PDA

Vollständige Version anzeigen : BJJ Teil des Judos?



jkdberlin
05-01-2019, 10:33
Da ich es in einem anderen Thread gerade wieder gelesen habe und es mir auch öfter in den sozialen Medien unterkommt:
Ist BJJ eigentlich Teil des Judos? Historisch kommt es ja irgendwie aus einer Quelle, bzw. wurde von Leuten entwickelt, die auch oder nur bei Judokas Training hatten. Aber:

Für mich ist vieles an der Struktur des Judos, der Körpermechanik, dem Krafteinsatz etc. diametral anders als beim BJJ. Das hat gar nichts miteinander zu tun. Das passt für mich überhaupt nicht.

Wie seht ihr das?

Hug n' Roll
05-01-2019, 11:12
Das kommt auf die Sichtweise bzw. Definition von Judo an.

Ich verstehe (mein) Judo inzwischen als offenes, lebendes System, welches beliebig erweiterbar ist bzw. in welches sich anderes beliebig integrieren lässt.

BJJ ist selbstverständlich eine eigene Welt, die sich parallel (weiter)entwickelt und vom Mainstream-Judo (IJF, etc.) wegentwickelt hat.

Wenn man Judo aber universell versteht als eine KK, die flexibel ist (und sich natürlich Entwicklungen anpasst), lässt sich BJJ unter diesen Rahmen subsummieren. Dafür steht für mich auch der Name „Judo“ als „flexibler Weg“.
Dinge aus dem Sambo, Ringen, Submission Wrestling, etc.. Ist für mich alles integrierbar.

Vice versa habe ich z.B. vieles aus Didaktik, Methodik und sogar Mechanik etc. aus dem BJJ angenommen/geklaut (weil ich es als überlegene Entwicklung/Verbesserung empfinde) und nachfolgend etliche Bereiche meines Judo entsprechend umgebaut.

Aber um das klar zu sagen:
Das hat NICHTS mit „Ober“ und „Unter“ zu tun. (In diesem Sinne ist „subsummieren“ nicht gemeint!)
Und es hat ebenfalls nichts mit dem Verständnis des Wettkampfsports Judo im Sinne von IJF und Konsorten zu tun.

jkdberlin
05-01-2019, 11:17
worauf ich hinaus will ist eher nicht die "Offenheit" eines Systems, sondern ob die Dinge tatsächlich in einer Struktur subsumierbar sind. Ich unterrichte BJJ nicht nur in der IMAG, sondern zweimal in der Woche auch in einem Judoclub, mit aktiven Judokas. Die Art und Weise der Kraftentwicklung, der Körper - "Steifheit", der Anspannung, der Explosivität, der kurzen schnellen Kraftentwicklung etc. pp. ... vieles davon passt nicht ins BJJ. Das braucht man aber im Standup und zum Werfen. Nur können das die wenigsten dann am Boden abschalten. Und umgekehrt. Vieles aus dem BJJ, das Nachgeben, das Relaxen, Enspannen, das Mitgehen und Beschleunigen etc. passt so gar nicht ins Judo bzw. ins Standup. Da fliege ich sehr schnell durch die Luft wenn ich so etwas versuche.
Das hat nichts mit Techniken zu tun, sondern die ganze Plattform der Ausführung.

Hug n' Roll
05-01-2019, 11:36
Wir müssen unbedingt mal zusammen auf die Matte.
Um genau daran zu basteln!

Ich lerne seit 2011 BJJ (lustiger Weise war mein erstes Seminar in HB mit Dir) und seit 1984 zuvor Judo.
Judo war bei mir lange Wettkampfsport, ich weiss also, was Du beschreibst.

Dennoch glaube ich daran, dass wir von einem Werkzeukasten sprechen.
Judoka werden im Standup besser, wenn sie mechanische Voraussetzungen und Notwendigkeiten eines erfolgreichen sweeps auch im Standup für Würfe adaptieren können. Judo-skills lassen sich auch sinnvoll in die Bodenarbeit einbringen.

Ich habe meine Judoausbildung seit einigen Jahren umgestellt auf Methodik und Didaktik, die ich im BJJ kennengelernt habe.
Selber hatte ich Judo damals erlernt nach dem Motto „VENÜ“ (Vormachen, Erklären, Nachmachen, Üben). Danach ab auf die Matte und „wende das mal an!“. Das war ein schmerzhafter Weg und Leute mit guter Physis hatten es immer leichter, als alle anderen.
U.a. mit der Lehrsystematik, dass Positionen, „richtiges“ Bewegen, Übergänge, etc. zunächst wichtiger als Technik sind, mit dem Verständnis eines Matches, bei welchem auch „Feldüberlegenheit“ ein wichtiges Ziel ist, usw. erziele ich bei den Judo-Schülern interessante Erfolge.

Vor einigen Wochen hat z.B. ein Braungurt von mir, der ausschliesslich bei mir gelernt hat, dann mal an diversen Randoris in einem klassischen Judoverein in der Nähe teilgenommen. Das war offenbar eine interessante Erfahrung. Jetzt kommen von dort nämlich auch Leute hierher zum Training, weil sie „das“ auch lernen wollen.

Ich denke, dass das mit der Plattform stimmt, allerdings beeinflusst ist vom Wettkampfjudo der Gegenwart.
Bei Letzterem sehe ich aber inzwischen eine grössere Distanz zu meinem Verständnis von Judo, als beim BJJ.;)

Die Relaxtheit und das Spiel von Nachgeben und wieder offensiv werden können auch im Judo Standup funktionieren. Es gibt da grossartige Aufnahmen z.B. von Mifune, der quasi nicht geworfen werden kann.
-Auf niedrigerem Level gelingt mir das auch, ich habe im Standup durchaus „guard“ -Positionen, die ein Relaxen zulassen und recht grosse Sicherheit vor einem Wurf bieten. Natürlich hängt da viel von erfolgreichem Kumi kata, also Griffen und Positionierungen ab, aber das geht jetzt möglicher Weise zu weit....

