Anatomie? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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kanken
28-12-2015, 10:51
Da ich mich in den HEMA Kreisen nicht auskenne habe ich mal eine Frage bzgl. der Quellenlage zur Anwendung von anatomischen Kenntnissen.

In den CMA ist es ja so dass es dort ein sehr gutes anatomisches Wissen gegeben hat, jedenfalls lassen die Dinge, die ich lerne, über die Führung der Klinge im menschlichen Körper, diese Schlüsse mehr als zu.
Es wird genau gelehrt wo man sticht, welche Leitstruktur man sucht und wie man dann ggf. den Schnittwinkel ändert. Da ich ja über gute anatomische Kenntnisse verfüge kann ich sagen dass damit in der Regel ein sofortiger Eintritt des Todes, bzw. eine sofortige Bewußtlosigkeit, bewirkt wurde. Euch bestimmte Drehungen des Körpers, bzw. des Kopfes nach einer Aktion zeigen dass die Leute sehr genau wußten was "auf sie zukommt" wenn die Aktion so geklappt hat wie beabsichtigt....

Gibt es in den historischen Fechtquellen Stellen die auf eben dieses anatomische Wissen eingehen? Wird so etwas in den HEMA überhaupt geübt und wenn ja wie?
Unsere kleine Truppe hier nehme ich ja ab und an mit und demonstriere bestimmte anatomische Dinge im Ultraschall, aber so etwas wird ja wohl kaum überall möglich sein. Habt ihr für so etwas "Theorieunterricht", oder wird es nicht gelehrt?

Grüße

Kanken

Jadetiger
28-12-2015, 11:25
Gibt es in den historischen Fechtquellen Stellen die auf eben dieses anatomische Wissen eingehen?Ja und zwar massenhaft. Der Begriff "Historical European Martial Arts" bezeichnet nach allgemeinem Verständnis rekonstruierte Kampfkünst bis zum 1. Weltkrieg.
Hast du zum Besipiel schonmal von der Deutschen Turnerbewegung (https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Ludwig_Jahn#Die_Turnbewegung_und_die_Nat ionalbewegung_entstehen) im 19. Jhd gehört? Da wurden z.B. anatomische Bezeichnungen der Handwendungen eingeführt (Ell, Rist, Speich, Kamm).
Es gibt außerdem in einem Fechtbuch zum Stoßfechten, das ich zuhause stehen habe (FAWL Roux, denke ich...) den Hinweis, dass man einen Gegner freundlich auf eine mangelnde deckung hinweist, indem man ihm durch den Unterarm stößt statt durch die Lunge :D

Das beste Beispiel aber ist denke ich die "Rapier-Zeit" (ca. 16.-17. Jahrhundert), in der man geradezu Anatomie-besessen war. Praktisch alle Darstellungen von nackten Fechtern wurden gezeichnet, um die wichtigen Muskelgruppen besser darzustellen und im die Anatomiefans zu bedienen.
Beispiel (achte auf die Armmuskeln des stoßenden Fechters):
http://krifon.de/essays/zivilefechtkunst/gfx/zivilefechtkunst_html_m253d644.png
("passata sotto" bei Capoferro)

kanken
28-12-2015, 11:31
Danke, genau so etwas meinte ich.
Wird auch erklärt was man da verletzt, bzw. warum man genau da zusticht?

Lunge ist ja ein wenig "grob". Obere/untere Thoraxhälfte, Rechts oder Links vom Brustbein, bzw. der Winkel in dem gestochen wird sind ja bzgl. der erzielten Wirkung mit der Drehung schon ein himmelweiter Unterschied, was sofortige Wirkung, und damit Handlungsunfähigkeit, angeht. Man will ja die gegnerische Klinge nicht noch abbekommen wenn man ihn schon "am Haken" hat.

Gibt es solche Erklärung in den HEMA auch bzgl. der Anwendung von ringerischen Elementen mit der Klinge (z.B. wie man damit die Bauchschlagader durchtrennt beim Hüftwurf?).

Grüße

Kanken

itto_ryu
28-12-2015, 11:44
Anatomie, Geometrie, Philosophie usw. spielten in den historischen europäischen Kampfkünsten eine Rolle, je nach Zeitgeist und Verwendungsgebiet mehr oder etwas weniger. Ich denke mal insbesondere im Rapierfechten wird man da fündig.

kanken
28-12-2015, 11:50
Ein Rapier ist doch aber eine Stichwaffe, oder? Da ist es jetzt nicht sooo extrem spannend wie sich dann weiterbewegt wird, da ist höchstens der Winkel und der Ort des Treffers interessant.

Gibt es Anweisung bei Klingen mit denen geschnitten wird? Gerade was Leitstrukturen angeht und wie der Winkel geändert wird wenn sie erreicht?

@Jadetiger, Itto-ryu
Übt ihr so etwas in Eurem Training?

Jadetiger
28-12-2015, 11:54
Ja, ich denke auch, dass man sowas sehr gut in Rapierquellen finden kann. Leider kenne ich persönlich mich mit dem Rapier nicht aus. Mein Interesse beginnt erst im 18. Jahrhundert.

Ein gutes Beispiel dürften aber auch die Anweisungen zum Einsatz von Säbel und Lanze für Kavallerie sein. Hier kommt es NACH dem Treffer darauf an, Hand und Arm im richtigen Moment korrekt zu bewegen, sonst bricht einem die im Körper des Feindes steckende Waffe das Handgelenk. Das Pferd hält ja schließlich nicht an.

Angaben zur Klingenführung im Körper des Feindes im Zusammenhang mit Ringen finde ich irgendwie seltsam. Warum sollte ich Ringen, wenn meine Klinge schon im Feind steckt? Ringen kommt im Fechten eher im Zusammenhang mit dem Unterlaufen der Waffe vor, also wenn der Gegner zu nah ist bzw. die Waffe zu lang, um noch was Ordentliches damit zu machen.

karate_Fan
28-12-2015, 12:00
Interessante Diskussion. gibt es solche anotomischen Hinweise auch bei den älteren Quellen die sich z.B mit dem Langen Schwert beschäftigen ebenfalls solche Hinweise liefern?

ich als Langschwert Mensch habe mich nämlich schon immer gefragt ob sich in den alten Quellen auch mit diesen Punkten in den alten Quellen beschäftigt hat..

kanken
28-12-2015, 12:03
Man kann ja auch mit einer Waffe in der Hand Ringen ;)
Zumindest im Karate und in den CMA, die ich unabhängig voneinander beigebracht bekommen habe, wird dies so gemacht, wobei Karate natürlich sehr starke chinesische Wurzeln hat.

Jeder Wurf ist ein Schlag und jeder Schlag ein Stich hieß es z.B. bei uns im Karate. Greifen tue ich nur wenn ich die Waffe verloren habe, die Bewegung kann ich aber auch immer mit Waffe machen. Dazu gibt es ja z.B. explizite Anweisungen wie man sich zu bewegen hat damit man bestimmte Dinge verletzt.

Jadetiger
28-12-2015, 12:13
Sorry, gerade erst gesehen:

Ein Rapier ist doch aber eine Stichwaffe, oder?Jain. Das kommt sehr auf die Quelle an. Meyer-Rapier hiebt und stößt praktisch gleichberechtigt. Generell kann man sagen dass das Rapier nach und nach immer stichlastiger wurde, es aber nicht von Anfang an war.


@Jadetiger, Itto-ryu
Übt ihr so etwas in Eurem Training?Wieder Jain. Weil:
1) Im deutschen Degen/Säbel/Pallasch trainiere ich im Moment hauptsächlich Duellfechten. Da kommt es primär darauf an, dass man den Gegner zuerst trifft, ohne mitgetroffen zu werden. Nicht so sehr darauf was man danach macht.

2) Im italienischen Messer unterrrichte ich das schon, z.B. schneidet man in der Hippe, bewusst an antomisch wichtigen Stellen (Muskelansätze, Arterien, usw.). Auch in meiner Hauptmethode "coltello settentrionale" versucht man z.B. erreichbare Adern diagonal zu schneiden, um einen Selbstverschluss der Wunde zu erschweren.

OliverJ
28-12-2015, 18:49
"passata sotto" bei Capoferro
sieht mehr nach Alfieri aus, für Capoferro haben die ja viel zu viel an :p

Detailierte Beschreibungen (besonders frühere) abseits des Oben gesagten fallen mir aber auch nicht ein.

itto_ryu
29-12-2015, 07:05
@Jadetiger, Itto-ryu
Übt ihr so etwas in Eurem Training?

Nicht wirklich, denn das militärische Hiebfechten mit Broadsword und Säbel, welches wir trainieren, ist simpel strukturiert und beschäftigt sich mit solchen Dingen nicht.

karate_Fan
29-12-2015, 12:08
Nicht wirklich, denn das militärische Hiebfechten mit Broadsword und Säbel, welches wir trainieren, ist simpel strukturiert und beschäftigt sich mit solchen Dingen nicht.

Interessant wäre ja die Frage ob es Überlieferungen gibt die sich mehr mit solchen Dingen beschäftigen als wiederum andere Überlieferungen?

Scheint Fragmente von Anweisungen zum Schwertgebrauch der Römer zu geben, wo Anweisungen existieren die Innenseite vom Knie anzugreifen um eine Sehne oder etwas so ähnliches zu durchtrennen, was man durchaus als anatomisches Wissen bezeichnen könnte.

Wie flächendenkend dieses Wissen in den europäischen KK aber verrbeitet war, verglichen mit den manchen chinesischen KK und auch den japanischen Koryu, (in der Katori Shinto Ryu scheint dieses Wissen an die Schüler weitergeben worden zu sein, wenn man einem Video über die Shinto Ryu glauben schenken darf) kann man heute wohl nicht mehr sagen.

Nur weil man es vielleicht nicht niedergeschrieben hat, heißt das noch lange nicht das man über solche Dinge nicht bescheid wusste..

Jadetiger
29-12-2015, 12:36
Die Frage ist auch, wie sehr man solches anatomisches Wissen braucht.

Wenn ich z.B. jemanden zeige, wie man sich bewegt, um den Gegner mit einer schweren Axt zu erschlagen, sind anatomische Kenntnisse die über "Schlag ihm auf Kopf oder Hals" nicht so übermäßig interessant.

Wenn ich jemandem etwas schnell beibringen will, wie in den von itto_ryu erwähnten Soldatensystemen, ist sowas auch zweitrangig.

Dementsprechend gibt es halt in solchen Traditionen auch weniger weitergegebenes Wissen zu diesem Thema.

kanken
29-12-2015, 13:18
Nun ja, es gibt sehr viel "einfaches" anatomisches Wissen was schon einen himmelweiten Unterschied machen kann.
Z.b. bei deinem Hals-Axt Beispiel wie man sich wegzudrehen hat damit man von dem Blut nicht getroffen wird. Blut im Auge stört die Sicht und Blut an den Händen ist ziemlich rutschig (da es sofort gerinnt).

Auch die "Man-Stop-Wirkung" kann ganz gewaltig unterschiedlich sein wenn man links und rechts vertauscht, oder eben die Klinge nicht dreht etc. So etwas sollte man dann schon wissen.
Bei bestimmten Würfen muss man die Klinge hinter Knochen "verhaken" damit man Kraft in den Körper bringen kann (Ersatz für greifen). Durch den Wurf selber dann bewirkt die Klinge üble innere Verletzungen.

All diese Dinge sind eigentlich sehr simpel und auch sehr schnell beigebracht, gerade in "Soldatensystemen". Ich weiß das solche Dinge in einigen CMA überliefert sind (und auch zumindest in meinem Karate). Ich bin mir ziemlich sicher das die Leute in Europa so etwas auch wußten und bedacht haben, zumindest wenn sie die Kämpfe überlebt haben.

Grüße

Kanken

itto_ryu
29-12-2015, 15:09
Wie gesagt, die Anleitungen zum Waffengebrauch der Epoche mit der ich arbeite, lassen sich darüber nicht weiter aus. Einfache Dinge wie "stoß das Bajonett in den weichen Bauch, damit es sich nicht in den Rippen verfängt etc., dreh die Klinge nach dem Stich zum Herausziehen usw.", okay solches simples Wissen hatten die Ausbilder und Soldaten durchaus, insbesondere da viele der einfachen Soldaten oder Seeleute des 18. und frühen 19. Jhds. eben mit dem Kämpfen aufgewachsen sind. Einem Matrosen der Royal Navy drückte man ein Entermesser in die Hand und der wusste recht gut, was er damit anfangen sollte, auch schon bevor es offizielle Cutlass-Drills gab. Solche simplen Dinge wussten die Leute damals schon, da hast du natürlich recht.

In der Cateran Society werden ja auch die etwas älteren "Clanmethoden" des Fechtens bearbeitet. Hier hat zum Gebrauch des Highland Dirks unser Trainer Chris Thompson die sog. 12 Doors Exercise ausfegbaut. Diese hängen mit den traditionellen "Toren" zur Heilung in der gälischen Tradition zusammen, die umgekehrt eben auch zum möglichst schnellen Umbringen helfen.

Hier eine Umsetzung aus dem Training als Drill:
dAYGR8g1LWA

Was definitiv für Diskussionen gesorgt haben muss, war wohl die Frage, was tödlicher ergo effektiver sei, der Hieb oder der Stich. Hier ein interessanter Artikel dazu bzgl- des Kavalleriewesens der napolenischen Kriege:
http://hroarr.com/napoleonic-flame-war-cut-vs-thrust/

gast
29-12-2015, 15:31
Auch die "Man-Stop-Wirkung" kann ganz gewaltig unterschiedlich sein wenn man links und rechts vertauscht, oder eben die Klinge nicht dreht etc. So etwas sollte man dann schon wissen.
Bei bestimmten Würfen muss man die Klinge hinter Knochen "verhaken" damit man Kraft in den Körper bringen kann (Ersatz für greifen). Durch den Wurf selber dann bewirkt die Klinge üble innere Verletzungen.

