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Vollständige Version anzeigen : Kampfsport zur Resozialisierung gescheitert?



Mario Mikulic
05-07-2017, 10:50
Anbei ein interessanter Artikel dazu. Anscheinend macht Kampfsport sogar aggresiv usw. Zur Resozialisierung (in der Schweiz) ungeeignet. Dies wird durch das Beispiel Carlos in dem Bericht aufgezeigt. Lernte im Knast Thaiboxen und haut jetzt alle weg im Knast.

20min (http://m.20min.ch/schweiz/news/story/19722682)

Aggressionen kann man nicht mit aggressivem Sport begegnen»

Für Strafrechtsexperte und Kriminologe Martin Killias ist es unverständlich und falsch, straffällig gewordene Jugendliche in Kampfsport zu unterrichten. «Sicher ist, dass so trainierte Personen gezielter zuschlagen können. Sie brauchen also weniger Schläge, um jemanden ausser Gefecht zu setzen.»

jkdberlin
05-07-2017, 11:24
Ich glaube, es ist nicht nur der Kampfsport, es ist auch die Person und deren charakterliche Eignung....

Willi von der Heide
05-07-2017, 11:37
Wer hatte denn diese glorreiche Idee mit dem Thaibox-Unterricht ?

amasbaal
05-07-2017, 11:50
ja, das ist so ne sache.

bin mir da nicht ganz im klaren drüber, was ich IM ALLGEMEINEN von solchen sachen halten soll.

den ersten kontakt mit boxen hatte ich mit einer jugend-trainingsgruppe, die über die "faustkämpfer kalk" im quäker nachbarschaftsheim in köln organisiert wurde. bin da hin, weil es nix kostete (und wurde von den Kids erstmal komisch angeguckt. war für die ein alter sack mit meinen 22 jahren).
ziel dieser trainingsgruppe war es hauptsächlich, "problematischen jugendlichen" eine art "beschäftigung" zu verschaffen, die sie zu einer gewissen disziplin (selbstkontrolle, pünktlichkeit, ausdauer/kontinuität im lernprozess usw.) zwingt und die sie "von der straße" holt.
der trainer, ali, war so was, wie eine legendäre gestalt damals. viele kennen den heute noch. er hatte die Kids voll im griff. war so ne art vaterfigur für die.
ich hatte damals den eindruck, dass DAS funktionierte...

Willi von der Heide
05-07-2017, 12:01
der trainer, ali, war so was, wie eine legendäre gestalt damals. viele kennen den heute noch. er hatte die Kids voll im griff.

:rolleyes:

... und einige der späteren Top-Gangster Kölns haben da eben auch trainiert:

N.A. ... B.B. ... A.T. ... und andere ...

Grundsätzlich ist das nicht verkehrt, kann aber auch nach hinten losgehen. Und in einer JVA da laße ich Tai Chi und/oder Aikido noch durchgehen, schon bei Judo wäre Schluß.

amasbaal
05-07-2017, 12:07
:rolleyes:

... und einige der späteren Top-Gangster Kölns haben da eben auch trainiert:

N.A. ... B.B. ... A.T. ... und andere ...

Grundsätzlich ist das nicht verkehrt, kann aber auch nach hinten losgehen. Und in einer JVA da laße ich Tai Chi und/oder Aikido noch durchgehen, schon bei Judo wäre Schluß.

mh... die jungs waren aber echt nett, damals.
da sieht man mal wieder: alles eine frage, WAS man mit jemandem zu tun hat ;)

klar: in der jva hat das auf jeden fall seine (engen) grenzen.

auf keinen fall wt anbieten. funktioniert ja in (telephon)zellen am besten :cool:

Willi von der Heide
05-07-2017, 12:12
auf keinen fall wt anbieten. funktioniert ja in (telephon)zellen am besten :cool:

:D ... beim Avci ( sitzt ja in Köln ) waren auch etliche ... gab da komische Begegnungen ... " Kennen wir uns nicht ? " :ups:

Gast
05-07-2017, 12:54
Anbei ein interessanter Artikel dazu. Anscheinend macht Kampfsport sogar aggresiv usw. Zur Resozialisierung (in der Schweiz) ungeeignet. Dies wird durch das Beispiel Carlos in dem Bericht aufgezeigt. Lernte im Knast Thaiboxen und haut jetzt alle weg im Knast.

20min (http://m.20min.ch/schweiz/news/story/19722682)

Aggressionen kann man nicht mit aggressivem Sport begegnen»

Für Strafrechtsexperte und Kriminologe Martin Killias ist es unverständlich und falsch, straffällig gewordene Jugendliche in Kampfsport zu unterrichten. «Sicher ist, dass so trainierte Personen gezielter zuschlagen können. Sie brauchen also weniger Schläge, um jemanden ausser Gefecht zu setzen.»

Hatte 3 Mal das Vergnügen mit Carlos..
Er ist dumm wie ein Stück Brot. Das gepaart mit einer extrem niedrigen Hemmschwelle und einer narzistischen Persönlichkeitsstörung. Resultat einer sehr schrägen und verkorksten Kindheit.

Das Gross der Kampfsportler ist nicht im Knast und lässt die Fäuste im Ring.

Das Thaiboxsetting hatte diverse Hintergründe. Kann da nicht näher darauf eingehen.

War aber gar kein Fan davon..

Was soll Kampfsport lehren? Was das Klientel in Thaiboxschulen? Magst du dich erinnern dass die Schule nicht von Kohrknaben geleitet wurde.? Das waren zum Teil vorbestrafte Lehrer.

Jaja hasst mich. Aber im Kampfsport tummeln sich halt schon viele Assis.. Mehr als in der Kampfkunst.

Solange die innere Einstellung für den ***** ist. Ist Kampfsport sicher nicht das richtige. Aber eine 44. Magnum auch nicht.

Ich glaube nicht das Kampfsport direkt aggressiver macht. Ich glaube eher es fördert bei aggressiven Leuten was an Potential schon da ist, weil man sich vermehrt damit beschäftigt. Und es erlaubt ist anderen weh zu tun.

washi-te
05-07-2017, 13:02
Kampfsport und Kampfkunst sind ja nicht nur unterschiedliche Begriffe, sondern sie bezeichnen auch zwei Ansätze, die sich in wichtigen Aspekten unterscheiden.

