Ukemi für Ältere oder sind die Übungen des Aikido wirklich immer gesund? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Ukemi für Ältere oder sind die Übungen des Aikido wirklich immer gesund?



step-by
01-09-2019, 11:10
Was möchte ich : eine Diskussion, klare Antworten, keine Streitgespräche die in Beleidigungen enden, sondern einfach Gründe nennen, die der Ansicht des von mir vorgestellten
Berichtes widersprechen oder dem Autor zustimmen.

Ukemi für Ältere
2004 in Aikido " Zeitschrift des Aikikai Deutschland veröffentlicht"

Ich erlaube es mir aus diesem Aufsatz, 3 Seiten eine kurze Zusammenfassung vorzustellen.
Jeder kann sich genauer informieren und den Artikel hier nachlesen:
https://aikido-blog.de/

Der Autor beginnt mit diesen Zeilen:
Wer hat nicht schon auf den Lehrgängen die jungen, dynamischen Danträger (1.2. und 3 Dan, seltener 4. Dan ) bewundert, die mit unbeschreiblicher Eleganz aus jedem noch so weitem Überland-Flug mit einer weichen Rückwärts - oder Vorwärtsrolle sanft auf dem Boden landen....

Dann stellt er die Frage, wo sind die vielen Aikido-kas geblieben, die mit ihm vor mehr als 25 Jahren mit dieser Kampfsport-Art angefangen habe.
Er nennt einige Beschwerden die im Aikido öfters auftreten: eine Verletzung des Knies, des Handgelenks, des Ellenbogens, der Schulter.
Wobei er extra hervorhebt: Wir gehen im Aikikai - D sehr sanft miteinander um ( meistens !)


Besonders verweist er auf einen höheren Aikido-ka der ihn darauf hingewiesen hat, wie er seine Gelenke, Hüfte, Knie und Fußgelenk halten sollte, damit
er noch lange ohne Beschwerden den Weg des Aikido verfolgen kann.
Auf einem Aikido- Lehrgang 2003 habe er dann bereits einige Aikido-ka getroffen, die seine Ansichten teilten, da Knie, die Schultern, die Abbduktoren..
sonst mit Schmerzen Aufmerksamkeit fordern.

Seine Zeilen schließt er mit diesen Worten ab:
Meine Bewegungen sind nicht mehr so elegant und schwungvoll wie früher( wenn sie das waren ) aber ich trainiere " materialschonender .

Genau das kenne ich aus meiner Kampfsport- Art natürlich auch.
Viele ältere Kampfsportler, die einfach die Übungen der Trainer übernommen , haben wie diese öfters Probleme mit dem Hüftgelenk, den Schultern,
einige mußte sogar aufhören.

Habt Ihr einen Trainer der entsprechende Kurse ( richtige Sportgymnastik, Stretching, usw )besucht hat und dieses Wissen mit Euch im Training teilt?
Wurde Euer Training auf das neuste Wissen aus der Sportmedizin umgestellt?

Bevor Bemerkungen kommen, Du sprichst nur Aikido an.
Der Artikel könnte natürlich auch von einem Sportler einer anderen Kampfsport-Art stammen.

:winke:

Gast
01-09-2019, 12:17
Falscher Link?

Aiki5O+
01-09-2019, 13:18
Den Artikel "Ukemi für Ältere" hatte ich schon mal irgendwann, irgendwo gelesen.

Eine Google-Suche ergab: http://www.dojo-stamp.de/aikido/gedanken/ukemifueraeltere/index.html


Besonders verweist er auf einen höheren Aikido-ka der ihn darauf hingewiesen hat, wie er seine Gelenke, Hüfte, Knie und Fußgelenk halten sollte, damit
er noch lange ohne Beschwerden den Weg des Aikido verfolgen kann.
In dem mir bekannten Original heißt es:

Zum Glück gab mir ein (anderer! Nicht Aikido-) Lehrer den Hinweis, dass ich meine Gelenke, Hüfte, Knie und Fußgelenk, genau in einer Linie halten sollte, auch bei der Drehung der Hüfte. Nach einigen Wochen Selbst-Bewegungs-Disziplin war dann alles wieder O.K

Der Autor des Artikels war nach eigenen Angaben zu dem Zeitpunkt 47 Jahre alt. Was verstehst du unter "Ältere"?

Spud Bencer
01-09-2019, 13:41
Klar ist Ukemi ungesund. Richtig Fallen ist immer noch Fallen, und das sollte man tunlichst nicht stundenlang jeden Tag machen.
Man lese z.B. Angry White Pyjamas, da werden auch die diversen Wehwehchen nach intensivem Ukemi-Training beschrieben.
Und das sind die weichen Aikido-Rollen! Wenn man zu härterem Ukemi wie beim Judo und Wrestling schaut, sieht's noch düsterer aus (Hirnschäden usw.).

