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Vollständige Version anzeigen : Ein Bundesrichter über die Notwehr



Alex R.
21-10-2015, 08:58
Interessanter Artikel, der die Sichtweise eines Richters (hier ein Bundesrichter) auf die Begriffe "Notwehr", "Putativ-Notwehr" und "Überschreitung der Notwehr" wiedergibt. Achtung, langer Artikel.
Grundbegriffe des Strafrechts: Notwehr: Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen |*ZEIT ONLINE (http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/notwehr-strafrecht-fischer-im-recht/komplettansicht)

Einige seiner Äußerungen sind definitiv fragwürdig, sollen hier aber nicht Thema sein. Mir geht es eher um die juristische Auslegung des Themas Notwehr.

Er zeigt recht genau, wie ein Richter den Begriff "Notwehr" sieht und versteht.

Des weiteren gibt er einen, meiner Meinung nach, interessanten Exkurs über die Existenz des Notwehr-Rechts. Sinngemäß sagt er, dass die Notwehr einen Gegenrecht ist, weil es aus der Natur raus kommt (Selbsterhaltung) und damit nicht vom Staat verhinderbar.

Interessant finde ich auch folgende Aussage:

Wer einen Angriff provoziert, um ihn absichtlich zur "Notwehr" auszunutzen, ist nicht gerechtfertigt. Das betrifft, liebe Helden des Wilden Westens und liebe Nachahmer, leider die allermeisten Fälle eurer Heldentaten! Bei dieser Gelegenheit an euch daher die bittere Nachricht: Es kommt nicht darauf an, wer "zuerst zieht"!

Wie seht ihr das?

Klaus
21-10-2015, 10:49
Das kommt darauf an was er unter "provoziert" versteht. Wenn ich auf einen losmarschiere und den rumschubse und beleidige in der Hoffnung er schlägt zu ist das schon ein Angriff. Das kann man aber sicher nicht auf jede niedrigschwelligste "Provokation" ausdehnen, und das würden ihm sicher auch seine Berufskollegen erklären wenn es zu einem konkreten Fall käme. Sonst würde er nämlich einen Persilschein ausstellen für Leute die "provoziert" wurden (jedwede Widerworte) und dann ihren "Angreifer" zusammentreten. Und der darf sich dann natürlich nicht wehren, gell, Herr Richter.

kanken
21-10-2015, 11:33
Doch, Klaus, genau das sagt ein BUNDESRICHTER. Wenn du jemanden verbal provozierst und hoffst das er dir eine knallt, damit du dich wehren darfst, dann gibt es keine Notwehr!
Wahrscheinlich würde er jedoch seinen Kollegen erklären das genau DAS die Auslegenung dieses Paragraphen ist, denn als Bundesrichter ist sein Wort nun einmal die letztinstanzliche Entscheidung und ich nehme einmal stark an das seine Bundesrichterkollegen (und nur die sind entscheidend) es sehr ähnlich sehen werden.

Ich persönliche finde seine Auslegung von Notwehr absolut gut (und habe es übrigens genau so von mehreren Juristen und Polizisten erklärt bekommen).

Grüße

Kanken

KAJIHEI
21-10-2015, 12:01
Das steht aber auch im Paragraphen eigentlich schon so drin...Das Recht muß dem Unrecht nicht weichen..
Aber was gerne vergessen wird ist die Angemessenheit der Reaktion.
D.h: Wenn du jemanden verbal provoziert wirst darfst du dich erstmal nur verbal wehren...z:B.
Die ultimamtive Gegenwehr ala Alfred ist eben nicht gestattet.
Der Grund für diese Reduzierung ist eben genau in dieser Selbsterhaltung des eigenen und öffentlichen Rechtsraums zu sehen.
Sofern es keine ernsthafte Gefährdung des Individuums gibt, ist auch keine massiv übertriebene Gegenwehr zulässig, da diese den öffentlichen Rechtsfrieden in letzter Konsequenz stören würde, aber den Selbstschutz eben nicht erhöht.
Wenn ich das was falsch kapiert haben sollte, so dürfen mich die anwesenden Juristen gerne verbessern.

Übrigens die Urteile und der Bundesrichter sind in diesem Bezug als Wegweiser zu sehen, nicht als Massregeln die stringent befolgt werden müssen.

fang_an
21-10-2015, 12:35
da war es:
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/

jkdberlin
21-10-2015, 12:40
Aber was gerne vergessen wird ist die Angemessenheit der Reaktion.
D.h: Wenn du jemanden verbal provoziert wirst darfst du dich erstmal nur verbal wehren...z:B.

Das steht da allerdings nicht drin.

KAJIHEI
21-10-2015, 12:45
Das steht da allerdings nicht drin.
Im Paragraphen per se nicht, wohl aber in den Erläuterungen die auch in der alfredschen Thematik auszugsweise zitiert habe.
In dem Kontext habe ich übrigens auch nach Hinweisen eines Strafrechtlers hergeleitet warum das Tun dieses Herrn kriminell ist.........Über die gewaltätige Attitüde muß man nicht reden.

kanken
21-10-2015, 12:46
D.h: Wenn du jemanden verbal provoziert wirst darfst du dich erstmal nur verbal wehren...z:B.


Solltest man schon tun, allerdings sagt der Herr Richter ja klipp und klar das keine Notwehr für den Provoziernden vorliegt wenn der Provozierte körperlich aktiv wird (Zitat siehe oben).

Grüße

Kanken

KAJIHEI
21-10-2015, 13:01
Solltest man schon tun, allerdings sagt der Herr Richter ja klipp und klar das keine Notwehr für den Provoziernden vorliegt wenn der Provozierte körperlich aktiv wird (Zitat siehe oben).

Grüße

Kanken

Stimmt , das sagt dieser Richter
Das hebelt aber doch nicht das Paragraphenrecht mit Fallinvidualität wie wir es haben aus. Es soll ein Wegweiser sein, mehr nicht , sonst wären wir doch im englisch / amerikanischen Rechtssystem ala Fallrecht wo man wirklich solche Dinger aufführen kann wie " Im Jahre Anno Zopf wurde er mit einer Gurke beworfen und wehrte sich mit einem Schwert, weil die Gurke ehrverletzend war..."
Das wäre aber genau die Grundlage wenn solche Grundsatzurteile oder in diesem Falle sogar nur MEINUNGEN irgendwelche Rechtskraft hätten.
Es gibt in D- Land zum Glück noch genügend Juristen die noch in verbalen Injurien eben keinen Grund für gewalttätige Erwiderungen sehen.
Würde das anders werden, z.B , bei der aufgeheizten Flüchtlingsproblematik im Augenblick ; Na herzlichen Dank.
Der Hat mich Kanakke genannt ! Rübe ab ( Überzogen ich weis....aber jeder mag sich den daraus resultierenden Horror zu Ende spinnen )

jkdberlin
21-10-2015, 13:01
Im Paragraphen per se nicht, wohl aber in den Erläuterungen die auch in der alfredschen Thematik auszugsweise zitiert habe.
In dem Kontext habe ich übrigens auch nach Hinweisen eines Strafrechtlers hergeleitet warum das Tun dieses Herrn kriminell ist.........Über die gewaltätige Attitüde muß man nicht reden.

Es gibt bei der Notwehr aber keine Rechtsgüter-Abwegung. Ich zitiere Lugage aus dem oben genannten Beitrag nochmal:
"So kann ein Beleidigungsschwall, der einfach nicht enden will durchaus körperliche Verteidigungshandlungen rechtfertigen. Verbale Gutsverletzung (Ehre) <-> körperlicher Eingriff (etwa via Ohrfeige). Das könnte nach dem Notstandsrecht nicht gerechtfertigt werden, weil die körperliche Unversehrtheit das Ehrinteresse deutlich überwiegt. Nach §32 ist das aber möglich, wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind."
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/

Bei der Notwehr findet grundsätzlich keine Güterabwägung statt (ausnahmsweise nur bei krassen Missverhältnissen), denn der Angegriffene schützt nicht nur Rechtsgüter, sondern verteidigt zugleich die Rechtsordnung selbst ("schneidiges Notwehrrecht").
juraschema.de · Notwehr, § 32 StGB - Prüfungsaufbau, Prüfungsreihenfolge, Schema, Definitionen (http://juraschema.de/index.php?thema=notwehr)

Geeignet sind solche Verteidigungshandlunge
n, die den Angriff sofort und endgültig
beenden können.
Es ist das Verteidigungsmittel zu wählen, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten
Schaden anrichtet.
Der Angreifer muss sich jedoch nicht auf das Risiko einer ungenügenden
Abwehrhandlung einlass
en.
Bei dem Gebrauch von gefährlichen Waffen ist ihr Einsatz grundsätzlich vorher
anzudrohen. Oft liegt darin schon eine abschreckende Wirkung. Dies gilt nur solange es
die Situation zulässt. Das Risiko einer Rechtsgutsverletzung oder eine schwächere
Verteidig
ungssituation muss nicht hingenommen werden....Bei §32 StGB wird keine Güterabwägung durchgeführt!
Es kann daher auch die
Tötung
des Angreifers, als ultima ratio, auch zur Verteidigung von Sachwerten
gerechtfertigt sein! (Evtl Einschränkungen über die Gebotenheit)
https://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/kinzig/mitarbeiter/natalie-richter/Notwehr.pdf

ich muss also nicht auf eine Beleidigung nur verbal antworten, das ist Quatsch.

jkdberlin
21-10-2015, 13:02
PS: keinen interessiert hier dein Kleinkrieg mit Alfred, bitte lass das endlich draußen vor. Das ist hier Off-Topic und gehört nicht hier her!

KAJIHEI
21-10-2015, 13:37
Es gibt bei der Notwehr aber keine Rechtsgüter-Abwegung. Ich zitiere Lugage aus dem oben genannten Beitrag nochmal:
"So kann ein Beleidigungsschwall, der einfach nicht enden will durchaus körperliche Verteidigungshandlungen rechtfertigen. Verbale Gutsverletzung (Ehre) <-> körperlicher Eingriff (etwa via Ohrfeige). Das könnte nach dem Notstandsrecht nicht gerechtfertigt werden, weil die körperliche Unversehrtheit das Ehrinteresse deutlich überwiegt. Nach §32 ist das aber möglich, wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind."
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/

Bei der Notwehr findet grundsätzlich keine Güterabwägung statt (ausnahmsweise nur bei krassen Missverhältnissen), denn der Angegriffene schützt nicht nur Rechtsgüter, sondern verteidigt zugleich die Rechtsordnung selbst ("schneidiges Notwehrrecht").
juraschema.de · Notwehr, § 32 StGB - Prüfungsaufbau, Prüfungsreihenfolge, Schema, Definitionen (http://juraschema.de/index.php?thema=notwehr)

Geeignet sind solche Verteidigungshandlunge
n, die den Angriff sofort und endgültig
beenden können.
Es ist das Verteidigungsmittel zu wählen, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten
Schaden anrichtet.
Der Angreifer muss sich jedoch nicht auf das Risiko einer ungenügenden
Abwehrhandlung einlass
en.
Bei dem Gebrauch von gefährlichen Waffen ist ihr Einsatz grundsätzlich vorher
anzudrohen. Oft liegt darin schon eine abschreckende Wirkung. Dies gilt nur solange es
die Situation zulässt. Das Risiko einer Rechtsgutsverletzung oder eine schwächere
Verteidig
ungssituation muss nicht hingenommen werden....Bei §32 StGB wird keine Güterabwägung durchgeführt!
Es kann daher auch die
Tötung
des Angreifers, als ultima ratio, auch zur Verteidigung von Sachwerten
gerechtfertigt sein! (Evtl Einschränkungen über die Gebotenheit)
https://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/kinzig/mitarbeiter/natalie-richter/Notwehr.pdf

ich muss also nicht auf eine Beleidigung nur verbal antworten, das ist Quatsch.

Wie sagt Luggage so schön : Es gibt keine Verhältnismässigkeit nur die Erforderlichkeit.
Die Erforderlichkeit einen Angriff endgültig zu stoppen.
Wenn dazu verbale Mittel reichen, weil ich von jemanden Beschimpft werde , woher dann die restliche Rechtfertigung ?
Weil ich nicht die Nerven habe mir diversen Dummfug anzuhören ?
Das ist lachhaft.
Genauso ist es mit der Rechtsgüterabwägung : Klar es ist nicht geboten bei einem Angriff erst in das Denkkämmerlein zu gehen und zu grübeln rede ich oder schieße ich, was ist angemessen ? Blos der gesunde Menschenverstand wird dadurch nicht seiner Verantwortung enthoben.
Siehe "Einschränkungen über die Gebotenheit." Dieser Passus geht nämlich in beide Richtungen.
Das Ganze wird sogar durch das schneidige Notwehrrecht untermauert : Zu wählen ist die Methode die am wenigsten in die Rechtsgüter des anderen eingreift.
Übrigens spätestens hier wird auf Basis des des normalen Umgangs nicht des juristischen Kanons eine Abwägung getroffen.
Wer es für normal hält jemanden der in Worten verletzt auf´s Maul zu hauen ...
Ich möchte so etwas nicht in meiner Gesellschaft haben.

Kensei
21-10-2015, 13:55
Ein typischer Kajihei. Natürlich hat der wieder mal mehr Ahnung als ein Bundesrichter, wenn es um die Juristerei geht. :rolleyes:

Lasst den doch trollen Leute, warum lasst ihr euch überhaupt noch auf solche Diskussionen ein?

Klaus
21-10-2015, 13:58
Darum fällen Grundsatzurteile beim BGH auch keine Einzelrichter, sondern fünf Richter. Und die Urteile fallen nicht immer einstimmig wie bekannt. Insofern würde ich noch damit warten es als Gesetz anzusehen, dass man jemandem der in der Kneipe "ey Du Vogel!" sagt erstmal ordentlich den Schädel zertrümmern darf, und der darf sich dann nicht wehren. Er hat provoziert!

Wie war das nochmal mit Tugce ?

Kensei
21-10-2015, 14:21
Das sagt der Richter ja auch nicht und hat hier auch keiner behauptet. Aber das du wieder mal nur in Extremen denken kannst, Klausi, ist ja auch nichts neues...

concrete jungle
21-10-2015, 14:22
Gibt ja auch noch Gewohnheitsrecht, gesundes ...-empfinden und so:

Knast-Prügelei: Tugce-Schläger wird im Gefängnis Nase gebrochen - stern Crime | STERN.de (http://www.stern.de/panorama/stern-crime/knast-pruegelei--tugce-schlaeger-wird-im-gefaengnis-nase-gebrochen-3969918.html)

Zu den Notwehrfällen: ,,Vor Gericht und auf Hoher See ist man in Gottes Hand"

Kann so oder so ausgehen, ausprobieren sollte man das besser nicht!

Generell nicht gern gesehen ist wohl sich geplant auf einen Kampf einlassen (was einem passieren kann,wenn man sich mit sowas viel beschäftigt)
da pfuscht man ja auch Executive und Iudikative ins Handwerk...

Serjoscha
21-10-2015, 16:21
Solltest man schon tun, allerdings sagt der Herr Richter ja klipp und klar das keine Notwehr für den Provoziernden vorliegt wenn der Provozierte körperlich aktiv wird (Zitat siehe oben).

Grüße

Kanken

Ich muss dir da leider Widersprechen. Der Richter sagt nicht, dass die Notwehr hinfällig ist.

Er sagt folgendes:

Wer einen Angriff provoziert, um ihn absichtlich zur "Notwehr" auszunutzen, ist nicht gerechtfertigt.

Wenn man also jemanden beleidigt, und dieser sich provoziert fühlt und einen angreift, darf man sich auch wehren. Das wäre Notwehr.
Wenn man die Person aber beleidigt, mit dem festen Willen angegriffen zu werden, um dann der angreifenden Person eine reinzuhauen ist das keine Nowehr.

Aber gerade das finde ich an dieser Stelle sehr heikel. Es ist nicht immer leicht die Absichten der beteidigten einzuschätzen, und eben diese Absicht macht hier den Unterschied.
Diese Absicht nachzuweisen, und/oder darüber zu entscheiden, ist in manchen Fällen sehr schwer. Daher muss ich auch sagen, dass ich persönlich, diese Vorgehensweise fallabhängig etwas Heikel finde.
Auch wenn das Einbeziehen der Absichten der Beteidigten, sofern sie nachweisbar sind, durchaus sinnvoll ist.

liselottemeyer
21-10-2015, 16:30
das leseverstehen von einigen menschen - ne ne.

Klaus
21-10-2015, 17:50
Mit Leseverständnis kommt man da nicht weiter, es geht hier um eine Einzelmeinung. Er selbst schreibt in einer eher nicht-fachlichen Stellungnahme unter Bezug auf Harley-Davidson und Tom Waits, dass so manches was er da aufzählt in der Fachliteratur höchst umstritten ist. Wie kommt man dann darauf, dass ein einzelnes plakatives Beispiel eine höchstrichterlich ausgeurteilte Papstbulle darstellt die stets und immer so vor jedem Gericht entschieden werden würde ?

Das Notwehrrecht zu missbrauchen ist sicher eine Straftat, da eben die Gründe für Notwehr nicht vorliegen (Erforderlichkeit usw.). Allerdings müsste ein Gericht vorher feststellen dass es sich um eine gezielte Provokation mit dem gewünschten Ergebnis einer ungerechtfertigten Notwehrreaktion gehandelt hat, und da kann ich mir nicht vorstellen dass ein Gericht immer dieser Darstellung folgen würde wenn es um banale "Provokationen" wie das Betreten einer Kneipe wo auch der Ex der Ehefrau verkehrt ginge. Wie weit will man diesen Begriff der "Notwehr-Provokation" denn fassen ? Bayernschal in Gelsenkirchen tragen ? Jemandem der ein Kind auf der Strasse verprügelt was anderes als "Sir No Sir!" antworten wenn der fragt ob man Ärger will ? Wobei das ja auch wieder ne Provokation wäre. Bestimmt.

Ich denke dieses Konstrukt einer provozierten Notwehr wird sich in der Realität dann auf wenige Fälle beschränken, wo es offensichtlich ist. Also, man bewaffnet sich "zufällig" und geht dann "zufällig" zu einer Kneipe vom anderen MC und macht da ein paar Witzchen über diesen. Brunner z.B. ist ja ein bischen weiter gegangen als nur zu reden.

liselottemeyer
21-10-2015, 18:31
da wollte ich was schreiben, doch alles was ich niederbrachte war eine wiederholung des artikels.

deswegen bleibt: das leseverstehen - irgendwie lesen wir verschieden zusammenhänge aus dem artikel.

Open your Mind
21-10-2015, 18:42
Guten Tag

Hier habe ich ein Beispiel gefunden. Ich bin der Meinung, dass der Schreiber sich hier nicht auf Notwehr berufen kann, da er diese provoziert hat. Als Kampfsportler, der sich überlegen wusste, wäre ihm hier ein milderes Abwehrmittel zuzumuten gewesen.


Hey Jungs, wie händelt ihr das als Kampfsportler wenn euch jemand provoziert und einfach nicht ablässt?

Mache seit mehreren Jahren MMA und habe noch nie jemanden in der Freizeit eine draufgehauen... einfach aus dem Grund, weil ich extrem selten in solche Situationen reinkomme und ein geduldiger Mensch bin.

Heute im Fitness Studio war das ganz anders. Da waren 2 glanzköpfige ältere Männer im Alter von 40 würde ich schätzen, voll tättowiert und wahrscheinlich 120 Kilo schwer.... als 85 Kilo Kampfsportler sieht man da natürlich nicht so massig aus... dachten sich die beiden auch und nahmen das als Anlass um hinter meinen Rücken über mich und ein Kumpel (93 Kilo) zu urteilen). Wir haben Maximalkraftsätze mit 100 Kilo gemacht... Bankdrücken.
Da meinte der andere zum einen das wir ziemliche Stöcke sind, dafür das wir so viel drücken und weg von den Kinderportionen kommen sollten. Da ich im Gym immer schnell reizbar bin, bin ich darauf eingegangen und habe zu dem anderen gesagt, dass die Stöcke euch gleich den ***** versohlen.

Da kam der eine zu mir und packt mich dreißt am Kragen... ich will ihn noch von mir wegschubsen um eine Schlägerei noch zu verhindern, er lässt nicht ab woraufhin ich dem einen mit voller Wucht einen Kinnhaken verpasst habe und er wie eine Milchpackung umgekippt ist. Ich fand das selbst extrem scheiße....aber reden hätte da nicht mehr geholfen und jemand der so aussieht als wäre er gerade vom Knast entlassen worden mit seinen Tattoos, Glatze und Narben die aussehen als kämen sie von Messerstichen.... wie hättet ihr da reagiert?

Jedenfalls kamen dann Leute zwischen uns. Mich erwartet eine Anzeige, dürfte aber gut für mich ausgehen, zumal auch viele Zeugen da waren. Was hättet ihr in so einer Situation gemacht? Würde mich mal interessieren. Das war echt eine Lektion für mich.
Ich habe echt nicht gedacht, das mir so etwas mal wieder passieren könnte. Zumal ich ja schon nicht mehr feiern gehe, weil jeder mit etwas Muskeln sich gleich profelieren will...

Provoziert von Bodybuildern und Schlägerei im Gym : Kampfsport (http://www.team-andro.com/phpBB3/provoziert-von-bodybuildern-und-schlaegerei-im-gym-t329631.html)

gast
21-10-2015, 18:48
Zitat aus dem Artikel:
"Es naht der Moment der "umfassenden Gesamtabwägung". Das ist eine ziemlich windelweiche Kompromissfindung zwischen allem und jedem: der Stärke des Angriffs, der Stärke des Gegenrechts, den Besonderheiten des Einzelfalls, der Verhältnismäßigkeit."

Ich dachte immer die Verhältnismäßigkeit wäre ein Mythos?

Alephthau
21-10-2015, 19:31
Hi,

Ich werfe einfach mal folgendes in die Runde:

Ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff bezieht sich nicht nur auf Tätlichkeiten körperlicher Natur! ;)

Auch Beleidigungen sind ein "gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff", was aber wiederum auch kein Freifahrtschein dafür ist, jedem eines aufs Maul zu geben der einen "A-Loch" o.ä nennt.

Wenn aber un jemand eine wahrhaft sprudelnde, nicht versiegen wollende, Quelle an Beleidigungen/Provokationen ist, kann ein "körperlicher Verweis" im Rahmen der Notwehr gerechtfertigt sein, um ihm am weitermachen zu hindern, sprich um den "Angriff" zu beenden!

Da der "gegenwärtige, rechtswidrige Angriff" durch die Provokation schon begonnen wurde, kann derjenige, der provoziert, sich dann auch nicht mehr auf Notwehr berufen.


Gruß

Alef

Gast
21-10-2015, 19:33
Zitat aus dem Artikel:
"Es naht der Moment der "umfassenden Gesamtabwägung". Das ist eine ziemlich windelweiche Kompromissfindung zwischen allem und jedem: der Stärke des Angriffs, der Stärke des Gegenrechts, den Besonderheiten des Einzelfalls, der Verhältnismäßigkeit."

Ich dachte immer die Verhältnismäßigkeit wäre ein Mythos?

weiteres Zitat aus dem Artikel:


Notwehr ist ein starkes Recht. Es kennt keine enge "Verhältnismäßigkeit", sondern begnügt sich mit "Erforderlichkeit" und "Gebotenheit". Man darf zur Verteidigung seines Eigentums ein Menschenleben vernichten, wenn es "erforderlich" ist. Der Angreifer auf irgendein Rechtsgut lebt also mit einem hohen Risiko: Wer mit geraubten 10 Euro flieht, könnte sein Leben verlieren oder seine Gesundheit und anschließend auch noch den Schadensersatz-Prozess.

es bleibt der Begriff des nicht näher spezifizierten krassen Missverhältnisses der Rechtsgüter (Todesschuss auf Apfeldieb) bei dem die Notwehr entfällt

aus Luggages Beitrag:




Es ist also so: Im Kern dessen, was durch das Notwehrrecht geregelt werden soll, gibt es keine Verhältnismäßigkeitsprüfung, nur die Erforderlichkeit. In der Peripherie kann es aber zu einer solchen Abwägung kommen, wenn die Ergebnisse des grundsätzlich anzuwendenden Rechtes allzu unerträglich wären

Alex R.
21-10-2015, 20:08
Zitat aus dem Artikel:
"Es naht der Moment der "umfassenden Gesamtabwägung". Das ist eine ziemlich windelweiche Kompromissfindung zwischen allem und jedem: der Stärke des Angriffs, der Stärke des Gegenrechts, den Besonderheiten des Einzelfalls, der Verhältnismäßigkeit."

Ich dachte immer die Verhältnismäßigkeit wäre ein Mythos?

Ist sie auch. Zumindest im Zusammenhang mit der eigentlichen Aktion. Sie entscheidet aber mit, wie weit der Angegriffene gehen darf. War der Verteidiger in etwa (verhältnismäßig) gleich schwer, gleich bewaffnet, gleich besoffen?
Einem deutlich Schwächeren wird ein wenig mehr an Aktion zugestanden als einem deutlich Überlegenen.
Und noch einige weitere juristische Verhältnismäßigkeiten die nur interessieren, wenn das Ganze vor den Richter geht.

@Klaus:
Nicht der Missbrauch der Notwehr ist strafbar, denn Notwehr ist nicht missbrauchbar. Die Notwehr wird dann schlicht nicht anerkannt (Gegenrecht!) und damit sind wir bei einer "normalen" KV.
Mit dieser Möglichkeit wird nur ein Riegel vorgeschoben, sofern es eine Vorgeschichte gibt!
In diesem Punkt reden wir über Vorsatz, also dem festen Willen(!), sich prügeln zu wollen, den anderen aber soweit zu provozieren, das er anfängt.
Beispiel dafür wäre der Typ der von der Security aus der Disse geworfen wird und dann draußen einfach keine Ruhe gibt, verkloppt wird und hinterher die Security anzeigt.

Open your Mind
21-10-2015, 20:29
Mit den 10 € haben wir aber ein Problem: Jeder kann euch erschießen und euch dann seine Geldbörse in die Tasche stecken. Mord wäre legal.

Zum anderen ein Beispiel, wo das Notwehrrecht relativ stark eingeschränkt wurde:
Fall: Mit der Frage der Wahl des mildesten Mittels hatte sich jüngst das Landgericht Stade zu beschäftigen. Fünf junge Männer überwältigen einen Rentner und zerren ihn in sein Haus. Eine Komplizin, hatte ihnen zuvor fette Beute versprochen. Sie halten dem Rentner eine täuschend echt aussehende Pistole an die Schläfe und würgen ihn mit einem Schal. Als sie versuchen, seinen Tresor zu öffnen, lösen sie den Alarm aus. In Panik fliehen sie über die Terrasse aus dem Haus. Sie nehmen eine Brieftasche mit gut 2000 Euro, eine Halskette und eine Uhr des Rentners mit. Der Rentner, der schon einmal Opfer einer Erpressung geworden war, hat zwei geladene Waffen im Haus. Als er glaubt, einen Schuss zu hören, feuert er vier Schüsse in Richtung der flüchtenden jungen Männer ab. Die dritte Kugel trifft einen 16-Jährigen, der stirbt.

Notwehr?: Fall 2: Rentner erschießt Räuber - FOCUS Online (http://www.focus.de/finanzen/recht/notwehr-fall-2-rentner-erschiesst-raeuber_id_4463690.html)

Little Green Dragon
21-10-2015, 20:34
edit by Mod

Suriage
21-10-2015, 21:34
Ich weiß wirklich nicht warum das Notwehrrecht so vielen Menschen Probleme bereitet. Das hatten wir in der Vorlesung ratzfatz durch.

Gast
21-10-2015, 22:05
Ich weiß wirklich nicht warum das Notwehrrecht so vielen Menschen Probleme bereitet. Das hatten wir in der Vorlesung ratzfatz durch.

dann erklär mal, wie das ist, mit der Notwehrprovokation, da scheinen die Meinungen ja auseinander zu gehen

Notwehrprovokation, Notwehrrecht, Absichtsprovokation, Provokation (http://jura-schemata.de/notwehrprovokation.htm)

interessant für Klaus:


Sonstige Provokation

Bsp.: fahrlässige Provokation

h.M.: abgestuftes Notwehrrecht:
-> grds. Angriff ausweiche
-> Schutzwehr
->Trutzwehr (ultima ratio)

P.: Überreaktion des Provozierten?
-> wie bei Absichtsprovokation, keine Änderung

Suriage
22-10-2015, 00:02
dann erklär mal, wie das ist, mit der Notwehrprovokation, da scheinen die Meinungen ja auseinander zu gehen

Notwehrprovokation, Notwehrrecht, Absichtsprovokation, Provokation (http://jura-schemata.de/notwehrprovokation.htm)

interessant für Klaus:

Ja die Meinungen gehen auseinander, darum erklär ich auch nix.

Ich kann dir aber sagen welche Meinung ich vertrete: Die selbe die im Ausgangsartikel vertreten wird. Wer das Notwehrrecht missbraucht um sanktionslos in die Rechtssphäre eines Anderen einzugreifen, kann seine Tat damit nicht rechtfertigen. Das würde mMn dem grundlegenden Gedanken der Notwehr widersprechen und ist bestimmt nicht im Sinne des Gesetzgebers. Es soll ja nicht zum Instrument werden um den Rechtsfrieden zu brechen sondern stellt Rechtsgüter unter Schutz.

DEKAR
22-10-2015, 01:01
Guten Tag

Hier habe ich ein Beispiel gefunden. Ich bin der Meinung, dass der Schreiber sich hier nicht auf Notwehr berufen kann, da er diese provoziert hat. Als Kampfsportler, der sich überlegen wusste, wäre ihm hier ein milderes Abwehrmittel zuzumuten gewesen.

muss der typ sich jetzt bloß weil er mma macht von diesen testojunkys jeden scheiss gefallen lassen?

die haben nen blöden spruch gebracht der typ zurück.

wenn die damit nicht klarkommen sollen sie halt von vornherein die schnauze halten.

Hundertzehn
22-10-2015, 06:30
Mit den 10 € haben wir aber ein Problem: Jeder kann euch erschießen und euch dann seine Geldbörse in die Tasche stecken. Mord wäre legal.

Deswegen gibt's einen Prozess. Entgegen landläufiger Ansicht sind Richter nicht blöd, und glauben dem Mörder die Geschichte mit den geklauten 10€ und der Notwehr höchstwahrscheinlich nicht.

Alex R.
22-10-2015, 10:12
Es soll ja nicht zum Instrument werden um den Rechtsfrieden zu brechen sondern stellt Rechtsgüter unter Schutz.

Ist es nicht eher so, dass der Notwehr-Paragraf dazu da ist, ein Verhalten nachträglich zu erlauben bzw. sanktionsfrei zu stellen, was der Mensch sowieso (Stichwort: Selbsterhaltung) tut?


muss der typ sich jetzt bloß weil er mma macht von diesen testojunkys jeden scheiss gefallen lassen? Nein muss er nicht. Fakt ist und das gilt für alle SV-Fälle: Du kannst tun, was du willst. Ob du es dann allerdings auch tun durftest, entscheidet der Richter, sofern du angeklagt wirst.


Deswegen gibt's einen Prozess. Entgegen landläufiger Ansicht sind Richter nicht blöd, und glauben dem Mörder die Geschichte mit den geklauten 10€ und der Notwehr höchstwahrscheinlich nicht. Korrekt. Laut Gesetz und gängiger Rechtsprechung hat man stets das erforderliche Mittel zu wählen, das den mildest möglichen Eingriff ohne Eigengefährdung in die Rechte des anderen bietet. Siehe hierzu auch die Ausführungen von Luggage, die hier schon verlinkt wurden.
Welche das sind, liegt an den Fähigkeiten des Angegriffenen, nicht am Angriff selbst! Deswegen haben KK'ler meist schlechtere Karten, da ihnen ein bewussterer Umgang mit der Abwehr von Angriffen attestiert wird. Sie haben halt mehr Möglichkeiten an der Hand, aus denen sie wählen können.
Und wo einem Nicht-KK'ler evtl. ein Schlag zugestanden wird, weil er keine anderen Optionen hat, kann das bei einem geübten KK'ler schon anders aussehen.

Suriage
22-10-2015, 10:35
Ist es nicht eher so, dass der Notwehr-Paragraf dazu da ist, ein Verhalten nachträglich zu erlauben bzw. sanktionsfrei zu stellen, was der Mensch sowieso (Stichwort: Selbsterhaltung) tut?


