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Vollständige Version anzeigen : Wie viel Philosophie steckt in eurer Kunst?



Lugasch
23-11-2017, 14:37
Hallo zusammen!

Man liest öfter mal (z.B. bei Anfängerfragen) etwas über die Philosophie in den KK/KS.
So in der Art: Ich will XY machen, weil mir die fernöstliche Philosophie dort ganz gut gefällt.
Oder: Ich will XY nicht machen, weil mir dort zu viel Philosophie rumschwirrt.

In meinen jüngeren Jahren habe ich beim TKD und Shotokan auch solche Sachen gesagt (weil mich Japanzeugs fasziniert hat). Doch je länger ich drüber nachdenke, desto schwerer fällt es mir zu begreifen, was die genannte Philosophie eigentlich gewesen sein soll.
In einem 08/15-Dorfverein lief es früher regelmäßig auf "Be Water, my Friend", das Verbeugen, Oss und ein Paar Dojo-Verhaltensregeln - zumindest bei mir - und so frage ich mich, was davon eigentlich wirklich Philosophie ist und was ein Eastern-Produkt und wie viel mehr steckt eigentlich dahinter, ohne dass ich es sehen konnte.

Wenn es um Fleiß, Ehrgeiz, Sportlerehre etc. geht, so dürfte auch ein Tennis-, oder Fußballverein die gleichen Werte vermitteln und die Kriegerehre dürfte hier und heute für die meisten Leute nicht greifbar sein.

Jedenfalls dachte ich, dass ich auch einfach Pech gehabt haben könnte und deshalb keinen richtigen philosophischen Einblick bekommen habe - deshalb die Frage(n) an euch:
- Gibt es Philosophie in euren Künsten?
- Was versteht ihr unter Philosophie in den KK/KS überhaupt?
- Könnt ihr konkrete Beispiele für deren Wirkung nennen?

P.S.: mit Künsten meine ich sowohl KK als auch KS, da Kunst vom Können kommen soll :)

Cam67
23-11-2017, 14:52
wenn du Philosophie im Wortsinne meinst (Liebe zur Weisheit) , dann kann ich es überhaupt nicht trennen, da alles was mir begegnet dem Erkennen und Verstehen dienen soll.

Die Körperarbeit/Innenarbeit lässt mich mehr und mehr von mir erkennen/verstehen und das Verstehen im Alltag wirkt logischerweise auch auf meine Körperarbeit/Innenarbeit , ständig mit ein.

so macht auch das Festhalten in konkreten Philosophierichtungen/Strömungen und an Stile , keinen Sinn mehr für mich. das limitiert unnötig.

Dem ging aber natürlich eine lange, lange Zeit der Suche und Hin-und-Her-Orientieren vorraus.

Gast
23-11-2017, 15:10
Im Sin Moo hab ich davon viel kennen gelernt und gehört. Dort gibt es Verhaltensregeln, Essensregeln, sogar wie oft man in welchem Alter Sex haben soll. Anleitungen wie viel man meditieren soll zum Trainingspensum. Usw.
Hält sich nur keiner dran, sind also eher Richtwerte.;)

Im Wing Chun durfte ich so einen philosophischen Unterbau nicht kennenlernen. Vermisse ich aber auch nicht.

Little Green Dragon
23-11-2017, 15:33
Zählt "Mach dem anderen jetzt möglichst viel AUA..." auch schon als Philosophie? [emoji3]



Ich selbst habe bis auf die übliche "Wir tun jetzt mal so als sei die Turnhalle hier in Kleinkleckersdorf der Shinto-Schrein in den magischen Bergen von..." inkl. der standarisierten Begrüßungsrituale und 30 Sekunden "Meditation" bislang davon recht herzlich wenig erlebt.



Eher viel mehr verwestliche "Budoromantik" bei der dann die Deko-Katana noch falschrum auf dem Ständer standen.



Ich denke auch, dass passt dann einfach nicht zusammen wenn man nur 1 oder 2x die Woche für 90 Minuten irgendwo in einer Halle oder einem Dojo rumspringt.



Wer da wirklich tiefer in die philosophischen Betrachtungen etc. einsteigen will (und zwar nicht in das was man hier im Westen glaubt was man da in den KK denn wahrscheinlich mit gemeint haben könnte) müsste dann auch entsprechend sein Training anders gestalten.



Gibt ja da auch ein paar Stile so in Richtung der IMA bei denen das durchaus auch verstärkt mit im Programm ist - hier wird man aber wohl nur eine Handvoll Anbieter in DE finden die das dann auch entsprechend vermitteln.

Pansapiens
23-11-2017, 15:58
Zählt "Mach dem anderen jetzt möglichst viel AUA..." auch schon als Philosophie? [emoji3]


in der heutigen Zeit läuft ja unter Philosophie (z.B. einer Firma) ja oft etwas, was man als "Motto" bezeichnen könnte.
In diesem Sinne wohl schon....

Steppen
23-11-2017, 16:41
Ich würde die Frage etwas anders formulieren: Wie übst du die Philosophie deiner Kunst in deinem Dojo/Dojang...?

Die Frage "wie viel" macht keinen Sinn in Betracht mit Philosophie. Wichtiger ist, wie setz der Sifu, Meister oder was immer die Philosophie der Kunst, und wie jeder von uns es annimmt. Richtung reiner Sport, Richtung Selbstverteidigung, Respekt? So eine Art der Meditation?

Ich finde den Beitrag von @Cam67 auch ziemlich gut.


Wenn es um Fleiß, Ehrgeiz, Sportlerehre etc. geht, so dürfte auch ein Tennis-, oder Fußballverein die gleichen Werte vermitteln und die Kriegerehre dürfte hier und heute für die meisten Leute nicht greifbar sein.

Man kann auch so sehen. Was unterscheidet einen Kampfkünstler von anderen Menschen? » Karate-Campus (http://philippsurkov.com/the-martial-artists-way/)

zocker
23-11-2017, 17:43
... Wenn es um Fleiß, Ehrgeiz, Sportlerehre etc. geht, so dürfte auch ein Tennis-, oder Fußballverein die gleichen Werte vermitteln ...

finde ich auch im wesentlichen.




... und die Kriegerehre dürfte hier und heute für die meisten Leute nicht greifbar sein. ...

jedenfalls das erzielen von (kampf)stärke durch das training, wie man dort richtig hinkommt, was man damit richtigerweise macht und was nicht, wenn man sie (oder ein gewisses maß davon) erreicht hat, wofür die erzielte (kampf)stärke gut ist und wohin es von da aus möglicherweise weiter hingeht, ist m.e. schon ein grundthema, das allgemeine sportarten von kampf(sport)arten wesentlich unterscheidet.

"kriegerehre" ist m.e. ein thema, was auch dazu passen würde, aber halt nur für die ganz echten, von denen es derzeit hier nicht so viele geben dürfte (wie du oben bemerkt hast) - wobei ich mir vorstellen könnte, dass zb ksk-soldaten, vor allem wenn sie längere zeit im einsatz sind/waren, anfänge von so was wieder entwickeln könnten oder dies auch tatsächlich tun.


grüsse

Lugasch
23-11-2017, 18:44
Im Sin Moo hab ich davon viel kennen gelernt und gehört. Dort gibt es Verhaltensregeln, Essensregeln, sogar wie oft man in welchem Alter Sex haben soll. Anleitungen wie viel man meditieren soll zum Trainingspensum. Usw.
Hält sich nur keiner dran, sind also eher Richtwerte.;)

Im Wing Chun durfte ich so einen philosophischen Unterbau nicht kennenlernen. Vermisse ich aber auch nicht.

Magst du ein Paar Beispiele zu den Verhaltens- und Essensregeln zeigen?
Ich hoffe, dass dieser Thread sowas wie eine "Einmal um die Welt" Sammlung wird :)

Lugasch
23-11-2017, 18:47
Zählt "Mach dem anderen jetzt möglichst viel AUA..." auch schon als Philosophie? [emoji3]


Es zählt alles, was du drunter verstehst, ich will ja eure Gedanken dazu hören/kennenlernen :)

Lugasch
23-11-2017, 18:50
Ich würde die Frage etwas anders formulieren: Wie übst du die Philosophie deiner Kunst in deinem Dojo/Dojang...?

Die Frage "wie viel" macht keinen Sinn in Betracht mit Philosophie. Wichtiger ist, wie setz der Sifu, Meister oder was immer die Philosophie der Kunst, und wie jeder von uns es annimmt. Richtung reiner Sport, Richtung Selbstverteidigung, Respekt? So eine Art der Meditation?

Ich finde den Beitrag von @Cam67 auch ziemlich gut.



Man kann auch so sehen. Was unterscheidet einen Kampfkünstler von anderen Menschen? » Karate-Campus (http://philippsurkov.com/the-martial-artists-way/)

Cam67's Beitrag ist in der Tat ziemlich schlüssig. Und danke fürs Teilen des Artikels, da stehen gute Gedanken drin!

discipula
24-11-2017, 06:05
Meine Variante von Wing Tsun kennt vier Prinzipien und vier Kraftsätze, die sich oft nicht nur auf die Kampfkunst anwenden lassen, sondern die auch als Lebensweisheit gut taugen. Besonders der Satz "ist der Weg frei, stoss vor" ist mir ein lieber und nützlicher Begleiter geworden.

acht philosophische Sätze, das passt gut. Ist sogar noch weniger als die zehn Gebote, und auch nicht so schwer zu merken, und sie haben genug Tiefe, um immer wieder neue Aspekte darin zu entdecken.

Wong F.
24-11-2017, 08:17
- wobei ich mir vorstellen könnte, dass zb ksk-soldaten, vor allem wenn sie längere zeit im einsatz sind/waren, anfänge von so was wieder entwickeln könnten oder dies auch tatsächlich tun.

grüsse

KSK-Soldaten haben eine "Kriegerehre"? Das ist neu.

Lugasch
24-11-2017, 08:19
"kriegerehre" ist m.e. ein thema, was auch dazu passen würde, aber halt nur für die ganz echten, von denen es derzeit hier nicht so viele geben dürfte (wie du oben bemerkt hast) - wobei ich mir vorstellen könnte, dass zb ksk-soldaten, vor allem wenn sie längere zeit im einsatz sind/waren, anfänge von so was wieder entwickeln könnten oder dies auch tatsächlich tun.
grüsse

Hast du KSK als Beispiel erwähnt, weil die im Vergleich zu normalen Einheiten mehr Kampftraining haben, weil sie als kleine Einheit sich aufeinander viel mehr verlassen müssen, oder nur so?
Ich frage mich gerade, ob normale Soldaten sowas auch entwickeln - also unabhängig davon, ob sie KK/KS betreiben, sondern weil sie einfach im Krieg sind.
Und wieso wird die moderne Kriegskunst eigentlich überhaupt nicht mehr als solche betrachtet (mein Eindruck), also im Vergleich zum Bujutsu zum Beispiel - ist es zu groß geworden?

