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Vollständige Version anzeigen : Video: Physics and the martial arts



FireFlea
13-02-2016, 07:11
Ich habe es noch nicht ganz gesehen aber grundsätzlich sehr interessant:

OoLjjMGKHgg

carstenm
13-02-2016, 07:40
... aber grundsätzlich sehr interessant:Was findest du grundsätzlich sehr interessant?

Gast
13-02-2016, 09:10
Da dient "Physik" wohl eher als Aufhänger, damit ein älterer Herr etwas über sein Hobby erzählen kann.

immerhin weiß ich jetzt, dass man bei Prügeleien auf dem Eis nicht nur schlagen, sondern auch festhalten sollte, wenn man mehr davon haben will

0QHcXtEVdag

Dastin
13-02-2016, 09:15
Da dient "Physik" wohl eher als Aufhänger, damit ein älterer Herr etwas über sein Hobby erzählen kann.

letzt endlich kann man doch "alles" auf physik runter brechen.

carstenm
13-02-2016, 12:07
Da dient "Physik" wohl eher als Aufhänger, damit ein älterer Herr etwas über sein Hobby erzählen kann. ...Wohl.
Aber die äußeren Bewegungen, die er "erklärt", sind ja überhaupt gar nicht das, worum es - meiner Erfahrung nach - im aikidô geht, bzw. was aikidô funktionieren läßt.

Daher meine Frage an FireFlea, was denn er interessant findet.

FireFlea
13-02-2016, 17:30
Daher meine Frage an FireFlea, was denn er interessant findet.

Ich kann das nicht speziell herunterbrechen. Ich finde es generell interessant, das Darstellen von Bewegungen und Physik. Mir geht es nicht um sein Aikido.

carstenm
14-02-2016, 07:58
Ich kann das nicht speziell herunterbrechen. Ich finde es generell interessant, das Darstellen von Bewegungen und Physik. Mir geht es nicht um sein Aikido.Ok, danke.

Mir geht's nur darum, daß der Zusammenhang zwischen Newtonscher Mechanik und Aikido, der in dem Video dargestellt wird, eben nur den Container beschreibt. Und zwar offensichtlich den entleerten.
aikidô funktioniert - rein technisch betrachtet - nicht so, wie dort dargestellt.

Dieses Video ist damit - nach meiner Ansicht - ein sehr gutes Beispiel für genau die Art von Mißverstehen, die du in dem ki-Thread beschreibst. Wenn auch kein sprachliches.

Gast
14-02-2016, 09:33
aikidô funktioniert - rein technisch betrachtet - nicht so, wie dort dargestellt.


hießt das, Du meinst,
a.) das Aikido, dass er da darstellt, funktioniert nicht, oder auf eine falsche Art?
oder
b.) dass die physikalischen Erklärungen nicht das "wahre" Funktionsprinzip berühren?



Dieses Video ist damit - nach meiner Ansicht - ein sehr gutes Beispiel für genau die Art von Mißverstehen, die du in dem ki-Thread beschreibst. Wenn auch kein sprachliches.

was hat der Professor denn missverstanden und wie würde jemand, der das richtig verstanden hat darstellen?

Super Famicom
14-02-2016, 10:05
Es mag unfair und offtopic sein aber:

wer in Gi, Hakama in einem Hörsaal doziert hat bei mir in Bezug auf seine Seriösität - und damit auf die Chance ernst genommen zu werden - eine hohe Hürde zu überspringen...

carstenm
14-02-2016, 11:17
hießt das, Du meinst,
...
b.) dass die physikalischen Erklärungen nicht das "wahre" Funktionsprinzip berühren? So.


was hat der Professor denn missverstanden und wie würde jemand, der das richtig verstanden hat darstellen?Der Dozent arbeitet m.E. mit einer falschen Vorstellung der physikalischen Körper der Partner.

Ein Beispiel:
Er erklärt kuzushi als Verlagerung des Schwerpunktes außerhalb der Grundfläche des Körpers. Das mag richtig sein für eine Kiste (bzw. einen Container ;)). Und auf Anfängerniveau wird Gleichgewichtbrechung aus so veranschaulicht.
Das, was aikidô aber eigentlich ausmacht, ist die Brechung des Gleichgewichts durch die Störung der Struktur oder besser vielleicht Organisation des Körpers des Partners. D.h. der Schwerpunkt kann durchaus über der Grundfläche bleiben, aber man versucht die Fähigkeit des Partners zu beeinflussen, diesen Schwerpunkt zu unterstützen.
Es geht also um eine grundlegend andere Wirkweise.

