Vollständige Version anzeigen : Libet-Experimente
Hallo!
Bestimmt sind einigen die Libet-Experimente bekannt. Ich habe auch schon immer wieder darüber gelesen, aber so richtig schlau bin ich trotzdem noch nicht daraus geworden. Es geht doch wohl irgendwie um Folgendes:
Die Aufgabe ist es, den linken oder rechten Arm (innerhalb der nächsten fünf Minuten) zu bewegen. Der Proband entscheidet sich, gibt seine Entscheidung bekannt (und bewegt den Arm?), aber kurz vor der Bekanntgabe (oder Bewegung?) ist bereits ein Aktionspotential (für Links oder Rechts) messbar. Daraus wird gefolgert, dass die Entscheidung bereits vor der Bekanntgabe (der Bewegung?) im Gehirn quasi "gefallen" ist.
Zunächst: Kann mir wer das Setting richtig erklären? (Also was den eigentlichen Ablauf betrifft, weniger die Theorie dahinter.) Der Wiki-Artikel ist mir nicht ganz klar, andere Seiten wiederum gehen nur auf die Ergebnisse ein...
Moin.
Ich hab davon noch nichts gehört, aber: Was ist jetzt das fragliche daran? In dem Moment, wo ich die Entscheidung sprachlich formuliere, ist sie ja schon im Bewußtsein. Getroffen wurde sie also kurz davor.
Und auch die Bewegung kann im besten Fall dann beginnen, wenn das AP am Muskel eintrifft.
Moin.
Ich hab davon noch nichts gehört, aber: Was ist jetzt das fragliche daran? In dem Moment, wo ich die Entscheidung sprachlich formuliere, ist sie ja schon im Bewußtsein. Getroffen wurde sie also kurz davor.
Und auch die Bewegung kann im besten Fall dann beginnen, wenn das AP am Muskel eintrifft.
Die Libet-Experimente haben eine wichtige Rolle in der Freien-Willen-Diskussion gespielt, sind aber (meinem Kenntnisstand nach) immer auch kontrovers diskutiert worden. Ein Aspekt dabei ist genau das - nämlich ob die Entscheidung tatsächlich von dir getroffen wurde, oder nicht.
Aber mir geht es hier darum, den tatsächlichen Versuchsablauf richtig zu verstehen.
Pansapiens
30-03-2018, 08:50
Die Aufgabe ist es, den linken oder rechten Arm (innerhalb der nächsten fünf Minuten) zu bewegen. Der Proband entscheidet sich, gibt seine Entscheidung bekannt (und bewegt den Arm?), aber kurz vor der Bekanntgabe (oder Bewegung?) ist bereits ein Aktionspotential (für Links oder Rechts) messbar. Daraus wird gefolgert, dass die Entscheidung bereits vor der Bekanntgabe (der Bewegung?) im Gehirn quasi "gefallen" ist.
Zunächst: Kann mir wer das Setting richtig erklären? (Also was den eigentlichen Ablauf betrifft, weniger die Theorie dahinter.) Der Wiki-Artikel ist mir nicht ganz klar, andere Seiten wiederum gehen nur auf die Ergebnisse ein...
Laut Wiki werden drei Dinge gemessen und in zeitlichen Zusammenhang gestellt:
1.) der zeitliche Verlauf des Bereitschaftspotentials im Kortex (EEG)
2.) der Zeitpunkt der bewussten Entscheidung (Proband merkt sich die "Zeigerstellung" einer elektronischen Uhr)
3.) der Zeitpunkt der Muskelaktivierung für die Fingerbewegung (per EMG)
http://4.bp.blogspot.com/-wpRvtNlTZQI/VF0LI0f4DUI/AAAAAAAAVEc/pODh5rCTRrw/s1600/LIBET-willen1.png
https://hypno-institut.com/wp-content/uploads/2016/08/Libet-Experiment.gif
Pansapiens - wie meistens mit allen Utensilien. :)
. Ein Aspekt dabei ist genau das - nämlich ob die Entscheidung tatsächlich von dir getroffen wurde, oder nicht.
Wenn nicht - von wem dann?
Pansapiens
30-03-2018, 09:00
Die Libet-Experimente haben eine wichtige Rolle in der Freien-Willen-Diskussion gespielt, sind aber (meinem Kenntnisstand nach) immer auch kontrovers diskutiert worden. Ein Aspekt dabei ist genau das - nämlich ob die Entscheidung tatsächlich von dir getroffen wurde, oder nicht.
Aber mir geht es hier darum, den tatsächlichen Versuchsablauf richtig zu verstehen.
das hier ist wohl die Original-Arbeit:
TIME OF CONSCIOUS INTENTION TO ACT
IN RELATION TO ONSET OF CEREBRAL
ACTIVITY (READINESS-POTENTIAL) (http://www.psiquadrat.de/downloads/libet1983.pdf)
Unabhängig von diesen Experimenten finde ich die Annahme eines freien Willens einigermaßen merkwürdig.
Wo soll der in einer deterministischen Welt denn herkommen?
Also die Schritte sind:
1. Ich glotze auf das Oszilloskop.
2. Ich entscheide mich für Links oder Rechts.
3. Ich merke mir die Stelle des Lichtpunkts.
4. Ich bewege die Hand.
5. Ich nenne die Stelle des Lichtpunkts.
Korrekt?
Zum Ergebnis heißt es dann im Wiki-Artikel:
"Das Bemerkenswerte an diesem Ergebnis war, dass der Zeitpunkt, zu dem die willentliche Entscheidung bewusst wurde, in jedem Fall deutlich nach dem Zeitpunkt lag, an dem im motorischen Kortex eine, für die Bewegung charakteristische, einleitende Nervenaktivität bereits begonnen hatte."
Heißt das, dass die Bewegung schon vor 2. eingeleitet wurde, oder vor 4. ?
(Davon abgesehen: ist es nicht problematisch, dass ich ja eigentlich mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen muss? Also ich entscheide mich, muss mir aber auch den Zeitpunkt merken. Dann erst bewege ich die Hand, dann erst kommuniziere ich, wann ich glaube mich entschieden zu haben. Das ist ja irgendwie alles andere als eine mono-kausale Kette, oder?)
Wenn nicht - von wem dann?
Okay, natürlich triffst "du" die Entscheidung - die Frage ist wohl, ob willentlich/bewusst oder nicht.
Unabhängig von diesen Experimenten finde ich die Annahme eines freien Willens einigermaßen merkwürdig.
Wo soll der in einer deterministischen Welt denn herkommen?
Hmm... ich weiß nicht, ob die Frage ist wo er herkommen soll.
Meinst du mit einer deterministischen Welt die "kausale Geschlossenheit der physikalischen Welt"? Oder was genau?
Pansapiens
30-03-2018, 10:46
Also die Schritte sind:
1. Ich glotze auf das Oszilloskop.
2. Ich entscheide mich für Links oder Rechts.
3. Ich merke mir die Stelle des Lichtpunkts.
4. Ich bewege die Hand.
5. Ich nenne die Stelle des Lichtpunkts.
Korrekt?
So dargestellt hört sich das ziemlich kompliziert an.
Punkt 2 ist mir nicht ganz klar, auch in Deinem Eingangsbeitrag sprichst Du von einer Entscheidung zwischen rechtem und linken Arm.
In dem ersten Experiment war die Aufgabe lediglich, die Finger der rechten Hand zu bewegen.
Die Entscheidung betraf also nicht was bewegt wird, sondern wann bewegt wird.
Und wann auch nicht im Sinne von " um 14:13:00 hebe ich die Hand" sondern im Sinne von "jetzt hebe ich die Hand".
Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, mehrmals (insgesamt vierzig Mal) eine einfache Handbewegung der rechten Hand auszuführen. Den Zeitpunkt der Ausführung konnten sie jeweils weitgehend frei wählen. Gleichzeitig waren sie aufgefordert, sich genau zu merken, wann sie den bewussten "Drang" ("urge") oder Wunsch verspürten, die Bewegung auszuführen. Zu diesem Zweck sollten sie sich die Position eines Punktes merken, der sich ähnlich wie ein Sekundenzeiger mit einer Geschwindigkeit von ca. 2,5 Sekunden pro Umdrehung auf einer Art Zifferblatt bewegte
http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit/aktuell/libet.html
Also:
1.) Du glotzt auf das Oszilloskop
2.) Dir wird bewusst, dass Du das Finger heben einleitest und merkst Dir die Stelle des Lichtpunktes zu diesem Zeitpunkt
3.) Deine Muskeln werden aktiviert, um die Finger tatsächlich zu heben.
4.) Du berichtest von der gemerkten Zeigerstellung.
Zum Ergebnis heißt es dann im Wiki-Artikel:
"Das Bemerkenswerte an diesem Ergebnis war, dass der Zeitpunkt, zu dem die willentliche Entscheidung bewusst wurde, in jedem Fall deutlich nach dem Zeitpunkt lag, an dem im motorischen Kortex eine, für die Bewegung charakteristische, einleitende Nervenaktivität bereits begonnen hatte."
Heißt das, dass die Bewegung schon vor 2. eingeleitet wurde, oder vor 4. ?
Das heißt, dass im Gehirn die Bewegung schon vor 2.) "eingeleitet" wurde und natürlich auch vor Deinem 4. (meinem 3.)
Dass im Gehirn was passiert, bevor sich was bewegt ist ja keine Überraschung.
Dass im Gehirn schon was passiert, bevor einem bewusst wird, dass man sich bewegen will, war die Überraschung.
Das, was im Gehirn passierte, war das Bereitschaftpotential:
Das symmetrische Bereitschaftspotential ist ein im Elektroenzephalogramm (EEG) messbares negatives elektrisches Potential, das bei der Vorbereitung willentlicher Bewegungen entsteht und etwa eine Sekunde vor der Ausführung der Bewegung einsetzt. Das Potential ist sehr schwach; es kann daher nur durch Mittelung über eine Vielzahl von Versuchsdurchgängen (meistens etwa 40) festgestellt werden. Die zugrunde liegende neuronale Aktivität tritt auf im supplementären motorischen Areal, im primären motorischen Areal sowie in den primären und sekundären sensorischen Arealen (Green, St. Arnold, Rozhkov, Stroher und Garrot 2003; vgl. Walter 1998). Um eventuelle Verzerrungen bei der Datierung des bewußten Willensaktes durch die Versuchsperson abschätzen zu können, ließ Libet seine Versuchspersonen mit derselben Uhr leichte elektrische Hautreize datieren.
http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit/aktuell/libet.html
aus Wikipedia: (https://de.wikipedia.org/wiki/Bereitschaftspotential)
Während die Contingent Negative Variation (CNV) als ein Hirnpotential zwischen zwei Reizen – Stimulus 1 (S1) und Stimulus 2 (S2) – aus dem EEG in normaler Weise, d. h. in Zeitrichtung, gemittelt werden kann (averaging), entsteht das von Kornhuber und Deecke entdeckte Bereitschaftspotential (BP)[7][6] ohne unmittelbaren externen Stimulus endogen im Gehirn eines Probanden, der selbst-initiierte Willkürbewegungen nach vorheriger Instruktion des Experimentators, die Bewegungen in unregelmäßigen Abständen und aus freiem Willen zu machen, ausführt. Eine selbst-initiierte Bewegung ist ein unvorhersehbares Ereignis, und ein damit korreliertes Potential kann deshalb nicht in normaler Weise, d. h. in Zeitrichtung, aus dem EEG gemittelt werden, weil man auf ein zeitlich unvorhersagbares, inneres Ereignis nicht triggern kann. Um ein hier möglicherweise existierendes Potential (das später so bezeichnete Bereitschaftspotential) trotzdem sichtbar machen zu können, entwickelten die Autoren eigens hierfür eine neuartige Technik: Sie speicherten die Signale des Experiments (mit EEG-Kanälen und Triggersignalen = Bewegungsbeginn) auf Magnetband und spielten dann das Band in umgekehrter Zeitrichtung ab, d. h., sie schickten die elektrischen Daten gegen die Zeitrichtung durch den Averaging Computer. Dies Verfahren wird "back-averaging" (Rückwärts-Mittelung) genannt. Hierbei kommt also zeitlich zuerst der Trigger (Bewegungsbeginn) und dann die Hirnpotentiale, die aber eigentlich im realen Experiment dem Bewegungsbeginn (Trigger) vorausgingen. Das BP ist also etwas anderes als die CNV. Beim BP handelt die Versuchsperson selbstgesteuert, nämlich in Eigeninitiative (nach vorheriger Absprache). Bei der CNV handelt die Versuchsperson auf unmittelbare Aufforderung, wie im Sport auf das "Los" bei der Signalfolge "Fertig – Los" (mit variabler Zwischenzeit). Die CNV entsteht dabei zwischen "Fertig" und "Los". Deshalb wurde die CNV von ihren Entdeckern einer Erwartung (expectancy) – Warten auf das "Los" – zugeordnet, während das BP von ihren Entdeckern einer Bereitschaft (readiness) – zum Handeln – zugeordnet wurde.
Bei einer willkürlichen Bewegung gibt es also einen Potentialanstieg in einem bestimmten Gehirnbereich, der einer Bewegung (und eventuell auch der bewussten Wahrnehmung der Entscheidung) vorausgeht.
Die Bewegung kann dann aber bis zum Maximum dieses Potentials abgebrochen werden:
Libet selbst schrieb in späteren Veröffentlichungen den bewusst erlebten Entscheidungen jedoch die Möglichkeit eines Veto-Rechts zu. Damit sei eine Person in der Lage, bis 200-100 ms vor der Handlung – bis etwa zum Maximum der Amplitude des Bereitschaftspotentials – eine neuronal bereits eingeleitete Bewegung noch kurzfristig abzubrechen.[11] Die Versuchspersonen könnten somit de facto die motorische Handlung noch unterdrücken. Diese Beobachtung Libets wurde 31 Jahre später und mit den inzwischen weiter entwickelten technischen Möglichkeiten eindrucksvoll bestätigt und genauer präzisiert. Eine Arbeitsgruppe um John-Dylan Haynes in Berlin ließ in einer Art Computerspiel Probanden gegen ihr eigenes BP spielen. Es zeigte sich, dass sie bis zu 200 ms vor einer vom BP angekündigten Fußbewegung diese noch stoppen konnten. Die Zeitschwelle der 200 ms wurde als point of no return (Punkt ohne Umkehr) bezeichnet.[12]
Experimente zur Bewusstheit willentlicher Entscheidungen von Kühn und Brass von 2009 hatten allerdings inzwischen bereits darauf hin gedeutet, dass auch Veto-Entscheidungen unbewusst getroffen werden und erst nachträglich als freie Entscheidungen empfunden werden.[13] Die Autoren des neuen Berichts von 2016 lehnten es in ihrer Veröffentlichung denn auch ausdrücklich ab, die Frage des "freien Willens" im Zusammenhang mit Ihren Ergebnissen zu diskutieren.
Hervorhebungen von mir.
In den Experimenten geht es also zunächst mal nur um den zeitlichen Zusammenhang zwischen messbaren physiologischen Vorgängen und den naturgemäß schwer fassbaren damit einhergehenden Bewusstseinsprozessen.
(Davon abgesehen: ist es nicht problematisch, dass ich ja eigentlich mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen muss? Also ich entscheide mich, muss mir aber auch den Zeitpunkt merken. Dann erst bewege ich die Hand, dann erst kommuniziere ich, wann ich glaube mich entschieden zu haben. Das ist ja irgendwie alles andere als eine mono-kausale Kette, oder?)
Du hebst einfach irgendwann die Hand und merkst Dir den Zeitpunkt (die Zeigerstellung) zu dem Du meintest, dass Du die Hand nun heben willst.
Die Entscheidung des Handhebens bewirkt ja schon das Heben (bzw. das Heben ist schon im Gang, wenn Dir das bewusst wird, meinst, Du dass Du Dich entscheidest, nun die Hand zu heben).
Es sind also genau zwei Dinge, die Du gleichzeitig tun must: Hand heben und Position des Lichtpunktes merken.
Das Berichten ist dann irgendwann später.
Also die Schritte sind:
Heißt das, dass die Bewegung schon vor 2. eingeleitet wurde, oder vor 4. ?
(Davon abgesehen: ist es nicht problematisch, dass ich ja eigentlich mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen muss? Also ich entscheide mich, muss mir aber auch den Zeitpunkt merken. Dann erst bewege ich die Hand, dann erst kommuniziere ich, wann ich glaube mich entschieden zu haben. Das ist ja irgendwie alles andere als eine mono-kausale Kette, oder?)
Meine Überlegung:
Die Handlung selber ist ja schon "vorprogrammiert". Das bedeutet, die erste bewußte Entscheidung ist schon getroffen. Nun geht es um den Zeitpunkt, und hier gibt offenbar eine Hirnregion das Kommando, bevor dieser Vorgang "bewußt" registriert wird.
Ganau das versuchen wir m.E. in den KK auszunutzen, nämlich eine (Re-)aktion ohne bewußte Verarbeitung des Reizes, sondern "automatisiert".
Was den Determinismus betrifft: Determinismus bezeichnet die Auffassung, dass alle Erscheinungen der Realität kausal bedingt sind. Das würde einen "freien Willen" ausschließen. Jedoch ist es nicht so, dass der Zusammenhang zwischen den Erscheinungen der Realität immer ein notwendiger ist. Es gibt durchaus zufällige Zusammenhänge und Wahlmöglichkeiten, damit auch die Möglichkeit des "freien Willens". "Seppuko" z.B. ist Ausdruck des freien Willens, meine ich.
Pansapiens
30-03-2018, 11:12
Hmm... ich weiß nicht, ob die Frage ist wo er herkommen soll.
Meinst du mit einer deterministischen Welt die "kausale Geschlossenheit der physikalischen Welt"? Oder was genau?
Es gibt die Meinung, dass das Bewusstsein ein Epiphänomen des Gehirns sei im Sinne von:
Als Epiphänomen bezeichnet man eine Entität, die zwar kausal verursacht wurde, aber selbst keine (signifikante) kausale Wirkung hat.
D.h. Bewusstseinsprozesse gehen mit letztlich physikalischen Gehirnprozessen einher, so wie die Projektion eines Bildes auf der Wand mit den physikalischen Prozessen eines Projektors/Beamers einhergeht.
Wenn Du auf den Beamer einwirkst, hat das eine Auswirkung auf das Bild an der Wand, aber was immer Du mit dem Bild an der Wand tust, hat keine Auswirkungen auf den Beamer.
(Wenn man mal Menschen außen vor lassen, die aufgrund der Bilder an der Wand, den Beamer bedienen)
In diesem Modell wäre dann das Bewusstsein nicht innerhalb einer kausalen Kette, sondern eine Verzweigung heraus, die selbst nix mehr bewirkt.
Die Überraschung über den Ausgang des Libet-Experiments führe ich darauf zuück, dass man früher dachte:
Bewusste Entscheidung => Gehirnvorgänge => Muskelaktivität => Bewegung
Nun stellte man die Abfolge fest:
Gehirnvorgänge, Bewusste Entscheidung, Muskelaktivität, Bewegung,
In obigem Modell wäre die Kausalität folgendermaßen:
Zweig a.) Gehirnvorgänge => Muskelaktivität => Bewegung
Zweig b.) Gehirnvorgänge => Bewusste Entscheidung (Wahrnehmung/Interpretation der Gehirnvorgänge)
Der Zweig a.) ist die Kausalkette in der physikalischen Welt, die zwar nicht streng, aber dennoch deterministisch ist.
Der Zweig b.) wäre die bewusste Wahrnehmung dieser Kausalkette + der Interpretation der Akteur zu sein.
Wenn es einen freien Willen gäbe, müsste das Bewusstsein aus der "geistigen Welt" irgendwie auf die physikalische Welt zurückwirken können.
Der freie Wille käme dann aus der "geistigen Welt" und würde Dinge wollen und bewirken, die nicht in der physikalischen Welt determiniert sind.
Wenn es einen freien Willen gäbe, müsste das Bewusstsein aus der "geistigen Welt" irgendwie auf die physikalische Welt zurückwirken können.
Der freie Wille käme dann aus der "geistigen Welt" und würde Dinge wollen und bewirken, die nicht in der physikalischen Welt determiniert sind.
Da liegt was quer.
@Allweiser (1)
Oha, ja, stimmt, ich habe irgendwie immer gedacht es ginge (zusätzlich) um die Entscheidung zwischen rechten und linken Finger! Keine Ahnung, wie ich auf den Trichter gekommen bin...
Das vereinfacht es natürlich schon. Aber 2. ("Dir wird bewusst, dass Du das Finger heben einleitest und merkst Dir die Stelle des Lichtpunktes zu diesem Zeitpunkt.") finde ich immer noch nicht ganz unproblematisch... Kann ja sein, dass ich mich entscheide, dann läuft das Potential an, dann merke ich mir den Lichtpunkt usw. Dadurch entsteht ja eine Verzögerung. Muss ich noch drüber nachdenken...
@Allweiser (2)
Epiphänomenalismus: Damit kommen wir zu dem Bereich, warum ich auch hier diesen Thread eröffnet habe, nämlich dass ich derzeit mal wieder einen Ausflug in die Philosophie des Geistes unternehme...
Dabei scheint mir aber der Epiphänomenalismus allenfalls nur noch eine Position zu sein, welche in der wohl ziemlich vertrackten Diskussion über den Zusammenhang zwischen mentalen und physischen Phänomenen vertreten wird.
(Siehe z.B. https://www.amazon.de/Analytische-Einführung-Philosophie-Geistes-Studienbuch/dp/311020424X/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1522406239&sr=8-2&keywords=ansgar+beckermann&dpID=41TDH7xd0dL&preST=_SY264_BO1,204,203,200_QL40_&dpSrc=srch)
Aber da bin ich jetzt nicht firm genug mit den diversen Positionen, um mich da qualifiziert zu äußern zu können.
Meine Überlegung:
Die Handlung selber ist ja schon "vorprogrammiert". Das bedeutet, die erste bewußte Entscheidung ist schon getroffen. Nun geht es um den Zeitpunkt, und hier gibt offenbar eine Hirnregion das Kommando, bevor dieser Vorgang "bewußt" registriert wird.
Genau das versuchen wir m.E. in den KK auszunutzen, nämlich eine (Re-)aktion ohne bewußte Verarbeitung des Reizes, sondern "automatisiert".
Hmm... Aber gerade in dem Experiment liegt ja gar kein Reiz vor, der (bewusst oder unbewusst) verarbeitet werden könnte um zur Reaktion zu führen.
Pansapiens
30-03-2018, 11:59
@Allweiser (1)
Pan, der wissenschaftliche Gattungsname, ist abgeleitet vom bocksfüßigen Hirtengott Pan und geht auf ältere Vorstellungen der Menschenaffen als Fabelwesen wie behaarte, geschwänzte Menschen zurück. (https://de.wikipedia.org/wiki/Schimpansen)
Oha, ja, stimmt, ich habe irgendwie immer gedacht es ginge (zusätzlich) um die Entscheidung zwischen rechten und linken Finger! Keine Ahnung, wie ich auf den Trichter gekommen bin...
Vielleicht gibt es da ja weitere entsprechende Experimente, die z.B. durch unterschiedliche Bewegungen den Einfluss der von Wong angesprochenen Problematik prüfen wollen, dass man ja schon von Anfang an weiß, was genau man tut und Du erinnerst Dich an ein solches.
Das vereinfacht es natürlich schon. Aber 2. ("Dir wird bewusst, dass Du das Finger heben einleitest und merkst Dir die Stelle des Lichtpunktes zu diesem Zeitpunkt.") finde ich immer noch nicht ganz unproblematisch... Kann ja sein, dass ich mich entscheide, dann läuft das Potential an, dann merke ich mir den Lichtpunkt usw. Dadurch entsteht ja eine Verzögerung. Muss ich noch drüber nachdenken...
Spiel das doch mal durch: Den Finger heben und "beobachten" was dabei in Dir vorgeht, bzw. versuchen den Zeitpunkt der Entscheidung festzustellen.
Das sind alles recht kurze Zeiträume.
Ich gehe mal davon aus, dass man sich da in den letzten vier Jahrzehnten schon alle möglichen Gedanken drum gemacht hat und die verschiedenen Signallauf- und Verarbeitungszeiten entsprechend berücksichtigt bzw. in weiteren Experimenten bestimmt.
Das Bewusstsein selbst bleibt halt eine höchst subjektive Sache, dass man nicht direkt anzapfen kann und bei dessen "Messung" man auf die Berichte der Versuchsperson angewiesen ist.
Hmm... Aber gerade in dem Experiment liegt ja gar kein Reiz vor, der (bewusst oder unbewusst) verarbeitet werden könnte um zur Reaktion zu führen.
Nein, der Proband entscheidet. Ich würde es für mich so erklären: Die Stelle, an der die Entscheidung "jetzt" getroffen wird, und die Stelle, die das als bewußten Gedankeninhalt formuliert, sind nicht die gleichen.