Lugasch
24-11-2017, 08:20
Meine Variante von Wing Tsun kennt vier Prinzipien und vier Kraftsätze, die sich oft nicht nur auf die Kampfkunst anwenden lassen, sondern die auch als Lebensweisheit gut taugen. Besonders der Satz "ist der Weg frei, stoss vor" ist mir ein lieber und nützlicher Begleiter geworden.

acht philosophische Sätze, das passt gut. Ist sogar noch weniger als die zehn Gebote, und auch nicht so schwer zu merken, und sie haben genug Tiefe, um immer wieder neue Aspekte darin zu entdecken.

Kannst du die 8 aufzählen?

zocker
24-11-2017, 08:51
KSK-Soldaten haben eine "Kriegerehre"? ...


So ganz genau liest du das, worauf du antwortest aber auch nicht immer, glaub‘ ich.

Aber unabhängig von dem was ich geschrieben hatte, könnten einige von (zb) denen sowas vielleicht sogar bereits haben.

Wissen tu‘ ich es natürlich nicht.


Grüsse

Björn Friedrich
24-11-2017, 09:07
Für mich ist Kampfkunst die Umsetzung meiner Philosophie auf den eigenen Körper und das eigene Handeln.....

Und ich glaube ehrlich gesagt, das die meisten Menschen unbewusst in ihren Bewegungen das wiederspiegeln was sie sind.

Der Körper lügt nicht......

TREiBERtheDRiVER
24-11-2017, 09:49
In einem 08/15-Dorfverein lief es früher regelmäßig auf "Be Water, my Friend", das Verbeugen, Oss und ein Paar Dojo-Verhaltensregeln - zumindest bei mir - und so frage ich mich, was davon eigentlich wirklich Philosophie ist und was ein Eastern-Produkt und wie viel mehr steckt eigentlich dahinter, ohne dass ich es sehen konnte.



Ich selbst habe bis auf die übliche "Wir tun jetzt mal so als sei die Turnhalle hier in Kleinkleckersdorf der Shinto-Schrein in den magischen Bergen von..." inkl. der standarisierten Begrüßungsrituale und 30 Sekunden "Meditation" bislang davon recht herzlich wenig erlebt.

Die Philosophie einer Kunst ist sehr schwer im regulären Unterricht zu behandeln. Wie schon aufgezählt, bleibt da oft außer Dojo Ettikette nicht viel Übrig. Das sind dann eher die Hausaufgaben - also sich mit dem Thema außerhalb des Trainings auseinander setzen. Z.B. Weiterbildung durch Bücher lesen und evtl. im Sinne der erlernten Philosophie handeln ...

OliverT
24-11-2017, 11:28
Was für eine Philosophie kann/soll denn in der Kampfkunst stecken die man nur da finden kann?
Für Fleiß, Disziplin, um sich selbst ausdrücken, etc. braucht man Kampfkunst nicht. Das alles findet man auch in anderen Bereichen des Lebens.

Was als Alleinstellungsmerkmal für Kampfkünste übrig bleibt sind eigentlich zwei Dinge.
Einmal ein philosophisches Grundgerüst was dem Kämpfer hilft mit dem Töten und Verwunden auf dem Schlachtfeld klar zu kommen. Das ist für die meisten Kampfkünstler heute aber unnötig und in unserer Gesellschaft eher abschreckend. Dafür dürfte man das in Teilen bei Soldaten die im Kampfeinsatz waren wiederfinden.

Und einmal eine Pseudophilosophie mit der friedliche und zivilisierte Menschen rechtfertigen können warum sie eine Kunst lernen bei der es darum geht Menschen weh zu tun, sie zu verletzen oder sie gar zu töten.
Ich habe es Pseudphilosophie genannt, weil sie eigentlich gar nichts mit der Kampfkunst zu tun hat, sondern dazu dient sich vorzuspielen dass man zwar der starke Krieger sein kann, aber nicht zu einem brutalen oder gar tötenden Monster wird.

zocker
24-11-2017, 13:07
...
Und einmal eine Pseudophilosophie mit der friedliche und zivilisierte Menschen rechtfertigen können warum sie eine Kunst lernen bei der es darum geht Menschen weh zu tun, sie zu verletzen oder sie gar zu töten.
Ich habe es Pseudphilosophie genannt, weil sie eigentlich gar nichts mit der Kampfkunst zu tun hat, sondern dazu dient sich vorzuspielen dass man zwar der starke Krieger sein kann, aber nicht zu einem brutalen oder gar tötenden Monster wird.


wäre ein ideal eines guten kämpfers nicht, nicht "ungerechtfertigt" zu verletzen oder zu töten etc., etwa nach dem motto "ein guter soldat ist nicht gewalttätig. ein guter kämpfer ist nicht zornig. ein guter gewinner ist nicht rachsüchtig."?

quelle:

https://www.zitate.eu/author/laotse/zitate/188450


grüsse

edit:

hatte olivers post wohl nicht ganz richtig verstanden.
soweit ich´s jetzt richtig verstehe liegt er auf ähnlicher linie wie (mein) post #7.

zocker
24-11-2017, 13:25
Hast du KSK als Beispiel erwähnt, weil die im Vergleich zu normalen Einheiten mehr Kampftraining haben, weil sie als kleine Einheit sich aufeinander viel mehr verlassen müssen, oder nur so?

der grundgedanke der ritterlichkeit galt ja m.w. zumindest bis zum ende des ersten weltkrieges im europäischen soldatentum noch bis zu einem gewissen grad (stichwort luftkämpfe).

für den wk II würde ich dieses thema aus gründen der politikvermeidung mal ausklammern.

nach 1945 galt es m.w. dann zunehmend als überholt bzw ewiggestrig.

ganz bringt man´s wohl aber nicht aus allen leuten raus.
bei kämpfenden elitetruppen, die sich selbst als könner dieser materie betrachten, kann ich mir vorstellen, dass sich diese haltung dort "selbständig" relativ leicht wieder aufbaut als so eine art korpsgeist.


Ich frage mich gerade, ob normale Soldaten sowas auch entwickeln - also unabhängig davon, ob sie KK/KS betreiben, sondern weil sie einfach im Krieg sind.

bestimmt auch möglich; im krieg kann aber auch das gegenteil der totalen verrohung eintreten.
wenn jemand einen gewissen einstellungsmässigen unterbau, der zusätzlich auf echter (kampf)fähigkeit basiert, mitbringt, ist die gefahr vielleicht geringer.


Und wieso wird die moderne Kriegskunst eigentlich überhaupt nicht mehr als solche betrachtet (mein Eindruck), also im Vergleich zum Bujutsu zum Beispiel - ist es zu groß geworden?

ist halt nicht mehr zeit(geist)gemäss.


grüsse

Björn Friedrich
24-11-2017, 13:31
Das was man tut, spiegelt wieder wie man ist und denkt.

Rigide Menschen haben keine weichen Bewegungen......

Für mich ist Kampfkunst die Fähigkeit Stille zu erfahren und aus und in dieser Stille jegliche Emotion, jegliche Aggression oder Gewalt, aufzulösen, indem ich ihr keinen Widerstand gebe. Keine Emotion, keine Wut, sondern unendliche Stille, die als Katalysator der menschlichen Gewalt und Aggression fungiert....

Das ist für mich Kampfkunst UND halt auch Philosophie

Lugasch
24-11-2017, 14:13
Das was man tut, spiegelt wieder wie man ist und denkt.

Rigide Menschen haben keine weichen Bewegungen......

Für mich ist Kampfkunst die Fähigkeit Stille zu erfahren und aus und in dieser Stille jegliche Emotion, jegliche Aggression oder Gewalt, aufzulösen, indem ich ihr keinen Widerstand gebe. Keine Emotion, keine Wut, sondern unendliche Stille, die als Katalysator der menschlichen Gewalt und Aggression fungiert....

Das ist für mich Kampfkunst UND halt auch Philosophie

Hallo Björn,
ich kann dir teils folgen und teils wieder nicht:
du sagst, ein Körper lügt nicht und du sprichst z.T. von unbewussten Bewegungen - meinst du, dass der Körper bei unbewussten Bewegungen nicht lügen kann, oder grundsätzlich nie?
Weil z.B. der Körper eines guten Schauspielers sehr wohl lügen kann.

Das mit der Stille verstehe ich nicht - meinst du emotionale Stille? Den Flow? Und wieso löst sie Gewalt und Aggression auf und dient gleichzeitig als Katalysator für die beiden?

Lugasch
24-11-2017, 14:22
bestimmt auch möglich; im krieg kann aber auch das gegenteil der totalen verrohung eintreten.
wenn jemand einen gewissen einstellungsmässigen unterbau, der zusätzlich auf echter (kampf)fähigkeit basiert, mitbringt, ist die gefahr vielleicht geringer.

ist halt nicht mehr zeit(geist)gemäss.


grüsse

Geringere Gefahr für NICHT-Verrohung?

Und zum Thema "zeitgemäß" - weiß jemand wie Außenstehende "damals" zu den Kriegskünsten standen? Ich frage, weil es ja sein könnte, dass man es damals überhaupt nicht als Kunst, sondern stumpf als Handwerk, oder Beruf betrachtet hat und erst die nachfolgenden Generationen das zur Kunst erklärt haben könnten, oder war es schon damals Kunst.
Vielleicht werden in 200 Jahren die Killer-Nanobot-Programmierer von heutigen Drohnenpiloten und deren "Ritterlichkeit" und Kriegskunst schwärmen, während die heutigen Drohnenlenker einfach nur zur "Arbeit" gehen.

zocker
24-11-2017, 14:47
Geringere Gefahr für NICHT-Verrohung?

bei elitesoldaten vielleicht wahrscheinlichkeitsmässig bereits deswegen, weil dorthin grössten dumpfmeier schon fähigkeitsmässig nicht hinkommen können.
möglicherweise auch deswegen, weil durch das hohe können ein bestreben gefördert wird, sich auch sonst im verhalten nicht unter ein bestimmtes mindestmass zu begeben.
jetzt wird´s natürlich schon arg theoretisch, um nicht zu sagen philosophisch.