Bücherwurm
05-01-2019, 11:50
:halbyeaha

jkdberlin
05-01-2019, 11:53
Das sehe ich größtenteils auch so, aber es geht mir mehr um den "Ist" Zustand :) Judo, so wie es betrieben wird, in der Mehrheit der Fälle. Und dann aber die Aussage, dass BJJ ja nichts anderes ist. Alter, da sind für mich Welten dazwischen! Ich denke schon, dass der Austausch für beide Seiten etwas bringen kann, aber die Annäherung ist langsam und die Unterschiede für mich größer als die Gemeinsamkeiten. Gerdae auf der Ebene der Attribute.

Hug n' Roll
05-01-2019, 12:02
Da sind wir beieinander!

Aber genau diese Annäherung und der Austausch ist absolut richtig und wichtig, so mühsam das auch ist.
Im Sinne des Judo. Als „Holschuld“.
-BJJ muss sich da erstmal weniger bewegen. Wer beides erlebt, merkt schnell, wie attraktiv BJJ alleine ist.

Ich würde auch mit Blick auf Mainstream-Judo (also ohne Kontext) nicht behaupten wollen, dass BJJ „basically just judo“ ist. Falls dieser Eindruck noch bestehen sollte, relativiere ich das hiermit ganz klar!

Schnueffler
05-01-2019, 13:15
Für mich als nur beides ab und zu Trainierender stellt es sich so da, dass es einen Ursprung hat, der sich aber in zwei verschiedene Linien entwickelt hat.
Insbesondere, wenn man die jeweiligen Wettkampfformen betrachtet, wo sich das Training und die Ausführung den Regeln angepasst hat.

Hug n' Roll
05-01-2019, 13:16
Ja.
Ist so.
Widerspricht ja auch nicht dem bisher Geschriebenen.

FireFlea
05-01-2019, 13:30
worauf ich hinaus will ist eher nicht die "Offenheit" eines Systems, sondern ob die Dinge tatsächlich in einer Struktur subsumierbar sind. Ich unterrichte BJJ nicht nur in der IMAG, sondern zweimal in der Woche auch in einem Judoclub, mit aktiven Judokas. Die Art und Weise der Kraftentwicklung, der Körper - "Steifheit", der Anspannung, der Explosivität, der kurzen schnellen Kraftentwicklung etc. pp. ... vieles davon passt nicht ins BJJ. Das braucht man aber im Standup und zum Werfen. Nur können das die wenigsten dann am Boden abschalten. Und umgekehrt. Vieles aus dem BJJ, das Nachgeben, das Relaxen, Enspannen, das Mitgehen und Beschleunigen etc. passt so gar nicht ins Judo bzw. ins Standup. Da fliege ich sehr schnell durch die Luft wenn ich so etwas versuche. Das hat nichts mit Techniken zu tun, sondern die ganze Plattform der Ausführung.

Das scheint mir aber nichts mit Judo an sich zu tun haben, sondern wie Hug n' Roll schreibt mit der Art des Judo, die man kennengelernt hat.

Schnueffler
05-01-2019, 14:30
Ja.
Ist so.
Widerspricht ja auch nicht dem bisher Geschriebenen.

Habe es auch nicht als Widerspruch meinerseits verstanden.

Björn Friedrich
05-01-2019, 14:55
https://youtu.be/7UiUAkqDHe0


Also für mich gibt es da keine Ähnlichkeit mit dem BJJ.

Hug n' Roll
05-01-2019, 15:06
Thread komplett gelesen, inhaltlich dabei gewesen...:rolleyes:

Oder vorsichtiger formuliert:
Was soll das verlinkte Filmchen beitragen?
Ist da ein weiteres (neues) Argument versteckt?

Oder dient es der Visualisierung von bereits hier Geschriebenem?
-Dann ist der Begleitsatz irgendwie irritierend.

Jobi
05-01-2019, 15:57
Wir müssen unbedingt mal zusammen auf die Matte.
Um genau daran zu basteln!

Ich lerne seit 2011 BJJ (lustiger Weise war mein erstes Seminar in HB mit Dir) und seit 1984 zuvor Judo.
Judo war bei mir lange Wettkampfsport, ich weiss also, was Du beschreibst.

Dennoch glaube ich daran, dass wir von einem Werkzeukasten sprechen.
Judoka werden im Standup besser, wenn sie mechanische Voraussetzungen und Notwendigkeiten eines erfolgreichen sweeps auch im Standup für Würfe adaptieren können. Judo-skills lassen sich auch sinnvoll in die Bodenarbeit einbringen.

Ich habe meine Judoausbildung seit einigen Jahren umgestellt auf Methodik und Didaktik, die ich im BJJ kennengelernt habe.
Selber hatte ich Judo damals erlernt nach dem Motto „VENÜ“ (Vormachen, Erklären, Nachmachen, Üben). Danach ab auf die Matte und „wende das mal an!“. Das war ein schmerzhafter Weg und Leute mit guter Physis hatten es immer leichter, als alle anderen.
U.a. mit der Lehrsystematik, dass Positionen, „richtiges“ Bewegen, Übergänge, etc. zunächst wichtiger als Technik sind, mit dem Verständnis eines Matches, bei welchem auch „Feldüberlegenheit“ ein wichtiges Ziel ist, usw. erziele ich bei den Judo-Schülern interessante Erfolge.

Vor einigen Wochen hat z.B. ein Braungurt von mir, der ausschliesslich bei mir gelernt hat, dann mal an diversen Randoris in einem klassischen Judoverein in der Nähe teilgenommen. Das war offenbar eine interessante Erfahrung. Jetzt kommen von dort nämlich auch Leute hierher zum Training, weil sie „das“ auch lernen wollen.

Ich denke, dass das mit der Plattform stimmt, allerdings beeinflusst ist vom Wettkampfjudo der Gegenwart.
Bei Letzterem sehe ich aber inzwischen eine grössere Distanz zu meinem Verständnis von Judo, als beim BJJ.;)

Die Relaxtheit und das Spiel von Nachgeben und wieder offensiv werden können auch im Judo Standup funktionieren. Es gibt da grossartige Aufnahmen z.B. von Mifune, der quasi nicht geworfen werden kann.
-Auf niedrigerem Level gelingt mir das auch, ich habe im Standup durchaus „guard“ -Positionen, die ein Relaxen zulassen und recht grosse Sicherheit vor einem Wurf bieten. Natürlich hängt da viel von erfolgreichem Kumi kata, also Griffen und Positionierungen ab, aber das geht jetzt möglicher Weise zu weit....

