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Vollständige Version anzeigen : Ushiro-Geri im Karate



Mardl
04-10-2017, 07:39
Ich habe mal eine Frage an euer Schwarmwissen: Am Montag diskutierten wir nach dem Training, zu welchem Zeitpunkt und aus welcher Richtung eigentlich der Ushiro-Geri Einzug ins Karate gefunden hat.

Ursprünglich dominierten ja primär gerade Fußtechniken die Keri-Techniken des Okinawa-Te - wie man ja auch an diversen Kata unschwer erkennen kann. Der Yoko-Geri wurde offenbar durch Gigo Funkakoshi ins Shotokan integriert, so dass diese Technik eine Zeitlang als "Spezieltechnik des Shotokan" angesehen wurde und auch nur in den Shotokan-Varianten der Kata vorkamen.
Mawashi-Geri in seinen diversen Formen kam meiner Kenntnis nach erst durch das Wettkampfmäßige Kumite richtig auf, da man mit dieser Technik die Deckung umgehen konnte.

Aber nun zur eigentlich Frage: Woher kommt der Ushiro-Geri? Die Technik taucht in keiner mit bekannten Kata auf. Also ist er entweder verschwunden oder unkenntlich gemacht worden oder kam erst später ins Technikcurriculum hinzu. Dann ist aber die Frage wann und woher wurde er entlehnt?

kanken
04-10-2017, 07:57
Es gibt den Ushiro-Geri z.B. auch in der Itosu no Bassai, die Tritte sind jedoch im alten Te „versteckt“ gewesen. Alter Lehrspruch: „jeder Schritt ein Tritt“... ;)
Man muss sich von der „Grundschulvariante“ verabschieden. Ein Ushiro-Geri würde früher nicht gedreht in den Oberkörper getreten!

Grüße

Kanken

DojokunOss
04-10-2017, 08:47
Aber nun zur eigentlich Frage: Woher kommt der Ushiro-Geri? Die Technik taucht in keiner mit bekannten Kata auf.

Was ist mit Unsu? Dort ist doch ein Ushiro drin.

Gibukai
04-10-2017, 08:53
Hallo,

„Ushiro-Geri“ wird von G. Funakoshi (1868–1957) bereits 1935 als „mit der Ferse treten“ beschrieben. Er war als mögliche Beintechnik sozusagen im Hinterkopf. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Ausführung der auf heutigen Wettkämpfen des Sport-Karate glich.

„Mawashi-Geri“ wurde ebenfalls bereits in den 1930er und Anfang der 1940er von Funakoshi-Schülern, allen voran Y. Funakoshi (1906–1945), verwendet. Das Foto im Anhang zeigt T. Watanabe (geb. 1917) während eines üblichen Trainings (d. h. es ist kein „gestelltes“ Foto) im Winter 1940 oder 1941.

Dass eine "Technik" oder ein Verfahren zwingend in einer Kata zu sehen sein müsse, ist ein moderner Irrglaube, der auf mangelndem Verständnis, mangelnder Textkenntnis und solchen Sachen wie Bunkaiismus beruht ...

Grüße,

Henning Wittwer

Mardl
04-10-2017, 08:57
hm, stimmt... gut, die unsu hatte ich nicht auf dem schirm. eine der wenigen kata um die ich bisher einen kompletten bogen gemacht habe. irgendwie gefällt sie mir überhaupt nicht. aber stimmt, da kommt beim sprung einer vor.

Gibukai
04-10-2017, 12:10
Hallo nochmal,

Unshū in der Linie von K. Mabuni (1889–1952) enthält zwei rückwärtige Fersentritte aus kauernder Position.

Unshū/Unsū aus der Linie von Y. Higa (1910–1995) enthält keine derartigen Trittbewegungen nach hinten und auch keinen Sprung (mit Tritt).

Unshū/Unsū der Shōtōkan-Linie enthält zwar einen Sprung bzw. eine Fallbewegung, aber dabei wurde eigentlich keine Trittbewegung nach hinten ausgeführt. Dieser Zusatz „im Sprung“ ist jüngeren Datums (Sport-Karate).

Grüße,

Henning Wittwer

Mardl
04-10-2017, 13:16
Danke schon mal für die Infos!

