenzunterricht Stehende Säule
Seidenübungen 1+2
Schiebende Hände 1
19er Form
Kursleiter 4 Jahre eigene Wochenkurse 1. Form Laojia
Schiebende Hände 2
Waffenbasis
Basis SV
bedeutet für mich nach etwa vier jahren Übungsleiterausbildungszeit,also sehr intensiv, lernt man mal die basis des kämpfens.
davor hast du gerade mal die erste form gelernt.
das ist MIR persönlich echt zu lange um mit sowas dann erst anzufangen.
glaubst du dass das vielleicht auch einige abschrecken könnte taiji als kampfkunst lernen zu wollen?ich glaube schon.mich zumindest schreckt das massiv ab.
ich zitiere mal aus der wctag seite:
…
bedeutet für mich nach etwa vier jahren Übungsleiterausbildungszeit,also sehr intensiv, lernt man mal die basis des kämpfens.
davor hast du gerade mal die erste form gelernt.
das ist MIR persönlich echt zu lange um mit sowas dann erst anzufangen.
glaubst du dass das vielleicht auch einige abschrecken könnte taiji als kampfkunst lernen zu wollen?ich glaube schon.mich zumindest schreckt das massiv ab.
Sicher ist Taijiquan eine langfristige Sache. Allerdings, wenn du dir mal ansiehst, was z.B. im Karate gemacht wird, ist es m.E. auch nicht anders. Die ersten Jahre lernt man vor allem, Stände, Grundpositionen, Körperstruktur und Kraft aufbauen. Selbstverteidigung im eigentlichen Sinn lernt man auch erst ab Schwarzgurt (soweit ich das beurteilen kann). Vorher wird man vielleicht für Wettkämpfe trainiert, d.h. für Kämpfe unter mehr oder weniger einschränkenden Regeln.
Würde man Karate-Anfängern sagen: „Hört mal zu, ihr braucht wahrscheinlich mindestens sechs Jahre, um die Grundlagen der Selbstverteidigung zu lernen.“, dann würde das sicherlich auch viele abschrecken.
Als Übungsleiter oder Kursleiter lernt man m.E. die Dinge auf einem Niveau, das es einem ermöglicht, sie zu unterrichten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man „Basis SV“ im ganz normalen regelmäßigen Training auch lernt, ohne gleich eine Übungsleiterausbildung zu machen.
Jadetiger
23-09-2015, 13:45
Sicher ist Taijiquan eine langfristige Sache. Allerdings, wenn du dir mal ansiehst, was z.B. im Karate gemacht wird, ist es m.E. auch nicht anders. Die ersten Jahre lernt man vor allem, Stände, Grundpositionen, Körperstruktur und Kraft aufbauen. Selbstverteidigung im eigentlichen Sinn lernt man auch erst ab Schwarzgurt (soweit ich das beurteilen kann).Deshalb ist Tai Chi für mich auch keine "Selbstverteidigung" sondern "Kampfkunst". Der Weg ist das Ziel.
bedeutet für mich nach etwa vier jahren Übungsleiterausbildungszeit,also sehr intensiv, lernt man mal die basis des kämpfens.
davor hast du gerade mal die erste form gelernt.
das ist MIR persönlich echt zu lange um mit sowas dann erst anzufangen.
glaubst du dass das vielleicht auch einige abschrecken könnte taiji als kampfkunst lernen zu wollen?ich glaube schon.mich zumindest schreckt das massiv ab.
Ich habe mal folgende Hypothese gehört, die zumindest auf den ersten Blick einleuchtend klingt:
Früher hat man Handwerkern und Bauern, die täglich körperlich schwer arbeiten und sich abends schon mal ab und an prügeln mit Tai Chi gezeigt, wie sie sich im Kampf entspannen und etwas sensibler für die wirkenden Kräfte werden.
Dadurch erhielt man dann wirklich gefährliche Kämpfer.
Heute zeigt man Büroarbeitern, die den ganzen Tag am Computer sitzen und Kaffee schlürfen und sich abends schon mal auf der Couch den einen oder anderen Kung Fu Film reinziehen, wie sie sich im Kampf entspannen und etwas sensibler für die wirkenden Kräfte werden.
Dadurch erhält man Leute mit gesunder Haltung, aber keine Kämpfer.
Sprich: Um ein Kämpfer zu werden, muss man halt auch kämpfen. Daher ist es im Tai Chi IMHO besonders wichtig, im Probetraining die Ausrichtung und die Trainingsziele der Gruppe abzuklären.
relaunch
23-09-2015, 23:57
das hört sich plausibel an jadetiger. :)
@ gawan
ich habe lange karate gemacht und würde es heute auch nicht mehr machen oder anders trainieren.aber ich war unerfahren und bei mir gabs nix anderes.
hätte ich meine ziele geklärt, hätte ich wissen können dass das nicht passt.
ich würde taiji eher als add on zu einer schlagend tretenden kk/ks empfehlen WENN es ums kämpfen geht und nicht um eine gesunde haltung usw.
ich unterscheide nicht zwischen kk und ks wie das so viele hier machen.
im englischen macht man das auch nicht. dort heisst es einfach martial art.
ich glaube das thema wurde auch schon zigtausend mal behandelt und die verschiedenen sichtweisen geklärt :)
ich interessiere mich sehr für neijias wie taiji, ich finde nur das sie zum kämpfen lernen zu anfang ehr semi gut geeignet sind. wenn man schon kämpfen kann, kann das ein tolles tool sein um noch besser zu werden.
wer den weg sehr lange und konsequent gehen kann und will und wer es nicht eilig hat ist da ganz bestimmt auch gut bedient.
ich danke dir für deine erläuterung.
