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Vollständige Version anzeigen : Rechtslage/Möglichkeiten in einer SV-Situation



Kleinekante84
15-07-2004, 19:58
Hab mir gerade mal die Ausführungen über Notwehr/Körperverletzung angeschaut und hab mal verschiedene Fragen, wie ich mich in einer "Selbstverteidigungssituations" verhalten darf/muss um nicht die NOTWEHR zu überschreiten.

1.1.Verteidigung meiner Ehre (darf ich mich körperlich verteidigen?)
Situation:

1.1.1 Ich geh mit meiner Freundin durch die Straße und ich (meine Freundin) werde von einem Typen beschimpft mit Wörtern wie "*********" etc.
(Normalerweise reagiere ich da gar nicht drauf) Darf ich nun die Person
1. Ohrfeigen? 2.Schlagen? 3.Anfassen und Bedrohen? oder 4.gar nix?

1.1.2 Mich beschmutzt eine Person absichtlich z.B. mit dem Inhalt eins Glases.
Wie darf ich mich da verhalten?

1.2 Verteidigung von Eigentum
1.2.1 Jemand bestiehlt mich z.B. raubt mir meine Geldbörse oder versucht dieses zumindestens. Wie darf ich mich verhalten?
und jemand versucht mein 1.2.2 Fahrrad zu stehlen (ich erwische ihn wie er das Schloss knackt)?

Kennt sich hier jemand aus wie man sich in den Situation musterbeispielhaft (Verhältnismäßig richtig) reagiert um einerseits nicht als Depp dazustehen und sich aber auch nicht strafbar macht. Hat wer Erfahrung?

Außerdem: In folgenden Situation habe ich mich auch schon mal wiedergefunden und wußte nicht wie ich reagieren sollte bzw. durfte.
Was ist erlaubt?

Folgende Situationen:
2.1 Meine Freundin wird begrabscht (eine sehr unangenehme Situation, in der ich schnell die Nerven verliere :mad: ).
2.1.1 Wird einfach von Kerlen wiederholt angefasst (gegen ihren Willen)
2.1.2. Wird an unsittlichen/intimen Stellen angepackt

2.2.1 Werde von einem Kerl nach einem Streiten angefaßt. Wie reagiere ich da verhältnismäßig? Darf ich ihn mit einem MT-lowkick "begrüßen"?
2.2.2 Selbe Situation, nur bekomme ich 1. eine Ohrfeige oder werde 2. geschubst?

2.3 Mir schmeißt jemand eine Flasche (o.ä) an den 2.3.1 Rücken oder 2.3.2 Kopf? Was darf ich?

2.4 Jemand bedroht mich mit (Zitat, oder Sinngemäß!)
2.4.1 "Ich schlag dir die Fresse ein!"
2.4.2 "Ich bring dich um, du ...!"

Darf ich dann einen "Präventivschlag" ausführen, also zuerst angreifen?

Abschließend: Welche Technik überschreitet am seltesten in einer SV Situation die Notwehr. MT-Lowkick? Haken auf den SP? Schlag aufs Kinn?

Hoffe es kennt sich hier jmd. ein wenig aus bzw. hat ein bißchen Erfahrung. Weiß nie was ich wirklich darf oder was mich den Kragen kosten kann.
Sind viele Frage, aber ich hoffe ihr könnt mir weiterhelfen! Würde mich freuen!
Danke schonmal im voraus :)

Gruß Kante

Eversor
15-07-2004, 20:32
Ich bin zwar kein Experte, gebe aber trotzdem mal meinen Senf dazu.

1.1.1. Rein theoretisch darfst Du Deine Ehre (und die Deiner Freundin) verteidigen, nur muss das Mittel verhältnismäßig sein. Da ein Schlag unverhältnismäßig ist fallen Option 1 & 2 weg. Option 3 kann Dir als Aggression ausgelegt werden und wenn es zu einer Schlägerei kommt, dann hast Du ihn zuerst physisch angegriffen, da Du ihn gepackt hast. Ich tendiere der Vorsicht halber also zu Option 4.

1.1.2. Du darfst ihndaran mit geeigneten/angemessenen Mitteln hindern. Hat er Dich erstmal beschmutzt, dann ist es keine Notwehr mehr, weil der Angriff nicht mehr gegenwärtig ist. Sind die Klamotten definitiv ruiniert, dann könntest Du höchstens seine Personalien zwecks Anzeige verlangen und ihn, falls er sie nicht rausrückt, gemäß Strafprozessordnung wasweißich festhalten, bis der Trachtenverein Grünweiß (für Hamburger Blauweiß) kommt - falls Du ihn nicht kennst und Dir sonst niemand über seine Identität auskunft geben kann/will. Das ist allerdings nur hypothetisch zu sehen.

