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Vollständige Version anzeigen : Neuer Artikel... aber mal nicht auf meinem Blog



ryoma
15-11-2016, 14:36
Auf "sumikai.com" habe ich einen Beitrag mit dem Titel: Der "Dschungel" der japanischen Kriegs- und Kampfkünste veröffentlicht.

Alles weitere dazu hier: https://schwertgedanken.wordpress.com/2016/11/15/der-dschungel-der-japanischen-kriegs-und-kampfkuenste/

doitsu-shibu
15-11-2016, 15:20
-

ryoma
15-11-2016, 15:27
Ich dachte die Trennschärfe zwischen den Koryū und den Gendai sei passé.

Wieso sollte das so sein?
Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten aber eben auch erhebliche Unterschiede.

Von einer Nivellierung von Koryû und Gendai Budô spricht mit Sicherheit niemand.

doitsu-shibu
15-11-2016, 15:52
-

ryoma
15-11-2016, 17:57
Auf jeden einzelnen Punkt einzugehen halte ich für müssig, das führt meist zu eher unergiebigen Diskussionen hier.

Wie erwähnt ist das ein kurzer Artikel für Leute, welche noch nie mit dem Thema konfrontiert waren. Und genau so sollte man ihn auch lesen. Der Artikel musste kurz und knackig sein und das Wesentliche abdecken.
Gerade mir muss man nicht erklären, dass es dabei Grauzonen gibt, welche man natürlich genüsslich bis in alle Ewigkeit ausdiskutieren kann.

Faktisch ist an meinen Aussagen nichts falsch. Ob der Artikel einer Vorlesung zu japanischer Soziologie standhält, spielt in dem oben genannten Kontext keine Rolle.

P.S. Manchmal ist es durchaus hilfreich zu wissen, mit wem man redet. Leider finde ich ausser deinem Wohnort keine weiteren Infos.

doitsu-shibu
15-11-2016, 18:20
-

ryoma
15-11-2016, 18:28
...Manchmal muss es auch ohne Nabelschau gehen :) ...

Tja, dann eben nicht.
P.S. Ich bin kein Japanologe und ich halte die Japanologie keineswegs für "heilig". Ganz im Gegenteil.

doitsu-shibu
15-11-2016, 18:31
-

* Silverback
15-11-2016, 18:43
Also ich als "Durchschnitts-Nichtjapaner" :) fand den Artikel wirklich lesenswert und informativ ohne abgehoben zu sein.
Bilde mir ein, daraus was gelernt zu haben, DANKE! :halbyeaha

P.S.: Bin mir ganz sicher, dass man viele weitere Wissens-Tieftauchgänge anschließen kann (und muss); nur ist der Artikel seinem eingangs formulierten Anspruch IMHO gerecht geworden!

carstenm
15-11-2016, 19:49
Zumindest aus der Sicht des aikidô halte ich den Artikel für ausgesprochen unglücklich.

Denn er transportiert bestimmte Mißverständnisse, die leider auch bei einem Großteil der aikidô Übenden selber vorherrschen. Dadurch werden diese Irrtümer weiter verfestigt.
Auf diese Weise tragen Artikel wie der Vorliegende m.E. dazu bei, daß das Wissen um die tiefe Verwurzelung des aikidô in der japanischen Kultur und Geschichte weiter schwindet.

Die Kriterien, die der Artikel zur Unterscheidung von gendai budô und koryû benennt, beschreiben in Bezug auf aikidô interessanterweise Trennlinien, die innerhalb dieses budô verlaufen.

Mir ist bewußt, daß eine differenzierte Darstellung im Rahmen eines solchen recht kurzen Artikels kaum möglich ist.
Ich denke aber doch, daß es durchaus möglich - und aus meiner Sicht sogar geboten - das Faktum als solches deutlich zu machen, daß Geschichte und Struktur der gendai budô in sich selbst deutlich differenzierter sind, als es in dem Artikel vermittelt wird.

ryoma
16-11-2016, 07:26
Zumindest aus der Sicht des aikidô halte ich den Artikel für ausgesprochen unglücklich.

Denn er transportiert bestimmte Mißverständnisse, die leider auch bei einem Großteil der aikidô Übenden selber vorherrschen. Dadurch werden diese Irrtümer weiter verfestigt. ...
Mir ist bewußt, daß eine differenzierte Darstellung im Rahmen eines solchen recht kurzen Artikels kaum möglich ist.
Ich denke aber doch, daß es durchaus möglich - und aus meiner Sicht sogar geboten - das Faktum als solches deutlich zu machen, daß Geschichte und Struktur der gendai budô in sich selbst deutlich differenzierter sind, als es in dem Artikel vermittelt wird.

Lieber carstenm

Nichts für ungut.... aber was genau sollte mich in den Weiten des Internets zum Anwalt des Aikidô machen?

Es ist sehr traurig und extrem verstörend, dass die meisten Aikidôka keine Ahnung von ihrer eigenen KK haben. Aber ich bin ganz sicher der Falsche, dieses Bild zu korrigieren.

Ich weiss wovon ich spreche. Es ist eine Heidenarbeit Mitglieder der eigenen Ryûha auf den "richtigen Pfad" zu bringen und ihnen die Identität und das "Feeling" unserer Schule immer und immer wieder zu vermitteln.

Und genau das erwarte ich eigentlich von den Aikidô-Lehrern wenn es um die Vermittlung ihrer KK geht.
An mir (und meinen Artikeln) liegt das garantiert nicht. Da dürfen gerne erfahrene Aikidôka in die Tasten hauen.

carstenm
16-11-2016, 12:16
Nichts für ungut.... aber was genau sollte mich in den Weiten des Internets zum Anwalt des Aikidô machen?
Es ist sehr traurig und extrem verstörend, dass die meisten Aikidôka keine Ahnung von ihrer eigenen KK haben. Aber ich bin ganz sicher der Falsche, dieses Bild zu korrigieren. Moin

Natürlich ist es definitiv nicht deine Verantwortung, das Bild der aikidôka von ihrem eigenen budô zu korrigieren.
Und ebensowenig ist es deine Aufgabe eine Anwaltschaft für ein anderes budô zu übernehmen.

Ich gehe aber davon aus, daß es auch dein eigener Anspruch ist, in einem Artikel keine sachlich falschen Informationen zu bieten.

Nick_Nick
16-11-2016, 12:24
Das grösste Unterscheidungsmerkmal zwischen den Koryû und modernen Disziplinen besteht in dem einzigartigen Sozialgefüge innerhalb der verschiedenen Ryûha. Hierbei handelt es sich um kulturelle Eigenheiten und soziale Verhaltensweisen Japans, welche auch der westliche Schüler verstehen lernen muss. Dies schließt auch, zumindest rudimentäre, japanische Sprachkenntnisse mit ein.


..., oder du ignorierst die Tatsache, daß solche Sozialgefüge auch innerhalb der Ryūha der Gendai bestehen.


Welche Sozialgefüge sind denn das und in welchen Gendai Budo lassen sie sich finden?

Bzw. welche Gendai Budo entsprechen denn grundlegend der von ryoma gelieferten Definition von Koryu?

Grüße

shohatto
16-11-2016, 12:27
Wieso sollte das so sein?
Natürlich gibt es Gemeinsamkeiten aber eben auch erhebliche Unterschiede.

Von einer Nivellierung von Koryû und Gendai Budô spricht mit Sicherheit niemand.

Vor kurzer Zeit hast du geschrieben (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f15/stirbt-tradition-um-platz-f-r-kommerz-180685/index3.html#post3540824), es gebe einen fließenden Übergang zwischen Koryû und Stilrichtungen des Gendai Budo.


Auf diese Weise tragen Artikel wie der Vorliegende m.E. dazu bei, daß das Wissen um die tiefe Verwurzelung des aikidô in der japanischen Kultur und Geschichte weiter schwindet.
Meinst du, dass dieses Wissen auch notwendig ist, um fortgeschrittene Fähigkeiten im Aikidô zu erlangen?

carstenm
16-11-2016, 13:42
Meinst du, dass dieses Wissen auch notwendig ist, um fortgeschrittene Fähigkeiten im Aikidô zu erlangen?Ich denke ja.

Das beginnt schon rein äußerlich damit, daß das iemoto System, also die Sozialstruktur des aikidô, ein zutiefst Japanisches ist. Innerhalb dieser besonderen Struktur wird aikidô in definierten Schüler-Lehrer-Beziehungen weitergegeben. Dabei bildet das honbu in Tôkyô naturgemäß in mehrfacher Hinsicht das Zentrum dieser Struktur. Es ist Sitz des dôshû. Es ist der Ort, an dem sowohl die Entscheidungen der Schule getroffen werden. Und es ist der zentrale Ort des Unterrichts.
Ohne Verständnis für und Verbindung zu diesen Strukturen wird es schwierig bis unmöglich sein, Unterricht zu erhalten, der über ein bestimmtes, allgemeines Niveau hinaus geht. Denn die Weitergabe in festen Schüler-Lehrer Beziehungen bringt es mit sich, daß nicht alle Übenden denselben Unterricht erhalten.

Und auch das Üben selber führt mit zunehmendem Niveau immer tiefer in Themen, die in der japanischen Kultur wurzeln. Allein schon die Frage, was eigentlich denn "aiki" sei, läßt sich m.E. ohne das gar nicht klären.
Aber das betrifft nicht nur die Inhalte, sondern auch die Methoden des Übens. Das Üben von kata ist ja z.B. ein Konzept das in der japanischen Kultur wurzelt.