Und zum Thema "zeitgemäß" - weiß jemand wie Außenstehende "damals" zu den Kriegskünsten standen? ...

welchen zeitraum meinst du mit "damals"?


grüsse

zocker
24-11-2017, 15:10
Ich frage, weil es ja sein könnte, dass man es damals überhaupt nicht als Kunst, sondern stumpf als Handwerk, oder Beruf betrachtet hat und erst die nachfolgenden Generationen das zur Kunst erklärt haben könnten, oder war es schon damals Kunst. ...


jedenfalls gab es mal eine militärwissenschaft:

https://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rwissenschaft#Forschung_und_Ausbildung


grüsse

Björn Friedrich
24-11-2017, 15:55
Naja ein Schauspieler kann im Kontext des Films spielen, aber Kampf ist ja eine sehr spontane, ungeplante und ehrliche Sache, dabei kommt dann schon die Persönlichkeit eines Menschen ans Licht.

Berührungen sind eine sehr direkte Ebene der Kommunikation.

Stille ist für mich das nach innen gehen. Die pure Wahrnehmung. Keine Wut, keine Aggression, keine Angst, einfach nur DASEIN.

Und wenn dieses DASEIN ungetrübt existiert, löst es jede Aggression auf. Ich meine damit nicht das keine Verletzungen oder keine körperliche Gewalt passiert, aber die Aktion aus der Stille heraus ist rein, ohne Emotion, einfach nur ein Spiegel der Energie die da auf einen zukommt.

Du bist und daraus entsteht deine Reaktion....

Das ist für mich die höchste Stufe.

Aber keiner sagt das das einfach zu erreichen ist. :;-)

Billy die Kampfkugel
24-11-2017, 16:22
Sportfechten. Ist eine eigene Form des Fairplay würde ich sagen. Betonung auf Unversehrtheit des Gegners. Ruppigkeit mit der Klinge in Grenzen halten. Treffer bei Gefechten ohne Elektroanzeige auch mal zugeben und viele ungeschriebene Sachen mehr. Liegt aber am Fechter selber. Lektionieren, sich gegenseitig bei Partnerübungen korrigieren...
Ansonsten geistert viel rum was angeblich historisch begründet ist, aus Duellen kommt u.s.w.. Ich würde mich da nicht drin verlieren, vieles wurde verboten und angepasst was man da meines Erachtens nicht herholen kann. Moderner Sport ist einfach Sport.

Steppen
24-11-2017, 16:55
Naja ein Schauspieler kann im Kontext des Films spielen, aber Kampf ist ja eine sehr spontane, ungeplante und ehrliche Sache, dabei kommt dann schon die Persönlichkeit eines Menschen ans Licht.

Berührungen sind eine sehr direkte Ebene der Kommunikation.

Stille ist für mich das nach innen gehen. Die pure Wahrnehmung. Keine Wut, keine Aggression, keine Angst, einfach nur DASEIN.

Das erinnert mich ein bisschen an Gadamer. Schon lange habe ich ihn nicht mehr gelesen, aber er hatte Texte über die "Wahrheit" des Körpers geschrieben. Besonders der Körper eines Kindes kann nicht lügen. Spielen ist "einfach nur Dasein". Soweit ich mich erinnere, hat Gadamer über KK nichts geschrieben, aber es kann gut passen. Anderer Autor, der eine Philosophie des Körpers aufzubauen versucht, war Nietzsche.

Aber mit diesen Ideen bin ich nicht einverstanden. Ich verstehe Philosophie wie ein System. Ich gehe zu meinem Beitrag #6 zurück und nehme Aikido als Beispiel.

Im Endeffekt wären für mich die KK's nur ein Mittel oder ein Werkzeug, wo man eine bestimmte "Philosophie" oder einen Lebensstil einstecken kann. Ich bin mir sicher, dass das Training bei Ueshiba Morihei eine philosophische Erfahrung war, weil er so wollte. Er hat quasi einen Lebensstil angeboten. Bedeutet das, dass es in Aikido eine Philosophie gibt? Nicht unbedingt. Es ist wichtiger was und wie der Meister lehrt und was und wie die Lehrlingen erlernen wollen. Das ist entscheidend und nicht die KK selbst.

Das Problem kommt, wenn die KK in einen Mythos verwandelt und die Leute glauben an etwas magisch, als ob die KK etwas besonders und außergewöhnlich wäre.

Es ist Interessant, eure Meinungen zu lesen können.
Grüße.

Magni
24-11-2017, 21:15
Ne Philosophie hab ich nicht, ich würde es eher als einen Arbeitsethos bezeichnen, im Sinne von Fleiß, Hingabe, Präzision und Respekt vor seinen Mittrainierenden.
Alles andere ist, meiner Meinung nach, unnötiger, esoterischer Ballast, der beim Training nichts zu suchen hat.

discipula
24-11-2017, 21:32
Kannst du die 8 aufzählen?

bitte sehr:

Prinzipien
- ist der Weg frei, stoss vor
- ist der Weg nicht frei, bleib kleben
- ist der Gegner stärker als du, gib nach
- zieht sich der Gegner zurück, folge

Kraftsätze
- befreie dich von der eigenen Kraft
- befreie dich von der Kraft des Gegners
- wende die Kraft des Gegners gegen ihn
- füge deine eigene Kraft hinzu

Bei den Kraftsätzen ist auch die Reihenfolge wichtig. Man muss sich zuerst von seiner und des Gegners Kraft befreien, bevor man sie nutzeh kann.

discipula
24-11-2017, 21:33
Stille ist für mich das nach innen gehen. Die pure Wahrnehmung. Keine Wut, keine Aggression, keine Angst, einfach nur DASEIN.

Und wenn dieses DASEIN ungetrübt existiert, löst es jede Aggression auf. Ich meine damit nicht das keine Verletzungen oder keine körperliche Gewalt passiert, aber die Aktion aus der Stille heraus ist rein, ohne Emotion, einfach nur ein Spiegel der Energie die da auf einen zukommt.


:halbyeaha

Schlaffi
25-11-2017, 21:19
Erstmal wundert mich, dass immer noch recht viele Leute Budo betreiben, obwohl es dem Zeitgeist völlig zuwiderläuft, um nur mal strenge Hierarchie und an die Grenzen gehen angeht, zu nennen.

Dazu ist es ein hervorragendes Ganzköpertraining.

Fuer mich ist Karate ein lebenslanges Feilen und Perfektionieren seiner Techniken und Körperbeherrschung. Das erfordert Disziplin, Zähigkeit und zeitweilig Leidensfähigkeit.

Kann einem im RL sicher nicht schaden.

Ripley
26-11-2017, 08:23
strenge Hierarchie
an die Grenzen gehen
hervorragendes Ganzkörpertraining.

lebenslanges Feilen und Perfektionieren seiner Techniken und Körperbeherrschung.

Unterschreibe ich so.

Insgesamt habe ich den Eindruck, über die Jahre immer neue Phasen zu durchlaufen, in denen ich in/mit meinem Karate jeweils unterschiedliche Themen, physische wie psychische, ... bearbeite.

Banales wie "im richtigen Moment die Klappe halten können/lernen", aber auch richtig komplexe Sachen.

zocker
26-11-2017, 10:49
... strenge Hierarchie ...


Muss denn eine philosophie, welche solches befürwortet oder als notwendig voraussetzt, (mittlerweile) nicht als bedenklich und somit kritisch gesehen werden?

Grüsse

discipula
27-11-2017, 08:16
Muss denn eine philosophie, welche solches befürwortet oder als notwendig voraussetzt, (mittlerweile) nicht als bedenklich und somit kritisch gesehen werden?


Ausser wenn man als postmoderner Theoretiker unterwegs ist, ist doch gegen Hierarchien nichts einzuwenden. Auch nicht gegen strenge / klare / klar bezeichnete Hierarchien.

Da Menschen ja auch innerhalb strenger Hierarchien fair, freundlich, fleissig, hilfsbereit, lerneifrig etc. sein können.

Ein Problem wird's dann, wenn Guru-ismus dazu kommt, wenn zB ein kleiner Schüler dem hohen Lehrer keine Frage stellen darf à la "wie ist das jetzt genau mit dieser Technik?", oder wenn ein kleiner Schüler nie einen hohen Lehrer besiegen darf im Rahmen einer Übung oder eines Sparrings. dann wird es ungesund. Doch wie wir aus George Orwells "Animal Farm" gelernt haben, schützt auch die Abwesenheit formaler Hierarchien nicht davor. "Alle Tiere sind gleich, aber die Schweine sind gleicher als die andern."

Lugasch
27-11-2017, 15:39
welchen zeitraum meinst du mit "damals"?
grüsse

War absichtlich in Anführungsstriche gesetzt, weil ich mir die Frage nach "damals" beim Schreiben selbst nicht beantworten konnte - habe gehofft, dass durch die Antworten vielleicht die Unterschiede zu verschiedenen "damals" hervortreten.

zocker
27-11-2017, 15:46
... , ist doch gegen Hierarchien nichts einzuwenden. Auch nicht gegen strenge / klare / klar bezeichnete Hierarchien.

Da Menschen ja auch innerhalb strenger Hierarchien fair, freundlich, fleissig, hilfsbereit, lerneifrig etc. sein können.

Ein Problem wird's dann, wenn Guru-ismus dazu kommt, ...


es gibt doch aber auch die themen militarismus, totalitarismus, diktatur, welche alle mit strengen hierarchien zusammenhängen und m.w. die theorie dazu, dass man daher das entstehen strenger hierarchien verhindern bzw. jedenfalls nicht fördern soll nach dem motto "wehret den anfängen".


grüsse

Kraken
27-11-2017, 15:50
Ich bin für Hierarchien. Für klare Aufgabenverteilung.

Ich finde, das ist immernoch sehr modern und in Mode.

Unsere Zivilisation funktioniert nur wegen Spezialisierung, diese ist unbedingt notwendig und eine grosse Leistung unserer Kultur.

Und wo eine Spezialisierung ist, müssen die Aufgaben verteilt werden.

Lugasch
27-11-2017, 16:01
Ausser wenn man als postmoderner Theoretiker unterwegs ist, ist doch gegen Hierarchien nichts einzuwenden. Auch nicht gegen strenge / klare / klar bezeichnete Hierarchien.

Da Menschen ja auch innerhalb strenger Hierarchien fair, freundlich, fleissig, hilfsbereit, lerneifrig etc. sein können.

Ein Problem wird's dann, wenn Guru-ismus dazu kommt, wenn zB ein kleiner Schüler dem hohen Lehrer keine Frage stellen darf à la "wie ist das jetzt genau mit dieser Technik?", oder wenn ein kleiner Schüler nie einen hohen Lehrer besiegen darf im Rahmen einer Übung oder eines Sparrings. dann wird es ungesund. Doch wie wir aus George Orwells "Animal Farm" gelernt haben, schützt auch die Abwesenheit formaler Hierarchien nicht davor. "Alle Tiere sind gleich, aber die Schweine sind gleicher als die andern."

