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Vollständige Version anzeigen : Wieso ausgerechnet beim Judo?



jkdberlin
19-12-2016, 07:04
Hier wird ja oft argumentiert, dass die andauernden neuen Regeländerungen die Kampfkunst Judo "kastriert" haben.
Als einer der Auslöser wurde die Teilnahme der Judoka bei den olympischen Spielen erwähnt. Judo ist seit 1964 (Tokio) Bestandteil der olympischen Spiele. Aber ältere "Kampfkünste" wie Boxen (1904) oder Ringen (1896) haben diese markanten Regeländerungen doch nicht erfahren?!
Wieso werden also ausgerechnet beim Judo derartige Regeländerungen eingesetzt, die den Kampfkunst so verändern?

Fabian.
19-12-2016, 07:08
War es nicht einfach so, dass die Beinangriffe verboten wurden um den Ringern ihr gefährlichstes Mittel zu nehmen um diese somit faktisch von Judo Wettkämpfen auszuschließen?

Gast
19-12-2016, 07:10
Hier wird ja oft argumentiert, dass die andauernden neuen Regeländerungen die Kampfkunst Judo "kastriert" haben.
Als einer der Auslöser wurde die Teilnahme der Judoka bei den olympischen Spielen erwähnt. Judo ist seit 1964 (Tokio) Bestandteil der olympischen Spiele. Aber ältere "Kampfkünste" wie Boxen (1904) oder Ringen (1896) haben diese markanten Regeländerungen doch nicht erfahren?!
Wieso werden also ausgerechnet beim Judo derartige Regeländerungen eingesetzt, die den Kampfkunst so verändern?

Kenne mich da nicht aus, deshalb die Frage:
Sind die Wettkampf-Boxregeln denn seit 1904 unverändert?? Und in allen großen Verbänden gleich?
Selbige Frage für Ringen.

Droom
19-12-2016, 07:57
Kenne mich da nicht aus, deshalb die Frage:
Sind die Wettkampf-Boxregeln denn seit 1904 unverändert?? Und in allen großen Verbänden gleich?
Selbige Frage für Ringen.

https://en.wikipedia.org/wiki/Marquess_of_Queensberry_Rules

Schnueffler
19-12-2016, 08:08
War es nicht einfach so, dass die Beinangriffe verboten wurden um den Ringern ihr gefährlichstes Mittel zu nehmen um diese somit faktisch von Judo Wettkämpfen auszuschließen?

Es wurde oft das Regelwerk so geändert, dass die Japaner klar im Vorteil waren.

Thiloy
19-12-2016, 08:10
Ich habe immer wieder gehört, dass es das Sportjudo im Stand spannend halten soll und man Aktionen sehen und erkennen will, dass geht am Besten aus dem Stand heraus.

Huangshan
19-12-2016, 09:11
In den 80ern z.B. waren viele Ne waza und auch Te waza- Morote Gari und andere Würfe,Griffe noch fester Bestandtteil der Ausbildung und auch beim Randori üblich.


Die Judoka aus Westeuropa,Osteuropa gewannen immer mehr Medaillien bei olympischen Spielen und Meisterschaften , sie fügten Techniken aus dem Sambo oder Ringen ins Randori ein.


Daraufhin wurden einige Regelenderungen vorgenommen.

Aktuelle Regeln D-Judobund.
http://www.judobund.de/fileadmin/_horusdam/4114-DJB-Kampfregeln_nach_MV_2015.pdf

Da kann Rambat aber bestimmt detaillierter darauf antworten?

Gast
19-12-2016, 09:28
Es wurde oft das Regelwerk so geändert, dass die Japaner klar im Vorteil waren.

NEIN.

die regeländerungen der vergangenen 20 jahre bspw. brachten "den japanern" keinerlei vorteile.
zudem wird die IJF (international judo federation) schon seit mindestens 30 jahren nicht mehr von japanischen funktionären dominiert.

ich denke, man muß das problem der permanenten regeländerungen im (wettkampf)judo in zwei bereiche unterteilen:
- regeländerungen von 1882/83 bis etwa 1960
- regeländerungen ab 1960


zunächst (darüber habe ich an anderer stelle oft und ausführlich geschrieben udn die entsprechenden quellen angegeben, was ich mir hier nun erspare) gründete kano jigoro 1882 seine eigene kk, die er "judo" nannte. diesen begriff hatte er der jikishin ryû entlehnt (dort bezeichnete der begriff "judo" die effizienteste anwendung der techniken und konzepte der jikshin ryû).

grundlage dessen, was kano lehrte, waren zunächst seine erfahrungen in der tenshin shinyo ryû und in der kito ryû.
da er die kito ryû als "stilerbe" weiterführen sollte, galt der kodokan (sein dojo) einige jahre lang als dojo besagter schule. kano hatte jedoch kein interesse daran, die kito ryû zu erhalten, er war vielmehr daran interessiert, eine neue kampfmethode zu verbreiten, die eine synthese dessen darstellte, was er selbst gelernt hatte.

es kam in der folgezeit, da kano sein system einigermaßen aggressiv vermarktete, zu etlichen auseinandersetzungen mit anderen schulen. diese kämpfe konnte der kodokan für sich entscheiden (ich gehe darauf nicht weiter ein, das würde hier den rahmen sprengen).
es sei aber angemerkt, daß judo zu dieser zeit ganz selbstverständlich sehr viel anders aussah als heute - der bereich der tritt- und schlagtechniken hatte eine wesentlich größere bedeutung, es gab im standkampf keine "verbotenen faßarten" usw.
die regeln, nach denen die kämpfe zwischen den schulen abliefen (ich spreche jetzt nicht von den regellosen schlägereien, die sich die judoka mit den vertretern anderer schulen lieferten, sondern von offizellen vergleichskämpfen) waren rudimentär. gleiches galt für die wettkämpfe der judoka untereinander, die ab etwa 1886 regelmäßig im kodokan abgehalten wurden (monatlicher wettkampf "kouhaku shiai").

ab den späten 1890er jahren wurden diese regeln dann ausgeweitet: zunächst verbannte kano die "kleingelenkshebel" (finger, zehen) aus dem wettkampf, dann folgten die genickhebel, später die fuß- und kniehebel.
tritt- und schlagtechniken wurden im randori in manchen dojo noch benutzt, ansonsten aber nur noch in form von kata trainiert.

das jahr 1910 war eine zäsur für das judo: in diesem jahr wurde judo verpflichtender schulsport an den mittelschulen japans.
das bedingte eine strikt überarbeitete art des trainings und eine anpassung der trainingsinhalte.
hat dem judo nicht gutgetan; es gab etliche sehr kontrovers und öffentlich ausgetragene debatten zwischen anhängern der "alten" art des judo und anhängern des neuen kurses, den kano eingeschlagen hatte.

etwa zu dieser zeit gewann das judo auch immer mehr bedeutung an den universitäten japans, wo eine sehr rege wettkampfkultur entstand, wie bspw. an der waseda-universität. ("hochschul-judo" = kosen judo).

im jahr 1928 erschien eine reihe von interviews, in denen kano sich dafür aussprach, sein judo zurückzuführen zu dem, was in den 1880er/1890er jahren den siegeszug des judo ermöglicht hatte.
bedauerlicherweise hatte kano zu diesem zeitpunkt längst die kontrolle über die entwicklung des judo verloren. es gelang ihm nicht, seine ideen und wünsche durchzusetzen.

nach kanos tod ...
dazu später mehr.

Watt
19-12-2016, 09:34
Die Änderungen der Regeln haben mmn NICHTS damit zu tun, den Japanern wieder mehr in die Karten zu spielen, zumal die Japaner in der IJF wenig bis gar nichts zu sagen haben und diese vorwiegend von Osteuropäern dominiert wird. Warum sollten die sich also selber die Beingreifer nehmen.

Der Grund ist denkbar einfach: Geld und Lobbyismus. Judo steht permanent auf der Kippe als Sportart bei Olympia rauszufliegen. Dadurch würde eine Menge geldgieriger Lobbyisten erheblich weniger verdienen und müssten womöglich noch richtig arbeiten gehen. Daraus folgen zum einen Regeln um Judo für die Zuschauer "attraktiver" zu machen und zum anderen Judo stärker vom Ringen abzugrenzen ( daher u.a. Verbot der Beinfasser) um so Judo bei Olympia zu halten.

Wenn das IOC sagen würde " schmeißt alle Fußwürfe raus" würde morgen die IJF die Regeln ändern.