Generell ist vielleicht gut zu erwähnen, dass Taijiquan vorwiegend Grappling ist, also sozusagen Ringen im Stehen.
Ach, und was machen dann 8 Tritte
http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_heal_kick_right.jpg
und Fauststöße in der Yang-Form? Wobei einer der Fauststöße nach unten geht, wenn der Gegner offenbar schon am Boden ist:
http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_punch_down.jpg
Ein doppelter Fauststoß den Gegner an beiden Ohren gleichzeitig trifft:
http://www.chipellis.com/Pictures/comparitive-pics/YCFandDYJ/Punch%20Both%20Temples.jpg
Ein weiterer direkt in die Eier geht:
http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_groin_punch.jpg
Und sich eine weitere Bewegung unmittelbar gegen den Kehlkopf des Gegners richtet:
http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_go_with_palm.jpg
Wenn Dir jemand Taijiquan als Grappling verkauft hat, hat er Dich belogen. In erster Linie ist es Schlagen und Treten (ungefähr wie Karate), nur halt ohne Sprünge, Akrobatik und ohne High-Kicks (zumindest in der Yang-Chengfu-Form).
Deshalb muß man ja auch (am besten) täglich die Form üben:
Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.
Das ist bei Tai Chi genau dasselbe.
Die Bein- und Fußstellungen auf den Bildern oben benötigt man bei Grappling-Kampfkünsten (wie z.B. Judo) überhaupt nicht. Im Tai Chi sind sie (wiederum wie bei Karate) zentral. "Taijiquan vorwiegend Grappling" - Mann, mann, mann.
Yup, die große Frage, was ist Taijiquan den nun.
Darauf gibt es sicherlich keine einheitliche Antwort.
Taijiquan ist alt und hat viele Traditionen.
Entsprechend das heutige Erscheinungsbild.
Taijiquan als Kampfkunst?
- Chen Wanting hat sicherlich noch in Rüstung sein Dorf damit verteidigt.
- Yang Luchan und Wu Quanyou haben sicherlich Bodyguards in realistischen Nahkampf ausgebildet.
- Z.B. Yang Chengfu und Wu Jianquan haben sicherlich eine Kampfkunst mit höherem Anteil an Selbstkultivierung und Selbststärkung daraus gemacht, ohne den Kampfkunstaspekt zu eliminieren.
- Modernere Lehrer und Stile haben sich dann in alle möglichen Richtungen entwickelt.
Wer einmal über schlagen, treten, verletzen aller Art im Taijiquan lesen will, so wie es die alten Meister sahen, sollte mal in Yang Banhous geheime Klassiker oder in alte Chen-Texte schauen. Da wird es doch sehr konkret (leider keine direkte Technikerklärung, aber doch klare Ansage):
Chen Changxin:
Diejenigen, die gut im Kämpfen sind,
schauen zuerst auf die Fußarbeit
und danach erst auf die Bewegungen der Hände.
Oben gegen die Kehle schlagen und unten in den Bauch.
Links, rechts auf die Rippen und dann in die Mitte.
Yang Banhou erläutert die Form:
Umdrehen, mit der Ferse treten und den Bauch treffen.
Vordringen und Hammerschlag gegen den anderen.
…
Tritt mit der rechten Ferse auf die unteren Rippen.
Links rechts ausweichen und den Tiger bändigen.
…
Das Knie heben, um lebenswichtige Stellen zu treffen.
Nach unten gegen beide Füße vorgehen. Sei ohne Gnade.
(aus: http://www.amazon.de/Yang-Banhous-geheime-Chi-Klassiker-viele/dp/1500844187/)
Der Rest, Gesundheit und Selbstkultivierung ist wohl eher bekannt.
Gruß
Martin
http://www.yangchengfu.org/pics/ycf_heal_kick_right.jpg
Über diesen Tritt würde ein Karateka (gleich welcher Stufe) nur lachen. Die Technik ist echt mies, und was soll das überhaupt für ein Tritt sein? Ein Mae-Geri (Tritt nach vorne) ist es nicht, obwohl er halbwegs nach vorne geht. Ein Yoko-Geri (Tritt zur Seite) ist es nicht, obwohl er halbwegs zur Seite geht und die Fußstellung etwa wie bei Yoko-Geri aussieht. Das Bein ist noch nicht einmal durchgestreckt. Außerdem geht der Tritt nur bis etwa Hüfthöhe. Um so zu treten, braucht man keine langjährige Ausbildung, oder?
