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Vollständige Version anzeigen : "Dreckige" Wurfvarianten......



Wulle
12-08-2017, 15:18
Hallo zusammen,
trainiert ihr bzw. kennt ihr "dreckige" Wurfvarianten? Also bei denen beispielsweise ins gesicht, in die haare oder ähnliches gegriffen wird? Und was haltet ihr davon?

Die frage richtet sich natürlich an SV-Spezifisches grappling, im wettkampf wäre oben genanntes beispiel selbstverständlich verboten ;)

Bin gespannt auf eure Antworten!
Schönes Wochenende euch allen,
Wulle

Gesendet von meinem Moto G (4) mit Tapatalk

Hug n' Roll
12-08-2017, 15:50
Verstehe die Frage nicht ganz.

Wenn man Wurftechnik(en) verstanden hat, gibts mit Blick auf Wurfvorbereitung, Positionierung und Eingang nur funktional und dysfunktional.
-In der SV ist die Funktionalität dann eben abhängig davon, was ich zu greifen bekomme.

Ob ich Würfe ohne regelkonforme Griffe an Jacke und Hose trainiere? Sicher, beim noGi-Training.
Weitere Griffe, als im noGi üblich (fishhooking, Haare) halte ich für sinnlos, zu trainieren, da nicht verlässlich funktional (Haare reissen aus oder sind ggf. nicht vorhanden, etc.).

Schnueffler
12-08-2017, 16:05
Sowas wäre ein AddOn, falls man es zufällig zu greifen bekommt.
Aber ein spezielles Training dafür? Nein.

Und dreckig kann die Ausführung selbst sein, wenn man den Partner nicht die Möglichkeit gibt ordentlich zu fallen oder abzuschlagen. Sowas haben wir ein paar mal auf Weichbodenmatten, bzw. in der Turnersprunggrube trainiert.

period
12-08-2017, 16:17
Buchempfehlung: Wilder / Kane, Dirty Ground. Wilder und Kane gehen eine Reihe von Wurftechniken für je drei Szenarien (Wettkampfsport [Judo], Drunkle - schadenfreies Kontrollieren von randalierenden Personen - und militärischer Nahkampf) durch, was ich persönlich sehr spannend finde. Die Varianten für die dritte Situation zeichnen sich in erster Linie durch solche "dreckige" Techniken aus (in die Augen, Stampftritte gegen das Knie sowie Ellbogen und Kopf des am Boden liegenden Gegners etc). Dürfte aber in den allermeisten Fällen schon Notwehrüberschreitung sein...

Beste Grüße
Period.

Spud Bencer
12-08-2017, 20:28
Die Varianten für die dritte Situation zeichnen sich in erster Linie durch solche "dreckige" Techniken aus (in die Augen, Stampftritte gegen das Knie sowie Ellbogen und Kopf des am Boden liegenden Gegners etc). Dürfte aber in den allermeisten Fällen schon Notwehrüberschreitung sein...
.
Funktioniert laut den großen Meistern des KKB sowieso nicht :D

Dreckige Varianten, dich ich aus dem Judo kenne, sind meistens so, daß die Bewegung eines Wurfes verkürzt wird, so daß der Gegner auf dem Kopf statt auf dem Rücken landet. Beim Seoi Nage/Schulterwurf zum Beispiel.
Auch beliebt: Bei Osoto Gar mit der rechten Hand beim Kuzushi einen Kinnhaken einbauen. Braucht halt ein bißchen Short Power :D

Wenn man sich alte Sachen anschaut, sieht man oft, daß Feger früher einfach Tritte waren. Also kein Fußfeger sondern Tritt ins Knöchelgelenk und solche Späße (Spezialität vom nördlichen Praying Mantis, sagt man zumindest).

Schnueffler
12-08-2017, 20:30
Unterschied zwischen Wettkampf und Krieg.

Björn Friedrich
12-08-2017, 20:56
Der wichtigste Aspekt beim Werfen für die SV, ist meiner Meinung nach die Kombination und Vorbereitung durch Schläge und Tritte.

Das ist was, was ich speziell trainiere. Ich persönlich mag nicht das Werfen aus dem reinen Ringen heraus, sondern viel lieber Würfe aus dem Schlagen und Treten heraus. Das erfordert viel Timing und Aufmerksamkeit, aber wenig Kraft.

Allerdings ist es für Anfänger recht schwer sowas umzusetzen, die haben es aus dem reinen Ringen heraus einfacher.

Aber wie gesagt, für mich gibt ist alles nur Bewegung, Schlagen, Treten, Hebel, Würfe und im richtigen Moment entsteht die passende Bewegung.......

Schnueffler
12-08-2017, 21:06
Sehe ich auch so!
Ich persönlich bin ein eher schlechter Judoka, Grappler, weil ich durch schieben, ziehen, drehen und bewegen schlechter in Würfe rein komme.

Wenn ich aus dem schlagen und treten in Würfe komme, dann habe ich persönlich ein besseres Gefühl.

period
12-08-2017, 21:13
Da will ich auch gar nicht widersprechen. Meiner Meinung nach ist es nur sinnvoll, auch aus dem reinen Standgrappling heraus sinnvoll finishen zu können, weil einem das für bestimmte Situationen ("Drunkle") mehr Möglichkeiten gibt - insbesondere was die Schadensbegrenzung angeht.

Beste Grße
Period.

Schnueffler
12-08-2017, 21:24
Was bedeutet Drunkle?

period
13-08-2017, 00:12
Wortschöpfung von Wilder und Kane aus "drunken uncle". Ich habe es oben als "schadenfreies Kontrollieren von randalierenden Personen" zusammengefasst. In der Originalfassung wird das Szenario eines Onkels bei der Familien-Weihnachtsfeier entworfen, der anfngt zu pöbeln und zu grabschen. Natürlich ist die Situation nicht tragbar, und es wird wahrscheinlich von dem anwesenden Kampfsportler erwartet werden, dass er sich darum kmmert. Nur kommts halt nicht so gut, wenn man Onkel Harry wegklatscht, und wahrscheinlich streicht einem Tante Betty einem dann auch ganz fix die Weihnachtsgeschenke raus... darum Drunkle.

Beste Grüße
Period.

Schnueffler
13-08-2017, 00:14
Okay, danke.

Sekretär
14-08-2017, 15:00
https://youtu.be/Td-8u4f1pzo

Ein sauberer Suplex auf hartem Boden verfehlt seine Wirkung nicht.

period
14-08-2017, 15:16
Natürlich nicht - wobei die Betroffenen im Video meines Erachtens beide Glück hatten... die Situation hätte es nicht erlaubt, sich auf Notwehr zu berufen.