Gast
01-09-2019, 13:44
.
Und das sind die weichen Aikido-Rollen!

Nein, sind es nicht.

step-by
01-09-2019, 15:17
Hallo Aiki50+

ein großes Danke für den richtigen Link.


=Aiki5O+;3705864]Den Artikel "Ukemi für Ältere" hatte ich schon mal irgendwann, irgendwo gelesen.

Eine Google-Suche ergab: http://www.dojo-stamp.de/aikido/gedanken/ukemifueraeltere/index.html


Ab wann bist Du ein älterer Schüler ?
Ich vermute ab dem Zeitpunkt, indem Du nicht mehr alle Techniken so leicht ausführen kannst.
Im Sparring merkst Du sehr schnell, wenn Du völlig fertig bist und Dein Partner 20 Jahre jünger nur müde lächelt.

Aiki5O+
01-09-2019, 21:17
Klar ist Ukemi ungesund. Richtig Fallen ist immer noch Fallen, und das sollte man tunlichst nicht stundenlang jeden Tag machen.
Man lese z.B. Angry White Pyjamas, da werden auch die diversen Wehwehchen nach intensivem Ukemi-Training beschrieben.
Und das sind die weichen Aikido-Rollen! Wenn man zu härterem Ukemi wie beim Judo und Wrestling schaut, sieht's noch düsterer aus (Hirnschäden usw.).
Wenn das stimmt: "Aikido ist Budo. Und wenn man aikidô übt, dann übt man ein budô. Einen Weg des Krieges, eine Kampfkunst. (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188614-Aikido-George-Ledyard-Seminarmitschnitt&p=3705551#post3705551)", dann könnte ich persönlich keine Aikido-Bewegungen lernen ohne unnötigen Verschleiß und Verletzungen zu riskieren. Das gilt vor allem für das Ukemi (im engeren Sinne von Rollen und Fallen). Wenn ich mit fortgeschrittenen Partnern Kotegaeshi oder Shihonage mit Vorwärtsfallen oder -Rollen über die gehebelte Hand übe, dann "funktioniert" das nur, wenn ich und insbesondere der Arm vollkommen entspannt ist. Wenn mein fortgeschrittener Partner eine Anspannung spürt, selbst eine, die mir selber nicht bewusst ist, würde er (oder sie) mich so nicht werfen oder mich zuerst auf diese Anspannung aufmerksam machen.

Daher ist es wesentlich für mich und (m)ein gesundes Ukemi, dass ich das Aikido, das ich kenne, ohne Intention oder Gedanken an Kampf oder "Budo" üben kann. Wie der Autor in dem zitierten Artikel an einer Stelle schreibt, heißt "Ukemi", "Annehmen" auch, dass ich mich voll Vertrauen (dem Nage) hingebe.

Gast
01-09-2019, 21:32
Das gilt vor allem für das Ukemi (im engeren Sinne von Rollen und Fallen). Wenn ich mit fortgeschrittenen Partnern Kotegaeshi oder Shihonage mit Vorwärtsfallen oder -Rollen über die gehebelte Hand übe, dann "funktioniert" das nur, wenn ich und insbesondere der Arm vollkommen entspannt ist.

Wo siehst du denn da einen Widerspruch?
Glaubst du, Budo bedeutet, verkrampft und angespannt zu sein?

Gast
02-09-2019, 06:14
. Wie der Autor in dem zitierten Artikel an einer Stelle schreibt, heißt "Ukemi", "Annehmen" auch, dass ich mich voll Vertrauen (dem Nage) hingebe.

Noch besser wäre es, wenn du voll vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wärst. Vertrauen ist ja gut, hingeben sollte man sich immer nur so viel wie nötig, und das nötige Maß an Kontrolle sollte man auch behalten.
Den eigenen Arm entspannen, ist auch eine aktive Maßnahme der Selbstkontrolle, kein passives sich dem Aonderen überlassen.
Wenn Ukemi ein Konter gegen toris "Angriff" ist, so wie du Amdur zitierst, dann ist es was anderes als vertrauensvolle Hingabe.

carstenm
02-09-2019, 11:26
Dann stellt er die Frage, wo sind die vielen Aikido-kas geblieben, die mit ihm vor mehr als 25 Jahren mit dieser Kampfsport-Art angefangen habe. ...Wir haben in unserem Verein, den es inzwischen seit 37 Jahren gibt, das "Problem", daß mindestens die Hälfte der Übenden seit 25 Jahren oder länger übt. Ein "Problem" ist das insofern, als es für Anfänger nicht leicht ist, sich in so ein Gefüge zu integrieren.


Viele ältere Kampfsportler, die einfach die Übungen der Trainer übernommen , haben wie diese öfters Probleme mit dem Hüftgelenk, den Schultern,
einige mußte sogar aufhören.