Aber bestimmt kommt ja heute der Neurologe noch mal. Mal sehen was der sagt. :D
Pansapiens
30-03-2018, 12:13
Muss ich noch drüber nachdenken...
hier als Input für den Denkprozess schon von anderen geäußerte Kritik, z.B.:
Als Mittelwert aller Versuche ergaben sich für Libet daraus die häufig zitierten 150 bis 200 Millisekunden, bei späteren Wiederholungen der Versuche durch Patrick Haggard tauchte der bewußte Wille dagegen schon 350 Millisekunden vor der Bewegung auf, also deutlich früher. Offenbar verstanden nicht alle Teilnehmer das gleiche, als der Versuchsleiter ihnen sagte, sie sollten die Uhrzeit genau dann ablesen, wenn sie den „Drang, sich zu bewegen“, verspürten. Wahrnehmungspsychologen kennen zudem eine Art der optischen Täuschung, die entsteht, wenn Versuchspersonen einen sich rasch drehenden Zeiger verfolgen. Steht die Uhr etwa auf 12 Uhr, datiert das Bewußtsein in der Erinnerung diese Zeit um einige Dutzend Millisekunden vor, weil es den Zeitverzug zwischen Wahrnehmung und Bericht automatisch einberechnet. Solche Meßfehler verringern die Zeit zwischen dem Start des Bereitschaftspotentials und dem ersten Auftreten des bewußten Willens. Voreilige Rückschlüsse auf eine zeitliche Abfolge von unbewußten Vorgängen und dem Entstehen des bewußten Willens sind daher mit Vorsicht zu genießen.
http://www.faz.net/aktuell/wissen/experiment-1-der-klassische-libet-versuch-zum-freien-willen-1356690-p2.html
Wie steht es aber zum Beispiel, wenn ich mich zu Beginn entscheide, nach z. B. 15 Durchläufen des Licht-Punkts den Finger zu bewegen? Dann liegt ja meine eigentliche Entscheidung weit vor dem dann folgenden Aktionspotential der Bewegung, die ja erst nach fast 40 Sekunden erfolgt...:gruebel:
Pansapiens
30-03-2018, 16:22
-
Pansapiens
30-03-2018, 17:08
Wie steht es aber zum Beispiel, wenn ich mich zu Beginn entscheide, nach z. B. 15 Durchläufen des Licht-Punkts den Finger zu bewegen? Dann liegt ja meine eigentliche Entscheidung weit vor dem dann folgenden Aktionspotential der Bewegung, die ja erst nach fast 40 Sekunden erfolgt...:gruebel:
(Es geht nicht um das Aktions- sondern um das Bereitschaftspotential.)
Wenn Du die Entscheidung zurück verlagerst, dann hast Du durch die Planung die Willensfreiheit ja schon abgegeben und Die eigentliche Bewegung ist nur noch eine "zwingende" Reaktion auf den externen Trigger "geplanter Zeitpunkt eingetreten".
In Bezug auf Deine Fragestellung nach der Willensfreiheit, müsstest Du also prüfen, ob dem Bewusstwerden der Entscheidung "nach 15 Durchläufen....beweg ich den Finger" unbewusste Gehirnprozesse vorausgehen, die sich eventuell anders äußern als das Bereitschaftspotential einer "spontanen" Willkürbewegung.
Das Ganze ist wohl relativ komplex und inzwischen besser verstanden als vor knapp vierzig Jahren.....
1 Willkürmotorik und Willensfreiheit:
"Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun", sagt der Kognitionspsychologe Wolfgang Prinz. Ähnliches hat schon Arthur Schopenhauer vermutet: "Wünschen kann [der Mensch] Entgegengesetztes; aber Wollen nur eines davon: und welches dieses sei, offenbart auch dem Selbstbewußtsein allererst die Tat." Dafür gibt es inzwischen auch neurophysiologische Indizien. Für die Ausführung von Willenshandlungen ist nämlich nicht nur die Großhirnrinde unerläßlich, insbesondere der präfrontale Cortex und das supplementär-motorische Areal, von wo aus die motorischen Programme über den prämotorischen Cortex, den Motorcortex und das Rückenmark zu den Muskeln gelangen, sondern auch das Kleinhirn und subcorticale Strukturen (z.B. die Basalganglien: Caudatum, Putamen, ventrales Striatum), die auf den ventralen präfrontalen Cortex einwirken. [B]Ob Handlungen ausgeführt werden, hängt also wesentlich von Hirnregionen ab, die dem Zugriff des Bewußtseins entzogen sind. Daß das Bewußtsein entgegen unserem subjektiven Eindruck nicht unmittelbarer Auslöser der Willenshandlung ist, sondern eher als eine Art Begleitempfindung angesehen werden kann, zeigen auch Messungen mit dem Elektroencephalogramm und mittels Magnetencephalographie. Denn vor dem bewußten Willensakt kommt es zu einem Bereitschaftspotential bzw. Bereitschaftsmagnetfeld in den Basalganglien und den supplementär-motorischen Arealen, d.h. einer langsam ansteigenden, negativen Potentialänderung (Willkürmotorik). Es scheint also, daß die Handlungsantriebe unbewußt zustande kommen und erst bei einer hinreichenden corticalen Aktivierung bewußt werden. Diese Ergebnisse können als empirische Hinweise dafür gesehen werden, daß eine Willensfreiheit im strengen Sinn nicht existiert. Allerdings würde das nicht als empirischer Beweis einer philosophischen These durchgehen, denn zum einen sind Bereitschaftspotentiale selbst eine Art Epiphänomen (ein Nebeneffekt der neuronalen Prozesse, die wohl selbst keinen determinierenden Effekt auf diese Prozesse haben), zum anderen läßt es sich nicht von vornherein ausschließen, daß sie von früheren mentalen Prozessen abhängen, etwa der Bereitschaft, überhaupt Bereitschaftspotentiale zuzulassen. (Das sind keine plausiblen Deutungen, sie zeigen aber, daß empirische Befunde allein noch keine philosophischen Fragen beantworten.) – Ein weiteres Ergebnis der Hirnforschung ist, daß es kein neuroanatomisches Zentrum des Willens gibt, auch wenn der präfrontale Cortex eine zentrale Rolle in der Handlungsorganisation und beim logischen Schließen spielt (PET- und Einzelzellmessungen zeigen, daß hier auch sehr früh vor einer Handlung Bereitschaftsaktivitäten entstehen). Zwar wurden sogar neuronale Substrate der Willensfreiheit diskutiert (der Libertarier John Eccles schlug das supplementär-motorische Areal vor, der Kompatibilist Francis Crick den anterioren Gyrus cinguli), doch lassen sich auch diese Regionen nicht losgelöst von anderen Hirnregionen betrachten. Läsionen dort führen allerdings zu starken Beeinträchtigungen der Willkürmotorik (temporäre Akinese, Apraxie, fremde-Hand-Syndrom).
[Hervorhebungen von mir]
https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/willensfreiheit/14020
Also ich glaube mit Blick auf meine Eingangsfrage - wie die Libet-Versuche aufgebaut waren - habe ich jetzt auf jeden Fall mehr Durchblick.
Danke für´s Mitwirken :-)
"Das Bemerkenswerte an diesem Ergebnis war, dass der Zeitpunkt, zu dem die willentliche Entscheidung bewusst wurde, in jedem Fall deutlich nach dem Zeitpunkt lag, an dem im motorischen Kortex eine, für die Bewegung charakteristische, einleitende Nervenaktivität bereits begonnen hatte."
Ich hatte ja in meinem Artikel über die „Straßen, Netze und Bewegungen (https://bagua-zhang.eu/?page_id=300)“ schon versucht darzulegen dass „das Bewußtsein“ mehrere Ebenen hat. Sicher, der OFC ist eine Instanz, aber die Basalganglien, der Hirnstamm, das limbische System, der Thalamus und wahrscheinlich sogar das Kleinhirn (da gibt es neuerdings interessante Theorien, die aber noch nicht belegt sind), sind alle an unserem „Bewußtsein“ beteiligt.
„Das Bewußtsein“ ist wie ein Eisberg: Wir nehmen den Teil bewußt war, der aus dem Wasser guckt, der Teil darunter gehört aber auch dazu, und gehört „unbewusst zum Bewußtsein“.
Wir können „Unterbewußtsein“ und „Bewußtsein“ nicht einfach so trennen. Sie sind zwei Seiten der Selben Medaille. Ein und derselbe Eisberg.
Die Entscheidung etwas zu tun wird in der Mitte des Eisbergs getroffen und breitet sich dann nach allen Seiten aus und bringt ihn so zum Leuchten. Deswegen ist der Motorische Befehl unterhalb der Wasserlinie schon ergangen, während das Leuchten bis zum herausschauenden Teil noch ein wenig braucht...
@Allweiser (1)
Oha, ja, stimmt, ich habe irgendwie immer gedacht es ginge (zusätzlich) um die Entscheidung zwischen rechten und linken Finger! Keine Ahnung, wie ich auf den Trichter gekommen bin...
Das vereinfacht es natürlich schon. Aber 2. ("Dir wird bewusst, dass Du das Finger heben einleitest und merkst Dir die Stelle des Lichtpunktes zu diesem Zeitpunkt.") finde ich immer noch nicht ganz unproblematisch... Kann ja sein, dass ich mich entscheide, dann läuft das Potential an, dann merke ich mir den Lichtpunkt usw. Dadurch entsteht ja eine Verzögerung. Muss ich noch drüber nachdenken...
Im Original-Experiment von Libet konnte der Probant nur den Zeitpunkt entscheiden, wann er den Finger hebt. Da gerade das kritisiert wurde, der Probant hat ja keine alternative Entscheidungen zu fällen, wurde später (Haggert und Eimer 1999) das Experiment so wiederholt, dass der sich zwischen linken und rechten Finger entscheiden konnte.
Ich habe von den Libet-Experimenten vor vielen Jahren mal was gelesen und mich gewundert, dass man aus so einem einfachen Versuch so weitreichende Folgerungen, also die Widerlegung der Willensfreiheit geschlossen hat. Daher war ich neugierig, den aktuellen Stand zu ergoogeln:
Wie so oft, bestätigt sich mal wieder der alte Spruch: "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast". Die Angabe eines Mittelwerts (zwischen gemessenem Bereitschaftspotential und dem Zeitpunkt der bewussten Entscheidung) ist irreführend, wenn man nicht die Schwankungsbreite (Minum, Maximum und Varianz) berücksichtigt. Beim Versuch von Haggert und Eimer trat in 2 von 8 Fällen das Bereitschaftspotential rund eine halbe Sekunde nach dem bewussten Willensakt auf, was die Interpretation des Bereitschaftspotentials als ursächlichen Auslöser für die Willensentscheidung in Frage stellt.
Übrigens hatte Libet selbst nicht die Willensfreiheit in Frage gestellt und an eine Veto-Möglichkeit geglaubt. "Er glaubte nachweisen zu können, dass auch eine durch das Bereitschaftspotential eingeleitete Handlung noch kurz vor der geplanten Ausführung durch ein bewusstes 'Veto' gestoppt werden kann." Laut einem Spiegel-Online Artikel "Der freie Un-Wille" (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-144021694.html) ist der experimentelle Nachweis dazu offenbar vor kurzem in Berlin am Bernstein Center for Computational Neuroscience gelungen: In einer Art Computerspiel, bei dem der Probant mit einer Elektrodenkappe ausgestattet ist, soll dieser ein Gaspedal betätigen, sobald eine virtuelle Ampel auf grün schaltet. Gemeinerweise schaltet die Ampel sofort wieder auf rot, sobald ein Bereitschaftspotential gemessen wird. Anfangs fuhren die Probanden tatsächlich bei rot los. "Doch nach und nach lernen die Probanden, den eigenen Hirnströmen ein Schnippchen zu schlagen. Sobald sie den Drang verspüren, Gas zu geben, stoppen sie diesen Impuls mit einer bewussten Willensentscheidung."
Lesenswerte Quellen:
Philosophie verständlich : Willensfreiheit : Die Libet-Experimente (http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit/aktuell/libet.html)
Die Wiederentdeckung des Willens - Spektrum der Wissenschaft (https://www.spektrum.de/news/die-wiederentdeckung-des-willens/1341194)
Hirnforschung: Der freie Un-Wille - DER SPIEGEL 15/2016 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-144021694.html)
@Aiki50+
Ja, ich hatte das tatsächlich mit den späteren Versuchen durcheinandergewürfelt.
Die "Philosophie verständlich"-Seite hatte ich gestern auch noch durchgeschaut.
Dass damit das Thema Willensfreiheit entschieden oder vom Tisch wäre, davon bin ich eigentlich nie ausgegangen. Nicht nur wegen der Probleme im Zusammenhang mit dem Versuch selbst, sondern auch weil der Begriff der Willensfreiheit ja doch etwas mehr umfasst und komplexer ist.
Aber ich denke den eigentlichen Versuch habe ich jetzt besser verstanden.
Den Herr Pauen hatte ich mir auch noch angeschaut gestern:
https://www.youtube.com/watch?v=-8x6Xl7mrLQ
Pansapiens
31-03-2018, 12:43
Wie so oft, bestätigt sich mal wieder der alte Spruch: "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast". Die Angabe eines Mittelwerts (zwischen gemessenem Bereitschaftspotential und dem Zeitpunkt der bewussten Entscheidung) ist irreführend, wenn man nicht die Schwankungsbreite (Minum, Maximum und Varianz) berücksichtigt.
Dass da der Mittelwert genommen wird, liegt nach meinem Verständnis in der Messproblematik bezüglich des Bereitschaftspotentials, siehe Zitate zum Bereitschaftspotential weiter vorne, bzw:
However, the RP and LRP measures have a poor signal-to-noise ratio, and can only be obtained by averaging across several
trials.
Conscious Intention and Brain Activity (http://l3d.cs.colorado.edu/~ctg/classes/lib/cogsci/haggard.pdf)
Beim Versuch von Haggert und Eimer trat in 2 von 8 Fällen das Bereitschaftspotential rund eine halbe Sekunde nach dem bewussten Willensakt auf, was die Interpretation des Bereitschaftspotentials als ursächlichen Auslöser für die Willensentscheidung in Frage stellt.
Das Bereitschaftspotential ist nicht der ursächliche Auslöser einer Bewegung, sondern lediglich ein Hinweis, dass irgendwelche Hirnfunktionen stattfinden.
Da werden (schwache) Potentialänderungen an der Körperoberfläche gemesssen und auf Hirnvorgänge zurückgeschlossen.
Solange man nicht genau weiß, durch welche Funktion dieses Potentialänderungen verursacht werden, kann man auch nicht sagen, wie diese Funktion in Beziehung mit Entscheidung und Handlung steht.
Außerdem ist es unklar, was nun im Geist des Probanden genau vorgeht.
In dem von Dir verlinkten Artikel steht ja:
Es kommt hinzu, dass der Versuchaufbau keine genauen Angaben darüber erlaubt, wann die Versuchspersonen sich zwischen den beiden Handlungsoptionen entschieden. Es ist möglich, dass diese Entscheidung unmittelbar nach dem jeweils vorangehenden Durchgang und damit lange vor dem Eintreten des lateralisierten Bereitschaftspotentials getroffen wurde; zu dem von Haggard und Eimer gemessenen Zeitpunkt wäre die bereits beschlossene Option nur noch ausgelöst worden. Für diese Interpretation spricht, dass die Versuchspersonen angehalten waren, beide Hände in etwa gleich häufig zu bewegen. Die Befolgung solcher allgemeinen Regeln, die u.a. einen Überblick über die bislang vollzogenen Handlungen erfordert, ist bei spontanen Entscheidungen nur schwer zu gewährleisten. Kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Versuchspersonen die Auswahlentscheidung schon früher getroffen hatten, dann ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Entscheidung dem Anstieg des Bereitschaftspotentials und nicht das Bereitschaftspotential der Entscheidung voraus gegangen ist.
Was wieder zu der Frage von Julian Braun führt:
Was, wenn sich da einer nicht spontan entscheidet, sondern schon vor dem Versuch einen Plan festgelegt hat?
wie sieht in diesem Falle das EEG aus?
Übrigens hatte Libet selbst nicht die Willensfreiheit in Frage gestellt und an eine Veto-Möglichkeit geglaubt. "Er glaubte nachweisen zu können, dass auch eine durch das Bereitschaftspotential eingeleitete Handlung noch kurz vor der geplanten Ausführung durch ein bewusstes 'Veto' gestoppt werden kann." Laut einem Spiegel-Online Artikel "Der freie Un-Wille" (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-144021694.html) ist der experimentelle Nachweis dazu offenbar vor kurzem in Berlin am Bernstein Center for Computational Neuroscience gelungen:
Laut Wikipedia sollen Kühn und Brass 2009 gezeigt haben, dass auch eine bewusste Vetoentscheidung unbewusst vorbereitet wird.
Den Volltext habe ich nicht gefunden, aber hier der Abstract:
Retrospective construction of the judgement of free choice.
By combining a stop signal paradigm and an intentional action paradigm we show that participants sometimes indicate to have intentionally initiated an action while reaction time data strongly suggest that they in fact failed to stop the action. In a second experiment we demonstrate that the number of trials in which participants misattributed their awareness of intention varied with the intentional involvement during action planning. Our data support the retrospective account of intentional action. Furthermore, we introduce an experimental approach that objectifies introspective judgments of awareness of intention.
Bezüglich der nachträglichen Konstruktion von Intentionen oder Begründungen für ausgeführte Handlungen:
Ich habe da vor langen Jahren schon über Versuche bei Split-Brain-Patienten gelesen.
Aus der Erinnerung:
Das sind Leute, bei denen man die Verbindung (Corpus callosum) der zwei Gehirnhälften durchtrennt hat, so dass die keine Informationen austauschen können.
Bei vielen Leuten liegt das Sprachzentrum in einer Gehirnhälfte, so dass sich die andere nicht verbal äußern kann.
Man hat dann eine optische Information so dargeboten, dass die nur von der Gehirnhälfte wahrgenommen wird, die nicht sprechen kann.
Das war dann z.B. ein erotisches Foto o.Ä., woraufhin manche Probanden erröteten, kicherten oder ähnliche emotionale Reaktionen zeigten.
Die Gehirnhälfte, die sich verbal mitteilen konnte, hat diese Reaktion mitgekriegt, wusste aber nicht den Auslöser.
Wenn man die Leute dann befragte, warum die so reagieren, haben die eher nicht gesagt "keine Ahnung" sondern irgendeinen Grund konstruiert "ich musste an einen Witz denken" o.Ä.
Ich erinnere mich an einen "Witz" von Hirschhausen:
Was sagt ein Raucher, wenn man ihn fragt: "warum rauchst Du?
-"Weils mir schmeckt"
Wer spricht da?
Die Großhirnrinde.
Warum die?
Weil die sprechen kann.
Früher dachte man, die Großhirnrinde sei die Regierung des Körpers.
Heute weiß man, die ist eher der Regierungssprecher:
Hat mit der Entscheidung nix zu tun, muss es aber nach außen vertreten.
Es gibt ja die Geschichte mit dem Mann, der einen ungehorsamen Hund hatte.
Als Lösung hat er ihn beobachtet und ihm dann genau das Kommando gegeben, das zu den Handlungen passte und konnte so den
Schein waren, der Bestimmer zu sein.
So ähnlich stell ich mir das Bewusstsein vor.
Pansapiens
31-03-2018, 14:07
Den Herr Pauen hatte ich mir auch noch angeschaut gestern:
https://www.youtube.com/watch?v=-8x6Xl7mrLQ
und, was ziehst Du da raus?
Viel interessanter (zumindest vorher) fand ich, was er wohl in diesem Teil erzählt, in dem er doch tatsächlich zu zeigen meint, dass Determinismus nicht der Freiheit widerspricht:
https://www.youtube.com/watch?v=OF9q7I_d5n4
Hier nimmt er eine Trennung vor zwischen einem Individuum und der Rest der Welt und definiert Freiheit als 'Handeln nach inneren Überzeugungen".
Als weiteres Kriterium gibt er an, dass man sich gegen diese innere Überzeugung entscheiden können muss.
Also: Freiheit: Ich handle nach Überzeugungen, die aufgeben könnte, aber nicht aufgeben will.
Weiter behauptet er, auch determinierte Handlungen könnten frei sein, es kommt darauf an, wie die determiniert sind.
Tatsächliche Wahlmöglichkeit hat für ihn weniger mit Freiheit zu tun, denn man unter gleichen Bedingungen anders handeln kann, dann ist es nur zufällig und nicht selbstbestimmt.
Dann trifft er wieder die Abgrenzung zwischen innen und außen und postuliert, dass für eine freie selbstbestimmte Handlung die äußeren Bedingungen mehrere Optionen zu lassen müssen (ich kann mit der Bahn oder mit dem Flugzeug reisen), die Entscheidung darf nur von inneren Zuständen abhängen aber nicht festgelegt sein (z.B. durch die unumstößliche Einstellung nicht zu fliegen).
Er behauptet, auch in einer determinierten (also festgelegten Welt) hätte man Wahlmöglichkeiten.
Er meint, das folge daraus, dass die Aufhebung der Determination keine zusätzliche Freiheit brächte.
Weiter führt er an, wenn die Festlegung meiner Handlungen durch Ereignisse vor meiner Geburt tatsächlich meine Freiheit einschränken würde, dann müsste die Aufhebung dieser Festlegung meine Freiheit vergrößern.
Er meint: eine Aufhebung der Determination vor meiner Geburt, würde mir keine zusätzliche Freiheit bringen, weil ich vor meiner Geburt noch gar nicht existiere.
Das kann er mal einem Menschen erzählen, dessen Mutter in der Schwangerschaft Contergan genommen hat.
Dessen Freiheit kann ja durch dieses Ereigniss nach der bestechenden Logik des Herrn Professor in keinster Weise beeinflusst worden sein, denn da hat er ja nach dessen Auffassung noch nicht exisitert.
Seine Folgerung: Die Determination durch Ereignisse vor meiner Geburt scheinen die Freiheit nicht einzuschränken.
Vielleicht mal griechische Tragödien lesen?
War z.B. der gute Ödipus in seiner Handlungsfreiheit nicht etwas eingeschränkt, weil es ihm unausweichlich bestimmt war, seinen Vater zu töten und mit seiner Mutter zu schlafen?
Ist das Kind einer vor der Geburt Heroinabhängigen nicht etwas in seiner Handlungsfähigkeit eingeschränkt?
Kinder denen die Eltern ein Loch in das Gehirn gesoffen haben und nachts mit einem Messer am Bett der Pflegeltern stehen, tun das aus freien Stücken?
Ich habe in dem Vortrag kein brauchbares Argument dafür gehört, dass in einer determinierten (vorbestimmten) Welt eine freie Wahlmöglichkeit besteht.
und, was ziehst Du da raus?
Na ja, es war einfach eine Ergänzung bezüglich der Sichtweisen und Interpretationen hinsichtlich des Libet-Experiments. Wobei für mich momentan das Thema "Willensfreiheit" gar nicht im Mittelpunkt steht. Wie gesagt bin ich mehr in der Philosophie des Geistes unterwegs, und speziell auf das Libet-Experiment bin ich durch das oben verlinkte Buch von Ansgar Beckermann gekommen.
Auch wenn die Themen wohl zusammenhängen, habe ich mich da im Moment schlicht und einfach noch nicht ausreichend mit befasst, um überhaupt eine einigermaßen begründete Meinung zu haben. In den Philosophie des Geistes-Büchern mit denen ich zur Zeit arbeite, macht das Thema Willensfreiheit meist nur einen kleinen Teil aus (soweit ich es im Moment überschaue) und steht auch eher im hinteren Teil.
Wenn du hier für eine bestimmte Auffassung argumentieren willst bzw. diese vertrittst, müsstest du mich eher mal mit einer grundlegenden Beschreibung dieser Auffassung versorgen, damit ich sie kennenlerne. Frei heraus für oder gegen eine bestimmte Auffassung argumentieren kann ich derzeit nicht.
Zwei Fragen meinerseits:
1) Meinst du denn, dass quasi jeder Akt menschlichen Handelns und Verhaltens in dem Sinne determiniert ist, dass absolut alles sozusagen nur noch mechanisch "abläuft"? Ist also all dein Handeln unausweichlich vorbestimmt?
2) Wie ist der Kausalitätsbegriff in deine Auffassung eingebaut? Hier frage ich, weil dieser Begriff mir auch wieder viele Überschneidungen zu den beiden genannten Themen aufzuweisen scheint (Philosophie des Geistes & Willensfreiheit), und ja anscheinend auch so seine Probleme mit sich bringt. Dazu stochere ich ein bisschen in: https://www.amazon.de/Ursachen-Grundthemen-Philosophie-Andreas-Hüttemann/dp/3110190478/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1522506450&sr=1-1&keywords=kausalität
Pansapiens
02-04-2018, 12:04
Wenn du hier für eine bestimmte Auffassung argumentieren willst bzw. diese vertrittst, müsstest du mich eher mal mit einer grundlegenden Beschreibung dieser Auffassung versorgen, damit ich sie kennenlerne.
Ich vertrete weniger Auffassungen, als dass ich mir überlege, wie es sein könnte und prüfe, was für oder gegen bestimmte Auffassungen spricht.
In Bezug auf das Köper-Geist-Problem habe ich da mehr Fragen als Antworten.
in Bezug auf den freien Willen, habe ich durchaus den Eindruck, dass ich selbstbestimmt handle, kann das aber auf einer theoretischen Ebene kritisch hinterfragen und als Illusion begreifen.
Zwei Fragen meinerseits:
1) Meinst du denn, dass quasi jeder Akt menschlichen Handelns und Verhaltens in dem Sinne determiniert ist, dass absolut alles sozusagen nur noch mechanisch "abläuft"? Ist also all dein Handeln unausweichlich vorbestimmt?