Für mich bedingt Hierarchie Macht (und anders herum), und solange in der Hierarchie keine Korrekturmechanismen eingebaut sind, ist sie in meinen Augen potentiell gefährlich - ein nützliches, aber gefährliches Werkzeug.
In "Animal Farm" war es zwar nicht formal, aber es gab auch dort das Macht- und Hierarchiegefälle, daher würde ich schon was gegen Hierarchien einzuwenden haben. Und das sage ich, obwohl ich kein "porstmoderner Theoretiker" bin. Was bedeutet der Ausdruck eigentlich?

discipula
27-11-2017, 16:26
Für mich bedingt Hierarchie Macht (und anders herum), und solange in der Hierarchie keine Korrekturmechanismen eingebaut sind,

Es darf keine Rechte ohne Pflichten geben. In der Kampfkunst zm Beispiel, dass ein hoch Graduierter auch im Verhalten ein Vorbild sein muss, und Abweichungen vom korrekten Verhalten bei einem hoch Graduierten schwerer wiegen als bei einem Anfänger.

und "skin in the game" ist auch relevant; also dass jener, der Entscheidungen trifft, von den Entscheidungen auch selbst betroffen ist und somit ein Interesse daran hat, möglichst gute Entscheidungen zu treffen.




obwohl ich kein "porstmoderner Theoretiker" bin. Was bedeutet der Ausdruck eigentlich?

Postmoderne würde ich zusammenfassen als "maximales Schwurbeln, minimaler Inhalt", aber falls du dir den Wikiartikel antun willst, bitte sehr:
https://de.wikipedia.org/wiki/Postmoderne

Eine Kernidee der Postmoderne ist, dass man nicht sagen kann: "jenes ist gut, dieses ist schlecht"; dass man nicht bewerten darf und kann. Eine Idee, der ich entschieden widerspreche.

Hu Quan
27-11-2017, 17:28
Lugasch (und discipula): "Postmoderne Theoretiker" sind ein Paradoxon und nicht mehr als eine epochale Typenbezeichnung. Im Grunde ist jeder Mensch, der heute lebt und eine Theorie aufstellt, ein postmoderner Theoretiker.
Das Präfix "Post-" ist aktuell höchst modern und gebräuchlich. Momentan ist irgendwie alles "post" - das Präfix bedeutet übrigens, dass etwas "nach" etwas Anderem ist. Meistens zeitlich danach, aber nicht nur.

In die Kategorie "Bekannte postmoderne Theoretiker" fallen so ziemlich alle bekannten Philosophen, Soziologen, Anthropologen der westlichen Welt, die in den letzten 50-70 Jahren bekannte Bücher geschrieben haben.

Ein gewisser Hang zum Relativismus ist dabei schon erkennbar - den ich übrigens wichtig finde. Dabei die Frage an:
@Discipula: Was hast du gegen den Relativismus? Würdest du nicht behaupten, dass die Welt - wie wir sie wahrnehmen - ein subjektives Konglomerat aus unserer Perspektive und der jeweiligen Interpretation unserer Situation ist? Dass jeder von uns die Welt aus eigenen Augen sieht und anders bewertet?


Zum eigentlichen Thema Philosophie:
Je mehr man sich mit der Philosophie befasst, desto weniger weiß man was das eigentlich ist. Die Liebe zur Weisheit ist eine Übersetzung; die Fähigkeit das Erkennen zu erkennen ist ein Teil; die Überlegung über das Richtige, Gute und Wahre ist ein anderer Teil. Die Logik ist ein Grenzfall; die Sprache ein Kernelement. Im Kampfsport kommt alles zusammen, sogar die Logik (selbst im Zweikampf laufen implizite logisch-mathematische Operationen automatisiert ab und berechnen in kürzester Zeit Distanz, Geschwindigkeit und voraussichtliche "Bahn" des angreifenden Objekts; wenngleich die Rechnungen mehr als automatisiertes Abrufen von Aktions-Reaktions-Muster, gepaart mit der Einschätzung basierend auf bekannten Bewegungen aus dem Training, beschrieben werden könnten) und die Sprache (japanisch, chinesisch, deutsch, englisch, russisch, Körpersprache, Symbolsprache, etc.).

Was an einer fremden Lebensart oder Einstellung, die wir übernehmen, nun die Philosophie ist und was einfach nur unser Leben ist... wer vermag diese Grenze zu ziehen? Philosophie ist ein schwaches Hilfswort um diese Phänomene beschreiben zu können. Wir verändern uns ständig. Und wenn wir unseren Körper und unseren Geist trainieren, dann verständern wir sie (hoffentlich) in eine Richtung, die wir für erstrebenswert halten.

discipula
28-11-2017, 06:05
Ein gewisser Hang zum Relativismus ist dabei schon erkennbar - den ich übrigens wichtig finde. Dabei die Frage an:
@Discipula: Was hast du gegen den Relativismus? Würdest du nicht behaupten, dass die Welt - wie wir sie wahrnehmen - ein subjektives Konglomerat aus unserer Perspektive und der jeweiligen Interpretation unserer Situation ist? Dass jeder von uns die Welt aus eigenen Augen sieht und anders bewertet?

Ich habe dann etwas dagegen, wenn behauptet wird, dass man aufgrund dieser durchaus existierenden Unterschiede sich gar nicht sinnvoll unterhalten könnte, dass man keinen gemeinsamen Boden finden könnte, dass "alles irgendwie richtig ist".

Ich finde eben nicht, alles sei richtig. Ich finde eine Weltanschauung, die auf den Werten der Aufklärung und dem Humanismus beruht, besser und wertiger als eine Weltanschauung, die auf Rassismus beruht. zum Beispiel.

Oder, auf einer simpleren Ebene: Man kann in der Kampfkunst sehr wohl sinnvoll beurteilen, was eine gut ausgeführte Technik ist, und was eine schlecht ausgeführte Technik. Experten in einer bestimmten Kunst werden alle auf sehr ähnliche Ergebnisse kommen, wenn sie eine Aktion beurteilen, weil sie nämlich viel Zeit und Mühe damit verbracht haben, die individuellen Erlebnisse, Beobachtungen und Reflexionen aufeinander abzustimmen und so einen tragfähigen gemeinsamen Boden zu schaffen.




Was an einer fremden Lebensart oder Einstellung, die wir übernehmen, nun die Philosophie ist und was einfach nur unser Leben ist... wer vermag diese Grenze zu ziehen?

muss man ja nicht. Es darf durchaus Verschwommenheit geben.




Wir verändern uns ständig. Und wenn wir unseren Körper und unseren Geist trainieren, dann verständern wir sie (hoffentlich) in eine Richtung, die wir für erstrebenswert halten.

... wofür ein Werturteil erforderlich ist, was denn erstrebenswert sei und warum.

Auch hier kommen Leute meist auf ähnliche Ergebnisse - es finden die meisten erstrebenswerter, fit zu sein, als nicht fit zu sein. Sogar ausgesprochene Couch Potatoes würden dem wohl zustimmen.

Hu Quan
28-11-2017, 09:14
Ich habe dann etwas dagegen, wenn behauptet wird, dass man aufgrund dieser durchaus existierenden Unterschiede sich gar nicht sinnvoll unterhalten könnte, dass man keinen gemeinsamen Boden finden könnte, dass "alles irgendwie richtig ist".
Und wer behauptet das? Der Relativismus nicht. Nur eine radikale Form des Relativismus, der schon eher ein Solipsismus ist. Kaum einer vertritt eine derart sophistische Grundhaltung. Selbst von Glasersfeld betonte, dass sein RADIKALER Konstruktivismus keinesfalls ein Solipsismus sei. Außerdem ist dort die Sprache überaus wichtig, denn sie prägt das Weltbild. Einen gemeinsamen Boden findet man also schon alleine in der gemeinsamen Sprache.
Nicht einmal Paul Feyerabend postulierte ein "alles ist richtig". Mit "Anything Goes" tritt er zwar radikal auf, war aber weit davon entfernt zu behaupten, dass "alles richtig" sei...


Ich finde eben nicht, alles sei richtig. Ich finde eine Weltanschauung, die auf den Werten der Aufklärung und dem Humanismus beruht, besser und wertiger als eine Weltanschauung, die auf Rassismus beruht. zum Beispiel.
Zum ersten Satz: Siehe oben.
Zum zweiten Satz: Das ist eine subjektive Einstellung und wird nicht zwangsläufig von Anderen geteilt. Das ist schon eher Relativismus. Eine gemeinsame Basis stellt die Sprache dar. Wir glauben zu wissen was die jeweils andere Person meint, wenn sie von Weltanschauungen spricht, von Humanismus, von Rassismus, von Werten. Und doch gibt es zahllose Beispiele in der Menschheitsgeschichte, in der ganze Völker den Humanismus verachteten und deren Werte an Abgrenzung, Eroberung, Unterdrückung orientierten. Die meisten großen Reiche der Geschichte basierten auf der grundlegenden Ansicht, dass bestimmte Menschen weniger wert sind als andere. Und glaubst du ein Reich kann 1000 Jahre bestehen, wenn die Bevölkerung eine radikal andere Sichtweise hat? Ein überzeugter Römer würde also meinen, dass seine Weltanschauung deutlich besser ist, als eine humanistische Weltsicht es je sein könnte. Du behauptest das Gegenteil. Wer entscheidet nun was "wirklich besser" ist? Doch wohl nur jeder für sich, oder? Willkommen im Relativismus.