�������� Super! Ziemlich genau das selbe habe ich auch erlebt und hab mein "Judo angelehntes JuJutsu" komplett überarbeitet!
Meine ganze Art, zu Lehren, hat sich von oldscoolartigem Judo hin zu modernem westlichen Zeug wie BJJ und Samboartigem entwickelt.
Bei Neueinsteigern werden die ersten Monate bei mir so gut wie gar keine Techniken, sondern nur Bewegungsmuster gelehrt.
Ich bin sehr zufrieden mit dieser Methode, die Leute kommen insgesamt besser zurecht und sind nach einem Jahr deutlich weiter.

Björn Friedrich
05-01-2019, 17:52
Das verlinkte Filmchen regt zum selber denken an......

Das ist moderner Judo Bodenkampf 2018. Wenn die Ausgangsfrage die ist, ob BJJ ein Teil des Judo ist. Dann kann sich jemand der der das fachlich beurteilen kann, sein eigenes Urteil bilden und selbst entscheiden ob es so ist oder nicht.....

Man braucht sich dann nicht an einer namenlosen Masse orientieren.....

Hug n' Roll
05-01-2019, 18:52
Das ist gewolltes Missverstehen.
-Kann man nix machen.

angHell
05-01-2019, 19:00
Boah, also das Video ist ja echt schlimm. :ups:

Aber ich muss sagen, das ich nur zwei Minuten vom Video gesehen habe bisher.

Die sehen ja im Bodenkampf schlimmer aus als ich, und ich kann eigentlich gar nichts... Wie zwei Käfer die beim Kämpfen umgefallen sind und nicht mehr hochkommen. Also vielleicht bin ich jetzt etwas hart und vielleicht mag mich auch jemand korrigieren, aber auf den ersten Blick bin ich ernsthaft geschockt, wie schlecht das aussieht - kenne natürlich auch das Regelwerk nicht wirklich...

Hug n' Roll
05-01-2019, 19:27
Das verlinkte Filmchen regt zum selber denken an......

Das ist moderner Judo Bodenkampf 2018. Wenn die Ausgangsfrage die ist, ob BJJ ein Teil des Judo ist. Dann kann sich jemand der der das fachlich beurteilen kann, sein eigenes Urteil bilden und selbst entscheiden ob es so ist oder nicht.....

Man braucht sich dann nicht an einer namenlosen Masse orientieren.....

Wenn ich nicht an Alzheimer leide, haben Frank und ich das Thema, welches Judo mit BJJ zu tun hat und welches Judo nicht, deutlich abgegrenzt. Dazu gab es dann m.E. auch keinen Dissens mehr.

Das Gezeigte ist IJF-Judo 2018. Das hat z.B. mit dem Judo eines Koji Komuro nullkommanix zu tun.

Was mir aber bei Kleinem auf die Nerven fällt, ist diese Attitüde des „namenlose Masse, die keine Ahnung hat“-Getues hier im Forum.:flop:
Wenn Du kein Interesse an Austausch hast, dann lass es doch einfach.
Zumindest den Respekt und die ernsthafte Betrachtung, welche Du für Deine Einlassungen erwartest, solltest Du anderen auch entgegenbringen können.:o

Pansapiens
05-01-2019, 19:43
Boah, also das Video ist ja echt schlimm. :ups:

Aber ich muss sagen, das ich nur zwei Minuten vom Video gesehen habe bisher.

Die sehen ja im Bodenkampf schlimmer aus als ich, und ich kann eigentlich gar nichts... Wie zwei Käfer die beim Kämpfen umgefallen sind und nicht mehr hochkommen. Also vielleicht bin ich jetzt etwas hart und vielleicht mag mich auch jemand korrigieren, aber auf den ersten Blick bin ich ernsthaft geschockt, wie schlecht das aussieht - kenne natürlich auch das Regelwerk nicht wirklich...

Im Judo gibt es keine Punkte für Schönheit.
In den ersten zwei Minuten sieht man Haltegriffe, da geht es darum, den Gegner für 20s in Rückenlage zu fixieren.
D.h. der eine will nicht hochkommen, der andere wird dran gehindert.

Stixandmore
05-01-2019, 19:55
Das verlinkte Filmchen regt zum selber denken an......

Das ist moderner Judo Bodenkampf 2018. Wenn die Ausgangsfrage die ist, ob BJJ ein Teil des Judo ist. Dann kann sich jemand der der das fachlich beurteilen kann, sein eigenes Urteil bilden und selbst entscheiden ob es so ist oder nicht.....

Man braucht sich dann nicht an einer namenlosen Masse orientieren.....

Als Gegenbeispiel sag ich einfach nur "Kosen" Judo

Hug n' Roll
05-01-2019, 20:07
Das Wettkampf-Regelwerk hat die Judopraxis in der Breite verändert:

Pinholder gibt es im BJJ auch, dort sind es Übergangs- bzw. Ausgangspositionen zu einer weiteren Positionsverbesserung bzw. zu Sub-Ansätzen.
Im Wettkampfjudo gibts aber bereits für die erfolgreiche Eroberung der Position und das stabile Halten der selben den Sieg.
Ausserdem ist der Kampf nach einem sauberen Wurf/Takedown direkt beendet (oder natürlich nach Tapout durch Hebel oder Würger oder DQ).
Hinzu kommt, dass nach einigen Sekunden erfolgloser „Bodenarbeit“ unterbrochen und im Stand der Kampf fortgesetzt wird.
Ergo:
Es reicht ein effektives Standup-Game plus einer stabilen Defensive für ein paar Sekunden im Boden. Ein regelrechter Gameplan am Boden, eine Strategie, eine Kampfentwicklung gibt es am Boden im modernen IJF-Judo mit Masse nicht mehr.

Das muss aber so nicht sein, ist eine Selbstkastration durch Regelwerk und widerspricht dem Sinn der ehemals komplett gedachten Kampfkunst Judo. -Das wiederum wollen einige Leute nicht verstehen und reduzieren „Judo“ auf die übrig gebliebenen Fragmente, die heute unter der Flagge segeln und den „Markennamen“ für sich reklamieren.