Schließlich kann man gerade in Deutschland besonders gut sehen, wie sich aikidô entwickeln kann, wenn es die Verbindung zu den japanischen Wurzeln kappt. Einer der beiden größten deutschen Aikido-Verbände hat das über Jahrzehnte praktiziert.

ryoma
16-11-2016, 14:59
Vor kurzer Zeit hast du geschrieben (http://www.kampfkunst-board.info/forum/f15/stirbt-tradition-um-platz-f-r-kommerz-180685/index3.html#post3540824), es gebe einen fließenden Übergang zwischen Koryû und Stilrichtungen des Gendai Budo...

Dort ging es sehr spezifisch um eine Schule des Iaidô (MJER), zumindest hatte ich das so aufgefasst.

Egal, ich habe ja hier deutlich geschrieben, dass es Gemeinsamkeiten gibt. Das streitet niemand ab.

Was ich allerdings nicht glaube, ist, dass alle Koryû 1:1 mit allen Gendai Budô verglichen werden können und man zum Schluss kommt: Yep, alles so ziemlich dasselbe.

Natürlich sollte man aber auch nicht vergessen, dass es Koryû gab und gibt die sich dem modernen Budô-Gedanken angenähert haben. Da sind dann die Grenzen sicher noch fliessender.

doitsu-shibu
16-11-2016, 21:18
-

Gast
16-11-2016, 21:53
Finde den Artikel recht gut als Einführung.
Klar, gibt es da Unklarheiten, aber die geneigten Schreiber hier sind ja auch alles zertifizierte Experten die sich schon Jahre lang mit der Materie beschäftigen.

Ich denke es ging im Artikel eher darum erst mal eine Grundlage zu schaffen ein Bewusstsein aufzubauen für die Leser des Magazins das es da noch "mehr" gibt als Karate, Aikido, Judo und ... all die modernen neuen Derviate bis hin zur Gaijin-ryû.

Und da fängt man halt nicht bei all den Ausnahmen an.
"Ja aber ein paar haben doch Dangrade und ein paar andere doch nicht."
"Viele legen die Grenze anhand des Jahres, andere bei der Motorik und Dritte wieder bei Feeling".
Am Ende ist da der Leser noch verwirrter als am Anfang.

Natürlich kann ich verstehen das man dann doch ein bisschen genauer hinschaut, wenn man im Gendai selber innerhalb einer anderen im Artikel ungenannten Ausnahme mit Linie trainiert. Man wird leider wieder Opfer der Diktatur der Mehrheit.

Ich mein ich hab schon ganz andere Texte gelesen.
Unterschied zwischen Koryu Bujutsu, Koryû Budô und Koryû Bugei (jup da gibt es Leute die das Unterscheiden)
Meinungen über die Benutzung der Begriffe Kobudô und Koryû Budô.
Unterschiede zwischen Kakutogi und Budô.

Wenn ryôma weiter schreibt bekommen wir sicher noch weiteren Stoff für großartige Diskussionen. :)

Nick_Nick
16-11-2016, 22:43
..., oder du ignorierst die Tatsache, daß solche Sozialgefüge auch innerhalb der Ryūha der Gendai bestehen.


Welche Sozialgefüge sind denn das und in welchen Gendai Budo lassen sie sich finden?

Bzw. welche Gendai Budo entsprechen denn grundlegend der von ryoma gelieferten Definition von Koryu?


S. ryomas Artikel. (Bzw. existieren ähnliche Settings. Es ist ja nicht alles standardisiert.)

Diese lassen sich in verschiedenen Schulen finden, wenn auch nicht pauschal. Da muss man sich schon die Akteure anschauen.


Da steht ja nun nichts konkret zu den sozialen Strukturen innerhalb der einzelnen Koryu oder Koryu-ähnlichen Gendai, deswegen die Nachfrage. Aber carstems Beitrag nach zu urteilen, sollte bspw. Aikido zumindest vergleichbare Strukturen aufweisen.

Bringt eben bloß nicht bzgl. der zweiten Frage weiter, welches Gendai Budo grundlegend einer Koryu entspricht. Einzelne Aspekte mögen ja vorhanden sein (s. Aikido), aber im Gesamtpaket fällt Aikido bspw. sicher nicht unter Koryu.


Allgemein: Lässt sich als Unterscheidungsmerkmal zwischen Koryu und Gendai die Einbeziehung von Buddhismus und Shintoismus "in den Koryu" heranziehen oder betreffen religiöse Belange wieder nur einzelne Koryu? Bzw. kommen die auch in Gendai Budo vor?

Grüße

shohatto
16-11-2016, 22:49
Das beginnt schon rein äußerlich damit, daß das iemoto System, also die Sozialstruktur des aikidô, ein zutiefst Japanisches ist. Innerhalb dieser besonderen Struktur wird aikidô in definierten Schüler-Lehrer-Beziehungen weitergegeben. Dabei bildet das honbu in Tôkyô naturgemäß in mehrfacher Hinsicht das Zentrum dieser Struktur. Es ist Sitz des dôshû. Es ist der Ort, an dem sowohl die Entscheidungen der Schule getroffen werden. Und es ist der zentrale Ort des Unterrichts.
Ohne Verständnis für und Verbindung zu diesen Strukturen wird es schwierig bis unmöglich sein, Unterricht zu erhalten, der über ein bestimmtes, allgemeines Niveau hinaus geht. Denn die Weitergabe in festen Schüler-Lehrer Beziehungen bringt es mit sich, daß nicht alle Übenden denselben Unterricht erhalten.

Hältst das Iemoto-System für essentiell? Inwiefern spielt es eine Rolle für die Schüler-Lehrer-Beziehungen? Ich bin mir nicht sicher, ob man den Aikikai auf Grund des stilistischen Pluralismus innerhalb der Organisation überhaupt als Schule betrachten kann.

carstenm
17-11-2016, 08:37
... im Gesamtpaket fällt Aikido bspw. sicher nicht unter Koryu.Nein, sicher nicht.


Lässt sich als Unterscheidungsmerkmal zwischen Koryu und Gendai ... heranziehen ...?Ich bin inzwischen zu der Ansicht gelangt, daß eine solche Einteilung nach rein formalen Kriterien nie wirklich befriedigend möglich sein wird.
Mir scheint - neben allen sachlich-formalen Aspekten - das entscheidende Kriterium "das Gefühl" zu sein.


... Einbeziehung von Buddhismus und Shintoismus "in den Koryu" heranziehen oder betreffen religiöse Belange wieder nur einzelne Koryu? Bzw. kommen die auch in Gendai Budo vor?Das spirituelle Zentrum des aikidô ist ein shintô Schrein (aiki jinja) der Ômoto kyô in Iwama, Präfektur Ibaraki, in dem die 42 kami des aikidô eingeschreint sind.
(Hier ein kurzes Video von der jährlichen Hauptzeremonie. (https://youtu.be/WN8WspDlzzk?t=20) Darin zu sehen neben dem dôshû und seinem Sohn, dem dôjô chô auch etliche shihan. Und darunter nun wieder auch der Lehrer, dem ich folge.)
Neben shintô wurzeln die waza des aikidô, aber auch in mikkyô und bestimmten Aspekten daoistischer innerer Alchemie. Letzteres gilt insbesondere für das in yô ho (aiki) im aikidô.

Huangshan
17-11-2016, 09:15
Interessante Diskussion.

Bisher haben sich eher Leute aus dem englischsprachigen Raum mit diesen Themen beschäftigt.(siehe diverse Publikationen)


Ein weiteres Merkmal dieser neuen Kampfkünste ist auch, dass sie von einem großen Teil der Praktizierenden als reine Sportarten ausgeübt werden. Es ist tatsächlich nicht notwendig, sich vertieft und ernsthaft mit Japan auseinanderzusetzen um diese Künste auszuüben und sogar hohes Können darin zu erwerben.

Genau diese Tatsache führte leider auch dazu, dass gerade von westlichen Vertretern dieser Kampfkünste falsche Bilder dazu vermittelt werden, einfach weil ihnen die kulturellen, sprachlichen und soziologischen Aspekte und Zusammenhänge fremd sind.
Menschen aus westlichen Kulturräumen neigen oft zu romantischen,ideologisierten..... Betrachtungsweise des asiatischen Kulturraums.

Wie wird das Thema Koryu,Kobudo,Gendai Budo von japanischen Experten denen kulturelle, sprachliche und soziologische Aspekte und Zusammenhänge nicht fremd sind gesehen?

carstenm
17-11-2016, 09:32
Wie wird das Thema Koryu,Kobudo,Gendai Budo von japanischen Experten denen kulturelle, sprachliche und soziologische Aspekte und Zusammenhänge nicht fremd sind gesehen?Was meinst du denn dabei im Einzelnen genau?

Gast
17-11-2016, 09:33
Einzelne Aspekte mögen ja vorhanden sein (s. Aikido), aber im Gesamtpaket fällt Aikido bspw. sicher nicht unter Koryu.


Man kann das auch anders sehen.
Aikido ist im Grunde genommen eine Schule des Daito-ryu, welche ja bekanntlich als koryu gilt, und geschichtlich ist die Entwicklung des Aikido eher eine Abspaltung von der Daito-ryu als die Begründung einer neuen Kampfkunst.