1.2. Verhältnismäßigkeit! So lange er Dein Rad oder Deine Geldbörse hat/bearbeitet besteht ein Angriff auf Dein Eigentum. Rennt er jedoch weg und wirft die Geldbörse fort, dann ist's mit dem Angriff vorbei. Selbiges gilt übrigens auch, wenn jemand das Rad Deines Onkels klauen will, dann darfst Du Nothilfe leisten.

2.1. Natürlich darfst Du sie verteidigen wenn er nicht freiwillig aufhört, aber erstmal nur so lange, bis er aufgehört hat. Gibst Du ihm einen Kinnhaken dürfte das in Ordnung sein. Packst Du ihn dann aber, während er weglaufen will, und prügelst seine Augen zu, dann ist das verständlich, aber keine Nothilfe mehr. Da es Deine Freundin ist sollstest Du dazu zumindest moralisch verpflichtet sein.

2.2.1. Kommt darauf an. Klopft er Dir versöhnlich die Schulter oder drückt Deine hand, dann mach das besser nicht ;)
Ansonsten, wenn er Streit sucht - Verhältnismäßigkeit. Also, Beine wegkicken ja, Eingriff/-tritt in die Erbfolge besser nicht.
2.2.2. Ohrfeige: Ja (denk an das V-Wort ;) ), Schubsen: kommt darauf an, ob es absichtlich war. Wenn ja, dann greift er dich ja an.

2.3. Anzeige erstatten wegen Körperverletzung - falls es keine leere Plastikflasche war. Ansonsten nur verhindern, dass er vielleicht die zweite auch noch wirft.

2.4. Wenn er das in einem aggressiven Ton sagt und Anstalten macht, seine Tat auch umzusetzen, dann steht ein Angriff unmittelbar bevor, dann darfst Du Deinen Präventivschlag führen.


Zu den MT-Techniken kann ich Dir leider nix sagen.

Triangolo
16-07-2004, 09:39
Ich möchte versuchen, Deine Vielzahl von Fragen kurz zu beantworten. Vorab vielleicht zu Deiner Info: Ich bin Richter und war auch eine Zeitlang Jugendstrafrichter, ich weiß also (hoffentlich) wovon ich rede:

Die Notwehr nach deutschem Recht ist nicht auf die Verteidigung körperlicher Rechtsgüter beschränkt, das heißt, auch eine Beleidigung (erfüllt sogar einen Straftatbestand) gibt Dir das Recht zur Verteidigung. Grundsätzlich und theoretisch ist es so, dass Du nach § 32 StGB stets immer dasjenige Mittel einsetzen darfst, dass am geeignetsten erscheint, einen Angriff sofort und endgültig zu beenden. Die Rechtsprechung hat dieses extrem weite Verteidigungsrecht aber immer mehr und mehr eingeschränkt, so dass - und jetzt gehe ich mal auf die rein praktische Seite ein - ich es nur jedem raten kann, sich äusserst vorsichtig zu verteidigen. Wer einem anderen die Kniescheiben zertümmert, weil er beleidigt wurde, kann mit Sicherheit davon ausgehen, bestraft zu werden. Auch wenn es nicht der Theorie entspricht ist meine praktische Erfahrung zudem, dass Männer, die Kampfsporterfahrung besitzen, im Falle einer Auseinandersetzung, auch wenn sie eigentlich in Notwehr gehandelt haben, ein erhebliches Risiko einer Bestrafung eingehen. Also kurz zusammen gefasst: Du solltest - sicherlich nicht nur aus juristischen Gründen - versuchen jeden Streit zu vermeiden und auch Provokationen ignorieren. Erst wenn es gar nicht mehr anders geht, würde ich mich verteidigen. Das ist aus meiner Sicht auf all Deine Fragen die richtige Antwort.

Vielleicht noch einige Ergänzungen: Wie mein Vorredner zu Recht betont hat, ist die Notwehr nur dann zulässig, wenn der Angriff noch andauert. Eine Verteidigung ist aber auch zulässig, wenn der Angriff unmittelbar bevorsteht, das ist die Situation, die Du mit Präventivschlag bezeichnest.

Ansonsten kann man zu dem Thema stundenlang referieren, woran Du bereits erkennen kannst, dass es immer eine heikle Angelegenheit ist, sich auf Notwehr zu verlassen. Praktisch kommt nämlich stets noch das Problem dazu, dass beide Seiten in einem Verfahren vor Gericht das Geschehen immer anders darstellen werden. Ein Richter hat dann die undankbare Aufgabe im Nachhinein die Wahrheit herausfinden zu müssen, ohne selbst dabei gewesen zu sein und ohne den Leuten in den Kopf schauen zu können. Garantie, dass der Richter Dir Deine Version des Geschehensablaufs auch glauben wird, gibt es dabei keine!