Jobi
05-01-2019, 20:30
@ Hug n`Roll: Genau! Du hast im modernen Wettkampfjudo schlicht gar keine Zeit für Spielereien am Boden, weil der Kampfrichter oft schon nach dem ersten Wechsel der Fassart (!) den Kampf unterbricht und es geht sofort im Stand weiter.

marq
05-01-2019, 21:07
:cool:

judoplayer
06-01-2019, 12:23
Weiter unten ein interessantes Trainingsvideo vom Kosen Judo der Kyōto Universität im Kontrast zum gezeigten IJF-Judo Wettkampf Video. Im Video werden auch die Unterschiede zwischen Kodokan Judo und Kosen Judo kurz erläutert.

Kosen Judo hat eine lange Tradition. Die ersten Wettkämpfe zwischen den verschiedenen Schulen (interner Teamwettbewerb) begannen schon ca. 1914. Ab dieser Zeit hat sich das Newaza extrem gut weiter entwickelt Es gab nur "Unentschieden" oder "Ippon" als Kampfwertung . Der Sieger blieb so lange auf der Matte, bis er von einen Spieler der gegnerischen Mannschaft besiegt wurde. Theoretisch hätte man also 2 bis x mal hintereinander auf der Matte kämpfen müssen. Bis ca. 1925 war das Regelwerk so ausgelegt, dass der Partner direkt zum Boden gezogen werden durfte. Nach der Regeländerung wurde der Gegenspieler zum Sieger erklärt wenn dieser drei mal direkt zum Boden gezogen wurde. Im Kosen Judo ist das nach wie vor erlaubt, denn Sie haben immer nach Ihren eigenen Regelwerk gekämpft und das "neue" Regelwerk ab 1925 nicht anerkannt.

Ich glaube das Regelwerk ist maßgeblich für die Technische Entwicklung verantwortlich sowie auch die Trainingsmethodik und Taktik. Im Unterschied zum BJJ hat das Werfen im Kosen Judo trotzdem noch einen hohen Stellenwert und wird auch aktiv gesucht. Die Radoris im Kosen Judo beginnen meistens auch mit 30 Minuten Standkampf und erst danach geht man aktiv in den nächsten Randorsi in den Stand Bodenkampf über.

Mein Gefühl beim BJJ Rollen als Judoka bisher war, das man
nicht den Wurf sucht und Ihn möglichst vermeiden möchte. Interessant für mich wäre noch zu Wissen welchen Stellenwert die Fallschule im BJJ eigentlich hat und wie die Leute bei harten Würfen bzw werfen reagieren ? Ich war beim werfen da bisher im sehr vorsichtig und habe versucht mich der Roll- Mentalität der BJJ'ler anzupassen.

Ende Juni mache ich meine erste Judo Trainingsreise nach Japan und wenn es klappt werde ich auch beim Kosen Judo Newaza Kenkyukai und anderen Dojos (u.a. Kodokan) trainieren und kann dies mit meinen bisherigen BJJ Training bzw. den BJJ Training Vorort vergleichen und bei Interesse hier davon berichten.


https://www.youtube.com/watch?v=xwhXVkeSj-0&t=323s

Viele Grüße.

Judoplayer

Björn Friedrich
06-01-2019, 13:17
Für mich spielt das reine Werfen im BJJ eine eher kleine Rolle. Ich trainiere Würfe und Takedowns eigentlich immer nur in Kombination mit Schlägen und Tritten, also sind die Set Ups mehr mit Timing, Finten, Schrittarbeit, etc. verbunden und kommen weniger aus dem rein greifenden Aspekt.

Das gleiche gilt für den Clinch, bzw. den Clinch an der Wand.....


Das Kosen Judo Video erinnert mich ans BJJ der Neunziger und frühen 2000er......

Patches_OHulahan
06-01-2019, 13:48
Beim Judo geht es in erster Linie darum, den Gegner zu werfen. Dabei ist ganz egal, wie das Regelwerk aussieht.

Meine Erfahrungen im BJJ sind die dass man einen "Gameplan" hat und gezielt auf die Techniken hinarbeitet, ganz langsam und überlegt. Das geht im Boden ganz auch gut, weil die Positions- und Gleichgewichts- bzw. Schwerpunktswechsel da wesentlich langsamer stattfinden.

Im Stand klappt das so nicht. Man arbeitet natürlich genauso darauf hin, den Gegner in die Position zu bringen, in der man die Technik anbringen kann, die man am sichersten beherrscht und für die man die meisten Ausgangssituationen kennt, aber zum lange überlegen ist da keine Zeit. Man muss in Bruchteilen einer Sekunde fühlen, wann der Gegner wie steht (oder stehen wird) und entsprechend reflexartig mit dem Wurf oder einem Positionswechsel in mindestens der selben Zeitspanne reagieren.

Und so sieht auch beim Judo der Bodenkampf aus. In Björns Video sieht man das auch teilweise recht gut. Hebel und Würger usw. sind schon die ähnlich, aber es wird auch da meistens von einer viel dynamischeren Ausgangsituation gestartet.

Hug n' Roll
06-01-2019, 14:05
Mhhh....:gruebel:

Mal ein Gedankengang mit der Bitte um konstruktive Anmerkungen:

Ich gehe davon aus, dass eine sub für mich der Königsweg ist, um einen Kampf zu beenden.
Das wiederum ausgehend von der Prämisse, dass k.o.-Wirkung mit Tritt und Schlag a) unter Berücksichtigung der eigenen Deckung und des Gleichgewichts und b) des Umstandes, dass die körperliche Beschaffenheit des Gegners sehr unterschiedlich beschaffen sein kann, ein sehr kompliziert oder vielleicht gar nicht zu erreichendes Ziel sein kann.

Eine sub ist für mich definitiv eher am Boden erreichbar, als im Stand. Auch hier spielen die Beschaffenheit des Gegners und diverse biomechanische Rahmenbedingungen eine Rolle.

Ergo betrachte ich im Grundsatz Würfe als ein Mittel, um a) meine Position zu verbessern, b) auf den Boden zu kommen und c) im Optimalfall meinen Gegner dort bereits für mich vorteilhaft zu positionieren. Wenn dann noch Wurfwirkung dazu kommt, ist das ein nettes add on. Ende des Gedankenganges.

Weitergedacht:
Mit dieser Betrachtung wird der Wurf nichts anderes, als ein sweep. Eine Aktion zur Veränderung meiner Lage in einer Positionshierarchie. Für mich ist das durchaus Teil eines Gameplans.