Auch wenn er hier geschmäht wird:

https://de.wikipedia.org/wiki/Budop%C3%A4dagogik

Mario Mikulic
05-07-2017, 13:47
Ich frag mich, ob die da jetzt einen heranziehen und hunderte oder gar tausende wo es positiv war ausblenden ... wer weis ...

Willi von der Heide
05-07-2017, 14:48
Ich frag mich, ob die da jetzt einen heranziehen und hunderte oder gar tausende wo es positiv war ausblenden ... wer weis ...

In Hessen gab/gibt es ja den Lothar Kannenberg mit seinem Boxprogramm. Der hat sich immer einer Zusammenarbeit verweigert und argumentiert er wüßte ja, daß es funktioniert.
Von daher gibt es keine belastbaren Studien, daß der die Jungs resozialisert hat. Ich glaube auch nicht, daß das groß funktioniert. Man hat ja mal diese - in meinen Augen beknackten - " Bootcamp " - Programme in den USA genauer angesehen. Die Rückfallqouten wichen nur minimal ab von anderen Programmen. Also sinnbefreit ... es sei denn die Hardliner ... die sind damit zufrieden, daß die mal hart angepackt werden ... :rolleyes::rolleyes:

Willi von der Heide
05-07-2017, 14:53
Hatte 3 Mal das Vergnügen mit Carlos..
Er ist dumm wie ein Stück Brot. Das gepaart mit einer extrem niedrigen Hemmschwelle und einer narzistischen Persönlichkeitsstörung. Resultat einer sehr schrägen und verkorksten Kindheit.

Aha ... hatte ich mir so schon gedacht. Bei solchen Leuten ist das Arbeiten eben schwierig. Konzepte gibt es - Ja. Aber es bedarf halt eines unwahrscheinlich konsequenten Vorgehens, bis man sie dann erreicht.

Ein Drittel der Kunden müßte nicht dasein, wenn im Leben vorher was richtig gelaufen wäre. Aber es gibt eben auch die Kandidaten die noch nicht krank genug sind für die Psychiatrie, für uns aber auch nicht mehr wirklich geeignet.

Grenzfälle eben ...


Aber im Kampfsport tummeln sich halt schon viele Assis.. Mehr als in der Kampfkunst.

Ich glaube eher es fördert bei aggressiven Leuten was an Potential schon da ist, weil man sich vermehrt damit beschäftigt. Und es erlaubt ist anderen weh zu tun.

:halbyeaha

Gast
05-07-2017, 15:34
Ich denke Kampfsport kann genauso helfen oder nicht helfen wie Reitstunden. Damit sich ein Mensch bessert braucht es eine innere Einsicht. Die Einsicht dass das eigene Handeln falsch war. Manchmal wird diese Einsicht erreicht in dem man Gewalttäter in ein spezielles Setting bringt. Mit klaren Regeln und Strukturen und Betreuer die Emphatie und Vertrauen aufbauen können und Vorbild sind. Dies gibt Stabilität und Selbstvertrauen. Diese Stabilisierung und das Selbstvertrauen erworben durch positive Erfolgserlebnisse können diesen Wandel herbeiführen.

Passiert der Wandel nicht mit dem Kampfsportsetting, hat man eine Waffe gezüchtet...

Kensei
05-07-2017, 17:34
So siehts doch aus.
Kraftsport ja, aber da dann bitte drauf achten, was die Jungs zu essen kriegen. ;)
Alles andere ist mMn grob fahrlässig. Die sollen einen ordentlichen Beruf lernen und im Knast arbeiten. Das fördert auch das Selbstwertgefühl und Werte wie Pünktlichkeit, Ordnung, Disziplin, und gibt Perspektive.

discipula
05-07-2017, 18:04
Lernte im Knast Thaiboxen und haut jetzt alle weg im Knast.


Hat der nicht vorher auch schon alle weggehauen...?

sowas hinterlässt mich ziemlich ratlos.


Gibt's da wirklich nichts Anderes als eine Eisenkugel an den Fuss montieren und für den Rest des Lebens Steine klopfen gehn? Gibt es irgend etwas, das sich mit modernen Vorstellungen von Zivilisiertheit verträgt, und gleichzeitig andere Menschen schützt?

keine Ahnung. :(

Willi von der Heide
05-07-2017, 18:30
So siehts doch aus.
Kraftsport ja, aber da dann bitte drauf achten, was die Jungs zu essen kriegen. ;)

https://www.tagesschau.de/ausland/usa-gefaengnisse-nudeln-101.html


Die sollen einen ordentlichen Beruf lernen und im Knast arbeiten. Das fördert auch das Selbstwertgefühl und Werte wie Pünktlichkeit, Ordnung, Disziplin, und gibt Perspektive.

Arbeiten muß jeder, dazu ist man verpflichtet. Allerdings ist nicht für jeden Arbeit da und manche sind eben noch nicht soweit sich in den Tagesablauf zu integrieren. Die brauchen dann halt noch eine Auszeit.

Bei vielen hapert es ja schon an der Ausbildung ... keinen Schulabschluß und folglich nix gelernt. Vor 15 - 20 Jahren hatte man da noch eine stärkere Durchmischung der Kundschaft, daß hat sich doch deutlich verändert.



Gibt's da wirklich nichts Anderes als eine Eisenkugel an den Fuss montieren und für den Rest des Lebens Steine klopfen gehn? Gibt es irgend etwas, das sich mit modernen Vorstellungen von Zivilisiertheit verträgt, und gleichzeitig andere Menschen schützt?


Manche werden lammfromm, sobald die Situation der Haft nicht mehr auf sie wirkt. Sobald sie in Freiheit kommen, ändern sie sich zum positiven, auch das gibt es.

KK-Baghira
05-07-2017, 19:14
Ich lasse die Budopädagogik mal wohlweislich beiseite und beschränke mich mal auf Herrn Kannenbergs Projekt:


In Hessen gab/gibt es ja den Lothar Kannenberg mit seinem Boxprogramm. Der hat sich immer einer Zusammenarbeit verweigert und argumentiert er wüßte ja, daß es funktioniert.
Von daher gibt es keine belastbaren Studien, daß der die Jungs resozialisert hat. Ich glaube auch nicht, daß das groß funktioniert.

