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Vollständige Version anzeigen : Körperverletzung im Vollrausch Frage an Juristen



Steinbock
17-07-2016, 15:08
Gestern berichtete unsere Tageszeitung von einer Schlägerei im Supermarkt.
Der Täter klaute sich eine Flasche Schnaps und begann sofort mit dem Konsum noch im Markt.
Er wurde von einem Angestellten angesprochen, daraufhin schlug er unvermittelt dem Angestellten ins Gesicht und brach ihm Nase und Jochbein.
Die Polizei ermittelte hinterher eine Promillezahl von 2,8 Promille.
Gestern war das auch ein Thema bei unserem gemeinsamen Training und Grillen.
Ein Trainingsparter meinte, der Täter gehört bezüglich der Tat sehr schwer bestraft und auch die Höhe des Schmerzensgeld sollte hoch ausfallen.
Ein anderer Teilnehmer meinte der Täter sei wohl nicht zurechnungsfährig und auch schuldunfähig.
Ein Psychologe, er hat grad promoviert, meinte, der Täter sei wohl an der Krankheit Alkhol erkrankt. Kein "normaler Mensch" kann so eine hohe Promillezahl aufbauen. Ein Merkmal der Krankheit ist der Kontrollverlust bezüglich Beginn, Konsummenge und auch Beendigung der Sauferei.

Wie wirkt sich den so eine hohe Promillezahl auf die Strafe, Tagessätze und auch Schmerzensgeld aus?

Klaus
17-07-2016, 15:40
Ich bin mir recht sicher dass man da eine Bandbreite an Entscheidungen finden wird, wo der Richter Spielraum hat darzulegen wie er die Sache "sieht" und was ihm gefällt. Streng genommen gehört so jemand nicht ins Gefängnis, sondern auf unbestimmte Zeit in einen Entzug und die forensische Psychiatrie. Erst wenn sich da keine Gewaltneigung mehr zeigt kann man ihn auf die Menschheit loslassen. Inwiefern Richter bereit sind sowas zu tun, hängt leider vom Einzelfall ab. Alkoholkranke sind aber eigentlich nicht zurechnungsfähig, es hängt aber von den Gutachtern ab wie die so jemanden einstufen. Und die sind in der Regel alles andere als unabhängig.

Zum Nachlesen mit weiterführenden Links: http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=BGHR%20StGB%20%A7%20323a%20Abs .%201%20Rausch%204

Willi von der Heide
17-07-2016, 17:12
Wäre interessant zu sehen, wie das Verfahren läuft. Ist schwierig das vorher zu sagen, da da mehrere Faktoren mit rein spielen.

Hier mal eine Auflistung der BAK ( Blutalkoholkonzentration ) und ihre Bewertung im deutschen Strafrecht:

2,0 Promille: Ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille bei Tatbegehung liegt eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB nahe. Die Schuldfähigkeit ist jedoch einzelfallabhängig und daher ist dies nicht als starre Grenze zu verstehen, sondern lediglich ein Indiz.
• 2,2 Promille: Aufgrund der erhöhten Hemmschwelle bei Tötungsdelikten nimmt die Rechtsprechung bei Tötungsdelikten eine verminderte Schuldfähigkeit in der Regel erst ab 2,2 Promille an. Aber auch hier entscheiden die Umstände des Einzelfalles.
• 2,5 Promille: Ab 2,5 Promille der Blutalkoholkonzentration liegt eine verminderte Schuldfähigkeit besonders nahe. Eine Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB kann im Einzelfall gegeben sein. Auch hier handelt es sich lediglich um ein Indiz.
• 3,0 Promille: Ab 3,0 Promille wird regelmäßig von der Schuldunfähigkeit ausgegangen. Aber auch hier kann im Einzelfall die Vermutung der Schuldunfähigkeit widerlegt werden.
• 3,3 Promille: Aufgrund der erhöhten Hemmschwelle bei Tötungsdelikten ist für Tötungsdelikte die Grenze der regelmäßigen Schuldunfähig bei 3,3 Promille angenommen. Auch hier kann im Einzelfall bei über 3,3 Promille noch eine Schuldfähigkeit vorhanden sein.