Durch eine Drehung der Klinge verursacht man höheren Blutverlust. Das dürfte aber weit entfernt von einer instantanen mannstoppenden Wirkung sein. Diese lässt sich, wenn ich drüber nachdenke, doch hauptsächlich nur durch 3 Möglichkeiten erzielen:

1. Gliedmaßen abschlagen
2. KO-Treffer am Kopf
3. Zerstörung des Kleinhirns.


Sowas wird zumindest im mittelalterlichen Bereich nicht explizit erörtert. Hat aber wohl eher pragmatische Gründe. Es wird halt das "durch die Blößen gehen" gelehrt, eben das angreifen, was gerade offen ist. Die Trefferwirkung an sich ergibt sich dann bzw. muss dann erst evaluiert werden. Bezeichnend ist aber, dass im Hieb in der Deutschen Fechtschule der Kopf das Hauptziel ist, nebst Arme natürlich.

Grundsätzlich hatte man selbstverständlich anatomische Kenntniss. Wie zum Beispiel in der berüchtigten Technik "wie man einen Bauern schatzen soll". Anleitung dazu, ein Opfer durch das Durchschneiden der Haut über der Kehle zur Räson zu zwingen, anstatt direkt um zu bringen.
Nicht die feine englische Art, aber setzt Wissen über den menschlichen Körper voraus. Geht ja nunmal auch mit der Tätigkeit einher. ;)

http://wiktenauer.com/wiki/File:Cod.I.6.4%C2%BA.2_074v.jpg

Das was du beschreibst mit "Verhaken", etc. wäre mir im Kampfkontext viel zu akademisch. Das ist ein Luxus, den man im Kampf sich kaum leisten kann bzw. höre ich davon zum ersten Mal. (was nichts heißen muss...)


PS: di Grassi, wie ich mich gerade erinnere, hat auch das Drehen der Klinge im Körper.

Nagare
29-12-2015, 15:45
-

kanken
29-12-2015, 15:50
Durch eine Drehung der Klinge verursacht man höheren Blutverlust. Das dürfte aber weit entfernt von einer instantanen mannstoppenden Wirkung sein.

Falsch, wenn man die richtigen Gefäße zerreißt, dann gehen sofort die Lichter aus, eben durch den Blutverlust (Wenn der MAP rasch stark abfällt und so der CPP so weit sinkt dass es zu einer Bewußtlosigkeit kommt).
Solche Dinge sind z.B. beim sog. Bergungstod im Rettungsdienst übel anzusehen, wenn man den Druck, z.B. auf den Bauchraum, wegnimmt und der Patient quasi direkt die Augen zu macht...

Viele Angriffe im Bauchraum beruhen auf dem Konzept, aber auch Angriffe zum oberen Brustkorb. Ich war schon recht baff erstaunt als ich diese Dinge in den CMA gezeigt bekommen habe und feststellte was die für ein großes anatomisches Wissen hatten.

Wenn man sich dann die Klingenführung im Ultraschall "anguckt" kann man auch sehr gut verstehen was da wie passiert. Bei uns in der Gruppe haben einige recht dumm geguckt als ich Ihnen zeigte wie nah gewisse Gefäße an der Oberfläche liegen und wie man die Knochen dazu nutzen kann (und das eben nicht an den Extremitäten, sondern im Bauch und im Brustraum).

Ansonsten kannte man auch in den CMA das "Gesichtsdreieck" was zu sofortiger Bewußtlosigkeit führt, da man dort direkt den Hirnstamm attackiert.
Hacken seitlich auf den Schädel ist natürlich das einfachste, da kommt man aber ja nicht immer einfach so dran, ist ja nicht umsonst einer der Standardeingänge um von da dann an die "interessanten" Anwendungen zu kommen und da wird dann eben dieses Wissen wichtig (Wechsel Knauf-Klinge etc.).

Grüße

Kanken

gast
29-12-2015, 15:51
(Besetzt hier zufällig jemand eine Professur für die Soldatenausbildung im europ. Mittelalter?...das wäre jetzt optimal :o)
Dafür gibt es leider nicht genug Quellen. Wie genau Soldaten ausgebildet wurden, lässt sich selbst in späteren Jahrhunderten schwer nachvollziehen, obwohl es hier schon deutlich mehr gibt (z.B. Wallhausen).

Was man sagen kann, dass man zumindest im 15. Jahrhundert, wenn man denn das "Poem of the Pell" als Grundlage nimmt, sich an der römischen Armatura orientiert hat. Hier sind wir wieder bei eher stichlastigen Schild-Schwert-Kampf.

ThomasL
29-12-2015, 15:52
Ich habe mich längere Zeit mit verschiedenen Quellen zum historischen Fechten im "Mittelalter" beschäftigt (u.a. Langschwert "nach Lichtenauer", insbesondere hier mit dem MS3227a, etwas mit Halbschwertechniken etwas mit Dolch sowie intensiv mit I33 und diverse Quellen zum Schwert und Buckler).
Ich kann mich nicht erinneren explizite Anweisungen zur Führung der Waffe im Körper des Gegners gesehen zu haben. Es gibt Hinweise auf die Art- und Weise wie man mit einem Schwert verletzten kann (die 3 Wunder, Hiebe, Stich und Schnitt) und in Quellen mit Bildern auch explizite Abbildungen der Waffenwirkung (z.B. abgetrennte Hände, durch den Körper gestoßener Dolch etc...). Speziell in den Quellen zum gerüsteten Kampf (Halbschwert, Dolch) finden sich auch genaue Hinweise wo man angreifen muss (Schwachstellen der Rüstung).
Auch Trefferzonen sind teilweise klar erkennabar abgebildet (z.B. der "Dürer", ein Technik die man heute noch im Krav Maga findet :D).
Genauere Hinweise darauf wie die Waffe im gegnerischen Körper zu führen ist, habe ich aber nie gesehen. Wäre aber vermutlich interessant mit tiefergehenden anatomischen Kenntnissen die Abbildungen und Beschreibungen diesbezüglich näher zu betrachten.

Bei Quellen zum Ringen (Würfe und Hebel) wird teilweise darauf eingegangen, welche Wirkung zu erwarten ist.

Generell sind die Quellen die ich kenne aber auch nicht wirklich als ein Lehrbuch angelegt. Gerade viele grundlegende Dinge wie Schrittarbeit, genaue Waffenführung und eben Trefferzonen werden teils gar nicht, teils nur oberflächlich erläutert. Ich denke es handelt sich eher um "Erinnerungshilfen" für jemand, der die Techniken von einem Lehrer gelehrnt hat.

kanken
29-12-2015, 15:56
Das was du beschreibst mit "Verhaken", etc. wäre mir im Kampfkontext viel zu akademisch. Das ist ein Luxus, den man im Kampf sich kaum leisten kann bzw. höre ich davon zum ersten Mal. (was nichts heißen muss...)

Ist eigentlich überhaupt nicht akademisch, im Gegenteil. Steck das Messer so da rein und drück dann so, bzw. ziehe so, dann passiert das...

Wenn man sich das z.B. bei einem Hüftwurf (z.B. Uki-goshi, Harai-Goschi, bzw. die jeweiligen "lokalen" Varianten davon) anschaut, dann ist das extrem simpel, man schafft sich ja quasi nur einen "Griff"...

Grüße

Kanken

gast
29-12-2015, 16:01
Falsch, wenn man die richtigen Gefäße zerreißt, dann gehen sofort die Lichter aus, eben durch den Blutverlust (Wenn der MAP rasch stark abfällt und so der CPP so weit sinkt dass es zu einer Bewußtlosigkeit kommt).
Solche Dinge sind z.B. beim sog. Bergungstod im Rettungsdienst übel anzusehen, wenn man den Druck, z.B. auf den Bauchraum, wegnimmt und der Patient quasi direkt die Augen zu macht...
Interessante Sache mit dem Rettungsdienst. Hier muss man aber auch bedenken, dass der Verschüttete doch einige Zeit zum Bluten hatte. Frage ist, ob sich das so mit der Klinge simulieren lässt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein heutiger Sanitäter im Militär das anders sehen würde. Fakt ist ja nun mal, dass sich Leute, besonders was die Trefferwirkung anbelangt, unglaublich unterschiedlich verhalten.


Ansonsten kannte man auch in den CMA das "Gesichtsdreieck" was zu sofortiger Bewußtlosigkeit führt, da man dort direkt den Hirnstamm attackiert.
Hacken seitlich auf den Schädel ist natürlich das einfachste, da kommt man aber ja nicht immer einfach so dran, ist ja nicht umsonst einer der Standardeingänge um von da dann an die "interessanten" Anwendungen zu kommen und da wird dann eben dieses Wissen wichtig (Wechsel Knauf-Klinge etc.).
Stimmt! Hirnstamm...nicht Kleinhirn. Ist zwar da dran, aber nicht dasselbe. :)


Ist eigentlich überhaupt nicht akademisch, im Gegenteil. Steck das Messer so da rein und drück dann so, bzw. ziehe so, dann passiert das...

Wenn man sich das z.B. bei einem Hüftwurf (z.B. Uki-goshi, Harai-Goschi, bzw. die jeweiligen "lokalen" Varianten davon) anschaut, dann ist das extrem simpel, man schafft sich ja quasi nur einen "Griff"...
Messer reinstecken, am Knochen verhaken, etc. Und das alles gegen einen lebhaften Gegner. Weiß nicht, kling einfach sehr unpraktisch im Vergleich zu "packen und werfen". ;)
Aber wie schon Nagare sagt, hat mit Sicherheit auch seinen didaktischen Mehrwert.

ThomasL
29-12-2015, 16:05
Wird so etwas in den HEMA überhaupt geübt und wenn ja wie?
Wir achteten schon darauf wie und wo wir unsere Angriffe zu setzen hatten. Dies basierte aber vor allem auch auf Quellen aus Ausgrabungen (u.a. Armor from the Battle of Visby), Quellen zum Messerkampf (u.a. Fairbairn, ich weis veraltet;)) und moderner Literatur zu "Waffenwirkung" (z.B.Contemporary Knife Targeting, M.D.Janich, div. Literatur zu Schussverletzungen, Seminar mit einem Gerichtsmedizinier).

Auch bei der Bewertung im Sparring machten wir deutliche Unterschiede wo und wie getroffen wurde. Darüber hinaus gab es dann noch regelmäßig Schnitttests um sich bewusst zu machen, was für eine effiziente und brutale Waffe ein so "elegantes" Schwert eigentlich ist.

Alles zugegebener Weise alles eher auf hoher Flughöhe, gibt halt im HF keine lebendige Tradition.

ThomasL
30-12-2015, 20:08
Kanken hier mal noch ein paar Bilder (musste selbst erst Googln, da die meisten Sachen hier im Bücherregal stehen bzw. auf alten CDs archiviert sind - legale Downloads!)

Bilder aus Google Bildersuche zu Thalhoffer:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/De_Fechtbuch_Talhoffer_031.jpg

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8c/De_Fechtbuch_Talhoffer_078.jpg

http://www.truefork.org/DragonPreservationSociety/dagger1/Image12.jpg

http://www.film.ru/img/sp/vm/film.ru.vm.talhofer.23.jpg

Talhoffer1459-1.jpg Photo by johnraptor | Photobucket (http://s6.photobucket.com/user/johnraptor/media/Talhoffer1459-1.jpg.html)

http://www.gladiatores-villach.at/sites/member/bilder_histfecht/tal1.gif

Ich schaue heute nochmal weiter meine alten Quellensammlungen durch. Wäre interessant was andere HFler zu diesem Thema haben.

panzerknacker
30-12-2015, 21:11
Kenne einen Killdrill aus dem Giron, ist so eine Art Kata, die eine Folge von Angriffen auf Vitale Punkte darstellt, haben andere Stile in den FMA auch.
Werden sicherlich auch die Europäer so gehandhabt haben und als Grundlagenwissen nicht extra aufgeschrieben haben.
Wenn ich mir HEMA Videos angucke, finde ich die teilweise extrem hochwertig, nicht nur von der Ausführung, sondern gerade auch vom Inhalt.
Wenn die Übertragungslinie ungebrochen wäre, wäre da sicher noch ein Haufen an grundlegendem Wissen zusätzlich zu vermitteln.

ui böse, das ist genau das was Kanken meint
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/De_Fechtbuch_Talhoffer_031.jpg
Klassiker
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8c/De_Fechtbuch_Talhoffer_078.jpg

kanken
30-12-2015, 22:14
Ja, so etwas ähnliches meinte ich. Mir ging es jedoch vor allem um die zusätzlichen Anweisungen dazu, also was man tun muss wenn man den Kontakt zum Knochen hat und welche Bewegungen man dann durchführt.
Anhand der Bilder sieht man ja nur die Stelle des Einstichs und die Richtung der Klingenspitze, das ist ja aber nur ein kleiner Teil der eigentlichen Anwendung, zumindest wie ich es kenne.
Gibt es Texte zu den Bildern wo solche Dinge beschrieben stehen?

Grüße

Kanken

P.S.
Danke Thomas!