Insgesamt haben natürlich die klassischen Würfe mehr als genug Potential, Schaden zu produzieren, inklusive Schaden, der juristisch in den Bereich der Notwehrüberschreitung gewertet werden kann. Was natürlich nicht heißt, dass es die einzigen Möglichkeiten sind, die es gibt und die funktionieren können (siehe die Diskussion zur Kani Basami in der SV vor kurzem).

Beste Grüße
Period.

Spud Bencer
14-08-2017, 15:45
Wortschöpfung von Wilder und Kane aus "drunken uncle". Ich habe es oben als "schadenfreies Kontrollieren von randalierenden Personen" zusammengefasst. In der Originalfassung wird das Szenario eines Onkels bei der Familien-Weihnachtsfeier entworfen, der anfngt zu pöbeln und zu grabschen. Natürlich ist die Situation nicht tragbar, und es wird wahrscheinlich von dem anwesenden Kampfsportler erwartet werden, dass er sich darum kmmert. Nur kommts halt nicht so gut, wenn man Onkel Harry wegklatscht, und wahrscheinlich streicht einem Tante Betty einem dann auch ganz fix die Weihnachtsgeschenke raus... darum Drunkle.

Nur, wann passiert sowas schonmal in der Realität? Klingt für mich eher nach Fantasie, um sich ein weiteres Anwendungsgebiet herbei zu dichten.

miskotty
14-08-2017, 15:55
Nur, wann passiert sowas schonmal in der Realität? Klingt für mich eher nach Fantasie, um sich ein weiteres Anwendungsgebiet herbei zu dichten.

Seit ich auf einer Hochzeit erlebt hab, wie sich Bräutigam und Trauzeuge fast aufs Maul hauen wollten, halt ich das Szenario für nicht wirklich unrealistisch :D

period
14-08-2017, 16:27
Nur, wann passiert sowas schonmal in der Realität? Klingt für mich eher nach Fantasie, um sich ein weiteres Anwendungsgebiet herbei zu dichten.

Um ehrlich zu sein glaube ich, dass statistisch mehr Anwendungen in den "Drunkle"-Bereich fallen als in den "military combat" - zumindest für den zivilen Anwender. Auch die Paramter in der Security-Branche, bei der Polizei, in Krankenhäusern etc. dürften in der Regel eher das Ziel der schonenden Kontrolle eines "Ausgerasteten" haben als dessen schnellstmögliche Neutralisierung ohne Rücksicht auf Verluste... Außerdem ist es nach erfolgter Kontrolle immer noch möglich, das Schadensausmaß zu erhöhen, sofern eine Rechtfertigung (Ziehen einer Waffe etc) auftreten sollte.

Beste Grüße
Period.

Spud Bencer
14-08-2017, 17:13
Seit ich auf einer Hochzeit erlebt hab, wie sich Bräutigam und Trauzeuge fast aufs Maul hauen wollten, halt ich das Szenario für nicht wirklich unrealistisch :D
Dann hauen sie sich halt auf's Maul. Ich sehe das Problem nicht. Und wenn man sich unbedingt einmischen muss, dann wird halt einer abgewürgt. Oder auch gepinnt. Das muss man doch nicht extra trainieren. Wettkampfsport ist doch genau das.


Um ehrlich zu sein glaube ich, dass statistisch mehr Anwendungen in den "Drunkle"-Bereich fallen als in den "military combat" - zumindest für den zivilen Anwender. Auch die Paramter in der Security-Branche, bei der Polizei, in Krankenhäusern etc. dürften in der Regel eher das Ziel der schonenden Kontrolle eines "Ausgerasteten" haben als dessen schnellstmögliche Neutralisierung ohne Rücksicht auf Verluste... Außerdem ist es nach erfolgter Kontrolle immer noch möglich, das Schadensausmaß zu erhöhen, sofern eine Rechtfertigung (Ziehen einer Waffe etc) auftreten sollte.

Es ist schon noch ein Unterschied, ob ich jemanden im straight armbar habe und langsam anziehe, oder ob ich ihm den Hals breche. Nochmal: Wettkampf-Grappling reicht grade wenn man jemanden nicht schwer verletzten will vollkommen aus, dazu ist er ja da: Einen sich wehrenden Gegner zu dominieren, ohne gleich die harten Sachen auszupacken. Und wenn dann mal doch was zu Bruch geht, who cares? Beim Drunkle wird jeder sagen "Selber schuld" und bei der Polizei weinen im Fall der Fälle eh nur Linkspartei und Grüne.

Wieso noch softer? Wie sollte das überhaupt aussehen - Systema/Aikido-style? Ein bißchen Baseline-Brachialität muss dabei sein, sonst kann man's auch gleich lassen. Die Baseline ist für mich genau Wettkampfsport-Niveau. Fester machen kann man immer, aber weniger und es funktioniert halt einfach nicht mehr.

period
14-08-2017, 17:29
Ach so wars gemeint ;) Also, wenn ich meine Ausgabe von Dirty Ground grad nochmal durchblättere, ist "Drunkle" in Sachen Intensität eher weiter oben angesiedelt als die klassische Wettkampfversion. Nach Auslegung von Kane und Wilder beinhaltet es aus Kniestöße und Schläge zum Bauch oder in die Rippen, und die Würfe werden so ausgeführt, dass man nicht mitfällt - im Vergleich zum modernen Wettkampfjudo teilweise ein ziemlicher Unterschied - und am Boden in einer Kontrollposition landet, eben weil diverse Eventualitäten einkalkuliert sind. Ist also nicht eine softere Version der Wettkampfvariante oder etwas Richtung Aikido /Systema.
Ob man das extra trainieren muss oder soll kommt auf den einzelnen drauf an würde ich sagen. Ich kenne ziemlich viele Standgrappler, denen ich die entsprechenden Fähigkeiten unbesehen bescheinigen würde. Allerdings auch nicht allen, wobei die Technikvorliebe da z.T. eine größere Rolle spielt als die Wettkampferfahrung. Bei den BJJ-lern habe ich für meinen Teil durchaus noch eine manchmal recht beträchtliche Lücke in diesem Bereich erlebt. Wenn Du mich jetzt fragst, ob ich sowas trainiere, ist die Antwort ein ehrliches Nein. Würde ich aber, wenn ich mich mehr mit SV oder Security befassen würde.

Übrigens, ein anderes Buch mit ähnlicher Ausrichtung wäre Scaling Force von Rory Miller und Lawrence Kane. Ich habs hier irgendwo und erinnere mich auch, es gelesen zu haben, könnts aber grad nicht aus dem Stehgreif zusammenfassen.

Beste Grüße
Period.

Schnueffler
14-08-2017, 17:36
Hast du mal die ISBN von dem Buch?

period
14-08-2017, 17:40
Hast du mal die ISBN von dem Buch?


