Vollständige Version anzeigen : Religion und Spiritualität in Japan
Das Thema findet leider nicht allzuviel Beachtung.
Bin letzthin über einen schönen Blog-Beitrag (englisch) dazu gestossen.
https://schwertgedanken.wordpress.com/2016/04/18/religion-und-spiritualitaet-in-japan/
Hmm,
zweifellos ein spannendes Thema. Der englische Blog-Beitrag befriedigt mich allerdings nur recht spärlich...
Mir fehlen da im Moment etwas die Rahmenbedingungen und Fragestellungen, auf die der Blog-Beitrag eine Antwort geben will/könnte.
Kleine Empfehlung generell zu dem Thema:
Wer die Möglichkeit hat an dieses Buch zu gelangen, sollte einen Blick dort hineinwerfen
Jahrbuch 2007 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Sportwissenschaft e.V.: Sport - Körper - Religion: Amazon.de: Jürgen Court, Arno Müller, Christian Wacker: Bücher (http://www.amazon.de/Jahrbuch-Deutschen-Gesellschaft-Geschichte-Sportwissenschaft/dp/3825816788?ie=UTF8&keywords=jahrbuch%202007%20der%20deutschen%20gesel lschaft%20f%C3%BCr%20geschichte%20der%20sportwisse nschaft&qid=1461001975****_=sr_1_1&sr=8-1)
Inhaltsverzeichnis:
http://d-nb.info/990865096/04
Das Thema findet leider nicht allzuviel Beachtung.
Bin letzthin über einen schönen Blog-Beitrag (englisch) dazu gestossen.
https://schwertgedanken.wordpress.com/2016/04/18/religion-und-spiritualitaet-in-japan/
Danke für's Teilen.
Lowkick Loverboy
19-04-2016, 08:34
Kleine Empfehlung generell zu dem Thema:
Wer die Möglichkeit hat an dieses Buch zu gelangen, sollte einen Blick dort hineinwerfen
Jahrbuch 2007 der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Sportwissenschaft e.V.: Sport - Körper - Religion: Amazon.de: Jürgen Court, Arno Müller, Christian Wacker: Bücher (http://www.amazon.de/Jahrbuch-Deutschen-Gesellschaft-Geschichte-Sportwissenschaft/dp/3825816788?ie=UTF8&keywords=jahrbuch%202007%20der%20deutschen%20gesel lschaft%20f%C3%BCr%20geschichte%20der%20sportwisse nschaft&qid=1461001975****_=sr_1_1&sr=8-1)
Inhaltsverzeichnis:
http://d-nb.info/990865096/04
Danke! :)
Taugt der Artikel von Zöllner etwas?
Drunken Tiger
19-04-2016, 09:07
Ganz netter Blogeintrag. Leider wird der japanische Buddhismus mal wieder nur auf Zen reduziert.
Wer sich näher für das Thema interessiert sollte auf jeden Fall das Buch 日本人はなぜ無宗教なのか von Ama Toshimaro lesen. Auf Deutsch erschienen unter dem Titel Warum sind Japaner areligiös?
Warum sind Japaner areligiös? Japan und sein Jahrhundert: Amazon.de: Toshimaro Ama, Hans Peter Liederbach: Bücher (http://www.amazon.de/Warum-Japaner-areligi%C3%B6s-Japan-Jahrhundert/dp/3891298994)
KK-Baghira
19-04-2016, 09:53
Danke sehr für den Blogeintrag (@ryoma] sowie für die Buchhinweise (@ Nagare und Drunken Tiger) - soweit vorgemerkt ^^
Schöne Grüße
Baghira
Taugt der Artikel von Zöllner etwas?