Und doch waren die alten Yangs respektierte Kämpfer. Wie kommt das?
Offenbar spielt im Taijiquan die (äußere) Technik eine weitaus unwesentlichere Rolle als in „äußeren“ Kampfkünsten. Es scheint unerheblich zu sein, ob jemand den vollen Bewegungsspielraum in den Gelenken ausnutzt, um Power zu erzeugen.
Vermutlich wäre einem Karateka das Lachen vergangen, wenn er diesen Tritt zu spüren bekommen hätte.
Jedenfalls ist im Taijiquan natürlich auch Schlagen und Treten enthalten, das kann man in jeder Form sehen (sogar die Peking-Form hat noch einen Tritt mit rechts und einen mit links). Wenn allerdings z.B. im Tuishou vor allem „ringerische“ Elemente geübt werden, entsteht schnell der Eindruck, das sei das wesentliche im Taijiquan. Ebenso wie z.B. im Karate auch schnell der Eindruck entsteht, Schlagen und Treten sei das wesentliche im Karate. Sicher, es gibt dort auch Würfe und Hebel, aber wer übt das schon?
Man muss im Tai Chi (oder einer anderen CMA) unterscheiden zwischen dem was den Körper schult und dem was den Geist schult. Dann muss man noch unterscheiden ob ich den Geist für die Gesundheit schule oder ob ich den Geist für den Kampf schule und ob ich den Körper für die Gesundheit schule (Körperarbeit) oder ob ich den Körper für den Kampf schule (Anwendungen).
Im Westen ist größtenteils nur die Körperarbeit angekommen und die geistige Schulung für die Gesundheit würde total „veresoterisiert“.
Die CMA enthalten ein sehr ausgeklügeltes System der physischen und psychischen Schulung, die sich untereinander ergänzen. Das Werkzeug dazu sind die kämpferischen Bewegungssets (mit Waffen und ohne Waffen). Das alles stammt aus einer Zeit als man Menschen mit bloßen Händen (sprich mit Waffen in den Händen) tötete. Das war blutig, brutal und sehr sehr persönlich. Um so etwas zu tun braucht es ein bestimmtes Mindset und man mußte dieses Mindset schulen damit man später noch zu seiner Familie zurückkehren konnte ohne total durchgeknallt zu sein.
Im Laufe der Zeit würde der Krieg „unpersönlicher“ (Feuerwaffen töten anders als blanker Stahl) und körperlich einfacher (Mit einem Gewehr umzugehen erfordert bei weitem so gute Skills wie mit einem Schwert oder Speer umzugehen).
All diese Schulung für den Kampf wurde später so gut wie nicht gelehrt und sollte es auch nicht wenn jemand nicht weiß was er da tut. “Intent“ wird in den KK immer als sehr wichtig für den Kampf angesehen, aber wer weiß denn schon wie das konkret gelehrt wird? Was sind die Tools dafür? Wer kennt den Preis für die Arbeit mit diesen Tools? Man kommt da an Dämonen die man nicht so ohne weiteres trainieren sollte, vor allem wenn man eine Geschichte mit Gewalt hat (egal ob konkret physisch oder auch emotional). So etwas kann sehr leicht in die falsche Richtung gehen.
Ich weiß nicht ob ihr den Spruch mit den Wölfen kennt?
Ein Indianer sitzt am Lagerfeuer mit seinem Sohn und erzählt:
In jedem von uns wütet ein Kampf zwischen zwei Wölfen. Der eine Wolf ist wild und aggressiv. Er besteht aus Wut, Eifersucht, Habsucht, Stolz und Angst. Der Andere ist friedlich und freigiebig. Er besteht aus Liebe, Friede, Mitgefühl und Freundlichkeit.
Diese Wölfe in uns sind permanent in einem Kampf miteinander.
Der Sohn schaut seinen Vater eine Weile an und fragt: „Und welcher Wolf gewinnt?“
Der Indianer lächelt und sagt : „Der, den du fütterst!“
Beide Wölfe sind Bestandteil des Menschen und beide Wölfe sind wichtig zum überleben. Manchmal brauche ich den wilden und aggressiven Wolf, z.B. wenn ich meine Familie oder mein Leben verteidigen muss, aber größtenteils brauche ich den Anderen. In der Lebensrealtität der meisten Deutschen im 21. Jhd. erst recht.
KK waren dafür gedacht den aggressiven Wölf zu füttern, sie hatten aber auch eine Möglichkeit entwickelt um ein normales Leben zu führen. Das Wissen darum ist heutzutage weg. Leute mit unterschiedlichen Gewalterfahrungen bringen „Futter“ für den Wolf in die KK zurück, aber nur sehr sehr wenige wissen darum wie man den Wölfen ein friedliches Miteinander ermöglicht.