Ich hab das zum Anlass genommen, kurz nachzuschlagen. Zuerst in:
Leffler, T. (2015): Durchboxen als Erziehungsmethode in der Sozialarbeit - Im Gespräch mit Lothar Kannenberg.
In: Lange, H. & Leffler, T. (Hrsg.): Kämpfen-lernen als Gelegenheit zur Gewaltprävention?! Interdisziplinäre Analysen zu den Problemen der Gewaltthematik und den präventiven Möglichkeiten des "Kämpfen-lernens". Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2. korrigierte Auflage 2015, S. 127-136.


Thomas Leffler: Seit 2008 wird Ihre Arbeit durch den Arbeitsbereich Sozialpädagogik des Fachbereichs Sozialwesen der Universität Kassel unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Galuske evaluiert und Ende 2009 lag ein erster Zwischenbericht vor (vgl. Galuske & Böhle 2010). Die Öffentlichkeit interessiert dabei natürlich die Rückfallquote, obwohl diese qualitativ wenig aussagt.

Lothar Kannenberg:
Wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit [...]. Die nackte Rückfallquote liegt zwar knapp 60% [[sic!] Fußnote: Damit ist die Quote ca. 7% größer als bei normalen Heimeinrichtungen und ca. 20% im Vergleich zum gesamten Angebot von Erziehungshilfen (vgl. Galuske & Böhle 2010)], aber es müssen dabei zwei Dinge bedacht werden. Erstens sagt die Rückfallquote nichts über die Qualität des Vergehens aus. Wer unser Trainingscamp verlässt, sein Leben wieder geregelt hinbekommt und nach vier Monaten beim Schwarzfahren erwischt wird, kriegt einen Eintrag in das Bundeszentralregister. Er ist aber nicht mehr gewalttätig oder delinquent wie vor dem Aufenthalt. Jugendliche brauchen bei ihrer Neuorientierung Zeit, sie lassen fast ein gesamtes Leben zurück. Dass sie dabei Rückschritte erleiden ist verständlich, aber die Ausrichtung ihres Lebensweges ist entscheidend. Sie dürfen nicht wieder auf die schiefe Bahn geraten! Als zweites ist unser Klientel nicht so einfach vergleichbar mit dem anderer Einrichtungen. Es sind meistens Intensivtäter [...]. Wenn es von diesen Extremfällen ca. 40% also doch schaffen, ist das ein wirklicher Erfolg!

Kurze Anmerkungen:
- Der erwähnte Zwischenbericht ist Galuske, M. & Böhle, A. (2010). Evaluation des Trainingscamp Lothar Kannenberg. Erste Befunde zu Delinquenzverläufen der Klienten vor und nach der Maßnahme. Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe (1), S. 52-61.
- Seit 2014 gibt es den Abschlussbericht (https://www.uni-kassel.de/fb01/institute/sozialwesen/fachgebiete/sozialpaedagogik-des-kindes-und-jugendalters/forschung/evaluation-des-trainingscamps-lothar-kannenberg/publikationen.html), allerdings unveröffentlicht. Zugängig ist lediglich die Zusammenfassung (https://www.uni-kassel.de/fb01/fileadmin/datas/fb01/Institut_fuer_Sozialwesen/SozP%C3%A4d/Zusammenfassung_Abschlussbericht_Homepage.pdf). Ich fand dort für mich folgende Merk-Würdigkeiten:

Die Einrichtung nimmt sich der Arbeit mit Jugendlichen an, die zum überwiegenden Teil als mehrfach benachteiligt, stigmatisiert und delinquent bezeichnet werden können. Diese Jugendlichen mussten in Familie, Schule und Jugendhilfe wiederkehrende Missachtungserfahrungen erleiden und weisen somit deutliche Brüche in ihren Biographien auf. Die häufig gewaltaffinen Handlungsmuster der Jugendlichen sind Resultat sozialer Deprivationen und befördern zugleich weitere Ausgrenzungen und Benachteiligungen.
[...]
Das Trainingscamp setzt den Vermeidungsstrategien der Jugendlichen einen straff strukturierten und höchst verbindlichen Tagesplan mit unterschiedlichen Elementen von Ordnungsdiensten, Sport und Reflexionseinheiten entgegen. Diese strukturelle Ordnung wird durch die Einbettung in das Kollektivleben und der damit verbundenen hohen sozialen Kontrolle sowie einem zugehörigem Sanktionssystem durchgesetzt
[...].
Sowohl auf Vermeidungshandlungen als auch auf gewaltförmige Bewältigungsmuster reagieren die PädagogInnen verhaltensregulativ mit Sanktionen. Da die Sanktionspraxis zum einen von den Pädagoginnen kommunikativ rigide und häufig leiblich-dominant durchgesetzt wird und zum anderen eingebettet ist in eine durch die künstlich erzeugte, hierarchische Peergemeinschaft der Jugendlichen, greift die Kommunikationskultur des Trainingscamp unmittelbar lebensweltliche Orientierungen der Adressaten auf.
[...]
Insofern es im Trainingscamp zunächst sehr stark um Anpassung an ein vorgegebenes, rigides Regelwerk geht, ist die – im Fachdiskurs geäußerte – Behauptung gerechtfertigt, dass die Einrichtung der Anpassung herausfordernder Jugendlicher an herrschende Machtverhältnisse dient. Die Jugendlichen differenzieren im Laufe der Zeit allerdings zwischen Anforderungen der Regelbefolgung, die sie als vernünftig anerkennen einerseits und andererseits solchen, denen sie zwar keinen Sinn abgewinnen können, die sie aber dennoch „stumpf“ befolgen um in der Einrichtung möglichst wenig anzuecken.
Ein bedeutender Befund der Evaluation ist, dass die Jugendlichen in den Abschlussinterviews den PädagogInnen ‚gute Zeugnisse‘ ausstellen.
[...]
Wesentlicher Bestandteil des Tagesablaufs im Trainingscamp ist der Sport. In wechselnder Zusammensetzung machen sportliche Aktivitäten einen Anteil von 1½ bis zu 8 Stunden am Tagesverlauf aus. Dabei kommen verschiedene Individual- und Mannschaftsportarten zum Einsatz, i. d. R. in Abhängigkeit von den Fähigkeiten und Qualifikationen der diensthabenden PädagogInnen. Der Sport erfüllt mehrfache Funktionen im Trainingscamp.
[...]
Die Verbindung von sportlicher Aktivität und Sanktionierung von Fehlverhalten eröffnet die Möglichkeit eines spielerischen Umgangs mit Abweichungen.
[...]
Die Jugendlichen vollziehen einen Perspektivenwechsel ihrer lebensweltlichen Orientierung, die zumeist von einem Leben in latenter Unsicherheit und Bedrohung und der oben beschriebenen destruktiven Bewältigungsstrategien gekennzeichnet ist hin zu einer angestrebten Normalisierung familialer Verhältnisse und dem Streben nach Reintegration in formale Bildung und Ausbildung als Symbole für das Streben nach einer „Normalbiographie“.
[...]
Die PädagogInnen und zum Teil auch die Jugendlichen selbst verorten die Probleme der Jugendlichen in ihren gewalttätigen oder entziehenden Verhaltensweisen und blenden gesellschaftliche Rahmenbedingungen zunächst aus.
[...]
Die Jugendlichen sind aufgrund der geographisch abgeschiedenen Lage und der hohen sozialen Kontrolle des Kollektivlebens in einem hohen Maße von den PädagogInnen abhängig.
[...]
Die deutliche Orientierung auf soziale Anpassung und körperliche Leistungsfähigkeit erscheint für die Alltagsbewältigung der Jugendlichen funktional, vor allem hinsichtlich der Bewältigung der Aufnahmeanlässe von Delinquenz, Schulabsenz, Gewaltaffinität und Konfliktvermeidung. Gesellschaftliche Strukturen sozialer Ungleichheit bleiben damit aber systematisch ausgeblendet. Ausgeblendet bleibt auch, dass es für die betreffenden Jugendlichen gegenwärtig nur eingeschränkte Möglichkeiten gibt, Teilhabe an gesellschaftlichen Gütern zu realisieren [...]. Folglich ist es nicht unwahrscheinlich, dass die biographischen Erfahrungen der Desintegration auch zukünftig fortgesetzt werden, wenn die weiterführende Unterstützung ausbleibt. Der Erfolg einer Jugendhilfemaßnahme lässt sich nicht an der Aufnahme einer Ausbildung oder Erwerbstätigkeit oder an der strafrechtlichen Legalbewährung bemessen. Vielmehr müssen Kompetenzen der Lebenstüchtigkeit in den Blick genommen werden, für die Faktoren wie Legalbewährung oder Erwerbstätigkeit durchaus Indikatoren darstellen können, aber bei weitem keine notwendigen Bedingungen pädagogischen Erfolgs darstellen. Unter marginalisierten Lebensbedingungen von normativen Erwartungshaltungen abzuweichen, ist immer auch Ausdruck des innovativen Charakters abweichenden Verhaltens und dient als Spiegel sozial ungerechter gesellschaftlicher Verhältnisse.