Nagare
31-12-2015, 11:45
-

panzerknacker
31-12-2015, 12:38
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/De_Fechtbuch_Talhoffer_031.jpg

ich finde das nicht böse, weil er dem anderen in den Bauch piekt, sondern weil
der Künstler die Dynamik ganz herausragend darstellt
so wie ich das interpretiere, ist das nicht einfach ein Stich schräg von oben,
sondern ein geradliniger Stich (möglicherweise auch aus gleicher Position wie der Kontrahent),
der mittels sidestepping und Hochwinden die Klingenspitze als Widerlager nutzt,
Folgeattacke unterbindet und in einen Wurf mündet mit furchtbarer Verletzung des Unterleibes
ich glaube ich muß mal meinen Thalhofer wieder raussuchen

kanken
31-12-2015, 12:53
Kanken

Hast Du Quellen/Texte (m. Bildern) aus den CMA zu den Anweisungen, was man tun soll, wenn die Klinge Kontakt zum Knochen hat?

Bzw. wo kann ich diese einsehen?

Wie alles was ich lerne sind solche Anweisungen nur mündlich im Training.

Grüße

Kanken

ThomasL
31-12-2015, 13:07
Anhand der Bilder sieht man ja nur die Stelle des Einstichs und die Richtung der Klingenspitze, das ist ja aber nur ein kleiner Teil der eigentlichen Anwendung, zumindest wie ich es kenne.
Gibt es Texte zu den Bildern wo solche Dinge beschrieben stehen?
Wie in meinem ersten Beitrag schon angeführt, mir selbst ist nichts tiefergehendes aus den Quellen die ich kenne (!) und die so grob zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert datiert sind, bekannt. D.h. ich kann Dir da leider nicht mehr liefern (die verlinkten Bilder dienten zur Illustration was gezeigt wurde und was eben auch nicht).
Habe gestern auch nochmal ein bisschen gestöbert, da meine HF Zeit doch schon wieder etwas zurückliegt. Bisher aber nichts gefunden (werde die nächsten Tage nochmal weiter graben). Wenn ich auf so explizite Anweisungen früher gestoßen wäre, könnte ich mich aber ziemlich sicher auch noch daran erinnern. Zum ersten Mal bin ich auf solche Anwendungen in einem Escrima basierten Combative Training in Kontakt gekommen - aber auch hier nicht besonders tiefgehend. Ist wohl auch heute nichts was man schriftlich fixiert oder in normalen Gruppenunterricht weitergibt.

Nagare
31-12-2015, 13:47
-

kanken
31-12-2015, 14:03
Die HEMA Quellen sind ja schon recht umfangreich, ich habe mich jedoch gefragt wie solche Dinge heutzutage rekonstruiert werden. Gerade die Wirkung von Klingen im Körper und wie man sich bewegt um einen gewissen Effekt zu erzielen halte ich für einen der wichtigsten Bausteine in den KK.
Daraus ergeben sich Notwendigkeiten der Positionierung, also auch wichtig für die Beinarbeit, die Ausrichtung einer Technik, also der Kraftvektor eines Schlages, Stichs etc. und nicht zuletzt die Art und Weise wie ich mich überhaupt bewege von a nach b.
Es ist ein Unterschied ob ich jemanden den Schädel spalten will, große Gefäße im Bauch zerfetze oder welche im Brustkorb oder ob ich ihm die Kehle durchschneiden oder ihn Köpfen will. Von Angriffen auf die Extremitäten rede ich jetzt noch gar nicht, da die oft ja "vorbereitend" genutzt werden.

All das gehört ja zur "Taktik" dazu, Beinarbeit, Positionierung, Körperausrichtung etc. dienen ja dazu bestimmte Effekte am Gegner zu erzielen. Wenn ich nicht weiß was ich erreichen will, dann wird es irgendwie "willkürlich". Um zu wissen was ich erreichen will brauche ich aber auch eine Vorstellung über das was ich angreife.
In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt wie das in den HEMA rekonstruiert wird, daher die Frage.

Grüße

Kanken

Nagare
31-12-2015, 14:27
-

Dunio
31-12-2015, 16:39
Zumindest bei den frühen Quellen findet man höchstens die Aufteilung des Menschen in die Blößen, die mit den drei Wundern angegriffen werden und je nach Schule in vier oder sechs Teilen, die senkrecht oder diagonal bezeichnet werden. Und dann halt noch die angaben zu den Angriffslinien, die auch wieder je nach Meister unterschiedlich steil sind. - Anatomiekenntnisse waren im 13-15Jhrd. in Europa wohl noch nicht wirklich vorhanden.
Man findet in der deutschen Schule höchstens Aussagen wie - so brich ihm den Arm ab oder falle mit deinem Knie in sein Gemächt, wenn es um das Ringen geht..
Was die Waffenwirkung betrifft, so gibt es zumindest Fundlagen von auf dem Schlachtfeld Verstorbenen und dann natürlich die Schnitttests an frischen Schweinehälften.
so wie ich das interpretiere, haben sich die alten Meister eher Gedanken über Geometrie und stabiele Winkel gemacht, wie man die Angriffslinien des Gegners blockiert und auf den eigenen möglichst viel Kraft entwickelt.
Also könnte man vereinfacht sagen, dass zumindest bis Meyer die Regeln:

1. lass dich nicht treffen
2. schlag richtig und mit guter Beinarbeit
3. ziel dahin, wo der Gegner ungedeckt ist
4. egal ob du getroffen hast oder nicht, schlag oder stich nochmal woanders hin
5. wiederhole Punkt 4. bis der Gegner nicht mehr kämpfen kann
6. zieh dich zurück und sichere dich dabei mit einem weiteren Hau zm Gegner

Anatomiekenntnisse nicht vorausgesetzt haben. :D

Dreiven
31-12-2015, 17:55
Entweder das oder alternative Vorgehensweise die man in älteren Quellen findet:
Besetze mit deinem Angriff die Mitte und triff den Gegner so, dass er nicht zu einem Gegentreffer in der Lage ist weil sein Schwert im Treffer gebunden ist, z.B. mittels Absetzen (https://i.ytimg.com/vi/ln94E9AGYTc/maxresdefault.jpg).
Zielvorgabe beim Absetzen ist nur allgemein als "Gesicht oder Brust" beschrieben.

ThomasL
01-01-2016, 11:48
Dunio, Dreiven: Gute Beiträge


In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt wie das in den HEMA rekonstruiert wird, daher die Frage.
Leider sind gerade solche grundlegenden Dinge wie genaue Ausführung von Schlägen und Stichen sowie Schrittarbeit nur sehr bedingt rekonstruierbar.
Da läuft dann letztlich viel über "Trial- und Error" sowie über "Frog-DNA". Mir hat zum Beispiel beim Themenkomplex "arbeiten" aus der Bindung (Winden, Duplieren, Mutieren, Absetzen...) meine Erfahrung aus dem WT sehr viel genutzt (fühlen und ausnutzen von Druckrichtung und Druckstärke).
Ohne eine echte Übetragungslinie lässt sich leider "lediglich" eine grobe Vorstellung davon entwickeln, wie mit den jeweiligen Waffen gekämpft wurde. Wie immer in den Geschichtswissenschaften bleibt dabei ein hoher Grad an Unsicherheit.

kanken
01-01-2016, 12:28
(fühlen und ausnutzen von Druckrichtung und Druckstärke).


Aber genau da wird es ja spannend. Früher waren Tote und tödliche Auseinandersetzungen jetzt ja nicht so unüblich und nach einer gewissen Zeit "unter Waffen" hatte man genug "praktische Anatomieerfahrung"um grundlegende Waffenwirkungen zu verstehen. Wenn solche Leute später selber ausbildeten, dann wußten sie wie es aussieht wenn man die Halsschlagader durchtrennt und das es besser ist sich dann wegzudrehen weil 3-5 Meter Blutfontänen unschön sind. Grundlegende Kenntnisse von Schnittführungen am Bauch hatte man dann ja auch (wenn man jetzt mal von weniger gerüsteten Leuten ausgeht). Den rausquillenden Darm greifen um den Gegner zu bewegen? Warum nicht, wenn man weiß wie schnell Darmschlingen rausquillenden wenn das Peritoneum eröffnet ist, dann liegt das nahe.

Ohne grundlegende Anatomiekenntnisse kann man doch nicht verstehen wie Schnittführungen gehen, wie Druck vom Handgelenk ausgeübt werden muss und gegen welchen Knochen/Strukturen um bestimmte Effekte zu erreichen. Ich bin mir sicher dass die Leute früher so etwas durch praktische Anwendung wußten, da sie es oft genug gesehen haben/mußten.

Gibt es nicht ein paar Forscher/HEMA-Enthusiasten, die sich mit Gerichtsmedizinern/Ärzten zusammensetzen um zu überlegen was wie Sinn macht, wenn man schon keinen Zugang zu einer lebendigen Tradition hat?
Bücher sind meistens ja nur Gedächtnisstützen, solche Dinge sind ja auch nur schwer schriftlich, oder bildlich, festzuhalten. Wäre bestimmt eine spannende Forschung, allerdings wohl eher historisch wissenschaftlich als für einen "normalen" HEMA-Verein...

Grüße

Kanken

panzerknacker
01-01-2016, 14:43
früher hat auch jeder selbst geschlachtet,- ganz ohne Schlachter, amtlichen Tierbeschauer usw.
das ist quasi Standardwissen gewesen, wozu also dokumentieren? wurde ja eh mündlich weitergegeben
wer konnte schon lesen?
wer hatte schon Vorstellungen von Perspektive, konnte diese darstellen/auf Bildern erkennen?
das Problem ist doch nicht "Techniken" wiederzubeleben, sondern sie in den richtigen Kontext zu setzen

ich finde zum Beispiel die Videos von Roland Warszecha sehr hochwertig, glaube aber nicht, daß sein I33 mit der Version von 1200 deckungsgleich ist, zu (ohne das in irgendeiner Form abwertend zu meinen) intellektuell, künstlerisch, modern in meinen Augen, gerade weil er das so intensiv erforscht
und ganz hervorragende Kenntnisse von Distanz und Timing besitzt
das was da rekonstruiert wird, ist ausschließlich unter dem Gesichtspunkt eines Duells, hat keinen Vorkampf, sucht sofort und immer Bindung,....
das ist aber ganz sicher nicht Grundlagenwissen gewesen, sondern setzt auf
einer grundlegenden Struktur auf, die taktisch/combativ sicher ein anderes Spiel beschreibt, Kampf gegen mehrere, in Formation, unmatched weapons,....

wenn heutzutage Feindkontakt entsteht, schaffen das nur exzellent trainierte Truppen und Veteranen ihr Training im taktischen Kontext umzusetzen, guckt Euch doch an, was da üblicherweise an "spray and pray" nachher von bleibt

ich vermute mal, das Elitetruppen das Wissen sicherlich hatten, die dürften dann wohl in der Leibgarde des jeweiligen Chefs gedient haben oder als Assassine ihren Lebensunterhalt bestritten haben
na oder Fechtbücher geschrieben haben

itto_ryu
01-01-2016, 17:49
Version von um 1300 ;)

Übrigens persische Quellen zum Lanzenfechten weisen darauf hin, wie man unterschiedlich stechen soll, also gegen Menschen in den Leib mit der Klinge flach zum Boden, gegen Tiere seitlich in den Leib mit der Schneide zum Boden. Um nochmal was zum Thema beizutragen.

ThomasL
01-01-2016, 19:02
Gibt es nicht ein paar Forscher/HEMA-Enthusiasten, die sich mit Gerichtsmedizinern/Ärzten zusammensetzen um zu überlegen was wie Sinn macht, wenn man schon keinen Zugang zu einer lebendigen Tradition hat?
Ich kann da nur für mich sprechen. Meine letztes und intensivstes "Forschungsobjekt" war das I33 (über das ich auch mit Roland in Kontakt kam), da hatte ich noch mehr als genug damit zu tun, die Stücke nach und nach nachzuvollziehen. In Richtung Waffenwirkung / Waffenführung blieb es daher bei der Analyse von Verletzungen (u.a. aus Visby) sowie Schnitttests (plus Frog DNA).
Der von Dir vorgeschlagene Ansatz wäre sicher sehr interessant. Gerade heutzutage wo man im HF schon viel weiter ist, als zu der Zeit, zu der ich noch aktiv war.

Dunio
01-01-2016, 19:29
Das mit den persischen Quellen ist ein guter Hinweis, wenn es um Kontext geht - im geografischen Europa war das Denken wohl noch sehr stark christlich geprägt - der Mensch als Ebenbild Gottes und es wäre Blsphemie gewesen, versuchen ruszufinden, wie der Mensch aufgebaut ist und funktioniert, was sich auch in dem Zeigt, was wir heute über die medizinische Versorgung im Mittelalter wissen. Anatomisches wissen von Hausschlachtung von Vieh auf den Menschen zu übertragen hätte wohl bedeutet, die Stellung des Menschen als Vollendung der Schöpfung in Frage zu stellen.
Und von heutigen Schnittests und den Knochenfunden kann man erahnen, dass die Waffenwirkung stark genug gewesen sein musste, bei guter Hiebausführung beträchtlichen Schaden anzurichten - habe mal von gespaltenen Kieferknochen gehört, bei denen sogar einzelne Zähne durchtrennt wurden, ohne auszubrechen.
Deshalb denke ich, dass die alten Meister ihre Schwerpunkte auf Technik, Taktik und allgemeine Grundprinzipien des Kampfes gelegt haben - auch wenn meine Aufzählung sehr stark vereinfacht war...
Ich muss aber zugeben, mich bisher nur mit dem ungerüsteten Zweikampf zwischen zwei Personen zwischen 1430 und 1600 beschäftigt zu haben.

kanken
01-01-2016, 23:28
Nun ja, nach ein wenig Praxiserfahrung hatten die Leute da wohl sehr genaue Kenntnisse über die menschliche Anatomie, denn sie sahen ja die Folgen Ihres Tuns.
Das Problem mit "Skelettforschung" (wie Visby und andere) ist ja das man nur knöcherne Verletzungen sieht und da oft nur den Schädel, die Unterarmknochen, oder die Schlüsselbeine. Welche Art von Weichteilverletzungen stattfanden oder "Schnittmarken" an der Wirbelsäule läßt sich oft nicht mehr sagen, da man oft nicht unterscheiden kann was perimortem war oder was postmortem war. Der Schädel macht es einem da einfach...
In den CMA ist der Angriff gegen den Schädel/das Gesicht oft ja nur das Ende einer Kette von Angriffen (und der daraus resultierenden Verletzungen). Was da im Vorfeld war würde man an einem Skelett oft gar nicht sehen.