Wilder / Kane, Dirty Ground: The Tricky Space Between Sport and Combat
ISBN-10: 1594392110
ISBN-13: 978-1594392115

Miller / Kane, Scaling Force: Dynamic Decision Making Under Threat of Violence
ISBN-10: 1594392501
ISBN-13: 978-1594392504

Beste Grüße
Period.

Schnueffler
14-08-2017, 17:42
Danke.

Gast
14-08-2017, 17:55
Wurfeingang machen, dem Gegner das Gefühl geben, dass jetzt Standupgrappling angesagt ist und dann volle Kanne in die Fresse hauen. Klappt gut...:D

miskotty
14-08-2017, 18:02
Dann hauen sie sich halt auf's Maul. Ich sehe das Problem nicht. Und wenn man sich unbedingt einmischen muss, dann wird halt einer abgewürgt. Oder auch gepinnt. Das muss man doch nicht extra trainieren. Wettkampfsport ist doch genau das.


Es ist schon noch ein Unterschied, ob ich jemanden im straight armbar habe und langsam anziehe, oder ob ich ihm den Hals breche. Nochmal: Wettkampf-Grappling reicht grade wenn man jemanden nicht schwer verletzten will vollkommen aus, dazu ist er ja da: Einen sich wehrenden Gegner zu dominieren, ohne gleich die harten Sachen auszupacken. Und wenn dann mal doch was zu Bruch geht, who cares? Beim Drunkle wird jeder sagen "Selber schuld" und bei der Polizei weinen im Fall der Fälle eh nur Linkspartei und Grüne.

Wieso noch softer? Wie sollte das überhaupt aussehen - Systema/Aikido-style? Ein bißchen Baseline-Brachialität muss dabei sein, sonst kann man's auch gleich lassen. Die Baseline ist für mich genau Wettkampfsport-Niveau. Fester machen kann man immer, aber weniger und es funktioniert halt einfach nicht mehr.

Ich hab das eigentlich so verstanden, dass die Sache halt den Schwerpunkt "sichern und kontrollieren" hat. Das werden Sachen aus dem Wettkampfsport sein. Positionieren, Bodenkampf mit Vermeidung irgendwelche Gelenke zu sprengen. Das ist wohl weniger für Wettkämpfer gedacht, mehr für Leute die das noch nicht trainiert haben

period
14-08-2017, 19:19
Ich habe grad ein bisschen in Millers Scaling Force geblättert. Im Vergleich zu Dirty Ground ist es wesentlich mehr auf Hintergrundwissen und "Theorie" als auf konkrete Techniken ausgerichtet (Millers Arbeiten über die soziologischen Hintergründe von physischen Auseinandersetzungen, die hier wohl bekannt sein dürften werden in Kurzform vorgestellt, weiters das Erkennen von verdeckt getragenen Waffen - was Dirty Ground weitestgehend ausblendet - und Aufmerksamkeit, was dort ebenfalls nur gestreift wird). Der Sportaspekt wird komplett ausgeblendet, und statt mit drei Möglichkeiten arbeitet das Buch mit sechs "Levels of force", die von nonverbaler Kommunikation bis hin zu "lethal force" reichen. Miller ist ebenfalls ein großer Fan von "unsportlichen" Techniken, Manipulationen kleiner Gelenke wie Finger etc, schlagen auf ein durch Grappling fixiertes Ziel etc. Erörtert wird dabei auch, in welcher Situation welche Art von Angriff (Würfe, Hebel, Schläge) Erfolg versprechen.
Außerdem ist das Buch gespickt mit "Kriegsgeschichten" und Warnungen vor exzessiver Gewaltanwendung (= Notwehrüberschreitung). Insgesamt m.E. mehr auf Leute ausgelegt, die das beruflich machen, aber in jedem Fall spannende Lektüre.

Beste Grüße
Period.

period
14-08-2017, 19:23
PS: Weder Miller und Kane noch Wilder und Kane legen m.E. nahe, dass man die Techniken ohne Grapplingerfahrung anwenden kann oder soll... was m.E. auch vollkommen unverantwortlich wäre.

Beste Grüße
Period.

Gast
15-08-2017, 09:20
Ich habe grad ein bisschen in Millers Scaling Force geblättert. Im Vergleich zu Dirty Ground ist es wesentlich mehr auf Hintergrundwissen und "Theorie" als auf konkrete Techniken ausgerichtet (Millers Arbeiten über die soziologischen Hintergründe von physischen Auseinandersetzungen, die hier wohl bekannt sein dürften werden in Kurzform vorgestellt, weiters das Erkennen von verdeckt getragenen Waffen - was Dirty Ground weitestgehend ausblendet - und Aufmerksamkeit, was dort ebenfalls nur gestreift wird). Der Sportaspekt wird komplett ausgeblendet, und statt mit drei Möglichkeiten arbeitet das Buch mit sechs "Levels of force", die von nonverbaler Kommunikation bis hin zu "lethal force" reichen. Miller ist ebenfalls ein großer Fan von "unsportlichen" Techniken, Manipulationen kleiner Gelenke wie Finger etc, schlagen auf ein durch Grappling fixiertes Ziel etc. Erörtert wird dabei auch, in welcher Situation welche Art von Angriff (Würfe, Hebel, Schläge) Erfolg versprechen.
Außerdem ist das Buch gespickt mit "Kriegsgeschichten" und Warnungen vor exzessiver Gewaltanwendung (= Notwehrüberschreitung). Insgesamt m.E. mehr auf Leute ausgelegt, die das beruflich machen, aber in jedem Fall spannende Lektüre.

Beste Grüße
Period.

Danke für die Titel. Werde sie kaufen:beer::beer::beer:

SKA-Student
15-08-2017, 11:57
Generell klingt die Eingangsfrage mal wieder ein bisschen nach:
"Gibt's Tricks damit es einfacher wird / man schneller lernen kann / nicht so viel üben muss ???"

Ich würde sagen, dass man einige Würfe und Takedowns richtig lernen sollte, dann auf "dreckig" umschalten ist das kleinere Problem.

Abgesehen davon bieten die meisten Gesichter eher schlechte Griffmöglichkeiten... Haare okay, Ohren vielleicht.

ThomasL
15-08-2017, 14:28
Nur, wann passiert sowas schonmal in der Realität? Klingt für mich eher nach Fantasie, um sich ein weiteres Anwendungsgebiet herbei zu dichten.

?
Ich hatte mehr als einmal das "Vergnügen" im Freundes und Bekanntenkreis Leute kontrollieren zu müssen, ohne sie verletzten zu wollen.



Um ehrlich zu sein glaube ich, dass statistisch mehr Anwendungen in den "Drunkle"-Bereich fallen als in den "military combat" - zumindest für den zivilen Anwender.

Spiegelt auch meine Erfahrung wieder.