Huangshan
17-11-2016, 09:49
Wie sehen japanische Experten die Zusammenhänge zwischen Koryu/Kobudo --- Gendai Budo.

Gibt es eine strickte Trennung oder fliessende Übergänge.


Dschungel in Köpfen im "Westen":

Als Bsp:
Ein System, dass z.B. im Westen oft polarisiert ist Bujinkan Budo Taijutsu.

Einige wollen es als Koryu sehen für andere ist es Gendai Budo.


Wie sieht es mit nicht japanischen Systemen aus, kor.Taekwondo,Hapkido, Ryukyu Inseln/Okinawa-- Karate,Kenpo/Kempo..... , zählen sie zum Gendai Budo?

carstenm
17-11-2016, 10:42
Hältst das Iemoto-System für essentiell? Ja, tue ich. Weil sich darin die Verbindung zum Ursprung manifestiert.


Inwiefern spielt es eine Rolle für die Schüler-Lehrer-Beziehungen?Es bildet sowohl den Rahmen als auch das "Zentrum" dieser Beziehungen.
Das wird u.a. beispielhaft daran deutlich, daß ein shihan seine Schüler zwar für eine Graduierung vorschlagen kann, aber die faktische Entscheidung darüber nicht selber trifft.


Ich bin mir nicht sicher, ob man den Aikikai auf Grund des stilistischen Pluralismus innerhalb der Organisation überhaupt als Schule betrachten kann.Ich habe schon bewußt nicht ryû geschrieben. Ich weiß kein besseres Wort. Es ist halt das die Schule / das dôjô / ... der Familie Ueshiba.
Und bis der Staat den Namen "aikidô" draufgedrückt hat, war "ueshiba ryû" ja eine gängige Bezeichnung für dieses budô.

Gast
17-11-2016, 10:46
daß ein shihan seine Schüler zwar für eine Graduierung vorschlagen kann, aber die faktische Entscheidung darüber nicht selber trifft.


Das ist doch eher pro forma.
Hast du schon mal gehört, dass so ein Vorschlag abgelehnt wurde?

carstenm
17-11-2016, 12:20
Hast du schon mal gehört, dass so ein Vorschlag abgelehnt wurde?Nein, natürlich nicht.
Aber es kommt doch gar nicht so selten vor, daß ein Vorschlag nach "nach eingehender Beratung" nicht unterbreitet bzw. zurückgestellt wird.
Oder auch umgekehrt, daß ein shihan vom honbu gebeten wird, überhaupt Vorschläge zum machen, die beraten werden könnten.

Gast
17-11-2016, 14:43
Nein, natürlich nicht.
Aber es kommt doch gar nicht so selten vor, daß ein Vorschlag nach "nach eingehender Beratung" nicht unterbreitet bzw. zurückgestellt wird.

Da es Sache des Shihan ist diese Vorschläge zu unterbreiten, wüsste ich nicht mit wem er das beraten sollte, mit dem Doshu? Der kennt doch die Kandidaten nicht.

Gast
17-11-2016, 15:18
Da es Sache des Shihan ist diese Vorschläge zu unterbreiten, wüsste ich nicht mit wem er das beraten sollte, mit dem Doshu? Der kennt doch die Kandidaten nicht.

Du weißt aber schon was ein japanisches Nein ist oder? - alles was keine explizites ja ist oder Zusage. Dementsprechend würde ich "zur Beratung zurückgezogen" als durchgefallen/abgelehnt werten.

Gast
17-11-2016, 16:14
Du weißt aber schon was ein japanisches Nein ist oder? - alles was keine explizites ja ist oder Zusage. Dementsprechend würde ich "zur Beratung zurückgezogen" als durchgefallen/abgelehnt werten.

Mag in anderen Unterorganisationen so sein, bei uns gibt es "zur Beratung zurückgezogen" nicht, da es kein dafür kein Gremium gibt. Shihan entscheidet selbst. Beide geschilderten Fälle kommen einfach gar nicht vor.
Das Iemoto-System ist daher im Aikikai zwar als äußere Organisationsform vorhanden, ist aber aufgrund bestimmter Beziehungsgeflechte nicht so starr auf ein Zentrum ausgerichtet wie es hier dargestellt wurde. Was allerdings auch wiederum japanische Tradition ist.

carstenm
17-11-2016, 16:51
@ Inryoku:
Wir hatten ja vor längerem schon einmal ein Gespräch darüber, in dem deutlich wurde, daß dein Lehrer sich in dieser Hinsicht gegenüber dem honbu sehr selbstbewußt verhält.

Ansonsten ist das keine Frage von "Unterorganisationen", was immer damit gemeint sein soll. Sondern schlicht das im honbu übliche Verfahren.

shohatto
17-11-2016, 17:02
Es bildet sowohl den Rahmen als auch das "Zentrum" dieser Beziehungen.
Das wird u.a. beispielhaft daran deutlich, daß ein shihan seine Schüler zwar für eine Graduierung vorschlagen kann, aber die faktische Entscheidung darüber nicht selber trifft.

Ich bin mir nur unsicher, ob so ein System notwendig ist. Meines Wissens hat zum Beispiel die Shintô Musô-ryû weder Oberhaupt noch Hombu-Dôjô und betreibt sicherlich deutlich traditionellere Kampfkunst, als sie im Aikikai praktiziert wird.

carstenm
17-11-2016, 17:21
Ich kann tatsächlich nur aus meiner Erfahrung heraus argumentieren: Dort wo ich aikidô erlebe, das sich aus dieser Verbindung gelöst hat, sind - nach meinem persönlichen Empfinden - Dinge verloren gegangen.
Aber das ist natürlich weder ein ein echtes Argument. Und eben auch nur meine persönliche Wahrnehmung. Ich kenne es eben nur so.

Aber diese Frage stellt sich aus meiner Sicht auch gar nicht wirklich:
Es ist halt eben einfach so, daß das aikidô, das ich übe, in dieser Weise organisiert ist. Es gibt einen dôshû, es gibt ein honbu, es gibt shihan und die entsprechenden Strukturen. Und ich bin - ein klitzeskleinster - Teil dieser Struktur.

Was die Vielfalt im aikikai angeht:
Ich übe seit längerem - bis auf eine Ausnahme - vor allem bei Lehrern, die entweder selbst im honbu unterrichtet haben. Oder die längere Zeit in Japan gelebt und entsprechend auch im honbu geübt haben. So, wie auch mein eigener direkter Lehrer in Deutschland.
Interessanterweise wird bei allen deutlich, daß der Vielfalt im aikikai eine recht klare, gemeinsame Basis zugrunde liegt. Das hat u.a. damit zu tun, daß die Lehrer des honbu, so verschieden sie auch letztendlich sein mögen, in den regulären Klassen dasselbe kihon waza unterrichten.
Und das wird doch auch spürbar, wenn man bei Lehrern übt, die eine andere "Richtung" innerhalb des aikikai vertreten, als diejenige, die man selber übt. Oder nimmst du das anders wahr?

Was verstehst du in diesem Zusammenhang unter "deutlich traditioneller"?

carstenm
17-11-2016, 17:24
Dies ist ja nun kein thread, in dem es in erster Linie um aikidô gehen sollte. Sondern um die Beziehung von ko budô und gendai budô.

Vielleicht könnte ein Mod. den spezifischen aikidô-Kram auslagern, damit dieser thread nicht dadurch umgebogen wird?

shohatto
17-11-2016, 21:41
Interessanterweise wird bei allen deutlich, daß der Vielfalt im aikikai eine recht klare, gemeinsame Basis zugrunde liegt. Das hat u.a. damit zu tun, daß die Lehrer des honbu, so verschieden sie auch letztendlich sein mögen, in den regulären Klassen dasselbe kihon waza unterrichten.
Und das wird doch auch spürbar, wenn man bei Lehrern übt, die eine andere "Richtung" innerhalb des aikikai vertreten, als diejenige, die man selber übt. Oder nimmst du das anders wahr?

Was verstehst du in diesem Zusammenhang unter "deutlich traditioneller"?
Da muss ich dir bezüglich der kihon waza Recht geben. Bisher habe ich Es ist sicher so, dass alle "Stilrichtungen" innerhalb des Aikikai einen gemeinsamen Ursprung haben, allerdings glaube ich, dass innerhalb einer Ryû bei solchen Unterschieden mehrere organisatorisch unabhänge Ryûha entstehen würden.

Unter "deutlich traditioneller" meine ich im Bezug auf die Shintô Musô-ryû, dass ein Curriculum von Kata existiert, dass Makimono vergeben werden und dass die diversen zugeordneten Jôdô-Organisationen der Schule untergeordnet sind.

Ich wäre auch dafür, die Diskussion über Aikidô auszulagern.

Gast
17-11-2016, 21:47
Ansonsten ist das keine Frage von "Unterorganisationen", was immer damit gemeint sein soll. Sondern schlicht das im honbu übliche Verfahren.

Damit sind nationale Verbände gemeint.
Schlicht das übliche Verfahren trifft eben nicht zu, da schon immer einige Shihan gab, bei denen es etwas anders lief.
Wenn du es aber nicht anders kennst, ist es wohl für dich üblich.

carstenm
17-11-2016, 22:38
Wenn du es aber nicht anders kennst, ist es wohl für dich üblich.Naja, das ist ja eben genau das Verhalten, das ich oben als "selbstbewusst" bezeichnet habe.
Ich kenne das also durchaus. Ich kenne und erwähnte ja aber auch die Haltung des honbu dazu.