Ki. 102
16-07-2004, 10:33
2.4.1 "Ich schlag dir die Fresse ein!"
2.4.2 "Ich bring dich um, du ...!"

Vielleicht sollte man den Fragenkatalog an ausgewählte Richter und Anwälte schicken ... ? ;)

Da lässt sich schön d'rüber diskutieren, aber Gerichtsentscheidungen beziehen sich IMMER auf Einzelfälle, wobei dann alle möglichen Faktoren mit einbezogen werden, womöglich auch die subjektive Einschätzung des Richters. Deshalb kann man da unendlich diskutieren, aber Antworten im Sinne von "wenn das, dann darf man das" sind kaum möglich.

Was Anderes, heute aus der Zeitung: Da hat ein 24-jähriger seine Ehre verteidigt, indem er einem 34-jährigen, der ihn zuvor beleidigt hatte, vor einer Disco aufgelauert und eine abgebrochene Bierflasche ins Gesicht gestochen hat. Ein Auge verloren, Glassplitter drang 4 cm ins Hirn, bleibende Schäden, Leben ruiniert. Urteil: 2 Jahre 9 Monate Haft, 70.000 Euro Schmerzensgeld - (für's) Leben ruiniert.
Keine Notwehrsituation, klar, was ich sagen will: Nicht beleidigen und sich nicht beleidigen lassen (weitergehen) ist wahrscheinlich meistens das Beste.
GRUß !!

Harrington
16-07-2004, 11:08
1.1.1 Ich geh mit meiner Freundin durch die Straße und ich (meine Freundin) werde von einem Typen beschimpft mit Wörtern wie "*********" etc.
(Normalerweise reagiere ich da gar nicht drauf) Darf ich nun die Person
1. Ohrfeigen? 2.Schlagen? 3.Anfassen und Bedrohen? oder 4.gar nix?

Alles ohne Gewähr...

Gar nix...



1.1.2 Mich beschmutzt eine Person absichtlich z.B. mit dem Inhalt eins Glases.
Wie darf ich mich da verhalten?

Die Personalien verlangen zwecks Schadenersatzansprüche,wenn er nicht will Schmiere holen,u.U.an der Flucht hindern indem man sich in Weg stellt..Allerdings geht das dann schon wider in Richtung Freiheitsberaubung..


1.2 Verteidigung von Eigentum
1.2.1 Jemand bestiehlt mich z.B. raubt mir meine Geldbörse oder versucht dieses zumindestens. Wie darf ich mich verhalten?
und jemand versucht mein 1.2.2 Fahrrad zu stehlen (ich erwische ihn wie er das Schloss knackt)?

Gegenwärtige Situation,vorläufige Festnahme nach Jedermannsrecht,sowas muss ohne sichtbare Schläge von Statten gehen..

Folgende Situationen:
2.1 Meine Freundin wird begrabscht (eine sehr unangenehme Situation, in der ich schnell die Nerven verliere :mad: ).
2.1.1 Wird einfach von Kerlen wiederholt angefasst (gegen ihren Willen)
2.1.2. Wird an unsittlichen/intimen Stellen angepackt

Hm,erfüllt Straftatbestand der Nötigung und Körperverletzung,wäre Nothilfe,du darfst aber nur soweit gehen,das der/die Täter von ihrem Tun abkommen..(Hey,lass das doch sein..bla,bla,sich dazwischenstellen..)wenn sie dich dann angreifen,dann darfste...


2.2.1 Werde von einem Kerl nach einem Streiten angefaßt. Wie reagiere ich da verhältnismäßig? Darf ich ihn mit einem MT-lowkick "begrüßen"?

Nein...es sei denn es sieht keiner... ;)


2.2.2 Selbe Situation, nur bekomme ich 1. eine Ohrfeige oder werde 2. geschubst
Das selbe zurückgeben,aber nicht erst nach ner halben Stunde..


2.3 Mir schmeißt jemand eine Flasche (o.ä) an den 2.3.1 Rücken oder 2.3.2 Kopf? Was darf ich?

Dingfest machen nach Jedermannsrecht..



2.4 Jemand bedroht mich mit (Zitat, oder Sinngemäß!)
2.4.1 "Ich schlag dir die Fresse ein!"
2.4.2 "Ich bring dich um, du ...!"

Darf ich dann einen "Präventivschlag" ausführen, also zuerst angreifen?

Nein,nur wenn er auf dich zukommen würde und die Absicht keinen Zweifel lassen kann..


Abschließend: Welche Technik überschreitet am seltesten in einer SV Situation die Notwehr. MT-Lowkick? Haken auf den SP? Schlag aufs Kinn?

