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Vollständige Version anzeigen : Dôkô Ryû Kenjutsu - Eine Betrachtung



Gast
07-07-2017, 01:26
Im Rahmen eines Threads über Yamabushi Ryu Kenjutsu, ein modernes deutsches Schwertkampfsystem, wurden viele User des Forums auf einen Split der berliner Yamabushi Gruppe aufmerksam gemacht, durch den User viper-berlin im folgenden Posting:


An dieser Stelle möchte ich der Aussage "der Berliner Gruppe" widersprechen.
Richtig ist, dass wir lange Zeit dem Bushikan anhängig waren.
Falsch ist, dass wir es noch sind.
Wir haben uns Anfang des Jahres voneinander getrennt.

Quelle: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f12/yamabushi-ry-kenjutsu-betrachtung-178057/index8.html#post3514452

Diese Trainingsgruppe scheint sich inzwischen Dôkô Ryû Kenjutsu zu nennen und ihre Trainingsräume im Kodokan Berlin bezogen zu haben.
Kenjutsu - Sportschule Kodokan Berlin (http://www.kodokan-berlin.de/kenjutsu/)
Ich möchte hier auf den Text der Seite eingehen und ein paar Kritikpunkte ansprechen.

Kenjutsu ist eine bewaffnete Kampfkunst, die wir nach der Dôkô Ryū und in Anlehnung an die überlieferten Lehren der Samurai trainieren.
Dieser Satz ist bereits in meinen Augen recht problematisch. Er sagt aus man würde eine Ryûha des Kenjutsu trainieren und sich an den Samurai orientieren. Und während der User viper-berlin damals noch deutlich aussagte man habe nicht den Anspruch „traditionell“ zu sein, rückt die Benutzung der Begriffe Ryu, Kenjutsu und Samurai ohne eine offene Darlegung der eigenen Geschichte einen genau in dieses Licht. Dabei muss man unterstreichen das sich durch den Thread über die Yamabushi Ryu viper-berlin vollkommen im Klaren über diese Problempunkte gewesen sein muss. Ein weiteres Indiz dafür ist das der Teil „in Anlehnung“, der vom unwissenden Augen in seiner Bedeutung im Zusammenhang mit der Kampfkunst und deren Geschichte unbedeutend ist, für die Leute der Doko Ryu aber einen Rettungsanker gegen womögliche Kritiker dient. Nun muss man natürlich Zugeben das in diesem einen Satz keine Lüge drinsteckt. Ist einem aber die Geschichte bewusst kommt einen trotzdem ein übles Gefühl einer Lüge durch Schweigen auf. Deswegen finde ich es nur fair wenn ich die Geschichte dieser Kampfkunst hier nochmal zusammenfasse.

Dôkô Ryû Kenjutsu ist ein modernes Deutsches Schwertkampfsystem das von Holger Jurthe und Mathias Reich Anfang 2016 ins Leben gerufen wurde. Jurthe und Reich wiederum erlangten ihre Schwert Kenntnisse im Yamabushi Ryu Kenjutsu, welches bis heute von Eberhardt Falk in Berlin gelehrt wird. Yamabushi Ryu Kenjutsu ist ebenfalls ein modernes deutsches Schwertkampfsystem das Ende 1995 von Ingo Brosch, Holger Martek und Marcus Bartsch ins Leben gerufen wurde. Alle Drei hatten Graduierungen im Battodo des Hans-Jürgen Eul inne(Quelle: http://www.kampfkunst-board.info/forum/f12/yamabushi-ry-kenjutsu-betrachtung-178057/index7.html#post3489931 ). Während dieses ebenfalls moderne deutsche System mittlerweile nicht mehr von Herrn Eul gelehrt werden zu scheint, existiert es jedoch weiterhin unter den Namen Shobukan Inyo-Ryu Battojutsu. Euls Battodo wiederum scheint sehr stark von Toshiro Obatas Shinkendo, eine moderne japanische Schwertkunst, beeinflusst wurden zu sein. Wobei hier das Ausmaß der „beeinflussung“ nicht wirklich zu fassen ist. Nur von Videos abgeguckt, über ein(paar)mal auf einem Seminar geübt, bis hin zur grundlegenden Ausbildung ist alles möglich. Shinkendo wiederum beruht vor allem auf Obatas Kenntnissen der Toyama- und der Nakamura-ryu. Die Nakamura-ryu ist ein modernes japanisches Schwertkampfsystem das eine Vereinfachung der Toyama-ryu darstellte und die Toyama-ryu ist eine moderne japanische Kampfkunst(ca. 1920 gegründet an der Toyama Akademie) die von Schwertkampf Experten gezielt dazu entwickelt wurde der damals imperialistischen Armee Japans den Umgang mit Schwertern näher zu bringen falls der Soldat irgendwann nur noch sein Schwert zur Hand haben sollte. Diese moderne Armee speiste sich hauptsächlich aus Rekruten die aus den ehemaligen Bauern und Händlerständen eingezogen wurden und die meistens die Grundlagen des Schwertes nicht kannten.