Ich glaube man sollte nicht denken die Soldaten/Söldner damals hätten Skrupel gehabt sich die Leichen mal genauer anzusehen um zu schauen wie man so etwas das nächste mal effektiver gestalten kann. Wenn man sich die Bilder anschaut, dann kann man sehr wohl ahnen was sie wußten, z.B. auch auf dem Bild was hier schon mehrfach verlinkt wurde (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e8/De_Fechtbuch_Talhoffer_031.jpg. Nur fehlt bei solchen Bildern halt die Beschreibung, was man machen muss um sicher gewisse Dinge IM Körper zu treffen. Die Tatsache das man durch das Bild aber, mit anatomischen Wissen, ahnen kann was der Urheber vor hatte läßt darauf schließen das er auch über dieses Wissen verfügte, sonst hätte er nicht so gezeichnet.
Eine Technik wie auf dem Bild würde dazu führen dass der Getroffene sofort bewußtlos wird und innerhalb kürzester Zeit stirbt, jedenfalls wenn sie richtig ausgeführt wird.

Grüße

Kanken

karate_Fan
02-01-2016, 08:46
itto Ryu Vielen Dank für das Erwähnen der persischen Quellen zum Lanzengebrauch. Als Interssierter an den alten persischen Quellen sind solche Dinge immer nett zu lesen. :)


Und noch was wenn auch zum Thema beitragen zu können eine kleine Spekulation von mir:

Gemessen an den Sammlung von Geschichten in den Büchern Swordsmen of the British Empire und more Swordsmen of the British Empire von D.A Kingsley scheinen diese "One Hit Kill Techniken" wie Kanken sie in den CMA erlebt hat im Europa der frühen Neuzeit nicht bekannt gewesen zu sein oder zumindest in Vergessenheit geraten zu sein. Gibt Berichte von Leuten die trotz massiver Verletzungen noch weitergekämpft haben.

Da war das korekte anatomische Wissen im Sinne der CMA wie Kanken es kennengelernt hat wohl nicht so verbreitet.

Ist aber wie gesagt nur reine Spekulation von mir. Vielleicht habe ich Kanken auch falsch verstanden. Hab das so verstanden das in CMA anatomisches Wissen gibt, was den CMA Praktiker in der Lage versetzt den Gegner mit wenigen Waffenanwendung mit absoluter Sicherheit auszuschalten.

Das ist so ziemlich konträr zu den Augenzeugen Berichten in Kingsleys Büchern wo die "Protagonisten ihre Feinde manchmal richtig mit massivster Gewalt "kaputt" kloppen mussten bis der Kampf entscheiden war..

Lassen wir noch meinen Lieblings Youtuber in Sachen HEMA Matt Easton

https://www.youtube.com/watch?v=iF_K-P0AwfI

zu Wort kommen der ein paar Auszüge aus dem Buch in dem Video hier vorträgt.

Dunio
02-01-2016, 09:19
Wie gesagt, ich beziehe mich bei meinen Aussagen auf den ungerüsteten Kampf zwischen zwei Personen im deutschsprachigen Raum bis 1600 - und dort wird halt nur explizit erwähnt, zu welcher Blöße man angreifen soll und wie der Hieb oder Stich richtig ausgeführt wird.
Plump gesagt ist es eigentlich auch völlig egal, ob ich nun weiß, dass im Abdominalbereich die Pfortader läuft, wenn der Gegner kampfunfähig wird, wenn ich ihm diesen aufschneide...
Das nicht-getroffen-werden steht meiner Interpretation nach im Vordergrund - deshalb wird in der Lichtenauertradition auch darauf hingewiesen, dass die Fechtzeiten Vor, Nach und Indes zu kennen und diese richzig einzusetzen besonders wichtig sei, ohne die alle Kunst nutzlos ist...
Was Weichteilverletzungen betrifft, so schaue man sich die Versuche an Tierkadavern an, bei denen schon mit geringer Kraft erhebloicher Schaden angerichtet wird, solang die Klingenführung und er Schnittwinkel passt. - Deshalb gibt es ja Momentan auch die Diskussion, wie hart auf Turnieren gearbeitet werden sollte - was heute bei manchen Wettkämpfen zu sehen ist, wäre von den alten Meistern noch verächtlich als Büffel bezeichnet - dabei könnte man auch mit stumpfen Waffen ode den Fechtfedern so erhebliche Verletzungen beim ungeschützten Gegner erzielen, dass dieser schnell kampfunfähig wäre - wenn man bedenkt, dass der Ernstkampf mit geschärfter Klinge geführt wurde, lässt sich ableiten, dass Treffer an Kopf oder Torso massiv genug gewesen sein müssen, um einen Kampf schnell zu beenden...

Suriage
02-01-2016, 11:59
Gemessen an den Sammlung von Geschichten in den Büchern Swordsmen of the British Empire und more Swordsmen of the British Empire von D.A Kingsley scheinen diese "One Hit Kill Techniken" wie Kanken sie in den CMA erlebt hat im Europa der frühen Neuzeit nicht bekannt gewesen zu sein oder zumindest in Vergessenheit geraten zu sein. Gibt Berichte von Leuten die trotz massiver Verletzungen noch weitergekämpft haben.

Da war das korekte anatomische Wissen im Sinne der CMA wie Kanken es kennengelernt hat wohl nicht so verbreitet.

Vllt. klafft auch hier die Lücke zwischen Theorie und Praxis wieder mal ganz weit auseinander.

kanken
02-01-2016, 12:06
@Suriage
Ich habe praktisch wohl mehr Folgen scharfer Gewalt gesehen als die allermeisten hier...

Wie viele Leute mit zerrissener Aorta (traumatisch, oder auch gerne krankhaft, z.B. perforiertes Aneurysma, was im Effekt das gleiche ist wie ein Achnitttrauma) hast du gesehen? Ich mind. 8, davon bei 2en ein Bergungstod. Sind Sachen die man nicht braucht...
Aber ich habe wohl nur theoretisches Wissen, können dir die zwei, denen ich das Leben gerettet habe, wohl bestätigen...

Wie viele spritzende Verletzungen der Carotis hast du gesehen? Ich mehr als ich brauche. Wie viele Zerreißungen der thorakalen Aorta? Auch sehr unschöne Dinge. Schon mal gesehen wie es aussieht wenn die Brustschlagader Kontakt zum Bronchialsystem bekommt? War bei meiner Erfahrung jetzt nicht durch eine Klinge, aber ein armdicker Strahl Blut aus dem Mund der 3 Meter an die Wand fliegt ist ein unschöner Anblick, das Bewußtsein war da auch sofort weg von dem armen Kerl. Weißt du wie es aussieht wenn eine Motorsäge einen halben Hals wegreißt? Weißt du wie es riecht wenn ein Körper vom Schambein bis zum Hals aufgerissen wird und sich der Inhalt des Körpers in der Umgebung verteilt?

Ich habe von solchen unschönen Erinnerungen noch eine ganze Menge, also erzähl mir hier bitte nichts von Theorie und Praxis...


Grüße

Kanken

T. Stoeppler
02-01-2016, 12:10
Frohes Neues :)

Also zu dem Sachverhalt kann man nur kurz sagen, dass in den Quellen keine "past-epidermis" Anweisungen enthalten sind. Die Diskussion wurde aber schon einige Male in den historischen Fechtkreisen geführt und Workshops dazu gabs auch.

Wir müssen davon ausgehen, dass allein schon die Jagderfahrung den Leuten schon gezeigt hat, wie man vitale Bereiche trifft. Z.B. dass man mit "pumping the Hilt" einen Büffel (u.A. auch Fechter) quasi sofort ausmachen kann, während da mehrere Stichangriffe unter Umständen immer an wichtigen Teilen vorbeigehen. (Anekdote von George Silver, dessen Bekannter von mehreren Rapierstössen durchbohrt nach dem Kampf nach Hause ging und sich von seinen Verletzungen recht schnell erholte)

Was das Liechtenauer- System betrifft, so werden bevorzugt die oberen Blössen angegriffen - und da kann man kaum an vitalen Bereichen vorbeiarbeiten. Die unteren Blössen sind weniger bevorzugt. Allgemein gibt es auch keine Schnitte zum Torso; sobald ein Gambeson oder auch nur ein dickes Leinenwams getragen wird (und davon musste man ausgehen) kann man nicht mehr schneiden. Ansonsten - wie bereits gesagt wurde bilden Vor/Nach/Indes etc den elementaren Teil des Schwerthandwerks.

Gruss, Thomas

kanken
02-01-2016, 12:22
Wir müssen davon ausgehen, dass allein schon die Jagderfahrung den Leuten schon gezeigt hat, wie man vitale Bereiche trifft. Z.B. dass man mit "pumping the Hilt" einen Büffel (u.A. auch Fechter) quasi sofort ausmachen kann, während da mehrere Stichangriffe unter Umständen immer an wichtigen Teilen vorbeigehen.

Genau so etwas meine ich. Anweisungen wie man eben nicht diese Stellen verfehlt.

T. Stoeppler
02-01-2016, 12:37
Das gibt es in den Quellen nur sehr indirekt; in den Stücken wird schon gezielt angegriffen, wie z.B. die Achselhöhle, die Kniekehle, das Gemächt, Handinnenfläche, Hals etc. Interessanterweise gibt es in den "verbotenen Ringen" (also Sachen, die man nur zum Ernstfechten verwendet) auch einen Stoss mit beiden Fäusten an den Hals (Nicht einfach voll aufs Gesicht). Aber von einem Carotissinusreflex steht da natürlich nichts.

Andersrum kann man auch sagen, dass die Entwicklung der Schutzbewaffnung schon zeigt, wie man am liebsten nicht getroffen wird.

Gruss, Thomas

karate_Fan
02-01-2016, 12:54
Vllt. klafft auch hier die Lücke zwischen Theorie und Praxis wieder mal ganz weit auseinander.


Wäre natürlich eine Möglichkeit.

oder manche alte Chinesen konnten wirklich besser zielen als die Soldaten der British Army der frühen Neuzeit weil sie einfach mehr anatomisches Wissen hatten.

Das wäre die zweite Möglichkeit.

Kanken scheint jedenfalls aufgrund seiner medizinischen Ausbildung bestimmte Zusammenhänge der Setzung der Treffer zu sehen und scheint auch der Meinung zu sein, das man diese Stellen auch in einer Stressituation treffen kann..

Weit verbreitet scheint dieses Wissen aber Westen nicht zu sein. Weder damals noch heute. Mit der Stopping Power Reihe von Evan Marshall das sich mit moderen Defensiv Geschossen gibt es ebenfalls Berichte wo ein eigentlich Toter nicht sofort tot war und noch für kurze Zeit kriminelle Handlungen setzen konnte. Gibt in den Büchern von allen gangigen Kalibern so Failure Berichte.

Tyrdal
02-01-2016, 12:54
Vllt. klafft auch hier die Lücke zwischen Theorie und Praxis wieder mal ganz weit auseinander.
Das denke ich auch. Nicht alles wa theoretisch möglich ist lässt sich auch sicher umsetzen wenn sich der Gegner ernsthaft wehrt (was Bergungsopfer wohl nicht so tun).

karate_Fan
02-01-2016, 13:00
Wobei auch in China nicht alles Gold ist was glanzt. Gibt im Buch more Swordsmen of the British Empire ja einen Betrag der zur Zeit des Optium Krieges handelt, weiß nicht ausßwendig ob es der erste oder der zweite Krieg war. jedenfalls haben sich dort die Leute die gegen die Chinesen gekämpft haben nicht sehr vorteilhaft über diese geäußert..

kanken
02-01-2016, 13:24
Das gibt es in den Quellen nur sehr indirekt; in den Stücken wird schon gezielt angegriffen, wie z.B. die Achselhöhle,

Die Achsel ist da ja aber z.B. ein klassisches Beispiel. Gerade da kommt es ja drauf an wie ich in die Achsel steche, bzw. in welche Richtung. Das ist so ein Beispiel wo es in den CMA ganz klare Anweisungen gibt. Stößt man da falsch passiert nichts mit direkt tödlicher Wirkung, stößt man richtig, fällt er wie ein Stein. Zu sagen "greife die Achselhöhle an" ist nicht ausreichend. Ich denke schon das die Leute früher wußten wie sie den Stoß zu führen hatten, evtl. war es für sie so klar das man es nicht schriftlich fixierte, nur leider weiß es eben heute anscheinend kaum einer.