Habt Ihr einen Trainer der entsprechende Kurse ( richtige Sportgymnastik, Stretching, usw )besucht hat und dieses Wissen mit Euch im Training teilt?
Wurde Euer Training auf das neuste Wissen aus der Sportmedizin umgestellt?aikidô hat den "Vorteil", daß das traditionelle taisô (das ^ ist wichtig: taisô meint "Körperübungen"; taiso meint einen Begründer und kann ein Ehrentitel sein) aus Übungen besteht, die ihren Hintergrund in asiatischen Gesundheitslehren haben. Wenn man sich damit auskennt, wenn man also weiß, was die Übungen bewirken sollen und wie man sie korrekt ausführt, dann sind sie ein sehr komplexes System der Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung.
Das geht bis dahin, daß man durch da taisô, als die "Gymnastik" des aikidô, auf bestimmte Beschwerden oder Themen einzelner Übender konkret eingehen kann, wenn man sich gut genug auskennt.

Ich habe immer wieder Kontakt mit Mediziner, Physiotherapeuten usw. um das, was wir üben, mit deren Kenntnissen abzugleichen. Das ist immer sehr produktiv und es gab bisher aus deren Sicht nichts auszusetzen an unserem Üben. Im Gegenteil.

In der Tat machen wir die Erfahrung, daß es bei unserem Üben kaum Verletzungen gibt. Und dass das Training für die allermeisten Übenden - mindestens subjektiv - positive gesundheitliche Effekte hat. Auch ganz konkret und je aktuell.

Für mich ganz persönlich ist die gesunderhaltende und heilende Wirkung des Übens von aikidô mit das Wichtigste daran. Und ich achte als Unterrichtender sehr auf diesen Aspekt.
U.a. auch gerade, weil ich die ersten etwa 12 Jahre sehr "verschleißbetont" geübt habe.
Ich werde in einigen Wochen 54 Jahre alt. Und ich erlebe es in den letzten Jahren so, daß ich mich durch das Üben fitter, gesünder, lebendiger, freier - auch gerade körperlich - fühle. Viele Lehrer, die mir wichtig sind, sind inzwischen zwischen 70 und 80 Jahren alt.


Ab wann bist Du ein älterer Schüler ?
Ich vermute ab dem Zeitpunkt, indem Du nicht mehr alle Techniken so leicht ausführen kannst.
Im Sparring merkst Du sehr schnell, wenn Du völlig fertig bist und Dein Partner 20 Jahre jünger nur müde lächelt.Das ist ein Kriterium, das für aikidô nicht gilt: Je länger man dabei ist, desto einfach wird es, die jungen Leute zu bewegen. Die Jungen schwitzen und ächzen. Ich selber muß mich kaum bewegen ... (und nehme langsam aber sicher zu, wenn ich nicht aufpasse ...) Und das ukemi wird - jedenfalls nach meiner Erfahrung - insofern "besser", als man die Wirkung der Techniken besser kontrollieren kann und ja auch weicher und beweglicher wird im Laufe der Jahre. Ich übe ja glücklicherweise eine Richtung, die nicht auf die Gelenke arbeitet, in der man nicht springen muss und dergleichen. Das weiche Fallen geht für viele Übende sehr lange.
Wann also ist man älter?

In meinem keiko sind sehr viele Übende, die Mitte/Ende 50 sind. Bei Seminaren erlebe ich es ähnlich.

carstenm
02-09-2019, 12:30
Wenn das stimmt: "Aikido ist Budo. Und wenn man aikidô übt, dann übt man ein budô. Einen Weg des Krieges, eine Kampfkunst. (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188614-Aikido-George-Ledyard-Seminarmitschnitt&p=3705551#post3705551)", dann könnte ich persönlich keine Aikido-Bewegungen lernen ohne unnötigen Verschleiß und Verletzungen zu riskieren. Das gilt vor allem für das Ukemi (im engeren Sinne von Rollen und Fallen). Wenn ich mit fortgeschrittenen Partnern Kotegaeshi oder Shihonage mit Vorwärtsfallen oder -Rollen über die gehebelte Hand übe, dann "funktioniert" das nur, wenn ich und insbesondere der Arm vollkommen entspannt ist.Diesen Gedanken verstehe ich nicht? Kannst du den Widerspruch den du siehst, vielleicht einmal konkretisieren? Für mich klingt es so, als wärest du der Meinung, das Üben eines budô würde einem weichen, druchlässigen Körper widersprechen? Für mich wäre das aber gerade eine Voraussetzung. Bzw. ein Übungsziel.