Tai Chi ist eine sehr gute Gesundheitsübung (für Geist und Körper) und jeder sollte sich genau überlegen ob er den anderen Wolf wirklich trainieren will, denn das ist ein gefährliches Spiel, zumindest wenn man WIRKLICH kämpfen lernen will…
Grüße
Kanken
Wie so oft, sollte man auch hier Technik nicht mit Übung vermischen. Ein Tritt der im Stand auf einem Bein ohne Schwung holen gemacht wird, schult die Energie aus dem Torso, einer Verwindung zu holen, plus ggf. Kraft über die Wirbelsäule. Das gibt's auch woanders, dass der Sinn bestimmter vorbereitender Bewegungen das Erzwingen einer bestimmten Mechanik ist, weil andere so nicht gehen. Ich bitte mal darum, daraus nicht schon wieder immer "das ist ein Tritt von hinten mit dem Schild über dem Kopf zum ..." zu machen.
Über diesen Tritt würde ein Karateka (gleich welcher Stufe) nur lachen. Die Technik ist echt mies, und was soll das überhaupt für ein Tritt sein? Ein Mae-Geri (Tritt nach vorne) ist es nicht, obwohl er halbwegs nach vorne geht. Ein Yoko-Geri (Tritt zur Seite) ist es nicht, obwohl er halbwegs zur Seite geht und die Fußstellung etwa wie bei Yoko-Geri aussieht. Das Bein ist noch nicht einmal durchgestreckt. Außerdem geht der Tritt nur bis etwa Hüfthöhe. Um so zu treten, braucht man keine langjährige Ausbildung, oder?
Finde ich auch, ich sehe die Yang-Chengfu-Form daher als "Spaß für die ganze Familie" und finde es übertrieben, wenn Leute ein großes Geheimnis darum machen.
Trotzdem ist es nicht schlecht für den Gleichgewichtssinn, wenn man das noch mit 75 macht, bzw. machen kann.
Schon in den 1930er oder 1940er Jahren wurde über den Tritt gelästert (http://taikiken.blogspot.de/2007/09/interview-with-wang-xiangzhai.html):
As for its method of training, a punch with a fist here, a slap with the palm there, a kick to the left, and another one to the right, that is pitiful and laughable.
Andererseits sieht man den Kick so auch manchmal in Kung-Fu-Filmen (oder am Anfang von "Im Jahr des Drachen", wo eine (Straßen-)Demonstration gezeigt wird). Außerdem ist er "The President's Choice (http://www.gifbin.com/984865)". :p
Und doch waren die alten Yangs respektierte Kämpfer. Wie kommt das?
Der respektierte Kämpfer war in erster Linie Yang Luchan, der Großvater von Yang Chengfu. Er war schlank und sportlich, hat bei den Chens gelernt und dann sein KK-Wissen nach Peking gebracht.
Bei seinen Nachfahren ist nicht so klar, ob sie wirklich so große Kämpfer waren. Wie man auf den Bildern sieht, war Yang Chengfu ungewöhnlich groß und korpulent. Deshalb hat er die älteren Formen wohl auch für sich angepaßt.
Offenbar spielt im Taijiquan die (äußere) Technik eine weitaus unwesentlichere Rolle als in „äußeren“ Kampfkünsten. Es scheint unerheblich zu sein, ob jemand den vollen Bewegungsspielraum in den Gelenken ausnutzt, um Power zu erzeugen.
Ich vermute, Yang Chengfu war einfach so ein Berg wie z.B. George Foreman. Eigentlich brauchte er nur dazustehen. Treten (ob mit oder ohne vollen Bewegungsspielraum in den Gelenken) war eigentlich auch nicht unbedingt nötig. Aber wenn es in der Tradition Tritte gab, und er diesen einen machen konnte, warum dann nicht?
Vermutlich wäre einem Karateka das Lachen vergangen, wenn er diesen Tritt zu spüren bekommen hätte.
Von ihm möglicherweise. :)
Ich finde das seltsam: Wohl 90% der Tai Chi-Übenden machen Yang-Stil, und davon praktisch alle die Yang-Chengfu-Form (weil die Überlieferung der älteren Formen gar nicht mehr gesichert ist), und trotzdem scheinen diese Zusammenhänge weitgehend unbekannt zu sein.
T. Stoeppler
24-09-2015, 18:32
Wie so oft, sollte man auch hier Technik nicht mit Übung vermischen. Ein Tritt der im Stand auf einem Bein ohne Schwung holen gemacht wird, schult die Energie aus dem Torso, einer Verwindung zu holen, plus ggf. Kraft über die Wirbelsäule.
Sehe ich genauso - das ist eine Bodywork-Übung. Die gibt es in einigen Systemen, bei den Shaolin-Derivaten sehr üblich. Die Bewegung selbst kann man als eher harmlosen schiebenden Tritt beim pushen machen.
Wenn man die Impulskraft aus der Wirbelsäule nutzt, ist das die Basis für einen Stampftritt oder für sowas wie einen Teep.
Gruss, Thomas
Eskrima-Düsseldorf
25-09-2015, 07:54
Ein doppelter Fauststoß den Gegner an beiden Ohren gleichzeitig trifft:
http://www.chipellis.com/Pictures/comparitive-pics/YCFandDYJ/Punch%20Both%20Temples.jpg
Das muss aber ein großer Gegner sein oder schlägt man ihm auf die Ohren während er einen Sprungkick ausführt?