Huangshan
19-12-2016, 09:45
rambat , danke für die Klarstellung. ;)

Gast
19-12-2016, 09:45
so, dann mal weiter im text ...
:D


judo wurde schon zu kanos lebzeiten beim japanischen militär sehr geschätzt.
im dai nippon butokukai bspw. trainierten japanische politiker, hochrangige japanische offiziere und yakuza einträchtig judo ...

im kaiserlichen heer, bei der kempetai und in der kaiserlichen flotte war judo obligatorisch. zwar eignete es sich nicht für den einsatz "auf dem schlachtfeld", hatte aber eine reihe von vorteilen, die es für das militär interessant machten: es war eine hervorragende körperertüchtigung, die gleichzeitig kampfbetont war, eine eindeutige definition von "sieg/niederlage" ermöglichte und attribute schulte, die von militärischer bedeutung waren.

dieser aspekt des judo, nämlich die "wehrtüchtigkeit des japanischen volkes", wurde auch von kano selbst besonders hervorgehoben. er schuf dazu sogar eine kata, die durch das üben ganz grundlegender und simpler elemente (tritte, schläge) einmal der körperlichen ertüchtigung dienen und zum anderen jedem laien eine zumindest rudimentäre kampffähigkeit / wehrtüchtigkeit verleihen sollte. diese kata nannte er "seiryoku zenyo kokumin tai iku", pauschal ausgedrückt: "nationale form der leibesertüchtigung".
(nebenbei: kano war ein japanischer nationalist, ein gemäßigter zwar, aber dennoch ein nationalist, soweit man das den quellen entnehmen kann).
letztlich führte all das 1945 zum verbot des judo durch die amerikanischen besatzer.
nach der wiederzulassung 1947 änderte sich das bild des judo: zwar bestimmte mifune die technische ausrichtung des kodokan, direktor des kodokan aber wurde risei kano, ein adoptivsohn jigoro kanos.
risei kano war KEIN judoka ...

Gast
19-12-2016, 09:52
Die Änderungen der Regeln haben mmn NICHTS damit zu tun, den Japanern wieder mehr in die Karten zu spielen, zumal die Japaner in der IJF wenig bis gar nichts zu sagen haben und diese vorwiegend von Osteuropäern dominiert wird. Warum sollten die sich also selber die Beingreifer nehmen.

Der Grund ist denkbar einfach: Geld und Lobbyismus. Judo steht permanent auf der Kippe als Sportart bei Olympia rauszufliegen. Dadurch würde eine Menge geldgieriger Lobbyisten erheblich weniger verdienen und müssten womöglich noch richtig arbeiten gehen. Daraus folgen zum einen Regeln um Judo für die Zuschauer "attraktiver" zu machen und zum anderen Judo stärker vom Ringen abzugrenzen ( daher u.a. Verbot der Beinfasser) um so Judo bei Olympia zu halten.

Wenn das IOC sagen würde " schmeißt alle Fußwürfe raus" würde morgen die IJF die Regeln ändern.

so ist es.

diese entwicklung begann bereits in den 60er jahren. die weltweite verbreitung des judo als wettkampfsport hatte eben ihren preis ...

seit etwa 25 jahren begründet man die permanenten und massiven regeländerungen mit der "steigerung der attraktivität des judo" sowie mit dem wunsch, judo "fernsehkompatibel" zu machen.
wie man das erreichen will, wenn die regeln immer komplizierter werden, wird nicht dazugesagt ...

ich sehe eines der größten probleme darin, daß die ständigen regeländerungen der vergangenen 20-30 jahre einzig und allein durch die kampfrichterkommission der IJF veranlasst wurden.
diese kommission wird nicht demokratisch gewählt, sondern vom präsidenten der IJF berufen und eingesetzt.
damit haben die KAMPFRICHTER die absolute dominanz über die entwicklung des judo, denn selbstverständlich werden auch die unsinnigsten regeln des hochleistungssports bis hinunter in den kleinsten breitensportverein durchgedrückt - und beeinflussen dort das training ...

viele dieser regeländerungen sind nur halb durchdacht, werden nach kurzer zeit "verbessert" oder ganz zurückgenommen ...
oder durch noch unsinnigere regeln ersetzt.

ich frage mich oft, wieso die IJF das regelwerk mehr und mehr aufbläht, statt es rigoros zu vereinfachen.
je mehr regeln, desto komplizierter ist das regelwerk insgesamt.
je komplizierter die regeln, desto unverständlicher wird das kampfgeschehen für außenstehende.
je unverständlicher das kampfgeschehen, desto uninteressanter ist es für die werbebranche ...
der versuch, durch andauernde regeländerung eine "attraktivität" für das fernsehpublikum herbeizuzwingen, ist lächerlich und zum scheitern verurteilt.

das seit kurzem ausgesprochene verbot, im wettkampfjudo die beine des gegners mit den händen zu greifen, verindert nicht nur ringerangriffe wie SLT/DLT (im judo: kibisu-gaeshi/kata-ashi-dori/morote-gari), sondern macht auch traditionelle judotechniken wie kata-guruma ("fireman's carry") oder sukui-nage unmöglich.
statt diese "ringer"-angriffe zu verbieten, sollte das judo adäquate antworten darauf haben.
statt "bear hug" zu verbieten (den mittelasiatische judoka präferieren, die oft aus dem ringen kommen), sollte das judo adäquate gegenangriffe ermöglichen.

ich weiß nicht, warum man stattdessen den weg des verbietens und einschränkens geht.
sinnvoll ist dieser weg jedenfalls nicht, und er schadet dem judo insgesamt.

Gast
19-12-2016, 09:54
Hier wird ja oft argumentiert, dass die andauernden neuen Regeländerungen die Kampfkunst Judo "kastriert" haben.
Als einer der Auslöser wurde die Teilnahme der Judoka bei den olympischen Spielen erwähnt. Judo ist seit 1964 (Tokio) Bestandteil der olympischen Spiele. Aber ältere "Kampfkünste" wie Boxen (1904) oder Ringen (1896) haben diese markanten Regeländerungen doch nicht erfahren?!
Wieso werden also ausgerechnet beim Judo derartige Regeländerungen eingesetzt, die den Kampfkunst so verändern?

einige Techniken wurden ja, zumindest bei einigen Wettkämpfen, wegen Verletzungsgefahr verboten, andere eventuell, um sich von ähnlichen Sportarten (Ringen) abzugrenzen.
Ringen muss sich nicht abgrenzen weil es ja schon da war und eine Variante mit und eine ohne Beinangriffe gibt es da ja auch schon länger.
Ob das Ringen im Laufe der Zeit technisch entschärft wurde, weiß ich nicht, aber im BJJ gibt es ja auch solche Tendenzen, wenn ich die Diskussionen hier richtig verfolgte?
Im Boxen verwendet man in den moderenen OS auch nicht mehr die Cestaes (https://de.wikipedia.org/wiki/Cestus_(Waffe)), wie bei den antiken olympischen Spielen.

jkdberlin
19-12-2016, 10:03
Genau, der Hinweis bei jeder Regeländerung im BJJ kommt ja immer mit Hinblick auf das Judo. Aber kann sich einer vorstellen, warum gerade im Judo so viel gewerkelt wurde und wird? Es soll ja 2017 wieder einige Regeländerungen geben sagte man mir beim Training, es soll allerdings auch wieder etwas zurück genommen werden....

washi-te
19-12-2016, 10:15
Genau, der Hinweis bei jeder Regeländerung im BJJ kommt ja immer mit Hinblick auf das Judo. Aber kann sich einer vorstellen, warum gerade im Judo so viel gewerkelt wurde und wird? Es soll ja 2017 wieder einige Regeländerungen geben sagte man mir beim Training, es soll allerdings auch wieder etwas zurück genommen werden....

Ich sag nur: Karate!! :(

Mein armes Karate! Was wird wohl jetzt noch übrig bleiben, nachdem es nun olympisch ist?!

Die Regeländerungen der letzten 25 Jahre hatten meist die Begründung, es werde dann "für die Zuschauer attraktiver". da werden dann einzelne Bewegungen der Kata einfach mal weggelassen, und was im Kumite übrig bleibt sieht man ja in den Wettkämpfen.

DAS ist einer der Hauptgründe, warum KAMPFSPORT und KAMPFKUNST unterschieden gehört! In dem Fall für Karate, aber wenn man sich z.B. TKD anschaut ... ..die klassischen olympischen Disziplinen sind da weniger betroffen, meine ich.

Gast
19-12-2016, 10:19
Aber kann sich einer vorstellen, warum gerade im Judo so viel gewerkelt wurde und wird? Es soll ja 2017 wieder einige Regeländerungen geben

man muss sich ansehen, WER diese regeländerungen veranlaßt.
;)

das "warum" ist nicht unbedingt immer schlüssig zu beantworten.
letzten endes scheint die kaste der internationalen kampfrichter, vertreten durch die (von niemandem demokraisch gewählte) kampfrichterkommission der IJF, das geschehen zu bestimmen.
deren entscheidungen sind nicht anfechtbar.
transparent sind sie auch nicht.

warum im sportjudo so viel an den regeln gewerkelt und gestümpert wird?
weil's um politik geht.
und um geld. um erhöffte werbeeinnahmen, um sponsorengelder.
um den verbleib des judo im olympischen zirkus.

wer die wettkampfregeln bestimmt, dominiert das judo, denn alle nationalen verbände, die der IJF angeschlossen sind, MÜSSEN sich dem der IJF unterwerfen, wenn sie an den internationalen wettkämpfen teilnehmen wollen. und dort teilnehmen müssen sie, weil sie sonst nicht an den olympischen spielen teilnehmen können ...

folglich geht es um MACHT.
wer die macht hat, regeländerungen nach gutdünken zu veranlassen und für alle nationalen verbände weltweit verbindlich durchzudrücken (OHNE dass diese eine mitspracherecht hätten!), der bestimmt, wohin die reise im judo geht.

um judo SELBST geht es höchstens noch am rande ...

washi-te
19-12-2016, 10:23
man muss sich ansehen, WER diese regeländerungen veranlaßt.
;)


um judo SELBST geht es höchstens noch am rande ...