Eine sinnvolle Darstellung müßte m.E. beschreiben, was innerhalb des Körpers des Werfenden geschieht, und wie das innerhalb des Körpers des Geworfenen eine solche Wirkung erzielt, daß er fällt.

Es gibt dazu Vorübungen, bei denen ein Partner den anderen bewegt und evtl. zu Fall bringt, ohne sich selbst äußerlich zu bewegen. Und es gibt Übungen, bei denen der Partner dort, wo er steht "kollabiert".
Beides wird dann auch in den eigentlichen Techniken eingesetzt.
Und beides wird durch die Erklärungen im Video nicht berührt.
Es ist aber gerade das, was - nach meinem Verständnis - den Kern des aikidô berührt.

Luggage
14-02-2016, 12:41
Das ist ja ein allgemeines Problem, man kann eine vorgefasste Idee mit physikalischen Modellen verdeutlichen, einen komplexen Sachverhalt aber zu durchdringen und in ein Modell zu übersetzen ist sehr schwierig. Da ist es nicht mit einem Angriffspunkt, Drehmoment und einem Hebelweg getan, man müsste im Prinzip diese Punkte an jeder einzelnen beteiligten Myofibrille betrachten, in Bezug auf Ansatzpunkte der Muskulatur, Proportionen, Elastizität der beteiligten Strukturen etc. Da kann ein Biomechaniker ein halbes Leben forschen, um rechnerisch die Aktivität eines einzigen Muskels zu beschreiben, ganz zu schweigen von dem ganzen System Mensch, das zB in Bezug auf fasziale Strukturen noch garnicht komplett verstanden ist. So macht es einen Unterschied, wie der Rückenstrecker angespannt ist, um wieviel Grad das Becken gekippt und wie es im Verhältnis zu Schultern und Knien positioniert ist, das entscheidet darüber, wer weggepusht wird und das ist nicht mit einer Betrachtung des Schwerpunkts beschreibbar.

Imho ist das alles wesentlich leichter und sinnvoller auf der Matte erfahrbar, als es sich dergestalt unzulänglich und mühevoll über verkopfte Modelle zu erschliessen, die gezwungener Maßen viel zu stark abstrahieren. Genauere Analysen würde dann sowieso keiner mehr verstehen, der nicht darauf spezialisiert ist.

Gast
14-02-2016, 14:19
hießt das, Du meinst,
[...]
b.) dass die physikalischen Erklärungen nicht das "wahre" Funktionsprinzip berühren?

So.


nun, ich schrieb ja oben, dass nach meinem Eindruck die Physik nur der Aufhänger für die Darstellung seines Aikido sei.
Mit "Aufhänger" meinte ich damit nicht, dass Aikido hier im Detail oder Wesentlichen aus dem physikalischen Blickwinkel betrachtet würde, sondern eher, dass er grundlegende klassische Mechanik anspricht, aufzeigt, wo man das in MA wiederfindet, um dann eher über Aikido zu sprechen, wie ich es aus einer üblichen Aikido-Demonstration erwarten würde, die von jemanden ohne spezielle Physikkenntnisse dargeboten würde.
Analog könnte ich einen Vortrag über "Krawatten und München" halten und dann erst über verschiedene Krawattenarten dozieren um dann darauf hinzuweisen, dass es auch in München Krawattengeschäfte gäbe, die diese Krawatten führen und dann meinen Vortrag mit dem Thema "München" fortzusetzen, ohne weiter auf Krawatten einzugehen.
Also "Krawatten und München" und nicht "Die Krawatten von München",
entsprechend "Physik und Kampfkünste" und nicht "Physik der Kampfkünste".
Im obigen Vortrag hat er sich einen Vertreter der schlagenden Künste eingeladen und erläutert erst einige Ding zum (geradlinigen) Impuls, der ja bei geraden Schlägen auftritt und dann geht er zum Drehimpuls über, den er eventuell mehr in den Kreisbewegungen des Aikido wiederzufinden meint.
Dabei beschränken sich nach meiner Erinnerung die Erklärungen, darauf:

1.) dass sich eine Schwertspitze bei gleicher Winkelgeschwindigkeit schneller bewegt, wenn die in einem weiteren Abstand zum Drehpunkt geschwungen wird.

2.) dass, wenn man einen Partner um sich herumführt, der beim Heranziehen wegen der Drehimpulserhaltung auf eine größere Bahngeschwindigkeit beschleunigt würde.

3.) dass man umfällt, wenn der Schwerpunkt nicht mehr lotrecht über der Standfläche steht.