Ich sag mal so:
Generell findet man sehr selten Texte, die sich allgemein mit der Verbindung von Spiritualität/Religion und Kampfkunst in Ostasien befassen. Meistens sind es dann sehr spezialisierte Texte, die sich auf eine spirituelle/religiöse Strömung beschränken bzw. die die Verbindung einer Kampfkunst mit anderen esoterischen Gruppen o.ä. aufzeigen. Oder aber man hat sehr fachspezifische Texte, die für Personen die nicht aus dem Fach kommen etwas schwer zu verstehen sind (bspw. japanologische/sinologische Arbeiten).
Zöllner alleine reicht natürlich nicht aus, er erwähnt aber viele gute Aspekte, die oft ausgeblendet bleiben. Im Bereich der Verbindung "Sport - Religion" ist er gut aufgestellt, was aber Spezifika der einzelnen KKs angeht nicht. Das merkt man bspw. an der typischen Darstellung von "inneren und äußeren Kampfkünste", wie man sie leider oft findet.
Die Literaturliste ist natürlich auch nicht zu verachten.
Neben Zöllner gefallen mir die Aufsätze "Sumo und Religion" sowie "Von der Jagd zur Selbsterfahrung: Bogenschießen in Mythos, Literatur und Lebenskunst" sehr gut.
[Edit: Hier ein Einblick: https://books.google.de/books?id=p-Xw0_K9y6oC&pg=PA107&lpg=PA107&dq=der+wald+der+krieger+religi%C3%B6se+grundlagen+ der+ostasiatischen+kampfk%C3%BCnste&source=bl&ots=r0NBiw_T7u&sig=lCfoRNhEXWbVgrGWh7HAhzhAMCE&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwjHm96n5ZrMAhVqC8AKHdXiCm0Q6AEIHDAA#v=on epage&q=der%20wald%20der%20krieger%20religi%C3%B6se%20gr undlagen%20der%20ostasiatischen%20kampfk%C3%BCnste&f=false ]
Lowkick Loverboy
20-04-2016, 10:01
Ich sag mal so:
[...]
Prima, danke Dir sehr für die Einschätzung! :halbyeaha
Lowkick Loverboy
20-04-2016, 10:10
Uijuijui, wo ich jetzt in den Text bei Googlebooks reinlese: Da scheinen aber ein paar Selbstmythisierungen der Kampfkunst nicht ganz so hinterfragt übernommen worden zu sein... Ich werde ihn auf jeden Fall mal in Gänze sichten, vielen Dank noch mal! :)
KK-Baghira
20-04-2016, 10:52
Uijuijui, wo ich jetzt in den Text bei Googlebooks reinlese: Da scheinen aber ein paar Selbstmythisierungen der Kampfkunst nicht ganz so hinterfragt übernommen worden zu sein... Ich werde ihn auf jeden Fall mal in Gänze sichten, vielen Dank noch mal! :)
:halbyeaha Absolute Zustimmung.
Auch wenn das, was ich lesen konnte, aus Plausibilität durchaus nach-denklich stimmt und ich mir daher das Buch auf jeden Fall auch zu Gemüte führen mag, hätten aus geschichtlicher Sicht zumindest Kontextualisierungen in Form von zu diskutierenden Gegenüberstellungen erfolgen können.
Ich denke da bspw. an
- die Artikel "China" oder "Religion and Spiritual Development: China" von Stanley Henning in der von Thomas Green herausgegebenen Enzyklopädie "Martial Arts of the World (http://www.amazon.de/Martial-Arts-World-Encyclopedia-Volume/dp/1576071502)" aus dem Jahr 2001
- die Dissertationsschrift als Buch "Die chinesische Kampfkunst: Spiegel und Element traditioneller chinesischer Kultur (http://www.amazon.de/Die-chinesische-Kampfkunst-traditioneller-Ostasien-Studien/dp/3935693230)" Kai Filipiaks aus dem gleichen Jahr.
Richtig spannend wäre es geworden, wenn man berücksichtigt hätte, dass solche „Begründungslegende[n]“ (Petzold et al, 2004: 40) mit ihrer anhaltenden Popularität "von der enormen psychologischen Tiefenwirkung traditioneller Geschichtsauffassungen“ (Filipiak, 2001: 126) Zeugnis ablegen.