.. könnte man erweitern, s.o. ..

Gast
19-12-2016, 10:26
Genau, der Hinweis bei jeder Regeländerung im BJJ kommt ja immer mit Hinblick auf das Judo. Aber kann sich einer vorstellen, warum gerade im Judo so viel gewerkelt wurde und wird? Es soll ja 2017 wieder einige Regeländerungen geben sagte man mir beim Training, es soll allerdings auch wieder etwas zurück genommen werden....

Welche Regeln wurden/werden denn konkret geändert?
Erwähnt wird ja immer das Verbot bzw. die Beschränkung der Beinangriffe.
Was hat sich in jüngerer Zeit noch verändert, bzw. was soll zurückgenommen werden?

Gast
19-12-2016, 10:40
es sollen sich (wird aus kari-kreisen kolportiert) einige mattenrand-regelungen ändern (also die bestrafungen fürs rauslatschen aus der warnfläche), es sollen ungünstige regeländerungen für konterwürfe eingeführt werden ...



3
-
Leg grabbing or grabbing the trousers, shall be penalized first by Shido and secondly
by Hansoku Make.

Kumikata will not be penalized as long as Tori is preparing an attack. Negative positions will be penalized by Shido, because they are against the spirit of judo (no searching for an attack, a defensive attitude etc....)

gute defensivarbeit wird also bestraft, beinfassen sowieso, und wenn man das zweite mal ans bein des gegers oder auch nur an seine hose (bspw. in höhe des unteren jackenrandes) fasst, wird man disqualifiziert.
wird dazu führen, dass judoka sich in einigen jahren nicht mehr gegen beinfasser verteidigen können ...

gut ist, dass die fassarten am ärmel wieder freigegeben sind:

To simplify the refereeing and its understanding all the actions that have been punished in the past on how to grab the judogi (Kumikata) will no longer be penalized: pistol grip, pocket grip, 2 hands on the same side...
- Fingers inside the sleeve will not be penalized either.
das wurde aber auch zeit!


das hier jedoch finde ich geradezu irrsinnig:


Throw and counter-attack:
-In a case of attack and counter-attack the first competitor landing on the own body will be considered the loser.
wer also einen wurfansatz des gegners dadurch kontert, dass er einen selbstfallwurf anwendet, hat künftig verloren, da er ja "als erster mit seinem körper auf der matte landet" ...
:ups:

JudoSambo 88
19-12-2016, 10:51
Genau, der Hinweis bei jeder Regeländerung im BJJ kommt ja immer mit Hinblick auf das Judo. Aber kann sich einer vorstellen, warum gerade im Judo so viel gewerkelt wurde und wird? Es soll ja 2017 wieder einige Regeländerungen geben sagte man mir beim Training, es soll allerdings auch wieder etwas zurück genommen werden....

richtig,wieder back to roots mit normales griffkampf, also wieder viel mehr erlaubt. wettkampfzeit ist nun genderkonform. nur noch ippon und wazari, yuko fällt weg. 2 wazari führen nicht mehr zum ippon, sondern glaube 4 und der 3 shido ist dq. Verlängerung (golden score)kann nur noch von kämpfern entschieden werden nicht von karis!

Die ijf will damit den drang zu schönen eindeutigeren ippons verstärken....
mal sehen was es bringt.

warum Judo so viele Änderungen erlebt, liegt evtl. an der größe und masse von aktiven Judokas. Glaube die IJF ist eine ziemliche hohe mitgliedstarke Vereinigung. Kann es leider nicht belegen aber hatte was gehört von wegen Judo ist die kampfsportart nummer 1 der welt, was anzahl und zahlenden Mitgliedern angeht. evtl. führen die rückgange der mitglieder zu notwendigen handlungen der Kommision. Ca$h in the ta$h ist ja wichtig^^

Gast
19-12-2016, 11:14
Danke für die Infos :)



das hier jedoch finde ich geradezu irrsinnig:

wer also einen wurfansatz des gegners dadurch kontert, dass er einen selbstfallwurf anwendet, hat künftig verloren, da er ja "als erster mit seinem körper auf der matte landet" ...
:ups:

Da gibt es ja zwei Möglichkeiten:
Angriff und Konter haben unterschiedliches Ergebnis, weil der Konter in eine andere Richtung geht, oder die haben das gleiche Ergebnis.
Im ersten Fall ist ja klar, wer erfolgreich war.
Im letzten Fall kann ich mir (laienhaft) vorstellen, dass es nicht immer leicht ist zu entscheiden, wer denn nun für den Ausgang verantwortlich ist und ob eventuell der Angegriffene sogar aus der Not eine Tugend machte, weil er den Fall nicht mehr verhindern konnte....
Gab es da nicht mal so was mit Yamashita Yasuhiro?

Gast
19-12-2016, 11:23
warum Judo so viele Änderungen erlebt, liegt evtl. an der größe und masse von aktiven Judokas. Glaube die IJF ist eine ziemliche hohe mitgliedstarke Vereinigung.

wie ich bereits mehrfach schrieb: es liegt an den strukturen.

es gibt für die "olympische disziplin judo" nur EINEN weltverband.
kann man gut finden, muß man aber nicht.
der monopolverband jedenfalls hat undemokratische strukturen. die regeländerungen werden (mit wechselnden begründungen) von der KAMPFRICHTERKOMMISSION festgelegt.
OHNE dass irgend ein aktiver judoka oder ein nationaler verband ein mitspracherecht hat.
die kampfrichterkommission wird nicht gewählt, sondern ihre mitglieder werden vom IJF-präsidenten berufen.

das erstmal zum WIE der regeländerungen.

das WARUM ist schon etwas schwerer zu durchschauen.
zunächst geht es nicht darum, die ideale des gründers jigoro kano zu bewahren - die werden immer nur ausgepackt, wenn's grad passend erscheint.
es geht vielmehr darum, wer in der IJF welche macht hat, um den kurs des weltverbandes zu bestimmen. und wie ich bereits erwähnte (ich wiederhole es gern nochmal): wer die regeln des wettkampfs bestimmt, der hat die macht in der IJF, denn wer an den internationalen wettkämpfen der IJF teilnehmen will (und sich dadurch für die olympischen spiele zu qualifizieren hofft), der MUSS sich dem regelwerk der IJF unterwerfen.
ohne mitspracherecht.

etliche änderungen des regelwerks gehen wohl auch auf machtkämpfe innerhalb der IJF zurück, denn diese ist ja kein homogenes gebilde.
da treffen viele sehr unterschiedliche interessen aufeinander.
letztlich aber geht es IMMER um geld. und zwar um sehr viel geld.

ich erinnere daran, dass es der präsident der IJF marius vizer war, der mit "sportaccord" gescheitert ist ...
Marius Vizer: Protegiert von Putin und Kuwait-Scheich Al-Sabah - SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/sport/sonst/marius-vizer-protegiert-von-putin-und-kuwait-scheich-al-sabah-a-903052.html)

Streit mit IOC-Chef Thomas Bach: Marius Vizer tritt zurück - SPIEGEL ONLINE (http://www.spiegel.de/sport/sonst/streit-mit-ioc-chef-thomas-bach-marius-vizer-tritt-zurueck-a-1036447.html)

hochleistungssport ist eine INDUSTRIE. im judo genau wie in jedem anderen sport! da geht es um geld, um macht, um einfluß - auch um politischen einfluß, siehe vizer und putin und den kuwaitischen scheich.
in der IJF kämpfen verschiedene interessengruppen um macht und einfluß - und dazu gehört eben auch, daß man sich diese macht sichert, indem man ALLEIN über das regelwerk des judo zu bestimmen versucht.

regeländerungen wie bspw. die änderung der mattenfarben (von grün/rot zu gelb/blau) bei internationalen events bedeuten, dass "veraltete" matten entsorgt und neue matten gekauft werden müssen ... regeländerungen am schnitt/den maßen der judogi bedeuten umsatz für die hersteller ...

verkürzte haltezeit bei haltegriffen bedeutet: "wir wollen werbeeinnahmen generieren, also müssen wir die regeln so ändern, dass die zielgruppe der werbung nicht wegschaltet!"
den jenigen zum verlierer zu erkkären, der bei einer angriffs- oder konteraktion zuerst unten liegt, bedeutet: "wir wollen sendezeit und damit werbeeinnahmen generieren, und fürs dumme publikum vereinfachen wir das so, dass auch der letzte depp kapiert, wer verloren hat - nämlich derjenige, der zuerst unten liegt."

verbot von beingreifern bedeutet: "wir wollen sendezeit und damit werbeeinahmen generieren, und weil durch die beingreiferei ein durcheinander entsteht und laien nicht mehr erkennen können, was da passiert, verbieten wir das greifen der beine!"

usw. usw.

werbeeinahmen bedeuten geld, geld bedeutet macht, macht bedeutet einfluss, auch politischen einfluss.
mal ganz verkürzt zusammengefasst.
wer also die macht hat, die regeln nach belieben zu ändern, der hat die möglichkeit, gelder von sponsoren und werbepartnern einzusammeln ... und dieses geld wird dann verwendet, um ...
na ihr wißt schon.

warum sollte das im judo anders sein als in anderen industrien?