Schöne Grüße
Baghira

washi-te
05-07-2017, 19:20
Ich lasse die Budopädagogik mal wohlweislich beiseite und beschränke mich mal auf Herrn Kannenbergs Projekt:


Schöne Grüße
Baghira

Warum?

KK-Baghira
05-07-2017, 19:49
@washi-te: Weil das zu weit führen würde und ich dies in mehreren Publikationen in den Bereichen Philosophie, Kampfkunst (oder daran orientierte pädagogische Projekte) in der Jugendhilfe oder mit Kindern im Grundschulalter oder bzgl. Auswirkungsfaktoren von martial arts Training bei Kindern und Jugendlichen mehrfach explizit oder implizit getan habe:

Teilweise gab es einen Mailaustausch mit Herrn Wolters in den Anfängen aber eine in Aussicht gestellte Rückmeldung blieb aus.
So habe ich mich an Wolters und dessen Ausweisungen zu Historie asiatischer Kampfkünste, Budo, Bushido und pädagogische Konzepte teilweise an-abgrenzend oder bezugnehmend abgearbeitet oder 'Positionsarbeit' versucht - bspw. hier (Ewald, 2009: bes. 25-51 (http://www.fpi-publikation.de/polyloge/alle-ausgaben/21-2009-ewald-alexander-ueberlegungen-zu-macht-und-selbstverhaeltnissen-bei-michel-foucault.html)); neu aufgelegt und aktualisiert 2015 (Ewald, 2015a: bes. 31-73 (http://www.fpi-publikation.de/polyloge/alle-ausgaben/09-2015-ewald-a-bruce-lee-ey-bester-mann-oder-martial-arts-in-der-jugendhilfe-an.html)); hier (Ewald, 2015b: bes. 27-73 (http://www.fpi-publikation.de/polyloge/alle-ausgaben/19-2015-ewald-alexander-kaempfen-in-der-grundschule-oder-anleihen-bei-spielen-zur.html)); oder hier (2016: bes. 12-20, 88f. (http://www.fpi-publikation.de/polyloge/alle-ausgaben/16-2016-ewald-a-contextualizing-out-mediating-factors-streifzuege-kulturgebundenheit.html))

Schöne Grüße
Baghira

Spud Bencer
06-07-2017, 14:37
:rolleyes:

... und einige der späteren Top-Gangster Kölns haben da eben auch trainiert:

N.A. ... B.B. ... A.T. ... und andere ...


Schließt sich ja nicht aus. Der wird das ja nicht aus Spaß an der Freud gemacht haben.

Gewalttätern noch Kampfsport beibringen ist natürlich ein Witz, da braucht man gar nicht drüber reden. Die Meisten werden da eh schon Erfahrungen haben.

marq
06-07-2017, 14:43
Für Strafrechtsexperte und Kriminologe Martin Killias ist es unverständlich und falsch, straffällig gewordene Jugendliche in Kampfsport zu unterrichten. «Sicher ist, dass so trainierte Personen gezielter zuschlagen können. Sie brauchen also weniger Schläge, um jemanden ausser Gefecht zu setzen.»

da hat er in uneingeschränkter weise recht.

sozial auffällige jugendliche und sogar straffällig gewordene sollten zur resozialisierung in erster linie mannschaftssportarten erlernen , um adäquates verhalten in der gruppe unter stresssituationen zu erlernen.