Aiki5O+
02-09-2019, 21:45
Diesen Gedanken verstehe ich nicht? Kannst du den Widerspruch den du siehst, vielleicht einmal konkretisieren? Für mich klingt es so, als wärest du der Meinung, das Üben eines budô würde einem weichen, druchlässigen Körper widersprechen? Für mich wäre das aber gerade eine Voraussetzung. Bzw. ein Übungsziel.
Meine persönliche Erfahrung, gerade in der Anfangszeit vor ca. 3 Jahren war: Wenn ich beim Üben von Aikido an Kampf oder Kampf-Training denke, dann wird der körperliche Austausch hektischer, kraftbetonter und führt zu Anspannungen, also das Gegenteil von Entspannung und Durchlässigkeit. Ein angespannter Körper wird auch unweigerlich härter fallen oder rollen, aber auch austeilen - beim Üben von Kokyunage (Sumi-Otoshi) hatte ich vor vielleicht 3 Jahren einmal meinem Partner deutlich sichtbare blaue Flecken an den Armen zugeführt, was mir hinter ziemlich peinlich war.

Ich denke mal, das sind ganz normale Reaktionen oder Reflexe. In einem Sparring werden die allerwenigsten auf einen Kotegaeshi-Versuch mit Entspannung des Handgelenkes und Armes reagieren sondern im Gegenteil dagegen halten, und das in der Regel mit Erfolg.* Theoretisch mag ja für das Üben von "Budo" ein weicher, durchlässiger Körper erstrebenswert sein, aber praktisch könnte ich persönlich, das nicht umsetzen, jedenfalls wenn ich bei Budo an "Weg des Kriegers oder Kampfkunst" denken müsste.

Verkrampfung und Anspannung auf der einen und weich und durchlässig auf der anderen Seite sind ja keine digitalen Gegensätze sondern es beliebige Schattierungen dazwischen. Gerade beim Rollen und Fallen über die mit Kotegaeshi oder Shihonage gehebelte Hand führen bei mir schon kleine, sogar unbewusste (dem Partner aber deutlich spürbare) Anspannungen zu unschönem härterem Rollen und Fallen. Ich bin also auf das kooperative, einfühlsame, führende Werfen durch einen erfahrenen Nage angewiesen. Wenn ich mich auf diese Art des entspannten Rollen und Fallens einlassen kann, dann ist das ein sehr schönes Gefühl. Natürlich ist es erstrebenswert, diese Entspannung und Durchlässigkeit auch bei weniger kooperativen Nages zu erhalten, da bin ich aber noch nicht soweit.

Andere mögen sich da leichter tun, aber ich persönlich kann die Vorstellung von Kampf, den Partner kontrollieren, oder besiegen oder Widerstand leisten wollen, nicht so einfach mit Entspannung und Weichheit verbinden.


_____________________________
*) Die YouTube Videos, die so was belegen, brauch ich ja nicht noch mal zu verlinken.

step-by
03-09-2019, 07:36
Hallo Aiki50+

ich kann es nicht beurteilen, wo und unter welchem Ausbilder Du Aikido übst.

Daher kann ich nur für mich sprechen. Ich habe im Aikido nie Menschen kennengelernt, die sich mit anderen Sportlern im Wettkampf messen wollten.
In den Bücher über das Aikido von Morihei Ueshiba da finde ich doch deutliche Worte: im Aikido gibt es keinen Wettkampf.

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=Aiki5O+;3706035]Meine persönliche Erfahrung, gerade in der Anfangszeit vor ca. 3 Jahren war: Wenn ich beim Üben von Aikido an Kampf oder Kampf-Training denke, dann wird der körperliche Austausch hektischer, kraftbetonter und führt zu Anspannungen, also das Gegenteil von Entspannung und Durchlässigkeit. Ein angespannter Körper wird auch unweigerlich härter fallen oder rollen, aber auch austeilen - beim Üben von Kokyunage (Sumi-Otoshi) hatte ich vor vielleicht 3 Jahren einmal meinem Partner deutlich sichtbare blaue Flecken an den Armen zugeführt, was mir hinter ziemlich peinlich war.

step-by
03-09-2019, 10:17
Hallo carstenm

Du sprichst mich an und verweist auf Deinen Verein, den es inzwischen seit 37 Jahren gibt.

Vielleicht ist es im Aikido bei Euch im Verein anders, sonst gelten für die Menschen allgemein diese Regeln:

-Ab 50 sollte jeder Sportler einfach anerkennen, daß die Power frühere Jahre nicht mehr vorhanden ist.
Im sechsten Lebensjahr und erst recht darüber hinaus, sind keine Leistungen mehr wie in jungen Jahren abzurufen.