Hier wurde ja schon plausibel dargelegt, dass es zu Formbewegungen nicht immer eine "1:1 Anwendung" gibt aber dass so etwas wie "doppelter Fauststoß zu den Ohren des Gegners" immer noch geglaubt wird... ;)
carstenm
25-09-2015, 08:05
Die Bein- und Fußstellungen auf den Bildern oben benötigt man bei Grappling-Kampfkünsten (wie z.B. Judo) überhaupt nicht.Kannst du das ein bißchen ausführen?
Ich frage deshalbe, weil diese "Bein- und Fußstellungen" denen des aikidô mindestens recht ähnlich zu sein scheinen. Und der Grappling Anteil ist ja im aikidô doch recht hoch.
Glückskind
25-09-2015, 08:19
Hier wurde ja schon plausibel dargelegt, dass es zu Formbewegungen nicht immer eine "1:1 Anwendung" gibt aber dass so etwas wie "doppelter Fauststoß zu den Ohren des Gegners" immer noch geglaubt wird... ;)
Eben: das wird nicht zwangsläufig 1:1 so angewendet.
Überhaupt: wieso glaubst Du das "wir" das glauben?
Die Anwendungen dazu die ich in Erinnerung habe werden dann nur auf
einer Seite ausgeführt, in der Form übt man eben beide Seiten gleichzeitig.
Ein banales Prinzip das Dir im *ing *un hoffentlich schon mal jemand erklärt
hatte.
Nachtrag: sowieso finde ich es wenig erquicklich, dafür aber ziemlich respektlos,
mal einfach vorab zu unterstellen die früheren und/oder die heutigen Praktizierenden
wären doof. Man sollte vielmehr sich vielleicht *vorher* mal besser informieren was
hinter solchen Übungen für ein Sinn und Zweck steht. Diese kritisieren kann man
hinterher ja immer noch, dann allerdings kompetenter und sachlicher.
karate_Fan
25-09-2015, 08:42
Martin3 Danke für das Posten der Übersetzungen. Das ist ein wirklich höchst interessantes Material..
Eskrima-Düsseldorf
25-09-2015, 09:00
Eben: das wird nicht zwangsläufig 1:1 so angewendet.
Überhaupt: wieso glaubst Du das "wir" das glauben?
Weil Eistee das so geschrieben hat.
Mit ing un habe ich übrigens nichts zu tun ;)
karate_Fan
25-09-2015, 09:09
Das Thema hat sich wirklich in eine interessante Richtung entwickelt. Ich hoffe ihr habt den Te mit eurer fachlichen Kompetenz nicht verschreckt..:D
Nein Spaß beiseite, ich finde es höchst interessant was dort geschrieben wird.
Besonders die Infos über die Yang TC Formen, da ich ja ab nächste Woche selbst zum erlesenen Kreis der Gesundheits TC Leute gehöre.
dann vielleicht nochmal "vereinfacht":
interne kampfkünste machen nicht einfach eine kampfbewegung. zuerst schaffen sie durch eine reihe von vorübungen die benötigten voraussetzunge: stand, gleichgewicht, struktur, ... die bewegung wird auch nicht auf eine technick reduziert sondern auf ein potpourri an möglichkeiten die sich aus diese stellung und struktur egeben können abstrakt abgebildet. diese vielfalt gibt dann in der anwendung die freiheit der entfaltung, aber auch die überraschung.
das gegenteil wäre z.B. eine übung mit einer technik für eine konkrete anwendung 1000 mal mit verschiedene partner und gegener zu üben, so das diese in 98% der fälle klappt. das geht in richtung kampfsport.
so wie der unterschied zwischen ein malkünstler und ein maler- und lakiermeister.
deswegen soll man sein ziel klar setzen.
Glückskind
25-09-2015, 09:55
Weil Eistee das so geschrieben hat.
Das Formbewegungen 1:1 Anwendungen entsprechen? Immer?
Ich glaube kaum das er das so geschrieben hat und wenn doch
war es eben Quatsch. :D
Vielleicht interpretiert man manchmal aber auch Quatsch
irgendwo rein weil man dann einfacher ablästern kann?
Mit ing un habe ich übrigens nichts zu tun ;)
Ach so, da diskutierst Du auch frei von größerer Sachkenntnis so viel rum? :D
Na, dann hast Du jetzt mal gehört das man da in den Formen eben auch
vieles gleichzeitig macht/übt obwohl es dann in der Anwendung nur mit
einer Seite gemacht wird. (Ein Dir vielleicht dennoch bekanntes, einfaches
Beispiel wäre der Doppel-Fak-Sao, 4. Satz SLT; das Prinzip zieht sich aber
ziemlich häufig durch.)
karate_Fan
25-09-2015, 10:30
Da hier ja einige Leute TC als Faustkampf System klassifizieren ist das so korrekt?
Gibt es im TC nicht auch Waffen? Werden die Waffen getrennt vom Faustkampf gelehrt oder versucht man eigentlich so viel möglich von den Waffen auf die waffenlose Arbeit zu übertragen, wie es manchen CMA ja gemacht wird?