«Boxtraining im Gefängnis ist kontraindiziert»
Killias verweist auf eine Langzeitstudie mit Jugendlichen aus Norwegen. Diese habe nachweisen können, dass speziell Sportarten wie Boxen, Kraftsport, Wrestling, Thai- und Kickboxen Aggressionen und asoziales Verhalten verstärkten. Der negative Effekt entstehe einereseits durch den Sport selbst, aber auch durch die an den Trainingsorten gelebten Machoattitüde und die dortigen Normen und Ideale.

ich verstehe bis heute nicht, warum immernoch solche kurse massiv in jugendzentren und in stadtteilen mit "sozialschwierigem mileu" von städten und gemeinden, sogar vom land und bund massiv gefördert werden. die kontrolle der sozialarbeiter hört da auf, wo die jugendlichen sich frei bewegen koennen und die sozialarbeiter wochenende haben ;)

Passion-Kickboxing
06-07-2017, 15:00
Sehe es wie Marq, halte davon auch nichts.

washi-te
06-07-2017, 15:18
@washi-te: Weil das zu weit führen würde und ich dies in mehreren Publikationen in den Bereichen Philosophie, Kampfkunst (oder daran orientierte pädagogische Projekte) in der Jugendhilfe oder mit Kindern im Grundschulalter oder bzgl. Auswirkungsfaktoren von martial arts Training bei Kindern und Jugendlichen mehrfach explizit oder implizit getan habe:

...

Schöne Grüße
Baghira

Ist mir ehrlich gesagt momentan zu viel Stoff. M.E. kommt bei Wolters ziemlich klar heraus, welche Prämissen erfüllt sein müssen, damit Kampfkunst erzieherisch wirken kann.

Das ist eben nicht Kampfsport, von dem offensichtlich die meisten hier sprechen.

Dies scheint mir plausibel inklusive der Begründungen, die W. liefert, auch wenn vielleicht die eine oder andere historische Betrachtung anderen Erkenntnissen widerspricht.

Kohleklopfer
06-07-2017, 15:21
Ob man jetzt Gewaltbereiten Gefangenen die sowieso über wenig Skrupel verfügen KS beibringen musst ist sicher nicht das Schlauste, das kann man vllt beim einem machen der vllt wegen Steuerhinterziehung und sonstigen Sachen sitzt.

den Gewaltbereiten Gefangenen sollte man wohl eher Mannschaftssport oder auch sowas wie Schach ans Herz legen.

washi-te
06-07-2017, 15:29
Ob man jetzt Gewaltbereiten Gefangenen die sowieso über wenig Skrupel verfügen KS beibringen musst ist sicher nicht das Schlauste, das kann man vllt beim einem machen der vllt wegen Steuerhinterziehung und sonstigen Sachen sitzt.

den Gewaltbereiten Gefangenen sollte man wohl eher Mannschaftssport oder auch sowas wie Schach ans Herz legen.

Das ist es, warum die Herrscher immer so weiter machen können. Jeder hat ne Meinung, aber keiner fragt nach der Bedeutung der Begriffe, die er verwendet.

HAZ3
06-07-2017, 15:42
Der eigentliche Grund warum das mit der Resozialisierung nicht richtig läuft ist der Fakt dass wir auf einer flachen Erdscheibe leben und keiner Kugel :-§
Die Höllenwesen können so von der Unterseite Flüche auf uns ablassen die dieses Verhalten bewirken = mystery solved :cool:

Kannix
06-07-2017, 17:32
Ob man jetzt Gewaltbereiten Gefangenen die sowieso über wenig Skrupel verfügen KS beibringen musst ist sicher nicht das Schlauste, das kann man vllt beim einem machen der vllt wegen Steuerhinterziehung und sonstigen Sachen sitzt.

den Gewaltbereiten Gefangenen sollte man wohl eher Mannschaftssport oder auch sowas wie Schach ans Herz legen.



Im Grunde richtig, aber es könnte eine Chance bestehen jemanden zu Selbstdisziplin und Engagement zu führen mit einer Sache die ihm liegt und Spaß macht.
Ein Assi der sich nicht charakterlich entwickelt wird allein durch Boxtraining nur zu einem Assi der Boxen kann.
Vielen fehlen Perspektiven, Frustrationstoleranz und persönliche Erfolge. Da könnte man schon ansetzen

amasbaal
06-07-2017, 22:24
Vielen fehlen Perspektiven, Frustrationstoleranz und persönliche Erfolge. Da könnte man schon ansetzen

warum aber ausgerechnet mit mt oder boxen oder mma oder so... ?
wenn es das ist, dann gibt es zig andere beschäftigungen mit erfolgserlebnissen und frustrationsverarbeitungen.

washi-te
07-07-2017, 09:02
warum aber ausgerechnet mit mt oder boxen oder mma oder so... ?
wenn es das ist, dann gibt es zig andere beschäftigungen mit erfolgserlebnissen und frustrationsverarbeitungen.

Liest eigentlich keiner meine Beiträge?? :D

Kannix
07-07-2017, 13:15
warum aber ausgerechnet mit mt oder boxen oder mma oder so... ?

wenn es das ist, dann gibt es zig andere beschäftigungen mit erfolgserlebnissen und frustrationsverarbeitungen.



Weils Spaß macht?

Kensei
07-07-2017, 18:45
Machen Fußball und Volleyball auch.
Und ein unsportlicher Assi ist mir zehnmal lieber, als einer der Boxen kann.
...was im Übrigen die meisten JVA-Beamten auch so sehen dürften.

amasbaal
07-07-2017, 19:04
nun, wer sich gerne schlägert, wird boxen in sachen spaßfaktor dem volleyball wahrscheinlich vorziehen und beim fußball eher als zuschauer auf die 3. halbzeit warten.

Invitro
07-07-2017, 22:22
ich würds auch eher nur bestimmten leuten erlauben vieleicht eher die ein netteres wesen haben zumal im kanst opfer jäger mentalität herrscht

marq
08-07-2017, 02:45
Weils Spaß macht?

klar kann es spass machen. aber einer persönlichkeit, die mit gewalt nicht umgehen kann, sollte man es einfach nicht lehren.

concrete jungle
08-07-2017, 14:06
Wenn man merkt, jemand vermöbelt gern Schwächere, den halt rauswerfen...