Oder, auf einer simpleren Ebene: Man kann in der Kampfkunst sehr wohl sinnvoll beurteilen, was eine gut ausgeführte Technik ist, und was eine schlecht ausgeführte Technik. Experten in einer bestimmten Kunst werden alle auf sehr ähnliche Ergebnisse kommen, wenn sie eine Aktion beurteilen, weil sie nämlich viel Zeit und Mühe damit verbracht haben, die individuellen Erlebnisse, Beobachtungen und Reflexionen aufeinander abzustimmen und so einen tragfähigen gemeinsamen Boden zu schaffen.
Hier verschwimmt die Unterscheidung zwischen Theorie, Praxis bzw. Weltanschauung und Lebenswelt. Eine ausgeführte Technik im Kampfsport ist in der Regel eine empirische Erfahrung, keine theoretische. Wir kommen also im Grunde nur mit unseren Sinnen an diese Erfahrung heran. Wir spüren die Faust (sowohl als Treffender, als auch als Getroffener), wir sehen die Bewegung, wir riechen oder schmecken etwaige Auswirkungen, wir spüren den Schmerz. Jeder nimmt nun die Technik mit seinen jeweiligen Sinnen wahr, oder? Die Wahrnehmung eines Fauststoßes ist von der Perspektive abhängig. Wenn du jemals in einem Wettkampf warst (oder zugesehen hast), wird dir aufgefallen sein, dass Schiedsrichter manche Techniken übersehen, während andere gewertet werden, die wir (aus unserer anderen Perspektive) vermutlich nicht gewertet hätten.
Aber du schreibst gewiss nicht über die Feinheiten der Perspektive. Dir geht es um grundlegende Gemeinsamkeiten. Also gehen wir einen Schritt weiter. Wir beide nehmen einen Fauststoß wahr. Meinetwegen du als Angreiferin und ich als Getroffener. Nun würdest du (mit all deinem Wissen, deinen Erfahrungen, deinen Gefühlen und Wahrnehmungen) behaupten, dass du eine gute Technik ausgeführt hast. Ich würde möglicherweise widersprechen, weil meine Erfahrungen mich gelehrt haben, dass es wesentlich effektivere Techniken gibt.
Wenn du mich hingegen kaum berührst, weil du zu weit weg stehst, dann würden wir wohl beide finden, dass die Technik nicht sonderlich effektiv war. Das bedeutet aber nicht, dass wir automatisch eine ineffektive Technik sahen. Ein Capoeira-Kämpfer würde vielleicht meinen, dass sie effektiv war; ein Schauspieler würde vielleicht meinen, dass sie effektiv war (im Sinne von überzeugend gespielt). Wir hätten unterschiedliche Definitionen des Wortes effektiv, aber daran sehen wir wieder nur, dass die gemeinsame Basis (Sprache) doch nicht so universell ist, nicht wahr?
Wir können auch nicht alles so genau definieren, bis es nicht mehr weiter geht. Dafür ist die Sprache zu ungenau. Nimm einen Apfel. Zwei Äpfel können total unterschiedlich sein. Nimm Adjektive dazu. Roter, runder, saftiger Apfel. Auch die können total unterschiedlich sein. Egal wie genau du versuchst den Apfel zu beschreiben... es wird dir nicht gelingen ihn von einem anderen Apfel zu unterscheiden, der dieselben Adjektive aufweist und dennoch ein anderer Apfel ist. Und in der Lebenswelt sagen wir meist eh nur "Apfel".
Einem Teilsatz stimme ich zu: "Experten werden zu ähnlichen Ansichten kommen". Aber genau da bringst du den Relativismus herein. Denn "unrelativistisch" formuliert müsste es heißen: Experten kämen zur selben Ansicht.
Somit: Erneut willkommen im Relativismus. Keine Technik ist universell schlecht.


Auch hier kommen Leute meist auf ähnliche Ergebnisse - es finden die meisten erstrebenswerter, fit zu sein, als nicht fit zu sein. Sogar ausgesprochene Couch Potatoes würden dem wohl zustimmen.

Sinngemäß gilt dasselbe wie oben.
Es gibt einige Dinge, die von den meisten Menschen geteilt werden. Beispielsweise "Symmetrien sind schön". Fit zu sein gehört jedoch nicht dazu. Breitensport ist eine Erfindung der Neuzeit. Früher gab es andere Ideale, die nichts mit dem Sport zu tun hatten. Ein "Couch-Potato" zu sein, galt auch einst als erstrebenswert. (Damit ist gemeint sich zurücklehnen zu können und essen zu können so viel man will.)

Die Frage ist nun: Selbst bei den Dingen, die viele Menschen gemeinsam haben... ist das nun eine absolute Größe? Oder nicht doch eher eine relative? Wer entscheidet das? Derjenige, der diese Gemeinsamkeiten feststellt (wir beide gerade). Es sind unsere subjektiven Ansichten, dass es so ist und nicht anders. Ein tatarischer Bauer würde dieselben Beobachtungen und Wahrnehmungen möglicherweise gänzlich anders interpretieren und alles, was wir hier schreiben, für völligen Schwachsinn halten. Und auch das ist eine Sichtweise, die vollkommen legitim ist. Oder würdest du meinen, dass der Bauer kein Recht hat sich über intellektuelle Ergüsse zu mokieren? Ich denke wohl nicht.

Abschließend: Willkommen im Relativismus.

PS: Komm mir bitte nicht mit dem Selbstanwendungsproblem des Relativismus. Ja, ich weiß... Wenn alles relativ ist, dann ist es der Relativismus auch. Natürlich kann man auch einen Absolutismus vertreten. Aber ist es sinnvoll? Das entscheidet doch wiederum jeder für sich. Wie man es dreht und wendet... man kommt kaum am Relativismus vorbei.


Zum Thema noch: Bruce Lee vertrat eine Art Relativismus des Kampfsports. Mache das, was effektiv ist. Passe dich dem Gegner an und nutze deine eigenen körperlichen Vorteile. Das bedeutet, dass Kampfsport für jede Person anders "richtig" ist.

Lugasch
28-11-2017, 11:15
Lugasch (und discipula): "Postmoderne Theoretiker" sind ein Paradoxon und nicht mehr als eine epochale Typenbezeichnung. Im Grunde ist jeder Mensch, der heute lebt und eine Theorie aufstellt, ein postmoderner Theoretiker.
Das Präfix "Post-" ist aktuell höchst modern und gebräuchlich. Momentan ist irgendwie alles "post" - das Präfix bedeutet übrigens, dass etwas "nach" etwas Anderem ist. Meistens zeitlich danach, aber nicht nur.


Hallo Hu Quan,
danke für die Erklärung, auch wenn meine Frage eher dahin gehend gemeint war, dass ich es öfters als unangenehm empfinde, wenn jemand seine Meinung aufschreibt (sein gutes Recht) und andere Meinungen (sehr oft unbewusst) mit einem "außer..." oder "jeder der bei Verstand ist..." u.ä. für ungültig erklärt. In dem Fall hat mich das "...außer man ist ein postmoderner Theoretiker..." gestört, zudem ich den Begriff einfach für nicht greifbar/auflösbar halte.
Wenn ich länger darüber nachdenke, und alles im Wortsinn (modern = gegenwärtig) übersetze, würde ich sogar behaupten, dass niemand ein postmoderner Theoretiker sein kann, denn wir leben durch die Signal- und Verarbeitungsgeschwindigkeit des Nervensystems immer ein Paar Milisekunden in der Vergangenheit. Unsere Zukunftsvorstellungen können den Verzug manchmal ausgleichen, sind aber eher abstrakt und ungefähr - sprich: wir können das echte "Jetzt" weder zeitlich noch im gesamten Informationsumfang erfassen, womit wir im engeren Sinne nicht in der Lage sind hinter die Moderne zu kommen.

P.S.: Deine Apfelvergleiche finde ich richtig gut :)

discipula
29-11-2017, 08:19
Und wer behauptet das? Der Relativismus nicht. Nur eine radikale Form des Relativismus, ....

Dass (offizielle) Hierarchien so gar nicht gehen, und dass man nicht sagen kann "Haltung A ist besser als Haltung B" und ähnliches war zumindest in den letzten Jahren im Soz-Päd-Bereich doch sehr ausgeprägt. Es haben halt nicht all die intellektuelle Kapazität der grossen Vordenker, sondern da wird munter runtergebrochen und vereinfacht.



Zum zweiten Satz: Das ist eine subjektive Einstellung und wird nicht zwangsläufig von Anderen geteilt.

Nur weil etwas nicht von allen geteilt wird, heisst das dennoch nicht, dass Leute mit Expertenstatus nicht beurteilen können, was stimmt und was nicht.

Mathematische Beweise müssen auch subjektiv verstanden und gefunden oder nachvollzogen werden. Aber nur weil's Leute gibt, die das nicht können oder nicht wollen, heisst das nicht, dass ein Beweis falsch ist. Der Beweis ist korrekt, er wird halt nur nicht von allen verstanden; und das Verstehen des Beweises ist eine höhere intellektuelle Leistung als das nicht-Verstehen oder falsch-verstehen.




Wir glauben zu wissen was die jeweils andere Person meint, wenn sie von Weltanschauungen spricht, von Humanismus, von Rassismus, von Werten. Und doch gibt es zahllose Beispiele in der Menschheitsgeschichte, in der ganze Völker den Humanismus verachteten und deren Werte an Abgrenzung, Eroberung, Unterdrückung orientierten.


so ungefähr - als Bedeutngsfeld mit unscharfen Rändern - weiss ich tatsächlich, was die Leute meinen, wenn sie von Humanismus oder Rassismus oder Werten sprechen.

Es kann durchaus einer verstehen, was Humanismus ist, und das trotzdem ablehnen. Und es kann durchaus vorkommen, dass einer die höheren, edleren menschlichen Regungen bloss für die eigene Familie reserviert und nur diese Leute als "Menschen" betrachtet, und aller andern nicht.


glaubst du ein Reich kann 1000 Jahre bestehen, wenn die Bevölkerung eine radikal andere Sichtweise hat? Ein überzeugter Römer würde also meinen, dass seine Weltanschauung deutlich besser ist, als eine humanistische Weltsicht es je sein könnte.

So verschieden sind wir da nicht. Unser Denken ist nach wie vor stark von Rom geprägt, zB das Konzept des "Bürgers", das das Stammesdenken überschreitet.




Du behauptest das Gegenteil. Wer entscheidet nun was "wirklich besser" ist? Doch wohl nur jeder für sich, oder?

nein, man kann das anhand der Wirkungen auf die Welt entscheiden (zB ob ein Faustschlag zum KO führt oder nicht, ob sich der Schlagende selbst verletzt durch schlechte Technik oder nicht...). Das ist weder beliebig noch willkürlich. Das kann man anhand benennbarer Kriterien beurteilen.




Nun würdest du (mit all deinem Wissen, deinen Erfahrungen, deinen Gefühlen und Wahrnehmungen) behaupten, dass du eine gute Technik ausgeführt hast. Ich würde möglicherweise widersprechen, weil meine Erfahrungen mich gelehrt haben, dass es wesentlich effektivere Techniken gibt.

Wenn du mit blutender Nase am Boden liegst, wär's mir wurst, dass ich noch effektiver wäre, wenn ich dir mit dem Schwert den Kopf abgehauen hätte. Ich hab mein Ziel ja erreicht.

Die Frage "ist A wirksam im Sinne eines im Voraus definierten Ziels?" ist eine andere Frage als "ist B wirksamer als A?"




Wir hätten unterschiedliche Definitionen des Wortes effektiv, aber daran sehen wir wieder nur, dass die gemeinsame Basis (Sprache) doch nicht so universell ist, nicht wahr?

man muss halt reden miteinander, dann kommt man auch in Übereinstimmung. Wenn man eine solche sucht und wünscht.




Einem Teilsatz stimme ich zu: "Experten werden zu ähnlichen Ansichten kommen". Aber genau da bringst du den Relativismus herein. Denn "unrelativistisch" formuliert müsste es heißen: Experten kämen zur selben Ansicht.