Grüße

Kanken

T. Stoeppler
02-01-2016, 13:38
Bei der Achselhöhle haben wir z.B. im gerüsteten Zweikampf mit einer Hand unterstützend die Klingenmitte gegriffen, die Anweisung, nach dem Stoss weiter auf den Gegner einzudrücken und ihn wegzuschieben bzw immer dran zu bleiben ("Setz an vier Enden, bleib darauf, lere willst Du enden")

-Hindert den Gegner am Angriff
-Treibt die Klinge ggf weiter durch die Rüstteile
-Schert drinnen ´rum, da bleibt nichts heil.

Gruss, Thomas

karate_Fan
02-01-2016, 13:58
@Kanken Wie weit ist dieses Wissen eigentlich in den CMA verbreitet? In allen Stilen die mit Waffen arbeiten oder nur in den wenigsten?

Sorry für das OT, aber das würde mich schon interssieren.

Dreiven
02-01-2016, 14:34
Das ist jetzt etwas mehr Spekulation als das was ich vorherige Seite geposted hab, aber für mich ist das auch eine Frage des Mindsets.

Ich les aus den deutschen Langschwert Quellen, den enthaltenen taktischen Anweisungen und den Folgeaktionen aus den Stücken heraus, dass man sich nie drauf verlassen darf, dass der eigene Treffer den Gegner zuverlässig ausschaltet sondern immer weiterfechten, sein Schwert blockieren oder abziehen muss, bis der Gegner nicht mehr kämpfen kann.

Sowas wie dein Beispiel mit vom Gegner wegdrehen als Ratschlag in egal welcher Bloßfechten Situation wär damit meiner Meinung nach nicht vereinbar.

Wobei in dem Zusammenhang das Ansetzen als Kontrastpunkt spannend ist: Ich steche zu einer freien Blöße, während mein Gegner sein Schwert zum Hieb oder Stich zurück zieht, noch bevor mein Gegner dazu kommt seinen Angriff auszuführen.

Das Stück endet an der Stelle auch schon, die Frage ist jetzt natürlich wie gehts weiter?
1) Geh ich davon aus, dass ich ihn mit meinem Stich so gut treffe, weil entsprechende Anatomische Kenntnisse vorhanden sind, dass er Kampfunfähig/tot ist und damit hat sichs erledigt?
2) Oder, beweg ich mein Schwert nach/während des Stichs so dass ich seinen sich entwickelnden Angriff im Zweifelsfall abfangen könnte, z.B. in dem ich mit dem Schwert auffahre, wenn er von oben hauen wollte, um mich zu schützen? Wenn ich dieses auffahren mache nachdem ich mit dem Stich schon getroffen habe, würde das entsprechend die Schadenswirkung erhöhen.
3) Oder, geh ich davon aus dass ich nach dem erfolgreichen Stich sofort abziehe bzw. den nächsten Angriff zur nächsten Blöße starte und er dann einfach immer weiter getroffe wird und garnicht dazu kommt mich doch noch irgendwann anzugreifen wenn ich ihn garnicht erst ins Vor lasse?

2) und 3) schließen sich erstmal nicht direkt aus, aber ich persönlich halte 1) für am unwahrscheinlichsten, da dieses Mindset meiner Meinung nach nicht zum Rest der Quellen passt.
Das ist für mich kein Indiz, dass das Wissen nicht vorhanden war, sondern vielleicht dass der Stellenwert ein anderer war. Wenn ich eh davon ausgehe, immer weiter zu fechten, nehm ich das eher in meine Fechtbücher auf als entsprechende Anatomie Tips.

Suriage
02-01-2016, 15:11
@Suriage
Ich habe praktisch wohl mehr Folgen scharfer Gewalt gesehen als die allermeisten hier...

Wie viele Leute mit zerrissener Aorta (traumatisch, oder auch gerne krankhaft, z.B. perforiertes Aneurysma, was im Effekt das gleiche ist wie ein Achnitttrauma) hast du gesehen? Ich mind. 8, davon bei 2en ein Bergungstod. Sind Sachen die man nicht braucht...
Aber ich habe wohl nur theoretisches Wissen, können dir die zwei, denen ich das Leben gerettet habe, wohl bestätigen...

Wie viele spritzende Verletzungen der Carotis hast du gesehen? Ich mehr als ich brauche. Wie viele Zerreißungen der thorakalen Aorta? Auch sehr unschöne Dinge. Schon mal gesehen wie es aussieht wenn die Brustschlagader Kontakt zum Bronchialsystem bekommt? War bei meiner Erfahrung jetzt nicht durch eine Klinge, aber ein armdicker Strahl Blut aus dem Mund der 3 Meter an die Wand fliegt ist ein unschöner Anblick, das Bewußtsein war da auch sofort weg von dem armen Kerl. Weißt du wie es aussieht wenn eine Motorsäge einen halben Hals wegreißt? Weißt du wie es riecht wenn ein Körper vom Schambein bis zum Hals aufgerissen wird und sich der Inhalt des Körpers in der Umgebung verteilt?

Ich habe von solchen unschönen Erinnerungen noch eine ganze Menge, also erzähl mir hier bitte nichts von Theorie und Praxis...

u
Grüße

Kanken

Cool bleiben. Will dir deine Anatomiekenntnisse nicht absprechen. mIr ging es um die Auswirkungen die theoretisches Wissen auf die kämpferische Praxis haben.

Ich sehe das ähnlich wie Dreiven btw.

OliverJ
02-01-2016, 16:00
früher hat auch jeder selbst geschlachtet,- ganz ohne Schlachter, amtlichen Tierbeschauer usw.
das ist quasi Standardwissen gewesen, wozu also dokumentieren? wurde ja eh mündlich weitergegeben


Übrigens persische Quellen zum Lanzenfechten weisen darauf hin, wie man unterschiedlich stechen soll, also gegen Menschen in den Leib mit der Klinge flach zum Boden, gegen Tiere seitlich in den Leib mit der Schneide zum Boden. Um nochmal was zum Thema beizutragen.

Der Perser musste sich wohl doch nochmal aufschreiben wie die Rippen im Brustkorb liegen :D :D:D *duckundweg*

kanken
02-01-2016, 16:37
Cool bleiben. Will dir deine Anatomiekenntnisse nicht absprechen. mIr ging es um die Auswirkungen die theoretisches Wissen auf die kämpferische Praxis haben.

Ich sehe das ähnlich wie Dreiven btw.

Sehr hohe Auswirkungen, da man sich eben an "Leitstrukturen" orientiert und wechselt. Diese Dinge bestimmten wie man arbeitet.

@Karate Fan
Ich weiß nicht wie weit dieses Wissen in den CMA verbreitet war/ist.
Ich habe solche Dinge in meinem Karate gelernt und lerne sie auch jetzt in den CMA, wobei beides jetzt ja nicht gerade "Mainstream" war, bzw. ist.

Grüße

Kanken

karate_Fan
02-01-2016, 16:51
@Kanken Danke für die Auskunft.:)

Axel_C_T
02-01-2016, 22:21
Vielleicht hier nochmal ein Hinweis: HEMA hat eine unheimliche Bandbreite, so dass man meiner Meinung nach kaum eine allgemein gültige Aussage für HEMA treffen kann.

Es ist kommt ja schon drauf an, ob es sich um eine Quelle handelt, die "die schnelle Ausbildung von Soldaten beinhaltet", oder eine Quelle, in der es sich weniger um das "scharfe" Fechten handelt, sondern um eine mehr "versportlichte Quelle".

Für das "deutsche Lange Schwert nach Liechtenauer" gibt es teilweise "nur" Anweisungen, was man in einer bestimmten Situation anzugreifen hat. Aus einer Situation und der Anweisung, wie Hiebe zu hauen sind, welches Ziel anzugreifen ist, ist (meiner Meinung nach) indirekt durch den Autor klargestellt, was zu tun ist, ohne auf anatomische Dinge einzugehen. Er erklärt beispielsweise nicht, was passiert, wenn man jemandem ins Gesicht sticht. Aber er erklärt, dass man in einer bestimmten Situation dann die Schwertspitze ins Gesicht stechen lässt.

Ich persönlich fände Anatomie in der Hinsicht interessant zu behandeln, unter welchen Umständen ein Hieb auch den "gewünschten" Effekt erzielt. Aber vielleicht muss ich einfach mal Schnitttests üben ;-).

Dunio
02-01-2016, 23:07
Ich persönlich fände Anatomie in der Hinsicht interessant zu behandeln, unter welchen Umständen ein Hieb auch den "gewünschten" Effekt erzielt. Aber vielleicht muss ich einfach mal Schnitttests üben ;-).

Was hält dich davon ab? - Mann muß ja nicht gleich mit halben Rindern anfangen - obwohl das sich gut mit einem abendlichen Grillen verbinden ließe... :D

kanken
04-01-2016, 11:56
Ich würde empfehlen sich die Strukturen mal mit dem Sonogerät zeigen zu lassen, am besten mit einem Echoschallkopf. Da kann man sehr gut demonstrieren wo Gefäße liegen, wo Organe und vor allem wie weit weg von der Oberfläche.
Dazu macht man noch ein wenig topographische Anatomie vorweg und schon hat man einen guten Einstieg. Ein Demoskelett ist auch sehr hilfreich, wir haben immer eines im Training stehen.

Man kann da mit wenig Zeit sehr große Fortschritte machen. Ein paar Stunden reichen völlig aus, man braucht nur einen Arzt mit Zugang zum Ultraschall im Bekanntenkreis.

Grüße

Kanken

Nagare
05-01-2016, 22:12
-

Dreiven
10-01-2016, 15:55
Ein interessantes Bild hätte ich da noch: https://en.wikipedia.org/wiki/Wound_Man

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/73/Gersdorff_p21v.jpg/250px-Gersdorff_p21v.jpg (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/73/Gersdorff_p21v.jpg)

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/f/f0/Ketham_p24.jpg/250px-Ketham_p24.jpg (https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Ketham_p24.jpg)

ThomasL
10-01-2016, 15:58
Weil es gerade so gut passt, lag plötzlich bei uns im Flur - aus irgendeinem Heft meines Sohns :D

Chihab
13-01-2016, 22:11
Ich habe mich bisher nur mit Capo Ferro näher beschäftigt (im Sinne von das Buch gelesen, nicht nur trainiert was mir ein anderer gesagt hat).

Da steht explizit nicht so viel drinnen. Meistens nur treffe in Seconda/Quarta, oder treffe mit dem und dem Schritt. Auf den Bildern sieht man dann halt er trifft den Oberkörper/Kopf, Bauch unter den Arm. Oft ist aus der Situation eh nur ein Ziel wirklich sinnvoll.

Bei einer Tafel schreibt er dann aber im Kontrast dazu nicht nur dass du das Auge triffst sondern auch noch welches.

Ich bin jetzt kein Anatom - aber wenn mein Gegner einen Ausfall macht - ich steige aus der Linie und stoße ihm meine Waffe unter seinem Arm queer durch seinen im Profil stehenden Oberkörper - macht des da so einen Unterschied wie ich treffe?
Und kann ich bei der Geschwindigkeit überhaupt noch so genau treffen? (Also ich kanns nicht - Treffe Hals/Kopf/Oberkörper Innen-Außen/ Oben-Unten)

kanken
14-01-2016, 07:50
Es macht im Zweifelsfall einen großen Unterschied bzgl. der "Manstopwirkung".
Es gibt, zumindest in den CMA, Anweisungen die klar dafür sorgen dass man sofort essentielle anatomische Strukturen trifft, die einem auf der Stelle das Licht aus machen.
Bzgl. der Geschwindigkeit und des "genau" Treffens gibt es auch Anweisungen was zu tun ist wenn man mal nicht genau trifft. Dieses "Wechseln" bewirkt dann in der Regel die nächste unschöne Begegnung für beteiligte anatomische Strukturen. Das kennen dieser "Trigger" ist dafür aber Voraussetzung.

Grüße

Kanken

gast
14-01-2016, 09:22
Oft ist aus der Situation eh nur ein Ziel wirklich sinnvoll.
Exakt. Meistens ergeben sich Blößen aus der Situation heraus. Anatomische Kenntnisse sind ja schön und gut, aber man kann sich die Trefferzonen eigentlich nicht einfach mal so aussuchen. Es gibt ein Grund warum eine Generalanweisung in der deutschen Schule das "Blößentreiben" ist. Solange draufknüppeln (natürlich sinnvoll), bis der andere nicht mehr kann.

Auch di Grassi impliziert an einigen Stellen, dass der Gegner eher wohl den Blutungstod stirbt, als dass er sofort umfällt und fordert zur Mensurvergrößerung und Vorsicht auf. Kopf ist halt nicht immer möglich.

Unabhängig davon, denke ich, dass damals genau so wie heute, die Manstoppwirkung eine von Soldaten als sehr individuell empfundene Sache ist. Der eine fällt sofort, der andere rennt noch drei Straßen weiter. Kommt sehr auf den Einzelnen an und wie man trifft.