Kurzer
04-10-2017, 17:54
Ein Fußstoß direkt nach hinten mit der Ferse ist Gold wert, ebenso ein Fußtritt in kurzer Distanz mit der Fußsohle.

Ein "gedrehter" Ushiro nach vorn scheint mir aus dem Sportwettkampf zu stammen.

Ab wann und wo - keine Ahnung!

kanken
04-10-2017, 18:07
Ein "gedrehter" Ushiro nach vorn scheint mir aus dem Sportwettkampf zu stammen.

Ab wann und wo - keine Ahnung!

Gibt es auch im chinesischen Ringen und im chinesisches Waffenkampf und zwar schon lange ;)

Grüße

Kanken

kanken
04-10-2017, 19:30
Ist übrigens ein sehr schönes Beispiel wie Itosu Dinge für die Verbreitung verändert hat, einfach weil er keine Anwendung gezeigt hat.
Der „Hidden Step“ ist ein Schritt, der andere Dinge einleitet. In der „verbreiteten“ Version der Bassai sieht es so aus:

http://www.karatekata.de/shotokan_htm_files/1608.jpg

Toyama hat an der Stelle diese Anwendung gelehrt:
Siehe Bilder im Anhang

Gibt es so im chin. Ringen. Die Fotos sind jetzt auch für die wettkämpferische Anwendung. Da gibt es mehrere Varianten von, aber ich denke die Idee wird klar.

Ja, man setzt in einen T-Stand, aber es ist eben kein Stand, sondern man macht eine Pause, weil dort bestimmte Körperaktionen einsetzen, die einen Wechsel nötig machen. Der Winkel war bei der Itosu no Bassai von Toyama übrigens 90 Grad seitlich und nicht frontal...

Im Massenunterricht macht man dann halt eine Pause um die Richtung zu wechseln und vorher einen „Doppelblock“ :rolleyes:

Grüße

Kanken

Kurzer
04-10-2017, 19:56
Und was diese "Wendung" mit einem UshiroGeri zu tun?

kanken
04-10-2017, 19:59
Tja, muss man sich auf der Matte zeigen lassen. Auf jeden Fall ist an der Stelle der Tritt und er bewirkt äußerst unschöne Dinge... :D
(Kleiner Tipp, der untere Pfeil im zweiten Bild deutet ihn an...)

Grüße

Kanken

panzerknacker
04-10-2017, 20:35
@Kanken
tja das sieht gut aus, da kann man auch schön die Dreiecke aka trigramme sehen, aber es stellt sich die Frage, ob Gürteltier nicht Recht hat und Okinawa Te sich schon stark vom ursprünglichen Quanfa unterscheidet,
die Konzentration auf den Tsuki läßt da schon irgendwie drauf schließen, findest Du nicht? Durch die Militarisierung und Japanisierung ist das nicht besser geworden.

Den Ushiro findet Ihr als takedown Option mittels Durchstrecken (nicht Treten),
das ist halt eher Standupgrappling als Boxen.

Da mich Deine Bilder immer noch umtreiben und ich hier mit ´nem 5 Tiere Stilisten sparre, würdest Du das in Deinen Fotos als Drache kennzeichnen?
Gruß Franck

kanken
04-10-2017, 21:44
Jedes Tier ist in jedem enthalten ;)
Im Bagua heißt die Handhaltung aus den Fotos „der Löwe öffnet das Maul“.

Es wird übrigens getreten, und nicht einfach „gestreckt“, aber du hast Recht, verglichen mit dem was ich im Bagua zu dieser Bewegung gelernt habe ist das Wissen aus meinem Karate mehr als rudimentär gewesen (aber heutzutage weiß leider kaum noch einer das da überhaupt ein Tritt drinsteckt, geschweige denn dass das ein Ushiro-geri ist).

Grüße

Kanken

Gürteltier
05-10-2017, 10:59
So macht es Spaß mit euch Leute.

Danke Kanken für die Illustration.
Wird in Sepei und Seiyunchin auch viel gemacht der "Kosa Dachi".
Die Rotation danach dominiert viele unserer Anwendungen - Takedowns und Genickbruchversuche primär.
Streifend über die Kreuzbänderrißlinie getreten von außen als Takedown oder von innen als der typische lange Karate Schritt nach hinten als flacher uchi mata zum Vorbeugen oder als Auftakt, sich mit dem gleichen eigenen Bein dem 2. Bein des Gegners zu widmen.