Wie auch immer: Wenn es für euch so funktioniert, dann ist es doch gut.

carstenm
18-11-2016, 06:25
In jedem Fall ist gerade diese Diskussion über die Nähe zum honbu und über abweichende Verfahrensweisen ein schönes Beispiel für Unterschiede zwischen koryû und gendai budô.
Insofern sind wir denn doch voll beim Thema.

Gast
18-11-2016, 08:12
In jedem Fall ist gerade diese Diskussion über die Nähe zum honbu und über abweichende Verfahrensweisen ein schönes Beispiel für Unterschiede zwischen koryû und gendai budô.
Insofern sind wir denn doch voll beim Thema.

Ist es das?
Es gibt doch in den Koryu auch verschiedene Konstrukte, man kann das doch sicher nicht vereinheitlichen.
Und das was du ansprichst, hat nichts mit einem Grad der Nähe zum Honbu zu tun. Die Gründe muss man hier aber nicht diskutieren.

carstenm
18-11-2016, 08:36
Es gibt doch in den Koryu auch verschiedene Konstrukte, man kann das doch sicher nicht vereinheitlichen.Ja, gibt es natürlich. Aber innerhalb der jeweiligen Konstruktion gibt es eher nicht solche fundamentalen "Auslegungsunterschiede" oder Spielräume, wie sie in unserer Diskussion angesprochen werden.

Gast
18-11-2016, 09:04
fundamentalen "Auslegungsunterschiede"

Ganz am Anfang sind die Urkunden noch von den Shihan selbst ausgestellt worden, später dann vom Hombu.
Das hat nichts mit Auslegung zu tun. Unter dem 3. Doshu hat sich einiges geändert. Das heutige Verfahren hat sich im laufe der Zeit manifestiert.
Die neu ernannten Shihan haben nicht mehr die Position, die die "alten" hatten, und so hat sich die gesamte Struktur geändert, ist einerseits zentralistischer, andererseits ist es aber auch uneinheitlicher, der Aikikai ist mehr Verwaltungsapparat geworden.

carstenm
18-11-2016, 16:24
Ich zieh mich an dieser Stelle mal raus. Wir haben das schon mehrmals diskutiert. Für eine weitere Runde fehlt mir wahrhaftig die Motivation.

Nick_Nick
18-11-2016, 16:56
Mir scheint - neben allen sachlich-formalen Aspekten - das entscheidende Kriterium "das Gefühl" zu sein.

Das spirituelle Zentrum des aikidô ist ein shintô Schrein (aiki jinja) der Ômoto kyô in Iwama, Präfektur Ibaraki, in dem die 42 kami des aikidô eingeschreint sind. ...

Danke.

Glaube auch, dass es vom Gefühl her am besten einzuordnen ist. Können dann eben bloß die qualifiziert machen, die selber in einer Koryu üben. Sonst fehlt ja die Referenz. Was natürlich nicht hindert, trotzdem zu mutmaßen :).


Man kann das auch anders sehen.
Aikido ist im Grunde genommen eine Schule des Daito-ryu, welche ja bekanntlich als koryu gilt, und geschichtlich ist die Entwicklung des Aikido eher eine Abspaltung von der Daito-ryu als die Begründung einer neuen Kampfkunst.

Kenne mich im Aikido nicht aus, aber vom Gefühl her ist´s doch ziemlich weit hergeholt, Aikido als Koryu zu bezeichnen.
Mit seiner weltweiten Verbreitung mit bestimmt Millionen Schülern und damit inkonsistenter Lehre widerspricht das doch in Summe den Grundpfeilern einer Koryu.
Bzw. vielleicht entsprechen Fraktionen wie der Aikikai eher einer Koryu als andere, wenn dort klare Strukturen und Unterrichtung vorhanden sind.

Habe für Ryuha wie bspw. die Daito Ryu oder auch die Hakko Ryu die Einordnung gehört, dass diese Gendai Budo mit Wurzeln in Koryu sind. Das trifft´s bestimmt am besten.



Das Iemoto-System ist daher im Aikikai zwar als äußere Organisationsform vorhanden, ist aber aufgrund bestimmter Beziehungsgeflechte nicht so starr auf ein Zentrum ausgerichtet wie es hier dargestellt wurde. Was allerdings auch wiederum japanische Tradition ist.

Ich denke/dachte, dass es im Gegenteil ein Merkmal der Koryu ist, dass sie ganz starr auf ein Zentrum, den Soke, ausgerichtet sind?

Grüße

ryoma
18-11-2016, 17:18
...Ich denke/dachte, dass es im Gegenteil ein Merkmal der Koryu ist, dass sie ganz starr auf ein Zentrum, den Soke, ausgerichtet sind?

Ja, üblicherweise ist eine Ryûha der klassischen Schulen ganz klar auf das Oberhaupt ausgerichtet. Macht auch Sinn, denn faktisch "gehört" ihm/ihr die Schule.
Natürlich kann eine Schule bzw. deren Oberhaupt entscheiden, dass sie sich z.B. demokratische Strukturen oder irgendwelche Mitspracherechte geben. So etwas kommt aber auf längere Sicht wohl nie gut raus.

Dieses konsquente Ausrichten auf das Oberhaupt ist in der heutigen Zeit mit weltweiter Verbreitung vieler Schulen sogar noch viel wichtiger geworden als es evtl. früher war.
Das heisst allerdings nicht zwingend, dass sich das Oberhaupt abnabelt und einsame Direktiven herausgibt. Es ist durchaus geläufig, dass fortgeschrittene Schüler bzw. Sensei um ihre Ansichten in einer Sache gebeten werden. Dies kann zwar die Verantwortung des Oberhauptes für getroffene Entscheidungen nicht schmälern, aber zumindest kann er/sie wichtige Entscheidungen auf unterschiedlichen Meinungen gründen.

Aber wie immer: Es gibt solche Schulen und solche.

shinken-shôbu
19-11-2016, 09:33
Schöner Artikel.:)

Ich denke ausgehend vom Zielpublikum ist er genau genug (ohne sich dabei unendlich in Details zu verlieren) um neugierig zu machen aber auch kurz und knackig genug, um nicht irgendwann zu langweilen.



Ich dachte die Trennschärfe zwischen den Koryū und den Gendai sei passé.Gab es eine bestimmte Diskussion, die Veröffentlichung einer bestimmten Arbeit o.ä., die Dich zu diesem Schluss kommen lässt (Du schreibst ja auch, es ließe sich inhaltlich nicht mehr halten) oder liegt der Ursprung deiner Aussage ganz woanders?

Manchmal verpasst man ja etwas und ggf. würde ich mich gerne einlesen. Bisher kenne ich selbst es nur so, dass es unterschiedliche Punkte gibt, mittels derer man koryû ryûha von Schulen des gendai budô unterscheiden kann, es aber oft so ist, dass von diesen Punkten nicht auch wirklich JEDER hinsichtlich einer bestimmten Schule auch sinnvoll herangezogen werden kann, um diese Unterscheidung eindeutig darzulegen und zu begründen. Als Beispiel fielen mir etwa Schulen ein, die nach 1868 gegründet worden sind aber dennoch mehr mit einer koryû als einem gendai budô gemein haben. Andererseits gibt es koryû, die sich (Martin sprach das ja schon ähnlich unter dem Stichwort "sich annähern" an) ein wenig an die Gegenwart angepasst haben, etwa indem sie Dangraduierungen verteilen.

Generell würde ich persönlich sagen, gibt es eindeutig den koryû zugehörige Schulen, eindeutig dem gendai budô zuzurechnende Schulen und dann noch Fälle, wo es nicht ganz klar ist bzw. es einfach verschiedene Standpunkte gibt - u.a. auch abhängig davon, welches der möglichen Unterscheidungskriterien man wie stark gewichten möchte.



Damit beziehst du dich doch eher auf die Rezeption außerhalb Japans. Oder was meinst du sonst mit "als reine Sportart"?

Da sehe ich einen klaren Widerspruch: Es sei nicht notwendig, sich eingehend mit Japan zu befassen, aber weil man es nicht tut seien auch falsche Bilder vermittelt worden?

"Hohes Können" kann sowohl rein sportlicher Erfolg (ohne Japan-Kenntnisse) sein als auch sich mit den Hintergründen dezidiert beschäftigt zu haben. Und z.B. dort heraus die sportliche Seite abzulehnen. Worauf beziehst du [ryoma] dich?
Ich denke, wenn man wie im Artikel den koryû die "üblichen Verdächtigen" Karate, Judô und Aikidô gegenüberstellt, können wir für die westliche Hemisphäre die Betonung des Sportanteils sofort bejahen und auch bezüglich Japan (man denke z.B. an Kanos "klassisches" Judô, das flächendeckend - auch in Japan - in eine Richtung abglitt, die er so nicht wirklich hatte einschlagen wollen) eine große Versportlichung feststellen. Auch im Judô, im Westen, sogar hier in Deutschland gibt es Leute wie den User rambat, die (nicht nur sportlich bzw. kämpferisch sondern darüber hinaus) historisches Interesse an ihrem Stil haben. Würdest Du aber rambat wirklich als typischen Vertreter des Judô, so wie "man" es kennt bezeichnen wollen? Ich nicht, vor rambat wussten viele Leute - selbst wenn viele Jahre in Kampfkunstkreisen unterwegs - nicht einmal, dass es neben reinem Sportjudô noch etwas anderes, klassischeres, möglicherweise sogar funktionaleres von Kanô gibt.