...Oder auch gepinnt. Das muss man doch nicht extra trainieren. Wettkampfsport ist doch genau das.
Da ist was dran (bezogen auf Judo).


Bzgl. "Dreckiges Werfen".
Jon Bluming zeigte viele (Judo) Würfe die mit einen Schlag (teils Ellenbogen) als Vorbereitung (im Kyokushin Budo Kai auch im Wettkampf erlaubt). Ein paar der Varianten (etwas verschleiert) sind mir auch im Wettkampfjudo begegnet (z.B. der hier bereits erwähnte Kinnhaken aus dem Kragengriff).
Bei Leonardo haben wir mal geübt beim Hüftwurf mit auf den Gegner zu springen.

Wulle
17-08-2017, 23:45
Generell klingt die Eingangsfrage mal wieder ein bisschen nach:
"Gibt's Tricks damit es einfacher wird / man schneller lernen kann / nicht so viel üben muss ???"

Ich würde sagen, dass man einige Würfe und Takedowns richtig lernen sollte, dann auf "dreckig" umschalten ist das kleinere Problem.

Abgesehen davon bieten die meisten Gesichter eher schlechte Griffmöglichkeiten... Haare okay, Ohren vielleicht.Jetzt muss ich doch kurz meine Fragestellung verteidigen [emoji41][emoji23] würfe (am beispiel des judo) sollten auf die effizienteste art und weise benutzt/angewendet werden.... Das bedeutet, jeder wurf kann nur in bestimmten Situationen angewendet werden (sofern man sich an oben genannten leitsatz hält). Bei einem normalen Trainingspensum ist es den meisten nicht möglich, 40 würfe im richtigen kontext stressresistent einzutrainieren (und damit für eine sv-situation funktional)... Und genau da wird es dann interessant, "dreckige varianten" zu benutzen. Am beispiel eines O-Soto-Gari: normalerweise könnte man den wurf nur bei einer bestimmten bewegung/kraftrichtung des gegners anwenden... Greife ich aber unter sein kinn kann ich ihn in eben diese Bewegung zwingen (also eine untypische form des kuzushi).... Dadurch erweitert sich die anwendungsmöglichkeiten des wurfes enorm

Es kann sein, dass eine solche Modifikation der Philosophie der jeweiligen kampfkunst wiederspricht, aber dann kommt es ja auf die persönlichen Beweggründe an, eine kampfkunst zu praktizieren...

Ich möchte damit nicht die effektivität der traditionellen griffe anzweifeln oder behaupten dass es sich bei oben genannten beispiel um eine ultimative Technik handelt.... Aber ich bin überzeugt dass solche Varianten ein höheres verletzungsrisiko für den angreifer mit sich bringen können, was natürlich kein jahrelanges training der grundtechnik ersetzt...

Um auf deine Fragestellung zurückzukommen: ja, ich frage nach einer Möglichkeit, wie es einfacher wird - aber ich verstehe den verächtlichen Unterton nicht. Denn dass etwas in einem gewissen Kontext einfacher wird ist doch nur positiv! Und dass es sinn macht, einen wurf in einer sv-situation mit anderem griff zu werfen als im wettkampf ist meiner meinung nach leicht nachzuvollziehen!

Und was das "auf dreckig umschalten ist das kleinere problem" betrifft: man wird die gelernten techniken genau so anwenden, wie man sie trainiert hat!
"Train as you fight!" - kleiner Denkanstoß ;)

Ich hoffe ich habe mögliche unklarheiten aufgeklärt!
Schönen Feierabend und ein schönes Wochenende euch allen!
LG,
Wulle

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Syron
18-08-2017, 00:05
Ui, irgendwie warte ich nun auf rambat.

bugei
18-08-2017, 00:05
rambat?
raaambaat?
raaaaambaaaat?

Ich glaube, das ist ein Ansatz für Dich:D

Schnueffler
18-08-2017, 00:12
Um mal bei deinem O-Soto-Gari Beispiel zu bleiben, selbst wenn ich unters Kinn greife, wäre es verdammt mühsam einen extrem nach vorn gebeugten Gegner nach hinten zu schmeißen. Die Kinnvariante, sei es gegriffen, sei es mit nem Empi oder einer Closeline geschlagen, ist "tandart" in vielen SV Bereichen.
Aber auch nur da, wo es sich lohnt und der Ansatz des Wurfes sich ergibt.

Wulle
18-08-2017, 01:53
Um mal bei deinem O-Soto-Gari Beispiel zu bleiben, selbst wenn ich unters Kinn greife, wäre es verdammt mühsam einen extrem nach vorn gebeugten Gegner nach hinten zu schmeißen. Die Kinnvariante, sei es gegriffen, sei es mit nem Empi oder einer Closeline geschlagen, ist "tandart" in vielen SV Bereichen.
Aber auch nur da, wo es sich lohnt und der Ansatz des Wurfes sich ergibt.Selbstverständlich bringt es nichts zwanghaft einen Wurf anzusetzen [emoji23] aber ich hoffe man versteht was ich zu erklären versuche[emoji120]

Ps: bitte töte mich nicht rambat[emoji23][emoji23][emoji23]

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Gast
18-08-2017, 08:31
ich hab eigentlich keine lust, mich zu diesem thema schon wieder ausführlich zu äußern ...

ich möchte dazu nur eins zu bedenken geben - würfe an sich sind "submissions", wenn sie richtig ausgeführt werden. würfe an sich sind "dreckig"!
leider sieht man sehr oft (vor allem im "sv"-bereich"), daß das eben nicht der fall ist.
das wiederum generiert meinungen wie "für die sv sind viele würfe nicht zu gebrauchen".

das wiederum führt dazu, daß man "dreckige" varianten sucht, die vermeintlich einfacher auszuführen sind.

wenn man das wurfprinzip des jeweiligen wurfes verstanden hat, ist es unerheblich, ob man zusätzlich noch mit einem kopfstoß nachhilft ...
denn: jede bewegung, die nicht unmittelbar zur wurfvorbereitung (tsukuri) und wurfausführung (kake) gehört, STÖRT den ablauf, verlangsamt den wurf und erhöht die chancen des gegners, sich dem wurf zu entziehen.

es gibt einige wenige effektive "zusatz"-bewegungen, die man der wurfausführung "vorschalten" kann. dazu aber muß man zwingend den wurf beherrschen und ihn anwenden können. in der regel benötigt man dann die zusätzlichen bewegungen gar nicht mehr ... und wenn man den wurf nicht beherrscht und nicht anwenden kann, nützen einem diese bewegungen nichts.

es gibt keine abkürzungen!
lernt richtig zu werfen, versucht die wurfprinzipien zu begreifen, dann erledigt sich eure suche nach "add ons" von allein.
;)

Hug n' Roll
18-08-2017, 09:26
....jau!

