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Vollständige Version anzeigen : Münsteraner Memorandum



dermatze
01-09-2017, 15:52
Liebe Leute,

in Absprache mit jkdberlin (Frank Burczynski) bzw. mit seiner Zustimmung eröffne ich diesen Thread, der eigentlich nicht als Diskussionsthread gedacht ist, sondern mehr der Information dienen soll.

Zur weiteren Erklärung möchte ich gerne etwas ausholen, außerdem werde ich entsprechende Links setzen.


Vor etwa einem Jahr, es ging durch die Medien, kam es im Rahmen einer alternativmedizinischen Krebstherapie durch einen Heilpraktiker zu mehreren Todesfällen.
Die Ermittlungen laufen gegenwärtig noch. Dem Betreiber des sogenannten "biologischen Krebszentrums" wurde sofort die Genehmigung entzogen als Heilpraktiker zu praktizieren.
Dies gilt allerdings nur für den jeweiligen Landkreis. Gegenwärtig hat genau dieser Heilpraktiker einen Landkreis wenige Kilometer weiter seine Tätigkeit legal wieder aufgenommen, während die Ermittlungen noch laufen. Die Behörden sind weitgehend machtlos.
Der Stern berichtete dazu vor etwa 2 Wochen:
Alternative Krebstherapie: Heilpraktiker darf trotz Todesfällen weiter behandeln | STERN.de (http://www.stern.de/gesundheit/alternative-krebstherapie--heilpraktiker-darf-trotz-todesfaellen-weiter-behandeln-7566390.html)

Der Münsteraner Kreis, eine interdisziplinäre Expertengruppe richtet sich mit seinen Forderungen nicht gegen diesen einen Heilpraktiker sondern gegen die gegenwärtigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass in unserem Gesundheitswesen esoteriknahe Laien an Kranken und Hilfesuchenden tätig werden können.

Der Heilpraktiker, den ich oben als pars pro toto angeführt habe war bewusst nahe der holländischen Grenze positioniert und zielte auf vulnerables Klientel eben auch aus Holland und Belgien, wo Vergleichbares wie in Deutschland so nicht möglich wäre. In den meisten anderen europäischen Ländern, wie etwa Österreich, Spanien etc. ebenfalls nicht.
Der Arzt und SPD - Gesundheitspolitikexperte Karl Lauterbach bezeichnete schon vor einiger Zeit, bedingt durch die gesetzlichen Regelungen das System des Heilpraktikerwesens als gigantische "black box", weil wir nicht wissen, wer da was überhaupt mit den Klienten macht. Auch in diesem Zusammenhang möchte ich auf das verlinkte Memorandum verweisen. Es sind wenige Seiten zu lesen und schon im Sinne der Information lohnt diese Lektüre.

Unterstützung erhält der Münsteraner Kreis von immer mehr Landesärztekammern, dem medizinischen Fakultätentag, Patientenrechtlern, psychotherapeutischen Vereinigungen, Konsumentenbunden, Wissenschaftsräten etc., die sich dem Memorandum anschließen.
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77835/Heilpraktikerausbildung-Deutsche-Hochschulmedizin-sieht-Reformbedarf?utm_source=dlvr.it&utm_medium=facebook

Wer sich für das Thema interessiert kann das Münsteraner Memorandum hier lesen:

https://www.aerzteblatt.de/down.asp?id=19264

und gerne auch hier unterstützen (Email reicht, siehe Datenschutzbereich)

Unterstützer (http://www.muensteraner-kreis.de/unterstuetzer.html)

Mir persönlich ist es ein wichtiges Anliegen. Ich halte Qualität, Plausibilität, Evidenz und Kontrolle im Gesundheitswesen für elementar wichtig und es sollte nicht sein, dass da, staatlich legitimiert eine Art von Parallelwelt existiert, die sich zudem weitgehend staatlicher Kontrolle entzieht und über keinerlei potente Selbstkontrolle verfügt, wie es bei Medizinern z.B. durch ein verbindliches Standesrecht und weitere Instanzen gegeben ist. Im Prinzip kann man heute, ohne jedwede Ausbilung absolviert zu haben und ohne je einen Patienten auch nur aus der Nähe gesehen zu haben Heilpraktiker werden.


Ich denke, je stärker und umfassender dieses Thema in die Öffentlichkeit getragen wird, informiert wird, um so besser und ich bedanke mich bei der Forenleitung dafür, dies hier einbringen zu dürfen.