Das Leben ist immer etwas schwummerig und hat nicht die mathematische Präzision und Klarheit, die so viele lieben gelernt haben in unserer Welt.



Fit zu sein gehört jedoch nicht dazu. Breitensport ist eine Erfindung der Neuzeit.

Wenn ich alte Darstellungen von Jesus anschaue, fällt doch auf, wie oft er als ausgesprochen schöner - muskulöser, sportlicher - Mann er dargestellt wird. Auch auf Bildern, die längst vor dem Breitensport entstanden waren.




Die Frage ist nun: Selbst bei den Dingen, die viele Menschen gemeinsam haben... ist das nun eine absolute Größe?

Die Menschenwürde ist eine absolute Grösse, ja.



Wer entscheidet das?

jene, die sich so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, dass sie es vollständig verstehen.




Und auch das ist eine Sichtweise, die vollkommen legitim ist. Oder würdest du meinen, dass der Bauer kein Recht hat sich über intellektuelle Ergüsse zu mokieren?



Natürlich darf er das, aber er muss nicht erwarten, dass ich ihm zustimme oder seinen Spott für wahr halte. Kommt halt darauf an, wie er sich mokiert. Womöglich hat er auch recht. Muss man von Fall zu Fall schauen.


Natürlich kann man auch einen Absolutismus vertreten. Aber ist es sinnvoll?


ja, ich halte es für sinnvoll, die Menschenwürde absolut zu setzen. Das ist die Grundlage unserer Zivilisation. Wenn wir das nicht haben, gnade uns Gott





Zum Thema noch: Bruce Lee vertrat eine Art Relativismus des Kampfsports. Mache das, was effektiv ist. Passe dich dem Gegner an und nutze deine eigenen körperlichen Vorteile. Das bedeutet, dass Kampfsport für jede Person anders "richtig" ist.

Das, was effektiv ist, wird durchaus anhand objektiver Kriterien gemessen. Eben zB ob nachher der Gegner mit blutender Nase am Boden liegt, oder doch nicht. für zwei genau gleiche Personen (die es nicht gibt, nicht mal eineiige Zwillinge) wäre aber genau dieselben Techniken geeignet.

Lugasch
29-11-2017, 11:31
ja, ich halte es für sinnvoll, die Menschenwürde absolut zu setzen. Das ist die Grundlage unserer Zivilisation. Wenn wir das nicht haben, gnade uns Gott


In wie fern ist es die Grundlage unserer Zivilisation?
Ich halte es für ein abstraktes und nicht greifbares Konstrukt, welches gerne herangezogen wird, um an einigen Stellen Rechtssicherheit zu schaffen und welches gerne ignoriert wird, wenn es gerade praktisch ist (siehe z.B. den Unterschied bei der Abwicklung des Diesel-Skandals in der EU und den USA).

Lugasch
29-11-2017, 11:44
Das, was effektiv ist, wird durchaus anhand objektiver Kriterien gemessen. Eben zB ob nachher der Gegner mit blutender Nase am Boden liegt, oder doch nicht. für zwei genau gleiche Personen (die es nicht gibt, nicht mal eineiige Zwillinge) wäre aber genau dieselben Techniken geeignet.

Das was effektiv ist, hängt davon ab, welche Ziele man verfolgt und auf welcher Abstraktionsebene man diese definiert.

Haben beide Zwillinge das Ziel den Gegner mit blutiger Nase auf dem Boden liegen zu haben, dann würde es vll. passen. Heißt das Ziel dagegen "Eine Konfliktsituation bereinigen", dann definieren die Zwillinge das "bereinigen" u.U. völlig unterschiedlich und schon gibt es keine "objektive Kriterien" mehr, die zu denselben Techniken führen.
Am Ende entscheidet jeder für sich (ob frei oder nicht ist eine andere Frage), was richtig, falsch, wahr, falsch, gut, böse, effektiv oder nicht effektiv ist. Und diese Entscheidung können und werden anders ausfallen als beim jeden anderen. Daher ist der Relativimus voll ok - aus meiner Sicht.

Hu Quan
29-11-2017, 16:07
Dass (offizielle) Hierarchien so gar nicht gehen, und dass man nicht sagen kann "Haltung A ist besser als Haltung B" und ähnliches war zumindest in den letzten Jahren im Soz-Päd-Bereich doch sehr ausgeprägt. Es haben halt nicht all die intellektuelle Kapazität der grossen Vordenker, sondern da wird munter runtergebrochen und vereinfacht.Ähm... Und weiter? Manche sagen dies, manche sagen jenes. Die meisten haben keine Ahnung von Philosophie oder Relativismus und die meisten Menschen glauben ja auch tatsächlich, dass sie tatsächlich die einzige Wahrheit kennen. Das ist aber noch lange kein Argument für deren Richtigkeit. Oder habe ich da etwas missverstanden? Kommt durchaus vor bei einer bidirektionalen Unterhaltung.


Nur weil etwas nicht von allen geteilt wird, heisst das dennoch nicht, dass Leute mit Expertenstatus nicht beurteilen können, was stimmt und was nicht.Und wieso sagt dann Experte A das Eine und Experte B das andere? Die einen Experten sagen, dass Glyhposat potenziell krebserregend ist. Andere Experten sagen, dass es nicht so ist. Und wir sind hier im Bereich der Naturwissenschaften. Quantitative Forschung mit klaren Messergebnissen. Und nicht einmal da kommen Experten auf einen grünen Zweig. Von der Quantentheorie möchte ich garnicht erst beginnen und im Bereich der Human-, Sozial- oder Geisteswissenschaften allgemein kannst du es abhaken, dass Experten einer Meinung sind. Hast du mal Universitätsprofessoren im geisteswissenschaftlichen Bereich erlebt? Die streiten ein halbes Leben lang über irgendeinen Schwachfug. Ich habe vorletztes Jahr einen Fachartikel publiziert, in dem es um ebendiese Praxis geht. Zwei Experten widersprechen einander deutlich. Was stimmt denn also nun? Ich schätze das widerlegt dein Argument.


Mathematische Beweise müssen auch subjektiv verstanden und gefunden oder nachvollzogen werden. Aber nur weil's Leute gibt, die das nicht können oder nicht wollen, heisst das nicht, dass ein Beweis falsch ist. Der Beweis ist korrekt, er wird halt nur nicht von allen verstanden; und das Verstehen des Beweises ist eine höhere intellektuelle Leistung als das nicht-Verstehen oder falsch-verstehen. Du meinst also, dass jeder, der über die notwendige Intelligenz verfügt, zwangsläufig auf dasselbe Ergebnis kommen muss? Das ist sowas von Vorgestern. Es gab ein paar Scholastiker, die das ernsthaft postulierten, aber spätestens seit dem deutschen Idealismus ist das abgehakt. Und vor allem heute gilt das überhaupt nicht mehr. Mathematik ist ein Grenzfall. Mathematik ist eine logische Sprache, bei der bestimmte Ausgangspunkte bestimmte Endpunkte ergeben, die notwendigerweise erreicht werden müssen, sofern man sich der jeweiligen Prozedur im Klaren ist. Aber die Welt ist nunmal keine Mathematik. Es sei denn du bist Pythagoreer... aber schon Platon hat dies überwunden. (Die Pythagoreer waren antike Philosophen, die das Verhältnis von Zahlen als Grundlage allen Seins postulierten.)


so ungefähr - als Bedeutngsfeld mit unscharfen Rändern - weiss ich tatsächlich, was die Leute meinen, wenn sie von Humanismus oder Rassismus oder Werten sprechen.
Es kann durchaus einer verstehen, was Humanismus ist, und das trotzdem ablehnen. Und es kann durchaus vorkommen, dass einer die höheren, edleren menschlichen Regungen bloss für die eigene Familie reserviert und nur diese Leute als "Menschen" betrachtet, und aller andern nicht.

So ungefähr. Und doch kommt es bei einfachsten Unterhaltungen zu massiven Verständigungsproblemen weil wir die Worte eben doch unterschiedlich verwenden und nur nicht merken, dass wir verschiedene Definitionen benutzen. Ist eine der Grundlagen der Kommunikationswissenschaften und auch der Sozialwissenschaften, die auf den Grundlagen von Watzlawick oder meinetwegen auch von von Thun basieren.
Und natürlich kann es vorkommen, dass jemand den Humanismus ablehnt. Aus welchem Grund auch immer. Ich denke, dass es viele Gründe dafür gibt, nicht nur deine Unterstellung. Die sind aus ihrer Sicht dabei vollkommen im Recht - warum auch nicht? Wir müssen damit nicht einverstanden sein, bewerten das aber auch aus unserer Sichtweise. Umgekehrt ist es ebenso: Er würde unsere Sichtweise abwerten und meinen, dass seine besser ist.


So verschieden sind wir da nicht. Unser Denken ist nach wie vor stark von Rom geprägt, zB das Konzept des "Bürgers", das das Stammesdenken überschreitet.
In einigen Bereichen haben wir noch die römische Kultur in uns. Teile des Rechtssystems oder der Sprache, ja... aber die alltäglichen Dinge? Sklavenhaltung? Mehr-Klassen-Gesellschaft? Unbedingter Expansionswille? Neigung zu Orgien? Ja, manches vermutlich schon. Manches ist gesellschaftlich verpönt (Orgien), manches wurde stark verändert (der Expansionswille wich einer Sicherungstendenz). Und ein waschechter Römer hatte eine andere Sichtweise der Welt. Nicht-Römer waren minderwertig und nur als Sklaven brauchbar. Würdest du meinen, dass Norweger minderwertig sind? Wenn nicht, dann dürfte es doch Unterschiede geben. Wobei vor etwa 80 Jahren auch hier ein starkes nationalistisches Denken verbreitet war... Und heute nicht mehr. Alles relativ und von der Epoche und der Kultur abhängig.


nein, man kann das anhand der Wirkungen auf die Welt entscheiden (zB ob ein Faustschlag zum KO führt oder nicht, ob sich der Schlagende selbst verletzt durch schlechte Technik oder nicht...). Das ist weder beliebig noch willkürlich. Das kann man anhand benennbarer Kriterien beurteilen.

Kriterien, die du festlegst. Wenn mein Kriterium nicht der Knock-Out ist, sondern die Entwaffnung, der Tod oder die freiwillige Aufgabe (Macht!), dann ist der Knock-Out sehr ineffizient. Auch hier: Alles relativ.
Vergiss nicht, dass deine Aussagen stets in einem subjektive (und somit relativen) Rahmen getätigt werden. Das gilt für dich und vielleicht für viele Andere, aber ist nicht zwangsläufig absolut so. Es gibt andere Ansichten und die sind zweifelsfrei auch valide und haben ihre Daseinsberechtigung.