Zusammenfassend kann man sagen das selbst wenn wir annehmen das Herr Eul eine längere Ausbildung genoss im Shinkendo die Herkunftslinie mit den Bushi bzw. Samurai so gut wie nichts zu tun hat.


Die Kata (Formen) werden mit dem Katana (Langschwert) geübt und praktiziert.[…] Partnerübungen werden mit dem Bokken, einer Holznachbildung des Katana, geschult.

In diesen beiden Sätzen wird klar das hier ein grundlegende Kenntnisse des japanischen Budo fehlen. Auch Partnerübungen sind Kata. Weitere Kritikpunkte sehe ich in der Benutzung der Titel Shodai, das benutzen des Kreiskampfes als Übung und der Einsatz von Bo und Ryukyu Waffen insgesamt(siehe Video).
Für mich sieht es ehrlich gesagt aus als hätte man sich jede glich vom in Unehre gefallenen Namen Yamabushi Ryu getrennt, macht aber mit dem selben Schmuh einfach weiter. In meinen Augen einfach enttäuschend.
Aber was ist eure Meinung dazu?

Jadetiger
07-07-2017, 14:32
Danke für die Aufschlüsselung!

Ein weiteres Indiz dafür ist das der Teil „in Anlehnung“, der vom unwissenden Augen in seiner Bedeutung im Zusammenhang mit der Kampfkunst und deren Geschichte unbedeutend ist, für die Leute der Doko Ryu aber einen Rettungsanker gegen womögliche Kritiker dient. Nun muss man natürlich Zugeben das in diesem einen Satz keine Lüge drinsteckt. Ist einem aber die Geschichte bewusst kommt einen trotzdem ein übles Gefühl einer Lüge durch Schweigen auf.
Das sehe ich ehrlich gesagt nicht so. "in Anlehnung an" ist ein klares Wort gleich dem englischen "based on", was z.B. in Hollywoodfilmen bedeutet, dass der Ursprungsroman irgendwann mal im gleichen Bücherregal wie das Drehbuch stand und sonst nichts. Wenn ich sowas lese gehe ich automatisch davon aus, dass die Ähnlichkeiten zu einer traditionellen Ryuha nach dem in der Hand gehaltenen Katana und den japanischen Kommandos aufhören.

Die Verwendung des Wortes "Ryu" finde ich ebenfalls nicht wirklich verwerflich, weil das übersetzt ja nichts Anderes bedeutet als "Strömung" oder "Stil". Wenn ich Japanern schnell erklären soll, was ich für eine Kampfkunst mache, sage ich auch "itaria-ryu tanto-jutsu" (Messertechniken im italienischen Stil; natürlich mit einem Augenzwinkern ;) ).

Schlimm fänd ich das Ganze, wenn sie offen behaupten würden, eine traditionelle Ryuha zu sein, was sie ja anscheinend nicht tun.

Just my 2 cents...

Gast
07-07-2017, 15:34
Schlimm fänd ich das Ganze, wenn sie offen behaupten würden, eine traditionelle Ryuha zu sein, was sie ja anscheinend nicht tun.

Nein das tun sie nicht. Mein Punkt ist aber das sie es in den Augen eines Unerfahrenen so erscheinen weil sie eben gerade nicht proaktiv sagen das sie modern sind.

Ich mein für eine Beschreibung von Kenjutsu verlinken sie zuerst auf den Wikipedia Artikel. Und was finden sie da? Die Information das Kenjutsu eine alte Kampfkunst ist, der Vorgänger des modernen Kendo und Iaido und das das heutzutage in Ryuha unterrichtet wird.

Das sind genau die gleichen Kritikpunkte die man schon bei den Yamabushi Leuten hatte. Und wir wissen das mindestens einer der Begründer hier im Forum von diesem Thread weiß.
Und sorry, ich bin einfach der Meinung das man hier Yamabushi ryu nur unter neuen Namen verkaufen will, weil mittlerweile jeder mit Internetanschluss über eine Google Suche herausfinden kann das die Kampfkunst ein selbst erfundenes Hirngespinst ist.