Selbsterhaltung ist nur ein Teil des Spektrums. Schutzgüter können auch nicht-essentielle Vermögenswerte sein.

Serjoscha
22-10-2015, 10:38
Ich kann dir aber sagen welche Meinung ich vertrete: Die selbe die im Ausgangsartikel vertreten wird. Wer das Notwehrrecht missbraucht um sanktionslos in die Rechtssphäre eines Anderen einzugreifen, kann seine Tat damit nicht rechtfertigen. Das würde mMn dem grundlegenden Gedanken der Notwehr widersprechen und ist bestimmt nicht im Sinne des Gesetzgebers. Es soll ja nicht zum Instrument werden um den Rechtsfrieden zu brechen sondern stellt Rechtsgüter unter Schutz.

Suriage fast es super zusammen.
Ich weiß auch nicht was so schwierig ist an der Ausführung aus dem Artikel zu verstehen. Es ist nunmal keine Notwehr wenn man will dass man angegriffen wird. Das einzig komplizierte ist unter Umständen die Absichten der betroffenen zu beurteilen. Das ist aber vom Verfahren und den zugänglichen Informationen abhängig, nicht von der Gesetzeslage.

Alex R.
22-10-2015, 11:54
Selbsterhaltung ist nur ein Teil des Spektrums. Schutzgüter können auch nicht-essentielle Vermögenswerte sein.

Schutzgüter fallen aber doch eher unter den Notstandsparagrafen (§34 STGB (http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__34.html)) und nicht zwingend unter den §32 STGB (http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__32.html). Oder verstehe ich grad den Begriff "Schutzgüter" falsch?
Ich sehe das so:
Notwehr greift, wenn ich oder jemand anderes (Nothilfe) angegriffen werde. In egal welcher Form!
Notstand greift, wenn jemand an meinem Eigentum beschädigen will.

Ansonsten sehe ich das gleich wie du.
Man kann sich nicht auf Notwehr berufen, wenn man den Anderen soweit provoziert, dass er angreift.

Klaus
22-10-2015, 11:58
Da widerspricht ja auch eigentlich niemand ernsthaft. Es geht aber darum wie weit man den Begriff "Provokation" fasst. Siehe der oben geschilderte Fall wo die bösen Bodybuilder ganz fiese Sprüche machen, und der Richter wollte einfach nicht akzeptieren dass das Zusammenfalten, Kiefer brechen und reintreten bis der Arzt kommt eine völlig gerechtfertigte Notwehr gegen einen ganz fiesen, von langer Hand hinterhältig geplanten Provokationsverbalangriff war.

Gast
22-10-2015, 12:17
Schutzgüter fallen aber doch eher unter den Notstandsparagrafen (§34 STGB (http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__34.html)) und nicht zwingend unter den §32 STGB (http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__32.html). Oder verstehe ich grad den Begriff "Schutzgüter" falsch?
Ich sehe das so:
Notwehr greift, wenn ich oder jemand anderes (Nothilfe) angegriffen werde. In egal welcher Form!
Notstand greift, wenn jemand an meinem Eigentum beschädigen will.


Nein, Notwehr richtet sich gegen einen rechtswidrigen Angreifer, (rechtfertigender) Notstand gegen eine Gefahr (die natürlich auch von einem Menschen ausgehen kann).
Wenn Du eine fremde Autoscheibe einschlägst, um ein Kleinkind vor dem Hitzetod zu bewahren, dann ist das, wenn es nicht anders geht, durch Notstand gerechtfertigt, da das Leben des Kleinkindes wertvoller ist, als die fremde Autoscheibe.
Durch Notstand kann auch der Eingriff in die Rechte unbeteiligter gerechtfertigt sein.
Notwehr rechtfertigt nur Eingriffe gegen Rechtsgüter des unrechtmäßigen Angreifers, solange der Angriff gegenwärtig ist, dann allerdings ohne Abwägung gegen das angegriffene Gut (außer im krassen Mißverhältnis).

KAJIHEI
22-10-2015, 12:44
Ein typischer Kajihei. Natürlich hat der wieder mal mehr Ahnung als ein Bundesrichter, wenn es um die Juristerei geht. :rolleyes:

Lasst den doch trollen Leute, warum lasst ihr euch überhaupt noch auf solche Diskussionen ein?

Nein, ich habe mich aus anderem Anlass darüber von einem Staatsanwalt und zwei Strafverteidigern belehren lassen weil mir eben die hier gezeigte Arroganz von Laien fehlt ohne Fachkenntnis zu urteilen resp. Gesetze zu interpretieren.
Sonst würde ich mich nicht soweit aus dem Fenster hängen.;)

KAJIHEI
22-10-2015, 12:47
Nein, Notwehr richtet sich gegen einen rechtswidrigen Angreifer, (rechtfertigender) Notstand gegen eine Gefahr (die natürlich auch von einem Menschen ausgehen kann).
Wenn Du eine fremde Autoscheibe einschlägst, um ein Kleinkind vor dem Hitzetod zu bewahren, dann ist das, wenn es nicht anders geht, durch Notstand gerechtfertigt, da das Leben des Kleinkindes wertvoller ist, als die fremde Autoscheibe.
Durch Notstand kann auch der Eingriff in die Rechte unbeteiligter gerechtfertigt sein.
Notwehr rechtfertigt nur Eingriffe gegen Rechtsgüter des unrechtmäßigen Angreifers, solange der Angriff gegenwärtig ist, dann allerdings ohne Abwägung gegen das angegriffene Gut (außer im krassen Mißverhältnis).

Genau der Kasus Kaktus der uns vom Revolverrecht der Amis abgrenzt.:)
Wenn mich jemand beschimpft habe ich ihn eben nicht zusammenzuschlagen.

Gast
22-10-2015, 13:12
Genau der Kasus Kaktus der uns vom Revolverrecht der Amis abgrenzt.:)
Wenn mich jemand beschimpft habe ich ihn eben nicht zusammenzuschlagen.

Es gab, meine ich, schon ein Urteil, wo das beenden eines andauernden Beleidigungsschwalls mittels Nasenbruch als gerechtfertigt angesehen wurde.
Da würde ich nicht drauf wetten, dass Ehre regelmäßig in krassem Missverhältnis zu körperlicher Unversehrtheit gesehen wird.

Klaus
22-10-2015, 13:45
Das entscheidende Wort ist "andauernd". Ich denke auch dass recht strenge Maßstäbe an den Terminus Beleidigung angelegt werden. Wenn ich mich im Supermarkt neben einen prügelnden Vater stelle und ihn frage ob er das richtig findet und gehe nicht weg um das Kind zu schützen, denke ich nicht dass eine ggf. nachfolgende Prügelei als "provoziert" eingestuft wird (oder, werden dürfte) wenn ich keine Sprüche ala "los, komm, zeig mal wasse kannz bei einem Deiner eigenen Gewichtsklasse!" mache. Sonst kann man sich das ganze Gefasel über Zivilcourage auch mal sparen.

Kraken
22-10-2015, 14:18
Wenn man also jemanden beleidigt, und dieser sich provoziert fühlt und einen angreift, darf man sich auch wehren. Das wäre Notwehr.

Nicht unbedingt!

Vielleicht beurteilt der Richter auch seinen "Angriff" als durch die Notwehr gerechtfertigt, um deine Beleidigung abzuwehren.

Dann geht es ausdrücklich um einen "rechtswidrigen" Angriff in der Notwehr.

Alex R.
22-10-2015, 14:20
Nein, Notwehr richtet sich gegen einen rechtswidrigen Angreifer, (rechtfertigender) Notstand gegen eine Gefahr (die natürlich auch von einem Menschen ausgehen kann).
Wenn Du eine fremde Autoscheibe einschlägst, um ein Kleinkind vor dem Hitzetod zu bewahren, dann ist das, wenn es nicht anders geht, durch Notstand gerechtfertigt, da das Leben des Kleinkindes wertvoller ist, als die fremde Autoscheibe.
Durch Notstand kann auch der Eingriff in die Rechte unbeteiligter gerechtfertigt sein.
Notwehr rechtfertigt nur Eingriffe gegen Rechtsgüter des unrechtmäßigen Angreifers, solange der Angriff gegenwärtig ist, dann allerdings ohne Abwägung gegen das angegriffene Gut (außer im krassen Mißverhältnis).

Danke für das Klarstellen.

Kraken
22-10-2015, 14:31
Ich weiß wirklich nicht warum das Notwehrrecht so vielen Menschen Probleme bereitet. Das hatten wir in der Vorlesung ratzfatz durch.

Du weisst nicht, warum?


Ja die Meinungen gehen auseinander, darum erklär ich auch nix.

Darum!

Weil schon einmal ein Richter einen Notwehrexzess gesehen hat, als sich EIN 30-Jähriger mit einem Messer gegen FÜNF Angreifer gewehrt hat.

Der Richter fand die Reaktion übertrieben weil:

Nur einer der Gruppe von 5 hat direkt angegriffen
Der Verteidiger war 30 und 15kg schwerer als der 17-jährige Angreifer
Der Verteidiger hätte "besonnen" handeln sollen - seine mehr als 2 Promille im Blut wurden NICHT als Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit anerkannt.

Es wird heftig diskutiert, weil Menschen dich dafür bestrafen können und dein LEBEN versauen können als Lohn dafür, dass du dein Leben verteidigt hast.

Menschen bringen dich nach einer Schlägerei in den Knast.. Menschen die selbst noch nie ihre Gesundheit mit eigener Kraft verteidigen mussten.

Und die haben dann verschiedene MEINUNGEN darüber.

Für dich und andere Anwälte und Richter ist es nur eine MEINUNG.

Für mich und andere Menschen, die sich immer wieder mit dem Notwehrrecht auseinandersetzen müssen geht es um die eigene Existenz. Nicht bloss darum, ob man vor Gericht "gewinnt" sondern ob man seinen Job, und sein Leben behalten darf.

Da könnte man auch als Studierter ein wenig Verständnis dafür aufbringen.

Suriage
22-10-2015, 17:00
Für mich und andere Menschen, die sich immer wieder mit dem Notwehrrecht auseinandersetzen müssen geht es um die eigene Existenz. Nicht bloss darum, ob man vor Gericht "gewinnt" sondern ob man seinen Job, und sein Leben behalten darf.

Da könnte man auch als Studierter ein wenig Verständnis dafür aufbringen.

Ich habe dafür absolutes Verständnis.

Ändert allerdings nichts.

Alex R.
22-10-2015, 20:24
Für mich und andere Menschen, die sich immer wieder mit dem Notwehrrecht auseinandersetzen müssen geht es um die eigene Existenz. Nicht bloss darum, ob man vor Gericht "gewinnt" sondern ob man seinen Job, und sein Leben behalten darf.

Das Problem ist, dass du das vorneweg nie wirklich abschätzen kannst. Will der nur posen oder will der ernsthaft? Man weiß es einfach nicht. Selbst Profis kommen da vielfach an ihre Grenzen, vor allem weil sowas auch von einer auf die andere Sekunde kippen kann. Also wirst du in so einer Situation so reagieren, dass du letzteres abdeckst. Volle Kanne inne Fresse. Habe ich in solchen Momenten auch oft genug getan.
Zum Problem wird es ja auch nur, wenn es vor den Richter geht und du an den "falschen" Richter gerätst. Oder nicht genug Zeugen hast oder genug Beweise.
Klare Fälle sind selten ein Problem, habe ich selbst oft genug erlebt.

Hinterher darüber zu richten ist immer leicht. Ob es richtig ist, steht auf einem anderen Blatt, aber wonach soll ein Richter sich auch richten, wenn nicht an Zeugenaussagen, Polizeiberichten, Krankenhausakten? Er war nicht dabei! Soll er jedem glauben der sich auf Notwehr beruft? Er muss sich einfach darauf verlassen, dass das was ihm erzählt und gezeigt wird, die Wahrheit ist. Oder eben jemanden beim Lügen ertappen.

Ein weiteres Problem ist der Umstand, dass Juristen in den allermeisten Angeklagten den Schuldigen sehen. Wenn dieser nun "Notwehr" ruft, sind die sich schnell sehr sicher, dass er sich nur rausreden will und entsprechend vorsichtig gehen sie damit um. Behaupten kann man ja schließlich erstmal alles, beweisen muss man es können.
Wenn du den ganzen Tag mit Straftätern zu tun hast, dann sind irgendwann alle Menschen in deinen Augen Straftäter.
Und hier liegt vielfach der Hase im Pfeffer und friert. Wenn ein Richter schon (als Beispiel) 10 schuldige Securitys vor sich hatte, dann wird der 11. sicherlich auch schuldig sein. Für diesen 11. ist es also noch schwerer als ohnehin schon, den Richter davon zu überzeugen das er tatsächlich unschuldig ist!
Sollte nicht sein, ist aber leider so. Der Mensch macht nun mal seine Erfahrungen und diese fließen, bewusst oder unbewusst, immer in die Entscheidung mit ein.
Ich kenne das aus dem Security-Bereich ebenfalls und ich glaube, dir selbst ist das auch nicht wirklich fremd.

Ich will hier die Juristen auf keinen Fall in den Schutz nehmen, sondern einfach nur ein wenig Perspektive reinbringen.

Mahmut Aydin
22-10-2015, 23:02
Ich studiere noch nich besonders lange Jura, aber in der Theorie ist das Notwehrrecht doch eigentlich ziemlich simpel...

Als Definition ist ja ganz simpel: Siehe §32 Abs. 2 StGB

"Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden."

Bleiben noch 2 Definitionen zu klären um dann alles verständlich zu machen.

Gegenwärtiger Angriff: "Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn die Rechtsgutverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade begonnen hat oder noch fortdauert."

Also in der Praxis mit Beispiel:
1. A rennt mit geballter Faust auf B zu.
2. A schlägt gerade auf B ein.
3. A rennt gerade weg, nachdem er B zusammengeschlagen hat.

Rechtswidriger Angriff:
"Der Angriff ist rechtswidrig, wenn er objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht."

Also hier ganz Simpel: Was z.B. per Gesetz im Strafgesetzbuch verboten ist, ist rechtswidrig.

Was auch ein SEHR SEHR SEHR wichtiger Aspekt der Notwehr ist, ist die Verteidigung durch "das mindeste Mittel" anzuwenden.

Kleines Beispiel: Wenn jemand Nachts in deinen Garten steigt um von deinem Apfelbaum Äpfel zu klauen, ist ihn mit der Flinte vom Baum zu holen vor keinem Strafgericht in Deutschland ein durchgehendes Notwehrdelikt.
Technisch gesehen, wurde dein Rechtsgut "Eigentum" hier beschützt, aber die 5 Äpfel stehen in keiner Relation zum Leben des Apfeldiebes.

Was die Notwehrprovokation betrifft, gibt es nur eine einzige IMMER zutreffende Antwort, welche Lautet: "Es kommt drauf an..."

Sich hier über "mögliche" Sachen im Internet auszuquatschen fällt wesentlich schwieriger als per Gutachten von einem fähigen (angehenden) Juristen zu einem konkreten Fall

Gast
23-10-2015, 05:15
Gegenwärtiger Angriff: "Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn die Rechtsgutverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade begonnen hat oder noch fortdauert."

Also in der Praxis mit Beispiel:
[....]
3. A rennt gerade weg, nachdem er B zusammengeschlagen hat.


Wieso ist ein Angriff von A auf B gegenwärtig, wenn A wegrennt?
Welches Rechtsgut von B verletzt er denn, durch das Wegrennen?



Rechtswidriger Angriff:
"Der Angriff ist rechtswidrig, wenn er objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung steht."

Also hier ganz Simpel: Was z.B. per Gesetz im Strafgesetzbuch verboten ist, ist rechtswidrig.


Eine Verkäuferin ist der Ansicht, eine Person, die gerade das Geschäft verlassen will, habe etwas gestohlen.
Die Verkäuferin stellt sich der Person in den Weg und wird weggestoßen, die Person entfernt sich.
War das Wegstoßen Notwehr oder ein rechtswidriger Angriff ?




Was auch ein SEHR SEHR SEHR wichtiger Aspekt der Notwehr ist, ist die Verteidigung durch "das mindeste Mittel" anzuwenden.

Kleines Beispiel: Wenn jemand Nachts in deinen Garten steigt um von deinem Apfelbaum Äpfel zu klauen, ist ihn mit der Flinte vom Baum zu holen vor keinem Strafgericht in Deutschland ein durchgehendes Notwehrdelikt.
Technisch gesehen, wurde dein Rechtsgut "Eigentum" hier beschützt, aber die 5 Äpfel stehen in keiner Relation zum Leben des Apfeldiebes.


soll das ein Beispiel für die Forderung nach dem mildesten Mittel sein?

Zeiteisen
23-10-2015, 08:08
Gegenwärtiger Angriff: "Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn die Rechtsgutverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade begonnen hat oder noch fortdauert."

3. A rennt gerade weg, nachdem er B zusammengeschlagen hat.


In dem Fall wäre der Angriff aber schon beendet ("nachdem").




Also hier ganz Simpel: Was z.B. per Gesetz im Strafgesetzbuch verboten ist, ist rechtswidrig.


Stimmt, aber nur dann, wenn der andere sich selbst nicht auf einen Rechtfertigungsgrund berufen kann.



Was auch ein SEHR SEHR SEHR wichtiger Aspekt der Notwehr ist, ist die Verteidigung durch "das mindeste Mittel" anzuwenden.

Kleines Beispiel: Wenn jemand Nachts in deinen Garten steigt um von deinem Apfelbaum Äpfel zu klauen, ist ihn mit der Flinte vom Baum zu holen vor keinem Strafgericht in Deutschland ein durchgehendes Notwehrdelikt.
Technisch gesehen, wurde dein Rechtsgut "Eigentum" hier beschützt, aber die 5 Äpfel stehen in keiner Relation zum Leben des Apfeldiebes.



Das sind zwei verschiedene Sachen. Das mildeste Mittel ist eine Frage der Geeignetheit. Der Kirschbaumfall ist aber gerade ein Beispiel dafür, dass das Mittel zwar geeignet ist (gibt ja kein anderes in dem Fall), der Täter sich aber trotzdem nicht auf Notwehr berufen kann (krasses Missverhältnis der betroffenen Rechtsgüter).




Was die Notwehrprovokation betrifft, gibt es nur eine einzige IMMER zutreffende Antwort, welche Lautet: "Es kommt drauf an..."


Das ist ohnehin die Mutter aller Antworten. ;)

Alex R.
23-10-2015, 08:13
Wieso ist ein Angriff von A auf B gegenwärtig, wenn A wegrennt?
Welches Rechtsgut von B verletzt er denn, durch das Wegrennen? Das Recht gesteht dem Opfer zu, dass es sich nach einem Angriff erstmal orientieren (wieder aufstehen) muss, die Spanne liegt meines Wissens nach bei 3-5 Sekunden. Und selbst wenn wir uns außerhalb dieser Zeitspanne bewegen, darf B doch noch hinlangen, weil:
StPO - Einzelnorm (http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__127.html)
Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.
Heißt:
A haut B und rennt weg. B hat die Straftat beobachtet (;)) und verfolgt nun A um ihn festzunehmen, damit die Polizei A's Personalien aufnehmen kann. Der Flucht verdächtig ist A, weil er den Tatort verlässt.
Anders sieht es aus, wenn B A kennt. Denn dann ist A nicht unbekannt und somit entfällt der Grund für eine Festnahme nach §127 StPO.
Was landläufig unter Notwehr verstanden wird, ist vielfach eine Verkettung diverser Rechte.



Eine Verkäuferin ist der Ansicht, eine Person, die gerade das Geschäft verlassen will, habe etwas gestohlen.
Die Verkäuferin stellt sich der Person in den Weg und wird weggestoßen, die Person entfernt sich.
War das Wegstoßen Notwehr oder ein rechtswidriger Angriff ? Das wäre ein rechtswidriger Angriff, da die Verkäuferin das Recht hat, ihr Eigentum bzw ihren Besitz zu bewahren. Habe diese Variante als Ladendetektiv mehrfach durch, nur das sich bei mir niemand entfernt hat, bzw entfernen konnte. :D
Gleichzeitig macht der Dieb damit aus einem Diebstahl einen räuberischen Diebstahl (= höheres Strafmaß).




soll das ein Beispiel für die Forderung nach dem mildesten Mittel sein?
Das Beispiel dient eher dazu, was kein mildestes Mittel ist, was also nicht unter den Notwehrparagrafen fällt. *edit, da Quatsch*

Me1331
23-10-2015, 08:20
soll das ein Beispiel für die Forderung nach dem mildesten Mittel sein?

Nope das ist quasi das Standardbeispiel für viel zu krasse Mittel.

KAJIHEI
23-10-2015, 13:00
Es gab, meine ich, schon ein Urteil, wo das beenden eines andauernden Beleidigungsschwalls mittels Nasenbruch als gerechtfertigt angesehen wurde.
Da würde ich nicht drauf wetten, dass Ehre regelmäßig in krassem Missverhältnis zu körperlicher Unversehrtheit gesehen wird.

Ja, solch ein Urteil gab es. Aber das ist doch gerade eben in unserem Rechtssystem das Schöne.
Andere Richter sind nicht an das Geplapper ihrer Kollegen gebunden, egal welche Instanz.
Die höhere Instanz kann Dinge zurückverweisen, aber deren Entscheidung die aus der Neuverhandlung entsteht beeinflussen das kann und darf sie eben nicht.
Dem entsprechend ist diese Cowboymanier dieses altersschwachen Bundesrichters vollkommen wurscht in der normalen gebräuchlichen Rechtsprechung.
Zum Glück.:)
Das gleiche Spielchen geht übrigens auch mit anderen obersten Gerichtshöfen wie dem für Finanzen und Steuern. Wer sich einbildet lokal mit "Grundsatzurteilen" punkten zu können : Man vergesse es sehr schnell.
So ein Gefecht habe ich drei Jahre lang life durchgeführt....und gewonnen.;)

Was die mildeste Mittel Debatte angeht : Bei einer reiner verbalen Injurie ist aus meiner und und der von Profijuristensicht eben die verbale Erwiderung das zu billigende Mittel.
Die Begründung " Der hat mich provoziert" wäre nämlich der Anfangspunkt einer Spirale ohne Ende, die es doch zu vermeiden gilt.
Die Rechtsprechung soll einen RECHTSFRIEDEN gewährleisten, keine Verschlimmerung der Zustände.
Sieht man sich z.B. die jetztige gesellschaftliche Lage an wo doch sehr viele Menschen aus anderen Kulturkreisen bei uns unterwegs sind, na wo sollte das dann wohl enden ?
Ich habe der Verkäuferin den Einkaufskorb über den Schädel gezogen da sie mich provoziert hat ? ( Haben Sie denn Geld oder Gutschein ? , der Angesprochene versteht blablabluberbla etc. )
In anderen Kulturen wird halt die penetrante Nachfrage seitens einer Frau als Beleidigung angesehen. (Ausgedachtes Beispiel )
Da wir aber alle sobald wir in D-LAnd sind vor dem Gesetz gleich sein sollten, wäre also auch dieser "Ehrbegriff" im Rahmen der Cowboymanier zu schützen.
Eine Debatte darüber was denn nun die "korrekte" juristisch begründete Ehre sei ...Ich besorge schon die Zwangsjacken.
Genau das müßte aber erfolgen.
Da sag ich mal herzlichen Danke, ohne mich.

Klaus
23-10-2015, 13:14
Sehe ich auch so. Wenn ein Amtsgericht das dann "anders sieht", muss man zur Not bis zum EuGH / Bundesverfassungsgericht.

KAJIHEI
23-10-2015, 13:16
Das entscheidende Wort ist "andauernd". Ich denke auch dass recht strenge Maßstäbe an den Terminus Beleidigung angelegt werden. Wenn ich mich im Supermarkt neben einen prügelnden Vater stelle und ihn frage ob er das richtig findet und gehe nicht weg um das Kind zu schützen, denke ich nicht dass eine ggf. nachfolgende Prügelei als "provoziert" eingestuft wird (oder, werden dürfte) wenn ich keine Sprüche ala "los, komm, zeig mal wasse kannz bei einem Deiner eigenen Gewichtsklasse!" mache. Sonst kann man sich das ganze Gefasel über Zivilcourage auch mal sparen.

Wenn du einem verprügeltem Kind im Supermarkt zur Seite stehst ist das a.) Ehrenwert und b.) Nothilfe, keine Notwehr.
Andere Baustelle.
Wenn ich dich jetzt die nächsten drei Seiten aliterater Rübenkopf etc. nenne hat das keine Rechtsgrundlage mich zu verdreschen, trotz der Dauer
Las ich aber sein, keine Bange.:)

Mahmut Aydin
23-10-2015, 13:21
Wieso ist ein Angriff von A auf B gegenwärtig, wenn A wegrennt?
Welches Rechtsgut von B verletzt er denn, durch das Wegrennen?


Weil die unmittelbare Flucht noch zum Angriff gehört, unter anderem gerne gesehen im Zusammehang mit Dieben, Räubern oder einfach dem § 127: Vorläufige Festnahme

Anders als im Kampfsport ist der Angriff noch am laufen, wenn A gerade von besagter Tat flüchtet. Ihm am nächsten Tag in die Fresse zu hauen, wäre nicht mehr Notwehr.



Eine Verkäuferin ist der Ansicht, eine Person, die gerade das Geschäft verlassen will, habe etwas gestohlen.
Die Verkäuferin stellt sich der Person in den Weg und wird weggestoßen, die Person entfernt sich.
War das Wegstoßen Notwehr oder ein rechtswidriger Angriff


Indem der Kunde den Supermarkt betritt, könnte dieser automatisch eine Einwilligung in den Durchsuchungsvorbehalt erteilt haben. Bei dem Schild könnte es sich dann um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln.
Dies wäre der Fall, wenn da irgendwo ein Schild ist das einen Inhalt wie: "Bei Verdacht auf Taschendiebstahl nehmen wir eine Taschenkontrolle durch, wir bitten dafür um ihr Verständnis."
Eine Stichprobenartige Kontrolle wie beim Flughafen wäre im Supermarkt verboten. Bei entsprechendem Tatverdacht jedoch schon, WENN es angesagt wurde per Schild etc.




soll das ein Beispiel für die Forderung nach dem mildesten Mittel sein?

Hier eine kleine Erklärung der Uni Thübingen.




Erforderlichkeit: Eignung + mildestes Mittel
Geeignet sind solche Verteidigungshandlunge
n, die den Angriff sofort und endgültig
beenden können.
Es ist das Verteidigungsmittel zu wählen, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten
Schaden anrichtet.
Der Angreifer muss sich jedoch nicht auf das Risiko einer ungenügenden
Abwehrhandlung einlass
en.
Bei dem Gebrauch von gefährlichen Waffen ist ihr Einsatz grundsätzlich vorher
anzudrohen. Oft liegt darin schon eine abschreckende Wirkung. Dies gilt nur solange es
die Situation zulässt. Das Risiko einer Rechtsgutsverletzung oder eine schwächere
Verteidig
ungssituation muss nicht hingenommen werden.
Ein gezielt tödlicher Schuss kann dann als ultima ratio angewendet werden, wenn ein
wenig gefährlicher Einsatz, wie Warnschuss, Vorzeigen der Waffe oder Schuss in die
Beine nicht ausreicht.

Gast
23-10-2015, 13:24
Wer es für normal hält jemanden der in Worten verletzt auf´s Maul zu hauen ...
Ich möchte so etwas nicht in meiner Gesellschaft haben.

verständlich, bei Deinen Umgangsformen :p


[...] dieses altersschwachen Bundesrichters [...]



Ja, solch ein Urteil gab es. Aber das ist doch gerade eben in unserem Rechtssystem das Schöne.
Andere Richter sind nicht an das Geplapper ihrer Kollegen gebunden, egal welche Instanz.
Die höhere Instanz kann Dinge zurückverweisen, aber deren Entscheidung die aus der Neuverhandlung entsteht beeinflussen das kann und darf sie eben nicht.
.

Ein Richter, der ständig seine Urteile von höheren Instanzen zur Neuverhandlung zurückbekommt, macht bestimmt eine glänzende Karriere.



Was die mildeste Mittel Debatte angeht : Bei einer reiner verbalen Injurie ist aus meiner und und der von Profijuristensicht eben die verbale Erwiderung das zu billigende Mittel.


Das hängt von der Situation ab. Wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, dann sind andere erforderlich.




Die Begründung " Der hat mich provoziert" wäre nämlich der Anfangspunkt einer Spirale ohne Ende, die es doch zu vermeiden gilt.
Die Rechtsprechung soll einen RECHTSFRIEDEN gewährleisten, keine Verschlimmerung der Zustände.



Es geht nicht um eine Provokation, sondern um einen gegenwärtigen Angriff auf die Ehre.
D.h. ich muss fortwährend beleidigt werden.
Das muss sich keiner bieten lassen.
Mein Hinweis bezog sich auf einen Mann, der sich im Schwimmbad andauernd eine fettleibige Frau beleidigte und sich dabei evtl. auch durch Worte nicht abbringen ließ.
Der Lebensgefährte der Frau hat dem durch einen Faustschlag dann ein Ende gesetzt.
Eine einmalig vollendete Beleidigung "Fette Kuh" der keine weiteren folgen, ist kein gegenwärtiger Angriff.
Eine Reaktion darauf ist nicht gerechtfertigt.
Dennoch wird dem Beleidiger bei einem druch seine Beleidigung provozierten Angriff nach Meinung einiger nur abgestufte Notwehr zugebilligt.
Notwehr beendet bestehende Angriffe. Rache oder Bestrafung für vollendete Angriffe ist keine Notwehr.

Mahmut Aydin
23-10-2015, 13:31
soll das ein Beispiel für die Forderung nach dem mildesten Mittel sein?

OH GOTT!! Da fehlt ein "k" im ganzen Satz und die bedeutung ist total umgelagert :D :D Sorry, wird sofört geändert

Klaus
23-10-2015, 13:36
Wenn du einem verprügeltem Kind im Supermarkt zur Seite stehst ist das a.) Ehrenwert und b.) Nothilfe, keine Notwehr.


Ich meinte dass er sich dann meinem Rechtsempfinden nach nicht auf Notwehr berufen dürfen sollte wenn er mich angreift, unter gleichzeitigem Ausschluss meines Notwehrrechtes weil ich ihn durch meine Anwesenheit ja provoziert hätte. Sprich, er dürfte auf mich losgehen und mir nach Belieben alles was rumsteht über den Schädel ziehen, und ich darf nicht zurückschlagen weil ich ihn ja "provoziert" habe.



Wenn ich dich jetzt die nächsten drei Seiten aliterater Rübenkopf etc. nenne hat das keine Rechtsgrundlage mich zu verdreschen, trotz der Dauer
Las ich aber sein, keine Bange.:)

Menno, nie darf man. :mad:

Mr.Fister
23-10-2015, 13:38
Sich hier über "mögliche" Sachen im Internet auszuquatschen fällt wesentlich schwieriger als per Gutachten von einem fähigen (angehenden) Juristen zu einem konkreten Fall
zumal diese jura-diskussionen im quasi-luftleeren-raum hier in der regel eh zu nix führen, weil jeder ein eigenes bild von einem sachverhalt im kopf hat, was zumeist nicht deckungsgleich mit dem des gegnübers ist und selbst wenn der sachverhalt zur abwechslung eigentlich mal klar sein sollte, kannst du sicher sein, das solange das kopfkino angeschmissen wird, bis dem nicht mehr so ist... ;)

Gast
23-10-2015, 13:39
Wenn du einem verprügeltem Kind im Supermarkt zur Seite stehst ist das a.) Ehrenwert und b.) Nothilfe, keine Notwehr.
Andere Baustelle.

ist in einem Paragraph zusammengefasst:

http://dejure.org/gesetze/StGB/32.html


(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Mr.Fister
23-10-2015, 14:07
ist in einem Paragraph zusammengefasst:

§ 32 StGB Notwehr - dejure.org (http://dejure.org/gesetze/StGB/32.html)
https://de.wikipedia.org/wiki/Notwehr_(Deutschland)#Nothilfe

Gast
23-10-2015, 20:14
Das Recht gesteht dem Opfer zu, dass es sich nach einem Angriff erstmal orientieren (wieder aufstehen) muss, die Spanne liegt meines Wissens nach bei 3-5 Sekunden. Und selbst wenn wir uns außerhalb dieser Zeitspanne bewegen, darf B doch noch hinlangen, weil:


Die Frage war allerdings nicht, wie lange B noch "hinlangen" darf (was auch immer damit gemeint ist), sondern wann ein Angriff noch gegenwärtig im Sinne des Notwehrrechts ist.