Verbrecher = blüht da richtig auf

Flibb
08-07-2017, 14:45
Hatte 3 Mal das Vergnügen mit Carlos..
Er ist dumm wie ein Stück Brot. Das gepaart mit einer extrem niedrigen Hemmschwelle und einer narzistischen Persönlichkeitsstörung. Resultat einer sehr schrägen und verkorksten Kindheit.

Das Gross der Kampfsportler ist nicht im Knast und lässt die Fäuste im Ring.

Das Thaiboxsetting hatte diverse Hintergründe. Kann da nicht näher darauf eingehen.

War aber gar kein Fan davon..

Was soll Kampfsport lehren? Was das Klientel in Thaiboxschulen? Magst du dich erinnern dass die Schule nicht von Kohrknaben geleitet wurde.? Das waren zum Teil vorbestrafte Lehrer.

Jaja hasst mich. Aber im Kampfsport tummeln sich halt schon viele Assis.. Mehr als in der Kampfkunst.

Solange die innere Einstellung für den ***** ist. Ist Kampfsport sicher nicht das richtige. Aber eine 44. Magnum auch nicht.

Ich glaube nicht das Kampfsport direkt aggressiver macht. Ich glaube eher es fördert bei aggressiven Leuten was an Potential schon da ist, weil man sich vermehrt damit beschäftigt. Und es erlaubt ist anderen weh zu tun.

Wie heisst der denn richtig? Inwiefern verkorkste Kindheit?
Ist es normal 5000+ im Monat für Training zu bezahlen?

Gast
08-07-2017, 15:19
Ist es normal 5000+ im Monat für Training zu bezahlen?

na immerhin bei einem Weltmeister :cool:



Eine 4½-Zimmer-Wohnung mit Wasch-, Koch- und Putzdienst, ein zehnköpfiges Betreuerteam mit Privatlehrer und Anwalt, Kurse beim mehrfachen Thaibox-Weltmeister Shemsi Beqiri. Gesamtkosten pro Monat: 29'000 Franken. Die Betreuung von Messerstecher Carlos (17) durch die Zürcher Jugendanwaltschaft sorgt schweizweit für Empörung.
[....]
Der Thaibox-Trainer von Carlos ist vorbestraft! Wegen einfacher Körperverletzung und Drohung – ausgerechnet! Laut «Tele Züri» sei im Februar dieses Jahres von der Staatsanwaltschaft Basel verurteilt worden.
Laut Strafbefehl habe Beqiri im Januar 2012 einem Mann die Faust ins Gesicht geschlagen, danach auf das am Boden liegende Opfer eingetreten. Der Bruder des Thaiboxers habe dem Opfer zuvor Pfefferspray ins Gesicht gesprüht.
Und: Ein knappes Jahr früher habe der Weltmeister einem anderen Kampfsportlehrer Schläge angedroht.
https://www.blick.ch/news/schweiz/zuerich/koerperverletzung-und-drohung-thaibox-trainer-von-carlos-ist-vorbestraft-id2423548.html


und offenbar mit Erfolg

Flibb
08-07-2017, 15:28
Die Aufstellung :

1'930 Franken für eine Vierzimmer-Wohnung in Reinach BL
5'300 Franken für das Muay-Thai-Training
11'100 Franken für die Betreuungskosten
1'800 Franken für einen Privatlehrer
1'000 für die Elternarbeit (was ist das?)
640 Franken Taschengeld
500 Franken für die Freizeit und das Wochenende

Einfach nur krank. So eine Chance wird dem gegeben und dann landet der wieder nur im Bau. Was kann man mit Menschen machen die offenbar nicht in der Zivilisation leben wollen? Lebenslang einzelHaft?

Gast
08-07-2017, 15:44
Einfach nur krank. So eine Chance wird dem gegeben und dann landet der wieder nur im Bau. Was kann man mit Menschen machen die offenbar nicht in der Zivilisation leben wollen? Lebenslang einzelHaft?

Was heißt denn "wollen"?
Dem wurde doch eine disoziale Persönlichkeitsstörung mit verminderter Schuldfähigkeit bescheinigt.
Außerdem wollte er mit dem Faustsschlag, wegen dem er erneut eingefahren ist, seinen Bekannten ja nur auf den rechten Weg bringen..:)

Willi von der Heide
08-07-2017, 18:18
So eine Chance wird dem gegeben und dann landet der wieder nur im Bau. Was kann man mit Menschen machen die offenbar nicht in der Zivilisation leben wollen? Lebenslang einzelHaft?

Wir leben nun einmal in freien Gesellschaften mit enormen Möglichkeiten, von denen frühere Generationen allenfalls träumen konnten.
Freiheit bringt eben auch Verantwortung mit sich. Er ist wohl überfordert mit dieser Freiheit und hinzu kommt noch die Diagnose einer disozialen Persönlichkeitsstörung ... wahrscheinlich muß die Gesellschaft für immer vor ihm geschützt werden. Aber er muß auch vor sich geschützt werden um nicht noch mehr Unheil anzurichten - für ihn und potentielle Opfer.

Schwierig ... aber diese Grenzfälle gibt es. Ich weiß das das kein Trost für die Opfer ist, vielleicht können sie es eines Tages verstehen. Verstehen heißt nicht verzeihen ...

Mario Mikulic
08-07-2017, 22:58
Der eigentliche Grund warum das mit der Resozialisierung nicht richtig läuft ist der Fakt dass wir auf einer flachen Erdscheibe leben und keiner Kugel :-§
Die Höllenwesen können so von der Unterseite Flüche auf uns ablassen die dieses Verhalten bewirken = mystery solved :cool:

Ne, die Höllenwesen sind alle verletzt, sonst uiuiui, gäbe es nur noch tote und verkrüppelte ... aber hallo ... ;):D

Mario Mikulic
08-07-2017, 23:13
klar kann es spass machen. aber einer persönlichkeit, die mit gewalt nicht umgehen kann, sollte man es einfach nicht lehren.

Ich kenne viele die umso ruhiger werden desto besser sie werden ... man deeskaliert nur noch, da man weis! das man den anderen "weghauen" kann usw.