VincentPrice
19-12-2016, 12:19
der Unterschied zum BJJ ist imho hautpsächlich, dass die IJF fürs Judo praktisch Deutungshoheit hat. Wenn die morgen zb sagt "ab jetzt wird im Kilt gekämpft" dann wird das weltweit so umgesetzt.

So einen allmächtigen Verband gibt es im BJJ zum Glück nicht.

Weiterhin ist das BJJ deutlich vielseitiger. Leute wie unserer Rambat bleiben Exoten. Es gibt doch kaum Strömungen im Judo die etwas anderes darunter verstehen als eine Sportart mit dem Hauptziel Wettkämpfe mit IJF Regelwerk zu gewinnen (am besten ab 5 Jahren).

Das behütet die IJF ja auch eifersüchtig, indem sie sich immer wieder vehement vom allem distanziert was mit MMA zu tun hat und ihren Athleten verbietet in anderen Kampfkünsten/-sportarten Wettkämpfe zu bestreiten.

Ich habe mit dem BJJ eigentlich nur angefangen weil ich in Rambats Umfeld sozialisiert worden bin und er mal sinngemäß sagte "ein anständiger Judoka muss auch am Boden was können, das geht praktisch am besten übers BJJ-Training."
Im klassischen Wald und Wiesen Verein wäre ich glaube ich gar nicht auf die Idee gekommen sowas mal zu probieren. Die meisten Judoka und Judo-Vereine schotten sich doch eher ab und wollen nicht über den Tellerrand hinausschauen.
BJJ ist eh nichts neues. Sind ja nur Newaza die im Judo eh schon drin sind. Oder gar irgendwas mit schlagen und treten ist sowieso Mist, hat der olle Kano ja extra rausgenommen als er Judo erfunden hat, weil gefährlich.

Hab da online wie offline schon etliche Diskussionen geführt, aber da dringt keine Kugel ein. Sobald man BJJ trainiert ist man kein richtiger Judoka mehr und hat keine Ahnung.

Diese Verbandsstruktur und diese Mentalität ermöglichen dieses Top-Down Prinzip nach dem an den Regeln von einem zentralen Organ munter herumgedoktert werden kann und das flächendeckend übernommen wird.

marq
19-12-2016, 12:34
ich kann die argumentation nicht nachvollziehen, dass dies dem Judo geschadet habe. das ist doch nur eine annahme verbunden mit persönlichen wertung.

ich koönnte ja auch argumentieren, ohne regeländerungen waere judo schon aus olympia verbannt und eine randsportart wie bjj.

Gast
19-12-2016, 13:12
ich kann die argumentation nicht nachvollziehen, dass dies dem Judo geschadet habe. das ist doch nur eine annahme verbunden mit persönlichen wertung.

ich koönnte ja auch argumentieren, ohne regeländerungen waere judo schon aus olympia verbannt und eine randsportart wie bjj.

du gehst von der prämisse aus, judo sei a priori als wettkampfdisziplin entwickelt worden und die teilnahme an wettkämpfen und vor allem an den olympischen spielen sei das wichtigste und höchste ziel des judo.

wie immer, wenn man a priori argumentiert, geht das daneben.

ich darf mal den gründer selbst zitieren:


Zitat:
„Ich bin verschiedentlich gefragt worden, ob Jûdô möglicherweise in die Reihen der olympischen Disziplinen aufgenommen werden sollte. Ich würde es bevorzugen, mich dazu eher nicht zu äußern. Wenn einige Mitglieder (des IOC) dies wünschen, werde ich keine Einwände erheben.
Ich fühle mich jedoch in keiner Weise veranlaßt, in dieser Hinsicht irgendwie aktiv zu werden.
Zum einen ist Jûdô in Wahrheit alles andere als ein Sport oder ein Spiel.
Ich schuf es als ein Lebensprinzip, als Wissenschaft, als Kunst. Es dient in der Tat der eigenen, auch kulturellen Vervollkommnung.
Nur eine einzige Form des Jûdôtrainings, das Randori, könnte eventuell als eine Form des Sports angesehen werden.“
(Kanô Jigoro in: „Budôkwai Bulletin“, veröffentlicht im April 1947)

entweder man beruft sich auf kano, seine intentionen und die von ihm geschaffenen traditionen des judo.
dann kann man nicht dahingehend argumentieren, dass all die - aus meiner persönlichen sicht - schädlichen veränderungen des judo gerechtfertigt wären, weil sie ja dem ziel dienten, judo "olympiatauglich" zu machen oder zu halten.

oder man beruft sich nicht auf kano, weil man längst etwas ganz anderes macht als das, was der gründer unterrichtet hatte.
ist in ordnung, keiner hat etwas dagegen.
dann sollte man das aber auch so kommunizieren und ganz klar sagen: "wir verstehen unter judo etwas ganz, ganz anderes als ursprünglich vom gründer definiert!"

aber wenn's etwas ganz anderes ist - wieso nennt man es dann überhaupt noch judo? und wieso wird bei passender gelegenheit dann der gründer mitsamt seinen idealen ausgepackt?

man muß bis ins jahr 1952 zurückgehen, um zu verstehen, daß die japanische auffassung des judo in europa nie ankam.
1952, als die neugegründete Europäische Judo Union daranging, den sinn und zweck des judo (in europa) zu definieren, wurde dies ausschließlich aus dem (west-) europäischen sportverständnis heraus getan – ein grundlegend falscher denkansatz, nimmt man bezug auf die schriften des gründers jigoro kano.
der damalige Präsident der EJU, aldo torti, formulierte seinen standpunkt so:

„Warum und zu welchem Zweck wurde ursprünglich eine europäische Vereinigung des Judo geschaffen, und warum und zu welchem Zweck hat sich die Vereinigung in einen internationalen Verband verwandelt, warum hat dieser Verband um die Anerkennung im IOC gebeten, und warum endlich wünscht er, daß Judo in das Olympische Programm hereingenommen wird? Grund und Zweck sind einfach und klar: Weil Judo im Geiste der Schöpfer der Vereinigung, vor allem und über alles ein Sport ist. Es folgt daraus, daß er, wie dies in der westlichen Fassung verstanden wird, alle Regeln und Bräuche des Sports haben muß.“

("Warum wir eine Pädagogik-Diskussion im Judo brauchen – Standpunkte zum Üben, Erziehen, Helfen und Vermitteln im Judo" Ralf Pöhler, 1999)


da hat man einfach mal für sich definiert, was judo zu sein habe ... und alles ignoriert, was kano zu diesem thema je geäußert hatte.
HIER liegt einer der gründe dafür, daß judo vor allem in europa so stark verändert wurde.


aldo torti (1952) fährt fort:

„Ist Judo ein Sport? Zu dieser Frage gab mir ... die japanische Delegation eine ausweichende Antwort. Sie sagte nur, daß gemäß den schriftlichen und mündlichen Überlieferungen des Schöpfers des Judo, Prof. Kano, Judo auch ein Sport sei ...

Ist Judo auch ein Sport, wie mir die japanischen Meister erklärt haben, so fällt jeder Anspruch, sowohl zu einer Vereinigung als auch zu einem Anschluß im IOC oder noch mehr die Aufnahme des Judo in das Programm der Olympischen Spiele weg.“
"auch" muß hier verstanden werden als "mehr als nur" ...

ich denke, damit ist diese frage hinreichend geklärt.