Wenn du eine Technik nach DEINEN Kriterien beurteilst, dann kommst du zu einem Ergebnis. Eine andere Person beurteilt nach ihren Kriterien. Vielleicht kommt sie zu demselben Ergebnis. Ich würde in dem Fall zu einem anderen Ergebnis kommen.


Wenn du mit blutender Nase am Boden liegst, wär's mir wurst, dass ich noch effektiver wäre, wenn ich dir mit dem Schwert den Kopf abgehauen hätte. Ich hab mein Ziel ja erreicht.

Ja; nach DEINER Ansicht nach. Ist aber relativ, nicht absolut. Und selbst wenn 999 Menschen deiner Ansicht sind und der 1000te nicht, so hat er dennoch die Berechtigung seine Meinung zu vertreten, die auch wichtig und gültig ist. Denn für ihn wäre die Enthauptung das einzige richtige Mittel und eine blutende Nase keinesfalls gut. Du musst diese Einstellung nicht teilen, aber respektieren solltest du sie. Warum? Weil du sonst einfach nur ignorant wärst und andere Menschen nicht in ihrer individuellen Eigenart akzeptieren (oder gar sehen?) könntest.



man muss halt reden miteinander, dann kommt man auch in Übereinstimmung. Wenn man eine solche sucht und wünscht.
So denken viele Verhandler. Warum auch nicht? Die Krux bei der Sache ist nur, dass Missverständnisse oft nicht bemerkt werden. Oder erst dann, wenn es zu spät ist. Das Juristendeutsch versucht Missverständnisse durch besonders "klare" Worte zu umgehen... und wie viele Rechtsstreitigkeiten gibt es weil man es anders auslegen kann?
Dann rate mal wie das in einer durchschnittlichen Unterhaltung ist...


Das Leben ist immer etwas schwummerig und hat nicht die mathematische Präzision und Klarheit, die so viele lieben gelernt haben in unserer Welt.
Das Leben hat mit Mathematik nichts zu tun. Das ist nicht nur schwummrig, sondern sehr subjektiv (und relativ). Ansonsten: Siehe den Absatz über die Pythagoreer.


Wenn ich alte Darstellungen von Jesus anschaue, fällt doch auf, wie oft er als ausgesprochen schöner - muskulöser, sportlicher - Mann er dargestellt wird. Auch auf Bildern, die längst vor dem Breitensport entstanden waren.
Wer hat Jesus denn dargestellt? In unterschiedlichen Epochen findest du unterschiedliche Darstellungen. Meist ist er doch eher dünn und fast schon ausgemergelt. Die alten Griechen hatten ein sportliches Körperbild. Die Römer zum Teil auch. Die Christen nicht mehr. Im Mittelalter auch nicht. Unterschiedliche Kulturen in unterschiedlichen Epochen haben unterschiedliche Idealbilder.
Und die Kunst stellt meistens das Idealbild dar. Wie sieht nochmal die Venus von Milo aus? Magst du mal nachsehen?


Die Menschenwürde ist eine absolute Grösse, ja.
Nein. Hast du Argumente für deine Behauptung?


jene, die sich so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben, dass sie es vollständig verstehen.
Wann hat man ein Thema vollständig verstanden? Wie kann man ein Thema vollständig verstehen? Was ist ein vollständig verstandenes Thema? Du wirst da mit Ausdrücken herum, die fernab jeglicher Realität sind.
Hast du die Biologie vollständig verstanden? Die Mikrobiologie? Die Bakterien? Die Funktionsweise des Proteinaustausches einer Zelle mit einer anderen?
Hast du das Auto richtig verstanden? Das Fahren im Verkehr? Die Funktionsweise der Technik? Die physikalischen Prinzipien eines Kolbenreibers?
Hast du die Hermeneutik richtig verstanden? Die tiefenhermeneutische Interpretationsweise? Die tiefenhermeneutische Interpretation von Dostojewskis Der Spieler?


Natürlich darf er das, aber er muss nicht erwarten, dass ich ihm zustimme oder seinen Spott für wahr halte. Kommt halt darauf an, wie er sich mokiert. Womöglich hat er auch recht. Muss man von Fall zu Fall schauen.
Ja, möglicherweise ist etwas dran (aus UNSERER SICHT), möglicherweise nicht (aus UNSERER SICHT). Aus seiner Sicht ist in jedem Fall etwas dran. Möglicherweise ändert er seine Meinung, wenn er etwas darüber lernt. Doch halt! Wenn er lernt, erfährt er meistens schon bestehende Strukturen einer Sache. Man lernt das, was einem beigebracht wird. Das, was irgendwo gewusst wird oder in Büchern steht. Also Wissen, das bereits vorgekaut wurde. Damit übernimmt man zwangsläufig (und ohne, dass man es merkt) die Ansicht, der Person, von der man das lernt. Institutionalisierung des Wissens gilt hier als maßgebliches Schlagwort.


ja, ich halte es für sinnvoll, die Menschenwürde absolut zu setzen. Das ist die Grundlage unserer Zivilisation. Wenn wir das nicht haben, gnade uns Gott
Du hältst es also für sinnvoll. Das ist schön. Für dich. Vielleicht halte ich es für sinnvoll... vielleicht aber auch nicht. Und wenn du meinst, dass jemand im Unrecht ist, bloß weil er eine andere Meinung vertritt, dann gilt wiederum nur mein Satz über die Ignoranz. MEINE Ansicht ist nämlich, dass man andere Meinungen respektieren soll, wenn sie aufrichtig genannt werden. Man muss ihr nicht zustimmen und oft passiert es, dass man versucht die andere Person von der eigenen Meinung zu überzeugen (Stichwort Missionierung), aber zumindest akzeptieren, dass es eine andere Meinung ist und die ebenso eine Existenzberechtigung hat.


Das, was effektiv ist, wird durchaus anhand objektiver Kriterien gemessen. Eben zB ob nachher der Gegner mit blutender Nase am Boden liegt, oder doch nicht. für zwei genau gleiche Personen (die es nicht gibt, nicht mal eineiige Zwillinge) wäre aber genau dieselben Techniken geeignet.
Es gibt keine Objektivität. Es gibt Subjektivität und es gibt Intersubjektivität. Das, was du mit Objektivität meinst, ist im Grunde Intersubjektivität. Aber egal. Im Grunde bestätigst du ja den Relativismus, da du meinst, dass für zwei unterschiedliche Personen unterschiedliche Techniken geeignet sind (denn die Existenz von gleichen Personen schließt du ja aus). Aber sogar für dieselbe Person sind unterschiedliche Techniken in unterschiedlichen Situationen geeignet - oder bei unterschiedlichem physischen Zustand. Oder wie auch immer... Ist eh relativ.

discipula
29-11-2017, 20:59
In wie fern ist es die Grundlage unserer Zivilisation?

Weil es definiert, wie wir mit andern Menschen umgehen. Ganz besonders, wie wir mit denen umgehen, die wir blöd, dumm, hässlich, nervig, eklig, pervers, krank oder anderweitig abstossend finden.



Ich halte es für ein abstraktes und nicht greifbares Konstrukt,

Es ist schon greifbar, zum Beispiel in der Formulierung der Menschenrechte, und auch der bürgerlichen Rechte. Rede- und Versammlungsfreiheit, Geschäftsfreiheit...

Dass die Umsetzung nicht immer den hohen Idealen entspricht, ist menschlich.

Syron
29-11-2017, 21:43
Weil es definiert, wie wir mit andern Menschen umgehen. Ganz besonders, wie wir mit denen umgehen, die wir blöd, dumm, hässlich, nervig, eklig, pervers, krank oder anderweitig abstossend finden.
Wenn das ganze so eine Grundlage ist, wie kommt es dann, daß mehr als genug Menschen ziemlich unwürdig mit anderen umgehen, aufgrund weil sie sie als blöd, dumm, hässlich, nervig, ejlig, pervers krank oder anderweitig abstoßend wahrnehmen?

discipula
30-11-2017, 05:42
Wenn das ganze so eine Grundlage ist, wie kommt es dann, daß mehr als genug Menschen ziemlich unwürdig mit anderen umgehen, aufgrund weil sie sie als blöd, dumm, hässlich, nervig, ejlig, pervers krank oder anderweitig abstoßend wahrnehmen?

Unterschied von Theorie und Praxis?

Immerhin können wir darauf zählen, dass öffentliche Institutionen sich grösstenteils an die Menschenrechte halten, und dass einzelne Mitglieder, die dagegen verstossen, bestraft werden.

Ausnahmen setzen eine Regel nicht ausser Kraft.

DatOlli
30-11-2017, 11:31
@Hu Quan

Danke, vor allem für Post #48.

Liebe Grüße
DatOlli

EinPandabär
30-11-2017, 11:58
"Wie viel Philosophie steckt in eurer Kunst?"

Wenn wir die Philosophie mal wörtlich als Liebe zur Weisheit oder Liebe zum Wissen nehmen, dann recht viel. Ich finde, die Kampfkunst ist eine wunderbare Gelegenheit um an sich selbst zu arbeiten und sich selbst zu bessern. Nicht nur was meinen Körper angeht, sondern auch wie mein Gehirn funktioniert. Mein Training hat sehr viel an meinem Denken verändert. Ich nutze das Fechten als Möglichkeit, über mich selbst zu reflektieren und an mir zu arbeiten. An meinem übertriebenen Ego und Stolz, an meinem Ehrgeiz. Aber auch an meinem Körperverständnis, meinem eigenen Körperbild und an meinem Verständnis für die Bewegungen und dem Körper meiner Mitmenschen. Ich habe an meinem Selbstbewusstsein gearbeitet- sowohl an der "normalen" Definition des Selbstbewusstsein als auch an der etwas abstrakteren- an dem Bewusstsein meines Selbsts und meinem eigenen Körper.
Und ich habe gelernt, die Menschheit etwas mehr zu schätzen und vielleicht sogar zu lieben, als ich das davor tat. Von der introvertieren berührungsverabscheuenden leicht schüchternen Studentin, zu ner selbstbewussteren offeneren und menschenliebenden Fechterin. :D

Und eins muss man sagen, die Kampfkünstler habens mit der Philosophie. Die interessantesten und augenöffnensten philosophischen Gespräche habe ich bis jetzt mit anderen Kampfkunstbetreibenden geführt.

Ich glaub, wir Kampfkünstler habens ein bisschen mit der Liebe zur Weisheit.

Kraken
30-11-2017, 13:40
Ich möchte ja auch was schreiben, aber hier steht schon so viel Gutes. :)

Danke für eure Beiträge.

zocker
02-12-2017, 14:53
... Danke für eure Beiträge.


Einen hab‘ ich noch.