Interessant zu diesem Thema:
https://www.etsy.com/de/listing/260134247/anatomische-hautausschlag-wache-short?ref=shop_home_active_1

karate_Fan
14-01-2016, 10:57
Ich bin jetzt kein Anatom - aber wenn mein Gegner einen Ausfall macht - ich steige aus der Linie und stoße ihm meine Waffe unter seinem Arm queer durch seinen im Profil stehenden Oberkörper - macht des da so einen Unterschied wie ich treffe?
Und kann ich bei der Geschwindigkeit überhaupt noch so genau treffen? (Also ich kanns nicht - Treffe Hals/Kopf/Oberkörper Innen-Außen/ Oben-Unten)


Sinnvoll ist es schon. Wenn man den Berichten aus Swordsmen of the British Empire and More Swords of the British Empire glauben schenken darf, dann kann der Gegner noch ein wenig weitermachen, bevor er ausgeschaltet ist, wenn man ihn nur irgendwie trifft. Auch bei Stellen an denen Treffer früher oder später zwangsläufig tödlich enden.

Ob es möglich ist im Eifer des Gefechts diese nennen wir es mal chirurgische Präzision an den Tag zu legen ist wiederum eine andere Frage.

Ich bin bei uns im Lang Schwert Sparring ja schon froh, wenn ich es schaffe meinen Gegner irgendwie zu treffen ohne selbst getroffen zu werden.

Ob der Treffer ein sauber and wirksamer Schnitt geworden wäre übersteigt aber meine Vorstellungskraft..

Vielleicht kann ein erfahrener Schwertkämpfer eine solche Präzision an den Tag legen... ? Für Den Durchschnittsfechter dürfte das aber eine Nummer groß sein...

Übt jemand in der HEMA Szene hier im Forum Hiebe oder Stiche die auf Präzision ausgelegt sind? Also immer wieder den gleichen Punkt zu treffen??

kanken
14-01-2016, 12:59
Ich denke all diese Sachen sind ja eine Frage des didaktischen Konzeptes dahinter.
In den CMA (wie ich sie lerne) werden diese Dinge von Anfang an mitunterrichtet. Es geht ja darum gewisse Dinge (Muskeln, Knochen, Sehnen, Haut etc.) zu "spüren" (Achtung: Umschreibung, da man nur gewisse Effekt bzgl. einiger Strukturen spüren kann und nicht die Strukturen). Das gesamte Konzept ist also auf optimierte Eigenwahrnehmung zur effizienten Bewegungsoptimierung ausgelegt. In der kämpferischen Anwendung paart man das dann mit entsprechenden Angriffen.

Sich gewisse chinesische Begriffe (wie Li, Jin, Dantien etc.) unter anatomischen Aspekten anzugucken, jedenfalls wenn man bestimmte Visualisationen kennt, ist schon hochinteressant. "Voll" und "Leer" macht bei einem Leitungssystem schon Sinn und erzeugt gewisse Effekte in anatomischen Strukturen, die man, im Rahmen der Visualisationen, spüren kann. Die anatomischen Strukturen müssen jedoch auch ge-, bzw. benannt werden und eben das passiert heutzutage leider viel zu wenig. Auch die 5 Elemente haben ja nicht ohne Grund konkrete anatomische Korrelate, aber das würde hier wohl viel zu weit führen.

Anatomisches Wissen gehört in die Didaktik der (mir bekannten) CMA essentiell dazu und ermöglicht erst sehr viele andere Dinge. Bedingt durch die teilweise sehr "blumige" chinesische Sprache ist es jedoch kein Wunder das dieses anatomische Wissen eher selten einen Weg in den Westen gefunden hat. Nur wenige Westler besitzen genügend Kenntnisse der chinesischen Sprache und eine entsprechende (westlich) anatomisch-medizinische Ausbildung die sie mit der TCM kombinieren können und haben einen guten chinesischen Lehrer der in einer wirklichenLinie steht und nicht nur Geld von den Langnasen abziehen will.
Zumindest was (westlich) anatomisches Wissen und Bezug zur TCM angeht tut sich ja in China einiges an den Unis, die Sprachbarriere ist da wohl das größte Problem. Authentische Lehrer zu finden ist wohl noch schwerer (und wird mit Sicherheit nicht einfacher).

Grüße

Kanken

OliverJ
14-01-2016, 14:22
Ich weiß nicht wie weit dieses Wissen in den CMA verbreitet war/ist.Ich habe solche Dinge in meinem Karate gelernt und lerne sie auch jetzt in den CMA, wobei beides jetzt ja nicht gerade "Mainstream" war, bzw. ist.
Das heißt, dass du das mündlich gelehrt bekommen hast und schriftliche Überlieferungen auch im osten eher nicht üblich waren im Bereich der Kampfkunst.
In europäischen Texten findet sich dazu auch nichts, leider fehlen dort die Lehrer. Wobei schon fraglich ist, von wann das Wissen im Osten stammt.
Wurde es viellecht auch erst beigefügt, als man über entsprechendes Wissen verfügte, die Anwendung aber schon langsam (bis auf kleinere Gruppen) in den Hintergrund trat?


Übt jemand in der HEMA Szene hier im Forum Hiebe oder Stiche die auf Präzision ausgelegt sind? Also immer wieder den gleichen Punkt zu treffen??
Aber selbstverständlich.
Hast du kein Stoßkissen oder ähnliches?
Die Berliner Schule hat für Hiebe und Präzision wie ich finde ein hübsches Trainingsgerät. Im Grunde ist es nur ein Brett in das Schlitze gesägt werden.
Fürs Langschwerttraining, wo die Hiebe evtl. durchgeschlagen werden und aus dem ganzen Körper kommen bietet sich eine Scheibe an, die entsprechend vor einen Reifen montiert wird. So zerlegt man sich die Konstruktion nicht nach ein paar Hieben.

kanken
14-01-2016, 14:36
Das heißt, dass du das mündlich gelehrt bekommen hast und schriftliche Überlieferungen auch im osten eher nicht üblich waren im Bereich der Kampfkunst.
In europäischen Texten findet sich dazu auch nichts, leider fehlen dort die Lehrer. Wobei schon fraglich ist, von wann das Wissen im Osten stammt.
Wurde es viellecht auch erst beigefügt, als man über entsprechendes Wissen verfügte, die Anwendung aber schon langsam (bis auf kleinere Gruppen) in den Hintergrund trat?


In den CMA wurde so etwas schon immer nur mündlich weitergegeben, die Manuale, die es gibt, geben so etwas natürlich nicht her.

Das Wissen war schon immer da und wurde genutzt, da wurde nichts später hinzugefügt, jedenfalls nicht wie ich es lerne.

Ich sehe das mir beigebrachte Wissen natürlich unter modernen medizinischen und neurobiologischen Aspekten, das betrifft aber eher bestimmte Visualisationen und die damit verbundene Körperarbeit, an der "Übungsanleitung" ändert das nichts.
Wenn ich jedoch beigebracht bekomme "die Haut" zu spüren, oder "die Knochen" oder "die Sehnen", dann nehme ich mir mein westliches Wissen und schaue was die dazugehörigen Übungen bewirken, denn man kann tatsächlich "die Haut, Knochen, Sehnen" etc. spüren und das ist schon ziemlich abgedreht, dazu muss man aber die jeweiligen Übungen und Visualisationen kennen.
Diese alte Methodik ist verdammt ausgefuchst, verdammt effektiv UND sie ist absolut logisch mit westlichen Modellen erklärbar. Chinesische Kampfkunst ist absolut eine Kunst, nämlich eine hochentwickelte Bewegungskunst, die in hocheffektiver Anwendung mündet.

Je mehr ich in die Welt der chinesischen Waffen eintauche desto mehr interessiere ich mich auch für die Welt der europäischen Waffen, da ich der Meinung bin das die Menschen überall auf der Welt die gleichen Ideen im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben, zumal es um eine nicht so unbedeutende Sache wie "Leben und Tod" ging.
Ideenaustausch und das Finden von Gemeinsamkeiten war für mich schon immer ein wichtiges Element in meinem Verständnis von KK und ich hoffe in Zukunft verstärkt so etwas auch im Bereich der europäischen Waffenkünste hinzubekommen. Mir geht es ja eben nicht um "besser oder schlechter" sondern um "ähnlich und effizient".

Grüße

Kanken

karate_Fan
14-01-2016, 15:04
Kanken Verstehe. Für die weiteren Erklärungen gebührt dir ei weiters großes Danke.

@OliverT Meine Truppe ist eine mehr oder weniger Unisport Gruppe wo die Flukuationsrate sehr groß ist. Gibt nur wenige alte Hasen. Und daher ist es nicht so einfach spezielles Trainingsequipment bereit zu stellen.

T. Stoeppler
14-01-2016, 15:44
Vielleicht kann ein erfahrener Schwertkämpfer eine solche Präzision an den Tag legen... ? Für Den Durchschnittsfechter dürfte das aber eine Nummer groß sein..

<schnipp> ..auf Präzision ausgelegt sind? Also immer wieder den gleichen Punkt zu treffen??

Beispielsweise bei den Rapiermeistern war es eben ein "Fencing Trick" die Knöpfe auf einem Rüstwams sauber einzeln treffen zu können. In dem Zusammenhang gab es auch irgendein Kunststück bei Aldo Nadi - ich weiss aber nicht mehr genau was das war.

Also diese Präzsion ist auf jeden Fall möglich - nur erfahrungsgemäss nicht zuverlässig abrufbar, wenns grad ernst ist. Oder man keinen massiven Erfahrungsvorsprung vor seinem Gegenüber hat.

Bei einem gerüsteten Zweikampf trifft man die Schwachstellen ja auch nicht sofort.

Gruss, Thomas

OliverJ
14-01-2016, 16:15
@OliverT Meine Truppe ist eine mehr oder weniger Unisport Gruppe wo die Flukuationsrate sehr groß ist. Gibt nru wenige alte Hasen. Und daher ist es nicht so einfach spezielles Trainingsequipment bereit zu stellen.
das ist auch eher was, womit man seine Zeit prima abseits des Trainigs verbringen kann.
Für Stiche einfach mal ein kleines Ziel in den Türrahmen hängen, da ist es prinzipiell egal was es ist (wenns ums Geld geht ;)), Schüsselring, Holzperle, zusammengeknülltes Klebeband ...
Ich habe für Stichübungen auf ein Seminar mal eine Tüte voll Toilettenpapierrollen mitgenommen.
Wenn du bis in den Langort schlägst, kannst du dir so eine Scheibe wie oben beschrieben auch einfach aus dem nächsten Papkarton basteln, der mit der Post kommt. das ganze an einen Besenstil mit Klebeband festmachen und ab in den Park.
Also nicht "jammern" oder Ausreden finden ;)

@Kanken
schon klar, dass es dir nicht um besser oder schlechter geht

karate_Fan
14-01-2016, 16:42
Danke für den Tipp Oliver. Werd ich machen. War auch niht als Ausrede gedacht. Wollte nur sagen, dass ich durchs Training nicht auf solche Ideen gekommem bin, weil wir solche Geräte im Training nicht verwenden. Bin nich abgeneigt solche Geräte selbst zu basteln und im Heim Training zu verwenden.

Niffel
14-01-2016, 17:29
ich häng mich mal rein wie so ein alter ranziger teebeutel. aber ein messer hat erstmal = mannstopwirkung. selbst bei einer eröffnung der halsschlagadern hat er noch ca 20 sec. um einen wenigstens mitzunehmen erst dann setzt der schock ein. selbst ein stich in den schädel und ins gehirn kann nicht zu einer sofortigen wirkung führen. es gibt eine sehr gute wissenschaftliche arbeit aus den 30ern des letzten jahrhunderts wo ein deutscher mediziner die zeiten getestet hat. ich habs nur als print aber gibts bestimmt auch irgendwo im netz.

"stoppen" werden ihn maximal starre strukturen wie ein knochen.

@chiab: ja kann es wirklich machen wenn du schlecht triffst und er glück hat...so als anatom gesagt ;)

authomas
14-01-2016, 18:10
@Niffel, denk dran, das hier ist ein Messer:
https://2new1.fjcdn.com/thumbnails/comments/There+is+no+length+at+which+it+a+blade+stops+_7cf5 ae55ae12de1834c7bba57d637288.jpg
Klar kann darf man sich nie drauf verlassen dass ein Hieb den anderen sofort außer Gefecht setzt, aber mir fallen zu so einem Gerät schon einige Anwendungsmöglichkeiten ein, nach denen der andere wirklich nicht mehr gefährlich ist (z.B. ist ein abgeschlagener Arm komplett ungeeignet, um damit weiterzufechten - egal ob der Schock schon eingesetzt hat oder nicht).

Niffel
14-01-2016, 18:50
:D:D:D

das ist natürlich nen argument. aber wer schleppt das denn schon mit...vergesst es ich kenn da einige die das machen könnten :p:p

Chihab
14-01-2016, 20:21
Übt jemand in der HEMA Szene hier im Forum Hiebe oder Stiche die auf Präzision ausgelegt sind? Also immer wieder den gleichen Punkt zu treffen??

Wir haben an den Wänden Stichpolser hängen an denen die Anfänger Ausfälle üben.
Für Fortgeschrittene sind daran kleine Ziele mit Gewebeklebeband markiert. Die treffe ich aber wirklich nur unter "Laborbedingungen" - sprich Ruhe, kontrollierte Atmung und einen bewusst langsameren und "perfekten" ausfall. Und auch da nicht immer.

Ansonsten haben wir noch eine Übung - die aber schon eher in die Richtung Reaktion und Mensur statt Präzision geht - bei der ein Partner eine Maske in jeder Hand hält und Mensur und Postition der Maske im Raum ständig verändert. Der andere muss die ihm gebotenen Ziele treffen und entsprechend erkennen in welcher Mensur er sich gerade verändert.

Für mich ein Augenöffner wie oft ich da vorbei steche oder gerade nicht treffe wenn wir das am Ende des Trainings machen und die Geschwindigkeit anziehen...