Gast
19-12-2016, 13:17
ich zitiere nochmal burklund:


„Spezialisierung auf bestimmte Gebiete der Judo-Technik ist im Moment sehr angesagt. Darin liegt jedoch eine gewisse Gefahr. Dieses ‚Auseinandernehmen‘ des Judo steht in heftigem Gegensatz zu Kanos Absichten bei der Gründung des Judo. Das Zerlegen der drei Hauptgebiete der Judo-Technik läßt ein rückschrittliches Moment erkennen. Dr. Kanos Synthese der Jujutsu-Techniken, die dem Prinzip der höchstmöglichen Wirksamkeit folgt, brachte einen Technik-Kanon hervor, der ausgewogen, effektiv und aufschlußreich war. Die Betonung partieller Gebiete der Technik dagegen führt lediglich zur Schwächung der allgemeinen Ausgewogenheit. Das künstliche Zerlegen des Judo in verschiedene ‚Interessengebiete‘ bringt uns auf den Weg des kyogi judo – der kleinen, unvollständigen Form, welche sich auf die Techniken des Wettkampfes konzentriert, und führt uns hinweg vom kogi judo, der vollständigen Form, welche auch eine kulturelle, geistige und erzieherische Disziplin ist.
Wir sehen einige Judoka ihren Blick nur noch auf die Techniken des Wettkampfes richten, andere bevorzugen nur noch bestimmte Technikgebiete des Judo. Diese Spezialisierung öffnet gewiß ein weites Feld der engen Sicht spezialisierter Sachkenntnis, aber kann man da wirklich noch von tiefer, fundierter Kenntnis des Judo sprechen?“
:(

burklund hat recht.

Gast
19-12-2016, 13:32
nachsatz:

ich bin im übrigen überzeugt davon, daß das grundlegende mißverständnis nicht mit aldo torti begann, wohl aber von ihm exakt formuliert wurde.

die ursprünglichen wettkämpfe im judo (nachdem durch kämpfe gegen andere schulen / stile die frage geklärt war, welches system das populärste in japan war) waren rauh und mit sehr marginalen regeln versehen.

das erste (verbindliche) regelwerk stammt aus den frühen 90er jahren des 19. jahrhunderts. wenige, gut verständliche regeln, keine komplizierten ausnahmen ... und kanos hinweis, daß JEDER schwarzgurt aufgrund eigener erfahrung und eigenen wissens einen judo(wett)kampf schiedsen können sollte.
auf die idee, mattenrand-regeln aufzustellen oder "verbotene faßarten" aufzulisten oder "passivitätsstrafen" für gute defensivarbeit zu verhängen wäre damals kein judoka gekommen.
goldene zeiten ...
:)

dann die rasante verbreitung des judo in japan und damit einhergehend die ersten (vorsichtigen) regelerweiterungen.
dann 1910 wird judo schulsport - und unterliegt einer gravierenden veränderung, die von tsunetane oda (10. dan) und anderen hochrangigen judoka schon damals abgelehnt und kontrovers diskutiert wurde.

dann die verbreitung weltweit - und im nachtrab des II.wk verliert japan die deutungshoheit über das judo.
und dann traten leute wie der obenstehend zitierte also torti an, um das judo nach ihren vorstellungen umzumodeln.

auch der in deutschland nicht ganz unbekannt erich rahn hat daran seinen anteil:

“Bedauerlicherweise aber haben sich bei uns Auswüchse bemerkbar gemacht, die für europäische Begriffe, einen objektiven Beschauer eigenartig anmuten. Zeremonielle Handlungen und vokabulare Bezeichnungen des Japaners wurden kritiklos übernommen. Die bei uns typische Bereitschaft alles ausländische nachzuahmen, ohne sich der Mühe zu unterziehen, nach dem wirklichen Ursprung der Dinge zu fragen und danach zu beurteilen, haben den Japanern den Weg bereitet. Man ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern bestrebt, den sportlichen Zweikampf dem abendländischen Sportgedanken anzupassen, wie auch ich es, seit Anbeginn meiner Laufbahn, angestrebt habe. Schon vor Jahren wurde ein Welt-Jiu-Jitsu- und Judo-Bund unter dem Namen IWJF (Internationale Welt-Jiu-Jitsu- und Judo-Föderation) ins Leben gerufen, die es sich zum Ziel gesetzt hat, einem abendländischen Jiu-Jitsu und Judo auf den Weg zu helfen.”
(Erich Rahn: “ Neue Kniffe und Griffe im Jiu-Jitsu / Judo, waffenlose Selbstverteidigung”, Falken-Verlag Erich Rahn, o. J., Seite 9)

so sieht's aus.
das sind die ursachen ... und wenn ein kampfsystem, welches eigentlich wesentlich mehr umfasst als die dinge, die man für einen sportlichen wettkampf braucht, auf die erfordernisse dieses sportlichen wettkampfes zusammengestrichen wird, dann kommt dabei stückwerk raus.
wenn das dann auch noch mit politischen interessen vermengt wird ...
:(

Gast
19-12-2016, 14:03
ich glaube, ich zitiere doch nochmal kano, denn viele scheinen sich noch nie gedanken darüber gemacht zu haben, was der gründer des judo eigentlich wollte ... und was er zu seinem judo so alles zu sagen hatte ...

wettkämpfe, die nur und ausschließlich das ziel hatten, einen sieger zu ermitteln, lehnte kano ab.

„ ... folglich kommt den Wettkämpfen ein vergleichsweise geringer Wert zu, löst man sie von der Ausbildung der Sittlichkeit (Dokusei no kanyo).“

(KANO Jigoro in : „Das Ziel der Wettkämpfe und die Methode der Umsetzung“, Tokyo 1925)


dezidiert hat er sich auch an anderer stelle zum thema "judo und sport" geäußert. wettkampf war für ihn nichts anderes als eine (nicht allzusehr reglementierte) möglichkeit, zu überprüfen, was im training gelernt wurde:

(1) Da sind jene, die Wettkampfsportarten angreifen und sagen, daß wir in Japan unsere eigenen Kampfkünste (Bujutsu) haben, welche ausgezeichnet geeignet sind für körperliche und geistige Erziehung, so daß wir es nicht nötig haben, uns Probleme aufzuladen welche mit einem Import irgendwelcher Sportarten verbunden sind.
Wenn wir unser eigenes Bujutsu praktizieren, dann sind wir dem Geist des japanischen Volkes aufs Natürlichste verbunden, und es ist gleichzeitig ein Training unserer eigenen Tugenden. Importierte Sportarten werden diesen Geist auch vorzutäuschen versuchen, und wir sollten uns gegen das Fremde behaupten.

(2) Dann gibt es da jene, welche die guten Aspekte des Sports betonen und sagen, daß auch Jûdô bekanntgemacht und verbreitet werden sollte als eine Form des Wettkampfsports, und daß es in seiner Praxis komplett reduziert werden sollte auf eine wettkampftaugliche, sportliche Form, gleich vielen anderen Sportarten.

Keiner dieser Standpunkte ist korrekt, und man muß sagen, daß keiner dieser Standpunkte die Beziehung zwischen Jûdô und anderen Sportarten definiert.


Wie ich oft erklärt habe, ist Jûdô ein WEG, welcher eine große Universalität ausdrückt.
In der Vielzahl seiner Anwendungen gibt es viele verschiedene Blickwinkel, so z.B. vom Standpunkt der Kampfkunst aus, vom Standpunkt der Körpererziehung aus, in Bezug auf die Kultivierung der Intelligenz und der Tugend, und es gibt Methoden, Jûdô auf die Belange des täglichen Lebens zu übertragen.

Wettkampfsport ist eine Art von Sport, in dem es um den Kampf bis zum Sieg geht, das beinhaltet ein natürliches Training des Körpers. Es ist auch eine System moralischer Kultur.
Wenn Wettkampfsport korrekt dieser Linie folgt, dann hat er große Erfolge im physischen und auch psychischen Training vorzuweisen, und darüber kann es keinen Streit geben.

Aber der Inhalt des Wettkampfsportes ist simpel und sehr begrenzt, während der Inhalt des Jûdô sehr komplex und weitgefaßt ist. Wettkampfsport beinhaltet nur einen kleinen Teil des Jûdô. Natürlich kann man Jûdô als einen simplen Wettkampfsport ansehen, und es mag genügen, das so zu tun. Aber der vollständige, ultimative Inhalt des Jûdô kann so nicht vermittelt werden. Man kann bemerken, daß es in unseren Tagen die Absicht gibt, Jûdô dahin zu drängen, daß es den Richtlinien eines Wettkampfsportes folgt, doch man darf nicht vergessen, was die wirkliche Essenz des Jûdô ist und worin diese liegt.“

(Kano Jigoro „What we learn from Jûdô“ in : Trevor Legget „The Spirit of Budô“ S. 99)

was daraus gemacht wurde, kann man im obenstehend zitierten statement aldo tortis (1952) nachlesen ...
und DAS sind die urschen und grundlagen der probleme, die es mit dem regelwerk des judo und seinen permanenten verschlimmbesserungen bis heute gibt.

ich denke, das reicht dazu erstmal an informationen. vielleicht ist dem einen oder anderen nun etwas deutlicher geworden, woran das "moderne sportjudo" letztlich krankt ...

washi-te
19-12-2016, 14:27
so sieht's aus.
das sind die ursachen ... und wenn man ein kampfsystem, welches eigentlich wesentlich mehr umfasst als die dinge, die man für einen sportlichen wettkampf braucht, auf die erfordernisse dieses sportlichen wettkampfes zusammengestrichen wird, dann kommt dabei stückwerk raus.
wenn das dann auch noch mit politischen interessen vermengt wird ...
:(

Ja. :D

.. man traut sich ja kaum noch was zu sagen, wenn rambat hier durch ist. Ich möchte nur nochmal anmerken, daß das m. E. nahezu 1:1 auch fürs Karatedo gilt.