Weil die unmittelbare Flucht noch zum Angriff gehört, unter anderem gerne gesehen im Zusammehang mit Dieben, Räubern oder einfach dem § 127: Vorläufige Festnahme
.

Wenn der Angriff darin besteht, dass man mein Eigentum wegnimmt und sich von mir entfernt, dann dauert der Angriff noch an, wenn der Dieb wegläuft, sofern er das Diebesgut am Mann (Frau) hat.
War der Diebstahl oder Raub erfolglos, dann greift ein mit leeren Händen Weglaufender mein Eigentum nicht an.
Genausowenig greift ein Flüchtender meine körperliche Unversehrtheit an (außer vielleicht, er hat mein Asthma-Spray gestohlen, aber wir reden hier ja von einer Prügelattacke).
Über das Festnahmerecht ist die Dauer eines Angriffs bei Notwehr nicht ableitbar, da dies nicht an einen gegenwärtigen Angriff gebunden ist.

DEKAR
23-10-2015, 22:26
Weil schon einmal ein Richter einen Notwehrexzess gesehen hat, als sich EIN 30-Jähriger mit einem Messer gegen FÜNF Angreifer gewehrt hat.

Der Richter fand die Reaktion übertrieben weil:

Nur einer der Gruppe von 5 hat direkt angegriffen
Der Verteidiger war 30 und 15kg schwerer als der 17-jährige Angreifer
Der Verteidiger hätte "besonnen" handeln sollen - seine mehr als 2 Promille im Blut wurden NICHT als Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit anerkannt.




wie kann man sich denn gegen 5 verteidigen wenn nur einer angreift?
das klingt ja schon fast nach nem amoklauf.

oder hat erst einer angegriffen und nach der verteidigung der rest?

Zeiteisen
24-10-2015, 09:17
Indem der Kunde den Supermarkt betritt, könnte dieser automatisch eine Einwilligung in den Durchsuchungsvorbehalt erteilt haben. Bei dem Schild könnte es sich dann um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln.
Dies wäre der Fall, wenn da irgendwo ein Schild ist das einen Inhalt wie: "Bei Verdacht auf Taschendiebstahl nehmen wir eine Taschenkontrolle durch, wir bitten dafür um ihr Verständnis."


Nope. Durchsuchen gegen den Willen des Betroffenen kann nur die Polizei. Eine Einwilligung durch AGB ist eine unangemessene Benachteiligung. Ist ein alter Hut.

Gast
24-10-2015, 09:25
wie kann man sich denn gegen 5 verteidigen wenn nur einer angreift?
das klingt ja schon fast nach nem amoklauf.

oder hat erst einer angegriffen und nach der verteidigung der rest?

"Messerstich war nicht erforderlich" | Stadt (http://www.tz.de/muenchen/stadt/messerstich-war-nicht-erforderlich-71540.html)

Münchner Urteile gegen Zivilcourage | Telepolis (http://www.heise.de/tp/artikel/31/31167/1.html)

Gast
24-10-2015, 09:49
Nope. Durchsuchen gegen den Willen des Betroffenen kann nur die Polizei.

auch ein normaler Bürger kann nach § 859 BGB (http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__859.html) widerrechtlich entwendeten Sachen notfalls auch mit Gewalt wieder in Besitz bringen.

Da sollte er sich allerdings ziemlich sicher sein, dass der andere die Sache auch wirklich hat.
Falls nicht, hängt es bei einer Anzeige wegen Freiheitsberaubung/Nötigung davon ab, ob der Richter der Meinung ist, dass der Irrtum vermeidbar war oder nicht.

siehe auch:


Die ständige Rechtsprechung lässt einen dringenden Tatverdacht genügen, um eine Jedermanns-Festnahme nach § 127 I S. 1 StPO zu rechtfertigen.

"Nach seiner Lebenserfahrung muss der Festnehmende aus den ihm objektiv zur Verfügung stehenden Indizien „ohne vernünftige Zweifel“ schließen, dass eine rechtswidrige Tat vorliegt." (BayOLG MDR 1986, 956)

Sofern der Detektiv also einen derart gestalteten Tatverdacht hegte, war er für die verwirktlichen Tatbestände im Rahmen der Festnahmehandlung (Nötigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung) gerechtfertigt.

Die (versuchte?) Nötigung zur Erlangung des Ausweises und Durchsuchung des Rucksacks war nicht durch 127 I S. 1 gerechtfertigt. Die Durchsuchung ist jedoch durch einen Erlaubnistatbestandsirrtum bzgl. einer Besitzkehr (§ 859 II BGB i.V.m. § 860 BGB) entschuldigt. Gegen eine rechtswidrige Nötigungshandlung darf vom Angegriffenen Notwehr geübt werden, auch wenn die Nötigung entschuldigt ist.
Ob es im zweifelsfall klug ist, steht auf einem anderen Blatt.

(Hervorhebungen von mir)

Wenn der Eingriff in meine Rechte (durch den Irrtum ich wäre Täter) lediglich entschuldigt (aber nicht gerechtfertigt) ist, darf ich mich wehren.

Zeiteisen
24-10-2015, 11:59
auch ein normaler Bürger kann nach § 859 BGB (http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__859.html) widerrechtlich entwendeten Sachen notfalls auch mit Gewalt wieder in Besitz bringen.


Das ist richtig. Wenn mir jemand eine Sache entwendet, kann ich sie natürlich im Wege der Besitzkehr versuchen, mir wieder zurückzuholen. Meine Ausführungen bezogen sich auf den Fall, dass man in eine Durchsuchung nach § 102 StPO durch ein Hinweisschild in einem Supermarkt einwilligt.

FlyingFist
24-10-2015, 13:23
Es gibt bei der Notwehr aber keine Rechtsgüter-Abwegung. Ich zitiere Lugage aus dem oben genannten Beitrag nochmal:
"So kann ein Beleidigungsschwall, der einfach nicht enden will durchaus körperliche Verteidigungshandlungen rechtfertigen. Verbale Gutsverletzung (Ehre) <-> körperlicher Eingriff (etwa via Ohrfeige). Das könnte nach dem Notstandsrecht nicht gerechtfertigt werden, weil die körperliche Unversehrtheit das Ehrinteresse deutlich überwiegt. Nach §32 ist das aber möglich, wenn die anderen Voraussetzungen erfüllt sind."
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/

Bei der Notwehr findet grundsätzlich keine Güterabwägung statt (ausnahmsweise nur bei krassen Missverhältnissen), denn der Angegriffene schützt nicht nur Rechtsgüter, sondern verteidigt zugleich die Rechtsordnung selbst ("schneidiges Notwehrrecht").
juraschema.de · Notwehr, § 32 StGB - Prüfungsaufbau, Prüfungsreihenfolge, Schema, Definitionen (http://juraschema.de/index.php?thema=notwehr)

Geeignet sind solche Verteidigungshandlunge
n, die den Angriff sofort und endgültig
beenden können.
Es ist das Verteidigungsmittel zu wählen, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten
Schaden anrichtet.
Der Angreifer muss sich jedoch nicht auf das Risiko einer ungenügenden
Abwehrhandlung einlass
en.
Bei dem Gebrauch von gefährlichen Waffen ist ihr Einsatz grundsätzlich vorher
anzudrohen. Oft liegt darin schon eine abschreckende Wirkung. Dies gilt nur solange es
die Situation zulässt. Das Risiko einer Rechtsgutsverletzung oder eine schwächere
Verteidig
ungssituation muss nicht hingenommen werden....Bei §32 StGB wird keine Güterabwägung durchgeführt!
Es kann daher auch die
Tötung
des Angreifers, als ultima ratio, auch zur Verteidigung von Sachwerten
gerechtfertigt sein! (Evtl Einschränkungen über die Gebotenheit)
https://www.jura.uni-tuebingen.de/professoren_und_dozenten/kinzig/mitarbeiter/natalie-richter/Notwehr.pdf

ich muss also nicht auf eine Beleidigung nur verbal antworten, das ist Quatsch.

Also aus Perspektive eines Volljuristen stufe ich das hier als die treffendste Zusammenfassung an. Alles was danach kommt sind Aufzählungen von Einzelfällen, (gefährlichem) juristischen Halbwissen und persönlichen Meinungen.

Im Übrigen kann ein Angriff natürlich noch andauern (und damit gegenwärtig sein), wenn der Täter bereits wegläuft. Z.b. dann, wenn er Beute bei sich trägt und der Angriff auf das Rechtsgut eben noch nicht beendet bzw. vollendent ist.

Was die "Verteidigung" unter dem "Deckmantel der Notwehr angeht": Derjenige, der Notwehr ausübt, muss dazu auch den Willen haben (Notwehrwillen). Den habt aber keiner, der das Notwehrrecht etwa durch Provokation dazu ausnutzen will, andere zu verhauen oder sonstiges.

So wie (fast) jede Straftat einen Vorsatz vorsieht, muss dieser Wille eben auch bei einer Notwehrhandlung vorliegen. Tut er es nicht, liegt keine (rechtfertigende) Notwehr vor.

Kraken
24-10-2015, 13:47
wie kann man sich denn gegen 5 verteidigen wenn nur einer angreift?

Ganz einfach:

Man wehr sich gegen den Ersten so vehemment, dass der Rest den im Ansatz befindlichen Angriff abbricht aus Furcht.

So geschehen im geschilderten Fall:

Einer tritt vor und greift als Erster an.

Die anderen 4 warten, bedrohen und warten auf den Moment, wann sie gefahrlos zutreten können, oder ihren Freund aus der Patsche helfen können.

Haben wohl ganz schön blöd geguckt, als das "Opfer" ein Messer gezogen und dem Täter durch den Hals gezogen hat (Ist halt auf der Bewegungslinie)

Mahmut Aydin
24-10-2015, 14:29
Nope. Durchsuchen gegen den Willen des Betroffenen kann nur die Polizei. Eine Einwilligung durch AGB ist eine unangemessene Benachteiligung. Ist ein alter Hut.

Quatsch, die Einwilligung stellt keine unangemessene Benachteiligung da, weil es wie gesagt einen Verdacht auf etwas gibt, dass den Eingriff (der nebenbei ja in den AGB angekündigt wurde) gerechtfertigt.

Mag sein, dass es nicht bei dem Verdacht funktioniert einen Schokoriegel geklaut zu haben.

Gast
24-10-2015, 14:59
Quatsch, die Einwilligung stellt keine unangemessene Benachteiligung da, weil es wie gesagt einen Verdacht auf etwas gibt, dass den Eingriff (der nebenbei ja in den AGB angekündigt wurde) gerechtfertigt.

Mag sein, dass es nicht bei dem Verdacht funktioniert einen Schokoriegel geklaut zu haben.

Bei einem dringenden Tatverdacht kann man eh durchsuchen, bei unzureichendem nicht.
Was soll da die Ankündigung der Durchsuchung per Schild daran ändern?
Dass man bei einem geringeren Verdacht durchsuchen kann, als ohne Ankündigung?
Dann würde das Recht des Kunden beschnitten und das Recht des Kaufhauses erweitert.
Wäre das nicht ein unangemessene Benachteiligung per Schild oder AGB, die nicht zulässig ist?

Ein Erklärung in der Form:


„Information und Taschenannahme
Sehr geehrte Kunden! Wir bitten Sie höflich, Ihre Taschen hier an der Information vor dem Betreten des Marktes abzugeben,
anderenfalls weisen wir Sie höflichst darauf hin, daß wir an den Kassen gegebenenfalls Taschenkontrollen durchführen müssen“

hat der BGH folgendermaßen beurteilt:


Die vorgenannte Klausel benachteiligt den Kunden unangemessen, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweicht, nach der Taschenkontrollen nur bei konkretem Diebstahlsverdacht zulässig sind.

BGH: Unwirksamkeit einer Klausel zur Taschenkontrolle in Supermärkten ohne konkreten ? - ZIP-online (http://zip-online.de/4e3a98dec4d19a58914c9229d93053e6)

dabei stellt sich die Frage, wie eine entsprechende Klausel formuliert sein müsste, damit wirksam auch bei geringerem Verdacht als den von der regelmäßigen Rechtssprechung geforderten, kontrolliert werden dürfte, aber vom wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht abgewichen wird.
Die von Dir vorgeschlagene Formulierung:

"Bei Verdacht auf Taschendiebstahl nehmen wir eine Taschenkontrolle durch, wir bitten dafür um ihr Verständnis."

Würde ich lediglich als Hinweis darauf verstehen, dass von dem geltenden Recht auch Gebrauch gemacht wird und nicht, dass das Recht zu meinen Ungunsten eingeschränkt ist, da mit "Verdacht" kein konkreter Diebstahlverdacht gemeint ist.
Auf jeden Fall begäbe sich IMO der Durchsuchende persönlich auf rechtlich dünnes Eis und der zu Durchsuchende hätte, wenn er sich nichts hat zu schulden kommen lassen, nach der Aussage von Sokolo das Recht zur Notwehr.

Zeiteisen
24-10-2015, 19:27
Quatsch, die Einwilligung stellt keine unangemessene Benachteiligung da, weil es wie gesagt einen Verdacht auf etwas gibt, dass den Eingriff (der nebenbei ja in den AGB angekündigt wurde) gerechtfertigt.


Schreib so was besser in keine Klausur... ;)


Bei einem dringenden Tatverdacht kann man eh durchsuchen, bei unzureichendem nicht.
Was soll da die Ankündigung der Durchsuchung per Schild daran ändern?
Dass man bei einem geringeren Verdacht durchsuchen kann, als ohne Ankündigung?
Dann würde das Recht des Kunden beschnitten und das Recht des Kaufhauses erweitert.


§ 859 Abs. 2, § 229 BGB rechtfertigen auch bei dringendem Tatverdacht keine Durchsuchung. Ist auch irgendwie logisch, man lässt ja nicht jeden direkt an die Wäsche (siehe Art 2 Abs 2 GG). Selbst wenn der Durchsuchende einem entsprechenden (Erlaubnistatbestands)Irrtum unterliegt, rechtfertigt ihn das nicht (entschuldigt ihn ggf nur), der Durchsuchte kann sich also wehren. Die Durchsuchung kann nach § 102 StPO erfolgen. Ein Festnahmerecht für jedermann ergibt sich aber aus § 127 StPO.

Mahmut Aydin
24-10-2015, 21:04
Schreib so was besser in keine Klausur... ;)



In Klausuren kommt nur dass, was die Meinung vom Prof ist, nicht meine :D :D

Seid ihr Juristen?

Edit: Seit-Seid to hard for my life

Gast
24-10-2015, 21:43
Selbst wenn der Durchsuchende einem entsprechenden (Erlaubnistatbestands)Irrtum unterliegt, rechtfertigt ihn das nicht (entschuldigt ihn ggf nur), der Durchsuchte kann sich also wehren.
.

das schrieb ich ja:



Wenn der Eingriff in meine Rechte (durch den Irrtum ich wäre Täter) lediglich entschuldigt (aber nicht gerechtfertigt) ist, darf ich mich wehren.


Einem Erlaubnistatbestandsirrtum, also, dass man irrtümlich Umstände annimmt, unter denen die Tat erlaubt wäre, kann man aber doch nur unterliegen, wenn es Umstände gibt, unter denen die Tat erlaubt ist?
Wenn die Durchsuchung durch Privatpersonen unter allen Umständen verboten ist, dann kann man sich nicht derart über die Umstände irren, dass man annimmt, die Durchsuchung wäre erlaubt.
Ich hatte angenommen, dass, wenn mir jemand mein Handy klaut, ich ihn auf frischer Tat verfolge und erwische, mir das auch dann zurückholen darf, wenn ich nicht genau weiß, in welcher Tasche er das nun mit sich trägt -> Durchsuchung erlaubt.
Der Irrtum bzgl. der Umstände würde dann darin bestehen, dass ich fälschlicherweise annehme, dass er das Handy bei sich trägt.
Wenn ich also richtig annehme, dass er das Handy hat, darf ich mir das in dem erlaubten Zeitrahmen wiederholen und ihn dazu auch durchsuchen, ohne dass ihm daraus ein Notwehrrecht entsteht.

Das würde bedeuten, dass ein dringender Tatverdacht die Durchsuchung nicht rechtfertigt aber entschuldigt.
Wenn sich der Tatverdacht bestätigt, wäre die Durchsuchung auch gerechtfertigt?
Da ein Dieb, der das Diebesgut bei sich trägt, weiß, dass er es bei sich trägt, wüsste dieser dann auch, dass eine Durchsuchung gerechtfertigt ist, und kann nicht fälschlicherweise annehmen, er hätte ein Notwehrrecht, sofern ihm bekannt ist, dass ich ihn wg. dem Diebstahl durchsuche.



Die Durchsuchung kann nach § 102 StPO erfolgen. Ein Festnahmerecht für jedermann ergibt sich aber aus § 127 StPO.

Luggage / Sokolo schrieben in dem anderen Thread, dass ein dringender Tatverdacht die Festnahme schon rechtfertigt. D.h. ich hätte kein Notwehrrecht, auch wenn ich zu Unrecht verdächtigt werde?

Zeiteisen
24-10-2015, 22:44
Ich hatte angenommen, dass, wenn mir jemand mein Handy klaut, ich ihn auf frischer Tat verfolge und erwische, mir das auch dann zurückholen darf, wenn ich nicht genau weiß, in welcher Tasche er das nun mit sich trägt -> Durchsuchung erlaubt.


Also so ganz grob gesagt gibt es neben dem Erlaubnistatbestandsirrtum u.a. noch einen Erlaubnisirrtum. Bei ersterem irrt man sich über die tatsächlichen Umstände eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes, bei letzterem über die rechtlichen Grenzen des Rechtfertigungsgrundes (mit der Folge, dass die Schuld gemildert werden kann, § 17 StGB). Du kannst dir aus meiner Sicht das Handy wiederholen, auch aus einer Tasche, wenn Du gesehen hast, wo der Täter es reingesteckt hat. Du musst jemanden "auf frischer Tat" erwischen (§ 859 Abs. 2 BGB). Du darfst ihn daher nicht durchsuchen. Das könnte überspitzt ja soweit gehen, dass du ihn komplett entkleidest, weil das Handy ja noch irgendwo stecken könnte (im wahrsten Sinne des Wortes...).

Im Prinzip muss man sich immer den konkreten Einzelfall anschauen.



Luggage / Sokolo schrieben in dem anderen Thread, dass ein dringender Tatverdacht die Festnahme schon rechtfertigt. D.h. ich hätte kein Notwehrrecht, auch wenn ich zu Unrecht verdächtigt werde?

Ja, dringender Tatverdacht reicht für die Festnahme. Ob du ein Notwehrrecht hast, ist umstritten. Teilweise wird in der Rechtsprechung verlangt, dass der Festgenommene eine Straftat tatsächlich begangen hat. Das ist nicht ganz unproblematisch, weil man sich sicher Fälle überlegen kann, in denen das zu unbilligen Ergebnissen führt. Drei Juristen, vier Meinungen (ich bin auch einer...).

KAJIHEI
25-10-2015, 13:14
Drei Juristen, vier Meinungen

Damit hast du es auf den Punkt gebracht.;)

DEKAR
25-10-2015, 13:34
"Messerstich war nicht erforderlich" | Stadt (http://www.tz.de/muenchen/stadt/messerstich-war-nicht-erforderlich-71540.html)

Münchner Urteile gegen Zivilcourage | Telepolis (http://www.heise.de/tp/artikel/31/31167/1.html)

meine meinung zu manfred götzl sollte ich hier besser nicht schreiben sonst krieg ich die nächste verwarnung.

kann man gegen so nen typ nicht was machen?

Alex R.
25-10-2015, 13:53
Zum Thema Taschendiebstahl und Notwehr:

Ich habe es als Ladendetektiv immer so gemacht:

Gesehen - auf frischer Tat ertappt
abgewartet, ob auch wirklich nicht bezahlt wird.

Warum genau so? Um den Vorgang soweit wie möglich rechtssicher zu bekommen. Statt des versuchten Diebstahls (schon bei einstecken in eigenen Beutel/Tasche gegeben) wird es dann ein Diebstahl, zudem entzieht man der Person die Ausrede, "Ich hätte doch bezahlt", bzw man spricht niemanden an, der wirklich bezahlen wollte und dann auch hat.

so unauffällig und freundlich(!) wie möglich angesprochen. Beispiel: Wir haben da ein Problem mit der Kasse, könnten wir das eben klären?
Gleichzeitig zeige ich ihm, wer ich bin (Dienst-Ausweis).
ins Büro
erklärt, was ich gesehen habe inkl. dem Wunsch, das Diebesgut wieder auszupacken. Evtl. sofern vorhanden, Video des Hergangs zeigen.
Bei Weigerung bitten um Durchsuchung, da ich kein Recht darauf habe. Eine Durchschau (bei freiwilliger Mitarbeit), also das Öffnen mitgeführter Taschen, ja, aber keine vollständige Untersuchung.
Wird diese verweigert (sein Recht), dann Polizei. Dafür wird die bezahlt und die darf das.
Im Zweifel vorläufige Festnahme bis die Polizei da ist. Unter der Voraussetzung, die verdächtige Person will nicht freiwillig bleiben.

Hat nicht immer geklappt, diverse Eskalationen (an jedem Punkt möglich) sind hier nicht berücksichtigt.
Ergebnis:
In 4 Jahren habe ich mich exakt 3-mal geirrt, nicht eine einzige Anzeige, und hunderte Prügeleien vermieden.

Als Eigentümer einer Sache (oder Besitzer bzw Vertreter des Eigentümers) darfst du dir deine Sache wiederholen, wenn nötig mit Gewalt. Ein Notwehrrecht des Täters ist nicht gegeben, bzw habe ich noch nie erlebt, dass ein Richter der Argumentation folgte. Nichtmal bei Personen, die ungerechtfertigt verdächtigt wurden (im Kollegenkreis mehrfach passiert).

freakyboy
25-10-2015, 13:55
Du darfst jemanden nicht durchsuchen, aber festnehmen?

Alex R.
25-10-2015, 13:57
meine meinung zu manfred götzl sollte ich hier besser nicht schreiben sonst krieg ich die nächste verwarnung.

kann man gegen so nen typ nicht was machen?

Zumindest nicht hier.

Gast
25-10-2015, 14:03
meine meinung zu manfred götzl sollte ich hier besser nicht schreiben sonst krieg ich die nächste verwarnung.

kann man gegen so nen typ nicht was machen?

Man bräuchte für solche Fälle Sachverständige, die eine derartige Situation realistischer einschätzen können, als Elfenbeinturmbewohner.

Alex R.
25-10-2015, 14:04
Du darfst jemanden nicht durchsuchen, aber festnehmen?

Korrekt.
https://www.wbs-law.de/rechtsfall-des-tages/taschenkontrolle-durch-ladendetektiv-25364/
Zitat:

Das Durchsuchen einer Handtasche oder eines Rucksackes stellt einen erheblichen Eingriff in die Privatheit einer Person dar. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches hierbei betroffen ist, genießt besonders hohen verfassungsrechtlichen Schutz. Daher darf grundsätzlich nur die Polizei Durchsuchungen von Sachen vornehmen und dies auch nicht ohne Weiteres. Zum Einen muss die Durchsuchung der Auffindung von Beweismittel dienen, die zur Aufklärung einer Straftat benötigt werden. Hierunter fallen natürlich, die im Rahmen eines Diebstahls eingesteckten Waren. Allerdings ist ein konkreter Tatverdacht erforderlich, d.h. es müssen Anhaltspunkte vorliegen, die auf das Vorliegen eines Diebstahls hindeuten, z.B. Zeuge hat das Einstecken von Ware beobachtet. Zudem benötigen die Polizisten einen richterlichen Beschluss, ehe sie die Tasche oder die Kleidung des Tatverdächtigen durchschauen dürfen. Ausnahmsweise, nämlich bei Gefahr im Verzug, können die Polizisten aber auch eigenmächtig kontrollieren. Das ist dann der Fall, wenn die Gefahr besteht, dass das Diebesgut vernichtet oder versteckt wird.

Und schon muss ich mich selbst verbessern:

Sehr wohl darf der Kaufhausdetektiv – sowie jede andere Person auch – einen Tatverdächtigen festhalten bis die Polizei eintrifft. Auch dann muss er den Kunden aber auf „frischer Tat“ erwischt haben. Besteht kein solcher Tatverdacht, z.B. weil der Kunde für sich ausschließen kann, dass er definitiv nichts eingesteckt hat, dann braucht er sich die genannten Maßnahmen nicht gefallen zu lassen und darf sich sogar zur Wehr setzen.
Dann mussten meine damaligen Kollegen ja echt froh sein, dass die Richter den Eingebungen der Angeklagten nicht gefolgt sind.
Mir persönlich ist so etwas (Gott sei Dank) nie passiert, meine Irrtümer haben sich friedlich geregelt (Person zeigte mir, wo sie die Ware hingelegt hatte).

Gast
25-10-2015, 18:17
Im Buch "Empirische Sozialforschung" von Michael Häder (3te Auflage, 2015) wird Forschungsmethodik anhand des Dresdner Notwehr-Projekts vorgestellt, da ist eine recht spannende Auflistung von Urteilen und Fällen dabei.

Siehe auch:

https://books.google.de/books?id=V2czBgAAQBAJ&pg=PA79&lpg=PA79&dq=dresdner+notwehr+projekt&source=bl&ots=DhwQ7--xo5&sig=YAxWYZtvWQpq6BuWbeAe1jUasDo&hl=de&sa=X&ved=0CCQQ6AEwAWoVChMIsbOyvJveyAIVARIsCh26ZAZK#v=on epage&q=Kurzfassungen&f=false (Seite 35 anklicken)

https://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophische_fakultaet/is/methoden/prof/forschung/projekteold/notwehr

https://idw-online.de/de/news52547

Thuriel
26-10-2015, 08:32
Ich weiß wirklich nicht warum das Notwehrrecht so vielen Menschen Probleme bereitet. Das hatten wir in der Vorlesung ratzfatz durch.


Drei Juristen, vier Meinungen (ich bin auch einer...).

Und da liegt m.E. doch offensichtlich ein Teil des Problems. Wozu die ganze Paragraphenreiterei und das anschließende Subsumieren, wenn das, was am Ende für den, der Notwehr ausgeübt hat als Ergebnis herauskommt, doch viel zu sehr davon abhängt, wer da auf dem Richterstuhl sitzt.
Bei Lehrern wissen wir, dass Noten de facto subjektiv sind. Bei Richtern und Urteilen in Sachen Notwehr läuft es doch am Ende schon beinahe auf dasselbe hinaus.


meine meinung zu manfred götzl sollte ich hier besser nicht schreiben sonst krieg ich die nächste verwarnung. kann man gegen so nen typ nicht was machen?

+1
Wie so oft in unserer Gesellschaft gilt auch hier: Wer "kontrolliert" eigentlich die "Kontrolleure" - in diesem Fall einen Herrn Götz. Und nicht nur das; welche Konsequenzen hat ein hochrangiger Staatsbediensteter, wie Herr Götz für ein deratiges Gebaren zu erwarten, wenn er denn tatsächlich "kontrolliert" wird und dabei etwas "herauskommt"?

Ich kenne ein paar Fälle aus meinem Umfeld, die ähnlich, wenn auch nicht ganz so extrem ausgegangen sind. Für mich fängt die Widersinnigkeit bereits damit an, dass der Angegriffene meist derjenige ist, der als erster und oft einziger die Anzeige bekommt.

Ich jedenfalls bin dadurch völlig verunsichert und habe im Falle einer drohenden Gewalttat mehr Angst vor dem juristischen Ärger hinterher als vor körperlichen Konsequenzen. Ich habe es am Freitag wieder gemerkt als mich irgend ein Hirnie am hellichten Tage an einer Fußgänger-Ampel mit dem üblichen "Is' was?" angemacht hat. Einer der ersten Gedanken war absurderweise: "Was, wenn der jetzt angreift, ich ihn dann verletze und dann Ärger bekomme, nur weil ich evtl. Sieger einer körperlichen Auseinandersetzung war.
Das kann es ja wohl auch nicht sein.

Alex R.
26-10-2015, 15:02
+1
Wie so oft in unserer Gesellschaft gilt auch hier: Wer "kontrolliert" eigentlich die "Kontrolleure" - in diesem Fall einen Herrn Götz. Und nicht nur das; welche Konsequenzen hat ein hochrangiger Staatsbediensteter, wie Herr Götz für ein deratiges Gebaren zu erwarten, wenn er denn tatsächlich "kontrolliert" wird und dabei etwas "herauskommt"?

Welchen Teil von

Zumindest nicht hier. habt ihr nicht verstanden? Eine Diskussion über einzelne Richter lasse ich hier nicht zu. Das wird zu schnell politisch.

Alex R.
26-10-2015, 15:23
Und da liegt m.E. doch offensichtlich ein Teil des Problems. Wozu die ganze Paragraphenreiterei und das anschließende Subsumieren, wenn das, was am Ende für den, der Notwehr ausgeübt hat als Ergebnis herauskommt, doch viel zu sehr davon abhängt, wer da auf dem Richterstuhl sitzt.
Bei Lehrern wissen wir, dass Noten de facto subjektiv sind. Bei Richtern und Urteilen in Sachen Notwehr läuft es doch am Ende schon beinahe auf dasselbe hinaus. Was soll ein Richter auch sonst machen? Er war nicht dabei. Er kann sich nur auf die Fakten stützen, die ihm vorliegen. Selbst die herbeigerufene Polizei kann nur zu Protokoll nehmen, was ihr erzählt wurde bzw was sie beim Eintreffen vorfindet. Und die allermeisten Richter sind auch nicht so dumm. Die kennen ihre Pappenheimer aka Anwälte. Und das der Verteidigeranwalt erstmal auf Notwehr plädieren wird, sollte wohl jedem denkenden Menschen klar sein.

Die persönliche Note eines Richters spielt zwar auch eine Rolle (beim Strafmaß), aber auch er muss sich an die Beweise halten. Und wenn die vorgelegten Beweise nun mal gegen den Verteidiger sprechen, hat dieser leider gelitten. Das ist nicht fair und schon gar nicht gerecht, aber leider Normalität. Weiterhin gibt es in den meisten Fällen eine Revisionsmöglichkeit bei der nächsthöheren Instanz.



Ich jedenfalls bin dadurch völlig verunsichert und habe im Falle einer drohenden Gewalttat mehr Angst vor dem juristischen Ärger hinterher als vor körperlichen Konsequenzen. Ich habe es am Freitag wieder gemerkt als mich irgend ein Hirnie am hellichten Tage an einer Fußgänger-Ampel mit dem üblichen "Is' was?" angemacht hat. Einer der ersten Gedanken war absurderweise: "Was, wenn der jetzt angreift, ich ihn dann verletze und dann Ärger bekomme, nur weil ich evtl. Sieger einer körperlichen Auseinandersetzung war.
Das kann es ja wohl auch nicht sein.
Man kann einiges tun, um sich selbst ein wenig(!) aus der Schusslinie zu nehmen. Z.B. kann man hinterher die Sani's und Polizei rufen. Das ist ein deutliches Zeichen für einen Richter, das der Sieger eigentlich keinen Stress wollte. Stressmacher rufen im Allgemeinen nicht die Sani's oder Polizisten. Denn wer begeht schon eine Straftat und meldet diese auch noch selbst? Ja, ich kenne auch so einen Vogel, dummerweise lief der mit der Nummer voll in unsere Videoüberwachung. :D

Auch wenn es oft verlacht wird:
Lautes Aufmerksam machen hilft. Speziell vor dem Richter, wenn es übereinstimmende Zeugenaussagen gibt die deutlich machen, dass du derjenige warst, der sich nur gewehrt hat und eigentlich gar nichts tun wollte.

Ein simpler "Hit and Run". Schlag in die Fresse und dann Fersengeld und das möglichst weit weg. Funktioniert natürlich nur, wenn dich dort niemand kennt und ist strenggenommen auch verboten (unterlassene Hilfeleistung).

Und ja sowas kann man auch missbrauchen. Wie so ziemlich alles andere im Leben auch.