Ich mein wieso muss man es überhaupt Kenjutsu nennen?
Sollen sies doch Dôkô-ryû Shinkendô nennen wenn es japanisch sein muss und dann können sie von mir aus schreiben das das eine moderne Schwertkunst ist die an Obatas Shinkendo angelehnt/inspiriert ist.

Das wäre in meinen Augen ehrlich und unmissverständlich.

Jadetiger
07-07-2017, 15:59
Ich mein wieso muss man es überhaupt Kenjutsu nennen?
Sollen sies doch Dôkô-ryû Shinkendô nennen wenn es japanisch sein mussIch denke, dass das schlicht und ergreifend Marketinggründe hat. Mit dem Begriff Kenjutsu können halt deutlich mehr Leute irgendwas verbinden als mit Shinkendo. Klar ist das zu einem gewissen Grad Bauernfängerei, aber der Begriff Kenjutsu ist nunmal nicht geschützt und bedeutet ja nur "Schwert-technik".- Wenn du in Japan eine Schule für europäisches Langschwertfechten aufmachen würdest, wäre das vermutlich in der Landessprache auch "Kenjutsu". Oder liege ich da falsch?

Gast
07-07-2017, 16:48
Im Tokioer Castle Tintagel, einer HEMA Akademie, wirds tatsächlich als Doitsu Kenjutsu bezeichnet.

Aber guter Einwurf. Sie hättens auch einfach "Fechten mit Japanischen Schwert" Nennen können.

Shava
08-07-2017, 12:49
Da ich weiß, wer die Schule betreibt, äußere ich mich mal so:

"Ich unterstelle da niemandem in irgendetwas irgendeine Absicht."
Die Kritik, mit der wir uns hier befassen (was ist "ryû"), geht den Veranstaltern dort definitiv einige Meter über den Kopf hinweg.
Das ist halt leider ein Problem, nicht nur der deutschen KK-Szene: japanische Wörter werden nach Gusto mit einer Beliebigkeit benutzt, die jeden nur halbwegs hierin Geschulten erschaudern lassen. Und dann soll man noch solche mit fragwürdigen Absichten von jenen mit lediglich fragwürdigem Kenntnisstand unterscheiden können.

Ich persönlich ziehe die Linie dort, wo Traditionslinien gefälscht werden, egal wie stümperhaft.
Alles andere ist erst einmal nur Unwissen mit mangelnder böser Absicht.

ryoma
08-07-2017, 13:18
Da ich weiß, wer die Schule betreibt, äußere ich mich mal so:

"Ich unterstelle da niemandem in irgendetwas irgendeine Absicht."
Die Kritik, mit der wir uns hier befassen (was ist "ryû"), geht den Veranstaltern dort definitiv einige Meter über den Kopf hinweg.
Das ist halt leider ein Problem, nicht nur der deutschen KK-Szene: japanische Wörter werden nach Gusto mit einer Beliebigkeit benutzt, die jeden nur halbwegs hierin Geschulten erschaudern lassen. Und dann soll man noch solche mit fragwürdigen Absichten von jenen mit lediglich fragwürdigem Kenntnisstand unterscheiden können.

Ich persönlich ziehe die Linie dort, wo Traditionslinien gefälscht werden, egal wie stümperhaft.
Alles andere ist erst einmal nur Unwissen mit mangelnder böser Absicht.

Ich gehe da im Prinzip mit Shava einig. Inwiefern man hier von tatsächlich verfälschender Absicht ausgehen kann bleibt fraglich.
Es ist leider in der Tat so, dass solche Leute oftmals gar nicht wissen was sie da erzählen oder aber absolut überzeugt sind, wirklich in irgendeiner "Traditionslinie" zu stehen.
Es mag hart (und für einige auch snobistisch) klingen: Aber es gibt nun mal genügend Menschen, die Geschriebenes (hier z.B. der Wiki-Artikel zu Kenjutsu) nicht in einen vernünftigen intellektuellen Rahmen setzen können.
"Man" liest diesen Wiki-Artikel und ist absolut felsenfest davon überzeugt, genau das Beschriebene doch ebenfalls auszuüben. Wo liegt dann das Problem solche Begriffe wie z.B. Ryû auch zu verwenden? ;)

Gast
08-07-2017, 16:04
Gut, Shava und ryoma, ihr habt wahrscheinlich recht.
Wahrscheinlich bin ich einfach ein wenig frustriert weil die Beiträge von viper-berlin mich doch eines besseren erhoffen lassen haben und ich vom Ergebnis enttäuscht bin.