Da hier ja einige Leute TC als Faustkampf System klassifizieren ist das so korrekt?
Das hast du sicher missverstanden. TC ist weder ein Grappling- noch ein Faustkampfsystem. Die Faust- und Tritt-„Techniken“ wurden nur als Beweis dafür angeführt, dass es solche Sachen auch im TC gibt.
Was Waffen angeht, unterscheidet sich TC nicht von anderen CMA, in denen es eigentlich (ursprünglich) um Kämpfen mit Waffen geht. In den Hand-Formen sieht man immer noch Bezüge zu Waffen.
Taijiquan ist ein fajin-zentriertes defensives Standup-Grapplingsystem mit gewissen Anteilen an Counter-Punches und -Kicks, das seine Systematik mal ganz früh von damaligen militärischen Waffenkampfvorbereitungen entlehnt hat. Diese Spender sind aber möglicherweise einfach nur als generische Bewegungsspender genommen worden, deren ursprüngliche Bedeutung aber so nicht mehr verfolgt wird. Diese Faustbewegung ist für mich ein beidseitiger Block im Reingehen um den Kopf von beiden Seiten zu schützen, mit Vorwärtsbewegung.
Eskrima-Düsseldorf
25-09-2015, 20:56
Das Formbewegungen 1:1 Anwendungen entsprechen? Immer?
Ich glaube kaum das er das so geschrieben hat und wenn doch
war es eben Quatsch. :D
Das war mir durchaus schon vorher klar, vielleicht liestdur dir meinen Post einfach noch mal in Ruhe durch.
Ach, und im Ing un Bereich, schadet zu viel Sachkenntnis nur, so viel gibt es da auch nicht zu wissen. ..
Das muss aber ein großer Gegner sein oder schlägt man ihm auf die Ohren während er einen Sprungkick ausführt?
Du kannst es ja mal ausprobieren. Man kann mit den Fäusten bequem die Ohren des Gegners erreichen.
Hier wurde ja schon plausibel dargelegt, dass es zu Formbewegungen nicht immer eine "1:1 Anwendung" gibt aber dass so etwas wie "doppelter Fauststoß zu den Ohren des Gegners" immer noch geglaubt wird... ;)
Warum auch nicht, wenn die Bewegung "Twin Fists Strike Opponents Ears" heißt, siehe hier (http://www.yangfamilytaichi.com/about/forms/hand-103) auf der offiziellen Seite bei Nr. 49.
dann vielleicht nochmal "vereinfacht":
interne kampfkünste machen nicht einfach eine kampfbewegung. zuerst schaffen sie durch eine reihe von vorübungen die benötigten voraussetzunge: stand, gleichgewicht, struktur, ... die bewegung wird auch nicht auf eine technick reduziert sondern auf ein potpourri an möglichkeiten die sich aus diese stellung und struktur egeben können abstrakt abgebildet. diese vielfalt gibt dann in der anwendung die freiheit der entfaltung, aber auch die überraschung.
das gegenteil wäre z.B. eine übung mit einer technik für eine konkrete anwendung 1000 mal mit verschiedene partner und gegener zu üben, so das diese in 98% der fälle klappt. das geht in richtung kampfsport.
Yang Chengfu selbst hat ein Buch (http://www.amazon.de/Essence-Applications-Taijiquan-Chengfu-Taschenbuch/dp/B00ZLWM9U6/ref=sr_1_18?s=books&ie=UTF8&qid=1443220640&sr=1-18) geschrieben, in dem er zu jeder einzelnen Bewegung beschreibt, was man damit macht. Z.B. "Wenn der Gegner von hinten rechts kommt, drehe ich mich und schlage so und so; das wird ihn mit Sicherheit zu Fall bringen". Und so weiter.
Das deutet für mich darauf hin, daß das nach der zweiten Methode geübt werden soll, die Du "Kampfsport" nennst.
Warum sollte man auch mehrere tausendmal eine Form machen, um die darin enthaltenen Bewegungsmuster so einzuschleifen, daß man sie auch unbewußt im Schlaf oder in einer SV-Situation machen kann, wenn diese Bewegungsmuster gar nicht als konkrete Kampfbewegungen geeignet sind, sondern lediglich abstrakte Abbildungen davon darstellen, mit denen man gar nichts anfangen kann? Das macht nun wirklich keinen Sinn.
Und bitte eure Ansichten auch möglichst belegen! Ich habe dies bei meiner Position auch durch Bücher, Bilder, usw. getan. Sonst kommen wir nicht weiter.
Edit: Zu "Twin Fists Strike Opponents Ears" schreibt Yang Chengfu in seinem Buch (das wohl jeder, der sich mit seiner Form beschäftigt, haben und lesen sollte):
From the previous form, suppose the opponent comes from my right flank, striking with both hands. I then shift the toes of my left foot, turning slightly to the right, still standing stable ... Swiftly move the backs of the two hands downward from above ... Then I move my two hands upward from below forming fists. Using the opposing tiger's mouths of the two fists, strike piercingly toward the opponents two ears. The right foot simultaneously drops toward the front and down, changing to full. The torso, then and only then, expresses the intent of advancing in attack.