Münsterländer
19-12-2016, 14:40
Ja. :D

.. man traut sich ja kaum noch was zu sagen, wenn rambat hier durch ist. Ich möchte nur nochmal anmerken, daß das m. E. nahezu 1:1 auch fürs Karatedo gilt.

tjaja, der gefürchtete "Rambat's Rant":D
freut mich jedes mal, ist immer sehr lehrreich.

Gast
19-12-2016, 15:34
'schulligungk ...
bin ja schon still.

:o

marq
19-12-2016, 15:42
du gehst von der prämisse aus, judo sei a priori als wettkampfdisziplin entwickelt worden und die teilnahme an wettkämpfen und vor allem an den olympischen spielen sei das wichtigste und höchste ziel des judo. nee das geht überhaupt nicht daneben, leichtathletik und viele andere wettkampfsportarten sind ehemalige kriegskünste und auch als sportdisziplin weiterentwickelt worden. auf sognante fun sportarten werden weiterentwickelt und es bilden sich wettkampfsportarten heraus.

auf den ursprung einer sportart zuverweisen ist daher grob falsch, denn du weisst ja auch nicht wie kano die situation in der heutigen zeit sehen würde, evtl würde er alles, was der weltverband gemacht hat und geändert hat, unterstützen.

sport bedeutet auch die anpassung an die heutige sportwirklichkeit und die heutigen sozial umstände. die besteht nunmal aus dem wettkampfsport und dem breitensport jeder sportart.

Judoka70
19-12-2016, 16:01
das hier jedoch finde ich geradezu irrsinnig:

wer also einen wurfansatz des gegners dadurch kontert, dass er einen selbstfallwurf anwendet, hat künftig verloren, da er ja "als erster mit seinem körper auf der matte landet" ...
:ups:

:ups: Das wäre heftig...:narf:

washi-te
19-12-2016, 16:08
auf den ursprung einer sportart zuverweisen ist daher grob falsch, denn du weisst ja auch nicht wie kano die situation in der heutigen zeit sehen würde, evtl würde er alles, was der weltverband gemacht hat und geändert hat, unterstützen.

sport bedeutet auch die anpassung an die heutige sportwirklichkeit und die heutigen sozial umstände. die besteht nunmal aus dem wettkampfsport und dem breitensport jeder sportart.

Liest du nicht? Er hat sich doch eindeutig geäußert!

Und auch in der heutigen "Sportwirklichkeit" gibt es- gerade in den KK - Leute, die darin nach wie vor mehr sehen als einen Sport. Und die der durch die Versportung bedingten technischen und geistigen Verarmung der jeweiligen Disziplinen etwas entgegensetzen wollen.

Gast
19-12-2016, 16:14
@marq:

ich glaube nicht, daß du dich bisher intensiv mit kanos texten beschäftigt hast ...



leichtathletik und viele andere wettkampfsportarten sind ehemalige kriegskünste und auch als sportdisziplin weiterentwickelt worden. auf sognante fun sportarten werden weiterentwickelt und es bilden sich wettkampfsportarten heraus.
das trifft auf judo nicht zu, da kano sich exakt DAGEGEN abgrenzte.
eines der entsprechenden zitate habe ich ja bereits gepostet.



auf den ursprung einer sportart zuverweisen ist daher grob falsch, denn du weisst ja auch nicht wie kano die situation in der heutigen zeit sehen würde, evtl würde er alles, was der weltverband gemacht hat und geändert hat, unterstützen.
da du weder kanos texte kennst, in denen er sein judo immer und immer wieder gegen das abgrenzte, was er als "sport" bezeichnete, noch selber weißt, was kano HEUTE sagen würde, ist deine einlassung gegenstandslos.

es spielt auch überhaupt keine rolle, was kano HEUTE möglicherweise zur entwicklung des judo sagen würde - das ist nämlich reine spekulation und daher irrelevant.

belegt werden kann, was er zu seinen lebzeiten über den unterschied zwischen sport und judo sagte und schrieb, und daran halte ich mich.

dir steht es frei, das zu ignorieren, aber dann argumentiere bitte auch nicht unter einbeziehung dessen, was du dir so unter kanos absichten vorstellst ...
;)

das wäre nämlich "grob falsch".



sport bedeutet auch die anpassung an die heutige sportwirklichkeit und die heutigen sozial umstände. die besteht nunmal aus dem wettkampfsport und dem breitensport jeder sportart.
vielleicht doch noch mal nachlesen, was kano so alles über den gravierenden unterschied zwischen sportarten westlicher prägung und seinem judo schrieb?

vielleicht mal kanos intentionen nachlesen in seinem aufsatz "judo as martial art"?
findest du u.a. hier: "Kano Jigoro, "Jûdô no Konpongi ni Tsuite", 11. November 1937, veröffentlicht in: Jûdô, Vol. 8, No. 11, Tokyo"


"In the past, the techniques of judo were oriented toward the martial arts. The Kodokan of today incorporates BOTH the martial arts and physical education.
Naturally, with its addition role to play in the advancement of physical education, concerns may be raised that judo is less effective as a martial art now than in the past, when it was practiced solely as a martial art, but that is not the case.
Precisely BECAUSE it is practiced as both martial art and physical education, its true power as a martial art can be exercised."
ich lese da etwas von "martial arts", ich lese da etwas von "physical exercises" (kano präzisiert das noch und spricht von "leibeserziehung" und sogar von "nationaler leibesertüchtigung").
von (wettkampf)-SPORT im westlichen sinne lese ich da nichts.

nebenbei - kano war bis 1922 präsident der japanischen vereinigung für amateursport. er setzte sich sehr dafür ein, verschiedene SPORTARTEN in japan einzuführen, da er deren wert durchaus zu schätzen wüßte.
allerdings unterschied er immer und immer wieder in vielen, vielen texten zwischen SPORT und seinem judo.
sollte man wissen.

da du es sicher überlesen hast, zitiere ich noch einmal für dich:

„Ich bin verschiedentlich gefragt worden, ob Jûdô möglicherweise in die Reihen der olympischen Disziplinen aufgenommen werden sollte. Ich würde es bevorzugen, mich dazu eher nicht zu äußern. Wenn einige Mitglieder (des IOC) dies wünschen, werde ich keine Einwände erheben.
Ich fühle mich jedoch in keiner Weise veranlaßt, in dieser Hinsicht irgendwie aktiv zu werden.
Zum einen ist Jûdô in Wahrheit alles andere als ein Sport oder ein Spiel.
Ich schuf es als ein Lebensprinzip, als Wissenschaft, als Kunst. Es dient in der Tat der eigenen, auch kulturellen Vervollkommnung.
Nur eine einzige Form des Jûdôtrainings, das Randori, könnte eventuell als eine Form des Sports angesehen werden.“
(Kano Jigoro in: „Budôkwai Bulletin“, veröffentlicht im April 1947)

möglicherweise hat der gründer des judo doch etwas genauer gewußt, was sein judo sein sollte ...?

die begründung "heute ist das aber alles ganz anders!" lasse ich ja durchaus gelten (kann ja jeder machen was er will), verwahre mich aber strikt dagegen, daß ein zum bloßen wettkampfsport westlicher prägung transformiertes, technisch und inhaltlich verarmtes judo noch das judo jigoro kanos ist.
wer etwas anderes macht als das, was kano als judo definiert hatte, der kann das tun - aber sich nicht mehr auf kano berufen und schon gar nicht auf dessen "eventuelle ansichten, die er HEUTE VIELLEICHT hätte" ...


nota bene:
kleiner hinweis noch auf die art des randori, die im kodokan und im butokukai bis zur jahrhundertwende (und bei uchida und anderen sogar weit darüber hinaus) üblich war:

Für den Kampf, in dem geschlagen und gestoßen wird, ziehen sich die Gegner Handschuhe an, so daß die Methoden des randori-Kampfes kaum Einschränkungen unterliegen.
(Kanô 1889 in : Niehaus 2003, S. 285 ff)
:D

marq
19-12-2016, 16:25
nein habe ich auch nicht. es spielt auch keine rolle, da es um den sport heute geht. insofern ist es auch nicht so relevant, wie du immer behauptest, wie und was kano dachte. warum muss man sich daran halten? nichts bleibt unverändert.

Gast
19-12-2016, 16:34
ach ja ... zum unterschied zwischen dem heutigen SPORT-judo und dem, was kano sich so vorstellte, viellecht noch die eine oder andere anmerkung ...