Terao
01-09-2017, 19:23
Und wo sollen sich dann die Flacherdler standesgemäß behandeln lassen? :-§

Klaus
01-09-2017, 21:42
Ich finde so einen "Heilberuf" nach dem Motto alles darf nichts muss auch bedenklich. Bei aller Liebe, aber nur weil man an irgendwas glaubt sollte man nicht ausgerechnet medizinisch damit tätig werden dürfen, ohne dass es vorher eine Form von Zulassung der Behandlung gab. Wobei ich mal davon ausgehe, dass so der eine oder andere "Heilpraktiker" nicht mal daran glaubt, sondern nur eine Geldquelle gefunden hat. Und das darf er dann trotzdem.

Hosenscheißer
02-09-2017, 08:16
Sorry aber das Gesundheitswesen in Deutschland ist ein Witz.
Denn Patienten werden nicht geheilt sondern ihre Krankheit wird nur durch Medizin gelindert und nicht nach den Ursachen geforscht und behandelt.
Damit die Götter in Weiß und die Pharmaindustrie ihr Geld verdienen.

Ripley
02-09-2017, 08:38
Was die zugrundeliegende Problematik gut beleuchtet.

Solange wilde Vorurteile über evidenzbasierte Wissenschaft triumphieren, wird es immer Leute geben, die Magie in Tüten äußerst gewinnbringend an den Patienten bringen.

kaffeegeniesser
02-09-2017, 08:48
Hallo,

auch die Schulmedizin darf doch trotz Todesfällen weiter behandeln, oder?! Oder gibt ein Schulmediziner eine Heilungsgarantie ab? Haftet er persönlich dafür, dass seine Therapie erfolgreich ist?

Ich bin der Meinung, dass ein volljähriger Bürger doch das Recht haben muss, sich auszusuchen, wo und von wem er sich behandeln lassen will, wenn er erkrankt.

Gruß

dermatze
02-09-2017, 09:26
Wie gesagt sollte das KEIN Diskussionsthread sein.

Heilungsgarantien können nicht abgegeben werden, dies ist auch untersagt.
Es geht bei dem Thema nicht um einzelne Todesfälle, sondern um Problematiken im System Heilpraktikerwesen. Es geht um Patientenschutz. Es geht nicht darum dem volljährigen Bürger eine Wahl zu nehmen sondern dafür zu Sorgen, dass er, egal wen er wählt sich in möglichst kompetente Hände begibt.
Das ist im Moment so nicht gewährleistet, weil man gegenwärtig Heilpraktiker werden kann ohne je etwas mit Patienten in irgendeiner Weise zu tun gehabt zu haben. Man macht einfach einen verhältnismäßig leichten Test und eröffnet eine Praxis. Und auch der kann vermeintliche Heilungserfolge haben, weil das meiste, womit die Leute zum Hausarzt oder Allgemeinmediziner gehen Befindlichkeitsstörungen sind, die von selber wieder verschwinden. Aber einer von 1000 hat vllt. wirklich was. Und dann?

Dazu möchte ich ein Zitat bringen:


Nur weil meine Mathelehrerin auch mal Wissenslücken hatte oder Fehler an der Tafel machte, oder didaktisch nicht so geschickt war, bin ich doch nicht auf die Idee gekommen, dass ich mich künftig lieber vom Hausmeister unterrichten lassen sollte! Klar, gibt es auch Hausmeister, die gut in Mathe sind. Und mit vier Operatoren im Zahlenbereich bis 1.000 kommen sicher die meisten gut klar. Aber spätestens bei fortgeschrittener Stochastik und Kurvendiskussion ist es plausibel, davon auszugehen, dass ein studierter Mathematiker weniger Stuss erzählt.

Problem nur: Wenn ich selber null Ahnung von höherer Mathematik habe, kann mir ein geschickter und geschäftstüchtiger Hausmeister sehr viel Geld für "Mathe-Nachhilfe" abluchsen, eh ich begreife, dass der auch nur zweimal halbherzig ins Tafelwerk geschielt hat und sich den Rest der Begriffe und Formeln aus den Fingern gesaugt oder von der YouTube-Akademie abgeschaut hat. Nie war das Wissensgefälle zwischen Laien und Fachpersonen größer als heute – und nie haben Laien diese Kluft so sehr unterschätzt (bzw. sich selbst überschätzt). Wenn ich dann durch's Mathe-Abi falle, wird der Hausmeister aber (zu Recht) jede Verantwortung abstreiten.