Schöne Grüße
Baghira
Da scheinen aber ein paar Selbstmythisierungen der Kampfkunst nicht ganz so hinterfragt übernommen worden zu sein...
[es] hätten aus geschichtlicher Sicht zumindest Kontextualisierungen in Form von zu diskutierenden Gegenüberstellungen erfolgen können.
Ich denke da bspw. an
[...]
Wie gesagt, in Sachen KK Details schlecht und für sich alleine sollte man den (veralteten) Text auch nicht nehmen. Die aktuelleren Texte von der Kommission KuK sind da schon besser. Mir fiel das Buch in erster Linie ein, da es hier in dem Thread um Japan, KK und Religion/Spiritualität geht. Ich dachte da eher mehr an die Texte zum Sumo und zum Bogenschießen.
Wer mit solchen Texten arbeiten muss, hat da leider noch ein zusätzliches Problem:
Je nach Fachdisziplin und Personenkreis sind gewisse Autoren einfach nicht erwünscht oder gänzlich unbekannt. Das kann negativ ausgelegt werden. Da kann dann so ein (leider in vielen Details mangelnder) Text von Zöllner Gold wert sein :o
Btw, da ist mir über Nacht noch die Diss von Julian Braun in den Sinn gekommen:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/binary/F5Y33G3NITWAR336EO7CIZL6GGOVZ4VG/full/1.pdf
Ein Vorschlag (um ryomas Thread nicht anderweitig zu stören):
Wenn genügend Interesse besteht, könnte man einen eigenen Thread aufmachen, in dem wissenschaftl. Literatur zum Thema KK gesammelt werden könnte?
KK-Baghira
20-04-2016, 16:36
Btw, da ist mir über Nacht noch die Diss von Julian Braun in den Sinn gekommen:
O.o Was man trotz sorgfältiger Recherche übersehen kann...kannte Brauns Dissertation noch gar nicht... - heute nachmittag/Abend weitestgehend gelesen und bin beeindruckt - Hut ab :)
Und vor allem erlaubt sie (vgl. Braun, 2006: 11f, 18ff., 294f.) es nun ein von mir bisher nur angerissenes und nicht geklärtes (vgl. Ewald, 2009: 29ff. (http://www.fpi-publikation.de/images/stories/downloads/polyloge/ewald_alexander_polyloge_21-2009.pdf) und fort-führender Ewald, 2015a: 39ff. (http://www.fpi-publikation.de/images/stories/downloads/polyloge/ewald-bruce-lee-ey-bester_mann-oder-martial-arts-in-der-jugendhilfe-kampfkunstpaedagogisch-09-2015.pdf)) Verhältnis von Bushidoerzählungen und Weg von "Schwert & Buch" (Bierwirth) bzw. "Schwert und Pinsel" (Braun) zu klären ^^'''
(auch wenn Braun mE aus Bierwirths Buch mehr hätte machen können...auch wenn es ihm weniger um Bushido bzw. die Realumsetzung des bunbu-ryôdo ging, treibt mich - ausgelöst durch Bierwirth - eine Frage um (siehe unten)).
Von daher ein großes Danke schön :)
Ein Vorschlag (um ryomas Thread nicht anderweitig zu stören):
Wenn genügend Interesse besteht, könnte man einen eigenen Thread aufmachen, in dem wissenschaftl. Literatur zum Thema KK gesammelt werden könnte?