Cowboy Cerrone hat bei einem Joe Rogan Podcast glaub ich so eine Story erzahlt. Er hat von einem bekloppten sogar schlage eingesteckt und ihm gesagt so jetzt ist schluss wenn du nochmal haust wehre ich mich usw. Als warnung ... man kann dadurch geradezu zu friedlich werden.

Dann der aspekt der kontrolle ... man muss den anderen ja gar nicht kaputthauen oder schwer verletzen ... man wird sogar so überlegen, dass man sogenannte sanfte mittel anwendet ... festhalten, kontrollieren usw.

Gruss

Gast
08-07-2017, 23:50
Inwiefern verkorkste Kindheit?


bei Wikipedia findet sich folgender Link, der IMO eine etwas andere Perspektive bietet:

Ein junger Mann namens Carlos - News Zürich: Region - tagesanzeiger.ch (http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Ein-junger-Mann-namens-Carlos/story/14728617)


Carlos kommt 1995 in einem Vorort von Paris zur Welt. Der Vater ist Schweizer, Architekt von Beruf. Die Mutter stammt aus Kamerun, ist in der Modebranche tätig. Die ersten Lebensjahre verbringt der Junge in Paris. Es müssen schlimme Jahre gewesen sein. Details sind wenige bekannt, die Rede ist von Misshandlungen und Eingesperrtsein. Das hinterlässt tiefe Spuren. Jahre später werden Fachleute eine schwere posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren

Noch bevor er in den Kindergarten eintritt, zieht Carlos mit seiner Mutter zum Vater nach Zürich-Wollishofen. Zwischen den Eltern fliegen die Fetzen, irgendwann zieht die Mutter zurück nach Paris, fortan kümmert sich der Vater allein um den Jungen. Obwohl er sich abrackert, kommt sein Architekturbüro nicht recht auf Touren. Zeit für sein Kind hat er nur wenig. Manchmal nimmt er seinen Jungen an Sitzungen mit. Oft überlässt er ihn sich selbst. Carlos geht mit vier allein in die Badi.
[...]
Schon in jenen Jahren zeigen sich Charakterzüge, die sich zu einer schwer zu bändigenden Mischung fügen. Carlos ist: willensstark, bockig, verletzlich und ängstlich, ein narzisstisches Grossmaul, wehleidig und wenig selbstsicher, fordernd, ungeduldig, hyperaktiv. Ein Kind, das selbst in sich ruhende, erzieherisch versierte Eltern fordern würde. Was es bräuchte, wären klare Strukturen und Regeln – und Ritalin.

Das alles können ihm seine Eltern nicht geben. Sie sind überfordert. Das Medikament, das er bräuchte, verweigert ihm die Mutter, obwohl eine klare Diagnose vorliegt. Ihr Kind sei nicht krank, sagt sie, bloss ein bisschen anders. Carlos wird vernachlässigt, aber gleichzeitig auch verwöhnt, damit er Ruhe gibt. Er lernt früh: Alles ist verhandelbar, keine Regel gilt.
[...]
Mit zehn kommt der Junge in die Mühlen des Systems, das nun zu korrigieren versucht, was fast nicht mehr zu korrigieren ist – schon gar nicht mit den herkömmlichen Mitteln. Carlos’ Irrweg durch die Institutionen beginnt. Er wird in die Jugendpsychiatrie eingewiesen, immer wieder verhaftet, mehrfach fremdplatziert. Und erweist sich überall über kurz oder lang als untragbar. Die Methoden, die er als Kleiner gelernt hat, verfeinert er. Seinen Betreuern reisst er den letzten Nerv aus. «Man darf ihm», sagt eine Person, die ihn eine Zeit lang betreut hat, «nicht den Gefallen machen, sich zu ärgern.» Wer sich ärgert, hat verloren. Wer sich auf einen Machtkampf um der Macht willen einlässt, ebenfalls.

Die hier thematisierte Maßnahme scheint sogar (nicht nur auf die Kampfstärke) gewirkt zu haben:


Es dauert sechs Jahre, bis Carlos seine Meister findet: in den Personen von Jugendanwalt Hansueli Gürber, Sonderpädagogin Anna-Lisa Oggenfuss, Sozialpädagoge Rolf Riesen und Thaiboxer Shemsi Beqiri. Die vier ziehen ein unkonventionelles, vielen bewährten Standards zuwiderlaufendes Sondersetting auf. Das, notabene, nicht teurer ist als viele Institutionen. Und es passiert, was keiner für möglich gehalten hätte: Carlos spurt. Zum ersten Mal nutzt er seinen eisernen Willen zum eigenen Vorteil. Er lässt die Finger von den Drogen. Er putzt im Thaiboxzentrum. Er hält sich an die Regeln. Straffällig wird er nicht mehr. Offensichtlich findet er, was ihm gefehlt hat: Halt. Eine Person, die er bewundert und als Autorität akzeptiert. Eine Familie. Und im Christentum eine moralische Leitlinie. Langsam öffnet sich Carlos. Die Betreuung bleibt zwar schwierig und fordert den Beteiligten alles an Stehvermögen ab, was sie zu bieten haben. Intern erhält der Teenager den Übernamen «Aber Sie», weil er zu jedem Vorschlag, jeder Anweisung erst einmal Nein sagt. Und doch: Die Veränderung ist verblüffend.

Zukunftsperspektiven für Carlos zu finden, ist nicht leicht. Zwar ist dem Jugendlichen klar, dass sein schulisches Niveau bestenfalls für einen Hilfsarbeiterjob reicht. Aber das will er nicht. Er will hoch hinaus. Etwas erreichen.

Den Ausweg sieht er im Thaiboxen. Im Sommer 2013, nach dreizehn Monaten Sondersetting, scheint es, als fände er den Rank ins Leben. Er steht kurz vor einer Ausbildung zum Fitnesstrainer. Und er willigt in eine Therapie ein, um seine traumatische Kindheit aufzuarbeiten.


Dann wurde der Fall öffentlich:


Dann dreht SRF einen Film über Hansueli Gürber und macht den Fall *publik. Der Blick titelt: «Sozialwahn!»

Der Rückfall

Der Rest ist bekannt. Ein Sturm der Entrüstung fegt durch die Schweiz, Ober*jugendanwalt Marcel Riesen und der abgewählte Justizdirektor Martin Graf lassen Carlos fallen. Ohne Anlass wird der junge Mann verhaftet. Es braucht das Bundesgericht, um die Justiz des Kantons Zürich ein gutes halbes Jahr später zur Räson zu bringen.