First, you must not forget that judo improves the body. This is of course obvious and widely acknowledged, but in fact, the majority of those who practise judo do not necessarily do so as a form of physical education.
When practiced regularly and continuously, judo will yield great benefits, but most people do not observe this rule.
Those who believe that simply going to the dojo is the practice of judo may feel they should stop training if circumstances make it hard for them to attend the dojo. But judo is not only training at the dojo; judo can be practiced without a partner, and there are various training methods, including punches and thrusts, kicks, as well as dodging and moving forward and back. If you do not neglect to train in these ways, it is possible to practice without going to the dojo.
(Jûdô no Shugyo wa Kaku Homen no Renshu o Kanete Okonatte Koso Shin no Igi o Yusuru”, 9. September 1921, veröffentlicht in: Yuko no Katsudo, Vol. 7)



"In addition to being masters in the skills of unarmed combat, judo instructors should also be skilled in the arts of bojutsu and kenjutsu".
(Kano in: "Judo memoirs", 1928, siehe auch Niehaus, S. 222)



"The reason for the kinds of abuses that have arisen today is that people have forgotten that randori practice means fighting in earnest.
If one fights in earnest, a stance in which you lower your hips, spread your legs, and tilt your head forward is extremely disadvatageous.
Both your face and your chest are vulnerable to your opponent's atemi.
Atemi is not used in everyday randori practice, but you MUST nevertheless practice with the expactation that your opponent may attack using atemi at any time."
(Kano in: Naoki Murata, "Mind over Muscle", s. 139)


wie wäre es noch mit diesem zitat?
sumitomo arima war im judo nicht irgendwer ...

According to circumstances, atewaza (art of striking vital points) is preferable to nagewaza and katamewaza, especially when you are confronted by a number of antagonists"
(Sumitomo Arima: "Judo japanese physical culture", 1904)


ach ja - und dann vielleicht noch das hier, um kanos standpunkt in bezug auf sport und wettkämpfe nach westlichem sportverständnis zu verdeutlichen:

Auch äußerte sich Kano während eines Empfangs im Pan Pacific Club am 14. Juni 1935 in einer von ihm gehaltenen Rede dahingehend, daß die Überbetonung des Wettkampfes, etwa im Rahmen von Meisterschaften, das Judo verändern und einschränken würde. Wer eine Meisterschaft gewinnen wolle, der würde im Kampf jedes Maß verlieren. Viele wichtige Techniken könnten daher nicht mehr angewandt werden, da sie zu erheblichen Verletzungen führten. Das aber führe vom eigentlichen Sinn des Kodokan Judo weg.
(vgl. Japan Times, 16. Juni 1935)

so, ich denke, nun sollte einigermaßen klargeworden sein, worin der unterschied besteht zwischen einer sportart nach westlichem/europäischem verständnis und dem, was kano unter seinem judo verstanden wissen wollte.

vielleicht wird daran auch erkennbar(er), woher die probleme mit dem regelwerk kommen ...

Gast
19-12-2016, 16:51
nein habe ich auch nicht. es spielt auch keine rolle, da es um den sport heute geht. insofern ist es auch nicht so relevant, wie du immer behauptest, wie und was kano dachte. warum muss man sich daran halten? nichts bleibt unverändert.

wie ich bereits sagte: jeder kann heute judo so interpretieren wie er will.
ABER dann sollte man sich weder auf kano berufen noch darüber spekulieren, was kano wohl heute an der derzeitigen entwicklung des judo ganz toll finden würde ...

;)

judo ist sicher auch als sportart ohne weitergehende ansprüche eine tolle sache.
und wird von einer mehrheit auch so gesehen.
aber eine mehrheitsmeinung ist nicht automatisch richtig, nur weil sie von einer mehrheit vertreten wird.

mir ging es darum, die probleme, die bei der ständigen erweiterung und veränderung des regelwerks des sportjudo auftreten, ein wenig in einen zusammenhang mit der historischen entwicklung des judo zu stellen.

und nebenbei - nur weil kanos judo heute "old school" ist, heißt das nicht, daß es überholt oder wirkungslos wäre.
das dazu ...
:winke:

marq
19-12-2016, 21:07
aber eine mehrheitsmeinung ist nicht automatisch richtig, nur weil sie von einer mehrheit vertreten wird.

und nebenbei - nur weil kanos judo heute "old school" ist, heißt das nicht, daß es überholt oder wirkungslos wäre.

ad 1: richtiges oder falsches judo gibt es demnach nicht.

ad 2: ich behaupte nicht, dass durch die entwicklicklung das judo besser oder richtiger oder wirkungsvoller ist. und das old school hat wahrscheinlich auch seine berechtigung, die ich ja nicht bestreite.

Kraken
19-12-2016, 21:15
nein habe ich auch nicht. es spielt auch keine rolle, da es um den sport heute geht.

Ich verstehe dich. :)


@Rambat: Ich glaube, er meint, dass auch Kano von seiner Zeit beeinflusst war. Nur genau die Voraussetzungen von Kano in genau dieser damaligen Zeit Japans haben zu genau diesem Resultat geführt.

Wäre Kano als Kind von Inuit in der Arktis aufgewachsen, wäre sein Leben in vielerlei Hinsicht anders verlaufen.

Und vielleicht ist Judo heute nicht mehr Judo im Sinne von Kano, und trotzdem eine gute Form des Judo für die heutige Zeit, die auch ihren Nutzen hat.

Gast
19-12-2016, 21:54
ad 1: richtiges oder falsches judo gibt es demnach nicht.
es gibt (wenn auch nur noch selten) ein judo, das sich an den prämissen des gründers orientiert.
es gibt das sportjudo, das in vielem das exakte gegenteil dessen ist, was kano als "judo" definierte.
und es gibt die große masse derer, denen es völlig wurscht ist, was kano wollte, wie judo mal ausgesehen hat und was alles zum curriculum des judo gehörte.

eine instanz, die berechtigt wäre, zu definieren was judo ist und was nicht, gibt es seit kanos tod nicht mehr, da hast du allerdings recht.
ich persönlich springe aber nicht auf den zug der beliebigkeit auf ...
;)



ad 2: ich behaupte nicht, dass durch die entwicklicklung das judo besser oder richtiger oder wirkungsvoller ist. und das old school hat wahrscheinlich auch seine berechtigung, die ich ja nicht bestreite.
wie gesagt, mir ging es nur darum, aufzuzeigen, woher viele probleme mit dem regelwerk des judo rühren.
wenn man etwas wie kanos judo nimmt, hier ein wenig ändert, da ein wenig "verbessert", dort den sinn entstellt und außerdem noch ganz viele sachen im laufe der jahre einfach wegläßt, weil man sie entweder nicht kennt oder nicht versteht, darf man sich nicht wundern, wenn das ganze irgendwie ... rumpelt und knarzt.
wenn man dann auch noch immer neue regeln einführt, die dem sinn des judo absolut widersprechen ("passivitätsstrafen" für geschickte defensivarbeit), und wenn man offensichtliche fehlentwicklungen im regelwerk nicht abstellt, sondern durch zusätzliche, weitere regeln zu korrigieren versucht, wird's abenteuerlich ...

so jedenfalls sehe ich das.
:)

Gast
19-12-2016, 22:02
@Rambat: Ich glaube, er meint, dass auch Kano von seiner Zeit beeinflusst war. Nur genau die Voraussetzungen von Kano in genau dieser damaligen Zeit Japans haben zu genau diesem Resultat geführt.
richtig.
sehe ich ganz genauso.
man muß judo in seiner soziokulturellen gebundenheit der entstehungszeit sehen, um den kontext verstehen zu können.
NUR - wenn man diesen kontext eben nicht kennt und sich nicht dafür interessiert, wird die herumschrauberei am technischen curriculum des judo und an den wettkampfregeln so etwas hervorbringen wie das derzeitige sportjudo mit seinem unsinnigen, ständig umgeschriebenen regelwerk.

wenn man den kontext des judo und den kontext von kanos intentionen nicht kennt, kann man die gravierenden veränderungen, die das judo seit ca. 1960 erfahren hat, nur schwer erkennen.



Wäre Kano als Kind von Inuit in der Arktis aufgewachsen, wäre sein Leben in vielerlei Hinsicht anders verlaufen.
ja sicher.
bestreite ich nicht. nu isser aber als japaner in japan aufgewachsen ...