Es gibt Rahmenbedingungen, die sich im Standup unterscheiden (die Schwerkraft spielt eben mit...), aber die Prinzipien des Bodenkampfes, die Prinzipien des BJJ, sind auch im Standup anwendbar.

Noch eine Bemerkung:
Durch die Berücksichtigung von Würfen in diesem Sinne wird natürlich alles schwieriger, noch komplexer, etc.
Da isses natürlich einfacher, sich auf den A..... zu setzen und diesen unangenehm zu erlernenden Teil zu übergehen.
Genau das war i.Ü. der Grund, warum in frühen Regelwerken des Judo erstmalig Würfen eine so hohe Werung zukam. Damit nämlich die „auf den A.... -Setzer“ gezwungen wurden, auch ein Standup-Game zu lernen.;)

bcn2008
06-01-2019, 15:00
Andere Regeln, Andere Technicken (zmd. die meistens verwendet werden), anderer Gameplan, andere Trainingsmethoden, anderer Verband, ...

Selbst Travis Stevens wird mehr zum Ringer wenn er BJJ kaempft.

=> BJJ ist nicht Teil des Judos

Hug n' Roll
06-01-2019, 15:05
Nach der Argumentation hat Surfen auch nix mit Segeln zu tun.
Und Kosen Judo nix mit Judo.
Und Futsal nix mit Fussball.
Usw.

Und dass BJJ nicht „Teil des IFJ-Judo“ ist, war ja schon hinlänglich besprochen und -täterätäää!- Konsens.;)

bcn2008
06-01-2019, 15:57
Was verwand ist oder nicht haengt von der perspektive ab.

Gi und No Gi = verwand aber nicht gleich oder unterkategorien

Judo, BJJ, Ringen, = Grappling = verwand aber nicht gleich oder unterkategorien

Judo, BJJ, Ringen, Boxen, Muy Thai = kampfsport = verwand aber nicht gleich oder unterkategorien

Mir hat meine turnerausbilding im BJJ geholfen. Trozdem, BJJ und Turnen, verwand aber nicht gleich oder unterkategorien

Wo du die Grenze ziehst ist ansichtssache. Viele BJJler machen GI und noGi. Fuer Gordon Ryan sind Gi und No-Gi schon zwei verschiedene Sportarten.

Und noch ein zitat/advice von Travis Steven (Dem wohl besten BJJ-Judoka): "Dont do judo at BJJ class and dont do BJJ at Judo class".

Zu Kosen Judo muss ich Björn Friedrich zustimmen. Aehnelt dem old school BJJ aber immer weniger dem moderene BJJ (nochweniger dem modernen no Gi).

Hug n' Roll
06-01-2019, 16:11
Was verwand ist oder nicht haengt von der perspektive ab.

[...]

Und noch ein zitat/advice von Travis Steven (Dem wohl besten BJJ-Judoka): "Dont do judo at BJJ class and dont do BJJ at Judo class".


Richtig.

Aber weder dem Zitat von Stevens, noch der Ansage, er sei der „beste“ BJJ-Judoka würde ich eben aus meiner Perspektive zustimmen. -Auch, wenn ich allgemein tatsächlich recht viel von Stevens und seinem Zeug halte.

Patches_OHulahan
06-01-2019, 16:21
Mhhh....:gruebel:

Mal ein Gedankengang mit der Bitte um konstruktive Anmerkungen:

Ich gehe davon aus, dass eine sub für mich der Königsweg ist, um einen Kampf zu beenden.
Das wiederum ausgehend von der Prämisse, dass k.o.-Wirkung mit Tritt und Schlag a) unter Berücksichtigung der eigenen Deckung und des Gleichgewichts und b) des Umstandes, dass die körperliche Beschaffenheit des Gegners sehr unterschiedlich beschaffen sein kann, ein sehr kompliziert oder vielleicht gar nicht zu erreichendes Ziel sein kann.

Eine sub ist für mich definitiv eher am Boden erreichbar, als im Stand. Auch hier spielen die Beschaffenheit des Gegners und diverse biomechanische Rahmenbedingungen eine Rolle.

Ergo betrachte ich im Grundsatz Würfe als ein Mittel, um a) meine Position zu verbessern, b) auf den Boden zu kommen und c) im Optimalfall meinen Gegner dort bereits für mich vorteilhaft zu positionieren. Wenn dann noch Wurfwirkung dazu kommt, ist das ein nettes add on. Ende des Gedankenganges.

Weitergedacht:
Mit dieser Betrachtung wird der Wurf nichts anderes, als ein sweep. Eine Aktion zur Veränderung meiner Lage in einer Positionshierarchie. Für mich ist das durchaus Teil eines Gameplans.

Es gibt Rahmenbedingungen, die sich im Standup unterscheiden (die Schwerkraft spielt eben mit...), aber die Prinzipien des Bodenkampfes, die Prinzipien des BJJ, sind auch im Standup anwendbar.

Noch eine Bemerkung:
Durch die Berücksichtigung von Würfen in diesem Sinne wird natürlich alles schwieriger, noch komplexer, etc.
Da isses natürlich einfacher, sich auf den A..... zu setzen und diesen unangenehm zu erlernenden Teil zu übergehen.
Genau das war i.Ü. der Grund, warum in frühen Regelwerken des Judo erstmalig Würfen eine so hohe Werung zukam. Damit nämlich die „auf den A.... -Setzer“ gezwungen wurden, auch ein Standup-Game zu lernen.;)

Zu diesem Gedankengang gibt es von meiner Seite aus so gar keine Einwände, JuJutsu hat nunmal diese Kriegshintergründe, bei denen es wichtig ist, den Gegner auch auszuschalten.

Um aber auch noch etwas zu philosophieren, denke ich, dass beim Judo das "ausschalten" nach dem Wurf eher als Formsache angesehen wird... ist ja schließlich leicht, einen am Boden liegenden zu treten. BJJ erschwert diesen letzten Schritt für den Werfer bzw. gibt dem Ganzen noch ne zweite Chance, das ganze endgültig zu machen. BJJ wäre demnach also einfach das Add On.