Kommt auf die Situation an,würde aber sagen immer der Schlag in die Fresse...


Gruß Kante[/QUOTE]

Ki. 102
16-07-2004, 13:39
Ich habe jetzt das gefunden:

www.nononsenseselfdefense.de/german/fight_selfdefense.html

Interessante page ! Ist auf Wachrütteln aus, aber gut geschrieben, sehr ausführlich und kenntnisreich ... wobei ich die Antworten hier auch sehr ordentlich finde. Der Fragenkatalog von KleineKante wirft aber eben noch einige weitere (ungestellte) Fragen auf, die ich fast noch wichtiger finde.
GRUß !!

Kostproben:
"Kämpfen ist illegal; Selbstverteidigung ist legal."

"Fangen Sie damit an, diesen Fakt zu akzeptieren: Die Polizei neigt dazu, den Gewinner eines Kampfes zu verhaften.

Der Grund, aus dem das so ist, liegt darin, dass in 95 Prozent der Fälle der Gewinner auch der „Aggressor“ war. ..."

"... Während die Haltung „lieber verurteilt von zwölf als getragen von sechs“ zwar tapfer klingt, ist die Art, wie die meisten Leute sie anwenden, ein ernsthaftes Leugnen der Realität. Die Realität ist nämlich, dass jemand ohne diese Art von [Kampf-]Training sich sehr wahrscheinlich umdrehen und rennen würde – und dadurch sowohl sein Leben retten als auch die Konsequenzen der Gewalt vermeiden würde."

Kleinekante84
16-07-2004, 18:33
Vielen Dank für die Antworten!

Ist ja mehr oder weniger herausgekommen, was ich mir schon gedacht habe bzw. wie ich in den meisten Situationen reagiert habe. Einfach den anderen Ignorieren und den Streit vermeiden ( und sich dann 2std. über die Penner zu Tode ärgern :mad: ).

Das mit dem Dingfestmachen/festhalten und personalien aufnehmen hört sich irgendwie schwachsinning an bzw. nicht wirklich auf die Realität zu übertragen an. Denn jeder "Aggressor" wird dir wohl direkt einen auf die Fresse hauen wenn du ihn dingfestmachst ( und später wird er wohl behaupten ich habe "angegriffen"). Außerdem nehmen mich die meisten Leute mit meinen 1,73m nicht gerade "ernst".
Obwohl, kann mich das in best. Situationen nicht begrünstigen. Wenn ich von einem 1,90m Kerl angemacht werde und mich aus "Angst" verteidige?

Eigentlich müsste doch jeder (Straf)Richter mal an einem SV-Seminar teilnehmen, damit die sich mal ein Bild von der ganzen SV-Problematik machen können. Lohnt es sich eigentlich bei einer Gerichtsverhandlung einen "Kampfsportsachverständigen" zu laden um seinen Notwehrbedarf noch zu stärken?

Ki. 102
18-07-2004, 18:06
Ist ja mehr oder weniger herausgekommen, was ich mir schon gedacht habe bzw. wie ich in den meisten Situationen reagiert habe. Einfach den anderen Ignorieren und den Streit vermeiden ( und sich dann 2std. über die Penner zu Tode ärgern :mad: ).

Ja, darauf läuft es hinaus, auch wenn das unbefriedigend erscheint.
...
Ich denke hier kommt die "geistige Dimension" der Kampfkünste ins Spiel :)
Das man so abgeklärt ist, dass man tatsächlich nicht kämpfen "muss", weil man niemandem (auch nicht sich selbst) etwas beweisen muss. Und auch nicht kämpfen will, weil man um die Konsequenzen weiß. (Und womöglich auch noch so mit sich und der Welt so im Reinen ist, dass man sich nicht mal über "die Penner" ärgert - jedenfalls nicht 2 Stunden lang ...)
Im Idealfall "strahlt" diese innere Haltung so nach außen, dass man quasi von vornherein deeskalierend wirkt (worauf man sich nicht verlassen sollte).

Wenn man "Karate Do - Mein Weg" von Gichin Funakoshi (dem "Begründer des modernen Karate") liest, ist man vielleicht erstaunt über die Beispiele für unbedingte Konkliktvermeidung (eine bezeichnende Überschrift: "Die Gefahr des Stolzes" ...), aber wenn man vernünftig überlegt, erkennt man die Richtigkeit dieser Haltung - die ein Ideal darstellt, das nicht unbedingt der Motivation entspricht, aus der heraus viele eine KK lernen.

"... wird jeder der die Kunst wirklich beherrscht, darauf achten, nicht an Plätze oder in Situationen zu kommen, wo er oder sie gezwungen sein könnte, sein Können anwenden zu müssen." Gichin Funakoshi

GRUß !!