Für Hiebe haben wir dann noch unseren Kunibert. Eine massives, mannshohes Vierkantholz, bei dem an der Oberseite ein halber Autoreifen festgemacht wurde.
Auf dem befinden sich dann ebendalls noch Gaffa Markierungen für Präzisere Übungen und an der Front hat er ein kleines Stichpolster.

DEKAR
14-01-2016, 22:53
@Niffel, denk dran, das hier ist ein Messer:
https://2new1.fjcdn.com/thumbnails/comments/There+is+no+length+at+which+it+a+blade+stops+_7cf5 ae55ae12de1834c7bba57d637288.jpg
Klar kann darf man sich nie drauf verlassen dass ein Hieb den anderen sofort außer Gefecht setzt, aber mir fallen zu so einem Gerät schon einige Anwendungsmöglichkeiten ein, nach denen der andere wirklich nicht mehr gefährlich ist (z.B. ist ein abgeschlagener Arm komplett ungeeignet, um damit weiterzufechten - egal ob der Schock schon eingesetzt hat oder nicht).

jedes mal wenn ich auf skallagrims kanal gehe möchte ich dieses ding kaufen :(

panzerknacker
15-01-2016, 14:49
Beispielsweise bei den Rapiermeistern war es eben ein "Fencing Trick" die Knöpfe auf einem Rüstwams sauber einzeln treffen zu können. In dem Zusammenhang gab es auch irgendein Kunststück bei Aldo Nadi - ich weiss aber nicht mehr genau was das war.

Also diese Präzsion ist auf jeden Fall möglich - nur erfahrungsgemäss nicht zuverlässig abrufbar, wenns grad ernst ist. Oder man keinen massiven Erfahrungsvorsprung vor seinem Gegenüber hat.

Bei einem gerüsteten Zweikampf trifft man die Schwachstellen ja auch nicht sofort.

Gruss, Thomas

dachte, das ist in allen stichlastigen Systemen üblich, z.B Münzen in der Luft zu treffen? neben den üblichen Übungen an Zieldarstellungen

T. Stoeppler
15-01-2016, 16:07
Klar - das gibt's ja quasi überall. Eine spassige Üung ist z.B. auch Seifenblasen in der Luft zu treffen - ideal wenn man Langeweile zu Haus hat.

Gruss, Thomas

ThomasL
16-01-2016, 09:01
Niffel: Deine Aussagen sind so nicht korrekt. Am Besten schaust Du Dir mal die Beiträge von Kanken (auch in anderen Threads) zu diesem Thema an. Richtig ist, dass "konventionelle" Messerangriffe oft keine unmittelbare Wirkung zeigen. Kenne selbst so einen Fall aus meinem Bekanntenkreis.
Worum es Kanken hier aber geht ist wie eine Klinge einzusetzen ist um unmittelbare Wirkung zu erzeugen. Dabei geht es neben der "Zone des eindringens" auch darum was man mit der Klinge "nach dem eindringen" anstellt. Ein Punkt der sehr selten thematisiert wird und meines Wissens nach in HF Quellen eben gar nicht (auf welche Zeit ich mich beziehe, habe ich ja schon angegeben). Kanken: Korrigiere mich bitte wenn ich bzgl. Deiner Absicht falsch liegen sollte.

Die "deutsche Arbeit" aus den 30er, Quelle würde mich interessieren. Ich kenne nur diese bisher (von der ich, ohne irgendwas zu wissen, auch immer eine Vermutung hegte, dass die Quellen dafür aus Deutschland stammten - ist aber pure Mutmassung):
http://dragonsocietyinternational.com/images/fairbairn.gif

Die dort angebenen Zahlen werden in folgendem Wert "hinterfragt":
Contemporary Knife Targeting: Modern Science vs. W.E. Fairbairn's Timetable of Death, M. Janich und C. Grosz

Allerdings ignoriert diese Arbeit letztlich auch was man mit einer Klingen über das reine Stechen hinaus noch so alles anstellen kann (aus meiner Erinnerung, ist einige Jahre her, dass ich es gelesen habe).

Ergänzung:
Zu meiner HF Zeit hatte ich eine Platz im Wald an dem viele "wild" Bauholz abgeladen haben. Da habe ich am Anfang gerne mit alten Brettern trainiert. Quasi so eine Art Schlagpostentraining bei dem aber der Schlagposten jederzeit plötzlich brechen konnte, da sieht man dann sehr gut ob man die Klinge kontrolliert führt-
Achtung:
- Ich habe erlebt, wie bei einem Koellgen das Schwert dabei wegflog ;-)
- für die Lebensdauer des Schwertes ist dies auch nicht gerade gut

Eine weitere gute Übung waren die Büsche dort, die äußeren Blätter mit Hieben und Stichen angreifen ist ein sehr gutes Präzissionstraining (und mit einer stumpfen Klinge entsteht dabei auch kein Schaden).
Bei dieser Übungsmethode bitte wirklich nur so arbeiten, dass max ein paar kleine Zweige beschädigt werden. Nicht einfach irgendwelche Büsche in der freien Natur zerstören!!!!!

kanken
16-01-2016, 09:56
Worum es Kanken hier aber geht ist wie eine Klinge einzusetzen ist um unmittelbare Wirkung zu erzeugen. Dabei geht es neben der "Zone des eindringens" auch darum was man mit der Klinge "nach dem eindringen" anstellt. Ein Punkt der sehr selten thematisiert wird und meines Wissens nach in HF Quellen eben gar nicht (auf welche Zeit ich mich beziehe, habe ich ja schon angegeben). Kanken: Korrigiere mich bitte wenn ich bzgl. Deiner Absicht falsch liegen sollte.


Du liegst absolut richtig. ;)

Es gibt die ein oder andere forensische Arbeit über solche Dinge, da geht es vor allem darum ob etwas ein Selbstmord sein könnte oder nicht, d.h. ob "das Opfer" sofort bewußtlos war oder nicht, die Quellen dazu habe ich aber jetzt hier nicht und bin zu faul für ein Forum danach zu suchen. Letztendlich ist es auch nur ein wenig anatomisches Wissen und das Wissen darum wo wie viel Blut pro Minute durchfließt. Wenn nicht genug Blut (ausreichender Perfusionsdruck des Gehirns) im Kopf ankommt gehen die Lichter aus. Die Gefäße kann man im Ultraschall sehr gut darstellen, die Flussdaten bekommt man aus der Literatur.

Diese Dinge sind jedoch nur die Theorie, viel wichtiger ist es zu wissen wie ich die Gefäße so verletze dass der Druck auch wirklich rasch abfällt und da sind Dinge wie Winkel, Widerlager, Richtungsänderung, Rotation etc. wichtig, denn durch einen einfachen Stich erreicht man eben gerade nicht eine große Verletzung (die jedoch nach "etwas" längerer Zeit auch tödlich sein kann, nur eben nicht sofort). Außerdem besteht beim "nur Stechen" immer die Gefahr das Gefäß (die Struktur) zu verfehlen, bei der Klingenführung "im Körper" kann man die Wahrscheinlichkeit eben dtl. erhöhen.

Grüße

Kanken

Niffel
16-01-2016, 13:47
ich suchs mal raus die tage. vielleicht ist es die selbe quelle, ist ne weile her das ich es gelesen hab.

Chihab
16-01-2016, 20:12
Ganz vergessen - in der von mir verwendeten egnlischen CF Version kommen als ziele noch "under the Arm" und "in the tigh" vor.
Unter dem Arm meint vermutlich die Achsel - zumindest würde das mit einigen Abbildungen (leider hab ich das buch gerade nicht hier und kann nicht nachschlagen welche Abbildung bei besagter Tafel ist) zusammenpassen und damit, dass er im Theorieteil die Rapierlänge mit "vom Boden bis unter den Arm" angibt, und die langen Rapiere tatsächlich Sinn machen wenn man hier "bis unter die Achsel" liest.

Darüber was nach dem Treffen geschiet lässt er sich leider kaum aus. Nur das ein Ausfall immer so geschehen sollte dass man sich daraus sofort zurückziehen könne.
Andere Fechtmeister - so wurde mir zumindest gesagt - gehen nach dem Treffen weider vor und ringen, allerdings habe ich selbst so etwas noch nicht gelesen. (komplett habe ich aber wie gesagt erst den guten alten CF durch)

Dreiven
16-01-2016, 20:30
Übt jemand in der HEMA Szene hier im Forum Hiebe oder Stiche die auf Präzision ausgelegt sind? Also immer wieder den gleichen Punkt zu treffen??
Klar, ich mein was denn auch sonst? Wenn ich eh am stechen und hauen bin sollt ich mein Ziel ja auch zuverlässig treffen.

Stiche auf feste Ziele an der Wand find ich für Anfänger und Solotraining recht gut, das ist mir für Fortgeschrittenere aber zu statisch, da fehlt mir die Aliveness. Wir machen sowas ähnliches wie Chihab mit den Masken macht, nur verwenden wir dafür Handpratzen (ungefähr so groß wie ein Gesicht) und Schlagpolster (deutlich größer) und beide bewegen sich mit fechterischer Fußarbeit frei durch den Raum. Dann gibts halt diverse Modi, wie das der der Pratzenhalter Kommandos ruft oder nicht, mal gehts auf Präzision, mal auf Reaktionsgeschwindigkeit etc.

Tiju
21-01-2016, 15:37
Ich glaube kaum, dass man sich mit der Anatomie genau beschäftigt hat. Erstens wegen mangelnder Vorstellung davon und zweitens, weil es nicht sonderlich wichtig ist.

Um auf irgendwelche Blutgefäße Rücksicht zu nehmen, müsste man zunächst eine hinreichend genaue Vorstellung von deren Bedeutung haben. Davon kann man im Westen wohl erst ab dem 17. Jhd. ausgehen. Man hatte sicher aufgrund der laufenden praktischen Erfahrungen eine grobe Vorstellung, schneidet man da, passiert ungefähr das. Dazu ist kein genaues anatomisches Wissen notwendig.

Im Kampf selbst kommt es wohl zunächst darauf an, überhaupt etwas zu treffen. Die lebenswichtigen Bereiche oder die bewegungshindernden Bereiche waren bekannt. Man versuchte, ungepanzerte Stellen zu treffen, um die Bewegungs- und Widerstandsfähigkeit zu vermindern, dann wurde der Betreffende von möglichst vielen möglichst massiv zu Tode geschlagen und gehackt., Lieblingsziel dabei der Kopf, was sicher für das Können der Leute spricht, denn dies ist ja das dankbarste Ziel. Ab dem 16. Jhd. regiert im Krieg die Feuerwaffe, intensives wissenschaftliches Klingentraining wäre da eher Verschwendung von Ressourcen

Wenn man vom Schlachtfeld weg geht und weniger wirksame Waffen (Schwerter, Dolche) einbezieht: mittelalterliche Gerichtsdokumente zeigen relativ deutlich, dass vornehmlich in lebenswichtige Stellen gestochen wurde, Rumpf und Hals, manchmal auch den Kopf. Aber ob man jetzt etwas weiter da oder da einsticht, kann zwar in Bezug auf die Wirkung einen Unterschied machen, aber nur dann, wenn man den Luxus hat, Zeit für Zentimeterarbeit zu haben. Ich bezweifle, das es sich lohnt, dafür Aufwand zu betreiben. Am ehesten könnte man sich das bei Duelprofis vorstellen.

Eine sogenannte "Stoppwirkung" kann man mit Angriffen auf den Blutkreislauf (also Einsatz von Klingen) genauso wenig erreichen wie durch Schusswaffen. Wer sich darauf verlässt, mit sofortiger Wirkung beim Gegner eigene Verletzungen zu vermeiden, fährt jedenfalls eine andere Philosophie als sämtliche moderne Kampflehre. Ob man also so oder so die Klinge weiter zieht, macht in Praxis nicht so viel Sinn wie die Frage, wie komme ich schnell aus dem Bereich der gegnerischen Waffenwirkung, durch Blockieren oder Abhauen. Erfahrungen im normalen medizinischen Unfallalltag sind dabei wenig brauchbar, da die Art und der Umstand der Zufügung der Verletzungen sich oft von kampfbedingten Wunden unterscheiden. Aber vielleicht waren die Leute damals ja weniger robust als heute und ein Stich in den Bauch mit Durchtrennung der Aorta ließ jemanden , der zum Schlag ausholte, sofort umkippen?

kanken
21-01-2016, 15:49
Nun ja, die Überlieferung in den CMA ist ja teilweise (wenn auch selten) bzgl. Waffen noch intakt und dort wird schon Wert auf so etwas gelegt. Aus medizinischer Sicht machen diese Überlieferungen auch absolut Sinn, auch wenn du es nicht glauben magst...

Tiju
22-01-2016, 09:37
Was für Überlieferungen meinst du? Ich kann generell nichts entdecken, weder hier im Thread genannt noch in den mir bekannten Unterlagen, was auf irgendeine diffizile anatomisch aufgehängte Waffenverwendung deutet. Man kann natürlich Vermutungen anstellen, der eine vermutet dies, der andere das.

Wenn man sich mal moderne Systeme anschaut, sieht es auch nicht anders aus. Natürlich gibt es Hinweise auf besonders günstige Ziele mitsamt den dadurch erzeugten Wirkungen. Ein Beispiel ist Fairbairns Messerziel-System. Die von ihm angegeben Wirkungen und/oder Wirkzeiten sind sämtlichst Kokolores und eher als Propaganda denn als real sinnvoller Hinweis zu verstehen. Aber immerhin.