Kata Ushiro kommen bei uns in der Anwendung halt viel von unten hoch zwischen die Beine, wenn wir vom Stampfen weggehen. Geschwungen oder gestoßen. Sieht man auch in der Goju Sesan, wenn es da auch noch genau in die andere Richtung wie ko soto gake etc. angewendet wird.

Die Störttritte sind bei Umklammerungen in jeder SV so üblich, dass sie auch in der Karate Kata schlicht als mitlaufend vorausgesetzt werden - sind ja viele Grappling Passagen drin.
So gibt es in der Seiyunchin ( die wir immer grob mit "ringen" übersetzen) z.B. keinen sichtbaren Tritt, in den Anwendungen natürlich schon.

panzerknacker
05-10-2017, 18:21
Jedes Tier ist in jedem enthalten ;)
Im Bagua heißt die Handhaltung aus den Fotos „der Löwe öffnet das Maul“.

Es wird übrigens getreten, und nicht einfach „gestreckt“, aber du hast Recht, verglichen mit dem was ich im Bagua zu dieser Bewegung gelernt habe ist das Wissen aus meinem Karate mehr als rudimentär gewesen (aber heutzutage weiß leider kaum noch einer das da überhaupt ein Tritt drinsteckt, geschweige denn dass das ein Ushiro-geri ist).

Grüße

Kanken

ah danke, interessant
ja ist klar, aber wenn Du den Tretern treten sagst, sehen sie die Bewegung nicht

panzerknacker
05-10-2017, 18:32
naja grundlegend ist die Struktur (hehe) immer die gleiche, wenn man die hat, versteht man halt auch die Prinzipien
Problem ist halt die Prinzipien zu finden, da hat Kanken wiederum recht, es
ist deutlich einfacher, wenn man einen qualifizierten Lehrer hat
selbst dann ist man durchaus noch zu blind, offensichtliches zu erkennen

um noch einmal auf den Löwen zurückzukommen, das wäre ja sozusagen die Position/der Referenzpunkt, die daraus resultierenden Möglichkeiten (gibt da ja durchaus mehr als den ushiro) wären dann sozusagen andere Bilder/Tiere/Bewegungsform?
Yi wäre dann abhängig vom Referenzpunkt/Widerstand?
alles sehr verwirrend :)

@Gürteltier was ist da los? wieder beim Karate angekommen?

Gürteltier
05-10-2017, 20:57
@Gürteltier was ist da los? wieder beim Karate angekommen?

Nee, immer noch eher AK und MT. Aber Mitreden geht ja immer hier im KKB.

kanken
05-10-2017, 22:02
um noch einmal auf den Löwen zurückzukommen, das wäre ja sozusagen die Position/der Referenzpunkt, die daraus resultierenden Möglichkeiten (gibt da ja durchaus mehr als den ushiro) wären dann sozusagen andere Bilder/Tiere/Bewegungsform?
Yi wäre dann abhängig vom Referenzpunkt/Widerstand?
alles sehr verwirrend :)


Der Löwe hat zig Anwendungen, er ist viel mehr als eine Haltung oder ein Referenzpunkt.
Eine Handhaltung ist das didaktische Mittel um gewisse Prinzipien zu verdeutlichen sie wird mit Ideen gefüttert. Der „Löwe öffnet das Maul“ ist nur eine Idee, die wiederum zig Ideen beinhaltet. Wie eine Zwiebel. Man braucht den Lehrer, der einem die Zusammenhänge erklärt und spüren läßt.

Grüße

Kanken

panzerknacker
06-10-2017, 18:52
interessant, sei bedankt

ich benutze ushiro eigentlich nur im wkf setup, wenn mein Gegner einbricht,
ohne daß ich "richtig" im Vorwärtsgang bin (da wäre mae geri immer meine erste Wahl)

mit Kanken´s Benutzungsansatz mache ich das eigentlich nie, kenne das nur aus FMA drills, mal gucken , ob ich meinen neuen Spielkameraden Montag filmen kann, der findet mein corto sowieso eklig :)