Dennoch ist die Strategie, mit der man seinen Gegner angeht im Boden eine andere als im Stand (Die meisten Judokas erkennen das nicht so leicht, aber ist einfach eine Tatsache und ich persönlich bin da alles andere als versiert). Natürlich hast du recht, dass sich die Prinzipien des BJJ auch im Stand anwenden lassen und die Prinzipien des Standkampfs erweitern, eben im Hinblick auf Submission als König. Aber diese Standkampfprinzipien, die fürs Judo ausreichen, sind für den Boden nur zweitrangig (wobei ich auch bloß den Übertrag noch nicht entdeckt haben könnte).

Vielen Dank übrigens auch für deine Zusatzbemerkung, sehr interessant auch mal von Hintergründen zu hören.

Hogerus
06-01-2019, 16:27
Für mich spielt das reine Werfen im BJJ eine eher kleine Rolle. Ich trainiere Würfe und Takedowns eigentlich immer nur in Kombination mit Schlägen und Tritten, also sind die Set Ups mehr mit Timing, Finten, Schrittarbeit, etc. verbunden und kommen weniger aus dem rein greifenden Aspekt.

Das gleiche gilt für den Clinch, bzw. den Clinch an der Wand.....


Das Kosen Judo Video erinnert mich ans BJJ der Neunziger und frühen 2000er......

Da sieht man dann deine Interpretation ist ja auch ok. Für mich als normalen alten Hobbysportler, der höchstens zweimal die Woche trainieren kann gehören Würfe, Clinch und Takedowns dazu. Sie sind mir sogar fast schon wichtiger als 20 000 Submissions. Ich mach das aus drei Gründen: Selbstverteidigung/ Fitness und Spass.

Und da ich in einem Beruf arbeite, wo ich nicht zu schlagen darf, es allerdings 194 Angriffe auf meinen Berufsstand gab nur in meinem Bundesland ist das meine Prämisse. Beide Systeme brauchen einander sonst sind sie nicht komplett.

Hug n' Roll
06-01-2019, 19:05
Um aber auch noch etwas zu philosophieren, denke ich, dass beim Judo das "ausschalten" nach dem Wurf eher als Formsache angesehen wird... ist ja schließlich leicht, einen am Boden liegenden zu treten. BJJ erschwert diesen letzten Schritt für den Werfer bzw. gibt dem Ganzen noch ne zweite Chance, das ganze endgültig zu machen. BJJ wäre demnach also einfach das Add On.


Im ersten gemeinsamen Regelwerk von 1899 (so was, wie die unified rules des MMA heute für das Wettkampfwesen im damaligen Japan für die Vergleichskämpfe der Schulen) war der saubere Wurf nicht das Ende des Kampfes.
Dazu benötigte man mindestens zwei Aktionen (Punkte)!
Einen Punkt gab es gleichwertig für Wurf, Tapout oder eine Fixierung des Gegners, aus welcher er „nach einer angemessenen Zeit“ nicht entkommt.

Diese Regelung war entsprechend auch Kern des ersten Judo-Regelwerks für Wettkampf und Randori des Kodokan.
Keine Überraschung, schliesslich war Kano selber in der Regelkommission, die die übergreifenden Regeln der Dai Nippon Butokukai (Gesellschaft für japanische Kampfkünste) von 1899 entworfen hatte.;)

Mit anderen Worten:
Keineswegs war es ursprünglich im Judo so gedacht, dass man nach einem Wurf gewonnen hat und das „finish“ dann nur Formsache ist. Dieses Denken ist vielmehr Ergebnis der unglücklichen Weiterentwicklung des Regelwerkes. Dynamisiert durch die Entwicklung seit den 1960er Jahren als Judo olympisch wurde und dem breiten (Fernseh-)Publikum gefallen musste. Der Laie versteht halt schnell, wenn einer vom anderen spektakulär geworfen wird, wer da der Sieger ist....

Bis in die 1920er Jahre war das Judo-Regelwerk übrigens noch nahe an den erwähnten ersten Regeln. Wenn man jetzt mal kurz überlegt, wann wer was nach Brasilien gebracht hat und dass der Begriff „Jiu Jitsu“ sehr lange noch Synonym zu „Judo“ genutzt wurde (nicht in Japan selbst übrigens, da hatte sich „Judo“ zu Beginn des 20. Jh. grossflächig durchgesetzt), dann könnte man schon auch geschichtlich eher vom „verlorenen Sohn“, als von einem anderen Stil sprechen.

Aber wie gesagt:
Alles eine Frage der Perspektive und wie man für sich selbst „Judo“ definiert und lebt.

Lugasch
06-01-2019, 19:53
Für mich spielt das reine Werfen im BJJ eine eher kleine Rolle. Ich trainiere Würfe und Takedowns eigentlich immer nur in Kombination mit Schlägen und Tritten, also sind die Set Ups mehr mit Timing, Finten, Schrittarbeit, etc. verbunden und kommen weniger aus dem rein greifenden Aspekt.

Das gleiche gilt für den Clinch, bzw. den Clinch an der Wand.....


Das Kosen Judo Video erinnert mich ans BJJ der Neunziger und frühen 2000er......

Björn, eine kurze Verständnisfrage: wird bei dir der Boden auch mit schlagendem Setup trainiert? Ich frage, weil in meinen Augen der Grappling-Part schneller, härter und primitiver wird, sobald Schläge im Spiel sind. Würde man mit Schlagen trotzdem noch zum Berimbolo und Co. kommen?

Meine Meinung zum Topic: ähnlich, je nach Judo-/BJJ-Art viele Überschneidungen, aber nicht das Gleiche.

Björn Friedrich
06-01-2019, 21:51
Ich mache beides, für mich ist das Grappling ohne Schläge, kreativer, fließender, lockerer. Es hilft das Spiel zu entwickeln.

Mit Schlägen ist es enger, direkter, weniger spielerisch, man nimmt mehr den Raum. Für mich ist die Basis das sportliche kämpfen am Boden, als Entwicklungs- und Trainingsmethode. Das Training mit Schlägen, gibt ihm halt dann eine bestimmte Richtung und macht es wie schon gesagt enger und direkter. Ich mach beides, aber ich bin ehrlich, während ich im Stand fast nur mit Schlägen trainiere, mache ich am Boden auch relativ viel ohne Schläge, weil es einfach Spaß macht und man so viele Bewegungsmöglichkeiten hat.