Nein, das wäre die wissenschaftliche Auffassung bis Anfang des 20.Jahrhunderts, wie sie von Laplace formuliert wurde:
„Wir müssen also den gegenwärtigen Zustand des Universums als Folge eines früheren Zustandes ansehen und als Ursache des Zustandes, der danach kommt. Eine Intelligenz, die in einem gegebenen Augenblick alle Kräfte kennt, mit denen die Welt begabt ist, und die gegenwärtige Lage der Gebilde, die sie zusammensetzen, und die überdies umfassend genug wäre, diese Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen, würde in der gleichen Formel die Bewegungen der größten Himmelskörper und die des leichtesten Atoms einbegreifen. Nichts wäre für sie ungewiss, Zukunft und Vergangenheit lägen klar vor ihren Augen.“
Laplacescher Dämon (https://de.wikipedia.org/wiki/Laplacescher_D%C3%A4mon)
Dann kam die Quantentheorie und behauptete, dass man den Ausgang eines Einzelexperiments bei kleinen Dimensionen nicht voraussagen kann, ja dass es selbst der laplacesche Dämon nicht könnte, sondern nur eine Wahrscheinlichkeit für mögliche Ergebnisse angeben.
D.h. z.B.: wenn man ein instabiles Element hat, dann kann man eine Halbwertszeit angeben, nach der von einer großen Menge dieses Elements nur noch die Hälte da ist, aber wenn man ein einzelnes Atom dieses Elements hat, dann weiß man nicht, wann das zerfällt.
Das zerfällt irgendwann.
Wenn die QT vollständig ist, dann ist somit das Schicksal eines einzelnen Atoms nicht exakt vorbestimmt (wenn man mal der Kopenhagener Deutung folgt).
Diese gewonnene Freiheit ist aber nur eine zufällige.
Oder würdest Du einem instabilen Atom einen freien Willen zugestehen?
Nun gibt es verschiedene Komplexitätsebenen
Physik-> Chemie -> Biologie -> Psychologie -> Soziologie
Mit scheint, egal ob man nun Reduktionist ist, oder nicht, dass eine höhere Komplexitätsebene doch nicht die Gesetze der unteren Komplexitätsebenen verletzen kann.
Da frage ich mich, wie vorne erwähnt, wo soll der freie Wille herkommen?
2) Wie ist der Kausalitätsbegriff in deine Auffassung eingebaut? Hier frage ich, weil dieser Begriff mir auch wieder viele Überschneidungen zu den beiden genannten Themen aufzuweisen scheint (Philosophie des Geistes & Willensfreiheit), und ja anscheinend auch so seine Probleme mit sich bringt. Dazu stochere ich ein bisschen in: https://www.amazon.de/Ursachen-Grundthemen-Philosophie-Andreas-Hüttemann/dp/3110190478/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1522506450&sr=1-1&keywords=kausalität
Ich habe mir wohl keine so tiefgehenden oder umfangreichen Gedanken zum Kausalitätsbegriff gemacht, wie in dem von Dir verlinkten Werk, sondern Kausalität größtenteils als gegeben hingenommen.
Ursache => Wirkung ist ja in unser übliches Denksystem verwoben, denn grundlegende Logik basiert ja darauf, dass aus bestimmten Zuständen andere Zustände folgen.
Viele Leute (siehe hier die Diskussionen über Gott) können sich ja gar nicht vorstellen, dass etwas ohne Ursache geschieht, also unverursacht.
Wenn jemand etwas tut, was einem abwegig erscheint, fragt man doch oft "warum?'
Da liegt doch die Denkweise zugrunde, dass auch Handlungen eine Ursache haben.
Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei.
Wie die Libet- und Nachfolgeexperimente zeigen, kann man Handlungen auch stoppen, aber auch dieses Stoppen hat eine Ursache.
Wenn nun jemand aus freiem Willen handelt, dann ist die Ursache der Handlung ein freier Wille.
Der freie Wille selbst hat dann wohl keine Ursache sonst wäre er ja nicht frei, sondern verursacht.
Der Herr Pauen bedient sich nun meiner Ansicht nach eines Tricks, indem er zwischen äußeren und inneren Ursachen unterscheidet und bei den inneren zwischen Zwängen und Überzeugungen.
Wenn jemand nach inneren Überzeugungen handelt, dann ist er seiner Auffassung nach selbstbestimmt, solange er sich auch anders entscheiden könnte, wenn er denn wollte.
Wenn die Überzeugungen allerdings keine hinreichende Bedingung für eine Handlung sind, dann gibt es entweder situationsabhängige Gründe, die im Zusammenspiel mit den Überzeugungen dazu führen, dass eine Handlung ausgeführt oder unterlassen wird, oder die wird zufällig ausgeführt oder unterlassen.
Nehmen wir das Beispiel mit dem, der der Überzeugung ist, dass man nicht klaut.
Wenn der dann dennoch klaut, wird man sich doch fragen "warum?", also nach einer Ursache suchen, die die Überzeugung überstimmt hat.
Die Handlung wäre dann nicht monokausal verursacht, wie bei einem Zwang, sondern durch das Zusammentreffen mehrerer (auch widerstreitender) Gründe.
Beim Körper-Geist-Problem ist die Frage, inwiefern Köper und Geist [kausal] aufeinander einwirken.
Kann das Bewusstsein auf den Köper zurückwirken, oder íst Bewusstsein nur ein Epiphänomen körperlicher Prozesse?
Wird Bewusstsein verursacht durch ein genügend komplexes neuronales Netzwerk oder bedient sich Bewusstsein genügend komplexer neuronale Netzwerke, wird die Entwicklung komplexer neuronaler Netzwerke eventuell gar durch Bewusstsein verursacht?
discipula
02-04-2018, 13:01
Wenn die QT vollständig ist, dann ist somit das Schicksal eines einzelnen Atoms nicht exakt vorbestimmt (wenn man mal der Kopenhagener Deutung folgt).
Diese gewonnene Freiheit ist aber nur eine zufällige.
Oder würdest Du einem instabilen Atom einen freien Willen zugestehen?
ich würde ihm einen freien Willen zugestehen, ja. Innerhalb der Handlungsgrenzen, die so einem Atömchen möglich sind.
Wie sollte denn eine Ansammlung von vielen Atomen (zB "Mensch" genannt) einen Willen her haben, wenn der nicht schon in den kleinsten Bausteinen angelegt ist?
Man hält es ja auch für selbstverständlich, dass die Gesamtmasse des Menschen berechnet werden kann, indem man die Masse aller Atome zusammenzählt, aus der der Mensch besteht. und alle würden es absurd finden, masselose Atome zu haben, die sich dann zu einem Lebewesen mit Masse zusammenfügen. (und dann noch womöglich sowas behaupten wie, dass die komplexe Interaktion aller masselosen Atome erst die Masse erzeugt, oder so... absurd.)
Ich vertrete weniger Auffassungen, als dass ich mir überlege, wie es sein könnte und prüfe, was für oder gegen bestimmte Auffassungen spricht.
In Bezug auf das Köper-Geist-Problem habe ich da mehr Fragen als Antworten.
in Bezug auf den freien Willen, habe ich durchaus den Eindruck, dass ich selbstbestimmt handle, kann das aber auf einer theoretischen Ebene kritisch hinterfragen und als Illusion begreifen.
D´accord!
Wenn jemand etwas tut, was einem abwegig erscheint, fragt man doch oft "warum?'
Da liegt doch die Denkweise zugrunde, dass auch Handlungen eine Ursache haben.
Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei.
Wie die Libet- und Nachfolgeexperimente zeigen, kann man Handlungen auch stoppen, aber auch dieses Stoppen hat eine Ursache.
Wenn nun jemand aus freiem Willen handelt, dann ist die Ursache der Handlung ein freier Wille.
Der freie Wille selbst hat dann wohl keine Ursache sonst wäre er ja nicht frei, sondern verursacht.
Beim Körper-Geist-Problem ist die Frage, inwiefern Köper und Geist [kausal] aufeinander einwirken.
Kann das Bewusstsein auf den Köper zurückwirken, oder íst Bewusstsein nur ein Epiphänomen körperlicher Prozesse?
Wird Bewusstsein verursacht durch ein genügend komplexes neuronales Netzwerk oder bedient sich Bewusstsein genügend komplexer neuronale Netzwerke, wird die Entwicklung komplexer neuronaler Netzwerke eventuell gar durch Bewusstsein verursacht?
Hmm...
Ich weiß nicht, ob Freiheit nur über vollständige Ursachenlosigkeit zu bestimmen ist - falls es das ist was du meinst, wenn du schreibst "Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei".
Körper-Geist: Ich kann da im Moment eher nur wiedergeben was ich wo lese, aber:
Zum einen ist meine Eindruck der, dass das Problem der mentalen Verursachung in den neueren Ansätzen meist versucht wird dadurch zu lösen (oder zu vermeiden?), dass man eben gar keinen Substanz- oder Eigenschaftsdualismus mehr annimmt. D. h. mentale und physische Phänomene werden als nicht grundverschieden angesehen (--> Identitätstheorien).
(Während der Epiphänomenalismus, soweit ich es verstanden habe, mit einem dualistischen Modell arbeitet, dann aber dem Geist eben jegliche Wirksamkeit abspricht. Das scheint wohl noch unbefriedigender zu sein als die Probleme, welche sich in den monistischen Modellen ergeben...)
Was die Willensfreiheit angeht, unterscheidet Albert Newen ("Philosophie des Geistes - Eine Einführung", S.115 ff.) vier derzeit vertretene Positionen:
1. Inkompatibilismus (1.1 harte Deterministen und 1.2 Libertarier) sowie 2. Kompatibilismus (2.1 skeptischer Kompatibilismus und 2.2 wissenschaftlicher Kompatibilismus). Aber da bin ich noch nicht weiter eingestiegen, v. a. was die Position 2.2 betrifft.
Pansapiens
02-04-2018, 17:28
Hmm...
Ich weiß nicht, ob Freiheit nur über vollständige Ursachenlosigkeit zu bestimmen ist - falls es das ist was du meinst, wenn du schreibst "Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei".
Ich habe nun festgestellt, dass ich wohl Inkompatibilist bin, und dass das, was ich mit diesem Satz ausdrücken wollte, hier besser formuliert ist:
Das Freiheitsbild vieler Inkompatibilisten sieht also so aus: Freiheit kann es nur geben, wenn es neben dem Verursachtsein durch andere Ereignisse und dem bloßen Zufall noch etwas Drittes gibt – das Verursachtsein durch die Person selbst. Freiheit setzt voraus, dass es neben der "normalen" Ereigniskausalität noch eine andere Art von Kausalität gibt – Akteurskausalität. Frei ist in ihren Augen eine Handlung (oder Entscheidung) dann, wenn sie (a) zwar verursacht ist, aber nicht durch andere Ereignisse, sondern durch die Person selbst und wenn (b) die Tatsache, dass die Person diese Handlung (oder Entscheidung) verursacht, selbst nicht wieder durch andere Ereignisse kausal determiniert ist.
[Hervorhebungen hier und in folgenden Zitaten von mir]
http://www.philosophieverstaendlich.de/stichworte/akteurskausalität.html
https://www.kampfkunst-board.info/forum/attachment.php?attachmentid=43067&d=1522686640
mein Zweifel an der Existenz einer solchen Akteurskausalität finde ich ebenfalls gut wiedergegeben:
Wenn es Akteurskausalität tatsächlich gibt, dann können Akteure entweder auch da kausal eingreifen, wo die Ereignisse ansonsten naturgesetzlich determiniert sind, oder nur da, wo es in den Naturgesetzen Indeterminiertheitslücken gibt. Im ersten Fall würden erstens die Naturgesetze nicht ausnahmslos gelten. Und zweitens müsste Akteurskausalität in diesem Fall empirisch nachweisbar sein. Für beides gibt es keinerlei empirische Anhaltspunkte. Weder haben sich empirisch belegte Abweichungen von den normalen Naturgesetzen nachweisen lassen, noch hat je jemand z.B. ein neuronales Phänomen beobachtet, das nur dadurch erklärt werden konnte, dass eine Person es akteurskausal hervorgerufen hat.
Wenn Akteurskausalität nur da zum Zuge kommen kann, wo es Indeterminiertheitslücken gibt, liegen die Dinge auch nicht besser. Zum einen stellt sich dann die Frage, ob die Wirkungen, die ein Akteur auf diese Weise hervorbringen kann, tatsächlich ausreichen, um makroskopische Phänomene wie die Bewegung einer Hand zustande zu bringen. (Wenn sich in einem Neuron ein einziges Atom auf eine bestimmte Weise verhält, hat das kaum einen Einfluss auf das Verhalten des gesamten Neurons. Und auch das Verhalten eines einzelnen Neurons hat in der Regel keinen Effekt auf das gesamte neuronal verursachte Verhalten. Wenn das so wäre, wäre das ganze System viel zu instabil.) Außerdem: Quantenphysikalische Phänomene mögen indeterminiert sein; aber auch für sie gelten gewisse Wahrscheinlichkeiten. Akteurskausale Eingriffe auf dieser Ebene müssten aber diese Wahrscheinlichkeiten verändern, und auch dafür gibt es keinerlei empirische Belege.
Das Eingreifen eines "freien Willens" im Sinne einer Akteurskausalität, die in den durch Naturgesetze bestimmten Ablauf eingreifen kann oder probabilistische Indeterminiertheitslücken nutzt, erinnert mich übrigens an die Frage, inwieweit Gott in die Welt eingreifen kann. Beides wäre ein Eingriff von "außen":
Wenn nicht andere Umstände festlegen, wie ich mich entscheide, sondern ich selbst diese Entscheidung herbeiführe, muss ich selbst offenbar ein Wesen sein, das außerhalb des normalen Weltverlaufs steht und in der Lage ist, von außen in diesen Weltverlauf einzugreifen. Die Auffassung, dass handelnde und entscheidende Personen nicht Teil der natürlichen Welt sind, sondern von außen in diese Welt eingreifen, ist aber mit allem unvereinbar, was uns die Naturwissenschaften über die Welt sagen.
http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit
Körper-Geist: Ich kann da im Moment eher nur wiedergeben was ich wo lese, aber:
Zum einen ist meine Eindruck der, dass das Problem der mentalen Verursachung in den neueren Ansätzen meist versucht wird dadurch zu lösen (oder zu vermeiden?), dass man eben gar keinen Substanz- oder Eigenschaftsdualismus mehr annimmt. D. h. mentale und physische Phänomene werden als nicht grundverschieden angesehen (--> Identitätstheorien).
(Während der Epiphänomenalismus, soweit ich es verstanden habe, mit einem dualistischen Modell arbeitet, dann aber dem Geist eben jegliche Wirksamkeit abspricht. Das scheint wohl noch unbefriedigender zu sein als die Probleme, welche sich in den monistischen Modellen ergeben...)
Das, was ich als "epiphänomalistischer" Ansatz wiedergegeben habe, speist sich aus den Naturwissenschaften, bzw. dem, was ich darüber weiß:
Theoretischer Hintergrund der Biologie, wie in den modernen Naturwissenschaften allgemein, ist meist ein materialistischer Ansatz. Als Studienobjekt fungieren zunächst physische Vorgänge, die als Grundlage von mentaler Tätigkeit und Verhalten angesehen werden. Der zunehmende Erfolg der Biologie als Erklärungsansatz mentaler Phänomene lässt sich vor allem durch das Ausbleiben einer Widerlegung der Grundannahme: „Keine Veränderung der mentalen Zustände eines Menschen ohne eine Veränderung seines Gehirns“ verstehen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophie_des_Geistes#Neurowissenschaften
Da mentale Zustände ihrer Natur nach subjektiv sind, ist klar, dass sich empirische Wissenschaften eher auf die messbaren physischen Vorgänge konzentrieren.
Libet hat z.B. Änderungen eines elektrischen Feldes gemessen. Den Zugang zum mentalen Zustand versuchte er über Befragungen herzustellen.
Das Modell, dass physische und mentale Zustände identisch sind, kann man sich in kankens Eisbergbild betrachten:
Dem bewussten Beobachten ist nur der Teil des körperlich-mentalen Zustands zugänglich, der über der Wasserlinie liegt, die Entscheidung wurde allerdings schon vorher unter der Wasserlinie getroffen, bzw. die Willenshandlung begann mit physischen Vorgängen, die mit mentalen Zuständen identisch sind, die unbewusst sind.
Wenn körperliche und mentale Zustände identisch sind, fragt sich dann, warum mir manche mentalen Zustände bewusst sind und andere nicht, bzw. ob unbewusste mentale Zustände überhaupt existieren.
Grundsätzlich stelle ich mir die Frage, ob das Bewusstsein, (also der bewusste Teil des Bewusstseins) einen Vorteil bietet.
Eventuell spielt es eine Rolle bei Lernprozessen.
Ich habe nun festgestellt, dass ich wohl Inkompatibilist bin, ...
Schwieriges Thema. Womit ich mir schwer tue, ist überhaupt genau zu verstehen, wie ein menschliches Leben, welches nur Determinierung und Zufall, aber keine Akteuerskausalität kennt, zu beschreiben wäre.
Du hattest die Frage, ob quasi alles was Pansapiens gesagt, gedacht und getan hat und noch sagen, tun und denken wird "vorhersagbar" wäre, ja mit Referenz auf die Quantenphänomene verneint - wenn ich dich da richtig verstanden habe.
Aber es bleibt für mich die Frage: wie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Zufall und physikalischen Einflüssen mit Bezug auf menschliches Handeln denkbar, wenn wir die Ebene simpler Versuche wie Libet verlassen?
Was sind Handlungs-, Entscheidungs-, Planungs- und Willensfreiheit überhaupt genau?
Und wie sind soziale Beziehungen sinnvoll beschreibar und verstehbar ohne die Annahmen von Willensfreiheit?
Geht es nur um die Ansicht, dass es keine mentale Verursachung gibt? (Was nach meinem jetzigen Kenntnisstand durchaus fraglich ist, die Frage ist eher, was man damit meint - also mit mental).
Pansapiens
07-04-2018, 11:26
Schwieriges Thema.
Womit ich mir schwer tue, ist überhaupt genau zu verstehen, wie ein menschliches Leben, welches nur Determinierung und Zufall, aber keine Akteuerskausalität kennt, zu beschreiben wäre.
Was bedeutet hier "beschreiben"?
Hier eine Beschreibung eines Geschehens:
Die 16-Jährige Brenda Ann Spencer schoss am Montag, den 29. Januar 1979 mit einem halbautomatischen Gewehr aus einem Fenster ihres Elternhauses auf das gegenüberliegende Gelände der Grover Cleveland Elementary School in San Diego. Dabei tötete sie den Schulleiter Burton Wragg und den Hausmeister Mike Suchar und verletzte einen Polizisten und acht Schüler.
Jetzt kann man noch weitere Menschen beobachten und feststellen, dass die eher selten mit Gewehren auf andere Menschen schießen.
Man kann eine Statistik machen, wie oft Menschen mit Gewehren auf andere Menschen schießen und welche Begleitumstände da jeweils herrschen.
Das wäre für mich eine Beschreibung.
Da steckt noch nicht drin, warum Menschen bisweilen, aber meistens nicht, auf andere Menschen schießen.
Der nächste Schritt wäre, aus den vorhandenen Daten Korrelationen herauszulesen, also ob die beobachteten Menschen, vielleicht häufiger unter bestimmten Begleitumständen auf andere Menschen schießen.
Diese Begleitumstände können sowohl äußere ("ist grade Bürgerkrieg") wie auch innere (Weltanschauung, Testosteronspiegel, Genetischer Code, Traumaerfahrungen....)
sein.
Hier wird versucht Muster zu erfassen, gerade weil man meint, dass das Weltgeschehen nach berechenbaren Gesetzmäßigkeiten abläuft.
Die Wiedergabe dieser Muster wäre auch noch die Beschreibung dessen, was man sieht.
Dann kommt die Modellbildung: Man fragt sich, ob den Mustern eine Kausalbeziehung zwischen den verschiedenen Variablen und der Beobachtung zugrunde liegt.
Meinst Du mit "Beschreiben" die Modellbildung? Ein Modell ist einerseits eine Erklärung für die beschriebenen Beobachtungen, andererseits natürlich auch die Beschreibung (angenommener) Wirkzusammenhänge.
Wenn man ein Modell aufstellt, dann soll das idealerweise nicht nur geeignet sein, die Vergangenheit richtig zu erklären, sondern auch die Zukunft vorherzusagen.
Das geht nur, wenn man annimmt, dass die Zukunft durch Gesetzmäßigkeiten, die in dem Modell angenommen werden, vorherbestimmt (determiniert) ist.
Ansonsten hat das Modell eine Erklärungslücke.
https://thenamiracleoccurs.files.wordpress.com/2012/05/miracle2.jpg
Entsprechend war die QT ein Schock für die empirischen Naturwissenschaften und z.B.: Einstein hat sich ja dagegen gesträubt ("der Alte würfelt nicht") dass etwas geben kann, was indeterminiert, echt "zufällig" geschieht.
Zurück zu oben erwähnter Brenda Ann Spencer.
Während der Schießerei wurde sie von einem Journalisten angerufen, dem sie als Grund für die Tat angab: „I don't like Mondays (https://www.youtube.com/watch?v=koBjxpezokg). This livens up the day.“ („Ich mag keine Montage. Das belebt den Tag.“) Nach über sechs Stunden beendete sie die Schießerei und wurde von einem SWAT-Team verhaftet. Auch bei ihrer Verhaftung sagte sie zu den Polizisten: „Nothing's happening today. I don't like Mondays.“ („Heute passiert nichts mehr. Ich mag keine Montage.“)
Brenda Ann Spencer (https://de.wikipedia.org/wiki/Brenda_Ann_Spencer)
Nehmen wir an, diese Erklärung (eventuell Beschreibung einer mentalen Wahrnehmung) beschreibt die Zusammenhänge korrekt.
Dann stellen wir fest, dass der Zustand "heute ist Montag" zusammen mit der Einstellung "Ich mag keine Montage" weder bei jedem Menschen, noch bei Brenda ein hinreichender (zwingender) Grund ist, andere Menschen mittels einer Schusswaffe zu töten.
Die Tat war also nicht monokausal verursacht.
Es ist wahrscheinlicher, dass es mehrere (eventuell unabhängige) Umstände gibt, die erst zusammentreffen mussten, dass Brenda so handelte, wie sie handelte.
Ungefähr so:
https://www.kampfkunst-board.info/forum/attachment.php?attachmentid=43082&d=1523091424
Verschiedene Umstände (die selbst wieder kausal bedingt oder zufällig sind) wirken also gleichzeitig auf den Menschen Brenda ein, dadurch entsteht ein Wille zu einer Handlung, der, falls die Rahmenbedingungen stimmen, in eine Handlung umgesetzt wird.
Ich habe hier sowohl äußere (z.B. Wetter) wie auch innere (z.B.: genetische Disposition, Einstellung zu Montagen) Gegebenheiten aufgeführt.
Auch die inneren Gegebenheiten fallen ja nicht vom Himmel, sondern sind kausal verursacht.
(viele Leute mögen keine Montage, weil da die Arbeits-/Schulwoche wieder beginnt.)
Dieser Input wird nun von Brenda verarbeitet und es entsteht daraus eine Entscheidung.
Da hier viele Gegebenheiten in einem komplexen Gefüge von dem als Wesen oder Akteur wahrgenommenen Menschen Brenda aufgrund innerer (Vor-)Einstellungen verarbeitet werden, könnte man die individuelle Verarbeitung/Reaktion auf dieses Bündel von Umständen als "Akteurskausalität" verstehen, da ja verschiedene Menschen unter gleichen Bedingungen unterschiedliche Entscheidungen treffen, die Entscheidung also in dem Menschen begründet ist.
Wenn man den Menschen allerdings als vollständig in der Welt angesiedelt betrachtet, dann sind seine individuellen Voreinstellungen ebenfalls wieder kausal bedingt oder bestenfalls zufällig und daher sehen Inkompatibilisten unter der Annahme, dass menschliche Wesen komplett in einer determinierten Welt bzw. einer Welt, die deren Determiniertheitslücken allenfalls zufällig sind, keine Möglichkeit für einen echten freien Willen, d.h. für ein Mosaiksteinchen in der Entscheidungsfindung, das weder selbst determiniert noch zufällig ist.
Einen solchen echten freien Willen habe ich in obiger Grafik als weiteren Einflussfaktor mit Fragezeichen eingezeichnet.
Selbst wenn der aus einer anderen (geistigen) Welt käme, könnte man die Frage stellen, wie diese Welt denn beschaffen sein müsste, dass der dort wiederum weder kausal determiniert noch rein zufällig ist.
Lange Rede kurzer Sinn:
Mir scheint, bei der Frage nach dem freien Willen geht es eher darum, was man nun unter freiem Willen versteht, als um die Frage, ob in einer determinierten, bzw. allenfalls teilweise zufälligen Welt ein "echter" freier Wille nach der Definition von Inkompatibilisten existieren kann.
es gibt ja bezüglich der Definition von Willensfreiheit verschiedene Ansätze, hier von der weiter vorne verlinken Seite (http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit):
Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie die Fähigkeit hat, ihren Willen zu bestimmen,
zu bestimmen, welche Motive, Wünsche und Überzeugungen handlungswirksam werden sollen.
[...]
Willensfreiheit nach Moore
Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie wollen kann, was sie wollen will.
[...]
Willensfreiheit nach Frankfurt
Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn auf der erste Stufe die Wünsche handlungswirksam werden, von der sie auf der zweiten Stufe will, dass sie handlungswirksam werden.