Die genaue physikalische Erklärung, warum mehrere Bretter mit Abstandshaltern leichter zu zerbrechen sind, als die gleichen Bretter ohne, bleibt er genauso schuldig, wie die biomechanische Erklärung für den "unbeugsamen" Arm. Letztere kennt er, wenn ich das richtig verstand, nach eigenen Angaben nicht mal, sondern weiß nur, dass es funktioniert.



Der Dozent arbeitet m.E. mit einer falschen Vorstellung der physikalischen Körper der Partner.

Ein Beispiel:
Er erklärt kuzushi als Verlagerung des Schwerpunktes außerhalb der Grundfläche des Körpers. Das mag richtig sein für eine Kiste (bzw. einen Container ;)). Und auf Anfängerniveau wird Gleichgewichtbrechung aus so veranschaulicht.
Das, was aikidô aber eigentlich ausmacht, ist die Brechung des Gleichgewichts durch die Störung der Struktur oder besser vielleicht Organisation des Körpers des Partners. D.h. der Schwerpunkt kann durchaus über der Grundfläche bleiben, aber man versucht die Fähigkeit des Partners zu beeinflussen, diesen Schwerpunkt zu unterstützen.
Es geht also um eine grundlegend andere Wirkweise.


Da spricht Du einen IMO wesentlichen Aspekt an:
"Gleichgewicht brechen" ist nicht das gleiche wie die "Gleichgewicht verlieren" bzw. "Umfallen".
Ich meine, rambat sagte mal, dass man mit kuzushi den Gegner in ein "labiles" Gleichgewicht bringt, um die anschließende Technik vorzubereiten.
Man schafft also das Potential für das Umfallen. Das Umfallen selbst ist dann bei Wirkung einer zusätzlichen Kraft mehr oder weniger unvermeidlich.

Aus der Schule kennt man ja eventuell drei grundsätzliche Arten eines mechanischen Gleichgewichts: stabil, labil und indifferent:

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/be/Gleichgewicht_Mechanik.png

Bildquelle (https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgewicht_(Physik))

das labile Gleichgewicht wird hier durch eine Kugel auf einem Hügel dargestellt: eine kleine Störung und die Kugel rollt herunter.
Die Kiste, die einseitig angehoben wird, wird ebenfalls in eine labile Gleichgewichtslage gebracht: der Moment, wenn die genau auf der Kante mit dem Schwerpunkt über der Kante steht.
Dann genügt eine kleine Störung, um die umfallen zu lassen.
Nun ist die Sache bei einem frei aufrecht stehenden und willkürlich bewegenden Menschen nicht so einfach, dennoch finde ich den Begriff "labil" hier gut, um zu beschrieben, dass man nach "Gleichgewichtsbruch" zwar noch steht, aber eben sehr anfällig gegen Störungen ist und auch schwer dagegen halten kann.
Ich kenne den Begriff "Entwurzeln", der das ebenfalls gut beschreibt: Ohne Wurzel falle ich leichter um, da ich es nicht schaffe, eine angreifende Kraft in den Boden "abzuleiten". Diese Wurzel ist in KK, die ich kenne, nicht statisch, sondern variabel und so wie man schon beim normalen aufrechten Stehen dauernd arbeitet um nicht umzufallen, geht es dann in der KK auch darum, diese Wurzel entsprechend so auszurichten um bezüglich angreifender Kräfte stabil zu sein.




Eine sinnvolle Darstellung müßte m.E. beschreiben, was innerhalb des Körpers des Werfenden geschieht, und wie das innerhalb des Körpers des Geworfenen eine solche Wirkung erzielt, daß er fällt.


Eine derartige genaue Darstellung ist im Detail schwerlich machbar, daher ist es sinnvoller sich mit vereinfachenden Modellen an die Wirklichkeit anznähern, die je nach Level transportieren, was man transportieren möchte.
Ich hab nur sehr rudimentäre praktische Erfahrung von Aikido und kann daher nicht sagen, was da im Körper passiert.
Um z.B. das Verständnis der oben beschriebenen dynamischen Wurzel zu vermitteln reicht allerdings IMO eben das Bild (in der üblichen Bedeutung des Wortes) eines variablen Kraftpfades, der zwischen Angriffspunkt und Boden aufgebaut und eben aufgrund entsprechender Sensibilität und Durchlässigkeit variiert werden kann.
Den kann man dann erspüren und damit arbeiten.