Und um den auch noch zu bringen:
Masahiko Kimura hat z.B. mit seinem (millionenfach gedrillten, aber sauber ausgeführten) Osotogari den Leuten reihenweise das Lichtlein (Bewusstsein) ausgeblasen.;)

period
18-08-2017, 09:50
Na ja, wie sauber der Osoto von Kimura war, darüber war man sich seinerzeit in Japan nicht ganz so einig, was ich so gehört habe :D Mindestens einer der am höchsten graduierten Schwarzgurte in Japan soll ihn damit aufgezogen haben, dass der Wurf immer so ausschaut, als ob Kimura einen Baum angreifen würde ;) Aber effektiv war er auf jeden Fall.

Period.

Gast
18-08-2017, 10:42
Na ja, wie sauber der Osoto von Kimura war, darüber war man sich seinerzeit in Japan nicht ganz so einig, was ich so gehört habe :D Mindestens einer der am höchsten graduierten Schwarzgurte in Japan soll ihn damit aufgezogen haben, dass der Wurf immer so ausschaut, als ob Kimura einen Baum angreifen würde ;) Aber effektiv war er auf jeden Fall.

Period.

solche sprüche kamen, nach allem, was ich den erzählungen meines ehemaligen judolehrers entnehmen kann (und was mir zwei japanische judolehrer erzählten) von leuten, die einfach nur neidisch auf das können von kimura, hirano, ushijima ... (you name it) waren.

ich denke da an die arrogante verachtung, die kimura vor allem aus dem kodokan entgegenschlug, als er für geld kämpfte ... um seiner schwerkranken frau überlebensnotwendige medikamente kaufen zu können.
dieser grund wurde ignoriert, und bis an sein lebensende machte man ihm den vorwurf, "für geld" gekämpft zu haben, was eines judoka "unwürdig" sei.
geholfen hat ihm damals übrigens kein einziger von denen, die ihn da als "unwürdig" bezeichneten.
das nur nebenbei, soll ja nicht schon wieder eine debatte über judo-historie werden ...



He was promoted to 7th dan at age 30 (1947), a rank that was frozen after disputes with Kodokan over becoming a professional wrestler, refusing to return the All Japan Judo Championship flag, and issuing dan ranks while in Brazil.


Some biographers note that his professional wrestling career began shortly after his wife was diagnosed with tuberculosis, and it is speculated by some that he began professional wrestling to pay for her medication. Indeed, the predicament was likely beyond the financial means of a police instructor, which was his paying job prior to professional wrestling.


so, wie gesagt, das dazu.


was "dreckige" würfe angeht: ich sehe das "dreckige" nicht im wurfansatz oder in der wurfvorbereitung.
für mich wird es erst "dreckig", wenn ich meinem gegner jede chance nehme, durch fallschule zu vermeiden, daß er sich verletzt.
in der "sv" ist doch aber genau DAS ein erklärtes ziel, oder? ich WILL doch dort die kampfunfähigkeit meines gegners herbeiführen ... oder nicht?


man sollte vielleicht auch mal drüber nachdenken, was es bedeutet, wenn man in alten judobüchern liest, daß kano für die würfe "randori-varianten" entwickelte ... da nicken immer alle eifrig, aber kaum jemand kann's erklären.
;)

Thiloy
18-08-2017, 10:59
solche sprüche kamen, nach allem, was ich den erzählungen meines ehemaligen judolehrers entnehmen kann (und was mir zwei japanische judolehrer erzählten) von leuten, die einfach nur neidisch auf das können von kimura, hirano, ushijima ... (you name it) waren.

ich denke da an die arrogante verachtung, die kimura vor allem aus dem kodokan entgegenschlug, als er für geld kämpfte ... um seiner schwerkranken frau überlebensnotwendige medikamente kaufen zu können.
dieser grund wurde ignoriert, und bis an sein lebensende machte man ihm den vorwurf, "für geld" gekämpft zu haben, was eines judoka "unwürdig" sei.
geholfen hat ihm damals übrigens kein einziger von denen, die ihn da als "unwürdig" bezeichneten.
das nur nebenbei, soll ja nicht schon wieder eine debatte über judo-historie werden ...



so, wie gesagt, das dazu.


was "dreckige" würfe angeht: ich sehe das "dreckige" nicht im wurfansatz oder in der wurfvorbereitung.
für mich wird es erst "dreckig", wenn ich meinem gegner jede chance nehme, durch fallschule zu vermeiden, daß er sich verletzt.
in der "sv" ist doch aber genau DAS ein erklärtes ziel, oder? ich WILL doch dort die kampfunfähigkeit meines gegners herbeiführen ... oder nicht?


man sollte vielleicht auch mal drüber nachdenken, was es bedeutet, wenn man in alten judobüchern liest, daß kano für die würfe "randori-varianten" entwickelte ... da nicken immer alle eifrig, aber kaum jemand kann's erklären.
;)


Rambat, sind denn diese " dreckigen" Würfe mit Chance auf Abrollen/Fallen im heutigen Sportjudo raus genommen worden. ODER warden die Würfe anders geamcht als sage ich mal "früher"?

Gast
18-08-2017, 11:12
@thiloy:


Rambat, sind denn diese " dreckigen" Würfe mit Chance auf Abrollen/Fallen im heutigen Sportjudo raus genommen worden. ODER warden die Würfe anders geamcht als sage ich mal "früher"?

würfe sind "submissions".
das heißt, daß würfe prinzipiell die kampfunfähigkeit des gegners herbeiführen soll(t)en.
würfe gab es ja schon sehr lange, BEVOR es sportliche wettkämpfe im ringen gab. vielleicht kann man es auch so sagen: aus der möglichkeit, einen gegner so zu fall zu bringen, daß er kampfunfähig wurde, entwickelte sich (über einen sehr langen zeitraum) das, was wir heute als sportlichen wettkampf kennen.
(wenn man zeitgenössische berichte über ringerwettkämpfe im ollen griechenland liest, dann merkt man doch recht schnell, daß das etwas anderes war als das, was wir heute unter sport verstehen).

kano hatte, als er den kodokan gründete und sein judo aus der taufe hob, noch keinerlei ambitionen, eine "sportart" ins leben zu rufen.
er hatte in der tenshin shin'yo ryu und vor allem in der kito ryu gelernt, zu werfen. in den alten schulen aber waren würfe "submissions" ...

kano wollte, wie er selbst schreibt (ich finde das zitat gerade nicht), würfe für das üben sicherer und weniger verletzungsträchtig machen. folglich mußte dem gegner gestattet sein, eine fallschule auszuführen.
man kann das an beispielen wie etwa dem seoi nage sehen: wenn man den wurf "old school" ausführt (also kampfbeendend), dann knallt der gegner auf's schädeldach, mindestens aber auf's schulter-eck-gelenk und das schlüsselbein. oder auf's genick. oder auf die stirn, und sein restlicher körper kippt über's genick hinterher ... sehr ungesund.
game over, noch dazu ohne matte ...