[...]
Willensfreiheit nach Locke
Eine Person ist in einer Entscheidung frei, wenn sie erstens die Fähigkeit besitzt, vor der Entscheidung innezuhalten und zu überlegen, was zu tun richtig wäre, und wenn sie zweitens die Fähigkeit besitzt, dem Ergebnis dieser Überlegung gemäß zu entscheiden und zu handeln.
Als Ergänzung die Auffassung von Max Planck, der ja noch an die Determiniertheit der Welt glaubte und Willensfreiheit als Frage der Perspektive ansah:
Der äußere Standpunkt ist für die wissenschaftliche Untersuchung der Gesetzlichkeit von Willensvorgängen geeignet, der innere Standpunkt ist es nicht. Es versteht sich von selbst, dass diese beiden Standpunkte sich gegenseitig ausschließen und dass es sinnlos ist, beide gleichzeitig zu benutzen. Wenn wir nun von dem hierfür allein zulässigen äußeren Standpunkt aus an die wissenschaftliche Betrachtung der Willensvorgänge herangehen, so lehrt uns die alltägliche Erfahrung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen bei allen ihren Reden und Handlungen stets bestimmte Motive, also kausale Determiniertheit voraussetzen; denn sonst wäre ihr Verhalten unberechenbar und jeder geordnete Verkehr mit ihnen unmöglich. Auch die wissenschaftliche Forschung verfährt nicht anders. Wenn ein Historiker den Entschluss Julius Cäsars, den Rubikon zu überschreiten, nicht auf seine politischen Überlegungen und sein angeborenes Temperament, sondern auf seine Willensfreiheit zurückführen wollte, so würde das einfach den Verzicht auf ein wissenschaftliches Verständnis bedeuten. Darum werden wir schließen müssen, dass der Wille vom äußeren Standpunkt der Betrachtung aus als kausal determiniert anzunehmen ist.
„Ganz anders steht es mit dem inneren Standpunkt. Hier versagt, wie wir sahen, die wissenschaftliche Betrachtungsweise. Dafür tut sich aber hier eine andere Erkenntnisquelle auf, nämlich das Selbstbewusstsein. Dieses sagt uns unmittelbar, dass wir in jedem Augenblick, wie unseren Gedanken, so auch unserem Willen jeden beliebigen Inhalt geben können, sei es nach reiflicher Überlegung, sei es nach Gutdünken, oder auch aus reiner Laune. Dabei ist wohl zu beachten, dass es sich hier nicht etwa um eine Willensbetätigung handelt, die ja oft durch äußere Umstände gehemmt wird, sondern allein um die gesinnungsmäßige Willensrichtung. In dieser verfügen wir vollkommen frei. Man denke nur an den stillschweigenden Vorbehalt, den wir bei jedem von uns gesprochenen Wort machen können, die sogenannte reservatio mentalis. Das ist eine wirkliche, unmittelbar zu erlebende, keine nur scheinbare Freiheit, wie manche behaupten, weil sie die beiden entgegengesetzten Standpunkte nicht auseinanderhalten können. Wer freilich nach der ,wirklichen‘ Willensfreiheit fragt, ohne auf den eingenommenen Standpunkt Rücksicht zu nehmen, der verfährt nicht anders als jemand, der ohne nähere Erläuterung die Frage aufwirft, welche Seite dieses Saales ‚wirklich’ die rechte ist…
„Zusammenfassend können wir also sagen: Von außen betrachtet ist der Wille kausal determiniert, von innen betrachtet ist der Wille frei. Mit der Feststellung dieses Sachverhaltes erledigt sich das Problem der Willensfreiheit. Es ist nur dadurch entstanden, dass man nicht darauf geachtet hat, den Standpunkt der Betrachtung ausdrücklich festzulegen und einzuhalten. Wir haben hier ein Musterbeispiel für ein Scheinproblem. Wenn diese Wahrheit gegenwärtig auch noch mehrfach bestritten wird, so besteht doch für mich kein Zweifel darüber, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann sie sich zur allgemeinen Anerkennung durchringen wird.“
http://www.solon-line.de/2007/12/27/ist-der-wille-frei-oder-determiniert/
Du hattest die Frage, ob quasi alles was Pansapiens gesagt, gedacht und getan hat und noch sagen, tun und denken wird "vorhersagbar" wäre, ja mit Referenz auf die Quantenphänomene verneint - wenn ich dich da richtig verstanden habe.
Mein Handeln ist wohl weitgehend vorhersagbar, wenn ich allerdings vollständig in einer Welt bin, die durch die QT vollständig beschrieben wird, dann gibt es die erwähnten Determiniertheitslücken.
Wie groß sich die jetzt auf mein Handeln auswirken, ist fraglich, da das ja meist mikroskopische Vorgänge handelt und wenn mein Erkenntnisapparat all zu zufällig arbeiten würde, hätten meine Vorfahren eventuell nicht lange genug überlebt, um sich fort zu pflanzen.
Allerdings kann man sich Szenarien ausdenken, in der solche Phänomene eine starke makroskopische Wirkung entfalten.
Wenn man z.B. mittels Schrödingers Katzentötungsapparat nicht zwingend Giftgas freisetzt sondern eine Nuklearwaffe zündet, abhängig davon, ob das instabile Atom in einer geraden oder einer ungeraden Sekunde einer Zeitmessung zerfällt....
Aber es bleibt für mich die Frage: wie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Zufall und physikalischen Einflüssen mit Bezug auf menschliches Handeln denkbar, wenn wir die Ebene simpler Versuche wie Libet verlassen?
Auch wenn wir den echten Zufall mal außen vorlassen, der ja eine Determiniertheitslücke öffnet und damit eventuell als Argument pro Freiheit, wenn auch nicht Willensfreiheit angesehen werden kann...
Dann ist es schon schwierig genug festzustellen, wie ein komplexes neuronales Netzwerk auf die Umwelt reagiert.
Diese Dinger (KI) zeichnen sich ja meines Wissens eher dadurch aus, das man nicht mehr genau weiß, was passiert. Zwischen theoretischer Vorhersagbarkeit und tatsächlicher Vorhersagbarkeit klaffen gewaltige Lücken.
Wettervorhersage, Dreikörperproblem, Doppelpendel...
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/65/Trajektorie_eines_Doppelpendels.gif
Was sind Handlungs-, Entscheidungs-, Planungs- und Willensfreiheit überhaupt genau?
Definitionen zu Willensfreiheit siehe oben.
Handlungsfreiheit: Möglichkeit, das, was man denn will, auch umzusetzen. (Schopenhauer: "man kann tun, was man will, man kann aber nicht wollen, was man will")
Siehe die Brenda-Grafik: Hätte Brenda kein Gewehr gehabt, hätte sie ihren Willen nicht in eine Handlung umsetzen können.
Entscheidungsfreiheit: Wenn eine Handlung nicht alternativlos ist.
Planungsfreiheit: Das hängt wohl vom Vorstellungsvermögen ab. Ich kann z.B. planen, morgen um 5:00 aufzustehen. Ob ich das dann morgen um 5:00 Uhr auch noch will, oder kann (Wecker kaputt), steht auf einem anderen Blatt...
Siehe Vorsätze zu Neujahr...:p
Und wie sind soziale Beziehungen sinnvoll beschreibar und verstehbar ohne die Annahmen von Willensfreiheit?
Kann dazu führen, dass man sich über seine Mitmenschen weniger ärgert.:p
Das ist IMO wieder eine Frage der Perspektive.
Siehe die Ausführungen von Max Planck:
Wenn wir nun von dem hierfür allein zulässigen äußeren Standpunkt aus an die wissenschaftliche Betrachtung der Willensvorgänge herangehen, so lehrt uns die alltägliche Erfahrung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen bei allen ihren Reden und Handlungen stets bestimmte Motive, also kausale Determiniertheit voraussetzen; denn sonst wäre ihr Verhalten unberechenbar und jeder geordnete Verkehr mit ihnen unmöglich.
Sinnvolle soziale Beziehungen setzen also einen gewisse Berechenbarkeit der Handlungen der anderen voraus. Es gab ja schon Leute, die meinten, wir Menschen hätten so große Gehirne, um die Absichten unserer Mitmenschen abschätzen zu können.
Leute, die auf übliche Umstände nicht innerhalb erwarteter Parameter reagieren, werden eher aus der Gesellschaft entfernt (Brenda sitzt noch im Knast).
Da wir von idealen Geistern weit entfernt sind, können wir andere Menschen durchaus als Wesen behandeln, die mittels eines komplexen neuronalen Netzwerks Umweltbedingungen und innere Zustände in einer Art und Weise in Handlungen umsetzen, die für uns nicht determiniert erscheint.
Wir sind ja, selbst wenn, keine stumpfen Automaten, sondern reagieren auf vielerlei Inputs und sind auch Lernfähigkeit, d.h. wir können unsere Reaktion anpassen, wenn
die nicht zum gewünschten Ergebnis führt.
Daher sehe ich auch bei Leugnung eines freien Willens nicht die üblich thematisierten Probleme bezüglich des Strafrechts.
Denn eine zu erwartende Strafe ist eine Veränderung der Umweltbedingungen, die zu einer Veränderung der Handlungen führt, sofern der andere in der Lage ist, den Zusammenhang zwischen Handlung und Konsequenz zu verstehen und dies eine Auswirkung auf seine Handlungen haben kann.
Bei einem Kind, dessen Erkenntnisapparat die Zusammenhänge nicht erkennen und daher nicht entsprechend reagiert, ist diese Form der Entscheidungsfreiheit genauso wenig gegeben, wie bei einem Triebtäter oder jemand, der in Ausnahmesituationen handelt, wo das Frontalhirn nicht in der Lage war, die Handlung aufzuhalten.
Geht es nur um die Ansicht, dass es keine mentale Verursachung gibt? (Was nach meinem jetzigen Kenntnisstand durchaus fraglich ist, die Frage ist eher, was man damit meint - also mit mental).
Ja, das ist die Frage.
Offenbar gibt es Bewusstsein.
Quasi das Licht, dass Teile der Welt beleuchtet oder einen Beobachter.
Ob es "Geist" oder das "mentale" auch unbewusst gibt, scheint mir schwer zu entscheiden.
Erwin Schrödinger hat darüber mehrere Jahrzehnte nachgedacht....
Läßt sich vermuten; welchen materiellen Vorgängen diese Fähigkeit zukommt, welchen nicht? Einfacher ausgedrückt: welche materiellen Vorgänge sind direkt mit Bewußtsein verknüpft?
Ein Verstandesmensch mag geneigt sein, dieFrage kurz abzutun. Nach unserer eigenen Erfahrung und nach Analogieschlüssen - für die höheren Tiere (so wird er sagen) sei Bewußtsein mit einer gewissen Art von Vorgängen in der organisierten, lebenden Materie verknüpft, mit gewissen Nervenfunktionen. Wie weit es in
der Tierreihe zurück oder ,,hinab“ Bewußtsein gibt, wie es in seinen ersten Stadien etwa be-schaffen sein möge, das sei eine überflüssige Spekulation; eine nicht zu beantwortende Frage; man solle das müßigen Träumern überlassen. Noch müßiger sei es, sich Gedanken darüber zu machen, ob etwa auch andere Vorgänge, auch in der unorganischen Materie, oder gar ob alles Geschehen überhaupt mit irgendwelcher Art von Bewußtsein verknüpft sei. Das wäre Phantasterei, ebenso unwiderlegbar wie unbeweisbar, also ohne jeden Erkenntniswert.
Wer dieses Beiseiteschieben der Frage akzeptiert, sollte gesagt bekommen, welche ungeheure Lücke er damit in seinem Weltbild unausgefüllt läßt. Das Auftreten von Nervensubstanz und von Gehirnen ist ein sehr spezielles Ereignis in der Organismenreihe, dessen Sein und Bedeutung wir recht gut verstehen. Es ist eine spezielle Form von Anpassungsmechanismus, wodurch sein Träger auf Alternativen in einer variablen Umwelt jeweils ,,günstig“ reagiert. Es ist der komplizierteste und kunstreichste unter allen solchen Mechanismen, dem, wenn er vorhanden ist, eine überragende, eine beherrschende Stellung zukommt, aber es ist nicht sui generis. Große Gruppen, vor allem die Pflanzen, erreichen sehr ähnliches auf ganz andere Weise.
Sollen wir uns nun bereit finden, zu glauben, daß diese ganz spezielle Wendung in der Entwicklung der höheren Tiere, diese Wendung, die füglich auch hätte unterbleiben können, notwendig war, damit die Welt sich selbst im Lichte der Bewußtheit aufleuchte? Wäre sie ohne das ein Spiel vor leeren Bänken geblieben, für niemanden vorhanden, und darum recht eigentlich nicht vorhanden? Das scheint mir der Bankrott eines Weltbildes. Hier einen Ausweg zu suchen, dürfen wir uns nicht hindern lassen, sollte auch rationalistische Weisheit darüber lächeln oder spotten.
http://www.quantum-cognition.de/texts/srod2.html
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[Hervorhebungen in Zitaten alle von mir]
@pansapiens
Ein Nachgedanke zum Epiphänomenalismus:
Soweit ich diesen verstehe, werden dabei mentale Phänomen als reine Begleiterscheinungen der neuronalen Prozesse angesehen, welche eben keine kausale Wirkung ausüben.
Das Problem ist dabei Folgendes: Person A erzählt Person B einen Witz, woraufhin Person B lacht. Bei Anerkennung einer mentalen Verursachung ist das Ablaufschema einleuchtend und simpel: a) Witz wird erzählt b) Witz wird "verarbeitet" und als lustig empfunden (mentaler Zustand) c) es wird Lachen ausgelöst (physischer Zustand). In einem epiphänomenalistischen Szenario ist dies aber nicht möglich. Hier haben wir den sehr unglaubwürdigen Ablauf a) Witz wird erzählt (physisches Ereignis) b) Lachen wird ausgelöst (physisches Ereignis) c) Heiterkeit wird begleitend empfunden (mentales Phänomen).
Das Auslösen des Lachens müsste dabei ja rein durch die Schallfrequenz, Tonhöhe etc. erfolgen, oder nicht? Denn eine mentale Rückwirkung aufgrund des eigentlichen Witzes welche zum Lachen führt, ist ja ausgeschlossen. Überhaupt scheint mir die Bedeutung von Sprache damit nicht erfasst werden zu können, und das Beispiel ließe sich natürlich auch auf Befehle, Bitten etc. übertragen.
Wenn nicht die Bedeutung als Auslöser angesehen wird, was dann? (Dabei kann das Szenario ja noch zugespitzt werden, wenn A und B beispielsweise gar nicht sehen, sondern z. B. nur hören, und auch die Stimmmodulation kann ja weitgehend neutral gehalten werden.) Wie können in diesem Fall die Gehirnzustände zweier Personen aufeinander einwirken?
Pansapiens
14-04-2018, 02:09
@pansapiens
Ein Nachgedanke zum Epiphänomenalismus:
Soweit ich diesen verstehe, werden dabei mentale Phänomen als reine Begleiterscheinungen der neuronalen Prozesse angesehen, welche eben keine kausale Wirkung ausüben.
Unabhängig davon, ob Dein Verständnis der korrekten Definition dieses -Ismus entspricht, meine ich, dass das dies der aktuellen naturwissenschaftlichen Sicht* auf diese Prozesse und deren Phänomenen entspricht.
(kann mich natürlich irren, eventuell hast Du da (inzwischen) einen besseren Einblick.)
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*"aktuelle naturwissenschaftliche Sicht" meint hier nicht, dass diese Vorstellung naturwissenschaftlich bewiesen sei, sondern eher, dass dies einer Mehrheitsmeinung der Vertreter von naturwissenschaftlichen Disziplinen entspricht, die sich mit neuronalen Prozessen und Phänomenen von biologischen oder künstlichen neuronalen Netzwerken beschäftigen.
Das Problem ist dabei Folgendes: Person A erzählt Person B einen Witz, woraufhin Person B lacht. Bei Anerkennung einer mentalen Verursachung ist das Ablaufschema einleuchtend und simpel: a) Witz wird erzählt b) Witz wird "verarbeitet" und als lustig empfunden (mentaler Zustand) c) es wird Lachen ausgelöst (physischer Zustand). In einem epiphänomenalistischen Szenario ist dies aber nicht möglich. Hier haben wir den sehr unglaubwürdigen Ablauf a) Witz wird erzählt (physisches Ereignis) b) Lachen wird ausgelöst (physisches Ereignis) c) Heiterkeit wird begleitend empfunden (mentales Phänomen).
ich bau mal das zweite Szenario um:
a.) Witz wird erzählt b.) Witz wird verarbeitet und als lustig bewertet c.) es wird Lachen ausgelöst d) Heiterkeit wird begleitend empfunden (mentales Phänomen).
Eine "Bewertung" im Sinne von Einordnen von Input in bestimmte Kategorien (kalt/warm) und eine entsprechende Reaktion traut man gemeinhin ja auch einer unbewussten Maschine mit entsprechendem Regelsystem zu (Von der Heizung bis zum autonom gesteuerten Auto).
Oder wäre das dann schon ein "mentaler Prozess"?
Das Auslösen des Lachens müsste dabei ja rein durch die Schallfrequenz, Tonhöhe etc. erfolgen, oder nicht? Denn eine mentale Rückwirkung aufgrund des eigentlichen Witzes welche zum Lachen führt, ist ja ausgeschlossen.
Überhaupt scheint mir die Bedeutung von Sprache damit nicht erfasst werden zu können, und das Beispiel ließe sich natürlich auch auf Befehle, Bitten etc. übertragen.
Wenn nicht die Bedeutung als Auslöser angesehen wird, was dann?
Es gibt doch schon Spracherkennungsprogramme und Sprachsteuerung.
Also kann man einer einfachen Maschine Befehle geben, so dass die z.B. auf die Worte "Hell" und "Dunkel" entweder das Licht an oder ausschaltet, ohne eine Vorstellung oder weitergehende Bedeutung von "Hell" oder "Dunkel" zu haben/kennen.
Semantik (Bedeutungslehre) ist ja ein weites Feld und auch die theoretische Informatik beschäftig sich damit, daher weiß ich nicht, ob "Bedeutung" tatsächlich einen mentalen Prozess voraussetzt.
(Dabei kann das Szenario ja noch zugespitzt werden, wenn A und B beispielsweise gar nicht sehen, sondern z. B. nur hören, und auch die Stimmmodulation kann ja weitgehend neutral gehalten werden.) Wie können in diesem Fall die Gehirnzustände zweier Personen aufeinander einwirken
Der Hirnzustand von A erzeugt einen Datenstrom der in Hirn B eine Zustandsänderung hervorruft.
Irgendeine Information wird ja übertragen werden.
Diese Information wird im Hirn B verarbeitet und dann entweder als lustig bewertet oder nicht.
hier mal Skizzen Deiner Szenarien (1. und 2.).
Ich habe die mentalen Prozesse/Zustände blau bezeichnet und ohne Wertung die mentalen Zustände auf einer Ebene über den physischen dargestellt.
3.) und 4.) sind detailliertere Darstellungen der "epiphänomenalistischen" Interpretation.
5.) lässt die kausale Beeinflussung mal (mit einer Ausnahme) offen so dass die mentalen Phänomene als andere Seite der physischen Zustände interpretiert werden können.
https://www.kampfkunst-board.info/forum/attachment.php?attachmentid=43093&d=1523689635
Pansapiens
14-04-2018, 09:03
Bei Anerkennung einer mentalen Verursachung ist das Ablaufschema einleuchtend und simpel: a) Witz wird erzählt b) Witz wird "verarbeitet" und als lustig empfunden (mentaler Zustand) c) es wird Lachen ausgelöst (physischer Zustand).
Pointe hören, lustig finden, lachen.
Hinter dieser so alltäglichen und selbstverständlich erscheinenden Kausalkette steckt ein aufwendiger kognitiver Prozess.
Nach der so genannten Inkongruenztheorie basiert Humor auf der Wahrnehmung einer Unstimmigkeit, eines Paradoxons.
Einen verbalen, also gelesenen oder erzählten Witz, zu verstehen, verlangt mehrere gedankliche Schritte. In der ersten Phase stellen wir Spekulationen
über den logischen Ausgang der Geschichte an, die dann durch ein unerwartetes Ende über den Haufen geworfen werden.
Zunächst ergibt die Pointe, da sie nicht in den Kontext passt, keinen Sinn.
Wie Mr. Spock ganz richtig erkannte: Sie ist unlogisch!
Ob der Inkongruenz sind wir einen kurzen Moment perplex, doch dann macht sich das Gehirn an die Lösung des Problems.
Wir verlassen den bisherigen Standpunkt und suchen nach einem Blickwinkel, aus dem die Pointe mit dem Rest der Geschichte in Einklang steht.
Auf der dritten Stufe fällt uns dann auf, dass der Sinn, den der Witz durch die veränderte Sichtweise bekommt,vielleicht nicht besonders nahe liegend, aber doch vergnüglich ist – und quittieren die überraschende Erkenntnis zumindest mit einem Schmunzeln.
Ähnlich wie Libet beim Fingerheben haben da auch schon Leute beim Witzeverstehen verschiedene Gehirnparameter gemessen:
Etwa eine fünftel Sekunde nach der Pointe schlugen die elektrischenPotenziale plötzlich durchgehend in den positiven Bereich aus.
Weitere 140 Millisekunden später schwang das Pendel ebenso abrupt in die Gegenrichtung, die Hirnströme wurden jetzt negativ.
Letzteres allerdings nur, wenn die Versuchspersonen den Witz erfassten und auch lachten.
Blieb dieser Wechsel vom so genannten P300- zum N400-Muster aus, sorgten die Pointen höchstens
für müdes Grinsen, jedoch nie für einen echten Heiterkeitsausbruch.
Anhand der Hirnstrommessungen konnte Derks vorhersagen, ob seine Probanden einen Witz lustig finden würden, und
zwar noch bevor der kleinste Anflug eines Lächelns über deren Antlitz huschte.
[...]
Das Gehirn macht sozusagen eine Vollbremsun und stoppt die gerade laufenden mentalen [?] Prozesse, um Kapazitäten für
neue Gedankengänge zu schaffen. Übertragen auf die Inkon gruenztheorie entspricht das der Phase, in der sämtliche
bisher angestellten Erwartungen über den Ausgang des Witzes aufgegeben werden.
Die Reset-Taste.
Negative Ausschläge des EEG repräsentieren neuronale Erregung.
Um im Bild des Autos zu bleiben, steht die N400-Welle also für den Tritt aufs Gaspedal.
Die Nervenzellen werden wieder von der Leine gelassen, können neuen Ideen nachgehen und so die geistige
Wendung vollziehen, die zum Begreifen
der Pointe nötig ist.
Wenn das stimmt, dann geht der Prozess "lustig finden" mit messbaren physischen Gehirnprozessen einher.
Zur "korrekten" Bewertung "Lustig", ist wohl das rechte Frontalhirrn wichtig. Leute, die in diesem Bereich eine Schädigung aufweisen, haben damit Probleme:
Drei Jahre lang verglich die Neuropsychologin [Prathiba Shammi] das Humorverständnis hirngeschädigter Patienten mit dem gesunder Probanden.
In einer Art Multiple-Choice-Test präsentierte sie den Versuchsteilnehmern Witze mit verschiedenem Ausgang:
Erstens einem logischen, aber nicht humorigen Schluss,
zweitens der eigentlichen Pointe und
drittens einem Slapstick-Ende.
Ein Beispiel:
Ein Schüler bewirbt sich um einen Ferienjob. »Am Anfang bekommst
du 150 Euro die Woche«, sagt der Chef.
»Nach einem Monat steigt derLohn dann auf 200 Euro.«
1. »Ich nehme den Job. Wann kann ich
anfangen?«
2. »Oh, großartig. Dann komme ich in
einem Monat wieder.«
3. »Hey Chef, Ihre Nase ist zu groß für
Ihr Gesicht.«
Aufgabe war, die lustigste Variante auszuwählen.
Sowohl Gesunde als auch Personen mit einer Hirnschädigung außerhalb des rechten Frontalcortex vervollständigten
die Witze immer mit der passenden Pointe und amüsierten sich dabei auch dementsprechend.
Den Versuchsteilnehmern mit einer Verletzung des rechten Frontallappens gelang das nicht, in der Regel entschieden sie sich für das Slapstick-Ende.
[...]
Wie Shammi vermutet, entgehen ihnen anspruchsvollere Witze, weil sie den zum Verständnis unabdingbaren mentalen Sprung in eine andere Perspektive nicht vollziehen können. Dabei sind die hirngeschädigten Probanden aber nach wie vor in der Lage, vernünftige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Als die Forscherin sie bat, der Geschichte das logische Ende zuzuordnen, hatten sie keinerlei Probleme.
Shammis ursprüngliche Vermutung ist damit bestätigt:
Der rechte Frontalcortex muss unmittelbar mit dem Sinn für Humor zusammenhängen.
Ist er beschädigt, erkennt das Gehirn nicht, was wirklich lustig ist.
Wenn nun die Fähigkeit zum "lustig finden" eng mit der korrekten Funktion eines physischen Gehirnareals zusammenhängt, bei Leuten, die ansonsten keine Probleme haben, Zusammenhänge zu verstehen, erscheint die Einordung "lustig finden" als rein mentaler Prozess, der dann wieder auf das physische zurückwirkt, fraglich.
Quelle:
https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=9&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwi8jKSnk7naAhXPzqQKHfUECNgQFjAIegQIABBZ&url=https%3A%2F%2Fwww.spektrum.de%2Fpdf%2Fgug-dossier-1-05-s086-pdf%2F970709%3Ffile&usg=AOvVaw3eENRCZab6mf9GcnkICUlv
Pansapiens
15-04-2018, 13:33
Der Knackpunkt scheint mir die Frage zu sein, ob ein Witz auch von rein physischen Prozessen oder einer Maschine als "lustig" verstanden werden kann und eine entsprechende Reaktion zeigen, ohne dass diese innere Wahrnehmung vorhanden ist.
Dann wäre diese innere Wahrnehmung nicht notwendig, damit ein Witz eine entsprechende Reaktion auslöst und der Hinweis auf dieses Phänomen kein zwingender Beweis, dass es mentale Verursachung tatsächlich gibt.
Falls ja, stellt sich weiter die Frage nach dem "Sinn" der Heiterkeitsempfindung oder ob das nur eine angenehme Begleiterscheinung ist.
So wie ich mich schon gefragt habe, ob es einen Sinn hat, dass einem bestimmte Dinge, die zum Selbst- oder Arterhalt beitragen (Essen, Sex...) Spaß machen und
solche, die abträglich sind (Gewebsschädigungen, Gefahren..) eher als unangenehm empfunden werden.
Einer Auster wird ja z.B. - zumindest von Leuten die gerne lebende Austern essen - unterstellt, dass das Zurückziehen bei Kontakt mit Zitronensäure, eine rein automatische Reaktion sei, die nicht mit einer entsprechenden Empfindung von Schmerz begleitet sei.
Ebenso wird Pflanzen mangels Nervensystem üblicherweise Empfindungsfähigkeit abgesprochen, auch wenn die auf Verletzungen reagieren und diese Verletzungen auch an Artgenossen kommunizieren. Würde diese Kommunikation akustisch stattfinden, anstatt chemisch, würde das eventuell anders bewertet.
Plakativ gesprochen: würden Schnittblumen beim Schneiden schreien....würden Blumenhändler darauf hinweisen, dass das sich nur anhört wie eine Schmerzempfindung, diese mangels entwickeltem Nervensystem allerdings nicht möglich sei.
Beim Menschen scheint es zunächst offensichtlich, dass bewusste Emotionen, also mentale Zustände, Handlungen, also physische Zustandsänderungen bedingen.
Wir meiden Schmerz und suchen Freude.
Oder meiden wir nur Situationen, die schädigend sind und mit einer Schmerzempfindung einhergehen?
Nehmen wir die Herdplatte:
Hand auf heiße Herdplatte => Gewebsschädigung => Schmerz (mentale Wahrnehmung) => Zurückziehen der Hand
Bei Wikipedia steht:
Der Griff an einen unerwartet heißen Gegenstand bewirkt tatsächlich ein Zurückziehen der Hand, noch bevor der Schmerz überhaupt bewusst wird (auch wenn man sich in Nachhinein vielleicht denkt, man habe aufgrund des Schmerzes gehandelt)
https://de.wikipedia.org/wiki/Schmerz#Umschaltung_im_Rückenmark
Zumindest in diesem Fall wäre also die bewusste Schmerzwahrnehmung nicht nötig, um die Hand in Sicherheit zu bringen.
(Ist die eventuell (bei Menschen) nötig, um aus der Erfahrung zu lernen? Wurde das schon mal untersucht?)
Wie sieht es mit Spaß aus?
Der Spaß an Drogen, Sex, Essen scheint ja eine große Wirkung auf unser Verhalten zu haben.
Es gibt da ja das berühmte Rattenexperiment, wo man den Nagern Elektroden in's "Belohnungzentrum" im Gehirn pflanzte, das für die psychische Wirkung der oben genannten Dinge als zentral galt, und denen einen Hebel zur Verfügung stelle, mit denen sie dieses Zentrum stimulieren konnten.
http://tpeeffetplacebo.e-monsite.com/medias/images/recompense-2.jpg
Just over fifty years ago, psychologists James Olds and Peter Milner, working at McGill University in Canada, carried out their pioneering experiments which discovered that rats would repeatedly press levers to receive tiny jolts of current injected through electrodes implanted deep within their brains (Olds and Milner, 1954). Especially when this brain stimulation was targeted at certain areas of the brain in the region of the septum and nucleus accumbens, the rats would repeatedly press the lever -- even up to 2000 times per hour (Olds, 1956).
The Functional Neuroanatomy of Pleasure and Happiness (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3008353/)
angeblich sollen die über das dauernde Hebeldrücken beinahe verhungert sein.
Wenn man von einer mentalen Verursachung ausgeht, dann war ihnen das durch das Hebeldrücken ausgelöste Gefühl wichtiger als das Überleben.
Da hat man dann wohl gemeint, die Ratten drücken den Hebel so oft, weil die Spaß empfinden (also mentale Verursachung).
These powerful findings seemed to suggest that Olds and Milner had discovered the pleasure Center in the brain. Research in the next two decades established that dopamine is one of the main chemicals aiding neural signaling in these regions, and for many years dopamine was suggested to be the brain’s “pleasure chemical.” The results seemed to promise an easy fix to the unhappiness and suffering which is the traveling companion of far too many people. They certainly emboldened writers to envisage brave new worlds where drugs and electrical stimulation could induce bliss for the masses.
Allerdings:
Subsequent human experiments suggest otherwise. Around the same time in the 1950s and 1960s, American psychiatrist Robert Heath at Tulane University took it upon himself to further these findings in some ethically questionable experiments on mentally ill human patients (Baumeister, 2000). Infamously, in one case he even implanted electrodes to try to cure homosexuality (Heath, 1972). This line of research was eventually stopped. Most substantively, however, the pleasure electrodes may never have lived up to their name. Although the researchers also found compulsive lever pressing in some patients, it was never clear from these patients’ subjective reports that the electrodes did indeed cause real pleasure. Some researchers today suggest that the electrodes never caused intense pleasure or ‘liking’ after all, but only a form of ‘wanting’ or motivation to obtain the stimulation (see discussion in Green et al., 2010; Smith et al., 2010).
Also Menschen, die im Gegensatz zu Ratten ja von ihren inneren Zustände berichten können, empfanden eher ein "Wollen" und eine "Motivation", als Vergnügen.
Eine Wahrnehmung des "Wollens" kann ja nun wieder als mentale Begleiterscheinung, bzw. das Gewahrwerden eines physischen Zustands interpretiert werden, ohne dass eine mentale Verursachung angenommen werden muss.
Da wäre dann nicht der mentale Zustand "Glück" der Auslöser den Hebel zu drücken.
Durch die Elektroden im Gehirn wird der Wille verursacht, den Hebel zu drücken und das wird von dem Gefühl eines "Wollens" begleitet.
Die Zitate stammen aus einem Review aus dem Jahr 2010, das zeigt, dass die neuroanatomischen Grundlangen der Empfindungen von "Freude" und "Glück" recht komplex sind und in dem diese unterschieden werden, von Empfindungen des "Mögens" und des "Wollens".
Das hängt zwar teilweise zusammen aber man kann auch Dinge wollen, die man nicht mag und die einem auch keine Freude bereiten.
In addition, as mentioned above, pleasure is translated into motivational processes in part by activating a second component of reward termed ‘wanting’ or incentive salience, which makes stimuli attractive when attributed to them by mesolimbic brain systems (Berridge and Robinson, 2003). Incentive salience depends in particular on mesolimbic dopamine neurotransmission (though other neurotransmitters and structures also are involved).
Importantly, incentive salience is not hedonic impact or pleasure ‘liking’ (Berridge, 2007). This is why an individual can ‘want’ a reward without necessarily ‘liking’ the same reward. Irrational ‘wanting’ without liking can occur especially in addiction via incentive-sensitization of the mesolimbic dopamine system and connected structures. At extreme, the addict may come to ‘want’ what is neither ‘liked’ nor expected to be liked, a dissociation possible because ‘wanting’ mechanisms are largely subcortical and separable from cortically-mediated declarative expectation and conscious planning. This is a reason why addicts may compulsively ‘want’ to take drugs even if, at a more cognitive and conscious level, they do not want to do so.
Ein schönes Thema!
Spannend finde ich die Tatsache dass sich die Leute schon vor Jahrhunderten eben diese Fragen gestellt haben, ganz ohne neuroanatomische Zusammenhänge.
Wenn man sich die fünf Skandhas im Buddhismus anschaut (und die ganzen „Unterzustände“ mal wegläßt) dann kommt man zu genau dien Fragen, die man sich in der modernen Neurobiologie auch stellt.
Ein äußerer Reiz (Form) erzeugt eine Aktivierung von Rezeptoren, die ein Aktionspotential auslösen (Empfindung). Diese Empfindung wird in verschiedenen Regionen unseres Gehirns abgeglichen und als Wärme, Kälte, Schmerz etc. eingeordnet (Wahrnehmung).
Jetzt wird es spannend, denn ab diesem Punkt passieren noch unbewußte Vorgänge. Die Wahrnehmungen werden von vielen Hirnarealen auf Grund von vorher abgespeichert es Erregungsmustern bewertet und sortiert (Erinnerung, Gedächtnis) und führen zu unbewußten Aktivierungen verschiedener Handlungsmuster. Ich ziehe unbewußt meine Hand weg, will noch ein Stück Schokolade, bekomme Angst etc. (Wollen, Verlangen etc.).
Diese unbewußten Vorgänge gelangen letztendlich zu meinem Bewußtsein (Selbst) und sorgen dafür dass „Ich“ bestimmte Dinge tue.
Wie man sieht ist „Ich“ aber eigentlich nicht existent. Es resultiert aus Reiz, Aktionspotential, Bewertung, Abgleich und dadurch resultierende Aktivierung von kombinierten Erregungsmustern und letztendlich „Bewußtwerdung“ in unserem Selbst.
Form, Empfindung, Wahrnehmung, Erinnerung und Wollen, Selbst.
Im nächsten Schritt kann man dann hingehen und sagen „Wenn das Selbst nur eine Summe von verschiedenen Teilen ist, woraus besteht das Selbst?“
Das ist die entscheidende Frage.
Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Spiritualität ist jetzt nur dass das Eine nüchtern darauf schaut und keine Folgen für die einzelne Person selbst und das Verhältnis dieser Person zu anderen definiert, während Spiritualität versucht aus dieser Frage Empfehlungen für den Umgang mit sich selbst und anderen zu geben.
Beide sind sich einig dass es Hinter dem „Selbst“ etwas geben muss. Ob ich das jetzt Leere, Buddhanatur, Tao, Gott nenne oder sage den Aktionspotentialen liegen letztendlich Quantenphänomene zu Grunde die in einem multidimensionalen Universum stattfinden und die wir (noch) nicht erschöpfend beschreiben können.
Eine wissenschaftliche Betrachtung wäre dann für mich genauso ein „Glauben“ wenn daraus Konsequenzen für den Umgang mit Sich und Anderen entsteht und es den Menschen letztendlich helfen soll hier und jetzt glücklicher zu sein.
Unser Ich existiert letztendlich nicht, darin sind sich Neurobiologie und spirituelle Traditionen einig. Es ist eine Projektion (oder immanente Folge) unserer neuronalen Struktur des Gehirns. Vokabeln sind austauschbar.
Wichtig ist die Bewußtwerdung dieser Erkenntnis und wie dieses Wissen unser Handeln und Fühlen (bzw. das Bewerten von Fühlen) beeinflusst.
Definitiv ein spannendes Thema.
Für mich umfasst es die Themenkreise "mentale und physische Phänomene/Philosophie des Geistes einschließlich mentaler Verursachung und mentaler Repräsentation", "Kausalität", "Freiheit/Determinismus (inklusive der theologischen Parallele Allwissenheit Gottes/Vorbestimmung)", "Person und Personalität" sowie "Künstliche Intelligenz".
Bezüglich des Nutzens alter Philosophien für die modernen Diskurse bin ich aber eher skeptisch. Evtl. zur Inspiration, ja. Aber die alten Texte an sich haben m.M.n. andere Zielsetzungen. Die buddhistischen Philosophien entlang Begrifflichkeiten der Philosophie des Geistes zu untersuchen ist allerdings etwas, was mir ein bisschen als langfristiges Projekt dabei vorschwebt. (Auch wenn ich vermute, dass sich da doch einige gravierende Schwächen dieser alten Anschauungen auftun werden.) Aber dafür brauche ich noch Zeit.
@Pansapiens
Ohne es jetzt schon durchdacht zu haben - aber in unseren letzten beiden Beiträgen könnte es sein, dass wir den Übergang zum Funktionalismus vollzogen haben: https://de.wikipedia.org/wiki/Funktionalismus_(Philosophie)
Pansapiens
15-04-2018, 20:36
@Pansapiens
Ohne es jetzt schon durchdacht zu haben - aber in unseren letzten beiden Beiträgen könnte es sein, dass wir den Übergang zum Funktionalismus vollzogen haben: https://de.wikipedia.org/wiki/Funktionalismus_(Philosophie)
Das wirft die Frage auf, was man unter "mentalem Zustand" versteht.
Ich bin ja bisher, zumindest implizit, eher davon ausgegangen, dass man unter einem mentalem Zustand einen Bewusstseinsvorgang versteht.
Wenn ich dem Link folge, finde ich:
Das Entscheidende an dieser These ist nun, dass mit ihr auch das Verfügen über mentale Zustände unabhängig von der physischen Realisierung ist. So könnte ein Computer oder Roboter mentale Zustände haben, wenn er nur die gleichen funktionalen Zustände realisiert wie ein Lebewesen mit Bewusstsein.
D.h. dadurch werden, wenn ich das richtig verstehe (?), meine oben dargestellten "Argumente" oder Gedanken obsolet, denn wenn "mentaler Zustand" von Bewusstsein unabhängig ist, dann ist es ja egal, ob ich die Hand aufgrund der Schmerzwahrnehmung zurückziehe oder aufgrund von physischen Vorgängen in meinem Gehirn.
Ein funktionaler Zustand (ausgestreckter Arm) wird durch einen Input (Gewebsschädigung) in einen neuen Zustand (gebeugter Arm) überführt.
Das scheint mir ähnlich zu der Überlegung nach der Natur von Information zu sein.
Schließlich kann man eine Information verschiedentlich codieren und auf unterschiedlichen physischen Trägern realisieren.
Ich kann ein Gedicht in verschiedenen Sprachen in Stein meißeln, auf ein Stück Papier schreiben, es kann digital auf einem magnetischen, optischen oder SSD-Datenträger gespeichert sein, von einem Flugzeug an den Himmel geschrieben oder in den Schnee gepinkelt.
Es kann in meinem neuronalen Netzwerk realisiert sein und ich kann es in Form von Dichteschwankungen über die Luft von Mund zu Ohr übertragen....
Die Information selbst wäre von der konkreten Realisierung unabhängig.
Die Frage ist, kann das auch unabhängig von Materie realisiert sein, rein in meinem Geist?
(wohl eher nicht, wenn meine geistigen Zustände alle mit materiellen Zuständen einhergehen)
Allerdings ist das Gedicht ja irgendwann man im Geist eines Dichters entstanden. So wie die meisten Computerprogramme im Geist eine Programmierers entstanden sind.
Das berührt dann die Frage nach Reduktionismus und Emergenz und auch die Probleme die manche Leute mit "zufälligem" Entstehen von Leben oder Bewusstsein haben.
Da kann man dann noch weiter denken, und sich fragen, wie denn die Naturgesetze realisiert sind.
Da kommen wir dann nach meinem Verständnis tatsächlich ín die Nähe von philosophischen Konzepten wie Wuji im Sinne von (noch) nicht manifestierten aber potentiellen Möglichkeiten.
Das wirft die Frage auf, was man unter "mentalem Zustand" versteht.
Ich bin ja bisher, zumindest implizit, eher davon ausgegangen, dass man unter einem mentalem Zustand einen Bewusstseinsvorgang versteht.
Das ist ja auch naheliegend - da wir mentale Phänomene ja primär an uns selbst erfahren. (Da liegt dann auch der Bezug zum Problem des Fremdpsychischen.) Aber Bewusstsein ist ja selbst nicht geklärt - daher die Frage, ob gleiche mentale Zustände (Freude, Schmerz etc.) eben auch anders realisiert werden können. Damit ist dann auch der Übergang zur Frage der KI (inklusive Turing-Test) gemacht.
Ich zitiere mal Dieter Teuchert, "Einführung in die Philosophie des Geistes", S.92 (2006):
- Der cartesianische Dualist behauptet: Mentale Zustände sind die Zustände einer immateriellen Substanz.
- Der Behaviorist behauptet: Mentale Zustände sind durch sensorische Inputs bewirkte Zustände eines Organismus und/oder seine Verhaltensdispositionen.
- Der physikalische Identitätstheoretiker behauptet: Mentale Zustände sind die Zustände des Gehirns (oder des ZNS).
- Der Funktionalist behauptet: Mentale Zustände sind funktionale d.h. durch kausale Rollen spezifizierte Zustände.
Pansapiens
16-04-2018, 13:06
Das ist ja auch naheliegend - da wir mentale Phänomene ja primär an uns selbst erfahren. (Da liegt dann auch der Bezug zum Problem des Fremdpsychischen.) Aber Bewusstsein ist ja selbst nicht geklärt - daher die Frage, ob gleiche mentale Zustände (Freude, Schmerz etc.) eben auch anders realisiert werden können. Damit ist dann auch der Übergang zur Frage der KI (inklusive Turing-Test) gemacht.
Ich zitiere mal Dieter Teuchert, "Einführung in die Philosophie des Geistes", S.92 (2006):
[...]
- Der Behaviorist behauptet: Mentale Zustände sind durch sensorische Inputs bewirkte Zustände eines Organismus und/oder seine Verhaltensdispositionen.
[.....]
- Der Funktionalist behauptet: Mentale Zustände sind funktionale d.h. durch kausale Rollen spezifizierte Zustände.
Da verstehe ich den Unterschied zwischen Behavoristen und Funktionalisten nicht ganz?
Bei dem einen zeigen sich die mentalen Zustände im Verhalten, beim anderen an der Reaktion auf Inputs?
Oder besteht der Unterschied darin, dass Funktionalismus weiter gefasst ist und sich nicht nur auf einen Organismus bezieht?
Auf jeden Fall scheint mir dabei das "Körper-Geist-Problem" dadurch gelöst zu werden, dass man "mentale Zustände" rein materiell definiert.
Freude und Schmerz sind IMO eher subjektive Erlebnisgehalte die man von außen nur durch Analogieschlüsse vermuten kann, im Gegensatz zu "Vermeiden" und "Anstreben".
Vergleiche die Auster oder auch:
Die Freude der Fische
Dschuang Dsi ging einst mit Hui Dsi spazieren am Ufer eines Flusses.
Dschuang Dsi sprach: »Wie lustig die Forellen aus dem Wasser herausspringen! Das ist die Freude der Fische.«
Hui Dsi sprach: »Ihr seid kein Fisch, wie wollt Ihr denn die Freude der Fische kennen?«
Dschuang Dsi sprach: »Ihr seid nicht ich, wie könnt Ihr da wissen, daß ich die Freude der Fische nicht kenne?«
Hui Dsi sprach: »Ich bin nicht Ihr, so kann ich Euch allerdings nicht erkennen. Nun seid Ihr aber sicher kein Fisch, und so ist klar, daß Ihr nicht die Freude der Fische kennt.«
Dschuang Dsi sprach: »Bitte laßt uns zum Ausgangspunkt zurückkehren! Ihr habt gesagt: Wie könnt Ihr denn die Freude der Fische erkennen? Dabei wußtet Ihr ganz gut, daß ich sie kenne, und fragtet mich dennoch. Ich erkenne die Freude der Fische aus meiner Freude beim Wandern am Fluß.«
Physikalisch gesehen ist der freie Wille (wenn es ihn gibt) so etwas wie ein im Gehirn eingebauter Zufallsgenerator. Hätte der freie Wille keine Zufallskomponente, wäre er deterministisch und somit berechenbar durch ein allwissendes Wesen (wenn es das gibt). Inwieweit die Diskussion um den freien Willen ursprünglich eher ein Problem der Theologie oder der Philosophie war, weiß ich nicht. Sicherlich hat die Frage in der Theologie eine wichtige Rolle gespielt, vor allem seit der Reformationszeit. Da war die Frage, ob der Mensch durch Gott zum ewigen Heil oder zum ewigen Verderben bestimmt ist oder ob die Frage (auch für Gott) bis zuletzt offen bleiben muss, weil das Leben des Menschen den entscheidenden Ausschlag gibt; im ersten Fall hat man Prädestination, im zweiten Fall den freien Willen.
Da frage ich mich, welche Sichtweise attraktiver ist (wenn ich schon zu keiner sicheren Erkenntnis in dieser Sache kommen kann). Wenn ich einen freien Willen habe, ist mein Handeln von der unberechenbaren „Entscheidung“ des Zufallsgenerators abhängig. Wenn nicht, hängt mein Handeln von anderen Bedingungen ab, die ich ebenso wenig beeinflussen kann. Letztlich ist der freie Wille immer von Bedingungen abhängig und nicht von „mir“. Und was soll das „Ich“ überhaupt sein? Ist das nicht bloß ein Konstrukt, eine Momentaufnahme des Zusammenwirkens relativ unabhängiger geistiger (Gehirn-) Prozesse?
Diese Position (der freie Wille als Zufallsgenerator) vertritt zumindest Frank J. Tipler in “Die Physik der Unsterblichkeit: Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten”. Sie ist (wenn ich mich recht erinnere) radikal reduktionistisch und konstruktivistisch, eine Position, die auf den Erkenntnissen der Physik als Naturwissenschaft basiert und nichts annimmt, das darüber hinaus geht, also kein Wirken eines Weltgeistes, kein Jenseits usw.
Wozu stellt man heute überhaupt noch die Frage danach, ob es einen freien Willen gibt? Hat das irgendeine Relevanz? Ich meine, theologisch ist sie schon kritisch: der Gläubige fühlt sich sicherlich nicht unbedingt recht wohl bei der Vorstellung, dass er selbst an seinem ewigen Schicksal (Himmel oder Hölle) nichts tun kann, weil alles von Ewigkeit her von Gott vorherbestimmt ist. Aber wie sieht es unabhängig davon aus?
Münsterländer
16-04-2018, 15:10
Wozu stellt man heute überhaupt noch die Frage danach, ob es einen freien Willen gibt? Hat das irgendeine Relevanz? [...]
Moin,
abgesehen davon, dass die Frage m.E. in sich schon interessant ist:
Man müsste, wenn man den freien Willen verneint, gewisse Dinge wie z.B. das aktuelle Strafrecht deutlich auf den Prüfstand stellen.:D
Grüße
Münsterländer
Physikalisch gesehen ist der freie Wille (wenn es ihn gibt) so etwas wie ein im Gehirn eingebauter Zufallsgenerator.
Das mag die Position des Herrn Tipler sein, ist aber keine der Positionen, wie sie meines Wissens nach aktuell unter Willensfreiheit verhandelt werden. Die Willensfreiheit-Frage hebt gezielt darauf ab, ob und wie es denkbar ist, dass der Mensch Verursacher seines Handelns sein kann.
Hätte der freie Wille keine Zufallskomponente, wäre er deterministisch und somit berechenbar durch ein allwissendes Wesen (wenn es das gibt). Inwieweit die Diskussion um den freien Willen ursprünglich eher ein Problem der Theologie oder der Philosophie war, weiß ich nicht. Sicherlich hat die Frage in der Theologie eine wichtige Rolle gespielt, vor allem seit der Reformationszeit. Da war die Frage, ob der Mensch durch Gott zum ewigen Heil oder zum ewigen Verderben bestimmt ist oder ob die Frage (auch für Gott) bis zuletzt offen bleiben muss, weil das Leben des Menschen den entscheidenden Ausschlag gibt; im ersten Fall hat man Prädestination, im zweiten Fall den freien Willen.
Diese Problematik wird wie schon erwähnt unter dem Aspekt der Allwissenheit Gottes und wie diese mit einem freien Willen vereinbar ist untersucht. Kurz gesagt, wie kann meine Entscheidung morgen Kaffee statt Tee zu trinken (oder keines von beiden) frei sein, wenn Gott als Allwissender die Zukunft schon kennt. Da gibt es Ähnlichkeiten zur Determinismus-Freiheit-Debatte, aber auch Unterschiede.
Wozu stellt man heute überhaupt noch die Frage danach, ob es einen freien Willen gibt? Hat das irgendeine Relevanz?
Na ja, die Annahme eines freien Willens ist wohl einer der fundamentalsten Bestandteile des zumindest abendländischen Weltbildes, und hat z.B. wie Münsterländer schon angesprochen hat, einen gewaltigen Wiederhall in unserem gesamten Strafrecht.
Und die Frage war und ist eben keineswegs so simpel mit ja oder nein zu beantworten. Natürlich kann sich sagen "interessiert mich nicht", "kann ich nicht wissen" oder "irgendwas dazwischen". Allerdings triffst du ja wohl auch tagein-tagaus allerlei Entscheidungen, von denen du doch vermutlich in irgendeiner Weise ausgehst, sie mit einer gewissen Freiheit zu treffen.
Man müsste, wenn man den freien Willen verneint, gewisse Dinge wie z.B. das aktuelle Strafrecht deutlich auf den Prüfstand stellen.:D
Meiner Meinung nach müssen wir pragmatisch davon ausgehen, dass es einen freien Willen gibt und jeder (Gesunde) für sein Tun z.B. vor Gericht verantwortlich ist bzw. gemacht werden kann. Wäre die Natur vollkommen deterministisch, also alles Geschehen vorherbestimmt, so könnte sich ein Angeklagter zwar darauf berufen. Aber dann hätte auch der Richter keinen freien Willen und keinen Handlungsspielraum und würde so urteilen, als hätte der Angeklagte einen freien Willen.
Das ist nach meinem Verständnis auch das was Max Planck meinte, den pansapiens in Post #35 (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?185663-Libet-Experimente&p=3642473#post3642473) zitiert hat.
Die Frage, ob die Natur deterministisch, und damit alles vorherbestimmt ist, oder prinzipiell indeterministisch ist alles andere als trivial und setzt ein tiefes Verständnis der Quantentheorie voraus. "Wer allerdings behauptet, die Quantentheorie zu verstehen, hat sie nicht verstanden" - nach einem Bonmot von Richard Feynman. Mein Eindruck ist, dass Philosophen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel weit hinterherhinken. Eine deterministische Deutung der QT führt nach Meinung vieler Physiker zur Viele-Welten-Interpretation (https://de.wikipedia.org/wiki/Viele-Welten-Interpretation), die Max Tegmark in "Unser mathematisches Universum" auch für Laien einigermaßen verständlich (also ohne viel Mathematik) beschreibt. Das ist aber nicht der Fokus der Libet-Experimente.
Lachen scheint mir ein gutes Beispiel für vertrackte Zusammenhänge zwischen einem bewussten "ich" und einem unterbewussten "es". Wenn ich lache, dann habe ich eigentlich immer den Eindruck, dass "ich" es bin, der lacht und nicht das "un(ter)bewusste es", das auf äußere Reize reagiert. Andererseits ist es kaum möglich über die eigenen Witze zu lachen, und seien sie noch so gut. Zweifellos könnte eine KI-Software auf Basis von Sprachsteuerung und neuronalen Netzen immer treffsicherer gute Witze erkennen. Aber ein Mensch wird halt nur beim ersten Mal laut lachen, beim 20. Mal nur müde lächeln oder sich gelangweilt abwenden oder sich die nervige Ruhestörung verbitten.
Prinzipiell ist es auch möglich, bewusst zu lachen, Schauspieler müssen das ja auch lernen. In einem Münchner Park habe ich vor einiger Zeit tatsächlich eine Gruppe gesehen, die so ein Lach-Training (im Park) anbietet, siehe Anhang. Aber für Zuschauer wirkt das unfreiwillig komisch und plemplem.
Umgekehrt hat das "bewusste ich" ein Veto-Recht, das Lachen zu verkneifen, was allerdings auch nicht immer gelingt. Da muss ich immer an eine Szene aus "Asterix und der Seher" denken, in der Obelix vergeblich versucht, sich das Lachen zu verkneifen, als Gutemine Majestix mit "Schnuckelchen" anredet.
Pansapiens
17-04-2018, 04:55
Man müsste, wenn man den freien Willen verneint, gewisse Dinge wie z.B. das aktuelle Strafrecht deutlich auf den Prüfstand stellen.:D
Kommt drauf an, was man will: "Schuldige" bestrafen?
Oder durch Strafandrohung die Handlungen der Menschen zu beeinflussen?
Wenn ein Automat z.B. aufgrund verschiedener Variablen (zu erwartender Gewinn, zu erwartende Strafe, Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden) und einer entsprechenden Programmierung unter verschiedenen Handlungsoptionen auswählt, dann hätte der keinen freien Willen, denn seine Handlungen wären ja vollständig durch die Umstände und die Programmierung bestimmt.
Dennoch kann man durch Drehen an der Schraube "zu erwartende Strafe" bei ausreichender Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden, die Handlung des Automaten beeinflussen.
Durch die konkrete Erfahrung einer Strafe wird eventuell auch die Programmierung verändert, weil die Strafe anders gewichtet wird.
@Pansapiens
Ein bisschen so wie in "Walden Two"? (https://en.wikipedia.org/wiki/Walden_Two)
@Aiki50
"Mein Eindruck ist, dass Philosophen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel weit hinterherhinken." Da sehe ich gerade den Bezug zum Thema nicht, oder wie du das meinst. Wenn du statt Philosophen "Religionen" geschrieben hättest, okay... Fragen wie KI, Bewusstsein und Willensfreiheit sind aber m.A.n. sowieso interdisziplinäre Fragen - d.h. weder kann die Philosophie ohne Berücksichtigung der Ergebnisse und Einsichten von u.a. Neurowissenschaften und Psychologie diese Fragen für sich alleine klären (so sie überhaupt zu klären sind), noch können dies die Neurowissenschaften oder die Psychologie ohne die Philosophie.
discipula
17-04-2018, 06:10
... die Handlung des Automaten beeinflussen.
Durch die konkrete Erfahrung einer Strafe wird eventuell auch die Programmierung verändert, weil die Strafe anders gewichtet wird.
Wenn man ernsthaft zur Ansicht gelangt, dass der Mensch nur ein Automat ist... können wir Friedhöfe abschaffen. Komposthaufen und Müllverbrennungsanlagen reichen dann aus zur sicheren Entsorgung von Kadavern.
Wenn ein Mensch ein Automat ist, gibt es keinen Grund, ihn anders zu behandeln, als andere Automaten, wie zB ein Auto. Auch Konzepte wie "Menschenrechte" braucht es dann auch nicht mehr - wozu auch.
Münsterländer
17-04-2018, 07:04
Kommt drauf an, was man will: "Schuldige" bestrafen?
Oder durch Strafandrohung die Handlungen der Menschen zu beeinflussen?
Wenn ein Automat z.B. aufgrund verschiedener Variablen (zu erwartender Gewinn, zu erwartende Strafe, Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden) und einer entsprechenden Programmierung unter verschiedenen Handlungsoptionen auswählt, dann hätte der keinen freien Willen, denn seine Handlungen wären ja vollständig durch die Umstände und die Programmierung bestimmt.
Dennoch kann man durch Drehen an der Schraube "zu erwartende Strafe" bei ausreichender Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden, die Handlung des Automaten beeinflussen.
Durch die konkrete Erfahrung einer Strafe wird eventuell auch die Programmierung verändert, weil die Strafe anders gewichtet wird.
Ist aber so derzeit m.E. eindeutig nicht der Ansatz unseres Strafrechtes, wo ein freier Wille und damit ein bewusstes Fehlverhalten vorausgesetzt wird.
Man kann das durchaus umdenken, wie von dir dargestellt. Das würde allerdings in der praktischen Anwendung einige Änderungen bedingen. Das meinte ich mit "auf dem Prüfstand stellen".
Grüße
Münsterländer
Ist zwar ein anderes Thema, und da kenne ich mich wirklich nicht aus - aber: ich meine mich aus dem was ich so gelesen habe zu erinnern, dass weder Straf-Erfahrung noch Straf-Androhung wirklich effiziente Werkzeuge sind, weder zur Straf-Vorbeugung noch zur Verhaltensänderung (in dem Sinne, dass eine Straf-Wiederholung unwahrscheinlicher wird). Darum ist das ganze Schreien nach hartem Durchgreifen zwar für mich oftmals verständlich, trägt aber vermutlich nur wenig zur Problemlösung bei. (Man kann sich historisch ja mal die Konzeption des Legalismus im frühen China anschauen.)
Die Willensfreiheit-Frage hebt gezielt darauf ab, ob und wie es denkbar ist, dass der Mensch Verursacher seines Handelns sein kann.
Das ist ganz sicher ein schwieriges Thema. Es fängt schon damit an, dass ich (exemplarisch für jeden beliebigen Menschen) nicht wirklich unabhängig existiere, sondern in ein äußerst komplexes System wechselseitiger Beeinflussungen eingebunden bin. Es gibt Einflüsse z.B. aus der Vergangenheit, die mich dazu bringen, vielleicht Tee gegenüber Kaffee zu bevorzugen; Einflüsse, von denen ich meist bewusst überhaupt keine Kenntnis habe. Trotzdem entscheide ich mich „frei“ dazu, Tee zu trinken. Vielleicht habe ich auch eine Störung des Geruchs- oder Geschmackssinnes und empfinde überhaupt keinen Unterschied zwischen Tee und Kaffee. Dann entscheide ich mich möglicherweise zufällig (oder aufgrund anderer Faktoren wie z.B. der Gesellschaft, in der ich mich momentan befinde) für Kaffee oder Tee. Wie kann ich überhaupt eine wahrhaft freie Entscheidung treffen, frei von Einflüssen aus meinen körperlichen Begrenzungen, der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, guten und schlechten Erfahrungen aus meiner Vergangenheit, meinen Erwartungen an die Zukunft? Und wer bin ich überhaupt, mit anderen Worten: was ist dieses „Ich“?
Wie definiert man „Verursacher“, welche Maßstäbe möchte man anlegen, um einem „Ding“ die Eigenschaft „Verursacher“ zuzuschreiben? Wie definiert man „der Mensch“ (oder „die Person“ oder „das Ich“)?
Wenn Amazon oder Google mehr über meine Konsumgewohnheiten wissen als ich selbst und Computersysteme schon jetzt recht gut in der Lage sind, menschliches Verhalten vorherzusagen, kann man dann überhaupt von so etwas wie Willensfreiheit reden, ohne sich einer trügerischen Illusion hinzugeben?
Ich möchte noch einmal kurz auf den Ursprungsbeitrag und die Libet-Experimente zurück kommen. Offenbar ist da „etwas“ im Gehirn, das „meine“ Entscheidung getroffen hat, bevor sie mir selbst bewusst wird. Wenn ein Teil „meines“ Gehirns „meine“ Entscheidung schon vor „mir“ kennt, ist es dann nicht mehr „meine“ Entscheidung? Ja, welche Rolle spiele ich da überhaupt noch, wenn das Gehirn (also eins meiner Organe) mir sagt, wie ich mich entscheiden soll? Wenn bei diesem Experiment so verstörende Ergebnisse herauskommen, ist dann nicht schon die Eingangsfrage („gibt es einen freien Willen?“) falsch gestellt?
Sorry für die vielen Anführungszeichen und Fragen. Manchmal sind aber Fragen wichtiger als Antworten, denke ich. ;-)
Die Frage, ob die Natur deterministisch, und damit alles vorherbestimmt ist, oder prinzipiell indeterministisch ist alles andere als trivial und setzt ein tiefes Verständnis der Quantentheorie voraus. "Wer allerdings behauptet, die Quantentheorie zu verstehen, hat sie nicht verstanden" - nach einem Bonmot von Richard Feynman. Mein Eindruck ist, dass Philosophen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel weit hinterherhinken.
Man muß nicht "Quantentheorie" verstanden haben. Und die Philosohie ist voraus. Ich hatte schonmal angedeutet, dass das Konzept des "dialektischen Determinismus" sehr wohl den Zufall als eine mögliche Folge in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang anerkennt. Die Formulierung stammt aus dem 19./20. Jhdt., und es sind m. E. die Erkenntnisse der Quantenphysik, die nunmehr eine physikalische Begründung liefern.
Man müsste, wenn man den freien Willen verneint, gewisse Dinge wie z.B. das aktuelle Strafrecht deutlich auf den Prüfstand stellen.:D
Müsste man das? Ich meine, wenn es keinen freien Willen gibt, dann hat der Gesetzgeber erst recht keinen; egal ob das Strafrecht so bleibt oder geändert wird, das Ergebnis ist immer die Folge von naturgesetzlichen (oder meinetwegen auch transzendenten) Bedingungen. Soviel ich weiß, geht man im Strafrecht auch davon aus, dass die individuelle Freiheit etwa, sich für oder gegen ein Verbrechen zu entscheiden, Grenzen hat und es gibt Faktoren, die strafmildernd wirken oder die Strafbarkeit verhindern. Solche Sachen wie „schwere Kindheit“ oder gar diagnostizierte psychische Erkrankungen.
Münsterländer
17-04-2018, 15:15
Müsste man das? Ich meine, wenn es keinen freien Willen gibt, dann hat der Gesetzgeber erst recht keinen; egal ob das Strafrecht so bleibt oder geändert wird, das Ergebnis ist immer die Folge von naturgesetzlichen (oder meinetwegen auch transzendenten) Bedingungen. Soviel ich weiß, geht man im Strafrecht auch davon aus, dass die individuelle Freiheit etwa, sich für oder gegen ein Verbrechen zu entscheiden, Grenzen hat und es gibt Faktoren, die strafmildernd wirken oder die Strafbarkeit verhindern. Solche Sachen wie „schwere Kindheit“ oder gar diagnostizierte psychische Erkrankungen.
Ja, ich glaube man müsste.
Ist jetzt nur eine Meinung von mir, aber ich glaube, wenn allgemeiner Konsens wäre, dass ein Individuum eine Straftat begehen "muss", dann würde der Großteil der Bevölkerung (ob jetzt aus freiem Willen, oder aufgrund geänderter Bedingungen) für einen anderen Umgang mit Straftätern plädieren.
Auch ohne freien Willen ist ja Veränderung und "Meinungsänderung" durchaus möglich (und wenns nur ist, weil sich die Parameter ändern).
Ist ja übrigens eine Debatte, die im religiös-christlichen Umfeld bereits lebhaft geführt wurde (ist Judas Iscariot der verdammungswürdige Erzverräter, der im tiefsten Kreis der Hölle sitzt, oder ausführendes Werkzeug des Willen Gottes, und damit schuldlos und heilig).
Aber es bleibt in der Tat ein theoretisches Feld.
Grüße
Münsterländer
"Mein Eindruck ist, dass Philosophen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel weit hinterherhinken." Da sehe ich gerade den Bezug zum Thema nicht, oder wie du das meinst. Wenn du statt Philosophen "Religionen" geschrieben hättest, okay... Fragen wie KI, Bewusstsein und Willensfreiheit sind aber m.A.n. sowieso interdisziplinäre Fragen - d.h. weder kann die Philosophie ohne Berücksichtigung der Ergebnisse und Einsichten von u.a. Neurowissenschaften und Psychologie diese Fragen für sich alleine klären (so sie überhaupt zu klären sind), noch können dies die Neurowissenschaften oder die Psychologie ohne die Philosophie.
Mit meinem Eindruck beziehe ich mich auf den Abschnitt "Ist der (physikalische) Determinismus wahr?" im Artikel "Determinismus" auf "Philosophie verständlich" (http://www.philosophieverstaendlich.de/stichworte/determinismus), was ja im Zusammenhang mit der Diskussion um Willensfreiheit auch in diesem Faden eine Rolle spielt. Hier ein Zitat daraus:
Diese Theorie (Quantentheorie) wird meist als "klar indeterministisch" angesehen, obwohl es auch deterministische Interpretationen gibt (z.B. die Interpretation von David Bohm), die sich heute wieder großer Beliebtheit erfreuen. Außerdem spielt sich selbst bei indeterministischen Interpretationen der Quantenmechanik der Indeterminismus primär auf der Ebene mikrophysikalischer Beschreibungen einzelner Teilchen ab.
Die QT ist nicht klar indeterministisch, die Bohmsche Interpretation ist und war (auch vor 12 Jahren) wenig bedeutsam. Die Schrödingergleichung ist in beiden Zeitrichtungen streng deterministisch = unitär, weshalb sich viele Physiker, u.a. Stephen Hawking, Sorgen machten, was mit der Information passiert, wenn sie von schwarzen Löchern verschluckt wird. Die Kopenhagener Deutung der QT ist indeterministisch, viele theoretische Physiker favorisieren aber gegenwärtig die Multi-Welten-Interpretation, (https://de.wikipedia.org/wiki/Viele-Welten-Interpretation) die theoretisch deterministisch ist, aber philosophisch ganz schwer zu verdauen ist.
Supraflüssigkeit ist ein Beispiel für ein makroskopisch sichtbares Quantenphänomen: Superfluid helium (YouTube) (https://www.youtube.com/watch?v=2Z6UJbwxBZI)
Man muß nicht "Quantentheorie" verstanden haben. Und die Philosohie ist voraus. Ich hatte schonmal angedeutet, dass das Konzept des "dialektischen Determinismus" sehr wohl den Zufall als eine mögliche Folge in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang anerkennt. Die Formulierung stammt aus dem 19./20. Jhdt., und es sind m. E. die Erkenntnisse der Quantenphysik, die nunmehr eine physikalische Begründung liefern.
Ein Quantenphysiker (ich glaube Dieter Zeh) hat mal gesagt, dass kein Philosoph oder theoretischer Physiker sich so etwas abwegiges und absurdes wie die QT hätte ausdenken können. Der Zufall und Indeterminismus in der QT ist etwas anderes und qualitativ neues im Vergleich zum Zufall der klassischen Physik: eine klassiche Münze wird entweder auf die eine oder andere Seite fallen (Kopf oder Zahl), eine Quanten-Münze kann beide Zustände (Kopf und Zahl) überlagern bis eine Messung stattgefunden hat. Eine praktische Anwendung wäre ein Quantencomputer. Philosophie wird von Philosophen erdacht, die in ihrem Denken dem Zeitgeist und den Hirnstrukturen verhaftet sind, und seien es noch so kluge Köpfe (wie Immanuel Kant).
Ich gebe aber Julian Braun recht, dass das mit den Libet-Experimenten erst mal nichts direkt zu tun hat.
Ein Quantenphysiker (ich glaube Dieter Zeh) hat mal gesagt, dass kein Philosoph oder theoretischer Physiker sich so etwas abwegiges und absurdes wie die QT hätte ausdenken können. Der Zufall und Indeterminismus in der QT ist etwas anderes und qualitativ neues im Vergleich zum Zufall der klassischen Physik: eine klassiche Münze wird entweder auf die eine oder andere Seite fallen (Kopf oder Zahl), eine Quanten-Münze kann beide Zustände (Kopf und Zahl) überlagern bis eine Messung stattgefunden hat. Eine praktische Anwendung wäre ein Quantencomputer. Philosophie wird von Philosophen erdacht, die in ihrem Denken dem Zeitgeist und den Hirnstrukturen verhaftet sind, und seien es noch so kluge Köpfe (wie Immanuel Kant).
Wenn die Vorgänge mittlerweile physikalisch beschrieben werden können - warum sollten sie nicht philosophisch erfasst werden können? Mein Eindruck ist, dass du hier mit einem mechanischen Determinismus argumentierst. Ich rede dagegen vom dialektischen Determinismus. Vielleicht solltest du dir den Unterschied mal anschauen.
Und Kant ist kein wirklich gutes Argument. Den hat ja Hegel schon zurechtgerückt, und das obwohl auch er von der "großen Idee" ausging.
Pansapiens
18-04-2018, 04:48
Mit meinem Eindruck beziehe ich mich auf den Abschnitt "Ist der (physikalische) Determinismus wahr?" im Artikel "Determinismus" auf "Philosophie verständlich" (http://www.philosophieverstaendlich.de/stichworte/determinismus), was ja im Zusammenhang mit der Diskussion um Willensfreiheit auch in diesem Faden eine Rolle spielt. Hier ein Zitat daraus:
Diese Theorie (Quantentheorie) wird meist als "klar indeterministisch" angesehen, obwohl es auch deterministische Interpretationen gibt (z.B. die Interpretation von David Bohm), die sich heute wieder großer Beliebtheit erfreuen. Außerdem spielt sich selbst bei indeterministischen Interpretationen der Quantenmechanik der Indeterminismus primär auf der Ebene mikrophysikalischer Beschreibungen einzelner Teilchen ab.
Die QT ist nicht klar indeterministisch, die Bohmsche Interpretation ist und war (auch vor 12 Jahren) wenig bedeutsam.
Da steht ja auch nicht "ist" sondern "wird meist [...] angesehen".
Die Kopenhagener Deutung der QT ist indeterministisch, viele theoretische Physiker favorisieren aber gegenwärtig die Multi-Welten-Interpretation, (https://de.wikipedia.org/wiki/Viele-Welten-Interpretation) die theoretisch deterministisch ist, aber philosophisch ganz schwer zu verdauen ist.
Man unterscheide zwischen Theorie und Deutung.
Mit der Theorie kann man Vorhersagen über die Welt machen, mit der Deutung versucht man sich was unter der Theorie vorzustellen.
Auch mit der Vielweltendeutung kann man nicht vorhersagen, welches Ergebnis man mit einem Wurf mit einer Quantenmünze erhält.
Die Annahme, dass ich mich beim Münzwurf mit dem in zwei Beobachter aufteile von denen einer Kopf und der andere Zahl beobachtet ändert ja nix daran, dass ich bewusst nur Zugang zu einem Beobachter habe, der entweder Kopf oder Zahl beobachtet und keine Überlagerung dieser Zustände.
Philosophie wird von Philosophen erdacht, die in ihrem Denken dem Zeitgeist und den Hirnstrukturen verhaftet sind, und seien es noch so kluge Köpfe (wie Immanuel Kant).
.
Wong F. bezieht sich eher auf Marx, Engels und Lenin.
Die haben natürlich nicht die QT vorausgesagt, sondern nach meinem Eindruck eher eine antireduktionistische Auffassung vertreten:
Es reicht nicht aus, wenn man den Zustand durch die Angabe von Lage und Geschwindigkeit eines Körpers charakterisiert. Diese, für den klassisch-mechanischen Zustand ausreichende Be-schreibung trägt nicht der Kompliziertheit der Zustände in den anderen Bewegungsformen Rechnung. Für die chemischen Elemente ist der Platz im Periodischen System maßgebend für bestimmte chemische Eigenschaf-[53]ten. Der biologische Zustand erfordert die Beachtung vieler innerer Strukturen und der Umwelteinflüsse. Der gesellschaftliche Zustand, d. h. eine bestimmte Gesellschaftsformation, ist durch bestimmte ökonomische Verhältnisse charakte-risiert, aus denen sich bestimmte Anschauungen und Denkweisen ergeben. Überall erfordert die Charakterisierung der Zustände mehr als die bloße Angabe von Lage und Geschwindigkeit.
[...]
Engels setzt sich kritisch auseinander mit dem „Determinismus, der aus französischen Mate-rialismus in die Naturwissenschaft übergegangen und der mit der Zufälligkeit fertigzuwerden versucht, indem er sie überhaupt ableugnet“. Er charakterisiert diesen Determinismus durch die ironischen Bemerkungen: „Nach dieser Auffassung herrscht in der Natur nur die einfache direkte Notwendigkeit. Daß diese Erbsenschote fünf Erbsen enthält und nicht vier oder sechs, daß der ******* dieses Hundes fünf Zoll lang ist und nicht eine Linie länger oder kürzer, daß diese Kleeblüte dies Jahr durch eine Biene befruchtet wurde und jene nicht, und zwar durch diese bestimmte Biene und zu dieser bestimmten Zeit ..., alles das sind Tatsachen, die durch eine unverrückbare Verkettung von Ursache und Wirkung, durch eine unerschütterliche Notwendigkeit hervorgebracht sind ...“
http://www.max-stirner-archiv-leipzig.de/dokumente/Hoerz-Herbert-Determinismus.pdf
Ist natürlich bemerkenswert, dass Wong F. an anderer Stelle regelmäßig auf die vier Grundkräfte verweist, was ja eher auf ein reduktionistisches Weltbild hinweist.
Wenn die Vorgänge mittlerweile physikalisch beschrieben werden können - warum sollten sie nicht philosophisch erfasst werden können?
Mir scheint, die Behauptung des dialektischen Determinismus ist eher, dass Vorgänge auf höheren Komplexitätsebenen nicht physikalisch beschrieben werden oder auf grundlegendere Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt.
Offenbar hatten die Vertreter auch noch nix von elektrischer Ladung bzw. elektromagnetischer Wechselwirkung gehört, bzw. von Kräften überhaupt.
Da könnte man schon sagen, dass die den wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterherhinkten....
Überall erfordert die Charakterisierung der Zustände mehr als die bloße Angabe von Lage und Geschwindigkeit. Wir werden später sehen, daß vor allem die gesellschaftliche Wirklichkeit die Berücksichti-gung der verschiedensten Faktoren verlangt. Diese komplizierte Wirklichkeit müßte nun im mechanisch-deterministischen Sinne dadurch erfaßt werden, daß alle Kausalbeziehungen berücksichtigt würden, die hier eine Rolle spielen. Nur dann wäre es möglich, entsprechende Voraussagen zu machen. Damit zeigt die Kritik des mechanischen Determinismus, daß er nicht in der Lage ist, mit Hilfe seiner Beschreibung der Zustände die Wirklichkeit zu erfassen. Eine neue Determinismusauffassung mußte hier weiterhelfen, die den Gesamtzusammenhang nicht auf die einfache direkte Notwendigkeit reduzierte, d. h. auf das bloße notwendige Verursachen von Wirkungen, sondern neue Formen des Zusammenhangs zeigte.
Pansapiens
18-04-2018, 05:24
@Pansapiens
Ein bisschen so wie in "Walden Two"? (https://en.wikipedia.org/wiki/Walden_Two).
Eher (hab ich auch nicht ganz gelesen) so wie hier https://www.bwl.uni-hamburg.de/irdw/dokumente/economicsofcrime.pdf
Ist zwar ein anderes Thema, und da kenne ich mich wirklich nicht aus - aber: ich meine mich aus dem was ich so gelesen habe zu erinnern, dass weder Straf-Erfahrung noch Straf-Androhung wirklich effiziente Werkzeuge sind, weder zur Straf-Vorbeugung noch zur Verhaltensänderung (in dem Sinne, dass eine Straf-Wiederholung unwahrscheinlicher wird).