Und vielleicht ist Judo heute nicht mehr Judo im Sinne von Kano, und trotzdem eine gute Form des Judo für die heutige Zeit, die auch ihren Nutzen hat.
nutzen in welcher hinsicht?
sport?
oder doch eher mehr als das, so wie es kano wollte?

sportjudo, ich wiederhole mich, ist eine feine sache. ich komme auch von dort.
aber wenn es NICHT mehr kanos judo ist, dann sollte man auch so konsequent sein und sich nicht mehr auf kano berufen.
leider holen die nationalen verbände ganz gern mal den ollen kano aus'm schrank, wenn's grad ins konzept paßt ... verleugnen ihn aber oder stellen seine intentionen als "überholt" hin, wenn sie dinge tun, die seinen absichten diametal entgegengesetzt sind.

und es nervt mich, wenn selbstgerechte kampfrichter schwadronieren, daß erst "durch die neuen verbesserten regeln die ganze wirksamkeit des judo zum tragen kommen kann" (weil kano ja doof war) ... während man beim genaueren hinsehen erkennt, daß diese regeln in den meisten fällen nichts anderes als weitere einschränkungen der möglichkeiten des judo sind.

panzerknacker
19-12-2016, 22:04
mit dem Unterschied das Kano aus Altem etwas Neues geschaffen hat und dem einen neuen Namen gegeben hat, inklusive philosophischer Betrachtung

sollte man bei den modernen Sportvarianten vielleicht ´mal überlegen sich umzubenennen
ist ja beim Karate genauso, wobei die in den 70ern zumindest ´mal Kickboxen entwickelt haben oder in den 90ern K1

Münsterländer
20-12-2016, 07:24
Hier wird ja oft argumentiert, dass die andauernden neuen Regeländerungen die Kampfkunst Judo "kastriert" haben.
Als einer der Auslöser wurde die Teilnahme der Judoka bei den olympischen Spielen erwähnt. Judo ist seit 1964 (Tokio) Bestandteil der olympischen Spiele. Aber ältere "Kampfkünste" wie Boxen (1904) oder Ringen (1896) haben diese markanten Regeländerungen doch nicht erfahren?!
Wieso werden also ausgerechnet beim Judo derartige Regeländerungen eingesetzt, die den Kampfkunst so verändern?

Ich könnte mir vorstellen, dass es (neben den hochinteressanten historischen Bedingungen ,die rambat erläutert hat) auch noch daran liegt, das Judo zumindest nach Vorstellung der Verantwortlichen, unbedingt olympisch bleiben soll.

Um deine Vergleiche aufzugreifen: Boxen hat seit jeher seine Nische als populärste und (in Westeuropa) traditionsreichste Kampfsportart mit Fokus auf Schlägen. Ringen mit abstrichen dito was im weitesten Sinne Grappling angeht (zumindest in den Staaten ja noch sehr populär). Beide zudem im wahrsten Sinne des Wortes Ur-Olympisch.

Judo ist dagegen im Vergleich zu den beiden direkt noch ein Neuling im Olympiazirkus. Es kann sich seine Daseinsberechtigung nur aus seiner Attraktivität für die Zuschauer generieren.
Es muss sich ein Alleinstellungsmerkmal sichern, sich also von allen anderen vergleichbaren Sportarten abgrenzen und gleichzeitig attraktiver als diese bleiben. Sonst könnte es irgendwann heißen: Sorry Judo, wir machen jetzt lieber nur noch Ringen, oder Bjj oder Sambo oder weiß der Henker.

Sind die Regeländerungen geeignet, dies zu erreichen? Da wäre ich skeptisch. Aber ich glaube durchaus, dass dies unter anderem die Absicht dahinter ist.

P.S.: ich weiß, dass auch Ringen nicht unumstritten ist. Aber ich persönlich glaube durchaus, dass gerade die lange olympische Tradition des Ringens dazu beigetragen hat, dass es bisher nicht rausgeflogen ist. Eben auf diese kann Judo im Ernstfall nicht bauen.

Mindless
20-12-2016, 08:08
Ich bin zwar kein Kampfkünstler, aber wenn ich die Diskussion hier so betrachte, fällt mir auf, dass etliche meiner Meinung nach nicht sehen, worauf rambat hinaus will.

Wettkampfjudo, wie es heutzutage betrieben wird, hat durchaus seinen Nutzen (in vielerlei Hinsicht vom Fitness-Aspekt des Übenden bis zum finanziellen der Veranstalter), hat jedoch mit dem, was Kano ursprünglich im Sinn hatte, wenig zu tun, da die Zielsetzungen beider Judovarianten sich sogar völlig widersprechen.

Das erinnert mich ein bischen an Parkour und Roofing. Es ist nützlich für einen Roofer, Parkour zu laufen, hat jedoch mit der Grundidee des Parkour, möglich effizient von A nach B zu kommen nichts mehr zu tun, da Parkour auch eine Lebensweise darstellt, sich gesund und körperschonend zu bewegen und nicht, sich den Kick auf dem Baukran zu holen. Das kann man durchaus machen, ist jedoch etwas anderes, folgerichtig bezeichnen sich die Leute dann auch als Roofer.

Judo sehe ich da ähnlich gelagert, nur dass man die Bezeichnung Judo für alle möglichen Varianten beibehalten hat. Genauso wenig, wie ein Roofer das Prinzip "des möglichst geringen (Verletzungs-)Risikos" des Parkour erfüllt, erfüllt der heutige Judoka die Prinzipien Kanos. Das Problem dabei ist, dass die meisten Judokas aber glauben, genau das zu tun.

Gast
20-12-2016, 08:45
Genauso wenig, wie ein Roofer das Prinzip "des möglichst geringen (Verletzungs-)Risikos" des Parkour erfüllt, erfüllt der heutige Judoka die Prinzipien Kanos. Das Problem dabei ist, dass die meisten Judokas aber glauben, genau das zu tun.

glauben die das?
Was sind denn Deiner Meinung nach die Prinzipien Kanos und was meinst Du, was die meisten Judoka fälschlicherweise meinen, dass die Prinzipien wären?

washi-te
20-12-2016, 08:55
glauben die das?
Was sind denn Deiner Meinung nach die Prinzipien Kanos und was meinst Du, was die meisten Judoka fälschlicherweise meinen, dass die Prinzipien wären?

Vielleicht mal die vorangegangen Beiträge lesen?

Gast
20-12-2016, 12:26
Zitat von Aruna
glauben die das?
Was sind denn Deiner Meinung nach die Prinzipien Kanos und was meinst Du, was die meisten Judoka fälschlicherweise meinen, dass die Prinzipien wären?
ich antworte mal darauf ...

ich weiß nicht, was "die meisten judoka glauben".
fest steht aber, daß die überwiegende mehrzahl der (europäischen / deutschen) judoka noch nie von kanos prinzipien gehört, geschweige denn ihr training daran ausgerichtet hat. das konstatiere ich lediglich, ich werte es erst einmal nicht.

fest steht auch, daß manche funktionäre des sportjudo gern mal "kanos prinzipien" im munde führen, wenn es opportun erscheint. fragt man dann nach, werden diese prinzipien höchstens ganz verschwommen und verschwurbelt "erläutert"; konkrete aussagen kommen da so gut wie nie.

die prinzipien kanos für sein judo kann ich dir nennen. aber kannst du damit auch etwas anfangen?

allein das, was bei judoka (falls sie überhaupt schon einmal etwas davon gehört haben) als "erklärung" für kanos maxime seiryoku zen'yo herhalten muß, ist zum weinen schlecht und meist völlig falsch.
wird die maxime jita kyoei "erklärt", möchte man nur noch den kopf heftig auf die tischplatte hauen.
und zwar den des "erklärers".

bunbu ryodo? kobo itchi? nie gehört.

riai no ri? ikioi no ri? hazumi no ri? schon mal gehört?
sawi no toru? jukuryu danko?
welcher judoka kennt heute noch diese prinzipien? oder richtet sich danach?

stattdessen hört man allenthalben die lustige folklore vom judo als dem "siegen durch nachgeben".
ganz so, als ob diese unsinnige "übersetzung" nicht längst durch das wettkampfgeschehen widerlegt wäre.

Hug n' Roll
20-12-2016, 15:56
Unabhängig davon, daß ich Rambats Einlassungen zum Thema ob der Fachkenntnis sehr schätze und dem Geschriebenen uneingeschränkt zustimme, noch eine Anmerkung:

"Judo" ist ein Begriff (geworden), der mehr eine Projektionsfläche für verschiedene Dinge, denn eine klare Definition eines Stils ist.

Wenn Rambat von Judo spricht, meint er wohlweislich was völlig anderes, als z.B. Marq. Die IJF versteht unter Judo offensichtlich was anderes, als z.B. der Kodokan oder andere Einrichtungen.
-Ich spreche u.a. deshalb bewusst von "meinem" Judo, wenn ich gefragt werde, was ich praktiziere.

Ohne zu wissen, was Kano heute denken, tun oder lassen würde, kann man dennoch feststellen, daß er zu seiner Zeit eine klar definierte KK geschaffen hat.
Und ohne was auch immer daraus zu schliessen, lässt sich festhalten, daß diese Eindeutigkeit aufgrund verschiedener Entwicklungen verloren gegangen ist.

Mindless
21-12-2016, 00:43
glauben die das?
Was sind denn Deiner Meinung nach die Prinzipien Kanos und was meinst Du, was die meisten Judoka fälschlicherweise meinen, dass die Prinzipien wären?

Was ich über Kanos Prinzipien denke ist doch völlig egal, Kano selbst hat sie doch dargelegt und nur darum geht es. Zitate kannst du dir bei rambat zur genüge reinziehen.

Die meisten Wettkampfjudokas meinen jedoch (oder deren Verbände), sie hätten sie verstanden. Sehe ich nicht so.