so kann man aber nicht mit voller kraft üben, d.h. man kann so die würfe nicht "durchziehen". der trainingspartner ist ja kein gegner ...
folglich übernahm kano aus einigen koryu die fallschule und ließ die würfe so ausführen, daß der geworfene sicher fallen konnte. dadurch wurde es möglich, einen wurf hundertmal hintereinander (oder auch öfter) zu werfen, ohne den trainingspartner zu verschleißen.
im randori warf man genauso - und damit hatte man eine sehr gute vollkontakt-trainingsmethode, um würfe zu einer verheerenden waffe zu schmieden.

für den ernstfall wußten kanos erste schüler, wie man den wurf so ausführte, daß der gegner eben NICHT sicher auf die seite/den rücken fiel, sondern mit voller wucht auf's genick, auf's schädeldach, auf die schulter, auf den bauch ...

alles nur eine frage des winkels.

das war der unterschied zwischen den "randori-würfen" und der art, ernsthaft zu werfen.
ist völlig in vergessenheit geraten. heute geht man allgemein davon aus, daß die entschärften wurfvarianten, die kano für's randori und für's nage komi entwickelte, die ursprünglichen würfe gewesen wären ...

Schnueffler
18-08-2017, 11:22
Ich merke den Unterschied jetzt nach meinem Vereinswechsel am eigenen Leib.
Im alten Verein wurde geworfen, egal ob mit "dirty tricks" oder aus dem "normalen" greifen heraus und als Geworfener hat man das Ergebnis eindeutig gemerkt. Es hat geknallt und man merkte, etwas später losgelassen oder nicht so geführt, man wäre auf den Nacken oder eher senkrecht in den Boden geknallt.
Im aktuellen Verein fällt man mMn. immer sehr sanft und hat immer perfekte Möglichkeiten abzuschlagen und Ukem zu machen.
Viele sind am "jammern" wenn ich sie werfe.

Wulle
18-08-2017, 12:06
@thiloy:



das war der unterschied zwischen den "randori-würfen" und der art, ernsthaft zu werfen.
ist völlig in vergessenheit geraten. heute geht man allgemein davon aus, daß die entschärften wurfvarianten, die kano für's randori und für's nage komi entwickelte, die ursprünglichen würfe gewesen wären ...


Gibt es irgendeine öffentliche quelle in der man diese "vergessenen würfe" einsehen kann?
Denn, wie du dir wahrscheinlich denken kannst, komme ich aus einem sehr versportlichten verein und habe leider keine Möglichkeit zu einem oldschool verein zu wechseln..... Daher beziehen sich auch alle getroffenen Aussagen auf das, was ich dort gelernt habe und nicht auf ein tiefgehendes Verständnis des judo....[emoji20]


Und ich möchte nocheinmal betonen, ich möchte den weg nicht verkürzen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es sinn macht in einer sv-situation würfe anders anzuwenden als im randori - was wenn ich rambats aussage richtig gedeutet habe auch der fall ist ;)

Gast
18-08-2017, 15:15
@wulle:


Gibt es irgendeine öffentliche quelle in der man diese "vergessenen würfe" einsehen kann?

die würfe in kanos judo sind weitgehend die gleichen wie in den koryu.
allein die art der ausführung und die art, in der sie geübt wurden, unerscheidet sich.

wenn man sehen möchte, wie diese würfe in den koryu ausgeführt wurden, bieten sich u.a. die publikationen von skoss und amdur an.

GzTCQk2KHyQ
man sieht gleich zu beginn sehr deutlich, daß eben der wurf nicht durchgezogen, sondern der demo-partner relativ vorsichtig "abgelegt" bzw. zurück auf die füße gestellt wird.
mir geht es jetzt nicht um die überstilisierte demo oder um die "sv-relevanz" der gezeigten techniken. mir geht es einzig und allein darum, ein beispiel für das "nicht hart werfen können" (im sinne eine verletzungsprävention) bei nicht-sportlichen würfen.
wobei es ja auch in den koryu fallschule gab. diese wurde aber oft als eine art "geheimwissen" weitergegeben ... verständlich, wie ich finde.


her ist noch ein schönes beispiel - beachte mal ab 0:47, was die beiden ganz im hintergrund und die beiden ganz vorn machen.
der geworfene fällt nicht, sondern darf mit hilfe des werfenden wieder auf den füßen landen:
IneS0xYso2k
das wäre so ein typisches beispiel ... im randori oder im nokai aigeht das nicht, das soll ja per definitionem unkooperativ sein ...

wenn man ein wenig sucht, findet man viele solcher beispiel für "old school" würfe. die meisten judoka, denen ich begegnet bin, haben so etwas aber noch nie gesehen, kennen die historischen zusammenhänge nicht (kano hat genau so etwas gelernt, bevor er sein judo gründete!) und erklären forsch, das wären ja "gar keine richtigen würfe" ...
;)

hier noch ein beispiel aus der takenouchi ryu:
K3ijOM7wxeo
schau dir mal genau an, was ab 2:22 passiert. siehst du den "bruch" in der wurfausführung, also die abrupte verlangsamung ...?
kannst du dir vorstellen, wie es aussehen würde, wenn dieser wurf durchgezogen wird? wie will man so etwas im randori anwenden?

ab 5:32 sieht man, wie bei seoi-nage die wurfausführung ebenfalls verlangsamt wird. der werfende zieht eben nicht durch ... sondern ermöglich es dem geworfenen, abzurollen bzw. druch armabschlag die wucht des fallens zu "brechen".
kano hat sich das mit der fallschule ja nicht als erster ausgedacht, sondern es übernommen aus den alten schulen ... und es erweitert.

und schau mal ganz, ganz genau hin, wie der geworfene ab 6:13 aufkommt ... mit den füßen zuerst! das würde im heutigen judo als "völlig falsch ausgeführte fallschule" gelten. in der takenouchi ryu jedoch, die ja nicht auf irgendwelche sportlichen wettkämpfe ausgerichtet war, ergibt eine solche fallschule durchaus sinn. dazu können aber unsere koryu-vertreter hier im forum mehr sagen ...