:o


=carstenm;3705947]Wir haben in unserem Verein, den es inzwischen seit 37 Jahren gibt, das "Problem", daß mindestens die Hälfte der Übenden seit 25 Jahren oder länger übt. Ein "Problem" ist das insofern, als es für Anfänger nicht leicht ist, sich in so ein Gefüge zu integrieren.

aikidô hat den "Vorteil", daß das traditionelle taisô (das ^ ist wichtig: taisô meint "Körperübungen"; taiso meint einen Begründer und kann ein Ehrentitel sein) aus Übungen besteht, die ihren Hintergrund in asiatischen Gesundheitslehren haben. Wenn man sich damit auskennt, wenn man also weiß, was die Übungen bewirken sollen und wie man sie korrekt ausführt, dann sind sie ein sehr komplexes System der Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung.
Das geht bis dahin, daß man durch da taisô, als die "Gymnastik" des aikidô, auf bestimmte Beschwerden oder Themen einzelner Übender konkret eingehen kann, wenn man sich gut genug auskennt.






Ich habe immer wieder Kontakt mit Mediziner, Physiotherapeuten usw. um das, was wir üben, mit deren Kenntnissen abzugleichen. Das ist immer sehr produktiv und es gab bisher aus deren Sicht nichts auszusetzen an unserem Üben. Im Gegenteil.


Ich würde Dich höflich auf das Sportangebot besonders für ältere Menschen hinweisen.
Einfach nachlesen... da finden sich keine Kampfkunst- Arten darunter.

Wünsche Dir weiterhin viel Spaß mit Aikido.

Mit einem freundlichen

:winke:

Gast
03-09-2019, 12:53
Ich würde Dich höflich auf das Sportangebot besonders für ältere Menschen hinweisen.
Einfach nachlesen... da finden sich keine Kampfkunst- Arten darunter.


Wenn ich deine Zeilen lese, muss ich mich etwas wundern:

https://karate.de/downloads/category/20-jukuren

Es geht bestimmt nicht um den schwarzen Gürtel, wenn ich Sport mache will ich vielleicht keine japanische
Koryu-Kampfsportart ausüben.

carstenm
03-09-2019, 13:28
... ich persönlich kann die Vorstellung von Kampf, den Partner kontrollieren, oder besiegen oder Widerstand leisten wollen, nicht so einfach mit Entspannung und Weichheit verbinden. Aber genau das ist doch ein wesentlicher Inhalt, wenn nicht sogar DER Inhalt des Übens. Insbesondere bei der Entwicklung von aiki geht es doch um genau diesen Effekt, daß Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit die Kraft eines Angriffs auflösen.
Und in anderen budô ist das nicht anders. Allein schon wenn man ein Schwert nur ziehen möchte, ist es wichtig, nicht verspannt zu sein.
Und die Geschichten von dem zen Mönch, der nicht angegriffen werden kann, weil sein Geist leer ist, kennt wir wohl auch alle ...

Ich denke, es ist gerade diese Verbindung von Kämpfen mit Offenheit, Durchlässigkeit, Annehmen können / nicht fliehen müssen, Weichheit - durch das Üben eines budô den Übenden transformieren kann.
Ueshiba - und viele andere Lehrer eines budô - sprechen von dem Kampf gegen sich selbst ...

carstenm
03-09-2019, 13:50
Vielleicht ist es im Aikido bei Euch im Verein anders, sonst gelten für die Menschen allgemein diese Regeln:
-Ab 50 sollte jeder Sportler einfach anerkennen, daß die Power früherer Jahre nicht mehr vorhanden ist.
Im sechsten Lebensjahr(zehnt) und erst recht darüber hinaus, sind keine Leistungen mehr wie in jungen Jahren abzurufen.Dabei ist zu bedenken, daß beim Üben eines budô die reine Körperkraft nur einer von mehreren Aspekten ist. Und in den budô, die ich übe, nicht einmal die Wichtigste. Sowohl im aikidô, als z.B. auch im kenjutsu sind die Techniken so konstruiert, daß sie wenig bis keine Kraft brauchen. (Idealerweise) Entsprechend ist auch die Körperarbeit nicht auf die Bildung und den Erhalt von Kraft angelegt, sondern auf die Verbindung von yin und yang, aiki, Körper und Geist, ... Und dieser Aspekt steigert sich mit zunehmender Praxis und wird normalerweise nicht durch körperliche Alterungsprozesse eingeschränkt.
Dazu kommen Aspekte wie Technisches Können und Erfahrung. Und auch die nehmen mit dem Alter zu nehmen zu, nicht ab.

Die "Power früherer Jahre" ist eben beim Üben eines budô keine Kategorie, die weiterhilft.

Davon abgesehen:
Ich ganz persönlich habe übrigens aufgrund meiner Trainingsweise im Moment noch mehr Körperkraft als in jungen Jahren.
Mein Körper wird im Laufe der Jahre flexibler, beweglicher.
Und die Probleme mit Gelenken, Rücken, ... die ich früher hatte, sind aufgrund meines Trainings verschwunden ...