Vom Aikidô lasse ich mal die Finger, ist hier schon genug ausgeartet aber bezüglich des Karate könnte man vielleicht einwerfen, das Karate nicht gleich Karate ist aber auch hier denke ich reden wir wahrscheinlich nicht vom geheimen Familienstil den kaum Jemand außerhalb des eigenen Dorfes (geschweige denn im Westen) kennt, sondern von dem, was "en masse" so als Karate weltweit zu sehen ist und auch da sind wir m.a.n. wieder beim reinen Sport.



Insgesamt lese ich nur die Zementierung einer künstlichen Trennung heraus, die sich nur innerhalb einer engen Retrospektive halten lässt. Von da her ist der Anspruch, eine Einführung zu geben, nicht wirklich erfüllt. Es ist einfach wieder ein: "Meine Kungfu-Schule ist besser als deine Kungfu-Schule."

Die Trennlinie quasi zwischen dem 31.12.1868 bzw. 1876 und dem 1.1.1869 bzw. 1877 zu ziehen, ist rein willkürlich und führt an der sozialen Realität vorbei.
Wie würdest Du definieren, was eine koryû ist und was ein gendai budô?

Was ich nicht ansatzweise nachvollziehen kann ist das Herauslesen eines "Meine Kungfu-Schule ist besser als deine Kungfu-Schule." aus dem Artikel. Ja es gibt Leute, für die der Koryûstatus ihrer Schule besonders wichtig ist, genauso wie es Leute gibt, denen es sehr wichtig ist, NICHT in einer Koryû zu sein. Allein aus dem Unterscheiden zwischen koryû und gendai budô - auch wenn man selbst die Grenze ein wenig anders setzen wollen würde - ableiten zu wollen, dass das Eine oder das Andere als "besser" dargestellt wird, scheint mir unsinnig. Kannst Du konkrete Textstellen im Artikel nennen, die mich Deine Ansicht besser nachvollziehen lassen?



Mir ist bewußt, daß eine differenzierte Darstellung im Rahmen eines solchen recht kurzen Artikels kaum möglich ist.
Ich denke aber doch, daß es durchaus möglich - und aus meiner Sicht sogar geboten - das Faktum als solches deutlich zu machen, daß Geschichte und Struktur der gendai budô in sich selbst deutlich differenzierter sind, als es in dem Artikel vermittelt wird.Nur dass man dann natürlich auch nochmal explizit auf die große Spannbreite innerhalb der vielen Koryû eingehen müsste usw. usw. und dann wäre man schon wieder bei einer Facharbeit o.ä. aber nicht mehr bei einem Artikel.

Selbst an der Uni wird von Japanologen oft genug vereinfacht dargestellt, was in bestimmten Kursen dann möglicherweise viel weiter aufgebröselt wird, weil man sonst im Grunde gar keinen Unterricht machen könnte - man wäre nur noch am Herumdefinieren, um auch nicht die klitzekleinste Oberflächlichkeit durchflutschen zu lassen.



Dschungel in Köpfen im "Westen":

Als Bsp:
Ein System, dass z.B. im Westen oft polarisiert ist Bujinkan Budo Taijutsu.

Einige wollen es als Koryu sehen für andere ist es Gendai Budo.
Ausgerechnet das Bujinkan ist ganz weit hinten, wenn ich an soetwas wie Koryû denke. Ginge man davon aus, dass einige der Schulen tatsächlich so alt sind wie behauptet (was ich persönlich nach jahrelangen Diskussionen bezweifle, was aber nichts heißen muss), so spräche doch trotz vorhandenem Schuloberhaupts alles Andere m.A.n. sehr dagegen.



Ja, üblicherweise ist eine Ryûha der klassischen Schulen ganz klar auf das Oberhaupt ausgerichtet. Macht auch Sinn, denn faktisch "gehört" ihm/ihr die Schule.
Natürlich kann eine Schule bzw. deren Oberhaupt entscheiden, dass sie sich z.B. demokratische Strukturen oder irgendwelche Mitspracherechte geben. So etwas kommt aber auf längere Sicht wohl nie gut raus.

Dieses konsquente Ausrichten auf das Oberhaupt ist in der heutigen Zeit mit weltweiter Verbreitung vieler Schulen sogar noch viel wichtiger geworden als es evtl. früher war.
Ja, diese Ausrichtung halte ich auch für essentiell, soll eine Koryû auch langfristig "koryûgerecht" weitergegeben werden.

Gast
19-11-2016, 11:26
Schöner Artikel.:)

Ich denke, wenn man wie im Artikel den koryû die "üblichen Verdächtigen" Karate, Judô und Aikidô gegenüberstellt, können wir für die westliche Hemisphäre die Betonung des Sportanteils sofort bejahen

Wo siehst du im Aikido eine Betonung "des Sportanteils", und wie sieht er deiner Meinung nach aus?

doitsu-shibu
19-11-2016, 11:55
-

Huangshan
19-11-2016, 12:02
Danke für die Erläuterungen!

Eine Frage die mich noch beschäftigt?

Wie sieht es mit nicht japanischen Systemen aus, kor.Taekwondo,Hapkido, Ryukyu Inseln/Okinawa-- Karate,Kenpo/Kempo..... , zählen sie zum Gendai Budo?

Oder werden in Japan diese Kampfsysteme unter einer anderen Sparte geführt?

doitsu-shibu
19-11-2016, 12:07
-

ryoma
19-11-2016, 15:50
Ein bißchen von allem, in verschiedenen Bereichen. Es ging mir vor allem um die Einteilung in die Zeitabschnitte und die daraus resultierende Zementierung der eingeordneten Sachverhalte. Ein solches Vorgehen ist geschichts- und kulturwisschenschaftlich überholt. Daher auch mein Hinweis auf die "heilige Japanologie". Die machen das manchmal noch ganz gerne. Und solche Abgrenzungen funktionieren eher exklusivistisch.

Dann nochmals schnell zurück zum Artikel: "Oftmals gilt das Jahr 1868 (Meiji-Restauration und Ende des Tokugawa-Shogunats) oder auch das Jahr 1876 (gesetzliches Verbot Schwerter in der Öffentlichkeit zu tragen) als Trennlinie zwischen den klassischen und den modernen Kampfkünsten."

Wie man unschwer erkennen kann, habe ich nichts "zementiert" sondern mit dem Wort "oftmals" sehr wohl Spielraum gelassen (und immer schön im Hinterkopf behalten, für wen ich den Beitrag verfasst habe).
Im übrigen ist diese Einteilung keineswegs überholt, sie ist Bestandteil mehrerer Charakteristika. Es bringt übrigens nicht viel, in Bezug auf Koryû mit "geschichts- und kulturwisschenschaftlich" zu kommen. Bis auf Karl Friday und Cameron Hurst III (der übrigens diesen Sommer im Alter von 75 Jahren verstarb) gibt es eigentlich nach wie vor keine Wissenschaftler welche sich explizit den Koryû gewidmet haben (und von beiden ist auch nur Friday tatsächlich Mitglied einer klassischen Schule). Und selbst bei diesen beiden tauchen diese bösen Zahlen als eines von mehreren Merkmalen auf.



Es gibt bspw. Eigenkreationen, die sich in irgendeiner - meist fiktiven - Samurai-Genealogie verorten. Daß die kein Koryū sind, liegt da auf der Hand. Aber sind sie deswegen Gendai? Ja und Nein. Sind sie relevant? Auf jeden Fall, denn dort gehen mitunter nicht Wenige hin.

Hier sollte man nun genau wissen, von welche Eigenkreationen du sprichst.


Du hast im Grunde schon selbst gesagt, warum eine eindeutige Definition schwierig ist. Ich selbst sehe deshalb auch von solchen Definitionen mittlerweile ab. Sie sind für die Praxis auch irrelevant und dienen vielleicht einem gewissen Marketing. Daher mein Hinweis auf "Meine Kungfu-Schule..." Der Autor schreibt definitiv als Vertreter der Koryū. Das gibt dem Artikel Bias.

Ja, natürlich habe ich als Vertreter einer Koryû geschrieben! Daraus einen Vorwurf basteln zu wollen und damit den Artikel als Ganzes obsolet erscheinen zu lassen, ist schon allerhand.

doitsu-shibu
19-11-2016, 16:05
-

ryoma
19-11-2016, 16:09
...Das sollte sich für einen Kenner wie dich aus dem Nachsatz erschlossen haben.

Nö, da ich ja nicht der Hellste bin musst du mir (und evtl. auch den anderen Lesern hier) schon auf die Sprünge helfen.

doitsu-shibu
19-11-2016, 16:11
-

ryoma
19-11-2016, 16:15
(s. Hervorhebung)

Jaja, lesen kann ich. Ich möchte nun trotzdem gerne, dass du entsprechende Schulen nennst, weil ich wirklich nicht weiss worauf du dich beziehst. Und für den Erkenntnisgewinn der anderen Leser ist es sicher hilfreich, wenn sie es auch schwarz auf weiss lesen können.

doitsu-shibu
19-11-2016, 16:23
-

Gast
19-11-2016, 16:30
Insgesamt lese ich nur die Zementierung einer künstlichen Trennung heraus, die sich nur innerhalb einer engen Retrospektive halten lässt. Von da her ist der Anspruch, eine Einführung zu geben, nicht wirklich erfüllt.