sehr deutlich wird mein anliegen, den unterschied zwischen sportlichen und "od school" würfen zu illustrieren wohl ab 6:45. wenn man diesen ganseki otoshi wirklich durchzieht, fällt der geworfenen unweigerlich auf den kopf.
selbst in der gezeigten "zurückhaltenden" art ist es sehr unangenehm, das ding fallen zu müssen. öfter als zwanzigmal kann man das mit einem trainingspartner nicht machen, ohne daß der sich prellungen u.ä. zuzieht.
daher kanos idee, den wurfwinkel zu verändern und dem geworfenen die möglichkeit zu geben, sich abzufangen, damit kontrolliert(er) zu stürzen und dem wurf so einen großen teil seiner wucht (und damit einen großen teil seiner wirkung) zu nehmen.

fallschule war an sich noch kein alleinstellungsmerkmal des kodokan judo.
es ist allerdings kanos verdienst, auf diesem gebiet sehr innovativ gewesen zu sein bzw. sehr geschickt "geklaut" zu haben.
seine schüler waren durch die veränderte art des übens / werfens in der lage, im absoluten vollkontakt ihre würfe an einem unkooperativen partner tausende male zu üben, ohne diesen partner ernsthaft zu verletzen.

bedauerlicherweise ist die unterscheidung zwischen "randori(tauglichen) würfen" und den ernsthaft auf die vernichtung des gegners ausgerichteten "old school" würfen aus dem blickfeld geraten.
ich denke, das hat nicht zuletzt etwas damit zu tun, daß die japanische gesellschaft sich gegen ende des 19. jahrhunderts stark veränderte. hinzu kommt, daß kanos judo ab 1910 verpflichtender schulsport für die mittelschulen in ganz japan wurde. kano schuf für kinder ein curriculum, das sich stark von dem bisherigen judo unterschied.
kritiker (wie etwa tsunetane oda) hielten ihm damals vor, daß sein "kinder"-judo das ursprüngliche judo verdrängen und ersetzen würde.
sie haben leider recht behalten ...

Gast
18-08-2017, 15:23
übrigens ...
das hier war so sicher nicht unbedingt geplant, zeigt aber noch einmal ganz deutlich, was ich meine:
https://www.facebook.com/emiliano.eijo79/posts/679965498873646?pnref=story

;)

Tyrdal
18-08-2017, 20:06
und schau mal ganz, ganz genau hin, wie der geworfene ab 6:13 aufkommt ... mit den füßen zuerst! das würde im heutigen judo als "völlig falsch ausgeführte fallschule" gelten. in der takenouchi ryu jedoch, die ja nicht auf irgendwelche sportlichen wettkämpfe ausgerichtet war, ergibt eine solche fallschule durchaus sinn. dazu können aber unsere koryu-vertreter hier im forum mehr sagen ...Also das wird bei uns innerhalb der Takagi Yoshin Ryu ganz bewußt so gemacht. Hintergrund ist, daß vom Tragen eines Daisho ausgegangen wird. Und man will ja nicht auf seinen eigenen Schwertern landen ...

Schnueffler
18-08-2017, 20:14
übrigens ...
das hier war so sicher nicht unbedingt geplant, zeigt aber noch einmal ganz deutlich, was ich meine:
https://www.facebook.com/emiliano.eijo79/posts/679965498873646?pnref=story

;)

Schöner Seo Nage

Gast
18-08-2017, 23:42
@tyrdal:



Zitat von rambat
und schau mal ganz, ganz genau hin, wie der geworfene ab 6:13 aufkommt ... mit den füßen zuerst! das würde im heutigen judo als "völlig falsch ausgeführte fallschule" gelten. in der takenouchi ryu jedoch, die ja nicht auf irgendwelche sportlichen wettkämpfe ausgerichtet war, ergibt eine solche fallschule durchaus sinn. dazu können aber unsere koryu-vertreter hier im forum mehr sagen ...

Also das wird bei uns innerhalb der Takagi Yoshin Ryu ganz bewußt so gemacht. Hintergrund ist, daß vom Tragen eines Daisho ausgegangen wird. Und man will ja nicht auf seinen eigenen Schwertern landen ...
:)

genau das meinte ich.
es gibt einen sehr guten grund dafür, daß die fallschule des kodokan judo anders aussieht als bspw. die der takenouchi ryu oder der takagi yoshin ryu.

bedauerlicherweise interessiert sich kaum jemand für diesen grund.
dabei gerät in vergessenheit, daß die "nahkampfmethoden" der diversen koryu allesamt nur ein kleiner teil des jeweiligen curriculums waren.
das "jujutsu" (oder kogusoku, torite, koshi no mawari, hakuda, shubaku, yawara, judo) wurde nie losgelöst von den anderen lehrinhalten unterrichtet.
es stand auch nie allein als "unbewaffnete kk".

ThomasL
19-08-2017, 09:34
@Tom: Danke für die interessanten Informationen und die verlinkten Videos.

Wulle
19-08-2017, 10:38
@wulle:



die würfe in kanos judo sind weitgehend die gleichen wie in den koryu.
allein die art der ausführung und die art, in der sie geübt wurden, unerscheidet sich.

wenn man sehen möchte, wie diese würfe in den koryu ausgeführt wurden, bieten sich u.a. die publikationen von skoss und amdur an.

GzTCQk2KHyQ
man sieht gleich zu beginn sehr deutlich, daß eben der wurf nicht durchgezogen, sondern der demo-partner relativ vorsichtig "abgelegt" bzw. zurück auf die füße gestellt wird.
mir geht es jetzt nicht um die überstilisierte demo oder um die "sv-relevanz" der gezeigten techniken. mir geht es einzig und allein darum, ein beispiel für das "nicht hart werfen können" (im sinne eine verletzungsprävention) bei nicht-sportlichen würfen.
wobei es ja auch in den koryu fallschule gab. diese wurde aber oft als eine art "geheimwissen" weitergegeben ... verständlich, wie ich finde.


her ist noch ein schönes beispiel - beachte mal ab 0:47, was die beiden ganz im hintergrund und die beiden ganz vorn machen.
der geworfene fällt nicht, sondern darf mit hilfe des werfenden wieder auf den füßen landen:
IneS0xYso2k
das wäre so ein typisches beispiel ... im randori oder im nokai aigeht das nicht, das soll ja per definitionem unkooperativ sein ...

wenn man ein wenig sucht, findet man viele solcher beispiel für "old school" würfe. die meisten judoka, denen ich begegnet bin, haben so etwas aber noch nie gesehen, kennen die historischen zusammenhänge nicht (kano hat genau so etwas gelernt, bevor er sein judo gründete!) und erklären forsch, das wären ja "gar keine richtigen würfe" ...
;)

hier noch ein beispiel aus der takenouchi ryu:
K3ijOM7wxeo
schau dir mal genau an, was ab 2:22 passiert. siehst du den "bruch" in der wurfausführung, also die abrupte verlangsamung ...?
kannst du dir vorstellen, wie es aussehen würde, wenn dieser wurf durchgezogen wird? wie will man so etwas im randori anwenden?