Für Carlos ist das zu spät. Zwar scheint er dem Druck anfangs gewachsen, doch irgendwann bricht alles ein, was er im Sondersetting erreicht hat. Es ist ein Rückfall sondergleichen. Mehr noch: Alles, was seinen Charakter schwierig macht, tritt nun doppelt akzentuiert hervor.


Ob das nun alles so stimmt (die Haftbedingungen wurden vom Anwalt ja auch falsch dargestellt) keine Ahnung...
Thaiboxtraining bei einem Trainer, der selbst Gewalt als adäquates Mittel zur Konfliktlösung ansieht, scheint mir allerdings nicht gerade schlau, um Gewalttäter von Gewalttaten abzubringen...

Sternenzauber
09-07-2017, 21:15
Die Aufstellung :

1'930 Franken für eine Vierzimmer-Wohnung in Reinach BL
5'300 Franken für das Muay-Thai-Training
11'100 Franken für die Betreuungskosten
1'800 Franken für einen Privatlehrer
1'000 für die Elternarbeit (was ist das?)
640 Franken Taschengeld
500 Franken für die Freizeit und das Wochenende

:ups:
Wie bitte?!

Und bei meinen Kosten (bezüglich des KM Trainings) zicken die Behörden rum.

Na prima, ... *Achtung Sarkasmus*
Ich werde dann mal schnell Intensivtäter & bekomm vom Amt alles in den A*** geschoben! *Sarkasmus Ende*

Ich kapiers. NICHT! :smack:

amasbaal
09-07-2017, 22:30
ist doch einfach.
weniger ausgaben = weniger bezahlte arbeitsstunden für pädagogen = weniger bedarf an pädagogen = unzählige pädagogen ohne job = pädagogik wird in der gesellschaftlichen bewertung bzgl. "wichtigkeit" seinen priviligierten rang verlieren.
also müssen pädagogen kostspielige programme von enormer wichtigkeit ins leben rufen an denen möglichst viele verschiedene betreuer und spezialisten beteiligt sind.
der intensivstraftäter soll (MUSS) also schon allein deshalb intensiv bearbeitet werden.
wenn man dann noch an die zunehmende privatisierung im (sozial-)pädagogischen bereich denkt (und wenn es nur den zwang betrifft, v.a. "betriebswirtschaftlich" zu denken)...

ein bekannter von mir arbeitet als "betreuer" auf honorarbasis in einem sozialen dienst. der bekommt regelmäßig ärger, wenn er dinge "einfach" löst, statt dafür zu sorgen, dass "das volle programm" angewendet werden kann.

marq
10-07-2017, 11:21
ich finde es trotztdem immer verwunderlich, wieviel geld in solche sozialprojekte, die mit kampfsport zu tun haben, entweder unmittelbar oder mittbar von staatlichen stellen wie städten, gemeinden und ländern gesteckt wird.

ich glaube die politik ist froh, wenn jemand für sie das problem auf welche art und weise auch immer "löst".

sie sollten lieber mal in ganztagsschulen investieren.....

amasbaal
10-07-2017, 13:46
wäre in der tat sinnvoller.

Flibb
10-07-2017, 21:56
bei Wikipedia findet sich folgender Link, der IMO eine etwas andere Perspektive bietet:

Ein junger Mann namens Carlos - News Zürich: Region - tagesanzeiger.ch (http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Ein-junger-Mann-namens-Carlos/story/14728617)


Und ich dachte, dass der jetzt wirklich eine schlimme Kindheit hatte mit Armut, Mißbrauch etc. aber das liest sich relativ normal.

Desto mehr man erfährt desto größer wird die Verständnislosigkeit.

concrete jungle
11-07-2017, 15:52
Wenn so jemand dann lernt, das er durch seine Gewaltanwendung auf der Strasse ,,respektiert und gefürchtet"
und von den Ämtern quasi belohnt wird mit ,,meisterlichem" Training, Wohnung, Privatunterricht, lauter Kümmerern und zugewandten Gesprächstanten...:rolleyes:

Ja, was lernt der Cluster B -Gestörte (Narziss, Antisozial) daraus :

so gibt es Aufmerksamkeit, Anerkennung, er bekommt was er WILL- Jetzt!

Vielleicht doch eher ein trister Ort der Langeweile, grau in grau, 1 Stunde Ausgang im Käfig, nix mingeln mit den Artgenossen...

relaunch
14-07-2017, 18:30
Das kann man auch psychologisch mit der katharsistheorie erklären.
Die besagt das man seine Wut mal raus lassen soll.
Auf was einprügeln und so und das sich angestaute Wut nur heftiger entlädt.
Das Gegenteil ist der Fall.
Die Wut verstärkt sich nur wenn ich sie Körperlich raus lasse.
DaS wurde in einigen Tests bewiesen.
Die katharsistheorie is quatsch.

Sternenzauber
14-07-2017, 20:21
ist doch einfach.
weniger ausgaben = weniger bezahlte arbeitsstunden für pädagogen = weniger bedarf an pädagogen = unzählige pädagogen ohne job = pädagogik wird in der gesellschaftlichen bewertung bzgl. "wichtigkeit" seinen priviligierten rang verlieren.
also müssen pädagogen kostspielige programme von enormer wichtigkeit ins leben rufen an denen möglichst viele verschiedene betreuer und spezialisten beteiligt sind.
der intensivstraftäter soll (MUSS) also schon allein deshalb intensiv bearbeitet werden.
wenn man dann noch an die zunehmende privatisierung im (sozial-)pädagogischen bereich denkt (und wenn es nur den zwang betrifft, v.a. "betriebswirtschaftlich" zu denken)...



:cussing:
Gnaaaa... *ausrasten könnte*

Warum?

Mich macht es wahnsinnig wütend, weil ich mir den Allerwertesten aufreiß' DAMIT ich überhaupt was bezahlt bekomme.

Ein Fitnessstudio würden 'se übernehmen.
Oder eine Vorbereitung auf ein Sportabzeichen...
Aber KM ...nope! Weil's ja keine "zielführende Richtung habe, mit der messbar Resultat erbracht werden könnte"

*verzweifelt nach einer Pratze such*