Was absolut klar ist, ist, dass Wirkungen von Waffen eng mit der im Körper getroffenen Struktur zusammenhängen. Eine .44 Magnum in die Därme ist weniger wirksam als eine .22 lfb ins Herz. Ok. Eine Kugel in den unteren Herzbereich ist wirksamer als in den oberen, theoretisch. Es ist nur kaum möglich, im Kampf auf die zuletzt genannte Zentimeterarbeit einzugehen.

Mit Nahkampfwaffen ist man nah am Gegner, d.h. im Einwirkungsbereich. Sofortige Kampfunfähigkeit ist selten herzustellen, jedenfalls biologisch bedingte Handlungsunfähigkeit, egal, was man da durchschneidet oder trifft. Das ist einfach die überwiegende Erfahrung, an tausenden von Erfahrungsbeispielen belegt, und auch medizinisch leicht erklärbar. Die Verwendung von Nahkampfwaffen ist also gefährlich. Je länger ich mich im Wirkbereich des Gegners befinde, desto mehr. Gleichzeitig habe ich bei den meisten Nahkampfwaffen, anders als bei Schußwaffen, Defensivqualitäten. Ich halte es für sinnvoller, nach Treffern auf diese Möglichkeit zu setzen, anstatt die Waffe länger zu binden und Schneidarbeiten durchzuführen, die nicht mit einem großzügigen Herausziehen verbunden werden können. Ich vermute (!) daher, dass man das früher zum Teil ähnlich gesehen hat. Es gab bestimmt auch Leute, die das anders gesehen haben. Ähnlich wie heute.

panzerknacker
22-01-2016, 15:08
Was für Überlieferungen meinst du? Ich kann generell nichts entdecken, blablaba beiten durchzuführen, die nicht mit einem großzügigen Herausziehen verbunden werden können. Ich vermute (!) daher, dass man das früher zum Teil ähnlich gesehen hat. Es gab bestimmt auch Leute, die das anders gesehen haben. Ähnlich wie heute.

Du hast aber schon Kankens Eingangsfrage gelesen oder?
Wenn er in seinem Stil ausführliche Arbeitsanweisungen hat, die dann zusätzlich für ihn als Mediziner Sinn machen und er gleichzeitig ganz allgemein wissen möchte, ob es in der HEMA Quellenlage vergleichbares gibt, warum also
schwadronierst Du darüber, ob Du daran glaubst oder nicht?
Entweder Du weißt da was oder halt nicht, für irgendwelche Glaubensbekenntnisse oder persönliche Vermutungen kannst Du ja dann einen eigenen Fred eröffnen.
Dieser war (bisher) recht interessant.

Nagare
22-01-2016, 15:21
-

ThomasL
23-01-2016, 09:00
Panzerknacker: Sehr direkt aber treffend:D


...was auf irgendeine diffizile anatomisch aufgehängte Waffenverwendung deutet. Man kann natürlich Vermutungen anstellen, der eine vermutet dies, der andere das.

Wenn man sich mal moderne Systeme anschaut, sieht es auch nicht anders aus.
In "modernen" Systemen ist mir dies durchaus schon begegnet, wenn auch nicht in einer solchen Detailtiefe wie das was Kanken in seinem "historischen" System wohl lernt.

Suriage
23-01-2016, 09:45
In "modernen" Systemen ist mir dies durchaus schon begegnet, wenn auch nicht in einer solchen Detailtiefe wie das was Kanken in seinem "historischen" System wohl lernt.

Ist das nicht der eigentliche Knackpunkt? Dass man grundlegende anatomische Strukturen kennt ist sicher sinnvoll, was kritisiert wird, ist ob ein Detailwissen im Kampf überhaupt noch eingesetzt werden kann und ob vllt. darum nichts oder wenig in den historischen Quellen darüber zu finden ist(in dem Detailwissen das kanken anscheinend mitbekommen hat), weil die alten Fechtmeister das auch so sahen.

kanken
23-01-2016, 12:09
Wer einmal gespürt hat wozu jemand in der Lage ist, der in so einer Linie ausgebildet wurde, der macht sich über solche Fragen keine Gedanken ;)

Ich will jetzt aber nicht in diesem Faden über die "Qualität" von KK diskutieren, denn es soll absolut nicht über "besser, toller, krasser, tödlicher" gehen, sondern nur darum was schriftlich überliefert wurde und was nicht, bzw. wie das, was überliefert wurde, interpretiert wird.

Grüße

Kanken

Robb
23-01-2016, 16:59
Es wurde das (alt dt.) Weihnachten noch gar nicht genannt. Also den Stich in einen Lungenflügel.
Das Kampfopfer wird erst mal besorgt sein die Wunde wieder durch kneifen zu schließen.

panzerknacker
23-01-2016, 23:08
Es wurde das (alt dt.) Weihnachten noch gar nicht genannt. Also den Stich in einen Lungenflügel.
Das Kampfopfer wird erst mal besorgt sein die Wunde wieder durch kneifen zu schließen.

bitte wie?
Weihnachten? für Lungenstich? oder wie meinst Du das?
und wie kneifst Du eine Lungenpunktion zu?
kann Dir gerade nicht ganz folgen

Robb
24-01-2016, 15:04
bitte wie?
Weihnachten? für Lungenstich? oder wie meinst Du das?
und wie kneifst Du eine Lungenpunktion zu?
kann Dir gerade nicht ganz folgen

Was würdest du machen wenn dir jemand ne Klinge rein steckt und wieder raus zieht? Cool bleiben bestimmt nicht. Ich habe mal das Thema angeschnitten um von der Med. Exkursion in Richtung Europäische KK zu kommen.
Denn Begriff Weihnachten habe ich mal irgentwo aufgeschnappt. Ich dachte der währe geläufig aber ich kann mich auch täuschen. Bei den Suchmaschienen habe ich keine gleiche Erlährungen gefunden.

Black_Knight
24-01-2016, 15:26
Was würdest du machen wenn dir jemand ne Klinge rein steckt und wieder raus zieht? Cool bleiben bestimmt nicht. Ich habe mal das Thema angeschnitten um von der Med. Exkursion in Richtung Europäische KK zu kommen.
Denn Begriff Weihnachten habe ich mal irgentwo aufgeschnappt. Ich dachte der währe geläufig aber ich kann mich auch täuschen. Bei den Suchmaschienen habe ich keine gleiche Erlährungen gefunden.
Wahrscheinlich sterben

T. Stoeppler
24-01-2016, 15:35
Der Stoss in die Lunge heisst übrigens "Lungenfuchser".

Gruss, Thomas

OliverJ
24-01-2016, 15:43
Denn Begriff Weihnachten habe ich mal irgentwo aufgeschnappt. Ich dachte der währe geläufig aber ich kann mich auch täuschen. Bei den Suchmaschienen habe ich keine gleiche Erlährungen gefunden.
irgendwie klingt das wie eine ziemlich verdrehte "Stille Post" vom "Bauern schatzen", was schonmal hier (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f65/anatomie-176468/index2.html#post3446153) angesprochen wurde

Robb
24-01-2016, 16:55
Wenn jemand ne Ausstellung über Anatomie will kann ich" Körper Welten " empfehlen. Ich war zwei mal dort und habe real getreue Einblicke bekommen.

panzerknacker
24-01-2016, 17:48
Wenn jemand ne Ausstellung über Anatomie will kann ich" Körper Welten " empfehlen. Ich war zwei mal dort und habe real getreue Einblicke bekommen.

joa okay Weihnachten hat sich dann ja geklärt ^^
Ich kann Dir aus persönlicher Erfahrung mitteilen, daß, wenn Deine Lunge innerhalb kurzer Zeit die Arbeit einstellt, Du gar nichts machst, außer dumm zu gucken, alle Aktivitäten Richtung Null herunterzufahren und nur noch darüber nachdenkst, wie Du jetzt wohl Luft kriegst,- war nur doppelseitige Embolie.
Wenn Dir nun von jetzt auf gleich ein Lungenflügel zusammenfällt, weil da einer reinpiekt (kann Dir übrigens jederzeit auch bei medizinischen Thoraxpunktionen passieren), bei entsprechender Schwere der Verletzung der andere Flügel schnell voll Blut läuft, kneifst Du eigentlich nur noch den A+**+ zu.
Der Lungenfuchser wäre also eine qualifizierte Technik, die Kanken interessieren würde, wenn es dafür in irgendeiner Weise eine überlieferte Durchführungsanweisung gäbe, aus der hervorginge, wie man Reinzustechen und drehend/schneidend wieder Herauszuziehen hätte, weil einfach nur irgendwie pieken und z.B. steckenlassen würde möglicherweise nicht schnell genug zu dem gewünschten Ergebnis führen.

Robb
24-01-2016, 18:57
joa okay Weihnachten hat sich dann ja geklärt ^^
Ich kann Dir aus persönlicher Erfahrung mitteilen, daß, wenn Deine Lunge innerhalb kurzer Zeit die Arbeit einstellt, Du gar nichts machst, außer dumm zu gucken, alle Aktivitäten Richtung Null herunterzufahren und nur noch darüber nachdenkst, wie Du jetzt wohl Luft kriegst,- war nur doppelseitige Embolie.
Wenn Dir nun von jetzt auf gleich ein Lungenflügel zusammenfällt, weil da einer reinpiekt (kann Dir übrigens jederzeit auch bei medizinischen Thoraxpunktionen passieren), bei entsprechender Schwere der Verletzung der andere Flügel schnell voll Blut läuft, kneifst Du eigentlich nur noch den A+**+ zu.
Der Lungenfuchser wäre also eine qualifizierte Technik, die Kanken interessieren würde, wenn es dafür in irgendeiner Weise eine überlieferte Durchführungsanweisung gäbe, aus der hervorginge, wie man Reinzustechen und drehend/schneidend wieder Herauszuziehen hätte, weil einfach nur irgendwie pieken und z.B. steckenlassen würde möglicherweise nicht schnell genug zu dem gewünschten Ergebnis führen.
Könnte beim Messerpiks ein pneumothorax entstehen? Oder ist es sehr unwarscheinlich weil die eingeatmete Luft wieder aus dem Rachen exspiriert

kanken
25-01-2016, 08:16
Jap, es entsteht ein Pneu wenn du mit einem Messer in die Lunge piekst und ja das habe ich schon live gesehen und auch live behoben. So eine Verletzung nennt sich "traumatischer Spannungspneumothorax".

Grüße

Kanken

Tiju
25-01-2016, 08:36
Du hast aber schon Kankens Eingangsfrage gelesen oder?
Wenn er in seinem Stil ausführliche Arbeitsanweisungen hat, die dann zusätzlich für ihn als Mediziner Sinn machen und er gleichzeitig ganz allgemein wissen möchte, ob es in der HEMA Quellenlage vergleichbares gibt, warum also
schwadronierst Du darüber, ob Du daran glaubst oder nicht?
Entweder Du weißt da was oder halt nicht, für irgendwelche Glaubensbekenntnisse oder persönliche Vermutungen kannst Du ja dann einen eigenen Fred eröffnen.
Dieser war (bisher) recht interessant.

Finde auch, dass der Thread sehr interessant ist. Ansonsten bleibt mal locker und versuch, Posts zu verstehen. Vermutungen kann man noch und nöcher anstellen, aber etwas Entscheidendes ist dabei in Bezug auf Hema nicht herausgekommen.

Ich wußte nicht, das Kanken Mediziner, d.h. "Arzt" ist, ich dachte eher an Sanitäter, wo man natürlich vieles an Verletzungen unmittelbar erlebt. Egal, hier geht es nicht um rein medizinische Fragen, sondern um den Zusammenhang von Verletzungen und Handlungsfähigkeit. Hier kursieren, was man auch im Thread merkt, viele lustige Vermutungen, einige haben das Problem auch erkannt und in ihrem Post benannt, wurden aber unter Bezug auf Erfahrungen niedergeschrieben.

Das Problem ist, das die in Anspruch genommene Erfahrung wenig Aussagekraft hat. Man muss bedenken, dass es im Kampf um Sekunden geht und weder Sanitäter (beim Militär z.B.) noch Ärzte in der Regel dabei sind, um den Zusammenhang von Verletzung und Wirkung zu beobachten. Daher ist die Beurteilung von Wunde-Wirkung sehr schwierig, was die sich damit beschäftigenden Leute (oft Gerichtsmediziner) ohne weiteres zugeben. Es empfiehlt sich ein Blick in die einschlägige Literatur.

timito
30-01-2016, 10:04
Bin eben über diese Bilder gestolpert und vielleicht ist das ja für den Thread hier ganz interessant:
https://scontent-bru2-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xpa1/v/t1.0-9/12509706_1395382684094059_1941755357345311118_n.jp g?oh=28c7b4a4acc636ef0845e9e05f3014de&oe=5739E68F
https://scontent-bru2-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xpa1/v/t1.0-9/12376181_1395382694094058_3280421939712519970_n.jp g?oh=189aa9a44201d7dd5ca509ef065eacd7&oe=572325CC
https://scontent-bru2-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xft1/v/t1.0-9/12508964_1395382687427392_6418107017599037159_n.jp g?oh=87945b300d136a9d752714215dd268b3&oe=57238A56
https://scontent-bru2-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xta1/t31.0-8/q84/s960x960/12633602_1395382730760721_2405136598491105858_o.jp g
Hab ich von hier: https://www.facebook.com/historicalweaponology/
Leider keine weiteren Infos woher genau die Bilder stammen, aber evtl kennt die ja einer der Kenner hier.