Eistee
27-10-2015, 00:01
Ein simpler "Hit and Run". Schlag in die Fresse und dann Fersengeld und das möglichst weit weg. Funktioniert natürlich nur, wenn dich dort niemand kennt und ist strenggenommen auch verboten (unterlassene Hilfeleistung).
Weiß jetzt nicht, ob ich Deinen Sachverhalt richtig verstanden habe, aber wenn Du vor einem Angreifer gerade so nach Faustschlag entkommen bist, mußt Du dem nicht Hilfe leisten (http://dejure.org/gesetze/StGB/323c.html). Die Hilfeleistung muß Dir möglich und zumutbar sein.

DEKAR
27-10-2015, 02:06
ich glaub er meinte nach einem knock out

Gast
27-10-2015, 04:49
ich glaub er meinte nach einem knock out

kommt auf die Situation an.
Der Ausgeknockte könnte ja Kumpels haben.
Erinnere Dich an den Fall des Studenten der einen von fünf Angreifern niederstach.
Da würde ich jetzt nicht drauf bauen, dass die anderen vier friedlich warten, bis Polizei und Krankenwagen eintreffen.

Alex R.
27-10-2015, 07:25
Weiß jetzt nicht, ob ich Deinen Sachverhalt richtig verstanden habe, aber wenn Du vor einem Angreifer gerade so nach Faustschlag entkommen bist, mußt Du dem nicht Hilfe leisten (http://dejure.org/gesetze/StGB/323c.html). Die Hilfeleistung muß Dir möglich und zumutbar sein.

Deswegen schrieb ich ja auch "strengenommen". Solltest du wider Erwarten doch erwischt werden, wird das sicherlich auf dich zukommen. Dann bekommst du zwar die Notwehr durch, aber kriegst trotzdem einen ab wg. "unterlassener Hilfeleistung". Ausser du kannst nachweisen, dass bei deinem Abgang noch alles in Ordnung schien.
Für eine Strafbarkeit gemäß § 323c StGB wird bedingter Vorsatz vorausgesetzt. Der Täter muss mit Wissen und Wollen keine Hilfe geleistet haben, obwohl er sowohl die Gefahrenlage als auch, dass er zur Hilfe fähig ist, erkannt und die Folgen billigend in Kauf genommen hat.Hervorhebung von mir.Quelle: Unterlassene Hilfeleistung & Unfallflucht: Erste Hilfe kann Leben retten! | Strafrecht (http://www.anwalt.de/rechtstipps/unterlassene-hilfeleistung-unfallflucht-erste-hilfe-kann-leben-retten_002392.html)

Theoretisch ist also jeder Führerschein-Besitzer für unterlassene Hilfeleistung" dranzukriegen. Denn jeder FS-Besitzer hat den EH-Kurs gemacht und damit zumindest rudimentäre Kenntnisse dieser. Und ein Handy/Smartphone haben heute eh alle, also wird das mit dem möglich schon schwierig. Unterlassene Hilfeleistung gilt ja schon, wenn du nicht den Notruf wählst.

Und ja, ich meinte nach einem Knock-Out.

hand-werker
27-10-2015, 08:02
es würde aber meines wissens nach z. b. schon reichen, wenn man erfolgreich flüchtet und dann aus sicherer entfernung anonym einen notarzt zum niedergeschlagenen angreifer schickt. hierfür sollte man dann allerdings nicht das eigene handy nutzen, sondern lieber eine telefonzelle.

Thuriel
27-10-2015, 08:40
Welchen Teil von
habt ihr nicht verstanden? Eine Diskussion über einzelne Richter lasse ich hier nicht zu. Das wird zu schnell politisch.

Hmmm, okay… dann sieh einen Herrn Götz eben als Fallbeispiel, das sich auch auf andere übertragen lässt. Wenn man hier mitdiskutiert und eine Meinung zu einem bestimmten Thema kundtut, dann hat man dafür schließlich Gründe. In diesem Zusammenhang wird man dann auch relativ schnell um Quellenangaben und Beispiele gebeten. Der Artikel über Herrn Götz ist zumindest Letzteres.
Diese Diskussion lässt sich m.E. schwierig führen, ohne dass man sich auf irgendetwas bezieht, das tatsächlich stattgefunden hat.

Eine Frage hätte ich aber:
Wenn du Diskussionen über einzelne Richter nicht zulässt, weshalb hast Du dann diesen Thread nicht gleich dem Erstellen dicht gemacht? Immerhin beziehen sich Header und Dein Eingangspost auf einen einzelnen Richter und der verlinkte Artikel spiegelt die Auffassung eines einzelnen Richters wider.



Er zeigt recht genau, wie ein Richter den Begriff "Notwehr" sieht und versteht.


So ist es. Und der Artikel über Herrn Götz zeigt m.E. auf, wie ein anderer Richter mit dem Begriff „Notwehr“ umgeht.


Was soll ein Richter auch sonst machen? Er war nicht dabei. Er kann sich nur auf die Fakten stützen, die ihm vorliegen.


Der Richter hat im Falle des 30-jährigen Studenten, der sich gegen 5 Angreifer gewehrt hat, die klare Notwehrsituation anerkannt! Er hat das Verhalten des Verteidigers jedoch als unverhältnismäßig eingestuft und dessen Berufung auf §33 StGB nicht anerkannt. Auf Basis welcher Fakten soll das bitteschön geschehen sein? Welcher Zeuge kann auf welche Weise glaubhaft belegen, dass der Verteidiger nicht so panisch und verwirrt war, dass das Messer zur Verteidigung praktisch alternativlos oder zumindest berechtigt war? Die Fakten sind, zumindest laut Artikel, dass einer der Angreifer zuvor bereits einen Freund des Verteidigers niedergeschlagen hatte. Man versetze sich doch bitte mal in die Lage des Verteidigers, der sich nun alleine nicht nur demselben Typen gegenüber sieht, dessen Gewaltpotenzial er zuvor bereits feststellen musste, sondern zusätzlich 4 seiner Kumpels.
Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass der Verteidiger ohne Bewährungsstrafe in den Knast geschickt wurde, dann muss man sich fragen, wie realitätsfremd so mancher Richter ist.

Richter sind auch nur Menschen mit all ihren allzu menschlichen Eigenschaften und deren Facetten - und damit fehlbar. Davor bewahrt sie weder ein Prädikatsexamen in Jura noch jahrzehntelange Berufserfahrung, noch jegliches Bestreben, ihre persönlichen Moralvorstellungen außerhalb des Rahmens ihres Jobs zu lassen. Und diese Fehlbarkeit findet nun mal auch statt. Zumindest das hat selbst der Gesetzgeber begriffen, denn sonst wäre die Möglichkeit der Revision ja schließlich vollkommen überflüssig.



Und die allermeisten Richter sind auch nicht so dumm. Diefgh kennen ihre Pappenheimer aka Anwälte. Und das der Verteidigeranwalt erstmal auf Notwehr plädieren wird, sollte wohl jedem denkenden Menschen klar sein.


Erstens beneide ich Dich darum, dass Du weißt, was in den Köpfen der allermeisten Richter vorgeht und zweitens sollten ihre „Pappenheimer“ dabei keine Rolle spielen. Du hast selbst gesagt, dass sich der Richter gefälligst an die Fakten und vorgelegten Beweise zu halten hat. Nur weil von Vornherein klar ist, dass der Anwalt auf Notwehr plädiert, weil er das auch sonst immer macht, heißt das lange nicht, dass das nicht im jeweiligen Fall auch mal völlig berechtigt ist.



Weiterhin gibt es in den meisten Fällen eine Revisionsmöglichkeit bei der nächsthöheren Instanz.


Schade für den im Artikel genannten Studenten, der zum Zeitpunkt der Revision bereits 1,5 Jahre im Knast saß.



Man kann einiges tun, um sich selbst ein wenig(!) aus der Schusslinie zu nehmen. Z.B. kann man hinterher die Sani's und Polizei rufen. Das ist ein deutliches Zeichen für einen Richter, das der Sieger eigentlich keinen Stress wollte. Stressmacher rufen im Allgemeinen nicht die Sani's oder Polizisten. Denn wer begeht schon eine Straftat und meldet diese auch noch selbst? Ja, ich kenne auch so einen Vogel, dummerweise lief der mit der Nummer voll in unsere Videoüberwachung. :D


Einen Bekannten von mir hat eben das Rufen der Polizei erst in Schwierigkeiten gebracht und ihm eine Anzeige eingebrockt. Was hindert Dich auch daran, die Polizei nur aus Kalkül zu rufen, um später einen positiveren Eindruck bei Polizei, Staatsanwalt oder Richter zu hinterlassen?
Insgesamt gebe ich Dier hier dennoch recht. Im Zweifelsfall würde ich die Polizei rufen.

Meine Meinung ist, dass man sich intensiv und auch wissenschaftlich fundiert über all das unterhalten und diskutieren kann, was mit dem Thema Notwehr zu tun hat. Das ist auch gut so. Ich bin aber auch der Meinung, dass einem sämtliche Analysen und Gedankenspiele vor Gericht nur sehr bedingt weiterhelfen.
Ich gehe bei mir davon aus, dass ich mich im SV-Fall wahrscheinlich nicht unbedingt so "einwandfrei" verhalten würde, dass man mir vor Gericht nichts kann.

Mr.Fister
27-10-2015, 09:40
Der Richter hat im Falle des 30-jährigen Studenten, der sich gegen 5 Angreifer gewehrt hat, die klare Notwehrsituation anerkannt! Er hat das Verhalten des Verteidigers jedoch als unverhältnismäßig eingestuft und dessen Berufung auf §33 StGB nicht anerkannt. Auf Basis welcher Fakten soll das bitteschön geschehen sein? Welcher Zeuge kann auf welche Weise glaubhaft belegen, dass der Verteidiger nicht so panisch und verwirrt war, dass das Messer zur Verteidigung praktisch alternativlos oder zumindest berechtigt war? Die Fakten sind, zumindest laut Artikel, dass einer der Angreifer zuvor bereits einen Freund des Verteidigers niedergeschlagen hatte. Man versetze sich doch bitte mal in die Lage des Verteidigers, der sich nun alleine nicht nur demselben Typen gegenüber sieht, dessen Gewaltpotenzial er zuvor bereits feststellen musste, sondern zusätzlich 4 seiner Kumpels.
Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass der Verteidiger ohne Bewährungsstrafe in den Knast geschickt wurde, dann muss man sich fragen, wie realitätsfremd so mancher Richter ist.

oder man fragt sich, ob es vielleicht doch ganz anders abgelaufen sein könnte weil sich etliche fakten, die damals in der gerichtsakte auftauchten, leider nie in artikeln ausserhalb der juristischen fachpresse erwähnt wurden...

folgendes hab ich anno 2011 mal dazu in einem anderen board verfasst:


weisst du, einer der gründe, warum mir die diskussion um diesen fall zeitweise so auf den wecker geht, ist, dass jeder sein kopfkino anwirft und sich seine eigene fassung zurechtspinnt.
eines der beliebtesten motive dabei, ist das von der mehrköpfigen gang gegen ein armes opfer.

eine der interssaneren hintergrundinformationen dazu, die später in der juristischen fachpresse aufgetaucht sind, war z.b., dass das opfer vor der tat noch eine andere auseinandersetzung hatte, wo es einen anderen mit einem kopfstoss angriff und danach verfolgen wollte. er wurde da so gut es ging von seinen freunden zurückgehalten. ja, mag ein schock für den ein oder anderen sein, aber die gefährliche jugendgang hat sich nicht eingemischt und den typen totgetreten, sie haben stattdessen versucht, ihren stressenden kumpel zurückzuhalten... mist, wieder ein weltbild im eimer. 8)

auch später haben sie sich nicht eingemischt - bedingt durch das, was da ablief und das war auch wiederum nicht ganz so, wie sich der ein oder andere das hier vorgestellt hat: kein "massaker" an einem unvorbereiteten informatiker, sondern eher ein klassischer "straightener" - beide kontrahenten standen sich in einer art boxerstellung gegenüber, fäuste oben. den ersten schlag hatte das opfer. selbigem ist der täter ohne grosse mühe durch abducken ausgewichen und hat dem anderen dann in der aufwärtsbewegung eine mit dem messer in den hals verpasst - von dem der andere nicht wusste, das es da war. der dachte, er wäre in ner "normalen" boxerei... ach ja, die gefährlichen freunde standen brav drum rum, eingegriffen hat da keiner... bis ihr freund blutend am boden lag, da haben sie sich um ihn gekümmert...

so, das waren nur ein paar hintergrundinformationen mehr, die das ganze schon in nem etwas anderen licht erscheinen lassen, als der ein oder andere sich das bisher vorgestellt hat... und die das urteil und die zugrundeliegenden feststellungen wiederum doch um einiges nachvollziehbarer erscheinen lassen.

und das ist garantiert nichtmal ein bruchteil der mehrinformationen, die dem gericht zur verfügung standen.

Thuriel
27-10-2015, 11:08
oder man fragt sich, ob es vielleicht doch ganz anders abgelaufen sein könnte weil sich etliche fakten, die damals in der gerichtsakte auftauchten, leider nie in artikeln ausserhalb der juristischen fachpresse erwähnt wurden...


Da gebe ich Dir recht. Wir wissen mit Sicherheit zu wenig und was in dem Artikel steht, muss nicht zwangsläufig richtig und vollständig sein.

Dennoch stellt sich Frage danach, "ob es vielleicht doch ganz anders abgelaufen sein könnte" in diesem konkreten Fall nur bedingt, da der Richter ja offenbar die Notwehrsituation als solche anerkannt hat.
Das hätte er m.E. nicht getan, wenn der Sachverhalt aus seiner Sicht komplett anders gewesen wäre.

Mir geht es hierbei erstens um die Frage, inwieweit es einem Menschen, der klar in Notwehr handelt, zugemutet werden kann, dabei besonnen und verhältnismäßig bleiben zu müssen und wie und ob er in der Pflicht ist, das auch noch vor Gericht nachzuweisen (Thema Unschuldsvermutung).
Und im geschilderten Fall stellt sich dazu noch die Frage, ob die Verhältnismäßigkeit überhaupt überschritten wurde.

Es läuten bei mir ganz einfach alle Alarmglocken, wenn jemand der anerkannterweise in Notwehr gehandelt hat, für fast 4 Jahre ins Gefängnis gehen muss.

Klaus
27-10-2015, 11:36
Nun ja, also da kann ich Götzl folgen warum er das nicht anerkannt hat. Das klingt eher nach trainierter Handlung, also Vorsatz. Und ein Kneckknife hat man auch nicht zufällig mit.

Mr.Fister
27-10-2015, 12:19
Dennoch stellt sich Frage danach, "ob es vielleicht doch ganz anders abgelaufen sein könnte" in diesem konkreten Fall nur bedingt, da der Richter ja offenbar die Notwehrsituation als solche anerkannt hat.
Das hätte er m.E. nicht getan, wenn der Sachverhalt aus seiner Sicht komplett anders gewesen wäre.
vergleichen wir mal:

sachverhalt eins - so in etwa läuft bei vielen das kopfkino zu diesem fall ab: ein unbescholtener informatiker muss abends mit ansehen, wie sein armer bruder einfach so von einer ausländergang überfallen, niedergeschlagen wird und totgetreten werden soll, er eilt ihm zur hilfe, wird nun von der jugendgang selbst angegangen und aus angst, selbst totgetreten zu werden, kriegt er irgendwie sein messer raus, fuchtelt damit in panischer angst rum und erwischt den hauptangreifer, worauf der rest von ihm ablässt und er flüchten kann.

sachverhalt zwei - so deutlich näher an den gerichtlichen feststellungen: zwei angesoffene männergruppen treffen sich, kleinere gruppe hat 3 leute, größere hat 5. einer aus der größeren gruppe sucht stress, wurde vorher schon von seinen freunden von einem anderen typen weggezerrt. jetzt lässt sich einer aus der kleineren gruppe auf stress ein, kriegt vom stressmacher eine ab. nun kommt der bruder des niedergeschlagenen hinzu und will rache. kommt dem stressmacher recht, der will weiter kloppen. man steht sich in boxerhaltung gegenüber, die kumpels jeweils als zuschauer drum rum. der informatiker-bruder ist 10 cm größer und 20 kg schwerer als der stressmacher, hat aber zusätzlich noch ein messer versteckt, was er dem unbewaffneten stressmacher, nachdem er dessen ungelenk-besoffenen schlag ohne mühe ausgewichen ist, ohne vorankündigung gezielt in den hals rammt.

frage eins: echt kein hinreichender unterschied zwischen diesen sachverhalten?

frage zwei: muss man bei sachverhalt zwei jurist sein, um zu verstehen, warum es für sowas knast gibt?

Thuriel
27-10-2015, 12:24
Nun ja, also da kann ich Götzl folgen warum er das nicht anerkannt hat. Das klingt eher nach trainierter Handlung, also Vorsatz.

Ich bitte um eine Begründung. Was genau klingt hierbei nach trainierter Handlung und Vorsatz?



Und ein Kneckknife hat man auch nicht zufällig mit.

Ich lese da nichts von Neckknife. Aber ich sag‘ Dir was: Ich trage auch meistens ein Messer bei mir. Ein kleines Taschenmesser vom Discounter. Klingenlänge ca. 4 cm. Klein, aber sehr spitz und scharf. Ausgeklappt größer als ein Neckknife und durchaus geeignet, um jemandem damit sehr ernsthafte Verletzungen zuzufügen.
Und ich trage es in der Tat nicht zufällig bei mir. Es leistet des Öfteren als Werkzeug gute Dienste und ich gebe offen zu, dass es mir ein zumindest im Ansatz beruhigendes Gefühl gibt, es auch potenziell als Waffe einsetzen zu können, sollte dies tatsächlich einmal „notwendig“ (womit wir wieder beim Thema wären) sein, was bis jetzt zum Glück nie der Fall war.

Deiner Argumentation folgend habe ich im SV-Fall gegen mehrere Gegner damit aber schon mal von Vornherein deswegen ein Problem, weil ich es ja nicht zufällig dabei habe.

Thuriel
27-10-2015, 12:33
sachverhalt zwei - so deutlich näher an den gerichtlichen feststellungen: zwei angesoffene männergruppen treffen sich, kleinere gruppe hat 3 leute, größere hat 5. einer aus der größeren gruppe sucht stress, wurde vorher schon von seinen freunden von einem anderen typen weggezerrt. jetzt lässt sich einer aus der kleineren gruppe auf stress ein, kriegt vom stressmacher eine ab. nun kommt der bruder des niedergeschlagenen hinzu und will rache. kommt dem stressmacher recht, der will weiter kloppen. man steht sich in boxerhaltung gegenüber, die kumpels jeweils als zuschauer drum rum. der informatiker-bruder ist 10 cm größer und 20 kg schwerer als der stressmacher, hat aber zusätzlich noch ein messer versteckt, was er dem unbewaffneten stressmacher, nachdem er dessen ungelenk-besoffenen schlag ohne mühe ausgewichen ist, ohne vorankündigung gezielt in den hals rammt.

frage eins: echt kein hinreichender unterschied zwischen diesen sachverhalten?


Doch da ist einer. Nämlich der, dass der Informatiker-Bruder sich im zweiten Fall ganz eindeutig nicht in einer Notwehrsituation befindet. Genau diese hat aber selbst der Richter anerkannt. Also steht ein solches Fallbeispiel m.E. hier überhaupt nicht zur Debatte.

Und ob jemand der 1,8 Promille im Blut in der Lage ist, bewusst auf den Hals zu zielen und dann auch noch trifft, sei einmal dahin gestellt. Aber vielleicht ist der Student ja auch noch kurz davor endgültig in dritten Anlauf durch seine Vertieferklausur zu fallen und deswegen seit geraumer Zeit Alkoholiker? Was sind da schon 1,8 Promille? Wir wissen es nicht.

concrete jungle
27-10-2015, 12:39
Messer dabei und zustechen-bei der Draufsicht man bei der Polizei und vor Gericht schonmal schlechte Karten...! Schlechter Ruf und die Leute vom Fach haben da schon viel üble Vorgänge mitbekommen.

Sich auf eine Klopperei einlassen und bei Verlieren was zücken soll auch mal vorkommen!

Trotzdem gibt es Fälle, wo Gerichte anders geurteilt haben.

http://www.taz.de/!5015929/

http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/so-leidet-olaf-p-nach-der-messer-notwehr

Aussageverhalten, guter Fachanwalt - da gibt es viele Faktoren!

Anscheinend will man aber generalpräventiv eine Selbstwehr mit Messer nicht fördern.

Gibt ja auch Leute, die gern zum Messer greifen:

http://www.hna.de/kassel/fuenf-jahre-mordversuch-messerstecher-algerien-bleibt-haft-5672791.html

Gast
27-10-2015, 12:40
sachverhalt zwei - so deutlich näher an den gerichtlichen feststellungen:


scheint mir nicht so.
Du stellst das hier als einvernehmliche Prügelei bzw. Rachaktion von dem Informatiker dar.
Wieso sollte dann ein Richter dem Informatiker Notwerhr zugestehen, und auch noch dabei in die Extremitäten zu stechen?
Und woher stammt die Bewertung "mühelos" bzgl. des ausweichens?

Klingt nicht sehr glaubwürdig.

Ineluki
27-10-2015, 12:59
Was soll ein Richter auch sonst machen?

Er könnte doch, wie der 08/15 Forumsjurist einfach davon ausgehen "der der bei uns schreibt hat recht".

Klaus
27-10-2015, 15:51
Ich bitte um eine Begründung. Was genau klingt hierbei nach trainierter Handlung und Vorsatz?


In Boxerstellung mit nem verdeckten Neckknife im Reverse-Griff stehen, nen Schlag auspendeln und mit nem direkten Konter zum Hals schneiden bekommt der übliche Informatiker selten so mal eben hin. Dass er so ein Messer hatte habe ich schon damals gelesen, und das mit dem Pendeln und Kontern gerade eben hier oben. Wenn es dafür unabhängige Zeugen gibt (also nicht die paar Freunde), sieht es schlecht für den Täter aus.

Offenbar war das die Aktenlage aufgrund deren Götzl hier geurteilt hat, wobei der BGH ihn ja bei der Begründung und Strafbemessung zurückgepfiffen hat. Ich kann so Götzls Idee zumindest nachvollziehen.

Eistee
27-10-2015, 21:50
sachverhalt zwei - so deutlich näher an den gerichtlichen feststellungen: zwei angesoffene männergruppen treffen sich, kleinere gruppe hat 3 leute, größere hat 5. einer aus der größeren gruppe sucht stress, wurde vorher schon von seinen freunden von einem anderen typen weggezerrt. jetzt lässt sich einer aus der kleineren gruppe auf stress ein, kriegt vom stressmacher eine ab. nun kommt der bruder des niedergeschlagenen hinzu und will rache. kommt dem stressmacher recht, der will weiter kloppen. man steht sich in boxerhaltung gegenüber, die kumpels jeweils als zuschauer drum rum. der informatiker-bruder ist 10 cm größer und 20 kg schwerer als der stressmacher, hat aber zusätzlich noch ein messer versteckt, was er dem unbewaffneten stressmacher, nachdem er dessen ungelenk-besoffenen schlag ohne mühe ausgewichen ist, ohne vorankündigung gezielt in den hals rammt.
Hier sind erstmal alle wegen Beteiligung an einer Schlägerei (http://dejure.org/gesetze/StGB/231.html) dran. ;)

DEKAR
28-10-2015, 05:00
es oist doch völlig egal ob er es geplant hat oder es im unendlich freude gemacht hat. fakt ist es war notwehr.

natürlich sticht man in den hald und nicht in den arm

wenn mich jemand derart heftig angreift und ich hab ne nagelpfeile dabei stech ich in auge oder hals. anders kriegt man den angreifer nicht gestoppt.

jemanden in den arm stechen ist in der situation absolut geisteskrank.

er dürfte ihn sogar mit ner pistole ausschalten wenn er sein leben oder seine gesundheit bedroht sieht.

ein richter der das anders sieht hat seinen beruf verfehlt.

Gast
28-10-2015, 05:42
es oist doch völlig egal ob er es geplant hat oder es im unendlich freude gemacht hat. fakt ist es war notwehr.


Bemerkenswert ist aus meiner Sicht, dass dem Studenten der Richter in der Erstinstanz (falls die Medien nicht lügen) strafverschärfend ankreidete, dass er meinte, das "Opfer" gehöre eigentlich auf die Anklagebank.
Dabei hat er (der Richter) ja selbst die Notwehrsituation anerkannt, also bestätigt, dass von dem "Opfer" ein rechtswidriger Angriff auf den Täter ausging.
Wenigstens diese Absurdität hat der BGH (hat jemand einen Link zum Urteil?) wohl gekippt.

Offenbar wird in deutschen Gerichtssälen oft der reuige Sünder erwartet, was geübten Heuchlern (entsprechend beraten von ihren Anwälten) natürlich zum Vorteil gereicht.
Wenn sich dann jemand aber uneinsichtig ("renitent") zeigt, eventuell sogar zu Recht (werden ja auch Unschuldige verurteilt), dann wird er dafür bestraft.

Thuriel
28-10-2015, 07:52
In Boxerstellung mit nem verdeckten Neckknife im Reverse-Griff stehen, nen Schlag auspendeln und mit nem direkten Konter zum Hals schneiden bekommt der übliche Informatiker selten so mal eben hin. Dass er so ein Messer hatte habe ich schon damals gelesen, und das mit dem Pendeln und Kontern gerade eben hier oben. Wenn es dafür unabhängige Zeugen gibt (also nicht die paar Freunde), sieht es schlecht für den Täter aus.


Wo Du das mit dem Pendeln und Kontern her hast, habe ich nicht wirklich verstanden. Allerdings habe ich bei Spiegel Online gelesen, dass der Student Neckknives anscheinend hobbymäßig gesammelt hat.
Aber angenommen, er war im Umgang mit dem Messer tatsächlich nicht komplett unbeholfen, vielleicht sogar trainiert, wie Du schreibst, stehen aus meiner Sicht nach wie vor zwei offene Fragen im Raum:

1.) War der Angriff zum Hals in dieser Situation unverhältnismäßig?
2.) Wenn 1 tatsächlich mit „Ja“ beantwortet wird, kann dann von jemandem mit 1,8 Promille und wahrscheinlich noch mehr Adrenalin im Blut, der von 5 Leuten bedroht wird verlangt werden, einen so klaren Kopf zu behalten, dass er diese Unverhältnismäßigkeit in der Situation als solche wahrnimmt?

Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang auch die Aussage des Richters:“Dass sich jemand vom Täter zum Opfer macht, haben wir hier noch nie erlebt!“.

Das heißt nämlich, dass er dem Studenten einerseits die Notwehrlage zugesteht, er aber andererseits gleichzeitig der Täter ist. Dass das überhaupt möglich ist, war mir bisher nicht klar.

Und hierbei möchte ich nochmals hervorheben, dass die Frage „War es Notwehr oder nicht?“, ja gar nicht relevant ist. Es war Notwehr, darüber herrschte ja auch vor Gericht Einigkeit.



Trotzdem gibt es Fälle, wo Gerichte anders geurteilt haben.

Görlitzer Park: Messerattacke auf Dealer war Notwehr - taz.de (http://www.taz.de/!5015929/)

So leidet Olaf P. nach der Messer-Notwehr – B.Z. Berlin (http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/so-leidet-olaf-p-nach-der-messer-notwehr)


Und man beachte, was gerade der Kneipenbesitzer im Vorfeld alles unternommen und auch über sich ergehen lassen hat. Leider macht mir das nur für den Fall Mut, dass der Notwehrsituation ein extrem langfristiger Konflikt vorangeht.


EDIT: Zum Thema "Täter in Notwehr", so möchte ich es mal nennen, habe ich den Post von Aruna, der es ähnlich formuliert hat, zu spät gesehen. Sorry.

Klaus
28-10-2015, 10:30
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe und das der gleiche Fall war, dann hatte der Student zum Zeitpunkt der Handlung KEINE 1.8 Promille, nicht mal annähernd. Er ist nach Ermittlungen der Polizei anhand von rechtsmedizinischen Untersuchungen sofort nach Hause gelaufen und hat sich die Hucke zugesoffen, also eine geplante Tat um vorgeben zu können betrunken gewesen zu sein.

Wie hier ja oben geschrieben wurde, sind im Prozess auch Informationen und Ermittlungsergebnisse aufgetaucht, die in der Presse nicht erwähnt wurden. Dazu gehört eben dass es kein Rush-Überfall war wo 5 Leute auf den Mann oder die Gruppe einstürmen, sondern man hat sich quasi zum Duell am OK-Corral verabredet und stand erst mal in Boxerhaltung voreinander rum und hat auf den Gong gewartet. Bei der Aktion ein Messer in der Hand verstecken und direkt durch den Hals ziehen ist ne ganz andere Nummer, als im Reflex ein Messer das man am Hals trägt zu ziehen und damit ungezielt zu fuchteln wenn im Dunklen 5 Gestalten auf einen zuspringen die gerade den Kumpel umgenietet haben. Das eine ist das Ermittlungsergebnis der Polizei, das andere die Version in der Presse.

Mr.Fister
28-10-2015, 11:10
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe und das der gleiche Fall war, dann hatte der Student zum Zeitpunkt der Handlung KEINE 1.8 Promille, nicht mal annähernd. Er ist nach Ermittlungen der Polizei anhand von rechtsmedizinischen Untersuchungen sofort nach Hause gelaufen und hat sich die Hucke zugesoffen, also eine geplante Tat um vorgeben zu können betrunken gewesen zu sein.
ich mag deine denkweise. :D

was er jedoch zuhause nachweislich getan hat, ist, messer und baseballschläger rauszuholen und zurechtzulegen, mit denen er dann die anrückende polizei empfangen hat.


Wie hier ja oben geschrieben wurde, sind im Prozess auch Informationen und Ermittlungsergebnisse aufgetaucht, die in der Presse nicht erwähnt wurden. Dazu gehört eben dass es kein Rush-Überfall war wo 5 Leute auf den Mann oder die Gruppe einstürmen, sondern man hat sich quasi zum Duell am OK-Corral verabredet und stand erst mal in Boxerhaltung voreinander rum und hat auf den Gong gewartet. Bei der Aktion ein Messer in der Hand verstecken und direkt durch den Hals ziehen ist ne ganz andere Nummer, als im Reflex ein Messer das man am Hals trägt zu ziehen und damit ungezielt zu fuchteln wenn im Dunklen 5 Gestalten auf einen zuspringen die gerade den Kumpel umgenietet haben. Das eine ist das Ermittlungsergebnis der Polizei, das andere die Version in der Presse.
genaugenommen hat er ihm das messer in den hals gestochen. das foto war damals in der tz und ist leider nicht mehr online. ein sauberer stich relativ frontal. angeblich aus der aufwärtsbewegung nach dem wegducken unter dem schlag ausgeführt. sah nicht wie das werk eines panischen besoffenen in todesangst aus, genau das hat man ihm vor gericht auch angekreidet: der zielgerichtete stich und das insgesamt zielgerichtete handeln würden gegen eine panikreaktion sprechen.

Kraken
28-10-2015, 11:27
KRASS!!!!

Jahrelang habe ich eine andere Version dieser Geschichte geglaubt und nun kommen GAAAANZ andere Ansichten zu Tage.

Wenn das stimmt, dann ist das in meinen Augen sogar versuchter Totschlag... nein, die Heimtücke des versteckten Messers macht es sogar zu einem Mordversuch.

Wie schnell so "kleine" Details eine ganz andere Sicht machen..

Thuriel
28-10-2015, 11:59
Wie hier ja oben geschrieben wurde, sind im Prozess auch Informationen und Ermittlungsergebnisse aufgetaucht, die in der Presse nicht erwähnt wurden. Dazu gehört eben dass es kein Rush-Überfall war wo 5 Leute auf den Mann oder die Gruppe einstürmen, sondern man hat sich quasi zum Duell am OK-Corral verabredet und stand erst mal in Boxerhaltung voreinander rum und hat auf den Gong gewartet. Bei der Aktion ein Messer in der Hand verstecken und direkt durch den Hals ziehen ist ne ganz andere Nummer, als im Reflex ein Messer das man am Hals trägt zu ziehen und damit ungezielt zu fuchteln wenn im Dunklen 5 Gestalten auf einen zuspringen die gerade den Kumpel umgenietet haben. Das eine ist das Ermittlungsergebnis der Polizei, das andere die Version in der Presse.