Bei mir ist aber der Unterschied nicht so extrem, weil ich selten Positionen spiele die mich für Schläge anfällig machen. Also keine Tornado Guard, kein Double Guard Pull, sowieso immer direkte Körper und Armkontrolle, weil ich nie im Gi trainiere.

bcn2008
06-01-2019, 21:55
Nicht das ein erfolgreicher Wettkaempfer immer Recht hat, aber, wer ist den deiner Meinung nach ein Besser BJJ-Judoka als TS. Ich kenne einige Judo NeWaza spezialisten, aber ich kenne keinen erfolgreicheren Judoka der regelmaessig im BJJ auf hohem niveau gekaempft hat? Wuerde ihn mir gerne ansehen. Vielleicht gibts sowas mehr in der Japanischen BJJ szene?

(Flograppling at vor kurzem reported das Masato Uchishiba als Blaugurt auf einem Tunier gekaempft hat)

Patches_OHulahan
06-01-2019, 22:06
Im ersten gemeinsamen Regelwerk von 1899 (so was, wie die unified rules des MMA heute für das Wettkampfwesen im damaligen Japan für die Vergleichskämpfe der Schulen) war der saubere Wurf nicht das Ende des Kampfes.
Dazu benötigte man mindestens zwei Aktionen (Punkte)!
Einen Punkt gab es gleichwertig für Wurf, Tapout oder eine Fixierung des Gegners, aus welcher er „nach einer angemessenen Zeit“ nicht entkommt.

Diese Regelung war entsprechend auch Kern des ersten Judo-Regelwerks für Wettkampf und Randori des Kodokan.
Keine Überraschung, schliesslich war Kano selber in der Regelkommission, die die übergreifenden Regeln der Dai Nippon Butokukai (Gesellschaft für japanische Kampfkünste) von 1899 entworfen hatte.;)

Mit anderen Worten:
Keineswegs war es ursprünglich im Judo so gedacht, dass man nach einem Wurf gewonnen hat und das „finish“ dann nur Formsache ist. Dieses Denken ist vielmehr Ergebnis der unglücklichen Weiterentwicklung des Regelwerkes. Dynamisiert durch die Entwicklung seit den 1960er Jahren als Judo olympisch wurde und dem breiten (Fernseh-)Publikum gefallen musste. Der Laie versteht halt schnell, wenn einer vom anderen spektakulär geworfen wird, wer da der Sieger ist....

Bis in die 1920er Jahre war das Judo-Regelwerk übrigens noch nahe an den erwähnten ersten Regeln. Wenn man jetzt mal kurz überlegt, wann wer was nach Brasilien gebracht hat und dass der Begriff „Jiu Jitsu“ sehr lange noch Synonym zu „Judo“ genutzt wurde (nicht in Japan selbst übrigens, da hatte sich „Judo“ zu Beginn des 20. Jh. grossflächig durchgesetzt), dann könnte man schon auch geschichtlich eher vom „verlorenen Sohn“, als von einem anderen Stil sprechen.

Aber wie gesagt:
Alles eine Frage der Perspektive und wie man für sich selbst „Judo“ definiert und lebt.

Ich hab mich ja nie mit der Geschichte beschäftigt und es ist allein deshalb schon sehr interessant, auch darüber mal was zu erfahren.
Eine kurze Zwischenfrage hab ich aber: 1899 wurden die Regeln mit 2 Punkten erstellt, das lief so bis in die 1920er. Habe ich richtig verstanden, dass es ab da dann eine größere Regeländerung gab, die in den 1960ern dann allgemeingültig wurde? Wie sah das mit dem Bodenkampf dann in der Zwischenzeit aus?

Über die Historie von BJJ weiß ich natürlich noch weniger, dem entsprechend bin ich mir nicht sicher, ob sich jdkberlin nun das 2-Punkte-Judo von 1899 oder das bereits weiterentwickelte Judo bezieht, klingt aber eher nach zweiterem. Das mit dem verlorenen Sohn klingt aber trotzdem sehr nett und dazu wäre der Unterschied zwischen BJJ und diesem Kosen Judo wirklich interessant. Bin sehr gespannt auf die Erkenntnisse von judoplayer.

Aus deinem letzten Satz schließe ich, dass in deinem Verein nach den Regeln von vor 100 Jahren praktiziert wird? Da würde mich auch sehr interessieren, wie sich das Verhalten im Stand dadurch ändert. Aber das ist wohl etwas, das man nur auf der Matte fühlt und nicht beschreiben kann..

Pansapiens
07-01-2019, 05:43
Ich hab mich ja nie mit der Geschichte beschäftigt und es ist allein deshalb schon sehr interessant, auch darüber mal was zu erfahren.
Eine kurze Zwischenfrage hab ich aber: 1899 wurden die Regeln mit 2 Punkten erstellt, das lief so bis in die 1920er. Habe ich richtig verstanden, dass es ab da dann eine größere Regeländerung gab, die in den 1960ern dann allgemeingültig wurde? Wie sah das mit dem Bodenkampf dann in der Zwischenzeit aus?


Diesen Artikel über die Regelentwicklung im Judo ließ mir ein User in anderem Bezug zukommen:

http://www.judospace.com/upload/development_of_judo_rules.pdf

dort wird beschrieben, dass ein Randori oder auch Wettkampf (zwischen versch. Schulen) als Test der Fähigkeiten gedacht war.
Dementsprechend sollten zunächst die Fähigkeiten im Stand wie auch am Boden gleichermaßen geprüft werden.
Dies sollte nicht nur durch die Punktevergabe, sondern auch durch den Kampfrichter erreicht werden:


Let us now look at the new 13 Article Butokukai Jujitsu Competition Rules which
were completed in 1899:
[...]
12. Since the purpose of the match it to test both the standing and groundwork
abilities of the contestants the referee should caution anyone who seeks to
concentrate on only one of them including those who start a match by kneeling
or lying on the ground without coming to grips
[...]
This is interesting because it is an attempt to shape the contest technically and
not a rule to find a winner. It was inserted to limit the groundwork which if
not included would have meant 100% groundwork contests since it is virtually
impossible to force a contestant to stand up if he does not want to. However
the ‘caution’ had no particular power in the modern sense. The ref could
disqualify a competitor if he thought he deserved it.