Ich würde Dich höflich auf das Sportangebot besonders für ältere Menschen hinweisen.
Einfach nachlesen... da finden sich keine Kampfkunst- Arten darunter.Ich habe nicht geantwortet im Hinblick auf ein Sportangebot für Senioren. Sondern ich habe mich auf die Fragestellung des Artikels bezogen, den du verlinkt hast, und auf deine Fragen geantwortet. Dabei ging es um Menschen, die aikidô üben. Und die Frage, wie man so üben kann, daß es auch im Alter möglich ist.

Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Aspekte.

step-by
03-09-2019, 21:39
Hallo lieber carstenm

ich habe das Thema - danke für die Korrektur aiki50+ - hier gefunden:

http://www.dojo-stamp.de/

Wenn Du in Deinem Verein viele, ältere Teilnehmer hast, wobei ich da an 50+ oder 60+ denke.
Dann ist das super.
In den meisten Kampfsport- Vereinen wird das nicht zutreffen.

Gruß

Aiki5O+
06-09-2019, 09:39
... ich persönlich kann die Vorstellung von Kampf, den Partner kontrollieren, oder besiegen oder Widerstand leisten wollen, nicht so einfach mit Entspannung und Weichheit verbinden.Aber genau das ist doch ein wesentlicher Inhalt, wenn nicht sogar DER Inhalt des Übens. Insbesondere bei der Entwicklung von aiki geht es doch um genau diesen Effekt, daß Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit die Kraft eines Angriffs auflösen.
Und in anderen budô ist das nicht anders. Allein schon wenn man ein Schwert nur ziehen möchte, ist es wichtig, nicht verspannt zu sein.
Und die Geschichten von dem zen Mönch, der nicht angegriffen werden kann, weil sein Geist leer ist, kennt wir wohl auch alle ...

Ich denke, es ist gerade diese Verbindung von Kämpfen mit Offenheit, Durchlässigkeit, Annehmen können / nicht fliehen müssen, Weichheit - durch das Üben eines budô den Übenden transformieren kann.
Ueshiba - und viele andere Lehrer eines budô - sprechen von dem Kampf gegen sich selbst ...
Ich habe zufällig was gefunden, was vielleicht belegt, das ich da nicht nicht alleine bin:



Den meisten Übenden ist es nach meiner Erfahrung nahezu unmöglich, loszulassen und weich zu üben, wenn sie mit Gedanken an Effektivität und Selbstverteidigung üben. Wenn man das Geübte dagegen ausdrücklich als reine Körperarbeit bezeichnet, die - in dieser Form geübt - zunächst nicht den Anspruch hat, als Selbstverteidigung dienen zu können oder zu wollen, wird weiches üben mit der Zeit möglich.

carstenm
08-09-2019, 11:02
Ich habe zufällig was gefunden, was vielleicht belegt, das ich da nicht nicht alleine bin:Mit diesem Thema bist du ganz sicher nicht alleine.
Darum schrieb ich ja: "Aber genau das ist doch ein wesentlicher Inhalt, wenn nicht sogar DER Inhalt des Übens. Insbesondere bei der Entwicklung von aiki geht es doch um genau diesen Effekt, daß Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit die Kraft eines Angriffs auflösen." Ich denke, das ist ein zentrales Thema aller Übenden.

Der Unterschied, zwischen unseren Positionen besteht -wenn ich es denn richtig verstehe?- möglicherweise darin, daß du aikidô nicht im Sinne eines budô -was das dann auch immer im einzelnen bedeuten mag- verstehen und üben möchtest, während meine Aussage von 2013, die du zitierst, in einen Kontext eingebettet ist, in dem aikidô ganz ausdrücklich als budô geübt wird.

Inhaltlich ist das kleine Wort "zunächst" sehr wichtig:
Ich bin der Ansicht, daß aikidô erst dann wirklich zu einem budô werden kann, wenn es als Körperarbeit gebüt wird und nicht allein die Formen geübt werden.
Endô sensei hat damals, als ich begonnen habe, bei ihm zu üben, über Jahre bei seinen Seminaren nullkommagarkeine kata üben lassen. Sondern ausschließlich das von ihm geschaffne System von Kontaktübungen und Körperarbeit unterrichtet. Bei den Prüfungen hat er aber ganz selbstsverständlich ein präzises kihon waza gefordert.
Dan Harden hat in der Zeit, als ich bei ihm geübt habe, in erster Linie Soloübungen unterrichtet ... mit der Intention eine höhere Effektivität zu erreichen. Udn in dem kenjutsu, das ich übe, wird zwar nicht Körperarbeit losgelöst vom Gebrauch der Waffen unterrichtet, aber sie ist das, was der Schüler zunächst vorrangig übt. Das Bewegen des Schwertes baut auf der Körperarbeit auf. So jedenfalls verstehe ich es derzeit.

Auch biographisch ist meine Aussage von damals eingebettet in einen Kontext, der aikidô ausdrücklich als budô versteht:
Ich hatte vorher mehr als zehn Jahre lang ein aikidô gelernt und geübt, in dem des um Effektivität ging. Mit Crosstraining, Bodenkampf, atemi an Sandsack und Pratze, Headbutts üben undsoweiter ... . Und ich habe dieses Üben übertragen in betriebliche Fortbildungen zum Thema "Selbstschutz und Eigensicherung" und dabei erlebt, wie sich das Üben abseits der Matte umsetzen läßt.
Das ist der Hintergrund, vor dem ich dann aikidô "ausschließlich als Körperarbeit" üben konnte. Mit Schülern, die in aller Regel einen ähnlichen Hintergrund hatten. Und die ähnlich lange geübt haben, wie ich selber auch und von denen viele damals schon ebenfalls yudansha waren.

Aiki5O+
08-09-2019, 16:04
Mit diesem Thema bist du ganz sicher nicht alleine.
Darum schrieb ich ja: "Aber genau das ist doch ein wesentlicher Inhalt, wenn nicht sogar DER Inhalt des Übens. Insbesondere bei der Entwicklung von aiki geht es doch um genau diesen Effekt, daß Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit die Kraft eines Angriffs auflösen." Ich denke, das ist ein zentrales Thema aller Übenden.Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit haben für mich einen hohen Wert an sich, der sich im Üben zeigt, dessen Wert wiederum in sich selbst liegt, wie du im anderen Thread geschrieben hast.


Der Unterschied, zwischen unseren Positionen besteht -wenn ich es denn richtig verstehe?- möglicherweise darin, daß du aikidô nicht im Sinne eines budô -was das dann auch immer im einzelnen bedeuten mag- verstehen und üben möchtest... Inhaltlich ist das kleine Wort "zunächst" sehr wichtig:
Ich weiß nicht, ob ich nicht schon zu alt bin, als dass es ein "nach dem" "zunächst" geben wird. Gegenwärtig kann und will ich nicht Aikido als budô verstehen, ohne die o.g. Entwicklung von Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit zu stören.


Ich bin der Ansicht, daß aikidô erst dann wirklich zu einem budô werden kann, wenn es als Körperarbeit gebüt wird und nicht allein die Formen geübt werden.Für mich sind die Formen auch Körperarbeit.


Ich hatte vorher mehr als zehn Jahre lang ein aikidô gelernt und geübt, in dem des um Effektivität ging. Mit Crosstraining, Bodenkampf, atemi an Sandsack und Pratze, Headbutts üben undsoweiter ...
All das oder etwas Vergleichbares habe ich weder in den letzten 3 Jahren noch in meiner Zeit vor 25-30 Jahren kennen gelernt. Aber das ist doch ein Grund mehr, das Aikido, das ich kenne und üben möchte, eben gerade nicht als budô zu verstehen.

Gast
09-09-2019, 10:45
Ich weiß nicht, ob ich nicht schon zu alt bin, als dass es ein "nach dem" "zunächst" geben wird. Gegenwärtig kann und will ich nicht Aikido als budô verstehen, ohne die o.g. Entwicklung von Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit zu stören.


Das die Effektivität des "Aiki-Budô" eben gerade auf diesen Dingen beruht, bzw. das das die Vorraussetzungen für das "Funktionieren" sind, willst du aber irgendwie nicht verstehen, oder?
Ich denke auch, die Formen die du übst, kann man doch nicht von ihrer Hernunft trennen.
Was man übt, spricht doch für sich selbst.
Man kann doch nicht üben Leute auf den Boden zu schmeißen und dann behaupten es habe nichts mit Kämpfen im weitesten Sinne oder mit Kampfkunst zu tun.

carstenm
09-09-2019, 12:18
... ein Grund mehr, das Aikido, das ich kenne und üben möchte, eben gerade nicht als budô zu verstehen.Wie verstehst du es stattdessen?
Und welche Bedeutung hat es für dich, wenn die Website des honbu dôjô des aikikai auf die Frage: "Was ist aikidô?" antwortet: "aikidô ist ein modernes budô."?

DatOlli
09-09-2019, 13:12
Zitat von Aiki5O+
... ein Grund mehr, das Aikido, das ich kenne und üben möchte, eben gerade nicht als budô zu verstehen.

Vielleicht geht es auch nur um die (emotionalen) Assoziationen die Aiki50+ mit dem Begriff "budô" verknüpft?