Sehr konkret, genau so umgesetzt wie in der Form geübt. Keine abstrakte Geistergreiferei, sondern handfeste Kampfkunst.
Eskrima-Düsseldorf
26-09-2015, 07:17
Du kannst es ja mal ausprobieren. Man kann mit den Fäusten bequem die Ohren des Gegners erreichen.
Lesen hilft. ..
Ich frage mich langsam, wieviel von den "wichtigen Essays von XYZ zu ..." in Wirklichkeit Verarschung war, weil irgendwelche Leute zu viele Fragen gestellt haben. Wenn das alles "ich drehe mich nach links und haue dann das Knie um mit der linken Hand das Ohr abzureissen" wäre, warum gibt es dann 25000 verschiedene Methoden um Clinchgrappling im Stand und in der Drehbewegung zu trainieren ?
T. Stoeppler
26-09-2015, 12:49
Vielleicht keine Verarschung, sondern nur das zwangsläufige Resultat von einem etwas zu weit getriebenen Reverse Engineering einer hochpraktikablen Übungs- und Kampftechnik?
Gruss, Thomas
Übrigens: Wenn man (anders als ich) der Meinung ist, die Figuren seien nur abstrakte Anregungen für verschiedene Anwendungen, kann man sie ja trotzdem mal wörtlich nehmen. Eine Möglichkeit einer Anwendung kann dann ja auch die direkte sein (ein doppelter Faustschlag zu den Ohren ist ein doppelter Faustschlag zu den Ohren; ein Tritt ist ein Tritt, weiter nichts). Kann man ja mal ausprobieren wie weit man damit kommt.
Wenn man dann noch andere Interpretationen der Figuren zulassen will, bitteschön. Ich glaube aber nicht, daß man sie dann noch braucht.
wie schon gesagt sind konkrete techniken mMn nicht die übliche voransgehensweise in IMA allgemein. kurz und vereinfacht würde ich sagen:
- die intermal lehrmethode ist eine übung zu machen, die den körper schult in der anwendung die richtige technik zu finden.
- die external lehrmethode ist eine technik zu üben um diese anzuwenden.
allgemein legen sich chinesen nicht so gerne genau fest und wenn man zusätzlich nochmal darauf hinweist, dass die bewegung funktional zu verstehen ist (abstrakt ist vlt. das falsche wort), nicht auf eine technik zu reduzieren ist und man eher ein bild davon haben soll wie "tieger zu berg tragen", dann ist es legitim dass die übliche interpretation/verständnis so ist. ich persöhnlich habe auch zunächst über konkrete techniken gelernt, der IMA ansatz hilft dann abgrenzungen aufzuheben.
Probier mal nah genug an einen ernsthaften Gegner im Kampfmodus ranzukommen dass man einen doppelten Faustschlag auf die Ohren machen könnte. Wenn das ein Gegner und kein Opfer ist, hat man fünf mal ne Hand im Gesicht bevor man derartig nah dran ist, und da wird geclincht.
Eine Übung muss immer beide Komponenten enthalten. Einmal übe ich sehr grundlegende, natürliche, Bewegungsmuster und nutze entsprechende „Ideen“ in meinem Kopf um sie durchzuführen / an sie heranzukommen. Das kann ich in Bewegung machen, aber auch im Stehen. Bei letzterem ist die äußere Bewegung extrem minimal, dafür die innere sehr groß.
Wenn ich die äußere Bewegung größer werden lasse, dann beruht sie immer noch auf der Idee in meinem Kopf.
Wenn ich diese Bewegung jedoch nicht an eine konkrete Kampfsituation koppel, dann ist es keine KK sondern „nur“ gesunde Bewegung. Diese Koppelung kann ich ohne Partner machen, um die Idee der Bewegung an eine kämpferische Situation zu koppeln, muss sie jedoch, damit das klappt, auch IMMER mit dem Partner machen, wobei eine Bewegung natürlich mehrere Anwendungen haben kann. Diese muss ich aber konkret üben und wissen wie ich die Idee darin umsetze.
Es ist eben nicht nur ein Tritt, oder in Doppelschlag, sondern es sollte die Anwendung einer bestimmten Idee sein, die evtl. zu einem Schlag werden kann, da passieren aber noch sehr viele andere Dinge.
Ich arbeite momentan an der Nutzung der Hand/Finger um damit eine ganzheitliche Bewegung hinzubekommen (Verbindung der anatomischen Armketten mit den anderen funktionalen Ketten des Körpers). Im Karate habe ich 20 Jahre eine falsche Haltung der Hände gezeigt bekommen (und selber gelehrt), da war die äußere Anwendung evtl. sehr ähnlich zu den der chin. KK, aber durch die falsche Idee im Kopf ist es das was WXZ eben schreibt („a kick here a punch there“). Damit das aber funktioniert muss man es eben am Partner üben und selber spüren wie es sich anfühlt wenn jemand so mit einem arbeitet.