Nochmal: Das ergibt keinen Sinn, denn – und ich schreibe das jetzt zum x-ten Mal – der Richter hat festgestellt, dass der Angeklagte sich in einer Notwehrsituation befand! Wäre es das Ermittlungsergebnis der Polizei gewesen, dass man sich quasi zum Duell am OK-Corral verabredet hat und erst mal in Boxerhaltung voreinander rumstand, dann hätte er dies schlicht und einfach nicht getan!



genaugenommen hat er ihm das messer in den hals gestochen. das foto war damals in der tz und ist leider nicht mehr online. ein sauberer stich relativ frontal. angeblich aus der aufwärtsbewegung nach dem wegducken unter dem schlag ausgeführt. sah nicht wie das werk eines panischen besoffenen in todesangst aus, genau das hat man ihm vor gericht auch angekreidet: der zielgerichtete stich und das insgesamt zielgerichtete handeln würden gegen eine panikreaktion sprechen.

Aha. Mit anderen Worten: Ein in Notwehr Handelnder, der einen (vermeintlich) kontrollierten Messerstich ausführt, hat in der Regel keine Panik und/oder Todesangst und kann dementsprechend auch nicht aus dieser heraus gehandelt haben.
Vielleicht wäre seine Angst plausibler gewesen, hätte er das Neckknife seinem Angreifer 17x unkontrolliert in alle möglichen Körperregionen gerammt.

Es soll Fälle geben, in den auch das als Notwehr durchging ;) :
Maintal: Angeklagte nach gewaltsamem Tod von Vermieter-Ehepaar freigesprochen - DIE WELT (http://www.welt.de/vermischtes/article144920749/Fuer-den-Richter-sind-17-Messerstiche-Notwehr.html)

Falls ich mal in eine solche Situation gerate, steche ich also lieber gleich mehrfach komplett ausufernd zu, um vor Gericht meine Todesangst glaubhafter zu machen. Dazu muss ich natürlich spontan daran denken, all das zu vergessen, was ich über Messerkampf weiß. Das ist zwar nicht viel, aber da auch mir klar ist, dass man ein Messer im Reverse-Griff halten kann, könnte der geneigte Zuschauer ja auf die Idee kommen, dass ich evtl. keinerlei Angst empfinde.

Meine beiden Fragen stehen immer noch offen im Raum, aber ich bekomme bei Euch beiden zumindest eine grobe Vorstellung, in welche Richtung Eure Antwort geht.

Alex R.
28-10-2015, 12:08
Eine Frage hätte ich aber:
Wenn du Diskussionen über einzelne Richter nicht zulässt, weshalb hast Du dann diesen Thread nicht gleich dem Erstellen dicht gemacht? Immerhin beziehen sich Header und Dein Eingangspost auf einen einzelnen Richter und der verlinkte Artikel spiegelt die Auffassung eines einzelnen Richters wider. Mir geht es um die Meinung eines Richters, nicht um den Richter selbst.




Wenn man sich dann noch vor Augen führt, dass der Verteidiger ohne Bewährungsstrafe in den Knast geschickt wurde, dann muss man sich fragen, wie realitätsfremd so mancher Richter ist. Hervorhebung von mir Genau solche Aussagen sind der Grund, warum ich eine personenbezogene Diskussion hier nicht haben will. Du wirst schon wieder persönlich. Hast du alle Fakten zum Fall? Wie ich hier lese, offensichtlich nicht. Und trotzdem gehst du den Richter an und unterstellst ihm einfach mal irgendwas. Wie du der weitergehenden Diskussion entnehmen kannst, fehlten dem Artikel erstmal einige Fakten, die den ganzen Fall in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Über den Fall an sich können wir uns hier gerne (aber bitte in einem neuen Thread) auslassen. Aber nicht über den Richter als Person!




Richter sind auch nur Menschen mit all ihren allzu menschlichen Eigenschaften und deren Facetten - und damit fehlbar. Davor bewahrt sie weder ein Prädikatsexamen in Jura noch jahrzehntelange Berufserfahrung, noch jegliches Bestreben, ihre persönlichen Moralvorstellungen außerhalb des Rahmens ihres Jobs zu lassen. Und diese Fehlbarkeit findet nun mal auch statt. Zumindest das hat selbst der Gesetzgeber begriffen, denn sonst wäre die Möglichkeit der Revision ja schließlich vollkommen überflüssig. Genau dafür ist sie da, die Revision. Der Verurteilte ist der Meinung er sei nicht fair oder gerecht bestraft worden? Dann ab vor die nächste Instanz.




Erstens beneide ich Dich darum, dass Du weißt, was in den Köpfen der allermeisten Richter vorgeht und zweitens sollten ihre „Pappenheimer“ dabei keine Rolle spielen. Du hast selbst gesagt, dass sich der Richter gefälligst an die Fakten und vorgelegten Beweise zu halten hat. Nur weil von Vornherein klar ist, dass der Anwalt auf Notwehr plädiert, weil er das auch sonst immer macht, heißt das lange nicht, dass das nicht im jeweiligen Fall auch mal völlig berechtigt ist.
Erstens bin ich weit davon entfernt dieses zu wissen. Nur kann ich extrapolieren. Aus meiner Zeit als Türsteher kenne ich sowas (Pappenheimer) auch. Und da ich damit nicht alleine stand, warum sollte es bei einem Richter anders sein?
Zudem sagtest du doch selbst das Richter auch nur Menschen und damit fehlbar seien.
Von der Berechtigung rede ich ja auch gar nicht, sondern nur davon, dass der Richter bei einer bestimmten Sorte Anwälte eher zweimal hinschaut, weil diese Anwälte eben genau solche Tricks immer wieder anwenden.



Einen Bekannten von mir hat eben das Rufen der Polizei erst in Schwierigkeiten gebracht und ihm eine Anzeige eingebrockt. Was hindert Dich auch daran, die Polizei nur aus Kalkül zu rufen, um später einen positiveren Eindruck bei Polizei, Staatsanwalt oder Richter zu hinterlassen?
Insgesamt gebe ich Dier hier dennoch recht. Im Zweifelsfall würde ich die Polizei rufen. Ich schrieb doch drunter, dass alles missbraucht werden kann.


Meine Meinung ist, dass man sich intensiv und auch wissenschaftlich fundiert über all das unterhalten und diskutieren kann, was mit dem Thema Notwehr zu tun hat. Das ist auch gut so. Ich bin aber auch der Meinung, dass einem sämtliche Analysen und Gedankenspiele vor Gericht nur sehr bedingt weiterhelfen.
Ich gehe bei mir davon aus, dass ich mich im SV-Fall wahrscheinlich nicht unbedingt so "einwandfrei" verhalten würde, dass man mir vor Gericht nichts kann. Über das Thema an sich gerne, aber bitte nicht über die Personen.
Und ich gehe sogar fest davon aus (auch aus Erfahrung), das ich mich im SV-Fall nicht eindeutig im rechtlichen Rahmen befinde/befand. Nur hatte ich bisher Glück und es war wohl eindeutig genug.

Alex R.
28-10-2015, 12:20
1.) War der Angriff zum Hals in dieser Situation unverhältnismäßig?
2.) Wenn 1 tatsächlich mit „Ja“ beantwortet wird, kann dann von jemandem mit 1,8 Promille und wahrscheinlich noch mehr Adrenalin im Blut, der von 5 Leuten bedroht wird verlangt werden, einen so klaren Kopf zu behalten, dass er diese Unverhältnismäßigkeit in der Situation als solche wahrnimmt?
Warte, ich versuchs mal.

ad 1).
Ja, das war unverhältnismäßig. Ein (gezielter) Stich zum Hals beinhaltet automatisch die Inkaufnahme von tödlichen Verletzungen und eben auch bewusstes Handeln.

ad 2).
Ja, da eine Waffe immer das Risiko auf schwerere Verletzungen beinhaltet und sie damit automatisch engere Grenzen für den Einsatz in der Notwehr hat. Eine Waffe kann nur in sehr wenigen Fällen das mildest mögliche Mittel sein.

Gast
28-10-2015, 12:43
Aber angenommen, er war im Umgang mit dem Messer tatsächlich nicht komplett unbeholfen, vielleicht sogar trainiert, wie Du schreibst, stehen aus meiner Sicht nach wie vor zwei offene Fragen im Raum:

1.) War der Angriff zum Hals in dieser Situation unverhältnismäßig?


die bessere Frage lautet:

War der Angriff zum Hals in dieser Situation erforderlich, oder gab es ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet gewesen wäre, den rechtswidrigen Angriff sicher zu beenden?


Der Richter und der BGH meinen ja, z.B. Zeigen des Messers oder Stechen in die Extremitäten.
Der Student war der Ansicht, dass ein Zeigen des kleinen Messers die anderen provoziert hätte und seine Verteidigungsposition geschwächt (da der Angreifer sich ja dann auf ein bewaffnetes Opfer eingestellt hätte.)
Vergleiche das in dem Eingangsbeitrag behandelte Beispiel, mit dem HA, der den Schusswaffengebrauch gegen die vermeintliche feindliche Rockerbande (SEK) nicht androhen musste, da dies für ihn ein gefährlicher Nachteil gewesen wäre.

Gast
28-10-2015, 12:50
Das heißt nämlich, dass er dem Studenten einerseits die Notwehrlage zugesteht, er aber andererseits gleichzeitig der Täter ist. Dass das überhaupt möglich ist, war mir bisher nicht klar.


Er war in einer Lage (ungerechtfertigter Angriff) die eine Abwehr rechtfertigt, hat aber zu einer Handlung gegriffen, die (nach Ansicht der Gerichte) nicht durch Notwehr geboten war, sondern ihrerseits ein ungerechtfertigter Angriff.
IMO ist dennoch der ursprüngliche Angreifer der versuchten KV gegen den Studenten schuldig und der vollendeten KV gegen den Bruder des Studenten.

Die Argumentation in der Erstinstanz ist also einigermaßen merkwürdig, wurde allerdings auch von dem BGH zurückgewiesen (Wenn die Presse nicht wieder lügt).

hand-werker
28-10-2015, 13:11
...Vergleiche das in dem Eingangsbeitrag behandelte Beispiel, mit dem HA, der den Schusswaffengebrauch gegen die vermeintliche feindliche Rockerbande (SEK) nicht androhen musste, da dies für ihn ein gefährlicher Nachteil gewesen wäre.

hier könnte man wiederum argumentieren, dass der hells angel mit bewaffneten angreifern gerechnet hat, der student dagegen konnte sich recht sicher sein, dass seinem gegenüber "nur" die fäuste zur verfügung standen.

Gast
28-10-2015, 13:23
der student dagegen konnte sich recht sicher sein, dass seinem gegenüber "nur" die fäuste zur verfügung standen.

wieso?

Klaus
28-10-2015, 14:13
Meine beiden Fragen stehen immer noch offen im Raum, aber ich bekomme bei Euch beiden zumindest eine grobe Vorstellung, in welche Richtung Eure Antwort geht.

Deine Meinung steht doch sowieso fest bis in alle Ewigkeit, egal was man schreibt, und egal was andere schon aus Prozessakten dazu geschrieben haben die eben nicht in der Presse erwähnt wurden.


weisst du, einer der gründe, warum mir die diskussion um diesen fall zeitweise so auf den wecker geht, ist, dass jeder sein kopfkino anwirft und sich seine eigene fassung zurechtspinnt.
eines der beliebtesten motive dabei, ist das von der mehrköpfigen gang gegen ein armes opfer.

eine der interssaneren hintergrundinformationen dazu, die später in der juristischen fachpresse aufgetaucht sind, war z.b., dass das opfer vor der tat noch eine andere auseinandersetzung hatte, wo es einen anderen mit einem kopfstoss angriff und danach verfolgen wollte. er wurde da so gut es ging von seinen freunden zurückgehalten. ja, mag ein schock für den ein oder anderen sein, aber die gefährliche jugendgang hat sich nicht eingemischt und den typen totgetreten, sie haben stattdessen versucht, ihren stressenden kumpel zurückzuhalten... mist, wieder ein weltbild im eimer. 8)

auch später haben sie sich nicht eingemischt - bedingt durch das, was da ablief und das war auch wiederum nicht ganz so, wie sich der ein oder andere das hier vorgestellt hat: kein "massaker" an einem unvorbereiteten informatiker, sondern eher ein klassischer "straightener" - beide kontrahenten standen sich in einer art boxerstellung gegenüber, fäuste oben. den ersten schlag hatte das opfer. selbigem ist der täter ohne grosse mühe durch abducken ausgewichen und hat dem anderen dann in der aufwärtsbewegung eine mit dem messer in den hals verpasst - von dem der andere nicht wusste, das es da war. der dachte, er wäre in ner "normalen" boxerei... ach ja, die gefährlichen freunde standen brav drum rum, eingegriffen hat da keiner... bis ihr freund blutend am boden lag, da haben sie sich um ihn gekümmert...

so, das waren nur ein paar hintergrundinformationen mehr, die das ganze schon in nem etwas anderen licht erscheinen lassen, als der ein oder andere sich das bisher vorgestellt hat... und die das urteil und die zugrundeliegenden feststellungen wiederum doch um einiges nachvollziehbarer erscheinen lassen.

und das ist garantiert nichtmal ein bruchteil der mehrinformationen, die dem gericht zur verfügung standen.

Thuriel
28-10-2015, 14:14
Mir geht es um die Meinung eines Richters, nicht um den Richter selbst.
[...]
Hervorhebung von mir Genau solche Aussagen sind der Grund, warum ich eine personenbezogene Diskussion hier nicht haben will. Du wirst schon wieder persönlich. Hast du alle Fakten zum Fall? Wie ich hier lese, offensichtlich nicht. Und trotzdem gehst du den Richter an und unterstellst ihm einfach mal irgendwas. Wie du der weitergehenden Diskussion entnehmen kannst, fehlten dem Artikel erstmal einige Fakten, die den ganzen Fall in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Über den Fall an sich können wir uns hier gerne (aber bitte in einem neuen Thread) auslassen. Aber nicht über den Richter als Person!


Auch ich kann nichts anderes beurteilen als die Meinung des Richters. Letzten Endes kann es nur um diese gehen. Genau wie Du, kenne ich ihn nicht persönlich. Ich habe nicht geschrieben, dass der Mann ein schlechter Mensch ist, noch mit persönlichen Beleidigungen um mich geworfen. Ich habe geschrieben, dass ich mich frage, wie realitätsfremd so mancher Richter ist. In diesem Fall wäre wohl besser gewesen: "Das Urteil ist realitätsfremd."



Erstens bin ich weit davon entfernt dieses zu wissen. Nur kann ich extrapolieren. Aus meiner Zeit als Türsteher kenne ich sowas (Pappenheimer) auch. Und da ich damit nicht alleine stand, warum sollte es bei einem Richter anders sein?
Zudem sagtest du doch selbst das Richter auch nur Menschen und damit fehlbar seien.
Von der Berechtigung rede ich ja auch gar nicht, sondern nur davon, dass der Richter bei einer bestimmten Sorte Anwälte eher zweimal hinschaut, weil diese Anwälte eben genau solche Tricks immer wieder anwenden.


Das entkräftet allerdings mein Argument in keinster Weise. Du hast das Thema „Fakten“ in die Waagschale geworfen. Ich stimme Dir zu. Das heißt, es sind die Fakten die zählen. Nicht die Befangenheit des Richters gegenüber bestimmten Anwälten, die immer dieselben Tricks anwenden. Eine Datenbank darüber, welcher Anwalt mit welchem Richter nicht gut kann, mit deren Hilfe sich der Angeklagte in aller Ruhe den geeigneten Rechtsbeistand aussuchen könnte, gibt es schließlich nicht. Und selbst wenn, was machen dann diejenigen, die auf einen Pflichtverteidiger angewiesen sind?



Warte, ich versuchs mal.

ad 1).
Ja, das war unverhältnismäßig. Ein (gezielter) Stich zum Hals beinhaltet automatisch die Inkaufnahme von tödlichen Verletzungen und eben auch bewusstes Handeln.

ad 2).
Ja, da eine Waffe immer das Risiko auf schwerere Verletzungen beinhaltet und sie damit automatisch engere Grenzen für den Einsatz in der Notwehr hat. Eine Waffe kann nur in sehr wenigen Fällen das mildest mögliche Mittel sein.

Das ist eine klare Aussage. Danke Dir. Ich sehe es nicht so klar, wie Du. Denn mir fällt keine Handlungs-Alternative ein, mit der der Angeklagte auf der sicheren bzw. sichereren Seite gewesen wäre. Es läuft für mich immer darauf hinaus, dass die juristisch sicherere Seite mit einer persönlich unsichereren Seite einhergeht.


die bessere Frage lautet:

War der Angriff zum Hals in dieser Situation erforderlich, oder gab es ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet gewesen wäre, den rechtswidrigen Angriff sicher zu beenden?


Ja, ich stimme zu. Das ist die bessere Frage. Und wie zuvor geschrieben, komme ich auch nach langem Nachdenken nicht wirklich zu einer eindeutigen Antwort. Ich wüsste nicht, ob mir in derselben Situation nicht genau dasselbe passiert wäre.


Er war in einer Lage (ungerechtfertigter Angriff) die eine Abwehr rechtfertigt, hat aber zu einer Handlung gegriffen, die (nach Ansicht der Gerichte) nicht durch Notwehr geboten war, sondern ihrerseits ein ungerechtfertigter Angriff.


Danke für die Aufklärung.



IMO ist dennoch der ursprüngliche Angreifer der versuchten KV gegen den Studenten schuldig und der vollendeten KV gegen den Bruder des Studenten.


Genau das sehe ich auch so und komme auf das zurück, was ich ein paar Posts zuvor geschrieben hatte. Der eigentlich Angegriffene bekommt die Anzeige und wird zum Angeklagten. Es gibt vor Gericht genau einen Täter und ein Opfer.
Das Sich-Echauffieren des Richters darüber, dass der Angeklagte die Rollen vertauscht sieht, ist für mich daher nicht nachvollziehbar.

Was ich bis hierhin für mich mitnehme ist:
Ich lasse mein Messer selbst bei 1 gegen 5 in der Tasche.
Ich rufe, wenn ich denn dazu noch in der Lage bin, in jedem Fall hinterher die Polizei.

Thuriel
28-10-2015, 14:27
Deine Meinung steht doch sowieso fest bis in alle Ewigkeit, egal was man schreibt, und egal was andere schon aus Prozessakten dazu geschrieben haben die eben nicht in der Presse erwähnt wurden.

Du irrst Dich (zumal ich Dir exakt dasselbe vorwerfen könnte). So eindeutig ist sie nicht. Für mich steht die Notwehrlage des Angeklagten fest und auch dass der Angeklagte aus meiner Sicht ganz eindeutig nicht ins Gefängnis gehört. Das heißt nicht, dass er komplett unschuldig ist. Für mich steht auch fest, dass der Angreifer, der zum Opfer wurde, ebenfalls auf die Anklagebank gehört.

Ich versuche herauszufinden, welche Schlussfolgerungen ich für mich daraus ziehen kann. Ich schrieb bereits eingangs, dass ich verunsichert bin.

hand-werker
28-10-2015, 14:33
wieso?

ok, ich ändere meine aussage in "der student konnte sich sicherer sein". weil die beiden sich boxermäßig gegenüber standen, der hells angel hingegen sah durch seine milchglastür den umriss eines mannes mit einer waffe, wenn ich mich recht erinnere.

Gast
28-10-2015, 14:33
Ich lasse mein Messer selbst bei 1 gegen 5 in der Tasche.
Ich rufe, wenn ich denn dazu noch in der Lage bin, in jedem Fall hinterher die Polizei.

IMO besser: möglichst einen Krankenwagen rufen und gegenüber der Polizei vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.

Alex R.
28-10-2015, 16:29
Auch ich kann nichts anderes beurteilen als die Meinung des Richters. Letzten Endes kann es nur um diese gehen. Genau wie Du, kenne ich ihn nicht persönlich. Ich habe nicht geschrieben, dass der Mann ein schlechter Mensch ist, noch mit persönlichen Beleidigungen um mich geworfen. Ich habe geschrieben, dass ich mich frage, wie realitätsfremd so mancher Richter ist. In diesem Fall wäre wohl besser gewesen: "Das Urteil ist realitätsfremd." Und genau so hätte ich dann auch nichts gesagt.




Das entkräftet allerdings mein Argument in keinster Weise. Du hast das Thema „Fakten“ in die Waagschale geworfen. Ich stimme Dir zu. Das heißt, es sind die Fakten die zählen. Nicht die Befangenheit des Richters gegenüber bestimmten Anwälten, die immer dieselben Tricks anwenden. Eine Datenbank darüber, welcher Anwalt mit welchem Richter nicht gut kann, mit deren Hilfe sich der Angeklagte in aller Ruhe den geeigneten Rechtsbeistand aussuchen könnte, gibt es schließlich nicht. Und selbst wenn, was machen dann diejenigen, die auf einen Pflichtverteidiger angewiesen sind? Das "Problem" bei Fakten ist, dass sie sich meist in beide Richtungen deuten lassen. Ein Beispiel: Du musstest dich verteidigen und stehst vor einem Richter.
Die Fakten:

Beide haben zugeschlagen
Beide sind dabei verletzt worden, der Angreifer allerdings schwerer
Als die Polizei ankam, warst du derjenige, der den anderen am Kragen hatte

Beide argumentieren mit Notwehr und das der jeweils andere angefangen hat. Keine Zeugen außer den Polizeibeamten. Keine stichhaltigen Beweise für den einen oder anderen. Beide sind polizeilich unbekannt, d.h. keine Straftaten.
Was nun? Rein nach Fakten bist du der Schuldige, denn du warst offensichtlich deinem Gegner überlegen und hast ihn schwerer verletzt. Also kann das, trotz meiner Aussage, nicht das Allheilmittel sein, außer in eindeutigen Fällen.
Wenn man nun die Fakten interpretiert, dann sieht die Lage anders aus. Dann deuten sie sowohl auf dich wie auch auf deinen Angreifer. Und hier entscheidet sich dann wie das Verfahren ausgeht. Wenn dein Anwalt und der Richter nicht miteinander können, bekommst wahrscheinlich du das Problem. Wenn der Anwalt deiner Version nicht glaubt, hast du ein Problem.
Glaubt er dir, hast du kein Problem außer evtl. deinem Anwalt.



Das ist eine klare Aussage. Danke Dir. Ich sehe es nicht so klar, wie Du. Denn mir fällt keine Handlungs-Alternative ein, mit der der Angeklagte auf der sicheren bzw. sichereren Seite gewesen wäre. Es läuft für mich immer darauf hinaus, dass die juristisch sicherere Seite mit einer persönlich unsichereren Seite einhergeht. Handlungs-Alternativen wären:

Stich in die Hand; wie ebenfalls vom Richter geäußert
Schnitt über den Arm oder Oberschenkel; die Gefahr etwas wichtiges zu treffen ist dabei geringer als bei einem Halsstich

Bedenke dabei bitte, dass die Richter nicht dabei waren, ergo rein gar nichts über die Gefahreneinschätzung sagen können. Sie denken berufsbedingt in Eskalationsstufen. Zuerst in die Hand, dann in den Arm und erst dann in den Hals. Nicht andersrum.


Ich lasse mein Messer selbst bei 1 gegen 5 in der Tasche.
Ich rufe, wenn ich denn dazu noch in der Lage bin, in jedem Fall hinterher die Polizei.
Noch besser wäre es, gar kein Messer mitzuführen. Was man nicht dabei hat, kann man nicht benutzen. Und so wichtig kann nichts sein, dass man dafür ein Taschenmesser dabei haben müsste.
Aber wenn man unbedingt eins beihaben will, dann lass es da, wo es sonst auch ist.
Ansonsten stimme ich Aruna zu: Lieber die Sani's als die Polizei rufen und bei den Polizisten erstmal gar nix sagen.

Gast
28-10-2015, 19:24
Wenn der Anwalt deiner Version nicht glaubt, hast du ein Problem.


Hervorhebung von mir

Meinst Du hier nicht eher "Richter"?



bei den Polizisten erstmal gar nix sagen.

gut, außer vielleicht zur Beweissicherung?

MagetaDerLöwe
28-10-2015, 21:03
tl:dr

Wenn ich jemanden provoziere und der mich dann töten will, werde ich bestraft, sofern ich durch Gewalt meinerseits überlebe?
Wäre ja der Extremfall, der nach dem Richter aber so korrekt wäre. Das kann ich weder glauben noch halte ich das für eine schlaue Regelung.

Gast
28-10-2015, 23:14
tl:dr

Wenn ich jemanden provoziere und der mich dann töten will, werde ich bestraft, sofern ich durch Gewalt meinerseits überlebe?

Nein, Du handelst rechtswidrig (und machst Dich damit strafbar), wenn Du ihn zu genau dem Zweck provozierst, Gewalt gegen ihn anwenden zu dürfen und diese anwendest.
Dann wird Dir üblicherweise nur noch Ausweichen zugestanden.

Lernschemata eines (ehemaligen?) Jurastudenten:



Bsp.: Türsteher A und H beschließen einen Gast zu beleidigen, um ihn nach dessen Abwehr verprügeln zu kömmen.


P.: Hat der Absichtsprovokateur ein Abwehrrecht?
Bsp.: Der Beleidigte wehrt sich und wird von A und H verprügelt.

e.A.: Ja, da der Provokateur aufgrund der Rechtswidrigkeit des Angriffs nicht schutzlos gestellt sein darf. Zudem müs-se sich niemand provozieren lassen.

h.M.: Nein, Notwehr ist versagt. Der Provokateur handelt rechtsmißbräuchlich und ist der eigentliche Angreifer.
Folge: Es bleibt nur die Möglichkeit, dem Angriff auszuweichen.



Wenn Du ihn einfach nur so provozierst, ohne die Absicht, seine Reaktion auszunutzen:


Sonstige Provokation

Bsp.: fahrlässige Provokation

h.M.: abgestuftes Notwehrrecht:
-> grds. Angriff ausweiche
-> Schutzwehr
->Trutzwehr (ultima ratio)


Kann natürlich sein, dass Du ihn nur zu einer normalen Prügelei provozieren willst und der zieht unerwartet ein Messer:


P.: Opfer wehrt sich intersiver als vor-gestellt?
Grds bleibt dem Absichtsprovokateur nur die Möglichkeit, auszuweichen. Gilt dies aber auch noch, wenn sich der Provozierte viel intensiver als vorgestellt ver-teidigt?
Bsp: der Beleidigte zieht gleich ein Messer und geht auf A u. H los. H tötet ihn nun mit einem Baseballschläger.

Teil der Lit.: Wenn die Reaktion des Provozierten über das provozierte Ziel hinausgeht, müsse das Notwehrrecht wieder aufleben.

BGH: Es bleibt bei den Grundsätzen der Absichtsprovokation. Abzustellen ist allein auf das provozierende Verhalten.
Folge: Nur Möglichkeit des Ausweichens.

Notwehrprovokation, Notwehrrecht, Absichtsprovokation, Provokation (http://jura-schemata.de/notwehrprovokation.htm)

DEKAR
29-10-2015, 01:13
Handlungs-Alternativen wären:

Stich in die Hand; wie ebenfalls vom Richter geäußert
Schnitt über den Arm oder Oberschenkel; die Gefahr etwas wichtiges zu treffen ist dabei geringer als bei einem Halsstich

Bedenke dabei bitte, dass die Richter nicht dabei waren, ergo rein gar nichts über die Gefahreneinschätzung sagen können. Sie denken berufsbedingt in Eskalationsstufen. Zuerst in die Hand, dann in den Arm und erst dann in den Hals. Nicht andersrum.



das ding ist doch das schon einer seiner kollegen niedergeschlagen wurde.
ob der noch lebt war zu dem zeitpunkt doch keinem klar.

ob der student messer sammelt oder ein naturtalent im messerstechen ist ist absolut irrelevant. es spielt auch absolut keine rolle woher er das messer hatte. es wäre ihm sogar erlaubt gewesen irgendwo ne pistole zu klauen und sich damit zu verteidigen.
das verhalten dieses richters ist durch absolut nichts zu rechtfertigen.

wenn der typ nicht schon vorher jemanden ko geschlagen hätte sähe die situation eventuell anders aus. ist aber halt nicht so.

hand-werker
29-10-2015, 06:32
aber es war wohl wahrscheinlicher, dass der niedergeschlagene noch lebte, als das er tot war. vom niederschlagen sterben die leute ja nur in ausnahmefällen. ansonsten gäbe es ja jedes wochenende dutzende tote.

der student hätte das messer zeigen und den einsatz androhen können. da der andere bis zu diesem zeitpunkt keine waffe zeigte, wäre er mit dem messer sehr wahrscheinlich überlegen gewesen. zumindest hätte er vor gericht besser dagestanden, als bei einem "heimtückischen" einsatz.

eine pistole (woher auch immer) ist gegen einen unbewaffneten wohl nur in absolut ungewöhnlichen fallkonstellationen das mildeste mittel.

Alex R.
29-10-2015, 07:46
Hervorhebung von mir

Meinst Du hier nicht eher "Richter"? Ja den meinte ich. War wohl ein freudscher Verschreiber. :)





gut, außer vielleicht zur Beweissicherung?
Schwierig, weil das direkt in die "Falle" führen kann, du dich also unwissentlich selbst belastest. Ich habe immer direkt ausgesagt, aber meine Kloppereien (zumindest die, von denen Akten bestehen), waren dienstlicher Natur. Die meisten sogar mit Video, also brauchte ich nix mit einem Anwalt abstimmen. Zudem habe ich es nie übertrieben. Musste ich auch nie, da ich den Kampf nie gewinnen sondern nur die Kontrolle über die Situation erlangen wollte.
Ja, das macht einen Unterschied. Mir reicht es, den Typen rauszuwerfen bzw loszuwerden und die Situation im Club (Zelt, Veranstaltung, Supermarkt) wieder zu beruhigen. Ob ich gegen ihn gewonnen hätte, stand nicht zur Debatte. Mein Motto war und ist: So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Alex R.
29-10-2015, 07:55
das ding ist doch das schon einer seiner kollegen niedergeschlagen wurde.
ob der noch lebt war zu dem zeitpunkt doch keinem klar. Die Chance das er noch lebte, war um min. eine 10er-Potenz höher als bei einem Waffeneinsatz.


ob der student messer sammelt oder ein naturtalent im messerstechen ist ist absolut irrelevant. es spielt auch absolut keine rolle woher er das messer hatte. es wäre ihm sogar erlaubt gewesen irgendwo ne pistole zu klauen und sich damit zu verteidigen.
das verhalten dieses richters ist durch absolut nichts zu rechtfertigen.

wenn der typ nicht schon vorher jemanden ko geschlagen hätte sähe die situation eventuell anders aus. ist aber halt nicht so. Korrekt, es geht niemanden was an, was du sammelst. Wohl aber interessiert es, wenn du eine mitgeführte oder gefundene Waffe einsetzt. Vor Gericht musst du beim Argument Notwehr immer beweisen, dass deine Aktion das mildest mögliche Mittel ohne weitere Eigengefährdung war. Und ein Stich in vitale Körperregionen kann niemals das mildeste Mittel darstellen.


aber es war wohl wahrscheinlicher, dass der niedergeschlagene noch lebte, als das er tot war. vom niederschlagen sterben die leute ja nur in ausnahmefällen. ansonsten gäbe es ja jedes wochenende dutzende tote. 100% Zustimmung.


der student hätte das messer zeigen und den einsatz androhen können. da der andere bis zu diesem zeitpunkt keine waffe zeigte, wäre er mit dem messer sehr wahrscheinlich überlegen gewesen. zumindest hätte er vor gericht besser dagestanden, als bei einem "heimtückischen" einsatz. Genau das.


eine pistole (woher auch immer) ist gegen einen unbewaffneten wohl nur in absolut ungewöhnlichen fallkonstellationen das mildeste mittel. Höchstens bei einem querschnittsgelähmten Rentner, der alleine zu Hause ist. Und nicht mal bei dem sollte man sich sicher sein.

Thuriel
29-10-2015, 08:27
Und ein Stich in vitale Körperregionen kann niemals das mildeste Mittel darstellen.


Ich bin mir sicher, dass diese Aussage, sofern pauschal gemeint, falsch ist!
Wenn mein eigenes Leben im SV-Fall akut bedroht ist, kann er sehr wohl das mildeste Mittel darstellen.

hand-werker
29-10-2015, 09:00
ja, so allgemein kann man das wohl tatsächlich nicht sagen. hier war der stich ins herz anscheinend angemessen:

SCHICKSALE: Der Täter, der ein Opfer war - DER SPIEGEL 44/2013 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-118184389.html)

der vorfall wurde damals ja auch hier im forum viel besprochen. laut artikel wurde der waffeneinsatz aber klar angedroht und den tätern die möglichkeit zum rückzug gegeben. dies hebt der im artikel zitierte oberstaatsanwalt ausdrücklich hervor.

edit: dein leben muss nicht bedroht sein, du kannst z. b. auch einen raub mit tödlicher gewalt abwehren. dann muss der richter dir aber glauben, dass es in diesem fall keine andere (mildere) möglichkeit gab.

Gast
29-10-2015, 09:54
Ich bin mir sicher, dass diese Aussage, sofern pauschal gemeint, falsch ist!
Wenn mein eigenes Leben im SV-Fall akut bedroht ist, kann er sehr wohl das mildeste Mittel darstellen.

siehe auch:

http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/interessantes-bgh-urteil-sv-messer-beendetem-zweikampf-125118/

Einvernehmlicher Zweikampf, Verlierer rächen sich mit Gürtelschlägen, Angegriffener verwendet Messer ohne Androhung:


Ich bin grade darauf gestoßen und fand es ganz interessant und geeignet, die eigene Rechtseinschätzung zu schärfen. Hier das Urteil: Beschluss des 2. Strafsenats vom 10.11.2010 - 2 StR 483/10 - (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=83f1095c6b7a7037d0afd8aae38ce9f0&nr=54349&pos=0&anz=1)

Die Kurzform: 25 Jähriger gerät mit drei 17 bis 19 Jährigen in Streit und es wird einvernehmlich ein Zweikampf ausgetragen, den der 25 Jährige gewinnt. Die drei lassen das nicht auf sich sitzen und attackieren ihn daraufhin mit ihren Gürteln (mit Gürtelschnallen zu peitschen, ist eine recht übliche und gleichsam üble Misshandlungsmethode in bestimmten Kreisen). Er sticht einem davon ein unbemerkt gezogenes Messer zur Verteidigung ins Herz, durchtrennt eine Arterie und eine Herzkammer (betroffener überlebt aber).

Das Landgericht hat seine Notwehrbefugnis wegen der vorrangegangen Szene eingeschränkt gesehen und daher eine Rechtfertigung aus §32 verneint, auf versuchten Totschlag verurteilt. Das ganze ging zur Revision an den BGH, der das Urteil aufhob und klarstellt, dass die Duellsituation als bereits abgeschlossen und bloß unsittlich, sowie die verbale Auseinandersetzung keine Provokation darstellen, die das Notwehrrecht einschränken könnten. Das Urteil wurde an das Landgericht zurückgewiesen.




edit: dein leben muss nicht bedroht sein, du kannst z. b. auch einen raub mit tödlicher gewalt abwehren. dann muss der richter dir aber glauben, dass es in diesem fall keine andere (mildere) möglichkeit gab.

genau, ich kann auch andere Rechtsgüter als mein Leben mit einer Handlung, die den Tod des Angreifers in Kauf nimmt, verteidigen, solange es das mildeste zur Verfügung stehende Mittel ist, kein krasses Missverhältnis zwischen den Rechtsgütern besteht, und der Angreifer zurechnungsfähig ist (mindestens 14, nicht stark besoffen und nicht geisteskrank)
Sicherlich muss ich mich von einem mündigen Bürger nicht verprügeln lassen.

KAJIHEI
29-10-2015, 10:57
Genau das krasse Missverhältniss ist aber der Punkt um den wir hier die ganze Zeit herumeiern.
Es muß zwar der Jurae keine Abwägung der Rechtsgüter gemacht werden, aber es muß das mildeste und angemessene Mittel benutzt werden.
D.h. Wenn mir jemand die Brieftasche klauen will obwohl nur 10 Euro darin sind, und ich erdolche, schieße etc den Menschen...
Das ist schon krass und ausserhalb jeglicher Verhältnissmäsigkeit.
Nach dem cowboyrichter aber denkbar.
Materielles Eigentum ist immer höher als ein Menschenleben und Unversehrtheit zu bewerten ?
Nur mal eine Frage in den Raum.

hand-werker
29-10-2015, 11:28
Genau das krasse Missverhältniss ist aber der Punkt um den wir hier die ganze Zeit herumeiern.
...

nein, in den letzten beiträgen ging es eigentlich um das "mildeste mittel" und nicht um die abwägung der rechtsgüter (da es für beide um die körperliche unversehrtheit ging).


...Es muß zwar der Jurae keine Abwägung der Rechtsgüter gemacht werden, aber es muß das mildeste und angemessene Mittel benutzt werden.
...

genau


...D.h. Wenn mir jemand die Brieftasche klauen will obwohl nur 10 Euro darin sind, und ich erdolche, schieße etc den Menschen...
Das ist schon krass und ausserhalb jeglicher Verhältnissmäsigkeit.
...
vermutlich schon



...
Nach dem cowboyrichter aber denkbar.
....

welcher cowboyrichter? verstehe ich jetzt nicht.


...Materielles Eigentum ist immer höher als ein Menschenleben und Unversehrtheit zu bewerten ?
...

hat doch niemand behauptet, oder habe ich da was überlesen?

Alex R.
29-10-2015, 11:36
Ich bin mir sicher, dass diese Aussage, sofern pauschal gemeint, falsch ist!
Wenn mein eigenes Leben im SV-Fall akut bedroht ist, kann er sehr wohl das mildeste Mittel darstellen.

Sorry, sehe ich anders. Woran willst du festmachen, dass dein Leben akut bedroht war? Das als Grundlage genommen, wäre es durchaus denkbar, jmd abzustechen und sich hinterher mit genau diesem Argument rauszureden. Macht das Schule, haben wir demnächst Messerattacken allerorten.

Im Gegensatz zu einigen anderen hier im Forum bin ich kein ausgewiesener Experte für KK. Weder habe ich einen schwarzen Gürtel, noch eine schöne Urkunde für die Wand. Ich bin ein durchschnittlicher Mensch, der sich für Kampfsport interessiert. Aber selbst ich kenne min. 3 waffenlose Abwehren für so ziemlich jede erdenkliche Art von Angriff auf mich. Schusswaffen sind ausdrücklich ausgenommen.
Und da soll es irgendeine Variante geben, in der mich nur ein potenziell tödlicher Waffeneinsatz retten kann?
Mit ein wenig Nachdenken und ein klitzeklein bisschen Wissen über Körpermechanik sowie ein bisschen Wissen der Anatomie (EH-Kurs reicht schon) sollte so ziemlich jeder von alleine auf wenigstens eine Variante kommen.
Und jmd der ein Messer aus der Tasche fummeln kann, hat keine Panik. Schon gar nicht bei einem Taschenmesser, denn das muss man rausholen und ausklappen, bevor es einsetzbar ist. Und wenn er so abgebrüht ist, dass er das Messer noch rausholen und einsatzbereit machen kann, dann ist er auch abgebrüht genug, zuerst einen Stich oder Schnitt in nichtvitale Körperteile zu machen.

Ergo:
Ein sofortiger Angriff auf vitale Körperteile ist niemals das mildeste Mittel.

KAJIHEI
29-10-2015, 11:46
Ergo:
Ein sofortiger Angriff auf vitale Körperteile ist niemals das mildeste Mittel.

Und jetzt verklickern das mal Kandidaten wie Alfi...:(

Gast
29-10-2015, 12:04
Genau das krasse Missverhältniss ist aber der Punkt um den wir hier die ganze Zeit herumeiern.
Es muß zwar der Jurae keine Abwägung der Rechtsgüter gemacht werden, aber es muß das mildeste und angemessene Mittel benutzt werden.


was meint hier wieder "angemessen"?




D.h. Wenn mir jemand die Brieftasche klauen will obwohl nur 10 Euro darin sind, und ich erdolche, schieße etc den Menschen...
Das ist schon krass und ausserhalb jeglicher Verhältnissmäsigkeit.
Nach dem cowboyrichter aber denkbar.
Materielles Eigentum ist immer höher als ein Menschenleben und Unversehrtheit zu bewerten ?
Nur mal eine Frage in den Raum.

Nein, wenn nicht abgewogen wird, kann man daraus nicht folgern, dass etwas mehr wert ist als etwas anderes, es wird schlicht nicht danach gefragt.

krasses Mißverhältnis heißt z.B.

Leben >>>>>>>>>>>>>>>>>1 kg Kirschen
Bei
Leben>>100.000 Euro ist das Menschenleben immer noch mehr wert, da da höchstwahrscheinlich von den meisten (Richtern) kein krasses Missverhältnis mehr gesehen wird, ist der unbestrittene Mehrwert des Lebens gegenüber den 100.000 irrelevant.

Also:
Beurteilung (Ermessenssache): Krasses Missverhältnis zwischen angegriffenen und verteidigtem Rechtsgut?
Ja -> keine Notwehr
Nein-> keine weitere Abwägung der Rechtsgüter.

Beispiel:
Recht auf Leben > Recht auf sexuelle Selbstbestimmung

Frau ersticht Vergewaltiger
Krasses Mißverhältnis der Rechtsgüter?
Nein -> die Tatsache, dass das Leben des Vergewaltigers mehr wert ist, als das Recht auf die sexuelle Selbstbestimmung der Frau spielt keine Rolle bei der Frage, ob die Tötung durch Notwehr gerechtfertigt war.

Gast
29-10-2015, 12:15
Und jetzt verklickern das mal Kandidaten wie Alfi...:(

muss ja nicht stimmen ;)

KAJIHEI
29-10-2015, 12:23
was meint hier wieder "angemessen"?




Nein, wenn nicht abgewogen wird, kann man daraus nicht folgern, dass etwas mehr wert ist als etwas anderes, es wird schlicht nicht danach gefragt.

krasses Mißverhältnis heißt z.B.

Leben >>>>>>>>>>>>>>>>>1 kg Kirschen
Bei
Leben>>100.000 Euro ist das Menschenleben immer noch mehr wert, da da höchstwahrscheinlich von den meisten (Richtern) kein krasses Missverhältnis mehr gesehen wird, ist der unbestrittene Mehrwert des Lebens gegenüber den 100.000 irrelevant.

Also:
Beurteilung (Ermessenssache): Krasses Missverhältnis zwischen angegriffenen und verteidigtem Rechtsgut?
Ja -> keine Notwehr
Nein-> keine weitere Abwägung der Rechtsgüter.

Beispiel:
Recht auf Leben > Recht auf sexuelle Selbstbestimmung

Frau ersticht Vergewaltiger
Krasses Mißverhältnis der Rechtsgüter?
Nein -> die Tatsache, dass das Leben des Vergewaltigers mehr wert ist, als das Recht auf die sexuelle Selbstbestimmung der Frau spielt keine Rolle bei der Frage, ob die Tötung durch Notwehr gerechtfertigt war.

Wo hab ich was anderes gesagt ? Nirgens
Aber einige Juruisten setzen halt Wertigkeiten ausserhalb der Juristerei anders.
Genau dieses Shisma zwischen zwei von einander unabhängigen Wertesystemen ist das Problem, da sie in einem Prozess einheitlich behandelt werden.
Übrigens jegliches Ermessen ist eine Bewertung.

Gast
29-10-2015, 12:33
Wo hab ich was anderes gesagt ?

Du hast von "angemessen" gesprochen, was immer das heißen soll und ernsthaft gefragt:



Materielles Eigentum ist immer höher als ein Menschenleben und Unversehrtheit zu bewerten ?
Nur mal eine Frage in den Raum.

Ich habe gezeigt, dass aus der Tatsache, dass nicht abgewogen wird, eben nicht zu schließen ist, dass irgendwann materielles Eigentum höher als ein Menschenleben zu bewerten bewerten ist, und schon gar nicht immer.
Es ist nur einfach bei entsprechenden Angriffen auf höherwertige Rechtsgüter schlicht und einfach egal, weil es nicht zu bewerten ist.

hand-werker
29-10-2015, 12:43
...Ergo:
Ein sofortiger Angriff auf vitale Körperteile ist niemals das mildeste Mittel.

ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. es sind durchaus konstellationen denkbar, in denen der verteidiger dermaßen unterlegen ist, das nur sofortiger waffeneinsatz ihm helfen kann.

z. b. der fall, den aruna geschildert hat: frau (klein, zierlich) gegen vergewaltiger, der sie zu boden reisst.

anderes beispiel (konstruiert, unrealisitisch, ich weiß): ich mache mit klitschko´s frau rum, der bekommt es mit und kommt mit seinem bruder vorbei, um mich plattzumachen.

DEKAR
29-10-2015, 15:38
aber es war wohl wahrscheinlicher, dass der niedergeschlagene noch lebte, als das er tot war. vom niederschlagen sterben die leute ja nur in ausnahmefällen. ansonsten gäbe es ja jedes wochenende dutzende tote.



die zahlreichen ubahnschläger kriegen ihre opfer auch gut ohne waffen unter die erde.

ich glaub dieser fall war auch wo wieder so ein ubahnschläger delikt durch die presse ging.
wenn dann noch ein kollege vor dir niedergeschlagen wird gerätst du halt mal leicht in panik.

ich weiss nicht wieviele leute jedes we totgeprügelt werden aber sowas kommt durchaus vor auch one das es in den medien breitgetreten wird.

DEKAR
29-10-2015, 15:46
Korrekt, es geht niemanden was an, was du sammelst. Wohl aber interessiert es, wenn du eine mitgeführte oder gefundene Waffe einsetzt. Vor Gericht musst du beim Argument Notwehr immer beweisen, dass deine Aktion das mildest mögliche Mittel ohne weitere Eigengefährdung war. Und ein Stich in vitale Körperregionen kann niemals das mildeste Mittel darstellen.



solange das führen der waffe nicht verboten ist sollte auch das meiner meinung nach keine rolle spielen.

am besten sollte man zur selbstverteidigung allerdings pfefferspray oder so mitnehmen wobei son götzl einen vermutlich auch dafür in den knast bringen würde.

Thuriel
29-10-2015, 23:18
Sorry, sehe ich anders. Woran willst du festmachen, dass dein Leben akut bedroht war? Das als Grundlage genommen, wäre es durchaus denkbar, jmd abzustechen und sich hinterher mit genau diesem Argument rauszureden. Macht das Schule, haben wir demnächst Messerattacken allerorten.

Im Gegensatz zu einigen anderen hier im Forum bin ich kein ausgewiesener Experte für KK. Weder habe ich einen schwarzen Gürtel, noch eine schöne Urkunde für die Wand. Ich bin ein durchschnittlicher Mensch, der sich für Kampfsport interessiert. Aber selbst ich kenne min. 3 waffenlose Abwehren für so ziemlich jede erdenkliche Art von Angriff auf mich. Schusswaffen sind ausdrücklich ausgenommen.
Und da soll es irgendeine Variante geben, in der mich nur ein potenziell tödlicher Waffeneinsatz retten kann?
Mit ein wenig Nachdenken und ein klitzeklein bisschen Wissen über Körpermechanik sowie ein bisschen Wissen der Anatomie (EH-Kurs reicht schon) sollte so ziemlich jeder von alleine auf wenigstens eine Variante kommen.
Und jmd der ein Messer aus der Tasche fummeln kann, hat keine Panik. Schon gar nicht bei einem Taschenmesser, denn das muss man rausholen und ausklappen, bevor es einsetzbar ist. Und wenn er so abgebrüht ist, dass er das Messer noch rausholen und einsatzbereit machen kann, dann ist er auch abgebrüht genug, zuerst einen Stich oder Schnitt in nichtvitale Körperteile zu machen.

Ergo:
Ein sofortiger Angriff auf vitale Körperteile ist niemals das mildeste Mittel.

Ebenfalls sorry. Das ist eine Forderung, die völlig an der Realität vorbei gedacht ist und ich bin verdammt froh, dass offenbar selbst die Gerichte das anders als Du sehen (siehe verlinkter Artikel im Post von hand-werker und auch die hier befindlichen Ausführungen auf dieser Homepage
Selbstverteidigung und Notwehr (http://you-can-fight.com/warum-sie-sogar-toten-durfen/)
einer Krav Maga Schule, die ich gefunden habe, wo in den ersten Abschnitten ein SV-Fall mit tödlichem Ausgang für den Angreifer geschildert wird.).

Wenn Du genügend waffenlose Abwehrtechniken gegen jeden erdenklichen Angriff auf Dich kennst, dann freut mich das einerseits für Dich, es zeigt aber auch, dass Du in Kategorien eines Menschen denkst, der sich mit dem Thema SV und/oder Kampfkunst/-sport theoretisch und praktisch auseinander gesetzt hat. Außerdem hast Du, wie ich gelesen habe, als Türsteher gearbeitet und persönliche Gewalterfahrung.
Hierbei vergisst Du, dass es verdammt viele Menschen gibt, die weder das eine noch das andere von sich behaupten können. Menschen, die absolut gar keine Techniken in dieser Hinsicht beherrschen und auch keine nennenswerte Gewalterfahrung haben. Und ich behaupte, dass diese Menschen zahlreicher sind als diejenigen Deines Schlages. Das Alter und die körperliche Verfassung dieser Menschen lasse ich hierbei sogar außen vor!

Ich denke, dass sich mit genügend Energie, Vorstellungsvermögen, Recherche von tatsächlichen Fällen und etwas Geduld ein seitenlanger Thread mit solchen Varianten erstellen lässt. V.a. aus Konstellationen, in denen der Angreifer dem Opfer körperlich deutlich überlegen ist, lässt sich da so einiges stricken.

Stelle Dir meinetwegen eine Frau von 60 kg in Bodenlage im Rear Naked Choke eines 120 kg schweren Vergewaltigers vor, der sie bis zur Bewusstlosigkeit würgen möchte, um sie dann zu fesseln und sein Vorhaben durchzuziehen. Die Frau hat ca. 10 Sekunden Zeit bevor, sie ohnmächtig wird. Ich würde dieser Frau zu nichts anderem raten, als - mit was auch immer sie greifen kann oder verfügbar hat – so schnell wie möglich auf alle vitalen Stellen des Angreifers zu zielen, die sie erreichen kann. Auf nichts anderes als auf vitale Stellen! Was nützt ihr hier ein Schnitt z.B. in den Unterarm des Angreifers, wenn ihr kurz danach die Lichter ausgehen, der Kerl anschließend in aller Ruhe seinen blutenden Arm verarztet und dann da weitermacht, wo er aufgehört hat? Hinzu kommt, dass Schnitte und Stiche, insbesondere in Extremitäten oder weniger empfindliche Körperregionen, in Extremsituationen, wo viel Adrenalin im Spiel ist, oft erst mit sehr großer Verzögerung bemerkt werden. Das kann ich sogar aus eigener Erfahrung sagen. Bis der Angreifer überhaupt Schmerz spürt, ist die Frau wahrscheinlich 3x "eingschlafen". Ich kann auch aus eigener Erfahrung sagen, dass ich auf der Matte – und damit unter halbwegs kontrollierten Bedingungen – mehr als einmal ausgechoked wurde. Mein Wissen über Körpermechanik und Anatomie hat mir da nicht das Geringste genützt. Und Zeit zum "ein wenig Nachdenken", wie Du schreibst, war da schon mal gar nicht! Beim ersten Mal habe ich die Situation als solche zu spät erfasst und war prompt ganz einfach weg. Bei den beiden Malen danach, habe ich tatsächlich versucht durch eine waffenlose Abwehr (denn auf der Matte lag gerade keine herum) herauszukommen und war einerseits verzweifelt und kurz vor Schluss tatsächlich panisch, andererseits aber auch eine Sekunde zu lang zu stolz um abzuklopfen. ==> Gute Nacht.

Ich weiß, dass es ein paar Würgegriffe gibt, aus denen ich mich ab einem gewissen Punkt nicht mehr befreien kann. Dieses Wissen bewahrt mich nicht davor, im Randori nicht doch wieder in einen solchen zu geraten. Würde mir dasselbe also auf der Straße wiederfahren, sähe ich es nicht im Geringsten ein, mich aus falscher Rücksicht bis zur Bewusstlosigkeit würgen zu lassen, und mein Leben komplett in die Hände des Angreifers zu legen, nur um dessen Leben zu schonen.

Was dieselbe Situation für die o.g. körperlich total unterlegene und in Sachen Kampfsport völlig unbedarfte Frau bedeutet, muss ich kaum weiter ausführen.

Gast
30-10-2015, 02:11
solange das führen der waffe nicht verboten ist sollte auch das meiner meinung nach keine rolle spielen.


auch ein Führungsverbot der Verteidigungswaffe spielt für die Beurteilung bzgl. Notwehr keine Rolle.
(Natürlich wird dann den Strafverfolgungsbehörden ein Verstoß gegen das Waffengesetz bekannt)

diesbezüglich ein anderer Beitrag von Luggage:


Zur Schärfung eures Judiz ein Beispiel dazu: BGH 9.8.2005 - 1 StR 99/05 (Urteil des 1.*Strafsenats vom*9.8.2005 -*1*StR*99/05*-) (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=182d0605626168ff1fee6cd16922eb26&nr=33782&pos=0&anz=1)
Zusammenfassung: 2 junge Männer erregen in einer McDonalds-Filiale die Aufmerksamkeit zweier anderer junger Männer. Diese gehen auf erstere zu und suchen Ärger, die beiden wollen aber keinen und versuchen zu deeskalieren. Vor der Filiale werden die beiden erneut gestellt und herausgefordert. Daraufhin ziehen die beiden ihre Waffen: A zieht zwei Bajonette mit einer Klingenlänge von 24 cm aus seiner Armeehose, B zwei seiner 4 Wurfmesser, die er am Gürtel trägt. Sie drohen damit und verscheuchen die Aggressoren. Diese geben sich aber nicht zufrieden, aktivieren weitere Freunde, bewaffnen sich mit Holzlatten und Stahlrohren und passen A und B ab. Es kommt zum Gefecht, in dessen Verlauf A mit einem Agressor, der mit einer Holzlatte bewaffnet ist etwas abseits zu kämpfen hat. Agressor fällt hin und verliert seine Waffe. Als er Anstalten macht, aufzustehen, sticht A ihm sein Bajonett tief in die linke Brusthälfte, der Agressor überlebt nur knapp im Krankenhaus nach 2 stündiger Notoperation.

Das Verhalten des A ist durch §32 StGB gerechtfertigt! Auch wenn er waffenrechtlich führungsverbotene Waffen (feststehendes Messer, Klingenlänge über 12cm) mit sich geführt und potentiell tödlich gegen einen liegenden, unbewaffneten Gegner eingesetzt hat, ist er gerechtfertigt, weil er sich eben einem gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff gegenüber gesehen hat, den er gleich effektiv nicht milder hätte abwehren können. Die Gefahr, dass der Agressor sich erhebt und seine Waffe erneut ergreift und weiter auf A eindringt, muss A nicht eingehen, er darf den Angriff sicher sofort beenden.

Vergleichbare Urteile gibt es zB. bzgl eines Jungen, der in der Schule von anderen Jungen regelmäßig gequält und geschlagen wurde. Er nahm sich eines Tages ein Messer mit in die Schule, mit der Absicht, sich damit ggf. zu verteidigen, was er auch tat - er stach bei erneuten Übergriffen seinen Peiniger nieder und war aus §32 gerechtfertigt

http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/selbstverteidigung-eigenem-messern-notwehr-165161/index2.html#post3188981




am besten sollte man zur selbstverteidigung allerdings pfefferspray oder so mitnehmen wobei son götzl einen vermutlich auch dafür in den knast bringen würde.

Der nicht gerechtfertigte Einsatz von Pfefferspray ist eigentlich gefährliche KV und diese wird in minder schweren Fällen mit drei Monaten bis 5 Jahren bestraft.
In Stuttgart kam ein Polizist mit 120 Tagessätzen davon. -> (https://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/04/01/s21-stuttgarter-polizist-nun-vorbestraft/)
Bei Pfefferspray wird es allerdings schwierig, einen Tötungvorsatz zu konstruieren, außer vielleicht, dem Sprayer ist eine Capsaicin-Allergie des Besprühten bekannt und er unterlässt bei einem entsprechenden anaphylaktischen Schock zielführende Rettungsmaßnahmen.
Ich nehme allerdings an, hätte sich der Student mit Pfefferspray verteidigt, wäre er mit Notwehr davon gekommen.
Ob eine derartige Verteidigung in dem Fall (alkoholisierter, hochaggressiver Angreifer) erfolgreich gewesen wäre, steht auf einem anderen Blatt, hätte aber bei Versagen eine weitere Eskalation mit Messer (wenn z.B. die Kumpels über ihn hergefallen wären) in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Gast
30-10-2015, 03:26
Ergänzend zu dem Fall Sven G.


BGH (hat jemand einen Link zum Urteil?)

DIY:

1 StR 297/09 (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=69263164bdbab72bbfdf0f29ba9c0e40&nr=49157&pos=1&anz=18)

Der Sachverhalt, wie er von den Richtern des BGH (die sollten die Prozessakten ja vollumfänglich kennen) gesehen wird:


2. a) Nach den Feststellungen wurde der Angeklagte in der Nacht zum 15. März 2008 von S. auf öffentlichem Straßenland grundlos zweimal "geschubst". Anschließend holte S. mit der Faust aus und versuchte, dem körperlich deutlich überlegenen Angeklagten ins Gesicht zu schlagen. Dieser stach dem Angreifer, weil er dessen Verhalten nicht weiter hinnehmen wollte, mit bedingtem Tötungsvorsatz mit einem Messer in den vorderen linken Halsbereich, ohne dies zuvor angekündigt oder auch nur auf den Besitz des vom Geschädigten nicht bemerkten Messers hingewiesen zu haben. Obwohl der Angeklagte die Möglichkeit erkannte, S. tödlich verletzt zu haben, flüchtete er ohne Weiteres.


Offenbar bestanden bei den entscheidenden Richtern keine Zweifel an dem Vorliegen einer Notwehrlage:
[Hervorhebungen von mir]


Die zur Ablehnung des Täter-Opfer-Ausgleichs angeführten Gründe begegnen bei der vorliegenden besonderen, vom Bundesgerichtshof bislang nicht entschiedenen Fallgestaltung, in der der Angeklagte bei einer tatsächlich bestehenden Notwehrlage lediglich das Maß der erforderlichen Verteidigung überschritten hat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Uneinigkeit der Instanzen bestand wohl lediglich darin, ob der geleistete Täter-Opferausgleich als Minderungsgrund anerkannt wird.
Voraussetzung dafür ist nicht nur ein Geständnis, eine Entschuldigung und eine eventuelle Zahlung (hier 12.500 Euro), sondern auch, dass der Täter (Sven G.) die Opferrolle des Geschädigten anerkennt.
Der Richter des Landgerichts war der Ansicht, dass dies nicht gegeben sei, weil Sven G. seine Handlung in der Verhandlung durch Notwehr gerechtfertigt oder zumindest die Notwehrüberschreitung durch Furcht entschuldigt sah und den Angreifer verantwortlich für die Folgen des Angriffs machte:


Denn das Landgericht hat insofern angeführt, der Angeklagte habe "im Laufe der Verhandlung mehrmals deutlich" gemacht, "dass er sich für unschuldig … hält" und "die gesamte Verantwortung für sein Handeln der Geschädigte mit seiner Handlungsweise trage", und weiter - wenn auch später revidiert - angegeben, "dass eigentlich der Geschädigte auf die Anklagebank gehöre und nicht er".

Der BGH vertrat dagegen die Auffassung, dass das Landgericht


den besonderen Umständen des Falles nicht in vollem Umfang gerecht geworden [ist].
Dieser wird vor allem dadurch geprägt, dass sich der Angeklagte, wovon auch das Landgericht ausgeht, bei seinem Messerstich tatsächlich - und nicht nur behauptet (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 304) - in einer Notwehrlage befand. Da er somit zunächst selbst Ziel eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs war, ist zumindest die von ihm geäußerte Einschätzung, eigentlich gehöre der Ge-schädigte auf die Anklagebank, rechtlich dem Grunde nach nicht zu beanstan-den.

Der BGH teilt also die Meinung, die auch Thuriel und ich hier vertraten, dass Sven G. zunächst, bei dem Angriff, tatsächlich Opfer und der Angreifer Täter war und erst durch die Überschreitung der durch Notwehr erforderlichen Verteidigungshandlung zum Täter und der Angreifer zum Opfer wurde.

insbesondere wurde Sven G. vom BGH zugestanden, die von ihm gewählte Verteidigungsstrategie zu wählen (Berufung auf Überschreitung der Notwehr durch Verwirrung, Furcht oder Schrecken), ohne dadurch eine Möglichkeit der Minderung des Strafmaßes durch Täter-Opfer-Ausgleich zu verwirken



Soweit sich der Angeklagte mehrfach als unschuldig bezeichnet hat, entsprach das seinem Verteidigungsvorbringen, er habe im Tatzeitpunkt "unglaubliche und panische Angst" gehabt. Hiermit aber rekurrierte er auf die Voraussetzungen des § 33 StGB, der im Falle seiner Anwendung zur Straflosigkeit infolge fehlender Schuld geführt hätte. Durch das Abzielen auf diesen persönlichen Schuldausschließungsgrund wurde jedoch die Opferrolle S. s auch dann nicht in Frage gestellt, wenn die Angst - wie das Landgericht aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung angenommen hat - zu Unrecht behauptet worden war.

Beide Instanzen waren also der Auffassung:

1.) eine Notwehrlage bestand (also keine einvernehmliche Boxerei)
2.) es hätte mildere Mittel als einen Messerstich in den Hals gegeben
3.) die Notwehrüberschreitung war nicht die Folge von Verwirrung, Furcht oder Schrecken und daher zu bestrafen
4.) der Angeklagte nahm den Tod seines Angreifers zumindest billigend in Kauf, daher wurde er des versuchtem Totschlags und nicht nur gefährlicher oder schwerer KV schuldig befunden.

hand-werker
30-10-2015, 06:27
...Der BGH teilt also die Meinung, die auch Thuriel und ich hier vertraten, dass Sven G. zunächst, bei dem Angriff, tatsächlich Opfer und der Angreifer Täter war und erst durch die Überschreitung der durch Notwehr erforderlichen Verteidigungshandlung zum Täter und der Angreifer zum Opfer wurde.

...
Beide Instanzen waren also der Auffassung:

1.) eine Notwehrlage bestand (also keine einvernehmliche Boxerei)
2.) es hätte mildere Mittel als einen Messerstich in den Hals gegeben

...

das wurde doch hier im thread von keinem bestritten, oder? auch alex r. vertrat doch den standpunkt, dass der knackpunkt lediglich die Wahl des verteidigungsmittels war.

Gast
30-10-2015, 08:14
das wurde doch hier im thread von keinem bestritten, oder? auch alex r. vertrat doch den standpunkt, dass der knackpunkt lediglich die Wahl des verteidigungsmittels war.

Es gab hier noch diese, sich auf nicht näher bezeichnete juristische Fachzeitschriften berufende, Darstellung:



sachverhalt zwei - so deutlich näher an den gerichtlichen feststellungen: zwei angesoffene männergruppen treffen sich, kleinere gruppe hat 3 leute, größere hat 5. einer aus der größeren gruppe sucht stress, wurde vorher schon von seinen freunden von einem anderen typen weggezerrt. jetzt lässt sich einer aus der kleineren gruppe auf stress ein, kriegt vom stressmacher eine ab. nun kommt der bruder des niedergeschlagenen hinzu und will rache. kommt dem stressmacher recht, der will weiter kloppen. man steht sich in boxerhaltung gegenüber, die kumpels jeweils als zuschauer drum rum. der informatiker-bruder ist 10 cm größer und 20 kg schwerer als der stressmacher, hat aber zusätzlich noch ein messer versteckt, was er dem unbewaffneten stressmacher, nachdem er dessen ungelenk-besoffenen schlag ohne mühe ausgewichen ist, ohne vorankündigung gezielt in den hals rammt.
[...]
frage zwei: muss man bei sachverhalt zwei jurist sein, um zu verstehen, warum es für sowas knast gibt?

und die Weiterentwicklung:



Wie hier ja oben geschrieben wurde, sind im Prozess auch Informationen und Ermittlungsergebnisse aufgetaucht, die in der Presse nicht erwähnt wurden. Dazu gehört eben dass es kein Rush-Überfall war wo 5 Leute auf den Mann oder die Gruppe einstürmen, sondern man hat sich quasi zum Duell am OK-Corral verabredet und stand erst mal in Boxerhaltung voreinander rum und hat auf den Gong gewartet. Bei der Aktion ein Messer in der Hand verstecken und direkt durch den Hals ziehen ist ne ganz andere Nummer, als im Reflex ein Messer das man am Hals trägt zu ziehen und damit ungezielt zu fuchteln wenn im Dunklen 5 Gestalten auf einen zuspringen die gerade den Kumpel umgenietet haben. Das eine ist das Ermittlungsergebnis der Polizei, das andere die Version in der Presse.

die eher nach einer einvernehmlichen Schlägerei klingen, in der der infame Informatiker ein Messer zum Boxkampf einsetzte und damit IMO Zweifel begründen, dass überhaupt eine Notwehrsituation vorlag.

hand-werker
30-10-2015, 08:21
aah, okay. ich hatte das alles so verstanden, dass hier nur die wahl des mildesten mittels angezweifelt wurde.

Luggage
30-10-2015, 08:27
So ziemlich alle Fragen, die hier aufkamen, lassen sich doch durch aufmerksame Lektüre hiervon beantworten: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/

Insbesondere die Fallgruppen, die zur Einschränkung des Notwehrbefugnis führen (bis hin zur Versagung bei der Absichtsprovokation als Unterfall der provozierten Notwehrlage) sind benannt und umrissen. So kann auch eine Einschränkung bestehen, wenn der Ladendetektiv ersichtlich im Irrtum über tatsächlich fehlende Diebstahlsmerkmale zur Tat schreitet.

Alex R.
30-10-2015, 15:27
Wenn Du genügend waffenlose Abwehrtechniken gegen jeden erdenklichen Angriff auf Dich kennst, dann freut mich das einerseits für Dich, es zeigt aber auch, dass Du in Kategorien eines Menschen denkst, der sich mit dem Thema SV und/oder Kampfkunst/-sport theoretisch und praktisch auseinander gesetzt hat. Außerdem hast Du, wie ich gelesen habe, als Türsteher gearbeitet und persönliche Gewalterfahrung.
Hierbei vergisst Du, dass es verdammt viele Menschen gibt, die weder das eine noch das andere von sich behaupten können. Menschen, die absolut gar keine Techniken in dieser Hinsicht beherrschen und auch keine nennenswerte Gewalterfahrung haben. Und ich behaupte, dass diese Menschen zahlreicher sind als diejenigen Deines Schlages. Das Alter und die körperliche Verfassung dieser Menschen lasse ich hierbei sogar außen vor! Ist das jetzt mein Vorteil oder deren Nachteil? Verzeih die harschen Worte, aber wir leben immer noch in einer Gesellschaft, die mit Gewalt leben muss. Also sollte man sich zumindest geistig darauf einstellen. Wer sich da freiwillig in die Ecke setzt, die Ohren zuhält und Lalala ruft, muss sich nicht wundern, wenn er vorzeitig seinem Schöpfer gegenüber steht. Wer im Vertrauen auf Polizei und Rechtsstaat der Meinung ist, dass ihm niemals nie nicht irgendwas böses passiert, sollte dringend zum Arzt seiner Wahl gehen. Man hört es oft genug, man sieht es oft genug, aber wahrhaben will man es trotzdem nicht. Und wenn es einem dann selbst passiert, dann guckt man blöd aus der Wäsche, verfällt in Schockstarre und muss hinterher dringend zum Psychologen, sofern es ein hinterher gibt.

Über Gewalt die Nase zu rümpfen oder sie gar abzulehnen als wäre sie etwas Schlechtes ist furchtbar naiv. Sie gehört zum Menschen, ob es nun gefällt oder nicht. Sie wird von zuvielen Menschen genutzt, als das man sie negieren könnte.
Wie kann man etwas verneinen, was in einem steckt? Weil wir achso zivilisiert sind?

Ich denke, dass sich mit genügend Energie, Vorstellungsvermögen, Recherche von tatsächlichen Fällen und etwas Geduld ein seitenlanger Thread mit solchen Varianten erstellen lässt. V.a. aus Konstellationen, in denen der Angreifer dem Opfer körperlich deutlich überlegen ist, lässt sich da so einiges stricken. Mit Geduld und Spucke kann man so gut wie alles stricken.


Stelle Dir meinetwegen eine Frau von 60 kg in Bodenlage im Rear Naked Choke eines 120 kg schweren Vergewaltigers vor, der sie bis zur Bewusstlosigkeit würgen möchte, um sie dann zu fesseln und sein Vorhaben durchzuziehen. Die Frau hat ca. 10 Sekunden Zeit bevor, sie ohnmächtig wird. Ich würde dieser Frau zu nichts anderem raten, als - mit was auch immer sie greifen kann oder verfügbar hat – so schnell wie möglich auf alle vitalen Stellen des Angreifers zu zielen, die sie erreichen kann. Auf nichts anderes als auf vitale Stellen! Was nützt ihr hier ein Schnitt z.B. in den Unterarm des Angreifers, wenn ihr kurz danach die Lichter ausgehen, der Kerl anschließend in aller Ruhe seinen blutenden Arm verarztet und dann da weitermacht, wo er aufgehört hat? Hinzu kommt, dass Schnitte und Stiche, insbesondere in Extremitäten oder weniger empfindliche Körperregionen, in Extremsituationen, wo viel Adrenalin im Spiel ist, oft erst mit sehr großer Verzögerung bemerkt werden. Das kann ich sogar aus eigener Erfahrung sagen. Bis der Angreifer überhaupt Schmerz spürt, ist die Frau wahrscheinlich 3x "eingschlafen". (Hervorhebung von mir)
Sie kann nur benutzen, was verfügbar ist. :)
Zudem besteht in diesem Fall auch kein Vorsatz! Und das ist der entscheidende Unterschied. Wenn jmd in der Lage ist, ein Messer aus der Tasche zu holen und einsatzfähig zu machen, dann ist er im Kopf klar genug, um eben auch eine nicht-lethale Methode zuerst zu verwenden. Dein Beispiel würde auch nicht als Notwehr durchgehen, sondern eher als Notwehr-Exzess.

Zudem spreche ich vom mildesten Mittel. Ein Stich kann nicht das mildeste Mittel sein, niemals. Wohl aber kann er gerechtfertigt sein! Dafür gibt es dann den §33 STGB.

Klaus
30-10-2015, 15:44
Das mildeste wirksame Mittel durchaus. Wenn der plakative kräftige Mann ne Frau von hinten in nen RNC nimmt, dann hat sie keine 10 Sekunden, und dann bleibt unterhalb eines Stichs bzw. Schnitts nichts. Da kann man auch diskutieren ob ein Stich in den Arm nicht selbstgefährdend wäre (Crank->Genickbruch), und ein Schnitt in Bein oder Körper zwingend notwendig.

Da wir ja vom Fach sind, wenn ein sportlicher, kräftiger Mann der schlagen kann auf ein nicht kräftiges kleineres nicht trainiertes Opfer zugeht und nen Suckerpunch ins Ziel bringt ist Ende, egal ob es ein Mann oder ne Frau ist. Da wird es auch schwierig erst in den Arm zu stechen, den muss man erst mal treffen. Bei einem trainierten Mann der Schlägen ausweichen kann sieht das anders aus, aber den Arm würde ich auch da nicht anvisieren.

Die Angreifer sofort töten sehe ich als gerechtfertigt in dem Szenario des chinesischen "Doktors" in Italien vor einigen Jahren, wo vier mit Messern bewaffnete Räuber die gefesselte Familie bedroht haben. Dass er trotz überragender Fähigkeiten (ersten Angreifer entwaffnet und getötet, zweiten getötet, dritten schwer verletzt, vierter flieht) selbst schwer verletzt wurde zeigt, dass es in dem Fall nichts ist mit "sicher und überlegen".

Ob es gerechtfertigt ist das mit einer unbewaffneten Gruppe zu tun hängt vom Einzelfall ab. Wenn ich im Dunklen von 5 Mann überfallen werde und nix sehe (alt und nachtblind :/), dann muss ich so agieren dass ich die los werde. Bei ner Gruppe wo nur einer angreift, nicht schnell, im Hellen, könnte ich mir den auch so vom Leib halten. Im Zweifel wenn ich ins Hintertreffen und in Gefahr gerate würde es aber auch da irgendwann Richtung ernst gehen, dafür würde ich dann auch bis zum EuGH klagen wenn da einer meint ich hätte ja ...

oldtomtom
30-10-2015, 15:44
Zudem spreche ich vom mildesten Mittel. Ein Stich kann nicht das mildeste Mittel sein, niemals. Wohl aber kann er gerechtfertigt sein! Dafür gibt es dann den §33 STGB.


Im Rahmen der Notwehr geht es um das mildeste, zur Verfügung stehende Mittel. In dem Beispiel mit der 60 kg Dame und dem 120 kg Herrn bei der versuchten Vergewaltigung ist ein Stich, selbst wenn der tödlich ist, das mildeste Mittel.Das ist Notwehr, § 32 StGB. Dazu braucht man keinen § 33 StGB.

Luggage hat das Notwehrrecht umfassend dargelegt.Einfach seinen Beitrag zu jeder Frage erstmal lesen.

§ 33 StGB ist kein Rechtfertigugnsgrund, d.h dessen Prüfung/Anwendung erfolgt nicht auf der Ebene der Rechtswidrigkeit.Deine von mir vorstehend zitierte (Teil-) Aussage ist also falsch, AlexR. Inhaltlich widersprichst du dir selbst in diesem Post.

Thuriel
30-10-2015, 19:59
Luggage hat das Notwehrrecht umfassend dargelegt.Einfach seinen Beitrag zu jeder Frage erstmal lesen.


Ist in der Tat recht klar und auch für mich verständlich formuliert. Habe den Beitrag leider übersehen.

Gast
31-10-2015, 07:43
Ist das jetzt mein Vorteil oder deren Nachteil? Verzeih die harschen Worte, aber wir leben immer noch in einer Gesellschaft, die mit Gewalt leben muss. Also sollte man sich zumindest geistig darauf einstellen. Wer sich da freiwillig in die Ecke setzt, die Ohren zuhält und Lalala ruft, muss sich nicht wundern, wenn er vorzeitig seinem Schöpfer gegenüber steht. Wer im Vertrauen auf Polizei und Rechtsstaat der Meinung ist, dass ihm niemals nie nicht irgendwas böses passiert, sollte dringend zum Arzt seiner Wahl gehen. Man hört es oft genug, man sieht es oft genug, aber wahrhaben will man es trotzdem nicht. Und wenn es einem dann selbst passiert, dann guckt man blöd aus der Wäsche, verfällt in Schockstarre und muss hinterher dringend zum Psychologen, sofern es ein hinterher gibt.

Über Gewalt die Nase zu rümpfen oder sie gar abzulehnen als wäre sie etwas Schlechtes ist furchtbar naiv. Sie gehört zum Menschen, ob es nun gefällt oder nicht. Sie wird von zuvielen Menschen genutzt, als das man sie negieren könnte.
.

Jemand, der bei einem Angriff in Schockstarre fällt, wird sich wohl eher selten der Notwehrüberschreitung schuldig machen.



Sie kann nur benutzen, was verfügbar ist. :)


Ja, und wenn man ein Einhandmesser in der Tasche hat und man eine Hand frei hat, dann ist das verfügbar.



Zudem besteht in diesem Fall auch kein Vorsatz! Und das ist der entscheidende Unterschied.


Vorsatz bzgl. welchen Tatbestands?
Wenn jemand mit einem Messer auf einen anderen Menschen einsticht, dann weiß und will er wohl, dass der andere davon Löcher bekommt => vorsätzliche Körperverletzung.



Wenn jmd in der Lage ist, ein Messer aus der Tasche zu holen und einsatzfähig zu machen, dann ist er im Kopf klar genug, um eben auch eine nicht-lethale Methode zuerst zu verwenden.
.

1.) Ich kann ein Messer auch dann schon einsatzbereitmachen, wenn sich eine SV-Situation anbahnt, nicht erst, wenn der Angriff losgeht.

2.) Mit welcher nicht-letalen Methode kann denn eine 60-Kilo Frau einen RNC durch einen 120-kg-Mann sicher beenden?

Alex R.
31-10-2015, 16:28
Im Rahmen der Notwehr geht es um das mildeste, zur Verfügung stehende Mittel. In dem Beispiel mit der 60 kg Dame und dem 120 kg Herrn bei der versuchten Vergewaltigung ist ein Stich, selbst wenn der tödlich ist, das mildeste Mittel.Das ist Notwehr, § 32 StGB. Dazu braucht man keinen § 33 StGB. Garantiert nicht. Aber belassen wir es an der Stelle einfach, da ich das augenscheinlich einfach komplett anders sehe. Ich weigere mich einfach zu glauben, dass ein sofortiger letaler Angriff (also ein Stich und tot) das mildeste Mittel darstellen kann. Mag sein, dass Gerichte das anders sehen, ich tue es nicht.


Luggage hat das Notwehrrecht umfassend dargelegt.Einfach seinen Beitrag zu jeder Frage erstmal lesen. Ohne ihn angreifen zu wollen: Aber wer ist Luggage? Ein Anwalt? Ein Richter? Ein Jura-Student? Oder doch "nur" ein Forenmitglied? Sein Beitrag ist sachlich und gut, daran rüttel ich gar nicht. Aber einige seiner Aussagen passen einfach nicht zu Dingen, die ich erlebt habe.


§ 33 StGB ist kein Rechtfertigugnsgrund, d.h dessen Prüfung/Anwendung erfolgt nicht auf der Ebene der Rechtswidrigkeit.Deine von mir vorstehend zitierte (Teil-) Aussage ist also falsch, AlexR. Inhaltlich widersprichst du dir selbst in diesem Post.
Dann ist es eben keine Überschreitung der Notwehr, sondern ein rechtfertigender Notstand (§34 STGB). Mein Fehler, war ein §-Verwechsler.

Außerdem kann meine Aussage gar nicht falsch sein, da sie meine Meinung ist und keinen Anspruch auf Richtigkeit erhebt. Es steht jedem und jeder frei, seine eigene Meinung zu haben. Selbst die Paragrafen der Gesetzbücher sind interpretierbar. Machen echte Juristen ja auch. Warum darf ich das nicht?

Und wo widerspreche ich mir selbst? Weil ich zwischen gerechtfertigt und ungerechtfertigt unterscheide? Weil ich immer noch eine schwache Linie zwischen nötig und notwendig ziehe? Weil ich der Meinung bin, dass ein sofortiger Angriff letaler Natur (= billigende Inkaufnahme des Todes) nicht gerechtfertigt sein kann?
Was ist daran falsch zu verstehen? Jeder darf sich wehren. Aber niemand darf jemand anderen bewusst abstechen und dann mit Notwehr kommen. Wenn es durch die Notwehr zum unbeabsichtigten Tod kommt, sieht das etwas anders aus. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem Versuch sich zu befreien und dabei zu töten sowie dem sofortigen Angriff mit Todesabsicht (ein einziger Stich direkt in vitale Punkte).


Jemand, der bei einem Angriff in Schockstarre fällt, wird sich wohl eher selten der Notwehrüberschreitung schuldig machen. Gerade diese neigen allerdings dazu, weil sie auf einmal aus der Schockstarre kommen und dann wie ein Berserker alles wegklatschen, was kommt und dabei kein Ende mehr kennen.


Ja, und wenn man ein Einhandmesser in der Tasche hat und man eine Hand frei hat, dann ist das verfügbar.
Wer ein Messer aus der Tasche ziehen kann, denkt klar genug um zu erkennen, dass er die Situation nur noch mit Waffengewalt unter Kontrolle bekommt. Also kann er nicht im Affekt handeln, da es sich immer noch um einen bewußten Akt handelt. Anders sieht es aus, wenn z.B. das Messer da irgendwo rumliegt, man blind danach greift und zusticht.


Vorsatz bzgl. welchen Tatbestands?
Wenn jemand mit einem Messer auf einen anderen Menschen einsticht, dann weiß und will er wohl, dass der andere davon Löcher bekommt => vorsätzliche Körperverletzung. Und damit wäre es keine Notwehr. Aber mir ging es dabei um einen anderen Aspekt, nämlich dem blinden greifen. Wenn ich panisch und blind nach irgendwas greife um mir den Angreifer vom Hals zu schaffen, dann nutze ich das, was ich als erstes in die Finger bekomme. Wenn dies ein Messer ist, dann steche ich eben zu. Ist es ein Stück Holz, schlage ich zu. Ich will aber eigentlich gar keine Löcher in den anderen machen -> kein Vorsatz!



1.) Ich kann ein Messer auch dann schon einsatzbereitmachen, wenn sich eine SV-Situation anbahnt, nicht erst, wenn der Angriff losgeht. Ziehe ich das Messer bewusst aus meiner Tasche, dann zeige ich den Willen, es benutzen zu wollen. Damit wäre zumindest der Vorsatz schon gegeben.


2.) Mit welcher nicht-letalen Methode kann denn eine 60-Kilo Frau einen RNC durch einen 120-kg-Mann sicher beenden?
Schau, wir eiern hier sowieso um den heißen Brei. Ergo ist es vorstellbar, dass der 120-kg-Mann nach einem Schnitt (kein Stich!) in den Oberarm/Oberschenkel von der Frau ablässt.
Es hat genug versuchte Vergewaltigungen gegeben, die allein dadurch verhindert wurden, dass die Frau einfach und simpel Krach gemacht hat, bzw durch einen beherzten Tritt in die Weichteile soviel Zeit gewonnen hat, weglaufen zu können. Warum sollte also das Ganze mit einem Messer nicht klappen? Warum sollte ein Messereinsatz selbst in so einem Fall sofort letal sein müssen?

hand-werker
31-10-2015, 17:07
@ alex: bisher hatte ich deine beiträge auch so verstanden, dass es sich schon um eine juristische betrachtungsweise (ok, die eines laien) handelt, nicht um eine persönliche meinung. ich bin auch kein jurist, aber hast du den von mir im beitrag #132 verlinkten artikel mal gelesen? 3 jugendliche räuber vs. 1 mann, dieser zieht ein messer, zeigt es, da das nicht reicht sticht er einem angreifer direkt ins herz. kommentar des staatsanwalts: kann man so machen, kein problem.

Gast
31-10-2015, 17:29
Ohne ihn angreifen zu wollen: Aber wer ist Luggage? Ein Anwalt? Ein Richter? Ein Jura-Student? Oder doch "nur" ein Forenmitglied? Sein Beitrag ist sachlich und gut, daran rüttel ich gar nicht. Aber einige seiner Aussagen passen einfach nicht zu Dingen, die ich erlebt habe.


Luggage ist ein langjähriges Forenmitglied, das in dem von Dir moderierten Unterforum zahlreiche sehr lesenswerte und kompetente Beiträge zu Rechtsthemen verfasst hat.
In seinem Profil steht unter Beruf "Jurist" und seine Beiträge lassen bei mir keinen Zweifel, dass er das ist.
Ob sein Spezialgebiet Strafrecht ist, weiß ich nicht, aber er gehört innerhalb des KKB sicherlich zu denen mit dem meisten Wissen diesbezüglich.´
Erwähnenswert sind auch noch Sokolo (damals noch Student) und Finaljustice (der auch den Eindruck hinterlässt, er sei Volljurist).
Im Gegensatz zu machen Usern, die mit Einleitungen wie "ich hab meinen Rechtsprofessor gefragt..." teilweise haarsträubenden Unsinn verfassen, in der Hoffnung, das würde durch das argumentum ad verecundiam geglaubt.



Dann ist es eben keine Überschreitung der Notwehr, sondern ein rechtfertigender Notstand (§34 STGB). Mein Fehler, war ein §-Verwechsler.


Sowohl dem Artikel von Luggage , wie auch dem von Dir hier angeführten Paragraphen, kann man entnehmen, dass bei rechtfertigendem Notstand eine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattfindet:

"handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt"

§34 StGB (http://dejure.org/gesetze/StGB/34.html)


Also, zunächstmal ist es so, dass es dem Juristen die Zehennägel aufrollt, wenn selbsternannte Spezialisten selbstverliebt von der "Verhältnismäßigkeit" in der SV skandieren. Denn rechtswissenschaftlich bedeutet das, dass es gilt die betroffenen Interessen abzuwägen, also welches Gut wird durch die Verteidigungshandlung preisgegeben und wie steht es im Verhältnis zu dem, dass angegriffen wurde. Diese Überlegung gibt es aber im §32 StGB nicht, sondern ist eines der Kriterien, die den §32 vom §34 (Notstand) unterscheiden. Durch §34 kann nur gerechtfertigt sein, wer so gehandelt hat, dass es einer positiven Rechtsgüterabwägung genügt. Notwehr (§32) ist sozusagen ein Spezialfall des Notstandes (§34 StGB, §§228, 904 BGB). Beim Notstand darf ganz allgemein ein Gut beeinträchtigt werden, um ein anderes zu Schützen, die zeitlichen Grenzen sind sehr viel weiter, als beim §32, außerdem können Eingriffe in Güter völlig unbeteiligter Dritter gedeckt sein, was beim §32 niemals der Fall sein kann. Beim Notstand ist also der Einzugskreis der Betroffenen größer, die Eingriffskriterien dafür aber enger. Bei der Notwehr, die sich nur gegen Güter des Angreifers selbst richten darf sind die Voraussetzungen deutlich enger, dafür aber die Eingriffsbefugnis in die Güter deutlich schärfer (eben weil keine Abwägung der betroffenen Güter erfolgt). Das wird damit begründet, dass der Angreifer selbst zu vertreten hat, dass seine Güter Schaden nehmen und ihn so eine erhöhte Duldungspflicht trifft.
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f16/beitrag-luggage-thema-recht-sv-78769/


§34 StGB ist also nicht geeignet, die Abwendung einer Vergewaltigung durch Tötung zu rechtfertigen, da das angegriffene Rechtsgut niemals das Recht auf Leben des Angreifers wesentlich überwiegt.






Und damit [mit dem Willen, den anderen zu Verletzen] wäre es [das Einstechen auf den anderen mit dem Messer, das den Tatbestand vorsätzlichen KV erfüllt] keine Notwehr.


Einfügungen in [] von mir

Doch, wenn die Körperverletzung durch Notwehr gerechtfertigt ist.
Eine Körperverletzung ist nicht automatisch rechtswidrig, denn die kann eben durch Notwehr oder Einverständnis (Arzt) gerechtfertigt sein.

Gast
31-10-2015, 19:00
Ziehe ich das Messer bewusst aus meiner Tasche, dann zeige ich den Willen, es benutzen zu wollen. Damit wäre zumindest der Vorsatz schon gegeben.


das ist egal, wenn ich kein anderes milderes Mittel habe, dann ist der Vorsatz wurscht.
(Solange der Verteidigungswille andere Motive überwiegt)
Wenn ich eines habe, dann ist IMO fehlender Vorsatz auch wurscht, meine Handlung ist durch Notwehr nicht gerechtfertigt und ich falle nur auf eine andere Straftat zurück.
Wenn kein Tötungsvorsatz angenommen wird, von (versuchtem) Totschlag auf KV, wenn kein Verletzungsvorsatz angenommen wird, auf fahrlässige KV.
Im Falle des Ablebens, wenn kein Tötungsvorsatz gesehen wird, von Totschlag auf KV mit Todesfolge,
wenn auch kein Verletzungsvorsatz gesehen wird, auf fahrlässige Tötung.

Nur wenn ich eine gegebene Notwehr glaubhaft aus Panik ("Verwirrung, Furcht oder Schrecken") überschreite, dann bleibe ich straffrei.
In Panik kann ich aber auch verfallen, wenn ich ein Messer in der Hand habe, z.B. um damit zu drohen oder einen Apfel zu schälen und plötzlich finde ich mich in einer Situation wieder, mit der ich nicht gerechnet habe.
"Everybody has a plan, until they got hit"

(Eine Notwehrüberschreitung aus (IMO durchaus verständlicher) Wut entschuldigt eine Notwehrüberschreitung nicht.)





Schau, wir eiern hier sowieso um den heißen Brei. Ergo ist es vorstellbar, dass der 120-kg-Mann nach einem Schnitt (kein Stich!) in den Oberarm/Oberschenkel von der Frau ablässt.
Es hat genug versuchte Vergewaltigungen gegeben, die allein dadurch verhindert wurden, dass die Frau einfach und simpel Krach gemacht hat, bzw durch einen beherzten Tritt in die Weichteile soviel Zeit gewonnen hat, weglaufen zu können. Warum sollte also das Ganze mit einem Messer nicht klappen? Warum sollte ein Messereinsatz selbst in so einem Fall sofort letal sein müssen?

Es geht nicht nur darum, was wahrscheinlichen, sondern was sicheren Erfolg verspricht.
Insbesondere muss Frau nicht weglaufen.
Das Schneiden in den Arm kann erfolgreich sein, wenn nicht, vergehen wertvolle Sekunden bis zur Bewusstlosigkeit.
Wäre ich der Angreifer und hätte jemand im RNC, der mir mit dem Messer in den Arm schneidet, dann würde ich den möglichst nicht loslassen, denn der hat ja ein Messer ist wahrscheinlich nicht gut auf mich zu sprechen und da gebe ich nicht meine überlegene Position auf.
Im Gegenteil ich würde versuchen, den möglichst schnell kampfunfähig zu machen.
Wie durchführbar, der von Klaus oder auch mal von Bas Rutten (RNC und der andere kommt mit Fingerstich zum Auge) angesprochene Genickbruch ist, weiß ich nicht.
Wenn mich ein körperlich deutlich überlegener Gewaltverbrecher mit üblen Absichten im RNC hätte und ich hätte zwei Knöpfe, auf dem einen steht “sofortiger Tod“ auf dem anderen steht “starker Schmerz“ dann
würde ich wohl ersteren drücken.
Wäre noch einer da, auf dem "sofortiges und längerfristiges Erschlaffen aller Skelett-Muskeln" steht, würde ich diesen Drücken, denn das würde ebenso sicheren Erfolg versprechen und mein Hauptziel ist das sichere Beenden des Angriffs, nicht der Tod des Angreifers.

so schnell kann das gehen (https://youtu.be/ti-ZpGL0v0U?t=22s)


Das ist nun auch nur meine Meinung, wie das dann der Richter sieht, weiß ich nicht und es kann sein, dass ich dann wegen Totschlag einfahre.




Nochmal aus dem Fall weiter vorne (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=182d0605626168ff1fee6cd16922eb26&nr=33782&pos=0&anz=1)

Zur Erinnerung: Typ mit zwei Bajonetten verteidigt sich gegen den Angriff eines Typen mit Holzlatte, abseits verteidigt sich sein Kumpel, der mit vier Wurfmessern ausgerüstet ist, gegen den Kumpel des Holzlattentyps, der mit einer Eisenstange bewaffnet ist.
Verstärkung für die beiden Angreifer ist erwartbar.
Der Holzlattentyp versucht mit der Holzlatte die Messer aus der Hand zu schlagen, fällt hin und verliert dabei die Holzlatte,
Beim Versuch wieder aufzustehen, sticht im der Bajonetttyp ein Messer gezielt mit Kraft in die linke Brustseite und lässt dann von ihm ab

Auch hier wurden mögliche mildere Mittel diskutiert, das Aufsetzen der Messerspitze auf die Brust (wie man es aus Mantel und Degenfilmen kennt) oder das Zuschlagen mit dem Bajonettgriff:



b) Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger meinen, der Tatrichter
hätte sich bei der Erörterung milderer Verteidigungsmittel damit auseinandersetzen
müssen, ob es nicht ausreichend gewesen wäre, wenn der Angeklagte
dem Angreifer die Spitze seines Bajonettes auf den Körper aufgesetzt hätte.
Der Generalbundesanwalt vermisst Erörterungen zum Einsatz der Stichwaffe
als Schlagwerkzeug. Mit dem Griff des Bajonettes hätte der Angeklagte nach
Auffassung des Generalbundesanwalts wuchtige Schläge zur Abwehr ausführen
können.

Der BGH verneint dies in seiner Entscheidung:



Ob die Verteidigungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 StGB erforderlich
ist, hängt im Wesentlichen von Art und Maß des Angriffs ab. Dabei darf
sich der Angegriffene grundsätzlich des Abwehrmittels bedienen, das er zur Hand hat und das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt.
Das schließt auch den Einsatz lebensgefährlicher Mittel ein.
Zwar kann dieser nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen und darf auch nur das letzte Mittel der Verteidigung sein; doch ist der Angegriffene nicht genötigt, auf die Anwendung weniger gefährlicher Verteidigungsmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft ist. Auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang braucht er sich nicht einzulassen (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2002, 140 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben durfte der Angeklagte sich mit einem wuchtigen
Messerstich verteidigen. Das Aufsetzen einer oder beider Bajonettspitzen auf den Körper des sich wieder aufrichtenden - wenn auch zu diesem Zeitpunkt
unbewaffneten - Angreifers hätte nach den getroffenen Feststellungen den Angriff nicht zweifelsfrei endgültig beendet.

Wie oben steht, kann so etwas nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein, und
es kommt auf die konkrete Situation an. Auch wurde hier nicht unmittelbar zugestochen, sondern vorangegangen mit den Messern gedroht und durch das Vorverhalten war klar, dass die beiden Messertypen keine Auseinandersetzung suchten, sondern viel mehr in Ruhe gelassen werden.
Wie man an dem Fall Sven G. sieht, kommt man mit einem schnellen, potentiell letalen Angriff nicht so einfach durch und sitzt dann schnell mal ein paar Jahre im Gefängnis.
Aber ich halte das (Meinung) nicht für vollkommen ausgeschlossen.

(Natürlich sind wir hier in einem öffentlichen Forum und wenn Du der Ansicht bist, gewaltbereite Dummdödeln oder Angstbeißer könnten durch meine diesbezüglichen Beiträge ermutigt werden, sich mit Messern zu bewaffnen und in Konfliktsituationen schnell mal zuzustechen, dann kannst Du meine diesbezüglichen Beiträge löschen, oder ich mach es selbst.)

oldtomtom
31-10-2015, 19:40
Alex R:
Luggage ist Jurist, ich bin's auch, und hier haben sich noch weitere Juristen und/oder Jura-Studenten (Suriage, Aruna?) geäußert.
Mit Verlaub, du verbreitest Unsinn. Du kannst Gesetze auslegen wie du willst. Maßgeblich ist, wie es die Gerichte, und in letzter Instanz im ordentlichen Rechtszug eben der BGH auslegen.

Beispiel gefällig: ich halte den Erwerb von Koks nicht für strafbar und laß mich mit ein paar Gramm (nur zum Eigenbedarf bestimmt) erwischen. Ich halte das nicht für strafbar. Geil, was die Gerichte da mit mir machen würden.

Ich empfehle dir: Geh in eine Bibliothek, hol dir Kommentare zum StGB, zB von Fischer, von Lackner oder den Schönke/Schröder, und lies einfach mal die Kommentierungen zu den §§ 32 - 35 StGB nach.
Mir wird' zu blöd zu dem Thema noch weiter was zu schreiben.

Alex R.
31-10-2015, 23:54
@ alex: bisher hatte ich deine beiträge auch so verstanden, dass es sich schon um eine juristische betrachtungsweise (ok, die eines laien) handelt, nicht um eine persönliche meinung. Sind Betrachtungen einer Sache nicht immer auch Meinungen?


Alex R:
Luggage ist Jurist, ich bin's auch, und hier haben sich noch weitere Juristen und/oder Jura-Studenten (Suriage, Aruna?) geäußert.
Mit Verlaub, du verbreitest Unsinn. Du kannst Gesetze auslegen wie du willst. Maßgeblich ist, wie es die Gerichte, und in letzter Instanz im ordentlichen Rechtszug eben der BGH auslegen.Und nur weil Gerichte bisher so entschieden haben, muss das nicht zwangsläufig für den Rest der Zeit gelten, ich erinnere an den Exkurs über fragwürdige Entscheidungen von Richtern.
Und wieso sollte es Unsinn sein, eine sofortige Tötung abzulehnen? Nur weil ich etwas theoretisch tun darf, muss ich es nicht zwangsläufig tun, zumal das Ganze (zumindest mir) viel zu wacklig ist, als das ich es darauf anlegen würde.
Jetzt nehmen wir mal kurz an, irgendeiner vertraut auf eure Aussagen sowie die dazu passenden Urteile und benutzt im SV-Fall sofort tödliche Gewalt, weil er das ja darf, zumindest sagt das Gesetz das so. Dummerweise gerät er an den "falschen" Richter und wandert in den Knast. Und nu?