Was würde denn den Anspruch einer Einführung deiner Meinung nach erfüllen?

ryoma
19-11-2016, 16:31
An die hast du gedacht!?!? Hahaha.


Es gibt bspw. Eigenkreationen, die sich in irgendeiner - meist fiktiven - Samurai-Genealogie verorten. Daß die kein Koryū sind, liegt da auf der Hand. Aber sind sie deswegen Gendai? Ja und Nein. Sind sie relevant? Auf jeden Fall, denn dort gehen mitunter nicht Wenige hin.

Die haben nun wirklich nichts in dieser Diskussion verloren. Koryû ist es nicht, klar. Aber Gendai ist es doch sehr wohl. Ob es auch gutes Gendai Budô ist, steht auf einem völlig anderen Blatt. Und für relevant halte ich sie persönlich nicht.

doitsu-shibu
19-11-2016, 16:40
-

ryoma
19-11-2016, 16:51
Und noch ein Nachtrag:

Ich bin weder Kulturwissenschaftler, Sozialwissenschaftler, Geschichtswissenschaftler noch Japanologe. Dass ich jetzt bei einigen untendurch bin, verkrafte ich. :D

Ich habe einige Jahre in Japan gelebt und gearbeitet und Japanisch studiert. Zudem habe ich viel Erfahrung im Gendai Budô (sowohl in Japan wie auch hier in Europa) und bin Mitglied einer Koryû und leite das Schweizer Shibu dieser Schule.
Ausserdem schreibe ich seit Jahren meinen Blog und versuche den Lesern gerade die Welt der Koryû näherzubringen. Irgendetwas muss ich wohl richtig machen, denn die Leserzahlen nehmen erfreulich zu.

Es spielt tatsächlich keine Rolle, wie irgendwelche Wissenschaftler Koryû sehen oder sehen wollen. Denn was ihnen fehlt (sofern sich nicht Mitglied einer Koryû sind), ist die Innenansicht solcher Schulen. Und als Aussenstehender bekommt man die eben nicht. Punkt. Daran ändern können sie nichts, ausser sie finden eine Schule die ihnen alles offenlegt. Viel Glück dabei.

Über alle Facetten schreiben kann ich natürlich auch nicht, versuche aber immer dies selbst für den Laien möglichst verständlich und anschaulich zu tun.

Und ja, man kann mir gerne vorwerfen ich sei voreingenommen und einseitig bei meinen Beschreibungen. So what?

FireFlea
19-11-2016, 17:16
Nach der Definition im Artikel müsste eine Toyama Ryu ja koryu par excellence sein :D

Huangshan
19-11-2016, 18:18
Nun Definitionen sind oft ein weites Feld.

Wie sehen es Experten in Japan heutzutage, gibt es eine strikte zeitliche Grenze oder gibt es fließende Übergänge zwischen Koryu und Gendai Budo.

doitsu-shibu
19-11-2016, 19:22
-

Gast
19-11-2016, 19:33
Nun Definitionen sind oft ein weites Feld.

Wie sehen es Experten in Japan heutzutage, gibt es eine strikte zeitliche Grenze oder gibt es fließende Übergänge zwischen Koryu und Gendai Budo.

Was meinste genau mit Experten in Japan?
Wenn du Koryû Lehrer meinst da hat jeder seine eigene Meinung was was ist.
Natürlich sind die Grenzen fließend. Kanos Jûdô in seiner Anfangszeit war wohl kaum vom üblichen jûjutsu anderer ryûha zu unterscheiden und hat sich erst über die Jahre durch seine neuen Ansätze sein (mitunter auch) politisches Wirken und seine pädagogischen Ziele von klassischen Schulen abgegrenzt.

Das Problem ist halt das Koryû an sich nur "Alte Schule/Fluss" bedeutet. Alt ist aber immer relativ. Den Begriff Koryû gabs nämlich auch schon in der Edo Periode. Damals meinte man damit noch das wirklich alte Zeug aus Muromachi und davor.
Katori no Ken, Kashima no Tachi, Chujô-ryû, Nen-ryû.

Im Vergleich dazu: Wenn MMA'ler und andere Vollkontakt Kämpfer heutzutage über "Traditionelle" KK's reden meinen sie damit meistens Aikido,Judo, Karate, Taekwondo, Kung Fu, Kenpô usw usf. was auch oftmals, besonders in den USA innerhalb einer MCDojo Kultur betrieben wird.

Daher diese Einteilung Koryû und Gendai ist grundsätzlich immer Rückwirkend. Man setzt also eine künstliche Grenze. Was aber zu einigen Problemen führt.
1. Seitenlinien und Abspaltungen.
Wenn sich jetzt ein Shihan von der Hauptlinie einer ryûha abspaltet und seinen eigenen Zweig gründet und dabei das Curriculum abändert. Der Kern des gesamten bleibt aber im Wesentlichen erhalten. Ist die "neue" Schule jetzt wirklich Gendai?
Beispiele: Moto-ha Yoshin-ryû jûjutsu, Takamura-ha Shindô Yoshin-ryû

2. Zusammenlegungen
Wenn jemand Sôke verschiedener ryûha gleichzeitig ist und er diese in einem Lehrgebäude zusammenfasst, das Menkyô System zu großen Teilen abschafft und durch dan-i ersetzt bis sich zudem eine neue Kampfkunst herausdestilliert von der heraus man dann wieder mit den "traditionellen" Kata beschäftigen kann. Ist dieses destillierte wirklich noch koryû?
Beispiele: Takamatsu-den, ISBA(Jun Osano)

3. Die die den Schnitt nicht geschafft haben
Ryûha die erst nach 1868 oder 1876 gegründet wurden(ohne Seitenlinien zu sein), damit per gewählten Schnitt eigentlich Gendai sind, aber wo das Label einfach nicht passen will.
Beispiele: Musô Shinden-ryû Iaijutsu, Daitô-ryû aikijûjutsu(je nachdem welchen Standpunkt zu derer Entstehung man jetzt einnimmt), Ittô Shoden Mutô-ryû, Meifu Shinkage-ryû Shurikenjutsu

Nick_Nick
19-11-2016, 22:56
@ ryoma

Danke für die Antwort.


Es ging mir vor allem um die Einteilung in die Zeitabschnitte und die daraus resultierende Zementierung der eingeordneten Sachverhalte. Ein solches Vorgehen ist geschichts- und kulturwisschenschaftlich überholt.


Welche Quellen sagen denn das, dass eine Zuordnung zu Koryu später als 1876 in Erwägung zu ziehen ist?

Grüße

kokujin
20-11-2016, 07:26
Nach der Definition im Artikel müsste eine Toyama Ryu ja koryu par excellence sein :D

Vielleicht ist sie deshalb auch offiziell vom Nippon Kobudo Shinkokai anerkannt?
Aber ja, bis auf das Alter ist Toyama-Ryu sicher mehr Koryu ("geboren auf dem Schlachtfeld", strikte Hierarchie, usw.) als manch andere Koryu Schule heutzutage. Und mit etwas gutem Willen kann man sie ja in die Linie ihrer Erschaffer mit einklinken, dann hat sie nicht weniger "Anrecht" auf Koryu als Muso Shinden Ryu oder Muso Jikkiden Eishin Ryu.

Ich denke das die Festlegung auf eine Jahresgrenze nicht mehr haltbar ist.

ryoma
20-11-2016, 08:09
...Ich denke das die Festlegung auf eine Jahresgrenze nicht mehr haltbar ist.

Also noch einmal: Die diskutierten Jahresgrenzen sind und waren nie die alleinige Festlegung in Bezug auf die klassischen Schulen. Diverse andere Charakteristika kommen immer zwingend hinzu.

Huangshan
20-11-2016, 08:27
Danke für die Antworten.



Was meinste genau mit Experten in Japan?

Experten sind für mich Leute die sich praktisch, theoretisch mit dem Thema Koryu,Bujutsu,Budo...etc. tiefgehender beschäftigen.
Die Meinung einiger Fachleute aus dem englschsprachigen Raum Draeger, Skoss ,Friday,Amdur,Lowry........ ist ja aus diversen Publikationen bekannt.

Man sollte auch kritisch mit der Meinung von Fanboy Dr. Kacem Zoughar oder der von Cummins umgehen.

Objektivität ist leider in einigen Kreisen eine seltene Pflanze.

Mich interessiert die Meinung der japanischen Fachleute, die in der Kultur verwurzelt sind .

doitsu-shibu
20-11-2016, 13:48
-

doitsu-shibu
20-11-2016, 13:49
-

Nick_Nick
20-11-2016, 18:05
Ähm... Es geht ja genau nicht um Jahreszahlen als Umbrüche. Die 1876 waren auch nicht mein Vorschlag.

Die 1876 hatte ich mit angegeben, weil die wohl als das späteste, ernsthaft diskutierte Datum für die Zuordnung zu Koryu gelten (Klar ist natürlich, dass die Zeit der Entstehung einer Ryuha nur ein Indiz von vielen ist, wie ja auch bereits diskutiert wurde).

Ansonsten spielen aber derartige Jahreszahlen oder Zeiträume wohl bei allen eine Rolle, die Koryu einordnen wollen. Ob nun das Ende der Koryu irgendwann Anfang/Mitte des 17. Jh. gesehen wird, weil da die Zeit der Schlachten vorbei war oder eben am anderen Ende die Zeit um die Meiji-Restauration.