Und genau so machen es auch die Heilpraktiker, die qua Gesetz verpflichtet sind, ihre Patienten zu informieren, dass sie einen Besuch bei einem echten Arzt nicht ersetzen können/dürfen. Gleichzeitig suggerieren sie fleißig, dass die "Schulmedizin" nicht vertrauenswürdig sei.

Dass mit "alternativen Heilmethoden", Homöopathika und sonstiger Esoterik jährlich Milliarden verdient werden, wird von den kapitalismuskritischen Gegnern der "Schulmedizin" auch gern unterschlagen.

Quelle: https://hpd.de/artikel/wenn-reinkarnationstherapeut-gegen-aufklaerung-wettert-14724

Ich habe mir lange überlegt hier nochmal zu antworten. Dieser Thread soll BITTE NICHT in eine ideologische Diskussion voller whataboutism abrutschen.
Dieser Thread soll vor allem informieren. Danke.

Klaus
02-09-2017, 10:40
Natürlich ist auch in der Schulmedizin nicht alles Gold was glänzt, gibt es den einen oder anderen systematischen Fehler, auch Geldmacherei.

Es muss aber grundsätzlich zumindest das Machbare getan werden, damit Scharlatane - egal welcher Couleur, dazu gehören auch "Schönheitschirurgen"-Stümper - die Zwänge und Schwächen von Schwerstkranken (dazu gehören auch Menschen mit einem völlig gestörten Selbstbild die sich die Rippen rausoperieren lassen) nicht ausnutzen um schlicht damit einen Haufen Geld aus dem Ärmel zu leiern, ohne auch nur ansatzweise tatsächlich das Patientenwohl in Erwägung zu ziehen. Das gleiche Phänomen gibt es auch in der Finanzbranche, in der Medizin geht es aber mehr um das Eingemachte.

Eine gesetzliche Lösung sollte aber grundsätzlich aller Stümperei und Geldmacherei in Heilbetrieben jeglicher Art einen systematischen Riegel vorschieben, nicht nur bei der "alternativen" Medizin. Der "Gesetzgeber" ist hier, wie überall und bei jedem wichtigen Thema, wieder mal äusserst langsam, und ich weiss nicht inwiefern Öffentlichkeit hier besonders wirksam ist. Das Thema dürfte auch schwer zu lösen sein, weil niemand Halbverrückte daran hindern kann, sich in dem Glauben ihr Leben so retten zu können bei Quach&Salber "behandeln" zu lassen, egal wie absurd.

Terao
02-09-2017, 11:27
Wie gesagt sollte das KEIN Diskussionsthread sein.Sorgt zumindest dafür, dass der Thread aktiv bleibt und gelesen wird.

Gast
02-09-2017, 11:34
"Die akademisch vermittelte Medizin muss den theoretischen Grundlagen ihrer Wissenschaftsorientierung
und der Förderung wissenschaftlicher Urteilskraft in der Ausbildung
angehender Ärzte mehr Raum gewähren."


:halbyeaha

Terao
02-09-2017, 11:50
Das Thema dürfte auch schwer zu lösen sein, weil niemand Halbverrückte daran hindern kann, sich in dem Glauben ihr Leben so retten zu können bei Quach&Salber "behandeln" zu lassen, egal wie absurd.Wie das gehen soll, seh ich halt auch nicht so recht. Man kann ihnen die Begriffe nehmen, dann nennen sie sich halt nicht "Heilpraktiker", sondern Gesundbeter oder irgendsowas. Man kann ihnen verbieten, mit Heil- und Gesundungsversprechen zu werben, dann schwafeln sie halt irgendwas von Energien ins Gleichgewicht bringen. Und wenn man generell verbietet, Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen, bricht nicht nur die Wirtschaft zusammen, sondern auch die etablierten Religionen. :cool:

Nein, ich denke, das Einzige, was hilft, ist Bildung. Kein Mensch sollte hierzulande die Schule verlassen, ohne zumindest ne Grundvorstellung davon zu haben, was wissenschaftliches Arbeiten überhaupt ist. Ich selber hab das erst so richtig an der Uni gelernt, das ist eigentlich ne Schande dafür, dass das Abitur ja genau darauf vorbereiten soll. Neues Fach Wissenschafts-/Erkenntnistheorie für alle, durch alle Schulzweige, ab der 5. Klasse. Schlicht eine Notwendigkeit, um sich in der modernen Welt zurechtzufinden. Das alte Modell der Wissensvermittlung ist einfach nicht mehr zeitgemäß, in einer Zeit, in der jederzeit für jeden so gut wie alle Quellen sofort verfügbar sind. Da wirds viel wichtiger, diese bewerten und auswählen zu können.
Wer dann immer noch Blödsinn glauben will... nun ja, Darwin. :)

Gast
02-09-2017, 12:10
Das Thema dürfte auch schwer zu lösen sein, weil niemand Halbverrückte daran hindern kann, sich in dem Glauben ihr Leben so retten zu können bei Quach&Salber "behandeln" zu lassen, egal wie absurd.