Bin dabei :)
Und damit: back to Topic - entschuldige, ryoma ^^'''
EDIT: Frage an die Experten: Bierwirth schreibt auf S. 106f. davon, dass in der Tokugawa-Periode die Parole bubun ichi - Schwert und Buch - stärker propagiert wurde, bezieht dies aber soweit auf das Shogunat. Bei Braun finde ich diesen Ausdruck allerdings nicht - seine Aufmerksamkeit gilt ja dem Weg von Schwert und Pinsel, wo "die Verwirklichung des Einzelnen angestrebt wird" (Braun, 2006: 294) oder dem Bushido der Meiji-Zeit, wo höchstens Einzelelemente des bunbu-ryôdo miteinflossen und andere Strukturen vorherrschten:
Heißt das:
- bubun ichi ist seitens des Shogunats bzw. staatliche Samurai-Schulen mit konfuzianischer Ausrichtung praktiziert worden (vgl. Bierwirth, 2005: 106f.). Mit teils verheerenden Auswirkungen:
Es waren ja dann bekanntlich auch die relativ jungen, gebildeten, verwaltungserfahrenen und größenteils herrenlosen Samurai, die letztlich das 200-jährige Shogunat gestürzt und in der Meiji-Zeit einen Großteil der neuen zivilen und militärischen Bürokratie gestellt haben.
- bunbu-ryôdo für einzelne, eher dezentral bezogene Menschen, wo "weder ein wehmütig-glorifizierendes Bild der japanischen
Vergangenheit heraufbeschworen, noch wird die so oft angeführte Bereitschaft für (Feudal)Herr, Kaiser oder Vaterland zu sterben oder seppuku zu begehen in ihnen besonders eindringlich thematisiert" und sich an chinesischen Klassikern orientiert wird (vgl. Braun, 2006: 18f.)
- oder kurz und knapp gefragt: Wie verhalten sich bubun ichi und bunbu-ryôdo zueinander?
- oder kurz und knapp gefragt: Wie verhalten sich bubun ichi und bunbu-ryôdo zueinander?
Hm, dann bin ich mal so frei:
Ich kann mich aus meinen bisherigen Quellentext-Studien (aus dem Bauch heraus geschätzt etwa 20-30 Neokonfuzianer und etwa 30-40 Kampfkunst-Texte) nicht erinnern, dem Terminus bubun-ichi dort auffällig oft begegnet zu sein. (Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht daran erinnern.) Bunbu-ryôdô machte den Großteil aus; den kleinen Rest teilen sich budô, shidô und bushidô. Steht schon lange auf meiner to-do-Liste, das mal für ein paar charakteristische Texte auszuzählen.
Ansonsten ist aber auch in den buke-shohatto (https://en.wikipedia.org/wiki/Buke_shohatto) in der ersten Verordnung von bunbu-ryôdô die Rede, nicht von bubun-ichi.
Gruß,
J.
KK-Baghira
20-04-2016, 18:28
Oh, direkt höchstpersönlich: Vielen Dank :)
Hmmm...interessant...Ich zitiere mal vollständig:
War das Shogunat der Tokugawa ganz am Anfang noch äußerst bildungsfeindlich, änderte sich diese Einstellung sehr bald mit der Einsicht, dass die umfangreiche Verwaltungs- und Überwachungstätigkeit ohne ausreichend gebildete Beamte nicht möglich war. Daraufhin wurde, um das Rekrutierungspotenzial zu vergrößern, die Parole "Schwert und Buch" (bubun ichi) stärker propagiert. Dabei wurde allerdings streng darauf geachtet, dass nur die staatstragenden konfuzianischen Klassiker studiert wurden. Diese Reaktion auf den Bildungsnotstand der Samurai findet sich schon 1615 in den buke sho hatto [Regelwerk für die Militärhäuser], die der Shogun aufstellte und verbreiten ließ.
Bin verwirrt- denkt man sich sowas aus? oder war Bierwirth unexakt? Aber passt beides nicht zum Ausweisen einer axakten Formulerung...:confused:
Auf jeden Fall Danke (auch für andere Schriften auf deiner Homepage ^^)
Baghira
Bin verwirrt- denkt man sich sowas aus? oder war Bierwirth unexakt? Aber passt beides nicht zum Ausweisen einer axakten Formulerung...:confused:
Baghira
Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vor allem aber kommt mir auch bubun-ichi irgendwie komisch vor; wenn schon dann bunbu-ichi, so vom Gefühl her...