Was sind denn jetzt die Quellen, die so eine Einteilung verneinen?

Und welche anderen Beispiele gibt es, wo die Geschichtswissenschaft die Einteilung in Zeitabschnitte nicht mehr vollzieht? Kann mir da nichts vorstellen, weil bspw. die "Edo-Zeit" wird es doch wohl noch zeitlich definiert geben?

Grüße

aikibunny
20-11-2016, 18:11
Was sind denn jetzt die Quellen, die so eine Einteilung verneinen?

Und welche anderen Beispiele gibt es, wo die Geschichtswissenschaft die Einteilung in Zeitabschnitte nicht mehr vollzieht? Kann mir da nichts vorstellen, weil bspw. die "Edo-Zeit" wird es doch wohl noch zeitlich definiert geben?

Grüße

Das ist doch mal ne gute Frage. Irgendwelches namedropping über "cultural turns" sollte da mal konkreter hinterlegt werden, sonst bleibt es beim Längenvergleich ohne Auspacken. Mag ja sein, dass Periodisierungen sich immer wieder ändern, und nicht absolut zu denken sind, aber eine Geschichtswissenschaft, die ganz ohne auskommt, ist mir dann doch neu. Und ich hab den Kram nicht nur studiert, sondern die Studis auch unterrichtet :)

doitsu-shibu
20-11-2016, 18:43
-

karate_Fan
21-11-2016, 11:20
Mich interessiert die Meinung der japanischen Fachleute, die in der Kultur verwurzelt sind .



Das würde mich auch sehr interssieren. Gibt es eigentliche namenhafte Fachleute aus Japan die sich mit dem Thema beschäftigten ?

Oder gibt es neben Otake Risuke von der Katori Shinto Ryu noch andere "Chefs" (traue mich nicht den wohl korrekten japanischen Begriff Soke zu verwenden, da ich nicht sicher bin ob der auf Otake auch zutrifft und bevor ich was falsches sage lieber das etwas lockere Wort Chef :o:p) anderer Koryu die über ihre Schule schreiben?

carstenm
21-11-2016, 13:52
Otake sensei ist wenn, dann "einer der Chefs" der TSKSR. ;-)
Von Sugino Yoshio sensei gibt's auch ein Buch.
Sogar in deutscher Übersetzung.

Gast
21-11-2016, 14:11
Oder gibt es neben Otake Risuke von der Katori Shinto Ryu noch andere "Chefs" (traue mich nicht den wohl korrekten japanischen Begriff Soke zu verwenden, da ich nicht sicher bin ob der auf Otake auch zutrifft und bevor ich was falsches sage lieber das etwas lockere Wort Chef :o:p)

Sôke der Tenshin Shôden Katori Shintô-ryû ist Iizasa Shurinosuke Yasusada.
Unter ihm dienen Otake Risuke, dessen Söhne Otake Nobutoshi und Kyôso Shigetoshi(Narita Shibu) als auch Sugino Yukihiro(Kawasaki Shibu) als Shihan der Ryûha.

ryoma
21-11-2016, 15:10
Das würde mich auch sehr interssieren. Gibt es eigentliche namenhafte Fachleute aus Japan die sich mit dem Thema beschäftigten ?

Oder gibt es neben Otake Risuke von der Katori Shinto Ryu noch andere "Chefs" (traue mich nicht den wohl korrekten japanischen Begriff Soke zu verwenden, da ich nicht sicher bin ob der auf Otake auch zutrifft und bevor ich was falsches sage lieber das etwas lockere Wort Chef :o:p) anderer Koryu die über ihre Schule schreiben?

Von diversen Oberhäuptern gibt es Schriften zu ihren Schulen. Sie sind schliesslich auch die Fachleute dafür.
Inwieweit nun jeder das Verhältnis zwischen Koryû (ihrer eigenen) und Gendai Budô thematisiert weiss ich allerdings nicht. Zu vermuten ist, dass die meisten wohl mal was dazu schreiben, aber das es sicher nicht zuoberst auf ihrer Agenda steht. Manche schreiben vielleicht auch gar nichts dazu, weil es in ihrem Kontext einfach auch völlig unerheblich ist.

Einer der viele Bücher veröffentlicht (aber keiner Koryû angehört...) ist Kôno Yoshinori.
Man kann ich wohl am besten als sog. „Researcher“ bezeichnen. Er generalisiert allerdings erheblich, was ja bei Koryû sowieso kaum möglich ist. Seine Schriften werden daher äusserst kritisch gesehen (oder auch für ziemlichen Quatsch gehalten).

Huangshan
21-11-2016, 18:40
ryoma :

Danke für deine Erklärung.


Allgemein:

Es gibt gute Kampfkünstler die jedoch keine Literaten sind und keine Bücher veröffentlichen.

Dann gibt es Japanologen,Historiker etc. die jedoch keine Kampfkunst betreiben und ihr Wissen(theoretisch) in Büchern publizieren.

Die seltenste Art, sind Kampfkünstler die Japanalogen,Historiker,Schriftsteller ...sind.

karate_Fan
21-11-2016, 21:39
@carstenm Stimmt natürlich. Das auch ein Buch von Sugino über die Katori Shinto Ryu auf Deutsch gibt ist mir bekannt, auch wenn das Buch nicht gelesen habe.

@Tanukiyarô Ok danke fürs Richtigstellen.

@Ryoma Ok alles klar. Vielen Dank für die ausführliche Erklärung.

Dragodan
22-11-2016, 02:36
Natürlich gibt es auch Historiker, Gesellschafts-, Kultur- sowie Sportwissenschaftlicher die sich in Japan auf Universitätsniveau mit der Geschichte des Budo befassen. Als Stichwort sollte man hier z.B. das Nihon Budo Gakkai erwähnen, die "Japanese Academy of Budo (http://www.budo.ac/index_En.html)". Natürlich finden sich in deren Reihen auch Mitglieder diverser Koryu, jedoch sind es überwiegend Leute aus dem Gendai-Spektrum, die maßgeblich daran beteiligt sind. Privatpersonen können übrigens auch Mitglied werden.

Kono Yoshinori ist natürlich auch in Japan bekannt, auch wenn man (wie bei vielen Mitschreitern seiner Fachs) hier keinen wissenschaftlichen Hintergrund erwarten kann. Gerade zum Thema Body-Work gibt es hier unzählige Richtungen und Lehrer. Man muss sich ja nur mal die letzten 15 Jahre des Hiden-Magazins anschauen, dann bekommt man schon eine gute Idee. Nichtsdestotrotz gibt es auf Japanisch natürlich eine Fülle an Büchern zu den Koryu - oftmals sogar sehr im Detail beschrieben.

Huangshan
22-11-2016, 09:22
Das Problem, dass oft bei Publikationen im Themenbereich Kampfkunst auftritt, ist die fehlende Objektivität,praktisches Wissen, wissenschaftliche Herangehensweise usw. .


Es gibt einige Bücher zum Thema Samurai,Shinobi,Koryu Bujutsu......

Wenn man sich jedoch die Bio. der Schreiber durchliest, dann kommen grosse Zweifel.

Wie kann jemand der z.B. nur Gendai Budo betreibt oder gar keine Kampfkunst, etwas über das Thema Koryu veröffentlichen und glauben das er in Fachkreisen ernstgenommen wird?


Ein klassisches Bsp. ist Nitobe Inazō mit seinem Machwerk über Bushido
oder das Werk" Kempo, die Kunst des Kampfes" von Alexander Dolin und German Popow, dass im deutschsprachigem Raum noch immer rumgeistert und von Einigen als ernsthafte Quelle zitiert wird.

Dragodan
22-11-2016, 09:38
Und um welche Schreiber handelt es sich da zum Beispiel?
Man muss ja nur mal bei Jstage suchen und bekommt einen Haufen Artikel zum Thema Koryu gelistet.

Gast
22-11-2016, 09:43
Das Problem, dass oft bei Publikationen im Themenbereich Kampfkunst auftritt, ist die fehlende Objektivität,praktisches Wissen, wissenschaftliche Herangehensweise usw. .


Es gibt einige Bücher zum Thema Samurai,Shinobi,Koryu Bujutsu......

Wenn man sich jedoch die Bio. der Schreiber durchliest, dann kommen grosse Zweifel.

Wie kann jemand der z.B. nur Gendai Budo betreibt oder gar keine Kampfkunst, etwas über das Thema Koryu veröffentlichen und glauben das er in Fachkreisen ernstgenommen wird?


Ein klassisches Bsp. ist Nitobe Inazō mit seinem Machwerk über Bushido
oder das Werk" Kempo, die Kunst des Kampfes" von Alexander Dolin und German Popow das im deutschsprachigem Raum noch immer rumgeistert und von Einigen als ernsthafte Quelle Zitiert wird.

Ich denke da wirfst jetzt einiges durcheinander, bzw. schüttest das Kind mit der Wanne aus.
Ohne ins Detail zu gehen: einen Stil, kôryu oder überhaupt KK zu betreiben kann hilfreich sein, kann aber genauso zu einer einseitigen Sichtweise verleiten (und bedeutet auch nicht automatisch, sich besser auszukennen).

karate_Fan
22-11-2016, 10:11
Ohne ins Detail zu gehen: einen Stil, kôryu oder überhaupt KK zu betreiben kann hilfreich sein, kann aber genauso zu einer einseitigen Sichtweise verleiten (und bedeutet auch nicht automatisch, sich besser auszukennen).