Warst Du schon mal in einer Situation, in der Dir Vertreter der wissenschaftlich orientierten Medizin erklärten, dass sie Dir nicht mehr helfen können bzw. nur mit sehr drastischen Maßnahmen?

Terao
02-09-2017, 12:58
Warst Du schon mal in einer Situation, in der Dir Vertreter der wissenschaftlich orientierten Medizin erklärten, dass sie Dir nicht mehr helfen können bzw. nur mit sehr drastischen Maßnahmen?Problematisch sind doch eher die Leute, die zum Gesundbeter gehen, obwohl ihnen die wissenschaftlich orientierte Medizin noch helfen könnte. Da gabs ja auch schon haarsträubende Fälle.

dermatze
02-09-2017, 13:03
Problematisch sind doch eher die Leute, die zum Gesundbeter gehen, obwohl ihnen die wissenschaftlich orientierte Medizin noch helfen könnte. Da gabs ja auch schon haarsträubende Fälle.

https://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/gesundheit/gefaehrliche_heilpraktiker.html

Macabre
02-09-2017, 17:49
Liebe Leute,

eröffne ich diesen Thread, der eigentlich nicht als Diskussionsthread gedacht ist, sondern mehr der Information dienen soll.


Wie stellst du dir das denn vor, so wie einen Aushang am "schwarzem Brett"..?:gruebel:

Dann könntest du es auch irgenwo anpinnen.. :D

dermatze
03-09-2017, 11:48
Wie stellst du dir das denn vor, so wie einen Aushang am "schwarzem Brett"..?:gruebel:

Dann könntest du es auch irgenwo anpinnen.. :D

Naja, vor allem möchte ich vermeiden, dass dieser Thread in ein ideologisch geprägtes Hickhack ausartet.
Terao hat schon recht, wenn er sagt, dass bei Diskussion der Thread wenigstens aktuell bleibt.
Sehr schnell wird nur noch mit Parolen um sich geschmissen und das eigentliche Thema bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.
Zu welchem Preis? Man kann mit einem solchen Thread sowieso fast nur die Leute erreichen, die da sowieso einigermaßen klar sehen und für diese ist es eher ein Hinweis/Information dahingehend, dass es dieses Memorandum gibt und, wer möchte, dieses gerne unterstützen kann.

Wer aus ideologischen Gründen eine andere Sicht hat (und das sind die meisten, die eine andere Sicht haben, wenn auch längst nicht alle) wird man mit rationalen Ausführungen nicht erreichen können.

Dann gibt es noch die, die Heilpraktiker als ebenbürtige Alternative zu Psychologen und Ärzten sehen. Die kann man sehr wohl informieren, mit einer schnell ins Ideologische abdriftenden Debatte aber auch evtl. abschrecken.

TREiBERtheDRiVER
03-09-2017, 12:48
Danke dermatze

Alfons Heck
29-09-2017, 09:42
Die Grenzen zwischen Medizin und "Körpertuning" (Gesundheit/Schönheit/ Vitalität ...) sind mE am verschwimmen. In Szenemagazinen gibt es solche Beiträge:

...Akupunktur verbinden viele Menschen hierzulande Heilung von Schmerz oder Krankheit. Dass es auch eine natürliche Alternative zur Schönheitschirurgie bietet...
Quelle: http:/ / frizz-frankfurt.de/magazin/facial-renatureacupuncture-%C2%A0sch%C3%B6nheit-die-bleibt/

dermatze
29-09-2017, 20:12
Die Grenzen zwischen Medizin und "Körpertuning" (Gesundheit/Schönheit/ Vitalität ...) sind mE am verschwimmen. In Szenemagazinen gibt es solche Beiträge:

Quelle: http:/ / frizz-frankfurt.de/magazin/facial-renatureacupuncture-%C2%A0sch%C3%B6nheit-die-bleibt/

Nur bei entsprechenden Bildungsdefiziten oder mehr oder weniger desolatem Realitätsbezug (Esoterik) und gerade diejenigen reagieren reaktant auf Berichtigungsversuche.

dermatze
29-09-2017, 20:15
Danke dermatze

Gerne :)