Vielleicht kann Shava was dazu sagen?
Lowkick Loverboy
21-04-2016, 08:13
Wenn genügend Interesse besteht, könnte man einen eigenen Thread aufmachen, in dem wissenschaftl. Literatur zum Thema KK gesammelt werden könnte?
Noch schöner fände ich es, die Literatur nicht nur hier zu sammeln, sondern auch der Allgemeinheit dauerhaft zu listen - jede/r ist herzlich zur Mitarbeit an der Kurzbibliographie "Kampfkunst & Kampfsport" eingeladen. Hier unter dem Punkt "Overview". (http://www.sportwissenschaft.de/index.php?id=kkk)
Noch schöner fände ich es, die Literatur nicht nur hier zu sammeln, sondern auch der Allgemeinheit dauerhaft zu listen
Gleiche Idee - andere Plattform ;)
http://www.kampfkunst-board.info/forum/f15/sammelthread-wissenschaftliche-literatur-kk-ks-sv-etc-178298/
Vielleicht auch nur ein Schreibfehler?
文武一致 (bunbu itchi)?
Ist für mich von der Bedeutung her ähnlich einzustufen wie bunbu ryôdô, müsste aber den Bierwirth nochmal lesen. Leider führt den unsere Bibliothek gar nicht, sehe ich gerade. Mal bestellen...
Kurze Anmerkung zum Artikel von Ama Toshimaro:
Durch den Originaltitel stellt sich ein Problem, welches wir nur lösen könnten, wenn jemand tatsächlich das Buch gelesen hätte. Da heißt es nämlich 日本人はなぜ無宗教なのか.
Der Begriff "宗教" ist aber einer, den es vor der Meiji-Zeit nicht "gab" (wie so viele andere Begriffe auch). Daher ist die Frage, ob man sich von dieser Warte aus an ein Thema rantrauen sollten, welches eben vor der Meiji-Zeit wurzelt.
Das aber nur am Rande.
Vielleicht auch nur ein Schreibfehler?
文武一致 (bunbu itchi)?
Ist für mich von der Bedeutung her ähnlich einzustufen wie bunbu ryôdô, müsste aber den Bierwirth nochmal lesen. Leider führt den unsere Bibliothek gar nicht, sehe ich gerade. Mal bestellen...
Ja, bunbu-itchi würde ein Schuh draus werden; auch bedeutungsmäßig. (Wenngleich ich auch dieses weniger häufig vorkommend in Erinnerung habe.)
Drunken Tiger
26-04-2016, 14:31
Kurze Anmerkung zum Artikel von Ama Toshimaro:
Durch den Originaltitel stellt sich ein Problem, welches wir nur lösen könnten, wenn jemand tatsächlich das Buch gelesen hätte. Da heißt es nämlich 日本人はなぜ無宗教なのか.
Der Begriff "宗教" ist aber einer, den es vor der Meiji-Zeit nicht "gab" (wie so viele andere Begriffe auch). Daher ist die Frage, ob man sich von dieser Warte aus an ein Thema rantrauen sollten, welches eben vor der Meiji-Zeit wurzelt.
Das aber nur am Rande.
Ich hab das Buch auf Japanisch gelesen, auch wenn es schon eine Weile her ist.
Du hast Recht, dass man aufpassen muss nicht der "retrospective fallacy" auf den Leim zu gehen, indem man historischen Personen unterstellt in Kategorien zu denken, die es so zu ihrer Zeit noch nicht gab.
Allerdings ist es ja auch gerade das Wesen der historischen Forschung zu versuchen die Vergangenheit unter Verwendung neuer Theorien und Konzepten besser zu verstehen.
Ama Toshimaro unterscheidet zwischen Naturreligionen 自然宗教 und Offenbarungsreligionen 創唱宗教. Seine Erklärung ist, dass Japaner wegen ihrer Befolgung naturreligiöser Riten im Alltag sehr wohl religiös sind, aber dass sie das selbst nicht als religiöse Handlungen per se betrachten, da sie nur Offenbarungsreligionen wie Buddhismus oder Christentum als Religion im eigentlichen Sinne sehen.