Rene
17-07-2016, 19:10
Man sollte nicht unterschlagen, dass Leute mit einem Promille Pegel über 2.x als Gewohnheitstrinker gelten, die eben dann nicht vermindert schuldfähig sind, sondern sich grade erst warm gemacht haben.

tempeh
17-07-2016, 20:18
Wie wirkt sich den so eine hohe Promillezahl auf die Strafe, Tagessätze und auch Schmerzensgeld aus?
1. Guck mal hier: Wann geht ein Straftäter trotzdem straflos aus? – Die Schuldunfähigkeit bei Alkohol, Drogen usw. | GANGWAY e.V. (http://gangway.de/wann-geht-ein-straftaeter-trotzdem-straflos-aus-die-schuldunfaehigkeit-bei-alkohol-drogen-usw/)
2. Das sind zwei verschiedene Prozesse.
Im Strafprozess wird das Gericht feststellen, ob der Täter (voll) schuldfähig ist oder nicht. Anschließend wird er zu einer Strafe in Höhe von x Tagessätzen verurteilt - Alkoholismus ist allerdings auch ein möglicher Grund, das Verfahren einzustellen (s. Link oben). Schmerzensgeld ist eine zivilrechtliche Sache und erfordert normalerweise einen Zivilprozess, der nach Urteilsspruch des Strafprozesses anläuft. Manchmal werden Täter zur Zahlung von Schmerzensgeld im Urteil des Strafprozesses "verdonnert", z.B. als Bewährungsauflage, ist aber eher die Ausnahme.
Ich denke, die Anklage wird auf Diebstahl + (fahrlässige) Körperverletzung hinauslaufen oder auch auf Räuberischer Diebstahl.

Kannix
17-07-2016, 20:26
Kein "normaler Mensch" kann so eine hohe Promillezahl aufbauen.

Typische Weltfremdheit von Experten

Klaus
17-07-2016, 20:53
Aufbauen kann die jeder, Koma tritt glaube ich so ab 4.8 auf. Aber Leute die keine Gewohnheitstrinker sind, sind ab 2,irgendwas steuerungsunfähig und können sich kaum noch auf den Beinen halten. Bei günstig positionierten Opfern können auch Normalos noch mit irgendwas hauen, aber gezielt auf jemanden losgehen wird dann eher nicht mehr so leicht möglich weil die es nicht schaffen in gerader Linie auf die zuzugehen. Ich erinnere mich daran, dass ich bei entsprechenden Werten als Nicht-Trinker dann die Hilfe der Wand gebraucht habe um einen Flur zu überqueren. Wer da ganz normal gehen und reden kann, der IST ein Gewohnheitstrinker mit hoher Alkoholtoleranz.

Alephthau
17-07-2016, 21:24
Hi,

Ich werf nur schnell den Paragrafen hier ein:

https://dejure.org/gesetze/StGB/323a.html

@tempeh

Wenn der Täter schuldunfähig ist, wird er zu gar nichts "verdonnert", bei teilweise schuldunfähig wird die Strafe gemindert.

Gruß

Alef

Mr.Fister
17-07-2016, 22:30
es hat schon seinen grund, warum es sowas gibt:

Trinkfeste Juristen: Saufen für die Wissenschaft - SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/trinkfeste-juristen-saufen-fuer-die-wissenschaft-a-215486.html)

Joyce
23-07-2016, 07:15
es hat schon seinen grund, warum es sowas gibt:

Trinkfeste Juristen: Saufen für die Wissenschaft - SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/trinkfeste-juristen-saufen-fuer-die-wissenschaft-a-215486.html)

"Frauen haben mehr Fettgewebe. Das nimmt keinen Alkohol auf - deshalb gerät mehr davon ins Blut."

Gut zu wissen als Frau. Hat also das Fettgewebe doch eine Funktion, nämlich bei einem Versuch nicht so viel Alk trinken zu müssen. Das Gesöff ist doch eklig. Wie kann man sich das nur freiwillig antun! :ups:

Joyce
29-07-2016, 16:22
Ein delikater Fall zwischen Justizbehörden.:D
http://justillon.de/2015/09/strafbefehl-gegen-ex-richter-wegen-schlaegerei-um-frau-im-biene-maja-kostuem/
Den Fall ordne ich unter skurril ein.

hand-werker
29-07-2016, 17:11
Zu Studienzeiten (als ich noch schwer im Training war), musste ich als Zeuge mal pusten. Hab mich eigentlich nur angeheitert gefühlt und hatte 1,5 Promille. Also 2,8 wären zu mienen besten Zeiten bestimmt locker drin gewesen.