ab 5:32 sieht man, wie bei seoi-nage die wurfausführung ebenfalls verlangsamt wird. der werfende zieht eben nicht durch ... sondern ermöglich es dem geworfenen, abzurollen bzw. druch armabschlag die wucht des fallens zu "brechen".
kano hat sich das mit der fallschule ja nicht als erster ausgedacht, sondern es übernommen aus den alten schulen ... und es erweitert.

und schau mal ganz, ganz genau hin, wie der geworfene ab 6:13 aufkommt ... mit den füßen zuerst! das würde im heutigen judo als "völlig falsch ausgeführte fallschule" gelten. in der takenouchi ryu jedoch, die ja nicht auf irgendwelche sportlichen wettkämpfe ausgerichtet war, ergibt eine solche fallschule durchaus sinn. dazu können aber unsere koryu-vertreter hier im forum mehr sagen ...

sehr deutlich wird mein anliegen, den unterschied zwischen sportlichen und "od school" würfen zu illustrieren wohl ab 6:45. wenn man diesen ganseki otoshi wirklich durchzieht, fällt der geworfenen unweigerlich auf den kopf.
selbst in der gezeigten "zurückhaltenden" art ist es sehr unangenehm, das ding fallen zu müssen. öfter als zwanzigmal kann man das mit einem trainingspartner nicht machen, ohne daß der sich prellungen u.ä. zuzieht.
daher kanos idee, den wurfwinkel zu verändern und dem geworfenen die möglichkeit zu geben, sich abzufangen, damit kontrolliert(er) zu stürzen und dem wurf so einen großen teil seiner wucht (und damit einen großen teil seiner wirkung) zu nehmen.

fallschule war an sich noch kein alleinstellungsmerkmal des kodokan judo.
es ist allerdings kanos verdienst, auf diesem gebiet sehr innovativ gewesen zu sein bzw. sehr geschickt "geklaut" zu haben.
seine schüler waren durch die veränderte art des übens / werfens in der lage, im absoluten vollkontakt ihre würfe an einem unkooperativen partner tausende male zu üben, ohne diesen partner ernsthaft zu verletzen.

bedauerlicherweise ist die unterscheidung zwischen "randori(tauglichen) würfen" und den ernsthaft auf die vernichtung des gegners ausgerichteten "old school" würfen aus dem blickfeld geraten.
ich denke, das hat nicht zuletzt etwas damit zu tun, daß die japanische gesellschaft sich gegen ende des 19. jahrhunderts stark veränderte. hinzu kommt, daß kanos judo ab 1910 verpflichtender schulsport für die mittelschulen in ganz japan wurde. kano schuf für kinder ein curriculum, das sich stark von dem bisherigen judo unterschied.
kritiker (wie etwa tsunetane oda) hielten ihm damals vor, daß sein "kinder"-judo das ursprüngliche judo verdrängen und ersetzen würde.
sie haben leider recht behalten ...Tausend Dank für die wirklich ausführliche Antwort![emoji120]

Gesendet von meinem Moto G (4) mit Tapatalk

Gast
19-08-2017, 13:05
@thomasL, wulle:

gern!
:)

period
21-08-2017, 14:58
was "dreckige" würfe angeht: ich sehe das "dreckige" nicht im wurfansatz oder in der wurfvorbereitung.
für mich wird es erst "dreckig", wenn ich meinem gegner jede chance nehme, durch fallschule zu vermeiden, daß er sich verletzt.
in der "sv" ist doch aber genau DAS ein erklärtes ziel, oder? ich WILL doch dort die kampfunfähigkeit meines gegners herbeiführen ... oder nicht?


Da gehe ich mit - ein Wurf, der ein einigermaßen unbeschadetes Fallen verhindert, ist definitiv "dreckig". Das heißt allerdings, dass da eine ganze Reihe von "wettkampfkonformen" Würfen auch darunter fällt (Würfe mit doppelter Handgelenks- oder Oberarmfesselung, tw. Würfe über die Brust).

Ich würde allerdings weiter gehen - ein Wurfansatz, wo ich dem Gegner im Grunde nur die Wahl lasse, in den Wurf hineinzuspringen oder sich zu verletzen (z.B. Würfe über ein überstrecktes Gelenk) dürften ebenfalls in die gleiche Kategorie fallen, insbesondere, wenn man den Wurfansatz nicht zieht sondern reißt, was die Chance einer rechtzeitigen Reaktion entschieden minimiert. In die Kategorie würden dann auch Wurfansätze mit Griffen ins Gesicht oder an Fingern etc fallen, sofern der Ausführende die Sache energisch durchzieht.

Sicher, das Ziel in der "SV" ist die Kampfunfähigkeit des Gegners; jedoch bin ich der Meinung, dass es da verschiedene Abstufungen gibt, da Gefahr der Notwehrüberschreitung o.ä. Konkret wird unter SV hier meist umgangssprachlich auch der ganze Security-Bereich subsummiert, der doch entschieden andere Anforderungen hat. Was z.B. ein Türsteher rechtlich tun darf und was nicht hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv geändert, ditto im Strafvollzug, dazu kommt die Betreuung von psychisch kranken Menschen, wo es immer wieder zu "Aussetzern" kommt. Ich hatte kürzlich eine Unterhaltung mit einem alten Trainer von mir, der im letzteren Bereich tätig ist. Die hatten in der Einrichtung einen ernsthaften Aussetzer bei einem Patienten, der mit einem Küchenmesser gesichtet wurde. Nachdem der Patient handgreiflich wurde und nicht ausreichend Personal zur Sicherung da war, ist er mit einem linken Hüftwurf aufs Parkett befördert ("Ich sag Dir, der ist so schön geflogen...") und in der Kesa Gatame festgehalten worden, bis die Polizei da war ("Der kriegt keine Luft mehr, wollen Sie nicht mal ein bisschen locker lassen?" "So lange der schreit, hat er noch Luft genug..."). Resultat: die Luft war draußen, der Patient hat sich beruhigt, nichts war kaputt. Wenn jetzt eine der "Kampfversionen" angewendet worden wäre, bin ich sicher, dass das juristisch haarig geworden wäre - das Messer war zu dem Zeitpunkt schon weg. Ergo bin ich nach wie vor ein Fan davon, Würfe in unterschiedlichen Abstufungen zu trainieren.

PS: Wie immer eine spannende Diskussion mit Dir :)

Beste Grüße
Period.

Dreiven
21-08-2017, 18:56
Von wegen Seoi Nage aufs Gesicht gibts ja auch noch das Video hier

MRTsabfMTgs

Durchaus ungesund

* Silverback
21-08-2017, 19:25
...
Durchaus ungesund
Echt böse :teufling:

Gast
21-08-2017, 19:32
@period:

:yeaha: