Vollständige Version anzeigen : Frage an die Sinologen zu den shi-san-shi
Hallo zusammen,
gestern habe ich auf dieser Page (http://www.chen-fra.de/13_Grundtechniken.html) folgendes zum Thema "lie" gelesen:
Lie ist eine schnelle, reißende Kraft. Lie, das Trennen, soll den Gegner wie der Name schon sagt zertrennen. Und nein, ich nehme dazu nicht unbedingt ein Schwert oder Messer zur Hilfe, wie das Schriftzeichen vermuten lässt!
Was mich, als "Nicht-Sinologe" interessiert, ist ob es ähnlich Verweise (Schwert / Messer bei lie) in den Schriftzeichen der restlichen 12 gibt, und falls ja welche Verweise.
Habe diesbezüglich erst mal "gegoogelt", aber nichts sinnvolles gefunden.
Falls es da was im Netz gibt, wäre ein Link auch klasse.
Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße
DatOlli
Hi Olli
Du meinst, ob das Radikal für "Schwert, Säbel, Messer" (刂) noch in Bezeichnungen von (Jin-)Kräften des Taijiquan vorkommt? Die gängigen acht sind ja peng, lü, ji, an, cai, lie, zhou und kao. Dabei kommt obiges Radikal nur in lie (列) vor.
Grüße,
Julian
Das dürfte eher Zufall sein, weil das Wort lie halt in einer Bedeutung "stark, intensiv, gewalttätig, wild" bedeutet.
https://dictionary.hantrainerpro.com/chinese-english/translation-lie_strong.htm
Wenn ich das richtig deute, handelt es sich um ein Piktogramm was entweder die Herstellung von Schwertern über einem Feuer darstellt, oder es verbindet "kriegerisch" mit brennendem Feuer. Das darf dann jeder deuten wie er mag. :)
@Klaus
Vielen Dank, auch gerade für den Link.
Habe mich unklar ausgedrückt, in der Frage meine ich.
In "Qi" kommt doch, glaube ich im hier im Forum gelesen zu haben, auch irgendwie Dampf oder Topf (oder so ähnlich) vor, oder aufgerichteten Speere in "Krieg". - Nicht zu genau nehmen, das habe ich nur aufgeschnappt.
Ab und an scheinen ja bildhafte Vorstellungen in den Schriftzeichen enthalten zu sein. So etwas meinte ich für die restlichen Zwölf.
Liebe Grüße
DatOlli
Pansapiens
28-08-2018, 17:25
In "Qi" kommt doch, glaube ich im hier im Forum gelesen zu haben, auch irgendwie Dampf oder Topf (oder so ähnlich) vor, oder aufgerichteten Speere in "Krieg". - Nicht zu genau nehmen, das habe ich nur aufgeschnappt.
Ab und an scheinen ja bildhafte Vorstellungen in den Schriftzeichen enthalten zu sein. So etwas meinte ich für die restlichen Zwölf.
Nicht nur ab und an, das ist doch ursprünglich eine Bilderschrift.
z.B.:
Peng: Hand + zwei getrocknete Hälften zerteiltes Fleisch
Lü: Hand + ein Gewand mit ein paar Schuhen. "Das Gewand reicht über die Füße hinaus und wird leicht hinterhergeschliffen"
Lie: Messer/Schere + ein Kleid.
Quelle: "Schiebende Hände" von J.S.
z.B.:
Peng: Hand + zwei getrocknete Hälften zerteiltes Fleisch
Lü: Hand + ein Gewand mit ein paar Schuhen. "Das Gewand reicht über die Füße hinaus und wird leicht hinterhergeschliffen"
Lie: Messer/Schere + ein Kleid.
Quelle: "Schiebende Hände" von J.S.
Danke, das meinte meine Frage. Da waren's nur noch neun.
Liebe Grüße
DatOlli
T. Stoeppler
28-08-2018, 17:35
Hi,
Dazu kann ich - auch ohne Sinologe zu sein - folgendes sagen:
"Lie" wird korrekterweise als "spaltende" Qualität/Jin übersetzt. Tatsächlich ist damit als Taijiquan Terminus aber so etwas wie eine den Gegner AUFspaltende Wirkung gemeint, eben als schnelle (kurze, heftige) Reaktion. Oft sind damit vorbereitende und ggf schlagende Handtechniken für einen Eingang (meist zum Wurf) gemeint. Klassischerweise (Standardaktion bei Yangs und Chens) kann man z.B. Lie im "slant/diagonal flying" als schräge und flotte(!) Scherbewegung verwenden, um die Struktur des Gegners zu brechen - und dann in einem leicht anderen Winkel zu werfen oder zu hebeln oder beides auf einmal.
Gruss, Thomas
Pansapiens
28-08-2018, 17:45
Danke, das meinte meine Frage. Da waren's nur noch neun.
Huo: "eine Zunge, die Wasser trinkt" (das heißt aber nicht, dass man den anderen ablecken soll, oder an ihm nuckeln, auch nicht (unbedingt) Sucker-Punch.. :D)
Huo: "eine Zunge, die Wasser trinkt" (das heißt aber nicht, dass man den anderen ablecken soll, oder an ihm nuckeln, auch nicht (unbedingt) Sucker-Punch.. :D)
Ähm ja, ich werde drauf achten niemanden zu nahe zu treten.
Danke für Huo.
Liebe Grüße
DatOlli
@Thomas
Danke dir.
Mir ging es nicht wirklich um "lie" oder was die restlichen 12 im TJQ im allgemeinen meinen. Da gibt es ja einiges im Netz.
Es ging mir eher um so etwas in der Richtung:
Wenn ich das Wort "verbinden" nutze, können da ziemlich viele verschiedene Bedeutungen drinstecken. Zusammen binden, vernähen, fusionieren u.s.w.. Trennen kann eine Mauer aber auch ein Messer u.s.w. Die Verknüpfung "im Kopf" ist da schon ziemlich unterschiedlich.
Daher die Frage. Ob ich wiederum eine "emotionale" Verknüpfung zu uralten Bildern einer fremden Kultur herstellen kann ist fraglich bzw. unwahrscheinlich. Aber wenn nicht heute dann vielleicht in ein paar Jahren. Kommt ja auch darauf an, was sich in mir (z.B. an Wissen) ändert.
Liebe Grüße
DatOlli
Hi Olli
Du meinst, ob das Radikal für "Schwert, Säbel, Messer" (刂) noch in Bezeichnungen von (Jin-)Kräften des Taijiquan vorkommt? Die gängigen acht sind ja peng, lü, ji, an, cai, lie, zhou und kao. Dabei kommt obiges Radikal nur in lie (列) vor.
Grüße,
Julian
HI Julian,
erst Mal sorry,sorry.
War wohl gestern arg "durch". Irgendwie hatte ich deinen Post, Klaus "zugeschlagen". Gerade erst gemerkt.
Deshalb noch mal explizit lieben Dank und liebe Grüße.
DatOlli
Pansapiens
29-08-2018, 12:40
Ab und an scheinen ja bildhafte Vorstellungen in den Schriftzeichen enthalten zu sein.
In diesem Zusammenhang vielleicht auch ohne konkret auf die 13 Bewegungsformen einzugehen, ganz interessant:
hier eine Einführung in die Geschichte der chinesischen Schriftzeichen durch Wang Ning:
https://www.youtube.com/watch?v=eBO4PEa-9bI&list=PLI8nI_KGZ5Y1uc4-iCkulp7tuSet_jPF0&index=13
hier ein Artikel von ihm zu Zeichen mit Taijiquan-Bezug:
https://taiji-forum.de/taichi-taiji/#taijiquan
In diesem Zusammenhang vielleicht auch ohne konkret auf die 13 Bewegungsformen einzugehen, ganz interessant:
hier eine Einführung in die Geschichte der chinesischen Schriftzeichen durch Wang Ning:
https://www.youtube.com/watch?v=eBO4PEa-9bI&list=PLI8nI_KGZ5Y1uc4-iCkulp7tuSet_jPF0&index=13
hier ein Artikel von ihm zu Zeichen mit Taijiquan-Bezug:
https://taiji-forum.de/taichi-taiji/#taijiquan
Vielen Dank,
ich fand sowohl den Link, als auch das Video sehr interessant. Jetzt interessiert mich die Ausgangsfrage noch wesentlich mehr.
Liebe Grüße
DatOlli
PS.: Ist das komplex. Können wir in der Übersetzung überhaupt noch etwas relevantes verstehen (rethorische Frage) ?
Ich würde mich da nicht versteifen auf eine Interpretation von Wortzeichen, die ein Konstrukt umschreiben. Eine Katchev-Grätsche ist halt eine bestimmte akrobatische Sache, da kann ich nichts aus dem Namen herleiten. Interessant ist eher von kompetenter Seite, also von Top-Leuten, ein Zeigen was "das" ist. Oder alles sein könnte.
Ich würde mich da nicht versteifen auf eine Interpretation von Wortzeichen, die ein Konstrukt umschreiben. Eine Katchev-Grätsche ist halt eine bestimmte akrobatische Sache, da kann ich nichts aus dem Namen herleiten. Interessant ist eher von kompetenter Seite, also von Top-Leuten, ein Zeigen was "das" ist. Oder alles sein könnte.
Vorneweg, ich kenne keine Katchev-Grätsche. Wäre ich Akrobat und die Grätsche wäre wichtig für mich, würde mich Katchev (mutmaße das ist ein Name) eventuell schon interessieren.
Anders ausgedrückt, mich interessiert durchaus, was ursprünglich mit den Begrifflichkeiten verbunden war.
Ob das heute noch irgendeine praktische Relevanz hat, tut meinem Interesse keinen Abbruch. Die Frage nach dem praktischen Nutzen als KK, nicht als "Add-on", stelle ich mir bei dem Stil, den ich lerne, schon seit geraumer Zeit nicht mehr.
Ich habe gerade noch bei scinexx.de einen interessanten Artikel über die Vandalen gelesen. Auch ohne praktische Relevanz.:)
Liebe Grüße
DatOlli
Auf Neuedeutscherechtsprech heisst die Katschoff-Grätsche. :)
https://www.youtube.com/watch?v=C5atDZwc7O4
Ich meinte nur, dass es für die Funktion nicht relevant ist, warum das Wort so gemalt wird wie es gemalt wird. Das Wort gab es ja vorher schon, und dann hat es einer benutzt um die Familie dieser Aktionen zu bezeichnen.
Ich meinte nur, dass es für die Funktion nicht relevant ist, warum das Wort so gemalt wird wie es gemalt wird. Das Wort gab es ja vorher schon, und dann hat es einer benutzt um die Familie dieser Aktionen zu bezeichnen.
Vielen Dank, jetzt kenne ich auch die Katchev-Grätsche.
Ja, sehe ich ähnlich. Allerdings sehe ich die "shi-san-shi" nicht unbedingt TJQ spezifisch. Aus meiner Sicht sind das nur "smarte" Beschreibungen für Vorgänge in KK allgemein. Mit den "shi-san-shi" könnte ich auch im Kali, HKD, MT, und Karate (um nur die zu nennen mit denen ich etwas Erfahrung sammeln durfte) was anfangen (im Sinne von nutzen).
Um zu den Schriftzeichen zurück zu kommen. Der welcher die Begrifflichkeiten eingeführt hat, hat diese mMn. gewiss nicht zufällig ausgewählt. Er ( ganz vielleicht auch Sie) hätte vmtl auch andere/ähnliche Begriffe wählen können. Dem war aber nicht so.
Das macht die Frage für mich interessant.
Liebe Grüße
DatOlli
Weil es mir gerade einfällt: Da könntest du ein bisschen drin schmökern.
https://www.amazon.de/Gemalte-Wörter-chinesische-Schriftzeichen-Begriff/dp/3932412117/ref=sr_1_2?ie=UTF8&qid=1536069120&sr=8-2&keywords=edoardo+fazzioli
Um zu den Schriftzeichen zurück zu kommen. Der welcher die Begrifflichkeiten eingeführt hat, hat diese mMn. gewiss nicht zufällig ausgewählt. Er ( ganz vielleicht auch Sie) hätte vmtl auch andere/ähnliche Begriffe wählen können. Dem war aber nicht so.
Liebe Grüße
DatOlli
Ich denke, so klar ist das nicht. Die Zeichen für die Kräfte sind zum Teil Eigenkreationen, zum Teil unterscheidet sich die Schreibweise. Auch sind sie ja nicht alle auf einmal von einer konkreten Person eingeführt worden. Das ist alles eher ein Biotop als ein sauber gebautes Haus. Über den Zusammenhang von den jeweiligen Zeichen mit den Kräfte- und Anwendungsideen dürften sich verstreut Hinweise in diversen Texten finden.
Zu Peng kannst du mal hier schauen:
http://sinoblog.de/2016/01/03/掤-peng-urspruenge-eines-zentralen-begriffs-im-taijiquan/
Eine ausführlichere Liste der Jin´s findet sich hier:
https://www.amazon.de/Das-Wesen-Taiji-Quan-geheimen-Trainingsdokumente/dp/3899010035/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1536072941&sr=1-1&keywords=stuart+olson
Kannst du auch gucken hier:
https://brennantranslation.wordpress.com/2014/03/18/taiji-boxing-according-to-chen-yanlin/
Ich finde das Video von Pansapiens zu den Schriftzeichen allgemein super.
Es zeigt sehr schön wie kombinierte Erregungsmuster im Gehirn entstehen. Die chinesische Sprache ist schriftgewordene Neurobiologie und da die Sprache das Denken beieinflusst kann man daran sehr schön zeigen wie „Wissen“ in den Kampfkünsten entsteht.
Das Wichtigste ist jedoch jemand, der einem die richtigen Ideen/Bedeutungen gibt um die Schriftzeichen/KK zu verstehen. Man muss die Assoziationen kennen und wie sie das Zeichen verändert haben über die Jahrtausende. Genauso ist es in den KK. Man muss die Ideen kennen um zu wissen wie man sich Bewegt.
In der Kalligraphie muss man wissen dass es verschiedene Schriftarten gibt, die jedoch das Gleiche Schriftzeichen meinen. In den KK muss man wissen dass es verschiedene Arten der Anwendung gibt (verschiedene Waffen, Distanzen etc.), die jedoch die gleiche Idee haben.
Die Idee ist aufgespalten in andere Ideen/Assoziationen (Zusammensetzung des Schriftzeichens) und die Art der Schrift bestimmt das Aussehen (Arten der Anwendung, sprich diverse Waffen).
Ich denke, so klar ist das nicht. Die Zeichen für die Kräfte sind zum Teil Eigenkreationen, zum Teil unterscheidet sich die Schreibweise. Auch sind sie ja nicht alle auf einmal von einer konkreten Person eingeführt worden. Das ist alles eher ein Biotop als ein sauber gebautes Haus.
Hallo Julian
Erst Mal sorry für die laaangsame Antwort. Hatte kleinere technische Probleme.
Danke für die "Links".
Ich meinte nicht, das eine spezielle Person die Begrifflichkeiten eingeführt hätte. Das war ja durchaus ein längerer Prozess. Ich meinte eher das die Zeichen mit bedacht gewählt wurden.
Dafür spricht aus meiner Sicht auch, dass die Begriffe nicht immer mit den selben Schriftzeichen assoziiert sind.
Liebe Grüße
DatOlli
Ich finde das Video von Pansapiens zu den Schriftzeichen allgemein super.
Es zeigt sehr schön wie kombinierte Erregungsmuster im Gehirn entstehen. Die chinesische Sprache ist schriftgewordene Neurobiologie und da die Sprache das Denken beieinflusst kann man daran sehr schön zeigen wie „Wissen“ in den Kampfkünsten entsteht.
Das Wichtigste ist jedoch jemand, der einem die richtigen Ideen/Bedeutungen gibt um die Schriftzeichen/KK zu verstehen. Man muss die Assoziationen kennen und wie sie das Zeichen verändert haben über die Jahrtausende. Genauso ist es in den KK. Man muss die Ideen kennen um zu wissen wie man sich Bewegt.
In der Kalligraphie muss man wissen dass es verschiedene Schriftarten gibt, die jedoch das Gleiche Schriftzeichen meinen. In den KK muss man wissen dass es verschiedene Arten der Anwendung gibt (verschiedene Waffen, Distanzen etc.), die jedoch die gleiche Idee haben.
Die Idee ist aufgespalten in andere Ideen/Assoziationen (Zusammensetzung des Schriftzeichens) und die Art der Schrift bestimmt das Aussehen (Arten der Anwendung, sprich diverse Waffen).
Hallo Kanken
Ja, ich fand das Video auch sehr anschaulich.
Schriftgewordene Neurobiologie... ...wie „Wissen“ in den Kampfkünsten entsteht. So "krass" hatte ich das bisher noch nicht betrachtet. Ich war noch bei Sprache und wie diese mit Denken und Wahrnehmung wechselwirkt.
Das wichtigste ist jedoch... ...zu wissen wie man sich Bewegt. Du meinst ohne lebendige ungebrochene Tradition wird das nichts. Oder meinst Du ohne sinnvollen Aufbau von Bildern/Vorstellungen wird das nichts?
In der Kalligraphie muss man wissen dass... ...Die Idee ist aufgespalten in andere Ideen/Assoziationen (Zusammensetzung des Schriftzeichens) und die Art der Schrift bestimmt das Aussehen (Arten der Anwendung, sprich diverse Waffen)
Schöne Analogie. Hältst Du das nur für eine Analogie oder meinst du die Sprache führt zu einer Zwangsläufigkeit im didaktischen Aufbau?
Liebe Grüße
DatOlli
Schöne Analogie. Hältst Du das nur für eine Analogie oder meinst du die Sprache führt zu einer Zwangsläufigkeit im didaktischen Aufbau?
Sprache spiegelt unser Denken wieder. Unser Denken bestimmt unsere Art der Didaktik...
Sprache spiegelt unser Denken wieder. Unser Denken bestimmt unsere Art der Didaktik...
Danke. Ich hätte eher angenommen, dass die Sprache das Denken formt. Was aber für den Rückschluss auf die Didaktik unerheblich ist. Das bringt mich wieder zum Anfang, bzw. zum Topic. Die bildhaften "Verweise" (mir fällt kein besserer Begriff dafür ein).
Liebe Grüße
DatOlli
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