Psychische Ausgeglichenheit in den HEMA [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Jadetiger
26-11-2015, 15:21
Hi Leute,

in den asiatischen Kampfkünsten wird ja gerne viel vom "Zen-Geist", vom "Tai Chi Mind", von der "inneren Ruhe des Kriegers" und ähnlichem geredet.

Nun bin ich schon ein paar Mal darauf gestoßen, dass es soetwas in verschiedenen europäischen Kampfkünsten auch geben muss.
Im italienischen Messerkampf, vor allem im Norden hie und da vom "Warten auf den richtigen Moment" gesprochen, doch so richtig beschäftige ich mich erst damit, seit ich mit dem Stoßrappier trainiere. Hier wird in verschiedenen Büchern darauf hingewiesen, dass eine geistige Ruhe unabdingbar ist. Es gibt im Kreußlerschen Stoßfechten sogar explizite Partnerübungen dafür.

Nun würde mich interessieren
Welche Erfahrungen habt ihr mit Emotionalität oder eben emotionaler/mentaler Ausgeglichenheit im HEMA-Bereich gemacht?
Welchen Stellenwert hat das für euch?

itto_ryu
26-11-2015, 16:20
Lies mal die Einleitung beim Christmann, da steht viel über Geisteshaltung, Körper und Geist etc. drin.

Ich persönlich möchte, dass sich durch das Fechten die Leute in meiner Gruppe charakterlich und körperlich üben. Dazu gehört auch die Bewahrung der Contenance im Gefecht (insbesondere, wenn etwas nicht so gut läuft). Innere Ruhe, saubere Technik, Respekt vor dem Übungspartner etc.

Axel_C_T
27-11-2015, 23:13
Hi Leute,

in den asiatischen Kampfkünsten wird ja gerne viel vom "Zen-Geist", vom "Tai Chi Mind", von der "inneren Ruhe des Kriegers" und ähnlichem geredet.


Nun ja ich persönlich finde über solche Sachen wird gerne viel geredet, aber ob das in irgendeiner weise hilft?



Nun bin ich schon ein paar Mal darauf gestoßen, dass es soetwas in verschiedenen europäischen Kampfkünsten auch geben muss.


Was meinst du damit? Natürlich beschäftigt man sich auch mental mit dem Kämpfen einfach aus der Situation heraus, wenn man kämpft und diese Erfahrung "aufarbeitet".



Im italienischen Messerkampf, vor allem im Norden hie und da vom "Warten auf den richtigen Moment" gesprochen, doch so richtig beschäftige ich mich erst damit, seit ich mit dem Stoßrappier trainiere. Hier wird in verschiedenen Büchern darauf hingewiesen, dass eine geistige Ruhe unabdingbar ist. Es gibt im Kreußlerschen Stoßfechten sogar explizite Partnerübungen dafür.

Nun würde mich interessieren
Welche Erfahrungen habt ihr mit Emotionalität oder eben emotionaler/mentaler Ausgeglichenheit im HEMA-Bereich gemacht?
Welchen Stellenwert hat das für euch?

Ich bin mir nicht so sicher, in welche Richtung du willst. Ein Beispiel: Wenn ich schwimmen lernen will, dann kann ich mir überlegen und vorstellen, wie es ist, nass zu werden. Ich kann dazu Übungen machen. Aber ich kann auch einfach ins Wasser gehen und nass werden und dann schauen, wie das ist.

Oder anders ausgedrückt. Natürlich geht es für mich dazu, dass ich mich dahin entwickle, "ruhig" und "entspannt" im Kampf zu sein und den Kopf frei zu haben.

Jadetiger
30-11-2015, 08:59
Oder anders ausgedrückt. Natürlich geht es für mich dazu, dass ich mich dahin entwickle, "ruhig" und "entspannt" im Kampf zu sein und den Kopf frei zu haben.Genau darum geht es mir. Das Trainieren der mentalen Ausgeglichenheit WÄHREND des Kampfes.

Es wird in vielen Quellen aus dem 18./19. Jahrhundert darauf hingewiesen (und das entspricht auch meiner eigenen Erfahrung), dass man im Kampf nicht emotional werden darf. Der Degen/Stoßrappier zeig das sehr deutlich: Sobald man sich freut oder sich ärgert, werden die Bewegungen größer und die Techniken funktionieren nicht mehr oder zumindest wesentlich schlechter.

itto_ryu
30-11-2015, 11:52
Nun dies ist eine grundsätzliche Haltuing im Kampfsport (sollte es zumindest sein), die dem Zeitgeist der genannten Quellen ohnehin recht gut entspricht. Ich gebe zu, ich partizipiere hier von meinen Kendo-Jahren was die Gestaltung des Trainings anbelangt.

Liechtenauer_Adept
22-12-2015, 13:22
Eine gewisse Geisteshaltung und Disziplin ist in allen Kampfsportarten, Sportarten und überhaupt im Leben unabdingbar. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich alleine das Training beruhigt und die Konzentration anregt. Die Aufzeichnungen betreffend wäre es.interessant zu untersuchen, inwiefern die Geisteshaltung in den verschiedenen Epochen angesehen wurde. Allgemein bekanntes würde in der Regel im Mittelalter nicht aufgeschrieben.

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gast
22-12-2015, 15:00
...in den asiatischen Kampfkünsten wird ja gerne viel vom "Zen-Geist", vom "Tai Chi Mind", von der "inneren Ruhe des Kriegers" und ähnlichem geredet.



Nun ja ich persönlich finde über solche Sachen wird gerne viel geredet, aber ob das in irgendeiner weise hilft?


Ich denke das Interessante bei der Geisteshaltung ist wenn es dann echt um Leben und Tod geht - ein echtes Duell, wo man einfach TOT ist wenn man einen Fehler macht.

In so einer Situation bin ich ganz sicher, dass ein mittelmäßiger Fechter, der total konzentriert und ruhig bleiben kann einen Meisterfechter der vor Todesangst schlottert oft besiegen kann.

Vielleicht ist es in der japanischen Tradition noch mehr der Fall, weil das System ja kaum auf Parade ausgelegt ist sondern fast nur auf Angriff - da braucht man schon deutlich mehr Mut als in einem paradelastigeren System, wo man nur angreift wenn man recht sicher ist dass man nicht selbst auch getroffen wird...

Liechtenauer_Adept
22-12-2015, 15:15
In so einer Situation bin ich ganz sicher, dass ein mittelmäßiger Fechter, der total konzentriert und ruhig bleiben kann einen Meisterfechter der vor Todesangst schlottert oft besiegen kann.

Mein Trainer hat immer gesagt: "Der Meister fürchtet nicht den anderen Meister. Er fürchtet den unerfahrenen Kämpfer, der unberechenbar ist". Da ist sicher viel wahres dran. Ein unberechenbarer Gegner ist immer furchterregender, als der, der berechenbar ist. Ob nun aber ein Meisterfechter wirklich so schnell anfängt zu schlottern, ist so eine Frage. Zumindest wird ihm das nicht passieren, wenn er entsprechende Praxiserfahrung besitzt.
Aber nicht nur Angst spielt da eine Rolle. Auch Wut. So ist in der Geschichte über Myamoto Musashi zu lesen, dass er seine Gegner im Vorfeld zu provozieren versucht hat, um ihre Konzentration zu stören. Waren sie erst wütend, hatten sie schon fast verloren.

Suriage
22-12-2015, 16:21
Vielleicht ist es in der japanischen Tradition noch mehr der Fall, weil das System ja kaum auf Parade ausgelegt ist sondern fast nur auf Angriff - da braucht man schon deutlich mehr Mut als in einem paradelastigeren System, wo man nur angreift wenn man recht sicher ist dass man nicht selbst auch getroffen wird...

Das ist eine falsche Verallgemeinerung.

gast
22-12-2015, 20:41
Das ist eine falsche Verallgemeinerung.

Das ist eine unbrauchbare Antwort.

Jadetiger
23-12-2015, 12:55
Das ist vor allem nicht korrekt. Auch ein Samurai greift nur an, wenn er sich sicher ist, dass er nicht mitgetroffen wird. Kendo ist nicht Kenjutsu.

itto_ryu
23-12-2015, 13:33
Stimmt so verallgemeinernd platt auch nicht für Kendo... weitermachen... ;)

gast
23-12-2015, 13:46
Wow, tolle Diskussion hier im Unterforum.

Alle antworten mit "buh das ist zu ungenau" und "bah das kann man so nicht sagen" aber sonst kommt genau nichts.

Selber keine Ideen? Angst sich zu exponieren? Angst den Expertenstatus zu verlieren wenn man eine klare Aussage trifft? :D

Suriage
23-12-2015, 17:21
Wow, tolle Diskussion hier im Unterforum.

Alle antworten mit "buh das ist zu ungenau" und "bah das kann man so nicht sagen" aber sonst kommt genau nichts.

Selber keine Ideen? Angst sich zu exponieren? Angst den Expertenstatus zu verlieren wenn man eine klare Aussage trifft? :D

Na gut dann sehen wir uns deine Aussage nochmal an:


Vielleicht ist es in der japanischen Tradition noch mehr der Fall, weil das System ja kaum auf Parade ausgelegt ist sondern fast nur auf Angriff...

1. Welche japanische Tradition?
Weißt du wieviele japanische Fechtschulen es über die Jahrhunderte gab? Genug um sie nicht alle über einen Kamm zu scheren jedenfalls.

2. Welches System?
Meinst du es gibt DAS japanische Fechtsystem? Nein, gibt es nicht.(siehe oben)

3. Kaum auf Paraden ausgelegt. Nun ich kenne bestimmt nicht alle Koryu aber selbst im Kendo gibt es etliche Oji-Waza(Kontertechniken) die mit einer Parade beginnen(wenn man Ausweichen hinzuzählt, dann sogar alle). Die Kurzschwerttechniken sind voller Paraden zB. Nur um mal ein Beispiel zu nennen. Das Prinzip Parade-Riposte ist also auch durchaus stark vertreten.

itto_ryu
23-12-2015, 18:10
Genauso wie es eben im europäischen historischen Fechten zig verschiedene Waffengattungen, Stile etc. gibt. Du kannst Fechten nach Liechtenauer Tradition mit dem Langen Schwert z.B. diesbezüglich nur schwer mti Sbelfechten nach Alfred Hutton vergleichen usw.

Jadetiger
28-12-2015, 08:54
Genauso wie es eben im europäischen historischen Fechten zig verschiedene Waffengattungen, Stile etc. gibt. Du kannst Fechten nach Liechtenauer Tradition mit dem Langen Schwert z.B. diesbezüglich nur schwer mit Säbelfechten nach Alfred Hutton vergleichen usw.Das ist ein guter Punkt:

Mir sind explizite Äußerungen nach dem Motto "bewahre dein inneres Gleichgewicht" bisher nur in Quellen zum "klassischen Fechten" (18. Jahrhundert und später) untergekommen. Gibt es solche Statements auch schon früher?

Ich könnte mir vorstellen, dass das mit der Entwicklung der Fechtweise "wir fechten aus einer einzelnen definierten Stellung" einhergeht und das ist ja eher eine späte Entwicklung.

OliverJ
28-12-2015, 18:57
Mir sind explizite Äußerungen nach dem Motto "bewahre dein inneres Gleichgewicht" bisher nur in Quellen zum "klassischen Fechten" (18. Jahrhundert und später) untergekommen. Gibt es solche Statements auch schon früher?

Einen Anhaltspunkt zur inneren Ruhe kann man wenn man mag an den Gebeten vor dem Gottesurteil festmachen. Klar man soll seinen Frieden mit sich machen oder um Hilfe Bitte, würde aber im Endeffekt auch nur zu innerer Ruhe führen.

Wenn man sich die alten Fechtbücher ansieht und die Vorgehensweisen die teilweise empfohlen werden, geht das auch nicht so einfach, wenn man ein hitziges Gemüt hat.

itto_ryu
29-12-2015, 07:09
Einen Anhaltspunkt zur inneren Ruhe kann man wenn man mag an den Gebeten vor dem Gottesurteil festmachen. Klar man soll seinen Frieden mit sich machen oder um Hilfe Bitte, würde aber im Endeffekt auch nur zu innerer Ruhe führen.

Guter Punkt. Zumal die meditative Wirkung des Betens auch schon nachgewiesen wurde. Ein Beispiel ist das Jesusgebet, auch Herzensgebet. Hier mehr Informationen dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jesusgebet