Die ganze Nummer ist mir persönlich zu theoretisch als das ich mich im Ernstfall darauf verlassen wollte. Ich benutze lieber gar keine Waffe (mit dem entsprechenden Risiko), als für den Einsatz eben dieser schlussendlich doch verknackt zu werden.
Da lege ich das Gesetz doch lieber etwas enger aus. Damit bin ich bisher auch ganz gut gefahren, also was kann daran Unsinn sein? Das ich etwas ablehne, obwohl ich es darf (zumindest theoretisch)?

Und mal ganz von der Tatsache abgesehen das ein Eintrag in das Feld "Beruf" in einem Forum nicht zwangsläufig der Wahrheit entsprechen muss, habe ich an keinem eurer Beiträge etwas auszusetzen.



Ich empfehle dir: Geh in eine Bibliothek, hol dir Kommentare zum StGB, zB von Fischer, von Lackner oder den Schönke/Schröder, und lies einfach mal die Kommentierungen zu den §§ 32 - 35 StGB nach.
Mir wird' zu blöd zu dem Thema noch weiter was zu schreiben.
Darf ich mich nicht auf mein eigenes Empfinden verlassen? Darf ich nicht sagen, dass gewisse Dinge meiner Meinung nach nicht gehen? Wenn Richter und Staatsanwälte das anders sehen, ist das ihr gutes Recht.
Trotzdem behalte ich weiterhin ein Problem mit der Tatsache, dass hier ein sofortiger tödlicher Angriff als gerechtfertigt betrachtet wird. Mag an meiner moralischen Einstellung liegen, aber es geht mir einfach quer den Hals runter, wenn ich sowas lese. Mag sein, dass Gerichte so entscheiden, mag sein, das Staatsanwälte das gutheißen.

Versteht mich nicht falsch, wenn eine Tötung in einer SV-Situation passiert (also ein Unfall oder eben die Ultima Ratio nach diversen Abwehren) dann ist das eben so. Aber direkt und sofort, ohne zu zögern, ohne vorherige Abwehrversuche? Rausholen und zack? Nur weil der andere theoretisch stärker/brutaler ist als ich?

Wie gesagt, wenn da die Gerichte anderer Meinung sind, bitte. Muss ich ja nicht gutheißen, aber akzeptieren.
Ich persönlich war noch nie in so einer Situation und hoffe das es immer so bleiben wird. Ich habe mich mit genug Leuten gehauen, die meisten davon waren deutlich größer und schwerer als ich (kein Wunder, bin ja auch nur knapp über 1,70m). Trotzdem hatte ich nie das Gefühl, mich dringend mit einer Waffe verteidigen zu müssen. Nicht mal Handschuhe hab ich verwendet, wenn es dienstlich rund ging.

Klaus
01-11-2015, 00:23
Es sagt doch keiner dass Du das tun "musst", Du dürftest nur - wenn die Randbedingungen stimmen, und meist auch wenn man Zeugen hat. Der von mir erwähnte Chinese war der Extremfall, der *musste* sofort Fakten schaffen gegen 4 Mann mit Messer, am Ende lag er aber trotzdem auf der Treppe und konnte nicht mehr. Aber er hat überlebt, und die Familie auch. Jemand der körperlich extrem unterlegen ist, hat vielleicht nur eine Chance, und es passiert ja öfter mal dass Leute einen Stich in den Arm oder woanders hin wo es nur ne Fleischwunde ist ignorieren. Wenn man das als trainierter Mann vermeidet, super, aber auch da muss man seinen Instinkt machen lassen.

Eistee
02-11-2015, 00:55
Darf ich mich nicht auf mein eigenes Empfinden verlassen? Darf ich nicht sagen, dass gewisse Dinge meiner Meinung nach nicht gehen? Wenn Richter und Staatsanwälte das anders sehen, ist das ihr gutes Recht.
Trotzdem behalte ich weiterhin ein Problem mit der Tatsache, dass hier ein sofortiger tödlicher Angriff als gerechtfertigt betrachtet wird. Mag an meiner moralischen Einstellung liegen, aber es geht mir einfach quer den Hals runter, wenn ich sowas lese.
Du bist nicht der einzige, der das Notwehr-Recht für zu weitgehend hält. Wenn Du in den Kommentaren nachlesen würdest, die genannt wurden, würdest Du auch zahlreiche Stimmen finden, die das Notwehr-Recht in Deinem Sinne einschränken wollen. Vielleicht wird es das auch eines Tages. Ich persönlich finde ganz gut, daß man in einer Notwehr-Situation, also wenn man angegriffen wird, mit der Verteidigung nicht zimperlich zu sein braucht, bzw. nicht groß darüber nachdenken muß, ob das gewählte Mittel noch angemessen ist, sofern es nur das mildeste Mittel ist. Wenn man zu lange nachdenkt, ist es nämlich unter Umständen für die Verteidigung zu spät.
Insofern finde ich richtig, daß jemand, der sich verteidigt, eher nicht bestraft wird, wenn er nur das mildeste Mittel wählt, daß ihm für die Verteidigung zur Verfügung steht.
Das bedeutet nicht, daß niemand auf die Angemessenheit achten sollte. Es ist sogar vorbildlich, wenn jemand das in einer Notwehr-Situation noch schafft und das auch umsetzt. Die Straffreiheit trotz fehlender Angemessenheit ist wohl für diejenigen gedacht, die eigentlich angemessen handeln wollen, es aber wegen der Besonderheit der Situation nicht mehr schaffen. Und es ist auch eine Abschreckung für den Angreifer: "Paß auf, wenn Du jemanden angreifst, kann es Dir passieren, daß dieser sich in einer Weise wehrt, die Deine Rechtsgüter nicht berücksichtigt, und er wird noch nichtmal dafür bestraft. Also überleg' es Dir gut, ob Du wirklich angreifen willst. Besser, Du läßt es."

Klaus
02-11-2015, 09:44
Eben. Diese Rechte stammen aus einer Zeit in der es hiess "Du *hast* keinen körperlich anzugreifen, weder um einen 'Standpunkt' darzulegen, noch um jemandem was 'wegzunehmen' was Du willst". Heute leben wir in einer Zeit in der sich 80 Millionen Facebook-Nutzer echauffieren dass ihr Staat sich tatsächlich mit einem Geheimdienst gegen Terroristenzellen versucht zu schützen (ineffektiv und schlecht ausgeführt aber nötig).

Gast
02-11-2015, 10:04
Eben. Diese Rechte stammen aus einer Zeit in der es hiess "Du *hast* keinen körperlich anzugreifen, weder um einen 'Standpunkt' darzulegen, noch um jemandem was 'wegzunehmen' was Du willst".

Nur weil es in einer Rechtsordung verboten ist, jemanden anzugreifen, ist es noch lange nicht erlaubt, gegen das eigentliche Gewaltmonopol des Staates zu verstoßen, und den Angriff selbst abzuwehren und die Rechte des Angreifers zu verletzen.
Bei uns ist das so und ich finde das in Ordnung.


Ein Blick in die Historie zeigt, dass das Recht auf Notwehr nicht zu jeder Zeit selbstverständlich war. Einer der einschneidendsten, am intensivsten untersuchten und dokumentierten Fälle von Notwehr mit tödlichem Ausgang für den Angreifer ereignete sich 1805 im damaligen Schlesien: ein einschlägig bekannter und dem Strafvollzug zuvor entflohener Räuber namens Exner starb beim versuchten Einbruch in eine einsam gelegene Mühle durch einen Messerstich des anwesenden Müllers. Das preußische Landrecht enthielt infolge des geistigen wie juristischen Absolutismus des preußischen Obrigkeitsstaates keine klaren Festlegungen über das Recht auf Notwehr. Im Deutschland jener Zeit war die Anerkennung der Notwehr in den meisten Fällen ganz in das Ermessen der verhandelnden Richter oder in die Gnade der jeweiligen Landesherren gelegt. Daher musste in einem langwierigen Prozess geklärt werden, inwieweit in diesem besonderen Einzelfall das Recht auf Notwehr angewandt werden konnte. Der nachfolgende Prozess um den Tod des Räubers Exner führte nach längerer Dauer unter dem Druck der Öffentlichkeit und der äußeren Verhältnisse (vor allem der Französischen Revolution) eine intensive, kontrovers geführte Diskussion unter den führenden Rechtsgelehrten der Zeit herbei, die schließlich in die noch heute gültige Formulierung der Notwehr im deutschen Recht mündete. Dieser Fall war so bedeutend und hatte schon seinerzeit so weitreichende Konsequenzen, dass er bereits in den „Neuen Pitaval“ Aufnahme fand. Die Befürworter eines verbrieften Rechtes auf Notwehr verwiesen auf die Abwesenheit der Obrigkeit in Notwehrfällen und postulierten die noch heute gültigen bürgerlichen Rechte und Regularien. Die Gegner betonten die Möglichkeit des Missbrauchs und die Verletzung des staatlichen Gewaltmonopols. Die Diskussion darüber dauerte bis in die jüngste Zeit an;

Gast
02-11-2015, 10:44
Sind Betrachtungen einer Sache nicht immer auch Meinungen?


Ein Vermutung über eine Sache oder Sachlage mag eine Meinung sein, unterscheidet sich allerding von dem Ausdruck einer persönlichen Einstellung:
Wenn jemand sagt:


"Ich fände es schön, wenn 2+2=5"

Dann ist das der Ausdruck einer persönlichen Einstellung (Schönheitsempfinden). Die ist jetzt nicht grundsätzlich richtig oder falsch, ich könnte lediglich entgegnen, dass ich die gleiche oder eine andere Einstellung habe und dies eventuell begründen.
Wenn nun jemand allerdings sagt:


"2+2=5"

dann ist das eine Vermutung über eine Sachlage und (im Kontext der natürlichen Zahlen) offensichtlich falsch.
Dies kann man dann auch mit Recht als Unsinn bezeichnen.

Klaus
02-11-2015, 11:10
Nur weil es in einer Rechtsordung verboten ist, jemanden anzugreifen, ist es noch lange nicht erlaubt, gegen das eigentliche Gewaltmonopol des Staates zu verstoßen, und den Angriff selbst abzuwehren und die Rechte des Angreifers zu verletzen.

Bei uns ist das so und ich finde das in Ordnung.

Das war jetzt Trollen, oder ? Es mag zwar vor der Existenz des Rechtsstaats nicht entschieden gewesen sein was man darf, nach 1805 aber offenbar schon. Ich kann mich zum Glück mit grauhaarigen grinsenden Italienern unterhalten, wenn jemand meint diskutieren zu müssen dass er das Recht hat jeden anzugreifen den er will, und keiner hat irgendwelche Rechte zurückzuhauen.

KAJIHEI
02-11-2015, 12:48
Nur mal so als lockerflockige Randbemerkung : Juristen sind die Herrschaften die am wenigsten Kritik vertragen. Sie haben halt recht.:-§
Vollkommen unabhängig davon ob in vergleichbar gelagerten Fällen anders geurteilt wurde, basierend auf den gleichen Paragraphen, Kommentierungen etc.
Ihre Meinung ist absolut.
Wenn aber jeder Jurist recht hat und sich die Ergebnisse aber massiv bei gleicher Ausgangslage unterscheiden...;)
So , jetzt hohle ich meinen Regenschrim heraus und lasse das Unwetter über mich ergehen...:)

Klaus
02-11-2015, 13:02
http://orig06.deviantart.net/d84a/f/2012/343/3/7/sith_codex_by_ichliebeanime-d5njp2b.png

Eistee
02-11-2015, 17:04
Wenn nun jemand allerdings sagt:


"2+2=5"

dann ist das eine Vermutung über eine Sachlage und (im Kontext der natürlichen Zahlen) offensichtlich falsch.
Dazu erstmal ein alter Witz:

Ein Schüler wird gefragt: "Wieviel ist 2 + 2?" Antwort: "4".

Ein Mathematiker wird dasselbe gefragt. Er geht weg, fängt an zu rechnen, kommt nach zwei Stunden wieder und sagt: "4".

Einem Juristen wird dieselbe Frage gestellt. Er antwortet: "Unter gewissen Umständen und vorbehaltlich einer genaueren Prüfung '4' - manchmal vielleicht zehn Prozent mehr oder weniger - aber im Normalfall '4'."

Einem Wirtschaftprüfer wird ebenfalls die Frage gestellt. Er fragt zurück: "Was wollen Sie denn, daß dabei herauskommt?"
Man muß sich klarmachen, daß es in der Juristerei nicht nur "richtig" und "falsch" gibt, sondern dazwischen zusätzlich noch Zwischenstufen wie "gut vertretbar", "gerade noch vertretbar" und "nicht mehr vertretbar". Weil man die rechtlichen Wertungen nicht exakt vornehmen kann.
"Falsch" ist etwas, wenn es dem klaren Wortlaut des Gesetzes widerspricht (und das Gesetz auch nicht verfassungswidrig ist).
"Richtig" ist etwas, wenn es dem klaren Wortlaut des Gesetzes entspricht (und das Gesetz auch nicht verfassungswidrig ist).
So einen "klaren Wortlaut" gibt es aber nicht immer, und kann es auch nicht geben. Dann kommt es zu Auslegungen und Wertungen, die dann weniger präzise sind. Hier können unterschiedliche Meinungen vertreten werden. Ein Jurist wird dann sagen: "Ich stimme mit der Auslegung von Richter XY zwar nicht überein, aber sie ist vertretbar."
Auch die Regelungen über die Notwehr sind stark auslegungsbedürftig. Deshalb kommt es hier zu Unsicherheiten. Das spricht aber nicht gegen das juristische System insgesamt.

Umgekehrt: Wenn hier jemand etwas vertreten hat, das nicht der Meinung eines anderen entspricht, das aber nicht wirklich "falsch" ist (s.o.), sondern sich im Rahmen von "vertretbar" bewegt, dann wäre es innerhalb des juristischen Systems falsch, es als "Unsinn" zu bezeichnen.

Tja, schon nicht so einfach, was? :D

Gast
02-11-2015, 19:48
Umgekehrt: Wenn hier jemand etwas vertreten hat, das nicht der Meinung eines anderen entspricht, das aber nicht wirklich "falsch" ist (s.o.), sondern sich im Rahmen von "vertretbar" bewegt, dann wäre es innerhalb des juristischen Systems falsch, es als "Unsinn" zu bezeichnen.


und, wie war's?

Luggage
07-11-2015, 06:43
Ohne ihn angreifen zu wollen: Aber wer ist Luggage? Ein Anwalt? Ein Richter? Ein Jura-Student? Oder doch "nur" ein Forenmitglied?

Spielt das denn eine Rolle, wenn dir sämtliche höchstrichterliche, gefestigte Rechtsprechung inklusive aller Lehrbücher egal sind und du die Dogmatik der §§ 32ff. StGB nach deinem Gutdünken neu definierst? Mehr Autorität als das habe ich sicher nicht zu bieten :D

Du weißt ja wie das mit Meinungen ist... Du kannst auch der Meinung sein, dass alle anderen Menschen nur in deinem Kopf existieren und du in Wirklichkeit ein träumender Seestern bist - wenn du aber wissen willst, was man im Deutschland rechtlich zu erwarten hat, wenn man jemanden verletzt, ist es ganz vernünftig, sich an den genannten Regeln zu orientieren.

Alex R.
07-11-2015, 12:27
Spielt das denn eine Rolle, wenn dir sämtliche höchstrichterliche, gefestigte Rechtsprechung inklusive aller Lehrbücher egal sind und du die Dogmatik der §§ 32ff. StGB nach deinem Gutdünken neu definierst? Mehr Autorität als das habe ich sicher nicht zu bieten :DWo definiere ich neu? Weil ich eine sofortige Tötung als nicht gerechtfertigt ablehne? Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es eine Situation gibt, in der nur ein sofortiger Kill das absolut mildeste Mittel sein mag? Vllt. setze ich die Grenzen was enger, aber wo definiere ich da was neu?


Du weißt ja wie das mit Meinungen ist... Du kannst auch der Meinung sein, dass alle anderen Menschen nur in deinem Kopf existieren und du in Wirklichkeit ein träumender Seestern bist - wenn du aber wissen willst, was man im Deutschland rechtlich zu erwarten hat, wenn man jemanden verletzt, ist es ganz vernünftig, sich an den genannten Regeln zu orientieren.

Ich finde es höchst erstaunlich, dass mir hier Realitätsferne vorgeworfen wird, weil ich mich gegen eine extrem wacklige Angelegenheit stelle. Niemand kann eindeutig sagen, ob eine sofortige Tötung bei Angriff straffrei bleibt. Alles was von euch kommt ist ein "Theoretisch ja, praktisch vllt". Untermalt mit ein, zwei Urteilen, die das bestätigen. Was ist mit den hunderten, wenn nicht tausenden Urteilen, wo es anders gehandhabt wurde? Haben die alle dann Pech gehabt?

Deiner Aussage nach ist es also unvernünftig eine sofortige Tötung im SV-Fall abzulehnen. Fein, dann bin ich unvernünftig.

hand-werker
07-11-2015, 12:58
ich habe die ganze zeit das gefühl, das alex eher aus seiner moralischen sichtweise argumentiert (also was für ihn angemessen wäre) und alle anderen eher rechtlich argumentieren. könnte es sein, dass das missverständnis darauf beruht?

Gast
07-11-2015, 13:40
Wo definiere ich neu? Weil ich eine sofortige Tötung als nicht gerechtfertigt ablehne? Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es eine Situation gibt, in der nur ein sofortiger Kill das absolut mildeste Mittel sein mag? Vllt. setze ich die Grenzen was enger, aber wo definiere ich da was neu?


na hier:



Zudem spreche ich vom mildesten Mittel. Ein Stich kann nicht das mildeste Mittel sein, niemals. Wohl aber kann er gerechtfertigt sein! Dafür gibt es dann den §33 STGB.


Dann ist es eben keine Überschreitung der Notwehr, sondern ein rechtfertigender Notstand (§34 STGB). Mein Fehler, war ein §-Verwechsler.






Alles was von euch kommt ist ein "Theoretisch ja, praktisch vllt". Untermalt mit ein, zwei Urteilen, die das bestätigen.


Um eine "Niemals"-Aussage zu widerlegen, muss man nicht "Immer" zeigen, sondern nur einen einzigen Fall.



Was ist mit den hunderten, wenn nicht tausenden Urteilen, wo es anders gehandhabt wurde?


Die sind für die Entscheidung, ob es "niemals" sein kann, oder eben doch möglich ist, irrelevant.



Deiner Aussage nach ist es also unvernünftig eine sofortige Tötung im SV-Fall abzulehnen.

Das kann ich der Aussage von Luggage nicht zu entnehmen, denn
er sprach von rechtlichen Konsequenzen.
Es gibt ja keine Notwehrpflicht.
Da Du ja nach eigener Aussage drei waffenlose Techniken beherrschst, mittels derer Du Dich, wenn ich das richtig verstanden habe, in der Lage fühlst, jedweden Angriff auf Dich sicher und ohne Lebensgefahr für den/die Angreifer abzuwehren (solange keine Schusswaffen im Spiel sind) ist für Dich persönlich ein sofortiger, potentiell tödlicher Stich niemals durch Notwehr gedeckt.

Gast
07-11-2015, 14:00
-

Alex R.
07-11-2015, 14:44
ich habe die ganze zeit das gefühl, das alex eher aus seiner moralischen sichtweise argumentiert (also was für ihn angemessen wäre) und alle anderen eher rechtlich argumentieren. könnte es sein, dass das missverständnis darauf beruht?
Aus welcher Ecke sollte ich auch sonst argumentieren? Ich argumentiere so, wie ich das Gesetz verstehe.
Wie schrieb einer hier irgendwo im Thread:
3 Juristen, 4 Meinungen. Wenn sich nicht mal Studierte einig sind, darf ich als Laie doch wohl erst recht Dinge durcheinander bringen oder?
Ich habe meine Erfahrungen gemacht und bin mit meiner Einstellung auch juristisch gut weggekommen. Und hier wird mir erzählt, dass ich falsch liege. Was kann an der Ablehnung eines Todes falsch sein?



Das kann ich der Aussage von Luggage nicht zu entnehmen, denn
er sprach von rechtlichen Konsequenzen.
Es gibt ja keine Notwehrpflicht.
Stimmt, eine Pflicht gibt es nicht. Nur zeig mir bitte einen, der sich nicht wehrt, wenn er ernsthaft attackiert wird (One-Punch-KO's zählen nicht).



Da Du ja nach eigener Aussage drei waffenlose Techniken beherrschst, mittels derer Du Dich, wenn ich das richtig verstanden habe, in der Lage fühlst, jedweden Angriff auf Dich sicher und ohne Lebensgefahr für den/die Angreifer abzuwehren (solange keine Schusswaffen im Spiel sind) ist für Dich persönlich ein sofortiger, potentiell tödlicher Stich niemals durch Notwehr gedeckt.Nicht ganz. Nicht potenziell tödlich, sondern garantiert tödlich. Ein Stich in die Halsadern (als Beispiel) bringt den Tod innerhalb von wenigen Sekunden. Ist zwar sicher beendet, aber meiner Meinung nach unnötig.

Und auch an der von dir angesprochenen Stelle definiere ich nicht das Gesetz neu, sondern einzig und allein meine getätigte Aussage.

Aber sei es drum. Wir sind uns einig darüber, dass wir uns nicht einig sind. Ihr haltet es für vertretbar, jemanden sofort töten zu dürfen, ich sehe das anders.

Luggage
07-11-2015, 16:14
Aus welcher Ecke sollte ich auch sonst argumentieren? Ich argumentiere so, wie ich das Gesetz verstehe.


Das Problem ist, dass du es gar nicht verstehst und Wissenslücken mit moralischen Erwägungen füllst. Die Juristen mögen über bestimmte Punkte streiten, das bedeutet aber keine Beliebigkeit sondern hat einen dogmatischen, historischen und gesetzessystematischen Unterbau den du hier mehrfach völlig durcheinander bringst und deswegen nicht begreifst wo Weichen sind an denen man sich unterschiedlich entscheiden kann. Du zeigst dich aber völlig beratungstesistent und argumentierst aus deinem Unverständnis heraus mit Allgemeinplätzen (3 Juristen, 4 Meinungen; hunderte anders lautende Urteile - alle gelesen und verstanden, ja? Die "wenigen Urteile" die wir nennen sind indes entweder Beispielhaft für gefestigte Rechtsprechung oder Richtungsweisend).

Ich werde mich damit jetzt hier auch nicht weiter beschäftigen, Helden wie du, die zum Anwalt gehen und dem erstmal die Rechtslage erklären, erlebe ich beruflich zur Genüge. Es bleibt bei dem Hinweis, dass man in juristischen Dingen auf die Juristen hören sollte.

Alex R.
07-11-2015, 19:13
Ich werde mich damit jetzt hier auch nicht weiter beschäftigen, Helden wie du, die zum Anwalt gehen und dem erstmal die Rechtslage erklären, erlebe ich beruflich zur Genüge. Es bleibt bei dem Hinweis, dass man in juristischen Dingen auf die Juristen hören sollte.

Passt. Wie gut das ich bisher keinen Juristen gebraucht habe. Liegt wohl an meinem Unverständnis des Gesetzes.

Mahmut Aydin
18-11-2015, 21:20
Ohne mir die letzten Seiten von "Ich habe Barbara Salesch mal gesehen, ich verstehe was von Jura" zu geben.

Ich möchte gerne euch mal was ans ans Herz legen, nämlich einen Fall der vor dem BGH gelandet ist, anzuschauen.

BGH, 02.11.2011 - 2 StR 375/11

Meiner Meinung nach, ein krasser Grenzfall der zeigt, dass das Notwehrrecht so schneidig ist, dass man es einfach NIE pauschalisieren kann.

MfG
3.FS stud. iur Mahmut Aydin (2020 Richter beim BverfG) :D :D (ihr könnt euch jetzt schon mal einschleimen)

Gast
18-11-2015, 21:48
Ich möchte gerne euch mal was ans ans Herz legen, nämlich einen Fall der vor dem BGH gelandet ist, anzuschauen.

BGH, 02.11.2011 - 2 StR 375/11


Nicht mal den im Eingangsbeitrag verlinkten Artikel gelesen, der hier Threadthema ist?:hehehe:

Edit: gut, wahrscheinlich andere auch nicht:


Ein Super-Aufreger des Bundesgerichtshofs im Jahr 2011 (2. Strafsenat, Aktenzeichen 2 StR 375/11 [lies: 375 aus 11]). Sachverhalt: Deutschland, sechs Uhr morgens. Es ist noch düster. Die Vögel zwitschern. Durch die Grünanlage schleichen heran: ein Staatsanwalt, ein Sondereinsatzkommando. Weiträumige Absicherung des Einsatzes durch Schutzpolizei.

Einsatzziel: Festnahme des Bürgers A: "Sergeant at Arms" beim örtlichen Unterverein eines Clubs namens "Hell’s Angels" (Höllenengel!). Supercool. Ehrenkodex: Nie mit der Polizei kooperieren. Im Inneren: Spießigkeit in reinster Form; Männerehre: Niemand fasst meine Frau an oder meinen Zylinderkopf! Man fährt den Zweizylinder aus Milwaukee; vorne der Road Captain (Navi unterm Wehrmachtshelm), es folgen "President", "Sergeant at Arms" und "Vize President". Es gibt Members, Prospects, Supporters. Prospects müssen den Members jeden Gefallen tun (Auto Waschen, auf die Karre aufpassen, Frau bewachen, Zigaretten holen), und kriegen trotzdem eins aufs Maul, damit sie später wissen, wie schön es ist, mal nicht aufs Maul zu kriegen. Die Ernennung zum Member garantiert das Schikanierungsrecht gegenüber Prospects und eine Teilhabe am Gewinn der gemeinsamen Geschäfte. Der President ist eine Mischung aus Pate, Weihbischof und Majestix. Insgesamt: Kindlich, übersichtlich, aber effektiv. Business: Security, Türsteherei, Drogenhandel und Zuhälterei. Schutzgeld geht auch, Eisdiele nicht. Super spannende Sachen also, die den Normalbürger gruseln machen.

Die Polizei steht auf Höllenengel jeder Art. Das Schöne an ihnen ist: Ihre Tarnung ist systembedingt unzureichend. Man trägt "Kutten", also eine Uniformweste, auf der mit glitzernden Buchstaben geschrieben steht: "Panzerknacker AG, Mitglied Nr. 524". Das ist eine klare Ansage. Solche Feinde lieben Dagobert Duck und seine Freunde: Sie sagen So oder So; sie tragen Uniform; sie sind für oder gegen die Guten. Deshalb mag die Polizei die faschistischen Kameradschaften so gern, dass sie sie mit V-Leuten vollständig durchseuchen kann, ohne aufzufallen. Das ist ein psychologisches Phänomen, das der Erforschung durch die Wissenschaft noch bedarf.

Zurück zum Fall: Unser "Sergeant at Arms" (von Beruf Konditor) schlummert mit seiner derzeit Verlobten im Obergeschoss des umstellten Häuschens. Kürzlich hat man ihm ausgerichtet: Er solle umgebracht werden von Mitgliedern eines konkurrierenden Clubs gleicher Machart.

Die Polizei hat den Verdacht, der Sergeant könnte vor geraumer Zeit eine versuchte (!) Nötigung begangen haben. Das bietet Anlass, der Sache einmal in Mannschaftsstärke auf den Grund zu gehen. Anstatt mit dem Zugriff abzuwarten bis Herr A, wie jeden Morgen, aus seinem Haus auf die Straße tritt, oder einfach zu klingeln (Guten Morgen, Polizei) möchte man ihn mit einem Sondereinsatzkommando im Bett überrumpeln: Für was sonst hat man die Jungs? Man weiß, dass A mehrere von der Polizeibehörde genehmigte Waffen hat.

A erwacht durch Geräusche an der Eingangstür. Er nimmt seine Pistole und schleicht zur Treppe. Seiner Verlobten sagt er, sie solle telefonisch Alarm schlagen, weil er überfallen werde. Er schaltet das Licht im Treppenhaus ein und ruft: "Verpisst Euch!", denn er ist der Überzeugung, "Killer" machten sich an seiner Tür zu schaffen. Draußen bohrt das SEK-Mitglied X an der Tür herum, hinten stehen die Kollegen mit einer Ramme, der Staatsanwalt wartet in sicherer Entfernung. Auch als im Haus das Licht angeht und ihm das mitgeteilt wird, bohrt X weiter; drei von vier Riegeln hat er schon geknackt.

A denkt: Jede Sekunde kann die Tür aufgebohrt sein, dann dringen schwerbewaffnete Banditen herein, um mich zu töten. Also schießt er. Er zielt auf die Milchglasscheibe der Eingangstür, hinter der er einen Schatten sieht; die Folgen sind ihm egal. Polizist X, der in diesem Moment den Arm hebt, wird durch den Armausschnitt seiner Schutzweste zufällig tödlich ins Herz getroffen. Jetzt (!) rufen die anderen Beamten: "Polizei! Aufhören zu schießen!" A öffnet das Fenster, wirft seine Pistole heraus und ruft: "Seid ihr verrückt? Warum gebt ihr euch nicht zu erkennen?"

Dies – nach den Feststellungen eines deutschen Landgerichts – waren die Tatsachen. Ob sie genau so stimmen: Der Kolumnist weiß das so wenig wie alle anderen, die nicht dabei waren, aber eine "Rechtsmeinung" zu diesem Fall haben. Das Gericht, das über die Anklage wegen Totschlags gegen A entscheiden musste, hat sie so festgestellt.

Und das Landgericht hat gemeint: A sei zwar objektiv nicht in einer Notwehrlage gewesen, habe eine solche aber irrtümlich angenommen. Allerdings hätte er sich so verhalten müssen, wie diese fälschlich angenommene Notwehrlage es von ihm verlangt hätte: Er hätte zumindest zunächst einen Warnschuss abgeben müssen. Ergebnis: Verurteilung wegen vorsätzlichen Totschlags. Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision des Angeklagten das Urteil aufhoben und den Angeklagten wegen Notwehr freigesprochen (2 StR 375/11, Urteil vom 2. Nov. 2011). Die Entscheidung hat, nicht nur unter Polizeibeamten, für Widerspruch und Empörung gesorgt.

Ohne Vögelgezwitscher:

Bundesgerichtshof (http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=2d3059791c8a11277ca652814bad4870&nr=58058&linked=pm&Blank=1)



Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts hat den Angeklagten wegen dieses Geschehens wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe zwar irrtümlich die Voraussetzungen einer Notwehrlage angenommen, er habe aber auch unter diesen Voraussetzungen nicht ohne Vorwarnung die tödliche Waffe einsetzen dürfen.

Der 2. Strafsenat hat die Verurteilung aufgehoben und den Angeklagten insoweit freigesprochen, weil auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen ein Fall strafloser Putativnotwehr gegeben war.
Rechtsprechung ist die irrtümliche Annahme einer Notwehrlage im Ergebnis ebenso zu behandeln wie ein Fall tatsächlich gegebener Notwehr. Danach muss der gezielte Einsatz einer lebensgefährlichen Waffe zwar grundsätzlich stets zunächst angedroht und ggf. auch ein Warnschuss abgegeben werden. Ein rechtswidrig Angegriffener muss aber nicht das Risiko des Fehlschlags einer Verteidigungshandlung eingehen. Wenn (weitere) Warnungen in der konkreten "Kampflage" keinen Erfolg versprechen oder die Gefahr für das angegriffene Rechtsgut sogar vergrößern, darf auch eine lebensgefährliche Waffe unmittelbar eingesetzt werden. Nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Landgerichts war hier ein solcher Fall gegeben. Im Augenblick – irrtümlich angenommener – höchster Lebensgefahr war dem Angeklagten nicht zuzumuten, zunächst noch durch weitere Drohungen oder die Abgabe eines Warnschusses auf sich aufmerksam zu machen und seine "Kampf-Position" unter Umständen zu schwächen.

Hervorhebungen von mir

zwischen der Meinung des Landsgerichts und der des BGH (Warnschuss oder nicht Warnschuss) liegen also 8,5 Jahre