Das sehe ich genauso. Nicht jeder KKler ist auch ein guter Autor/Forscher oder ist überhaupt an den Hintergründen seines Stiles interessiert.

Wenn es rein um das wissenschaftliche geht, dann kann ein reiner Wissenschaftler der Nicht KKler ist vielleicht bessere Ergebnisse erzielen.

Es wäre natürlich ideal, wenn es mehr Leute wie Karl Friday gäbe, der einen wissenschaftlichen Background hat und auch Mitglied einer Koryu (Kashima Shinto Ryu, glaube ich ) ist.


Wage es anderseits aber nicht zu behaupten, das diese Vorbehalte überhaupt auf Leute aus den Koryu anzuwenden sind.

Im Gegensatz zum heutigen Karate, Aikido, Judo und vielen anderen Stilen sind die Koryu ja kein Mainstream.

Ohne einen Mindestmaß an kulturellen Interesse werden sich die meisten Schüler der Koryu wohl kaum entschlossen haben, Mitglied einer solchen Schule zu werden.

Daher könnte das kulturelle Interesse an den Hintergründen des Stiles bei den meisten Koryu Leuten wohl mehr ausprägt sein, als bei einem Breitensportler eines Gendai Budo Stiles...

carstenm
22-11-2016, 11:18
... Karl Friday ..., der einen wissenschaftlichen Background hat und auch Mitglied einer Koryu (Kashima Shinto Ryu, glaube ich ) ist.Kashima shin ryû.

Friday ist nun aber auch gerade ein Beispiel für jemanden, der die Belange seiner eigenen Schule recht offensiv vertritt und so manche Aspekte in anderer Form darstellt als japanische Vertrer dieser Schule.
Das betrifft auch gerade das Verhältnis zu anderen budô.


Im Gegensatz zum heutigen Karate, Aikido, Judo und vielen anderen Stilen sind die Koryu ja kein Mainstream.Nach meiner Wahrnehmung ist es hilfreich, sich die Binnenstruktur der genannten budô bewußt zu machen. (In einem wichtigen US-amerikanischen Forum kam das lange zum Ausdruck, indem man zwischen Aikido(TM) und aikidô unterschied. Auch wenn diese Unterscheidung nicht bei allen Beifall fand, war dennoch allen klar, was gemeint war.)

Es gibt nicht das aikidô. Was eben tatsächlich gerade einen wesentlichen Unterschied zu koryû anzeigt.
Das bedeutet dann aber auch, daß es nicht zielführend ist, diese unterschiedlichen Strömungen über einen Kamm zu scheren.
Es macht einfach keinen Sinn, das Aikido, das im Rahmen des Deutschen Olympischen Sporbundes als "Budo-Sport" organisiert ist, zu vergleichen mit einem aikidô, das sich als ein budô versteht und in enger Verbundenheit mit der japanischen Kultur unterrichtet und gelebt wird.
Es handelt sich dabei inzwischen schlicht um zwei verschiedene Phänomene, die sich schon rein äußerlich über Jahrzehnte vollkommen unabhängig voneinander entwickelt haben.


Ohne einen Mindestmaß an kulturellen Interesse werden sich die meisten Schüler der Koryu wohl kaum entschlossen haben, Mitglied einer solchen Schule zu werden.
Daher könnte das kulturelle Interesse an den Hintergründen des Stiles bei den meisten Koryu Leuten wohl mehr ausprägt sein, als bei einem Breitensportler eines Gendai Budo Stiles...Meiner Erfahrung nach ist es einfacher:
Wenn man ein budô übt, ist das Interesse an dessen Verwurzelung in der japanischen Geschichte und Kultur unerläßlich.
Das den Jüngeren zu vermitteln ist m.E. eine der wesentlichen Aufgaben der Älteren. In jedem budô.
Für nicht-japanische Schüler und Lehrer gleichermaßen ist damit die interessante Aufgabe verbunden, das in Beziehung zu setzen zu ihrer eigenen Biographie und Kultur. Ich erlebe aber spannenderweise bei den jüngeren japanischen Lehrern und sempai ein ganz ähnliches Thema. Wir erleben gleichermaßen, daß wir als Menschen der Gegenwart die Wurzeln unseres budô erst verstehen und leben lernen müssen.
Auch den jungen Japaner, mit denen gemeinsam ich übe, geht das so. So entsteht zuweilen die witzige Situation, daß mich Japaner befragen nach bestimmten Inhalten des reishiki, nach den Verbindungslinien besimmter Übungen zu shintô oder dergleichen Dinge.
Und dieses "Hineinwachsen" in die Schule und ihre Hintergründe und Wurzeln erlebe ich ganz genauso bei den Schülern alter budô.

Ganz nebenbei:
Es gibt fast wortgleiche Texte von Sugino Yoshio und Ueshiba Morihei, in denen sie darlegen, was budô ist. Und warum es kein Sport ist.

Huangshan
22-11-2016, 11:29
Ohne ins Detail zu gehen: einen Stil, kôryu oder überhaupt KK zu betreiben kann hilfreich sein, kann aber genauso zu einer einseitigen Sichtweise verleiten (und bedeutet auch nicht automatisch, sich besser auszukennen).

Ja , es kann bei der Objektivität hinderlich sein oder zum " Fanboy" Verhalten führen .


Mann sollte jedoch von jemanden mit höherer Bildung,akademischen Hintergrund erwarten, dass er sein Werk auf Quellenangaben stütz und einen struktuierten,nachvollzirbaren Aufbau etc. hinbekommt und mit wissenschaftlichen Methoden arbeitet und wenn er es nicht kann, es in Zusammenarbeit mit einem guten Coautor schreiben lässt.
Ist natürlich keine Garantie für ein gutes Werk!

Gerade bei fachspezifischen Publikationen vertraue ich eher der Meinung von Praktikern.



PS: Würdest du z.B: ein praktisches,stilspezifisches Werk über Chen Taijiquan , dass von einem Typen der an einer Sport Uni, sport Wushu studiert hat oder von einem Theoretiker lesen?

Gast
22-11-2016, 13:02
@Huangshan
Mein Einwand war ja, dass dein letzter Post die Dinge etwas durcheinander wirft, bzw. zu allgemein ist.
Nitobe´s Bushido und Dolin´s Kempo sind ja jetzt z.B. keine Werke speziell über koryû oder budô, oder über eine bestimmte KK. Die Mängel von Dolin´s Werk sollten mittlerweile natürlich jedem der sich für das Thema interessiert bekannt sein; und Nitobe´s Werk ist ja noch mal ein ganz anderes Thema.
Natürlich sind Faktenwissen sowie sorgfältiges/neutrales Beurteilen von Quellen/Informationen und praktisches Verständnis die Ideal-Kombination. Aber gerade der solide Umgang mit Quellen und Informationen hat nichts damit zu tun, ob man Praktiker ist oder nicht. Und je nach dem über was man schreibt, muss man eben nicht unbedingt Praktiker sein.
Wer ein Praxisbuch verfasst, sollte natürlich auch die Praxis verstehen.
Übrigens liese sich dein Satz ja auch insofern umdrehen als man sagen könnte, was will jemand der koryû betreibt schon über budô sagen... Deshalb meine ich, es gilt einfach genauer zu differenzieren.

Gast
22-11-2016, 13:07
Auch den jungen Japaner, mit denen gemeinsam ich übe, geht das so. So entsteht zuweilen die witzige Situation, daß mich Japaner befragen nach bestimmten Inhalten des reishiki, nach den Verbindungslinine besimmter Übungen zu shintô oder dergleichen Dinge.


Ich behaupte sogar, der "durchschnittliche moderne Japaner" hat über budô und dessen Hintergründe genauso viel Wissen wie der "durchschnittliche moderne Deutsche" über das Christentum, Platon oder Kant. Nämlich eher wenig bis nichts.

carstenm
22-11-2016, 13:13
Ich behaupte sogar, der "durchschnittliche moderne Japaner" hat über budô und dessen Hintergründe genauso viel Wissen wie der "durchschnittliche moderne Deutsche" über das Christentum, Platon oder Kant. Nämlich eher wenig bis nichts.Das sehe ich auch so.

Huangshan
22-11-2016, 13:17
Julian Braun:
Gebe dir recht, dass diese Machwerke nichts mit Budo,Koryu.... zu tun haben, sie sollen als negativ Beispiele dienen.

Nun ich habe diese Werke aus verschiedenen Epochen als Bsp. gewählt, weil sie die Denkweise einiger Leute beeinflusst haben.


Natürlich sind Faktenwissen sowie sorgfältiges/neutrales Beurteilen von Quellen/Informationen und praktisches Verständnis die Ideal-Kombination. Aber gerade der solide Umgang mit Quellen und Informationen hat nichts damit zu tun, ob man Praktiker ist oder nicht. Und je nach dem über was man schreibt, muss man eben nicht unbedingt Praktiker sein.
Wer ein Praxisbuch verfasst, sollte natürlich auch die Praxis verstehen.
Übrigens liese sich dein Satz ja auch insofern umdrehen als man sagen könnte, was will jemand der koryû betreibt schon über budô sagen... Deshalb meine ich, es gilt einfach genauer zu differenzieren.

Stimme mit dir überein.



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