Diese extrem verkürzte und unzureichende Wiedergabe seiner Hauptargumentation wirft natürlich u. U. neue Fragen auf, weshalb ich auch jedem Interessierten empfehlen würde das Buch selber mal zu lesen.
Vielen Dank, ich werde das Buch mal bestellen.
Die Unterteilung in Naturreligion vs. Offenbarungsreligion teile ich so nicht unbedingt. Um da weiter drauf einzugehen, muss ich aber natürlich erst einmal schauen, was er überhaupt dazu im Detail schreibt.
carstenm
29-04-2016, 05:22
Die Unterteilung in Naturreligion vs. Offenbarungsreligion teile ich so nicht unbedingt. Du findest die Kategorien grundsätzlich fragwürdig oder insbesondere in Bezug auf Japan?
Ich frage, weil es m.E. religionswissenschaftlich eigentlich eine klassische Nonmeklatur bzw. Kategosierung ist?
------------
Viele Grüße nach Oberursel!
Hab ein paar Jahre da studiert. :-)
Du findest die Kategorien grundsätzlich fragwürdig oder insbesondere in Bezug auf Japan?
Ich frage, weil es m.E. religionswissenschaftlich eigentlich eine klassische Nonmeklatur bzw. Kategosierung ist?
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Viele Grüße nach Oberursel!
Hab ein paar Jahre da studiert. :-)
Hallo Carsten,
ich bin zwar nicht mehr ganz "up to date", würde aber sagen, dass es eher die klassischen Nomenklaturen waren.
Die modernen Ansätze gehen denke ich oftmals in eine andere Richtung, bwz. sind nicht so simpel gestrickt (z.B. sieben Kriterien nach Ninian Smart).
Ein gutes Beispiel finde ich persönlich übrigens den Buddhismus, und zwar sogar und ganz ausdrücklich den frühen indischen. Für mich erfüllt das was im Pali-Kanon steht eigentlich mittlerweile größtenteils die Kriterien einer Offenbarungsreligion, auch wenn das die Theravadin natürlich vehement anders sehen. (Von späteren Formen des Buddhismus mal ganz zu schweigen.)
KK-Baghira
29-04-2016, 09:50
Ohne wirklich Fachmann zu sein (bin ja kein Japanologe oder Religionswissenschaftler), mag ich dennoch kurz in die Runde geben, da ich mit dem Thema auch schon in Berührung kam:
Wiliam Bodiford leitet seinen Artikel "Belief systems: Japanese Martial Arts and Religion since 1868" aus dem Jahr 2010 in der Enzyklopädie von Green und Swinth mit einem Bezug zu Jonathan Smith ein:
Jonathan Z. Smith provocatively notes that religion "is a category timposed from the outside on some aspects of native culture" (1968, 269). Nowhere is this fact as well documented as in Japan, where a traditional Japanese word for religion did not exist. The concept of religion was forced on Japan during the 1860s by diplomats who employed the theretofore rare Chinese Buddhist technical term shukyo (roughly, "seminal doctrines") in treaties written to guarantee freedom of religion (shukyo wu jiyu) for newly arrived foreign Christians.
Ohne nun hier und heute genauer nachzufragen, was Smiths "native culture" für Implikationen hat (neben mir liegt fürs Wochenende und als Vorbereitung für einen anders gelagerten Vortrag das Buch culture von Ben Highmore aus diesem Jahr, wo sich vielleicht Anknüpfungspunkte ergeben könnten?) - Smith Artikel kann hier gelesen werden (http://www.iupui.edu/~womrel/Rel433%20Readings/SearchableTextFiles/Smith_ReligionReligionsReligious.pdf).
Schönen Freitag,
Baghira
KK-Baghira
12-05-2016, 12:05
Ich habe nochmal eine Frage in Richtung Experten:
Nachdem die Sache mit bunbu ichi geklärt wurde - ich hab heute per Post "The Cambridge History of Japan (http://www.cambridge.org/us/academic/subjects/history/east-asian-history/series/cambridge-history-japan)" (die Bände 1, 4-6) erhalten und mal in Band 4 ein bisschen gestöbert:
Das Stichwortverzeichnis wies nichts in Richtung bunbu ichi oder budo auf - allerdings bushido:
In Kapitel 2 (the sixteenth century unification) geht es um Oda Nobunaga und auf S. 92 ist zu lesen:
Nobunaga exemplified the way that military lords should behave under the principles of Bushido (the normative code of behavior for warriors.
Und der zweite Eintrag führt zu Kapitel 12 (History and nature in eighteenth-century Tokugawa thought) geht es um Ogyu Sorai (1666-1728) und auf S. 614 ist zu lesen:
Sorai's forerunner in the development of ancient studies, Yamaga Soko (1622-85), was even more explicit in his affirmation of indigenous political history. After identifying ancient norms in Confuciu's Analects, Soko tried to show how, during the course of some five hundred years, equivalent values have been created within Japan itself by the aristocracy. These values as a coherent whole he termed the 'way of the warrior' (bushido). Filial piety, loyality, truthfulness, trust, and so forth that are central to the Analects were also fashioned independently in Japanese history.
Abschließend dazu ein Zitat von G. Hurst III aus dem Jahr 1990 (http://enlight.lib.ntu.edu.tw/FULLTEXT/JR-PHIL/ew26464.htm), was es mir zumindest erlaubt, Sorai zu kontextualisieren:
I do not argue that the moral values Nitobe discusses in Bushidó -- loyalty, veracity, honor, and so forth – were not present in the Japanese people in Meiji or pre-Meiji times, or is not today for that matter.
Rather my objection to Nitobe is simply that to imagine that there was a normative system of ethical thought, a "code" of behavior that was first universal among the samurai and then in fact became the "soul" of all Japanese citizens, and that this body of ethical thought was called bushidó, whose tenets could be recited as readily as the Ten Commandments, or the
Boy Scout Motto, is simply inaccurate.
[...]
The few Tokugawa works which explicitly use the term bushidó turn out, in fact, to be a very narrow stream of thought essentially out of touch with the broader spectrum of Confucian ideas to which most of the samurai class adhered. There was no well-articulated series of six or seven values; the primary emphasis in the Hagakure, Budó shoshinshú, and similar writings is an excessive attachment to the ideals of the late sixteenth century, focusing
especially on loyalty, duty, and courage
[...]
The formulation of a "way" of the warrior was seen by mainline Confucian moralists as an essentially outdated feudal ideology, what Ogyú Sorai called an "evil custom from the sengoku era." Saitó Setsudó, in his Shidó yóron, saw these ideas as incomplete, out of touch with the "Way of the Sages" as enunciated by Mencius, and in need of alteration. While Sorai, Setsudó, and other scholars were equally concerned with good Confucian moral principles like loyalty, honor, and duty, they disagreed with people like Tsunetomo over the meaning and application of these values. And they certainly disagreed over the idea of a reckless, irrational death. They had their own ideas of the proper "way" of the samurai, but then it was not the bushidó of the Hagakure.
Sorai ist ja kontextualisiert - kann einer zu Nobunaga & bushido was genaueres sagen?
Schöne Grüße
Baghira
Hy Baghira,
ist das mit bunbu-ichi geklärt? (Bzw., selbst wenn bubun nur ein Schreibfehler war: komisch ist das doch trotzdem, dass Bierwirth diese Phrase wählt.)
Bezüglich Zuschreibungen zu Yamaga Soko (aber auch anderen Denkern der Edo-Zeit) bin ich persönlich ziemlich zurückhaltend. Das Werk von Yamaga Soko ist ziemlich umfassend, die Ausgabe der gesammelten Schriften in der Münchner Japanologie macht z.B. satte 15 Bände aus. Da ist super-viel interessanter Stoff drinnen, wie z.B. der eine Band, der ein einziger Sunzi-Kommentar ist. Aber auch vieles anderes. Ich hatte die enthaltenen Texte mal grob übersetzt, siehe Anhang. Wenn man sich dann anschaut, wie wenig Quellentexte eigentlich in Englisch oder Deutsch vorliegen, finde ich es immer recht problematisch die Leute in irgendwelche Schubladen zu stecken.
Oda Nobunaga und Bushido kann ich aus dem Stegreif auch nichts zu sagen. Meine (reine) Spekulation ist aber die, dass es sich eher um ein Beispiel handelt, welches den Großteil der westlichen Werke zur japanischen Geschichte einschließlich der Kriegsgeschichte betrifft, welche im Zeitraum nach dem zweiten Weltkrieg und bis zum Teil noch heute geschrieben werden: eben die mangelnde Differenzierung zwischen den Begriffen, aber auch Zeiten und Inhalten von bushido, budo und bunbu-ryodo. Sprich: ich vermute, in der Cambrige-History steht bushido einfach als Schlagwort, ohne dass zwischen budo, bushido und bunbu-ryodo wirklich unterschieden wird. Ich denke manchmal, dass das auch einfach mit der Generation der Forscher/Historiker zusammenhängt. Die KK-Fans, welche Japanologie studieren, sind vermutlich allesamt eine oder zwei Generationen später, als die Verfasser solcher Werke.
Gruß,
Julian
KK-Baghira
13-05-2016, 17:02
@Julian:
danke für deine sehr ausführliche Antwort.
1. bunbu-ichi: Das mit dem "geklärt" ist vielleicht (zu?) eng gefasst - aber es macht - wie Shava ja dargelegt hat - zumindest Sinn, dass Bierwirth diese Phrase aufgreift. Ob es andere, präzisere oder häufiger verwendete gibt, kannst du besser einschätzen als ich - warum Bierwirth sich dafür entschied, wird wohl nur er erklären können.
2. Thema Cambridge History of Japan:
2.1 Danke auch für die Anregung, dass da (mit Bezug auf Nobunaga) - durchaus generationsbezogen - andere Forschungsinteressen bzw. schnellere Abhandlungen unter Schlagworten vorliegen. Ich bin ja da raus bzw. hab ja nicht Japanologie oder Sinologie o.ä. studiert und bin als interessierter Laie stets auf der Suche nach verwertbaren Quellen - und da ich die 4 besagten Bände der CHOJ für rund 60€ in sehr gutem Zustand erwerben konnte, hab ichs mal gewagt *g* - und komm dann meist mit mehr Fragen als Antworten um die Ecke ^^'
2.2 Zu Yamaga Soko (ich unterschlage mal die Sonderzeichen ^^''') habe ich eine im Text vorkommende Fußnote nicht erwähnt: Am Ende des ersten, oben zitierten Satzes (leider nur dort und nicht nach dem zweiten oder 3. Satz) auf Seite 614 ist Fußnote 21 gesetzt, wozu es weiter unten heißt:
Soko's writings are in Tahara Tsuguo and Morimoto Jun'ichiro, eds., Yamaga Soko, vol. 32 of Nihon shiso taikei (Tokyo: Iwanami shoten, 1970).
Vlt. hilft das ja etwas weiter - oder führt es zu den von dir angeführten 15 Bänden?
Schöne Grüße
Baghira
Hallo Baghira,
nicht falsch verstehen - die CHOJ ist bestimmt nicht schlecht!
Das Nihon shisô taikei ist eine Reihe mit Texten wichtiger Denker bzw. Denkrichtungen. Bd. 32 zu Yamaga Soko ist da aber eben nur eine kleine Auswahl seiner Schriften.
Gerade entdeckt - kennt das wer?
http://www.peterlang.com/download/datasheet/20832/datenblatt_36163.pdf
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