Aus „hagakure“, bechtermünzverlag, 2001:

„Als Shimomura Shoun auf dem Schloss Dienst tat, sagte Fürst Naoshige: „Es ist wundervoll, dass Katsushige schon so kräftig und mutig für sein Alter ist. Im Ringen besiegt er sogar Kameraden, die älter sind als er.“

Shoun erwiderte: „Obwohl ich ein alter Mann bin, wette ich, dass ich im Sitzen der stärkste Ringer bin.“ Mit diesen Worten ergriff er Katsushige und warf ihn so heftig zu Boden, dass es krachte. Dann belehrte er Katsushige: „Stolz auf deine Kraft zu sein, bevor du dich bewährt hast, macht dich zum Gespött der Leute. Du bist schwächer, als du aussiehst.“ Daraufhin zog er sich zurück.“


Passt als „philosophie“ m.e. auf jedes (kampf)training.


Grüsse

Kraken
02-12-2017, 18:36
Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Lehre richtig verstehe.

Hätte Katsushige sich selbst gelobt, dann ja. Aber wieso weist er Katsushige zurecht, nachdem aber Naoshige diesen gelobt hatte?

Pansapiens
02-12-2017, 18:47
Hätte Katsushige sich selbst gelobt, dann ja. Aber wieso weist er Katsushige zurecht, nachdem aber Naoshige diesen gelobt hatte?

Das Lob von Naoshige fand wohl in dessen Anwesenheit statt, das hätte dann bei diesem dazu führen können, dass er eingebildet wird, daher hat ihn Shoun vorbeugend zurechtgestutzt.

hier nach einer Idee von Bruce Lee:

https://youtu.be/Qrj1LRWRFxs?t=8m55s

zocker
02-12-2017, 18:56
... hier nach einer Idee von Bruce Lee:

https://youtu.be/Qrj1LRWRFxs?t=8m55s


Eine meiner lieblingszenen insgesamt - obwohl ich den film insgesamt relativ übel finde.


Grüsse

Pansapiens
02-12-2017, 19:11
hier nach einer Idee von Bruce Lee:

https://youtu.be/Qrj1LRWRFxs?t=8m55s


Ein sehr filosofischer KK-Film voller Weisheit übrigens:

RMGx4_mhYLs

okami 04
05-12-2017, 09:07
@postmoderne Diskussion: man sollte sich schon entscheiden ob man 1. direkt die Namensgebenden Vertreter kritisiert wie dies die Verlinkung eines Wikipedia Artikels suggeriert, oder 2. das Gelabber im "sozialen Bereich" das im übrigen nicht nur rein gar nichts mit diesem Begriff gemein hat, sondern eher auf Gegenteiligen Annahmen fusst (Humanismus, Christentum usw. also Systemen die ironischerweise in der Leseweise von all jenen ismen die für gewöhnlich blind miteinander vermengt den Kampfbegriff "postmoderne" ergeben, eben NICHT besonders gut wegkommen. Als da wären Dekonstruktion, Poststrukturalismus, Postmoderne, die Konstruktivismem). Lyotard dürfte locker einer der am meisten misverstandenen (und am wenigsten gelesenen) Denker der Nachkriegszeit sein.

@Thema: ich habe das Gefühl am meisten Philosophie dort vermittelt zu bekommen wo man sie sich (und den Schülern) erspart. Wenn ich vergleiche wo ich "mehr fürs Leben gelernt habe" dann kommen da die Stile besser weg die am wenigsten mit einem philosophischen Überbau kokketiert haben: die "Botschaft" war das training selbst; die Augen-öffnenten-Erlebnisse (erstes Sparring etc.) Vor allem wenn sich um eine Philosophie im engeren Sinne bemüht wurde war schnell eine gewisse Nähe zu angelesenem Halbwissen und simplen Nachgeplapper offensichtlich (das war/ist auch im yoga leider der Fall). Im Grunde sinds dann nur Standartweisheiten a la "be like water" und "der weg ist das Ziel" die übrigbleiben.

discipula
06-12-2017, 09:28
@postmoderne Diskussion: man sollte sich schon entscheiden ob man 1. direkt die Namensgebenden Vertreter kritisiert wie dies die Verlinkung eines Wikipedia Artikels suggeriert, oder 2. das Gelabber im "sozialen Bereich"

Der Kontakt mit den Postmoderne, ich geb's zu, hat mich traumatisiert. Sei das damals in der Uni, als ich mal das Unglück hatte, während kurzer Zeit ein phil-eins-Fach zu studieren, wo einem diese Leute vorgesetzt wurden. (und die Übung dann auch bald abbrach), sei das in der Anwendung.





Lyotard dürfte locker einer der am meisten misverstandenen (und am wenigsten gelesenen) Denker der Nachkriegszeit sein.

So unverständlich, wie die meisten Leute im Umfeld dieser Ideen schreiben, wundert es mich nicht, dass keiner den versteht. :p




@Thema: ich habe das Gefühl am meisten Philosophie dort vermittelt zu bekommen wo man sie sich (und den Schülern) erspart.

Das hat was.



Im Grunde sinds dann nur Standartweisheiten a la "be like water" und "der weg ist das Ziel" die übrigbleiben.

nichts gegen Standardweisheiten, es gibt Gründe, warum ausgerechnet die Standardweisheiten zu Standardweisheiten geworden sind... Weil sie eben tatsächlich wichtige und richtige Dinge zum Ausdruck bringen.

gruss, barbara

okami 04
06-12-2017, 10:25
Ja es gibt Gründe... aber eine Weisheit die nur wiederholt wird ist keine. Vieles im Leben lässt sich vermutlich auf Formeln runterbrechen die wohlbekannt sind, die Anwendung macht den Unterschied. Und das merkt man auch wenn die Formeln ausgesprochen werden: sind es blosse Wiederholungen oder spricht da jemand aus der Erfahrung - lezteres ist selten der Fall (und ja, auch ich glaube das der Weg das Ziel ist :-P )
Ist ein bisschen wie der Unterschied zwischen einem gekonnten Schlag und wildem herumgeprügel - auf den ersten Blick schauts gar nicht mal sssoooo anders aus, wenn man dann aber mal wirklich damit zu tun hat stellt man fest das Welten dazwischen liegen...

Lyotard schreibt absolut NICHT in einem Jargon der z.B. Deleuze oder Derrida (zumindest teilweise) so schwierig macht. Das Problem ist das man alles in einen Topf wirft - es gibt zu stark die Erwartungshaltung alles müsse sich sofort erschließen. Im Grunde ein passives Konzept: alles soll mundgerecht serviert werden. Tatsache ist das viele französische Autoren die das Klischee des schwerverdaulichen Jargons geprägt haben AUCH sehr direkt auf den Punkt formulierte Texte rausgehauen haben: Deleuze Nietzsche Buch ist nun wirklich nicht mit dem anti-ödipus zu verlgeichen, die schrift und die Differenz ist sicherlich leichter zu verstehen als vieles was die Voreiter der ach so klaren Sprache formulierten (Dunstkreis Carnap und co.) Man hat da halt ein klar umrissenes Feindbild, zumal in Deutschland, das sich zugegebenermaßen durch ärgerliche Fanboys die nur nachquasseln auch noch hier und da bestätigt.(Die Konstruktivisten die ärgerlicher Weise auch oft in einen Topf geworfen werden mit oben genannten Autoren schreiben praktisch allesamt sehr simpel und dürften gerade auch darum den einen oder anderen Bestseller gelandet haben...) Zurück zu lyotard: kauf dir einfach "das postmoderne Wissen": es ist in zwei Tagen gelesen: du wirst überrascht sein wie wenig das irgendwelche Klischees bedient...

Lugasch
07-12-2017, 16:39
Ja es gibt Gründe... aber eine Weisheit die nur wiederholt wird ist keine. Vieles im Leben lässt sich vermutlich auf Formeln runterbrechen die wohlbekannt sind, die Anwendung macht den Unterschied. Und das merkt man auch wenn die Formeln ausgesprochen werden: sind es blosse Wiederholungen oder spricht da jemand aus der Erfahrung - lezteres ist selten der Fall (und ja, auch ich glaube das der Weg das Ziel ist :-P )


Bei den Weisheiten sehe ich sogar gewisse Parallelen zu den Formen in den KK:
Man versucht mit Worten eine Gedankenform zu schaffen, die allgemeingültig und unverfälscht bleiben soll. Das versucht man u.a. durch Reduktion der Worte und Verdichtung des Inhalts zu erreichen, damit am Ende was knackiges rauskommt. Das klappt dann zwar, ist allerdings nur schwer ohne Kontext, bzw. weiterführende Informationen nachzuvollziehen - man sieht es nur oberflächlich und denkt sich "passt schon so", aber das richtige Verstehen kommt erst Jahre später, nachdem man seine Erfahrungen gesammelt und das in der Weisheit Beschriebenes durchlebt hat - dann kommt der Aha-Effekt.
Ist bei den Katas irgendwie ähnlich.
Sind beides nützliche Tools, deren Anwendung man verstehen sollte. Wobei der eigentliche Nutzen nicht vom Kennen der Weisheiten/Katas/Formen kommt, sondern vom Arbeiten mit denen. :)

Ripley
07-12-2017, 20:36
Wobei der eigentliche Nutzen nicht vom Kennen der Weisheiten/Katas/Formen kommt, sondern vom Arbeiten mit denen. :)
Schön gesagt! Danke!

okami 04
11-12-2017, 18:06
Bei den Weisheiten sehe ich sogar gewisse Parallelen zu den Formen in den KK:
Man versucht mit Worten eine Gedankenform zu schaffen, die allgemeingültig und unverfälscht bleiben soll. Das versucht man u.a. durch Reduktion der Worte und Verdichtung des Inhalts zu erreichen, damit am Ende was knackiges rauskommt. Das klappt dann zwar, ist allerdings nur schwer ohne Kontext, bzw. weiterführende Informationen nachzuvollziehen - man sieht es nur oberflächlich und denkt sich "passt schon so", aber das richtige Verstehen kommt erst Jahre später, nachdem man seine Erfahrungen gesammelt und das in der Weisheit Beschriebenes durchlebt hat - dann kommt der Aha-Effekt.
Ist bei den Katas irgendwie ähnlich.
Sind beides nützliche Tools, deren Anwendung man verstehen sollte. Wobei der eigentliche Nutzen nicht vom Kennen der Weisheiten/Katas/Formen kommt, sondern vom Arbeiten mit denen. :)

Ich muss wenn ich das less an all das hätte-könnte-würde welches dem grappling immer noch entgegengehalten wird denken ;-) oder wie leicht ein Boxkampf aussieht - wenn man noch nie einen hatte etc, schon sehr wahr!!!