Die ein Jahr darauf entwickelten Kodokan-Regeln (für Judo-interne Wettkämpfe) verschoben die Gewichtung noch mehr auf den Stand (neben einem Verbot von Handgelenkshebeln):


They were identical to the Butokukai ones but with three small changes which were (1st) those below shodan (1st Dan) were
not allowed to do Kansetsu-waza (joint-locks). (2nd) The ratio of standing work to
groundwork for those below Shodan should be 70-80% to 20-30% and for those
Shodan and above 60-70% to 30-40% and the (3rd) difference was in article 13 which
was changed to read, “Even 1st Dan and above are not allowed to use toe and finger
locks or ankle and wrist locks.” Maybe the wrist-lock inclusion here was because of a
typo/omission in the earlier Butokukai rules.

Kano hat diese Schwerpunktsetzung laut dem Artikel später auch begründet:


Kano later justified his emphasis on nage-waza by saying that throws were:-
1. Better for physical development.
2. Technically much more difficult to do.
3. Katamewaza can only be done on one opponent at a time (in a combat
situation).
4. Shimewaza is good for rendering unconscious and then binding up but it takes
time to kill or control a strong opponent who can punch or kick his way out of
trouble.
5. Nimble footwork enables a thrower to take on more than one opponent (cf
No.3 above).
6. Concentrating on nagewaza first easily allows newaza to fall in place
afterwards but those who concentrate on groundwork first do not easily go on
to develop good standing work.


Der Autor ist der Meinung, dass ohne die Einschränkung des Bodenkampfes durch das Regelwerk Judo hauptsächlich aus Bodenkampf bestünde:



In the above sets of rules we can easily see the later development of the rules and how
they and we face the same sort of problems today, such as the mixture of groundwork
and standing work. Without rules restricting groundwork, judo would be almost
100% groundwork.


die schrittweise Einführung des Ein-Ippon-Sieges wird allerdings eher mit Zeitgründen begründet:


According to the records between 1897 and 1924 most contests were called Sambon
Shobu (literally 3-ippon matches) but in fact they were fought for the best of threeippons).
The first to get two Ippons won. This slowly changed under pressure of
numbers and gradually contests were fought for just one Ippon. Red & white
(Kohaku) contests and contests among juniors were the first to be fought for one
ippon.

Um übermäßige Bodenarbeit zu verhindern und sich auch von Kosen-Judo abzugrenzen, wurden weitere Regeln erlassen:


In 1925 (Taisho 14). Much stricter rules regarding the transition from standing to
groundwork were introduced. This was a reaction to the Kosen style of judo which
had begun to host its own contests from 1914. Its full name was Teikoku Daigaku
Kosen Senmon Gakko Judo (Imperial University attached Specialist High Schools
Judo) which allowed almost unlimited groundwork. We can surmise that despite the
restrictions on groundwork in the earlier rules they could not have been that
successful.



Über die Historie von BJJ weiß ich natürlich noch weniger, dem entsprechend bin ich mir nicht sicher, ob sich jdkberlin nun das 2-Punkte-Judo von 1899 oder das bereits weiterentwickelte Judo bezieht, klingt aber eher nach zweiterem.

Jdkberlin bezieht sich weiter vorne auf das Judo, das von Aktiven, ich nehme mal an Wettkämpfern, in einer Schule, in der er BJJ unterrichtet, praktiziert wird.
Das wird wohl modernes Sportjudo sein, mit entsprechendem Zeitdruck bei der Bodenarbeit im Wettkampf und der Einschränkung der Hebel auf Ellenbogenhebel.
Regeln formen eine Sportart.
Scheint mir ähnlich, wie mit den Schimpansen und den Menschen: modernes Sportjudo und Sport-BJJ haben gemeinsame Vorfahren, sich dann in unterschiedlichen (Regel-) Umgebungen weiterentwickelt.

jkdberlin
07-01-2019, 07:23
Jdkberlin bezieht sich weiter vorne auf das Judo, das von Aktiven, ich nehme mal an Wettkämpfern, in einer Schule, in der er BJJ unterrichtet, praktiziert wird.
Das wird wohl modernes Sportjudo sein, mit entsprechendem Zeitdruck bei der Bodenarbeit im Wettkampf und der Einschränkung der Hebel auf Ellenbogenhebel.
.

Ja, genau. Darum ging es mir.

Hug n' Roll
07-01-2019, 09:18
Nicht das ein erfolgreicher Wettkaempfer immer Recht hat, aber, wer ist den deiner Meinung nach ein Besser BJJ-Judoka als TS. Ich kenne einige Judo NeWaza spezialisten, aber ich kenne keinen erfolgreicheren Judoka der regelmaessig im BJJ auf hohem niveau gekaempft hat? Wuerde ihn mir gerne ansehen. Vielleicht gibts sowas mehr in der Japanischen BJJ szene?

(Flograppling at vor kurzem reported das Masato Uchishiba als Blaugurt auf einem Tunier gekaempft hat)

Vergiss Uchishiba.
Nein, wenn es um Wettkampf geht, ist Stevens schon eine Referenz.
Ich dachte allerdings eher an den amtierenden (Judo-)Seniorenweltmeister Koji Komuro. Vom Judo her gedacht.
Ist aber auch müßig, sind alles Leuchttürme , die natürlich nicht für die Masse stehen. ;)

Hug n' Roll
07-01-2019, 09:20
Danke Pansapiens für Deine Ergänzung!
-Der User hat den Artikel, den er Dir hat zukommen lassen selber ad hoc nicht gefunden......:rolleyes:

Gast
10-01-2019, 21:46
Ich sehe BJJ als eine krasse Modifikation der alten Techniken mit neuen Zielen.

Klar kommen Techniken aus dem Judo im BJJ vor. Aber durch die unterschiedliche Zielsetzung im Kampf, sind die Techniken komplett auseinander gegangen.

Während der Judoka versucht, 20 Sekunden den Gegner zu fixieren, stürmt der BJJler von einer Position in die nächste. Der BJJler arbeitet, so wie ich das auf Turnieren beobachtet habe, im Boden runder und geschmeidiger und nutzt lieber 3 Übergänge zwischen Techniken, während der Judoka versucht eine Technik durchzusetzen.