Das hab ich auch schon gehört oder gelesen, aber nie - in dieser verallgemeinernden Darstellung - geglaubt.
Ist aber so derzeit m.E. eindeutig nicht der Ansatz unseres Strafrechtes, wo ein freier Wille und damit ein bewusstes Fehlverhalten vorausgesetzt wird.
Was der Ansatz des Strafrechts im Sinne von Zielsetzung ist, weiß ich nicht.
Vergeltung?
Genugtuung?
Gerechtigkeit?
Abschreckung?
[...]
Mir scheint allerdings, im Strafrecht geht es im Bezug auf Schuldfähigkeit um die Komponenten Einsichtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit.
Ein Automat, der in die Berechnung seiner Handlung eine zu erwartende Strafe mit einbezieht, "weiß" ja irgendwie, dass das das mit Strafe bedroht und damit nicht richtig ist.
Ein passiv beobachtendes Bewusstsein, kann dann eventuell nix an der Entscheidung des Automaten ändern, ist sich aber bewusst, dass diese "Unrecht ist".
Bei Steuerungsfähigkeit geht es wohl um die Fähigkeit, nach der genannten Einsicht zu handeln.
Das kann ein passiv beobachtendes Bewusstsein eher nicht, aber der Automat, der in seine Handlungsentscheidung die mögliche Strafe mit einbezieht handelt ja in gewisser Weise nach der Einsicht in das Unrecht.
Darüberhinaus scheint mir fehlende Steuerungsfähigkeit ohnehin nur ein Entschuldigungsgrund zu sein, wenn die aufgrund von:
einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit
besteht.
Wenn keiner einen freien Willen hat, dann ist das natürlich normal und nicht abartig oder krankhaft.
Das würde allerdings in der praktischen Anwendung einige Änderungen bedingen. Das meinte ich mit "auf dem Prüfstand stellen".
Da gebe ich Dir nach einigem Nachdenken allerdings recht.
Z.B.:
„schwere Kindheit“
könnte sich dann eher strafverschärfend auswirken, wenn anzunehmen ist, dass die eine sehr starke Prägung/Programmierung im Automaten hinterlassen hat, braucht man eventuell auch entsprechend einschneidende Maßnahmen, um die Prägung zu verändern, oder zumindest die Kosten für ein Fehlverhalten so hoch anzusetzen, dass ein Gegengewicht zu der starken Kraft der Kindheitsprägung entsteht.
Zumindest, wenn es um Prävention und Verhaltensänderung ginge und ein entsprechender Zusammenhang bestünde.
ich glaube, wenn allgemeiner Konsens wäre, dass ein Individuum eine Straftat begehen "muss", dann würde der Großteil der Bevölkerung (ob jetzt aus freiem Willen, oder aufgrund geänderter Bedingungen) für einen anderen Umgang mit Straftätern plädieren.
So wie mit Triebtätern?
Oder eher wie mit Kindern?
Ersteren fehlt die Steuerungsfähigkeit, da der Trieb alles andere so stark übersteuert, dass er quasi monokausal angesehen werden kann.
Letzteren unterstellt der Gesetzgeber eventuell mangelnde Einsichtsfähigkeit.
Auch ohne freien Willen ist ja Veränderung und "Meinungsänderung" durchaus möglich (und wenns nur ist, weil sich die Parameter ändern).
Es gibt eine Studie, die gezeigt haben will, dass Probanden, denen man einen Vortrag mit Argumenten gegen die Willensfreiheit hält, hinterher eher bereit sind, bei einem Spiel zu bescheißen, als solchen, denen man Argumente pro Willensfreiheit vorträgt.
Einige Ausformulierungen finden sich hier: http://www.bpb.de/izpb/7740/vom-sinn-und-zweck-des-strafens?p=all
Mir ist es zunächst darum, dass ich hier die Stimmung verspüre, hach, diese ganzen Erkenntnisse der Wissenschaft, z.B. der Physik, das können wir alles nicht philosophisch beschreiben, das widerspricht ja dem und dem und dem. Wenn dem so ist, dann ist es doch an uns, die (philosophische) Beschreibung der Welt an die neuen Erkenntnisse anzupassen! Also verweise ich darauf, dass es hier eine Denkrichtung gibt, die (m.E.) auch quantenphysikalische Zustände wie Unbestimmtheit und Zufall mit erfasst.
Für ein System existiert eine Möglichkeit, die notwendig verwirklicht wird (dynamischer Aspekt). Für jedes Element des Systems existiert eine Reihe von Möglichkeiten, von denen sich eine zufällig, nach einer Wahrscheinlichkeitsverteilung realisiert (stochastischer Aspekt). Die Elemente des Systems verwirklichen eine bestimmte Möglichkeit nach einer bestimmten Übergangswahrscheinlichkeit (probabilistischer Aspekt).
http://www.thur.de/philo/project/determinismus.htm#_Toc58236220
Ob man das „antireduktionistisch“ nennen kann weiß ich nicht, auf jeden Fall ist es eine Erweiterung des Reduktionismus um den Aspekt, dass nicht jeder Ursache eine genau bestimmte Wirkung folgt, sondern manche Ereignisse schlicht zufällig sind bzw. der Determinismus sich nur auf eine bestimmte Auswahl an Möglichkeiten bezieht.
Mir scheint, die Behauptung des dialektischen Determinismus ist eher, dass Vorgänge auf höheren Komplexitätsebenen nicht physikalisch beschrieben werden oder auf grundlegendere Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt
Nur in dem Sinne, dass man sie bei einen bestimmten Stand der wissenschaftlichen Entwicklung eben auch nur bis zu einem bestimmten Grad beschreiben kann.
Offenbar hatten die Vertreter auch noch nix von elektrischer Ladung bzw. elektromagnetischer Wechselwirkung gehört, bzw. von Kräften überhaupt. Da könnte man schon sagen, dass die den wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterherhinkten...
???
Im Gegenteil. Dazu vielleicht mal Engels´ “Dialektik der Natur“ oder den „Anti-Dühring“ überfliegen (bzw. den besser lesen, es ist eine Satire, sehr amüsant) oder in Lenins „Materialismus und Empiriokritizismus“ die entsprechenden Stichworte suchen. Bei der Auseinandersetzung z.B. mit Mach kommt der um physikalische Kenntnisse gar nicht herum.
Ist natürlich bemerkenswert, dass Wong F. an anderer Stelle regelmäßig auf die vier Grundkräfte verweist, was ja eher auf ein reduktionistisches Weltbild hinweist.
Mein Weltbild ist ein materialistisches, d.h. ich gehe zunächst mal von dem aus, was IST, dabei wiederum von dem, was (relativ) gesichert ist. Das ist so bei den Grundkräften. Sollte sich jetzt herausstellen, dass die „dunkle Energie“ als 5. Grundkraft bezeichnet werden muß, wird sie auch in einem bestimmten Verhältnis stehen zu den vier anderen und wird sich in irgendeiner Weise wissenschaftlich-physikalisch wie auch philosophisch beschreiben lassen. Damit hätte ich kein Problem, und als „reduktionistisch“ würde ich das auch nicht bezeichnen.
Ergänzend:
http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2008_1_23.pdf
https://www.philosophie.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/anthro/mitarbeiter/keil/pdfs/c42reprint
discipula
18-04-2018, 12:02
Was der Ansatz des Strafrechts im Sinne von Zielsetzung ist, weiß ich nicht.
Vergeltung?
Genugtuung?
Gerechtigkeit?
Abschreckung?
[...]
Beim Strafrecht bietet sich ja wohl ein pragmatischer Ansatz an: die Gesellschaft soll vor Übeltätern geschützt werden, bzw jene, die Übles tun, sollen aus dem Verkehr gezogen werden. Ob sie ihre Übeltaten in (Willens-)Freiheit ausführen, oder gezwungen durch äussere oder innere Umstände - ist wohl für diese Fragen wenig relevant. Der Humanismus sagt dann noch dazu: die Unannehmlichkeiten für den aus dem Verkehr Gezogenen sollen bitte so gering wie möglich sein - so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
und auch bei zu erwartenden Verhaltensänderungen ist es wohl nicht sehr relevant, ob die aus Einsicht geschehen, oder aus Konditionierung/Programmierung? Hauptsache sie halten und es geschieht kein weiteres Unglück?
Pansapiens
18-04-2018, 12:38
Der Humanismus sagt dann noch dazu: die Unannehmlichkeiten für den aus dem Verkehr Gezogenen sollen bitte so gering wie möglich sein - so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Man darf auch die Bedürfnisse des Straftäters nicht vernachlässigen.
Aus Julians Link:
Von kollektiven Strafbedürfnissen ist das individuelle Strafbedürfnis des Straftäters, das eigene Verlangen nach Sühne und Genugtuung, zu unterscheiden. Es gibt eine Straftheorie, derzufolge der Sinn der Strafe - auch - darin liegt, dem Straftäter die Verarbeitung seiner Schuld zu ermöglichen, zu sühnen. Ohne offizielle Strafe könne dieser für die psychische Stabilisierung notwendige Reinigungsprozess - bei vorhandenen Strafbedürfnissen - schwerlich durchgeführt werden. Die Strafe ist hiernach notwendig für den Täter.
daran hatte ich nicht gedacht...
Man unterscheide zwischen Theorie und Deutung.
Mit der Theorie kann man Vorhersagen über die Welt machen, mit der Deutung versucht man sich was unter der Theorie vorzustellen.
Auch mit der Vielweltendeutung kann man nicht vorhersagen, welches Ergebnis man mit einem Wurf mit einer Quantenmünze erhält.
Die Annahme, dass ich mich beim Münzwurf mit dem in zwei Beobachter aufteile von denen einer Kopf und der andere Zahl beobachtet ändert ja nix daran, dass ich bewusst nur Zugang zu einem Beobachter habe, der entweder Kopf oder Zahl beobachtet und keine Überlagerung dieser Zustände.
Die Multi-Welten-Interpretation ist nach meinem Verständnis mehr als eine philosophische Deutung, sondern die konkrete Hypothese, dass die Schrödinger-Wellengleichung universell gültig sei und demnach (anders als nach Kopenhagener Interpretation) weder der bewusste Beobachter eine besondere Rolle hat (Stichwort Schrödingers Katze (https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze)), noch dass es einen Kollaps der Wellenfunktion gibt. Diese Hypothese wird durch Theorie und Experimente der Dekohärenztheorie (https://de.wikipedia.org/wiki/Dekoh%C3%A4renz) gestützt.
Zum Nachlesen und -denken:
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/Messproblem.pdf
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/KarlsruheText.pdf
Pansapiens
19-04-2018, 01:53
Mir ist es zunächst darum, dass ich hier die Stimmung verspüre, hach, diese ganzen Erkenntnisse der Wissenschaft, z.B. der Physik, das können wir alles nicht philosophisch beschreiben, das widerspricht ja dem und dem und dem.
Aha, "Du verspürst die Stimmung"....
Objektiv nachvollziehbar hat hier Aiki50+ den "Eindruck" geäußert, "dass Philosophen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel weit hinterherhinken" und dabei auch später erklärt, dass er sich auf den hier mehrfach verlinkten Artikel zum Determinismus auf der Seite "Philosophie verständlich" bezieht.
Die Frage wäre, was "philosophisch beschreiben" heißt.
Newton nannte sein Hauptwerk: "Die mathematischen Grundlagen der Naturphilosophie."
Wenn dem so ist, dann ist es doch an uns, die (philosophische) Beschreibung der Welt an die neuen Erkenntnisse anzupassen! Also verweise ich darauf, dass es hier eine Denkrichtung gibt, die (m.E.) auch quantenphysikalische Zustände wie Unbestimmtheit und Zufall mit erfasst.
Für ein System existiert eine Möglichkeit, die notwendig verwirklicht wird (dynamischer Aspekt). Für jedes Element des Systems existiert eine Reihe von Möglichkeiten, von denen sich eine zufällig, nach einer Wahrscheinlichkeitsverteilung realisiert (stochastischer Aspekt). Die Elemente des Systems verwirklichen eine bestimmte Möglichkeit nach einer bestimmten Übergangswahrscheinlichkeit (probabilistischer Aspekt).
http://www.thur.de/philo/project/determinismus.htm#_Toc58236220
Ob man das „antireduktionistisch“ nennen kann weiß ich nicht,
Du weißt schon, dass sich Links anklicke und auch googeln kann?:hehehe:
Das Zitat stammt von 1996 von Herbert Hörtz (https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_H%C3%B6rz), der laut Wiki neben Philosophie auch Physik studierte.
Im Jahre 1960 promovierte er bei Klaus Zweiling an der Humboldt-Universität zu Berlin (HUB) mit „summa cum laude“ mit der Schrift Zur philosophischen Bedeutung der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelationen. Die mündliche Prüfung zur Promotion legte er in den Fächern Philosophie und Physik ab. 1962 habilitierte er sich an der HUB mit einer Schrift über Philosophie und Quantenmechanik.
Da würde ich mal ganz frech behaupten, dass das Zitat eher auf seine Beschäftigung mit der Physik zurückgeht, als auf die Aussagen des dialektischen Determinismus vor der QT.
Antireduktionistisch (holistisch?) nenne ich das, was ich zitierte bzw. verlinkte. Auch Du unterschiedst ja zwischen mechanischem Determinismus und dialektischem Determinismus:
Die Herausbildung der neuen Weltanschauung war mit einer prinzipiellen Kritik des mechanischen Determinismus verbunden. Der mechanische Determinismus hatte den Idealismus auf dem Gebiet der Gesellschaft nicht beseitigt. Die biologische Konstitution einzelner Menschen und ihre Ideen waren danach für die gesellschaftlichen Ereignisse entscheidend. Diese Auffassung widersprach den wirklichen Ereignissen. Engels bemerkt dazu: „Während jedoch der Umschwung in der Naturanschauung nur in dem Maß sich vollziehn konnte, als die Forschung den entsprechenden positiven Erkenntnisstoff lieferte, hatten sich schon viel früher historische Tatsachen geltend gemacht, die für die Geschichtsauffassung eine entscheidende Wendung herbeiführten.
Zu den von Engels erwähnten historischen Tatsachen gehörte beispielsweise der Aufstand der Lyoner Seidenarbeiter im Jahre 1831. Ihre Forderung auf Erhöhung des Arbeitslohns wurde durch die Unternehmer abgelehnt, und es kam zum Aufstand. Unter der Losung: „Arbeitend leben oder kämpfend sterben“,
[...]
Diese historischen Tatsachen zwangen zur Überprüfung der alten Geschichtsauffassung. Nicht Einzelpersönlichkeiten, sondern bestimmte Menschengruppen bestimmten die gesellschaftli-chen Ereignisse. Nicht die Lage der Atome im Körper eines Einzelnen konnte diese histori-schen Tatsachen erklären. Der Determinismus mußte von seiner mechanischen Beschränkung befreit werden, wenn er zur Erklärung der gesellschaftlichen Vorgänge in der Lage sein sollte. Es kam nicht darauf an, die gesellschaftlichen Vorgänge auf mechanische Vorgänge zurückzuführen. Die Unmöglichkeit eines solchen Vorgehens war praktisch erwiesen.
[...]
Die Einführung des Materialismus zur Erklärung der Gesellschaft war ein historischer Sieg der wissenschaftlichen Determinismusauffassung. Ließ doch der mechanische Determinismus auf dem Gebiet der Gesellschaft auch alle möglichen mystischen Konstruktionen über das Eintreten bestimmter Atome zu bestimmten Zeiten in die Galle eines Fanatikers zu. Demgegen-über wurde nachgewiesen, daß die materiellen Ursachen für bestimmte gesellschaftliche Erscheinungen in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen zu suchen sind, die ebenfalls gesetzmäßig entstehen und vergehen. Damit wurde der Determinismus auch für die Gesellschaft als gültig anerkannt.
http://www.max-stirner-archiv-leipzig.de/dokumente/Hoerz-Herbert-Determinismus.pdf
Nach meinem Verständnis wurde da aufgrund geschichtlicher Ereignisse gefolgert, dass diese nicht auf mikroskopische Eigenschaften des Systems zurückgeführt oder durch diese erklärt werden können, sondern es eben gesellschaftliche "Kräfte" oder Dynamiken gibt, die dieses Geschehen bestimmen (determinieren).
auf jeden Fall ist es eine Erweiterung des Reduktionismus um den Aspekt, dass nicht jeder Ursache eine genau bestimmte Wirkung folgt, sondern manche Ereignisse schlicht zufällig sind bzw. der Determinismus sich nur auf eine bestimmte Auswahl an Möglichkeiten bezieht.
Das ist die mir bekannte Deutung der QM, zumindest wenn man sich mit der einen Welt beschäftigt in der man sich bewusst vorfindet, mit der sich der zitierte ja wohl intensiv beschäftigte,.
Dennoch verstehe ich nicht, wie die Gesetze höherer Ebenen diese Indeterminismuslücke, die ja nur zufällig ist, so einschränken können, dass man die als Gesetze erkennt.
Beispiel: Ich beobachte ein Fußballspiel.
Ich kann feststellen, dass da 23 Leute auf dem Rasen sind.
2 davon bleiben eher in der Nähe einer Holzkonstruktion mit Netz und fassen den Ball auch mit Händen an, 20 davon vermeiden Handkontakt mit dem Ball.
Einer scheint Ballkontakte generell eher zu vermeiden, es sei denn, er hat vorher ein akustisches Signal mit einer Pfeife gegeben.
Es scheint eine mit der Kleidungsfarbe korrelierte Bewegungsrichtung zu geben, die sich nach 45 Minuten und einer kurzen Pause ändert.
Der Ball zeigt in Verbindung mit der Interaktion mit den Menschen ein Bestreben hin zu den Holzgestellen, hier zeigt sich auch wieder eine Richtungsabhängigkeit von der Kleidungsfarbe des zuletzt Interagierenden.
Offenbar ist die Bewegungsfreiheit der beteiligten Materie durch das Regelwerk in Verbindung mit den Fußballerhirnen eingeschränkt.
Wenn man von einer auf mikroskopischer Ebene determinierten Welt ausgeht, dann scheint das nur so, denn schließlich hat die Materie ja ohnehin keine Möglichkeit von seiner Bestimmung abzuweichen und damit war durch die Anfangsbedingungen und die Gesetze festgelegt, dass sich Fußballer bei einem Fußballspiel so verhalten, als gäbe es ein Regelwerk, dass über Gehirnzustände auf das Verhalten rückwirkt.
Wenn man von einer Indeterminismuslücke ausgeht, die sich so äußert, dass auf mikroskopischer Ebene eine Wirkung keine notwendige Folge hat, sondern verschiedene Möglichkeiten, die mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten erreicht werden..., kann damit eine Bewegungsfreiheit entstehen, die durch Regeln höherer Komplexitätsebenen (z.B. Abseitsregel) wieder so eingeschränkt wird, dass man diese Regel ablesen kann?
Dann wäre Abweichung ja nicht mehr zufällig, oder?
Mein Weltbild ist ein materialistisches, d.h. ich gehe zunächst mal von dem aus, was IST, dabei wiederum von dem, was (relativ) gesichert ist. Das ist so bei den Grundkräften. Sollte sich jetzt herausstellen, dass die „dunkle Energie“ als 5. Grundkraft bezeichnet werden muß, wird sie auch in einem bestimmten Verhältnis stehen zu den vier anderen und wird sich in irgendeiner Weise wissenschaftlich-physikalisch wie auch philosophisch beschreiben lassen. Damit hätte ich kein Problem, und als „reduktionistisch“ würde ich das auch nicht bezeichnen.
Es wird Dir eventuell schwer fallen, die Fußballregeln oder auch die Gesetzmäßigkeiten, die Engels in den Aufständen und Klassenkämpfen meinte gefunden zu haben, auf die drei bis fünf Grundkräfte zurückzuführen.
Pansapiens
19-04-2018, 02:08
Einige Ausformulierungen finden sich hier: http://www.bpb.de/izpb/7740/vom-sinn-und-zweck-des-strafens?p=all
Ja, da wird auch die geiche Frage thematisiert, die ich stellte: wo soll denn der freie Wille herkommen:
Man stelle sich den Augenblick vor, wo das Gehirn [...] das Für und Wider eines Verbrechens abwägt. Alle verfügbaren Argumente wurden durchdacht, dann senkt sich die Waagschale in Richtung Straftat. Sollte es einen freien Willen geben, auf dem das Konzept der Schuldfähigkeit beruht, müsste jetzt ein neuer Faktor auftreten können, der die Schale unabhängig von den Argumenten und Motiven wieder hebt. Auf die Frage, woher ein solcher Faktor kommen sollte, hat allerdings noch niemand eine Antwort gefunden.
"Aus psychologischer Sicht kann man uns eine Handlung nur dann als unser Handeln zuschreiben, wenn es von unseren Motiven bestimmt wird", so Roth. In der Strafrechtstheorie werde jedoch das genaue Gegenteil als Grundlage für Willensfreiheit angesehen: die Fähigkeit, sich von der Bedingtheit durch Motive zu befreien. "Unser Rechtsgewissen ist aber das Produkt unserer Erziehung oder Lebenserfahrung. Es unterliegt wie alle Motive der Persönlichkeitsentwicklung." Anders gesagt: Jeder kann nur mit den Werkzeugen arbeiten, über die er verfügt. [...]
Die Folgerung auf das Strafrecht ist auch nicht sehr dramatisch:
Aber wie könnte ein Strafrechtssystem ohne Schuldprinzip überhaupt aussehen? Zusammen mit der Rechtswissenschaftlerin Grischa Merkel von der Uni Rostock hat Roth gerade ein Modell vorgestellt. Dieses sieht vor, auf Vergeltung generell zu verzichten - laut Bundesverfassungsgericht eines der Ziele von Strafe. Es blieben die Ziele Schadenskompensation, Behebung der sozialen Störung, Abschreckung und Aufrechterhaltung der Norm. Die Höhe einer Strafe ließe sich weiterhin mit Hilfe des § 46 des Strafgesetzbuchs abwägen. Berücksichtigt werden dann unter anderem Beweggründe und Ziele des Täters, das Maß der Pflichtwidrigkeit und seine Bemühungen, den Schaden wiedergutzumachen.
Wobei man selbst die Abschaffung des Vergeltungsziels hinterfragen kann, denn das dient ja dem Opfer, das offenbar, durch was auch immer bedingt, ein entsprechendes Bedürfnis hat und darauf eventuell positiv reagiert.
Daneben gibt es auch ein Genugtuungsinteresse der verletzten Person selbst. Opfer von schweren Straftaten können vielfach das erlittene Leid besser verarbeiten, wenn sie sehen, dass die Täter bestraft werden.
(wobei ich nicht genau weiß, ob das unter Vergeltung fällt, oder unter andere Ziele subsummiert wird)
Aber wie könnte ein Strafrechtssystem ohne Schuldprinzip überhaupt aussehen? Zusammen mit der Rechtswissenschaftlerin Grischa Merkel von der Uni Rostock hat Roth gerade ein Modell vorgestellt. Dieses sieht vor, auf Vergeltung generell zu verzichten - laut Bundesverfassungsgericht eines der Ziele von Strafe. Es blieben die Ziele Schadenskompensation, Behebung der sozialen Störung, Abschreckung und Aufrechterhaltung der Norm. Die Höhe einer Strafe ließe sich weiterhin mit Hilfe des § 46 des Strafgesetzbuchs abwägen. Berücksichtigt werden dann unter anderem Beweggründe und Ziele des Täters, das Maß der Pflichtwidrigkeit und seine Bemühungen, den Schaden wiedergutzumachen.
Hmm... Abschreckung und Aufrechterhaltung der Norm. Setzt das nicht doch wieder Einsicht, Entscheidungsvermögen und (in einem gewissen Maß) Willensfreiheit voraus?
Ebenso: Beweggründe des Täters, und seine Bemühungen, den Schaden wieder gutzumachen? Wenn ich halt nicht anders konnte als ich tat, und mich nicht mehr bemühen kann als es der Fall ist, dann darf das doch nicht subjektiv verrechnet werden?
Aha, "Du verspürst die Stimmung"....
Objektiv nachvollziehbar hat hier Aiki50+ den "Eindruck" geäußert, "dass Philosophen den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen in der Regel weit hinterherhinken" und dabei auch später erklärt, dass er sich auf den hier mehrfach verlinkten Artikel zum Determinismus auf der Seite "Philosophie verständlich" bezieht.
Ja. Aber Emotionen gehören zur Wirklichkeit, auch wenn sie subjektiv sind. Und dann ich habe Beispiele gebracht, die das Gegenteil belegen.
Du weißt schon, dass sich Links anklicke und auch googeln kann? :hehehe:
Wie könnte ich daran zweifeln!
Das Zitat stammt von 1996 von Herbert Hörtz (https://de.wikipedia.org/wiki/Herbert_H%C3%B6rz), der laut Wiki neben Philosophie auch Physik studierte.
Genau. Du hast ihn ja auch zitiert. Und dafür sind die Quellenangaben ja da, nich?
Da würde ich mal ganz frech behaupten, dass das Zitat eher auf seine Beschäftigung mit der Physik zurückgeht, als auf die Aussagen des dialektischen Determinismus vor der QT.