Das hat nix mit „internal“ vs. „external“ zu tun oder irgendwelchem esoterischen Quatsch sondern einfach mit der Art der Körpersteuerung. Wenn ich in einer Stunde keine Partnerübungen mache, dann ist es keine KK sondern Ausdruckstanz. Kann man machen, aber man sollte dann nicht sagen man könne damit kämpfen…
Grüße
Kanken
Aranha_UNICAR
28-09-2015, 10:29
Eine Übung muss immer beide Komponenten enthalten. Einmal übe ich sehr grundlegende, natürliche, Bewegungsmuster und nutze entsprechende „Ideen“ in meinem Kopf um sie durchzuführen / an sie heranzukommen. Das kann ich in Bewegung machen, aber auch im Stehen. Bei letzterem ist die äußere Bewegung extrem minimal, dafür die innere sehr groß.
Wenn ich die äußere Bewegung größer werden lasse, dann beruht sie immer noch auf der Idee in meinem Kopf.
Wenn ich diese Bewegung jedoch nicht an eine konkrete Kampfsituation koppel, dann ist es keine KK sondern „nur“ gesunde Bewegung. Diese Koppelung kann ich ohne Partner machen, um die Idee der Bewegung an eine kämpferische Situation zu koppeln, muss sie jedoch, damit das klappt, auch IMMER mit dem Partner machen, wobei eine Bewegung natürlich mehrere Anwendungen haben kann. Diese muss ich aber konkret üben und wissen wie ich die Idee darin umsetze.
Es ist eben nicht nur ein Tritt, oder in Doppelschlag, sondern es sollte die Anwendung einer bestimmten Idee sein, die evtl. zu einem Schlag werden kann, da passieren aber noch sehr viele andere Dinge.
Ich arbeite momentan an der Nutzung der Hand/Finger um damit eine ganzheitliche Bewegung hinzubekommen (Verbindung der anatomischen Armketten mit den anderen funktionalen Ketten des Körpers). Im Karate habe ich 20 Jahre eine falsche Haltung der Hände gezeigt bekommen (und selber gelehrt), da war die äußere Anwendung evtl. sehr ähnlich zu den der chin. KK, aber durch die falsche Idee im Kopf ist es das was WXZ eben schreibt („a kick here a punch there“). Damit das aber funktioniert muss man es eben am Partner üben und selber spüren wie es sich anfühlt wenn jemand so mit einem arbeitet.
Das hat nix mit „internal“ vs. „external“ zu tun oder irgendwelchem esoterischen Quatsch sondern einfach mit der Art der Körpersteuerung. Wenn ich in einer Stunde keine Partnerübungen mache, dann ist es keine KK sondern Ausdruckstanz. Kann man machen, aber man sollte dann nicht sagen man könne damit kämpfen…
Grüße
Kanken
So eine Bewegung (Doppelschlag der Hände zu den Ohren) gibts im Capoeira auch, nennt sich Telefon. Nur mit halbschalenartig, flachen Händen. Man sollte eben vorher entsprechend fintieren und dann kriegt man das auch an den Mann. Ist eben nicht alles in allen Situationen angebracht.
Ist dort aber meiner Ansicht nach keine übliche "Kampfstellung" oder -Übung, sondern hat eine andere Bedeutung.
Jetzt hast du meine Aufmerksamkeit. Wofür ist deiner Meinung nach denn der Mud-Sliding-Step (aka Dragon Step) da?
Grüße
Kanken
Ich glaube nicht, dass der mud sliding step gemeint war, sonder eher so was:
https://www.youtube.com/watch?v=WAsH-eP8I3k
Hier sieht man ja, dass es auch eine Bedeutung im Kampf hat, aber eben nicht als Grund- oder Ausgangsstellung oder -Position.
Eine Jin-Spannung baut man nicht mit solchen Ausholbewegungen auf, die entsteht von alleine über die "Intention" im Kontext (die auch von der Körpersteuerung selbst präemptiv ausgehen kann). Das Dragon-Stepping ist eigentlich schlicht eine Übung für die Knie-, Hüft-, Oberschenkel- und Fusskraft, die mache ich aber deutlichst tiefer.
P.S.: Verdrehen im Gelenk mit Wirkung auf Sehnen kann tatsächlich das Bilden von Jin stimulieren, ist eine klassische Methode.
Eben, und solche Verwindungen mit entsprechender Wirkung werden ja hier im Körper erzeugt.
Teilweise. Die Brutalo-Wirkung beim niedrigen Xing-Yi-Dragon erreicht man, indem man in der "normalen" Lage die man instinktiv einnimmt noch leicht (!) zurückverschiebt. Sprich, das vordere Bein etwas streckt ohne höher zu gehen, das muss man erst mal halten können (Vorsicht). Und *nicht* auf der Hack absitzen sondern _stehen_!
http://kaleidoscope.cultural-china.com/chinaWH/upload/upfiles/2008-12/11/xingyi_chuan_%28form_and_meaning_chuan%2917def6b16 ed9956895a6.jpg
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