Der Prof. arbeitet IMO also nicht mit falschen Vorstellungen, sondern mit stark vereinfachten Modellen, um die grundlegende Mechanik, die er vorstellt in den KK wiederzufinden.
Aber auch der beste Aikidoka fällt um, wenn sich sein Schwerpunkt nicht mehr über der Standfläche befindet und er nicht die Möglichkeit hat, diese Standfläche, z.B. durch einen Schritt, zu verlagern.

In einem größeren Teil des Vortrags, der sich wohl eher an Leute, die Aikido nicht kennen (Anfängerniveau), richtet, hat er nach meinem Eindruck gar nicht den Ehrgeiz, die Techniken physikalisch zu erklären, sondern stellt eben sein Aikido vor.
Dennoch kann man die Mechanik auch erklärt an einfachen Beispielen wie z.B. den prügelnden Eishockeyspielern interessant finden, schließlich gehört das ja irgendwie zu unserer Kultur.

carstenm
15-02-2016, 13:01
"Gleichgewicht brechen" ist nicht das gleiche wie die "Gleichgewicht verlieren" bzw. "Umfallen".Richtig.
Mir ging es hier aber tatsächlich um das Umfallen.
Und das wird im fortgeschrittenen aikidô auf andere Weise erreicht, als es der Herr im Video erklärt.

Diese im Video dargestellten mechanischen Aspekte sind natürlich das, was ein Zuschauer ohne tiefere Kenntnisse von aikidô - aber inzwischen leider wohl auch die Mehrzahl der Übenden selber - erwarten würde. Zum einen da es sich um eine Wirkweise, bzw. ein Erklärungsmodell handelt, das man in groben Zügen kennt und das man daher intuitiv auf Erklärungen hin befragt.
Zum anderen handelt es sich um Erklärungsmuster, die einem auch beim eigenen Üben zunächst als Hilfe zum Verstehen dienen, so lange man an der äußeren Gestalt der Formen arbeitet. Sehr viele Übende finden über dieses Stadium letztlich nicht hinaus.


Ich meine, rambat sagte mal, dass man mit kuzushi den Gegner in ein "labiles" Gleichgewicht bringt, um die anschließende Technik vorzubereiten. Das gibt es auch im aikidô als ein Basismodell.
Im fortgeschrittenen Stadium wird dann aber das kuzushi selbst zu dem, was den Partner wirft. Und das Eintreten da hinein fügt dem lediglich noch Energie hinzu. Das Eintreten in das kuzushi macht nicht das Umfallen als solches, denn das geschieht bereits. Sondern es vergrößert nur den Wumms.


Ich kenne den Begriff "Entwurzeln", der das ebenfalls gut
beschreibt: Ohne Wurzel falle ich leichter um, da ich es nicht schaffe, eine angreifende Kraft in den Boden "abzuleiten". Die Wirkung von aiki kann zwar diesen Aspekt ebenfalls haben. In aller Regel fühlt es sich aber anders an, als Entwurzeln. Es ist eher so, als würde man in die Verwurzelung hinein kollabieren. Bzw. hineingefaltet werden.


... ist es sinnvoller sich mit vereinfachenden Modellen an die Wirklichkeit anzunähern, die je nach Level transportieren, was man transportieren möchte. Natürlich.
Es ist nur wichtig, darauf zu achten, was denn man modellhaft vereinfachen und was denn man transportieren möchte.
Die in dem Video dargestellten mechanischen Erklärungen stellen eben gar nicht das das, was im aikidô - jedenfalls so wie ich es kenne - in einem fortgeschrittenen Stadium geübt wird.
Sie verbreiten und verfestigen dagegen bestimmte Mißverständnisse, indem sie die intuitiven Erklärungen, die wir beim bloßen Anschauen wohl alle haben, aufgreifen und vertiefen.


Der Prof. arbeitet IMO also nicht mit falschen Vorstellungen, sondern mit stark vereinfachten Modellen, um die grundlegende Mechanik, die er vorstellt in den KK wiederzufinden.Da die Wirkung auf den Partner im aikidô im Wesentlichen nicht auf die Weise hergestellt wird, die im Vortrag postuliert und dann erklärt wird, handelt sich m.E. nicht um vereinfachte Modelle, sondern - jedenfalls sobald sie den Anspruch haben, die Wirkweise des aikidô zu erklären - um falsche Modelle.


Aber auch der beste Aikidoka fällt um, wenn sich sein Schwerpunkt nicht mehr über der Standfläche befindet und er nicht die Möglichkeit hat, diese Standfläche, z.B. durch einen Schritt, zu verlagern.Natürlich.
Aber das ist eben nicht die Art und Weise, in der Techniken im aikidô funktionieren.