Und ich behaupte mal ganz frech das, was ich bisher schon sagte: Die materialistische Dialektik versucht, die Welt in all ihren Einzelheiten, Zusammenhängen und Wechselwirkungen zu erkennen und zu beschreiben. Die Erkenntnisse der Naturwissenschaften liefern Belege, aus denen diese Sichtweise stammt und die sie stützen. Dass Leukip und Demokrit „Atomos“ als das kleinste Teilchen annahmen, während wir heute wissen, dass es kleinere gibt, ändert daran nichts. Und wenn Hörz´Aussagen aus seiner Beschäftigung mit der QT folgen, bestätigt das doch meine Behauptung, nämlich dass die QT Belege liefert für die Richtigkeit der Auffassungen des DM. Genau so, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse seine Grundlage liefern.
Die Einführung des Materialismus zur Erklärung der Gesellschaft war ein historischer Sieg der wissenschaftlichen Determinismusauffassung. ... daß die materiellen Ursachen für bestimmte gesellschaftliche Erscheinungen in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen zu suchen sind, die ebenfalls gesetzmäßig entstehen und vergehen. [/B]Damit wurde der Determinismus auch für die Gesellschaft als gültig anerkannt.
Nach meinem Verständnis wurde da aufgrund geschichtlicher Ereignisse gefolgert, dass diese nicht auf mikroskopische Eigenschaften des Systems zurückgeführt oder durch diese erklärt werden können, sondern es eben gesellschaftliche "Kräfte" oder Dynamiken gibt, die dieses Geschehen bestimmen (determinieren).
Nach deinem Verständnis. Nach meinem Verständnis steht da „auch“. Es muß also vorher oder zumindest gleichzeitig etwas anderes gegeben haben, für das er auch als gültig angesehen wurde – die Natur.
Der Werdegang war doch der: Seit den Griechen gab es in der Philosophie zwei große Strömungen. Hegel, der in hervorragender Weise die Dialektik entwickelt hatte, gehörte zur „idealistischen“ Strömung. Er ging davon aus, dass diese „Bewegungsgesetze“ Teil einer „höheren Idee“ seien. Und dann kamen die „Junghegelianer“ und setzen Ihre Auffassung dagegen. Es gibt keine „große Idee“, der alles folgt, sondern wir haben es hier mit Vorgängen zu tun, die eben kennzeichnend sind für die Prozesse in der Welt, in der wir leben. Das ist die materialistische Auffassung.
Dennoch verstehe ich nicht, wie die Gesetze höherer Ebenen diese Indeterminismuslücke, die ja nur zufällig ist, so einschränken können, dass man die als Gesetze erkennt.
Auf das Fußball-Klettergerüst geht ich jetzt mal nicht mit, u.a. weil: Es gibt keine „Indeterminismuslücke“. Wo steht geschrieben, dass alles determiniert sein müßte? Innerhalb der Ursache-Wirkungs-Beziehungen mit zigzig Einflüssen gibt es eben Konstellationen, die „mit Notwendigkeit“ entstehen, und andere, für die sich Möglichkeiten ergeben, die dann zufällig verwirklicht werden oder eben auch nicht.
..kann damit eine Bewegungsfreiheit entstehen, die durch Regeln höherer Komplexitätsebenen (z.B. Abseitsregel) wieder so eingeschränkt wird, dass man diese Regel ablesen kann? Dann wäre Abweichung ja nicht mehr zufällig, oder?
Was wäre denn eine solche „höhere Komplexitätsebene“, wenn man mal vom Fußball weggeht und die Welt als solche betrachtet?
Es wird Dir eventuell schwer fallen, die Fußballregeln oder auch die Gesetzmäßigkeiten, die Engels in den Aufständen und Klassenkämpfen meinte gefunden zu haben, auf die drei bis fünf Grundkräfte zurückzuführen.
Wer will das? Du tust so, als sei der „historische Materialismus“, über den du hier sprichst, die Grundlage des dialektischen Materialismus. Er ist aber nur ein Teil dessen. Das wirklich neue an dieser Auffassung war, dass die Entwicklungsprozesse eben nicht nur in der Natur, sondern auch in der Gesellschaft beschrieben werden konnten. Dialektik als „Wissenschaft von den Bewegungs- und Entwicklungsgesetzen der Natur, der Gesellschaft und des Denkens“.
Beispiel: Das „Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative“ läßt sich beobachten, wenn du dir Wasser für deinen Frühstückstee heiß machst. Das wird ab einer bestimmten Energiezufuhr zu Dampf, neuer Aggregatzustand, neue Qualität.
Es läßt sich auch beobachten, wenn in einem gesellschaftlichen System Widersprüche zwischen Gruppen nicht gelöst, sondern mehr oder minder gewaltsam niedergehalten werden. Irgendwann werden sie so stark, dass es zu einer Bewegung kommt, die man dann z.B. Revolution nennt. Die Systemgrenzen werden überschritten - neue Qualität.
Dass dieser Zusammenhang sowohl in physikalischen Prozessen sichtbar wird wie auch in gesellschaftlichen, heißt doch nicht, dass ein in der Gesellschaft wirkender Zusammenhang deshalb auch in der Natur wirkt! Engels hat mitnichten aus den gesellschaftlichen Entwicklungsgesetzen auf die Natur geschlossen. Im Gegenteil, er hat die Dialektik sehr weitgehend naturwissenschaftlich begründet (Beispiele hatte ich genannt) und festgestellt, dass sich Entwicklungsprozesse in der menschlichen Gesellschaft mit dem gleichen Instrumentarium beschreiben lassen. Das ist doch ein großer Unterschied.
In der menschlichen Gesellschaft gibt es aber ein zusätzliches Problem. Entwicklungen hier setzen sich über menschliches Handeln durch. Hier kommen die Begriffe „Bewußtsein“ und „freier Wille“ ins Spiel. Wir erleben vielfältige Versuche, diese Kategorien zu beeinflussen, um das Handeln der Menschen in bestimmte Richtungen zu lenken. Die Interessen der jeweiligen Gruppen kommen in diesen Versuchen zum Ausdruck.
Der Anteil „nicht-notwendiger“ Entwicklungen dürfte im gesellschaftlichen Bereich also relativ höher sein als bei Naturprozessen, bei denen diese Manipulationsmöglichkeit entfällt.
Pansapiens
21-04-2018, 01:59
Ja. Aber Emotionen gehören zur Wirklichkeit, auch wenn sie subjektiv sind.
Eine Emotion wäre ein innerer Zustand wie "Wut", "Trauer", "Freude", "Angst"....
Wenn jemand sagt "ich verspüre hier die Stimmung, dass...." handelt es sich wohl eher um den vagen Eindruck der Außenwelt (wie die anderen Diskussionsteilnehmer gestimmt seien), der auf einer - wohl eher ungenauen - Interpretation der Wirklichkeit beruht.
Wie könnte ich daran zweifeln!
Hier im KKB kann man relativ sicher davon ausgehen, dass ein Großteil der Leute andere Links nicht anklicken, ja sogar dass die eigene Links selbst nicht durchgelesen haben. :D
Und wenn Hörz´Aussagen aus seiner Beschäftigung mit der QT folgen, bestätigt das doch meine Behauptung, nämlich dass die QT Belege liefert für die Richtigkeit der Auffassungen des DM. Genau so, wie naturwissenschaftliche Erkenntnisse seine Grundlage liefern.
Deine Aussage war:
Man muß nicht "Quantentheorie" verstanden haben. Und die Philosohie ist voraus. Ich hatte schonmal angedeutet, dass das Konzept des "dialektischen Determinismus" sehr wohl den Zufall als eine mögliche Folge in einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang anerkennt. Die Formulierung stammt aus dem 19./20. Jhdt., und es sind m. E. die Erkenntnisse der Quantenphysik, die nunmehr eine physikalische Begründung liefern.
[Hervorhebungen von mir]
Die Formulierung, die Du hier zitiertest, stammt zwar aus dem 20. Jahrhundert, aber die Quantenphysik stammt ebenfalls aus dem 20. Jahrhundert und zwar aus dem ersten Drittel und die Erkenntnisse liegen damit deutlich vor der angegebenen Entstehungszeit der von Dir geposteten Formulierung.
Der Urheber des Zitats ist sogar nach der Entwicklung der Kopenhagener Deutung geboren.
Natürlich gab es wahrscheinlich auch vor der Kopenhagener Deutung Leute, die den Determinismus ablehnten, denn das widerspricht ja - siehe auch die Ansichten von Max Planck weiter vorne - der Intuition bzw. der subjektiven Wirklichkeit des Menschen als selbstbestimmt handelndes Wesen.
Wie hier von anderen schon erwähnt, gibt es die Diskussion um Willensfreiheit auch in Religionen, es ist also keine große Kunst, der Meinung zu sein, dass nicht alles vorherbestimmt sei.
Die Frage ist vielmehr, wie man das begründet.
In den von mir geposteten Zitaten, die ja tatsächlich die Formulierung vor der Entwicklung der Kopenhagener Deutung widergeben, ließt sich das ganz anders, als bei Hörz moderner Formulierung.
Engels macht sich ja über die damalige naturwissenschaftliche Auffassung lustig, anstatt irgendein sinnvolles Gegenargument zu liefern:
Nach dieser Auffassung herrscht in der Natur nur die einfache direkte Notwendigkeit. Daß diese Erbsenschote fünf Erbsen enthält und nicht vier oder sechs, daß der ******* dieses Hundes fünf Zoll lang ist und nicht eine Linie länger oder kürzer, daß diese Kleeblüte dies Jahr durch eine Biene befruchtet wurde und jene nicht, und zwar durch diese bestimmte Biene und zu dieser bestimmten Zeit ..., alles das sind Tatsachen, die durch eine unverrückbare Verkettung von Ursache und Wirkung, durch eine unerschütterliche Notwendigkeit hervorgebracht sind .
Die Darstellung der damaligen Situation durch oben erwähnten Herbert Hörz ist nicht , dass die Lücken im Determinismus auf mikroskopischer Ebene auftreten, wie von der QT motiviert, sondern dass die makroskopische Ebene halt extrem kompliziert sei:
Überall erfordert die Charakterisierung der Zustände mehr als die bloße Angabe von Lage und Geschwindigkeit. Wir werden später sehen, daß vor allem die gesellschaftliche Wirklichkeit die Berücksichti-gung der verschiedensten Faktoren verlangt. Diese komplizierte Wirklichkeit müßte nun im mechanisch-deterministischen Sinne dadurch erfaßt werden, daß alle Kausalbeziehungen berücksichtigt würden, die hier eine Rolle spielen. Nur dann wäre es möglich, entsprechende Voraussagen zu machen. Damit zeigt die Kritik des mechanischen Determinismus, daß er nicht in der Lage ist, mit Hilfe seiner Beschreibung der Zustände die Wirklichkeit zu erfassen.
Nach nochmaligem Lesen erkenne ich nun, dass er hier nur von der praktischen Unmöglichkeit spricht, die Kausalbeziehungen zu erfassen während die von mir hervorgehobene Bemerkung andeutet, dass er eine theoretische Vorhersagbarkeit im Fall der Kenntnis aller Kausalbeziehungen nicht ausschließt, was ja auch die Aussage von Laplace war. Determinismus, wie er von Naturwissenschaftlern vor der QT vertreten wurde, bezieht sich nicht darauf, was man tatsächlich vorhersagen kann, sondern auf die Frage, ob etwas grundsätzlich kausal festgelegt ist, auch wenn wir dies nie erkennen können.
Engels war da offenbar anderer Auffassung, denn er warf ja laut Hörz den anderen vor, den Zufall zu leugnen, d.h. er ging davon aus, dass die Welt tatsächlich indeterminiert ist.
Motiviert war Engels offenbar eher durch seine antitheistische Einstellung, als durch sinnvolles Schließen aus Beobachtungen:
Engels bemerkt, daß wir mit dieser Auffassung nicht von der Theologie wegkommen und daß es gleichgültig ist, ob wir hier von [54] Notwendigkeit, Gott oder Schicksal sprechen.
Auf das Fußball-Klettergerüst geht ich jetzt mal nicht mit, u.a. weil: Es gibt keine „Indeterminismuslücke“. Wo steht geschrieben, dass alles determiniert sein müßte?
Z.B. hier:D:
Es gibt keine „Indeterminismuslücke“.
Ich wollte schreiben "Indeterminiertheitslücke". Damit ist eine "Lücke in den Naturgesetzen"gemeint, wodurch eben nicht alles determiniert ist. Wenn es keine solche Lücke gibt, dann ist alles determiniert.
Siehe hier> http://www.philosophieverstaendlich.de/stichworte/akteurskausalität.html
Dass alles determiniert sei habe ich also nicht zwingend in meinem Fußballgedankenexperiment vorausgesetzt.
Innerhalb der Ursache-Wirkungs-Beziehungen mit zigzig Einflüssen gibt es eben Konstellationen, die „mit Notwendigkeit“ entstehen, und andere, für die sich Möglichkeiten ergeben, die dann zufällig verwirklicht werden oder eben auch nicht.
Was wäre denn eine solche „höhere Komplexitätsebene“, wenn man mal vom Fußball weggeht und die Welt als solche betrachtet?
Sich mit einfachen Beispielen nicht beschäftigen wollen aber gleich die Welt als solche betrachten?:hehehe:
Höhere Komplexitätsebenen wären z.B. Leben => bewusstes Leben => Gesellschaft
Kann man auch an Wissenschaften festmachen:
Physik => Chemie => Biologie => Psychologie => Soziologie
Davon sind ja zumindest die ersten drei Naturwissenschaften, d.h. dort wird wohl nicht davon ausgegangen, dass die Gesetze der höheren Komplexitätsebene die Gesetze der niederen Komplexitätsebene aushebeln können.
Die können nur weitere Gesetze hinzufügen, d.h. die Möglichkeiten weiter einschränken.
Wenn aber schon auf mikroskopischer Ebene keine Alternativen erkennbar sind, oder nur solche, die dann doch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung erfüllen müssen, wie könnten die von höheren Ebenen weiter eingeschränkt werden?
Wer will das?
Der Reduktionist geht davon aus, dass es zumindest theoretisch möglich sei.
Beispiel: Das „Gesetz vom Umschlagen quantitativer Veränderungen in qualitative“ läßt sich beobachten, wenn du dir Wasser für deinen Frühstückstee heiß machst. Das wird ab einer bestimmten Energiezufuhr zu Dampf, neuer Aggregatzustand, neue Qualität.
Das will ich nicht leugnen.
Man könnte sich noch überlegen, welche Qualitäten bei weiterer Energiezufuhr erscheinen und ob es eine "letzte" Qualität gibt, die auch bei weiterer Energiezufuhr nicht mehr umschlägt....
Dass dieser Zusammenhang sowohl in physikalischen Prozessen sichtbar wird wie auch in gesellschaftlichen, heißt doch nicht, dass ein in der Gesellschaft wirkender Zusammenhang deshalb auch in der Natur wirkt!
Hat das jemand gesagt?
Bzw. natürlich muss er "in der Natur wirken", denn die Gesellschaft ist Teil der Natur und die Elemente sind den Naturgesetzen unterworfen.
D.h. Gesetze, die tatsächlich in der Gesellschaft gelten (z.B. Fußballregeln) können die Naturgesetze nicht außer Kraft setzen (siehe oben)
Pansapiens
21-04-2018, 02:27
Hmm... Abschreckung und Aufrechterhaltung der Norm. Setzt das nicht doch wieder Einsicht, Entscheidungsvermögen und (in einem gewissen Maß) Willensfreiheit voraus?
Einsicht, im Sinne von Einbeziehen der Norm in den Entscheidungsprozess? => ja
Entscheidungsvermögen, im Sinne auf verschiedene Situationen unterschiedlich reagierten? => ja
Willensfreiheit wie von Roth verstanden? => nein.
Man stelle sich den Augenblick vor, wo das Gehirn [...] das Für und Wider eines Verbrechens abwägt. Alle verfügbaren Argumente wurden durchdacht, dann senkt sich die Waagschale in Richtung Straftat. Sollte es einen freien Willen geben, auf dem das Konzept der Schuldfähigkeit beruht, müsste jetzt ein neuer Faktor auftreten können, der die Schale unabhängig von den Argumenten und Motiven wieder hebt.
Pansapiens
22-04-2018, 20:38
Die Multi-Welten-Interpretation ist nach meinem Verständnis mehr als eine philosophische Deutung, sondern die konkrete Hypothese, dass die Schrödinger-Wellengleichung universell gültig sei und demnach (anders als nach Kopenhagener Interpretation) weder der bewusste Beobachter eine besondere Rolle hat (Stichwort Schrödingers Katze (https://de.wikipedia.org/wiki/Schr%C3%B6dingers_Katze)), noch dass es einen Kollaps der Wellenfunktion gibt. Diese Hypothese wird durch Theorie und Experimente der Dekohärenztheorie (https://de.wikipedia.org/wiki/Dekoh%C3%A4renz) gestützt.
Zum Nachlesen und -denken:
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/Messproblem.pdf
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/KarlsruheText.pdf
Auch wenn es keinen Kollaps der Wellenfunktion gibt, so entziehen sich doch die anderen Zweige der universellen Wellenfunktion durch den Verschränkungsprozess dem Zugriff eines lokalen Beobachters.
Aus Deinem vierten Link:
Dekohärenz beschreibt also einen scheinbaren Kollaps in quasi-klassische Zustände.
Die Frage ist: Genügt das, wenn wir nur beschreiben wollen, was wir beobachten? Dazu müssen
wir zwar akzeptieren, daß wir nur eine der n-Komponenten wahrnehmen, aber ob und
wann die übrigen durch einen Kollaps aus der Realität verschwinden, bleibt uns verborgen.
D.h. sobald eine Quantenmünze in dem Zustand
2-0,5(ψMKopf+ψMZahl) mit der Umgebung hinreichend wechselwirkt, kann ein lokaler Beobachter, der ebenfalls mit der Umgebung wechselwirkt, nur noch ψMKopf oder ψMZahl feststellen.
Aus der Theorie kann der lokale Beobachter nicht ablesen, welcher Zustand in Einzelfall verwirklicht wird, lediglich die Wahrscheinlichkeit (0,5) für die Verwirklichung der jeweiligen Einzelzustände.
Wenn man also an einer universellen Schrödingergleichung festhalten will, muß man
die Frage stellen, was denn eine verschränkte Wellenfunktion von mikroskopischem Objekt
und Meßgerät bedeuten kann. Dazu muß man untersuchen, was passiert, wenn man einen solchen
Zustand beobachten würde, wozu auch der Beobachter konsequenterweise in die quantenmechanische Beschreibung einzubeziehen ist.
Liest er etwa das Ergebnis ab, wird er zwangsläufig selber mit der Zeigerstellung des Apparats verschränkt – wäre also objektiv
gleichzeitig in Zuständen unterschiedlicher Wahrnehmung. Obwohl wir aber im Gegensatz
dazu (im Rahmen der Ablesegenauigkeit) stets nur bestimmte Zeigerstellungen wahrnehmen,
müssen wir diese Konsequenz nicht verwerfen, wie zuerst Hugh Everett im Jahre 1957 bemerkt
hat. Wir müssen aber den Schluß ziehen, daß „wir“ als subjektive Beobachter jeweils
nur einer der faktorisierenden Komponenten der universellen Wellenfunktion entsprechen –
ähnlich wie der Begriff „ich“ sich auf nur einen unter vielen objektiv gleichermaßen
existierenden Beobachtern bezieht. Denn sowohl räumlich getrennte Beobachter im üblichen
Sinne wie auch deren im Konfigurationsraum getrennten unterschiedlichen „Versionen“
würden als Teile einer globalen Realität dynamisch hinreichend stabile und komplexe
Partialsysteme des Universums definieren (s. die nachfolgenden Bemerkungen über
Dekohärenz). Ein völlig neues Weltbild erfordert eben völlig neue Zuordnungen zur
subjektiven Wahrnehmung!
[....]
Auch wenn objektiv weiterhin nur eine Superposition
aller Meßergebnisse vorliegt, kann man von einem Ensemble verschiedener subjektiver
Versionen des Beobachters reden, da diesen aus dynamischen Gründen (ihrer Autonomie)
getrennte Bewußtseinsinhalte entsprechen müssen.
http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~as3/Teilchen+Wellen.pdf
Was heißt das nun für die Frage, ob die Welt/Natur deterministisch oder deterministisch ist?
Kommt drauf an, was man unter "Welt" oder "Natur" versteht:
Der in der Natur beobachtete Indeterminismus der Quantenphänomene ist also wegen
der unter den beschriebenen Annahmen weiter existierenden Gesamtwellenfunktion nicht objektiv,
sondern nur subjektiv durch die multiple Zukunft aller potentiellen Beobachter („many
minds“) bedingt – wenn auch objektivierbar unter verschiedenen Beobachtern innerhalb einer
„Welt“, zu denen auch „Wigners Freund“ oder Schrödingers Katze gehören würden.
D.h. auch die Vielwellendeutung sagt voraus, dass sich das Partialsystem eines lokalen Beobachters (seine Welt) prinzipiell indeterminiert verhält, auch wenn das Gesamtsystem, von dem dem lokalen Beobachter nur sein Partialsystem zugänglich ist, deterministisch ist.
Dabei scheint mir dieser Determinismus von einer anderen Qualität zu sein, als der Determinismus der klassischen Physik.
Bezogen auf einen klassische Münze sagt ja letzterer, dass das Ergebnis eines Münzwurfes durch die Anfangsbedingungen so festgelegt sind, dass ein Beobachter zwangläufig ein bestimmtes Ergebnis vorfinden wird.
In der Vielwelten-Interpretation gibt es für jedes mögliche Ergebnis einen Beobachter, der dieses Ergebnis auch beobachtet.
Der Lesch hat übrigens mal in einem Vortrag über Dekohärenz die Multiwelten-Interpretation als "hirnrissiger Quatsch" bezeichnet...:hehehe:
Scheint also Anhänger einer Kollaps-Hypothese (gewesen?) zu sein ("indKoll" in Deinem vierten Link):
https://www.youtube.com/watch?v=pTPuWIasLBg
Auch wenn es keinen Kollaps der Wellenfunktion gibt, so entziehen sich doch die anderen Zweige der universellen Wellenfunktion durch den Verschränkungsprozess dem Zugriff eines lokalen Beobachters.
Richtig
Was heißt das nun für die Frage, ob die Welt/Natur deterministisch oder deterministisch ist?
Kommt drauf an, was man unter "Welt" oder "Natur" versteht:
D.h. auch die Vielwellendeutung sagt voraus, dass sich das Partialsystem eines lokalen Beobachters (seine Welt) prinzipiell indeterminiert verhält, auch wenn das Gesamtsystem, von dem dem lokalen Beobachter nur sein Partialsystem zugänglich ist, deterministisch ist.
Dabei scheint mir dieser Determinismus von einer anderen Qualität zu sein, als der Determinismus der klassischen Physik.
Bezogen auf einen klassische Münze sagt ja letzterer, dass das Ergebnis eines Münzwurfes durch die Anfangsbedingungen so festgelegt sind, dass ein Beobachter zwangläufig ein bestimmtes Ergebnis vorfinden wird. In der Vielwelten-Interpretation gibt es für jedes mögliche Ergebnis einen Beobachter, der dieses Ergebnis auch beobachtet.
Ja. Man kann das Gedankenexperiment mit den Quanten-Münzen so erweitern, dass der Spieler die Münze nicht nur einmal sondern viele Male, z.B. 500 mal wirft. Dann würde es 2500 mögliche Ergebnisse und entsprechend viele diesbezüglich unterscheidbare Welten (oder Verzweigungen) geben. In fast allen Verzweigungen sieht der Beobachter ca. 50% Kopf und 50% Zahl mit einer zufällig erscheinenden Sequenz (also kein Muster wie 010101010...). So erklärt Max Tegmark in seinem Buch "Unser mathematisches Universum"*, warum einem lokalen Beobachter Ereignisse zufällig indeterminiert erscheinen, obwohl sie aus globaler Sicht vollständig deterministisch sind.**
Der Lesch hat übrigens mal in einem Vortrag über Dekohärenz die Multiwelten-Interpretation als "hirnrissiger Quatsch" bezeichnet...:hehehe:
Scheint also Anhänger einer Kollaps-Hypothese (gewesen?) zu sein ("indKoll" in Deinem vierten Link):
Das nehme ich auch an. "indKoll" = "Durch die Umgebung ausgelöster Kollaps der Wellenfunktion". Die Einschätzung wird bestätigt durch eine aktuellere Sendung (2015) "Schrödingers Katze und die Dekohärenz" (https://www.youtube.com/watch?v=ccHYthWcAYo)
Lesch ist ja wohl nicht der einzige Physiker, der die Multiwelten-Intepretation als Quatsch oder Unfug bezeichnet hat (so auch Nobelpreisträger Prof. Dr. Theodor W. Hänsch (http://www.drillingsraum.de/theodor_haensch/theodor_haensch_6.html)). Eine einfache, vermutlich bei Experimental-Physikern beliebte Philosophie ist das "shut-up and calculate", was aber für theoretische Physiker und an Naturphilosophie interessierte natürlich völlig unbefriedigend ist.
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*) Leider kann ich den Inhalt nicht verlinken. Das Taschenbuch ist aber mit 11,- recht preiswert.
**) Das ist übrigens die Anwendung eines mathematischen Theorems von Borel aus dem Jahre 1909.
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