Liebe Grüße
DatOlli

Aiki5O+
10-09-2019, 07:59
Wie verstehst du es stattdessen?
Und welche Bedeutung hat es für dich, wenn die Website des honbu dôjô des aikikai auf die Frage: "Was ist aikidô?" antwortet: "aikidô ist ein modernes budô."?
Auf der englischen Website des Hombu Dojo (http://www.aikikai.or.jp/eng/aikido/index.html) lese ich: "Aikido is a modern Martial Art created by the Founder, Morihei Ueshiba.", aber nicht den Begriff "budô". Dafür Aussagen wie

The Founder, Morihei Ueshiba, created Aikido as a way to “banyu-aigo (love for all things in nature)”, after having a sense of doubt for Martial Arts which are for developing fighting skill with the ultimate goal being to win.

The Founder said it was more important to harmonize with people than to win by depending on power. Switching from ‘skills of fighting’ to ‘harmony’ is the purpose of training. Love is all “Ki (life energy)” based on “En No Ugoki (circle movement)”, “Irimi (entering)”, “DoChuSei (quietness in turmoil)” and “Chushin (immovable center)” to train our skills with each other. There is no conflict in this training. Aikido is “a way to absolute self-accomplishment”.

FireFlea
10-09-2019, 08:34
@Aiki50+ auf der japanischen Seite steht im genau gleichen Abschnitt, dass es zeitgenössisches Budo ist. ;)

Gast
10-09-2019, 10:00
Auf der englischen Website des Hombu Dojo (http://www.aikikai.or.jp/eng/aikido/index.html) lese ich: "Aikido is a modern Martial Art created by the Founder, Morihei Ueshiba.", aber nicht den Begriff "budô".

Martial Art bedeutet "Kampfkunst", das ist doch eins von den Dingen als die du Aikido nicht verstehen möchtest. Kannst du auch synonym für "Budo" nehmen. Aikidô ist kein Budô, dafür aber Kampfkunst, ist doch dann irgendwie keine losgische Schlussfolgerung.


Dafür Aussagen wie
Aussagen des Begründers kennen wir doch alle, besonders viele seine religiös geprägten Anschauungen sind in mehreren Büchern seitenweise nachzulesen.
Dafür aber auch seine Aussagen, Aikidô sei Budô. Eben ein Budô seiner besonderen Prägung, was er selbst eben auch als wahres Budô bezeichnet hat, aber eben Budô, und das "Funktionieren" hat er viele Male demonstriert und darüber keinen Zweifel gelassen.
Was er eben damit ausdrücken wollte, dass all die schönen Sprüche gar keinen Sinn ergeben, wenn es nicht funktioniert, dass ist im Grunde das was viele nicht akzeptieren wollen. Man will Ueshiba gerne zu einer Art Friedensbotschafter stilisieren, dass er diesen Frieden durch aber eben durch seine sehr effektive Kampfkunstmethode, die gleichzeitig aufgrund der Übungsmethode ein shintoistisch-buddhistischer Weg zur Selbstvervollkommnung war erreichen wollte, bleibt dann auf der Strecke.
Es ging ihm doch nicht um schöne Worte, sondern um das was auf der Matte (oder auch woanders) passieren kann, WENN Aiki ins Spiel kommt.

based on “En No Ugoki (circle movement)”, “Irimi (entering)”, “DoChuSei (quietness in turmoil)” and “Chushin (immovable center)”

Das sind alles Prinzipien seiner Kampfkunst, die die Effektivität und das Funktionieren sicher stellen, und kein religiöses Gebrabbel.

carstenm
10-09-2019, 13:18
Auf der englischen Website des Hombu Dojo (http://www.aikikai.or.jp/eng/aikido/index.html) lese ich: "Aikido is a modern Martial Art created by the Founder, Morihei Ueshiba.", aber nicht den Begriff "budô".Diese deine Antwort macht mich etwas ratlos. Wie FireFlea schon schrieb: Das ist eben genau der Satz, den ich zitiert hatte. Auf der japanischen Seite steht dort halt der Begriff "budô", der auf der englisch Seite mit "martial art" übersetzt wird.

Um den Gedanken von DatOlli aufzunehmen:
Ist denn da für dein Gefühl bzw. nach deinem ganz persönlichen Verständnis ein Unterschied zwischen dem, was du mit "budô" verbindest und dem, was du mit "martial art" assoziierst?


Dafür Aussagen wie ...Es gehört für mich zu den erstaunlichsten, bewegendsten und tiefsten Momenten meines Übens, solche Sätze von Ueshiba "übersetzt" zu bekommen und die "Übungsanleitungen" dazu kennenzulernen. Inryoku hat ja schon geschrieben, daß es sich bei diesen Formulierungen um "Prinzipien seiner Kampfkunst" handelt, "die die Effektivität und das Funktionieren sicher stellen".

Just zu den Begriffen “DoChuSei (quietness in turmoil)” = 動中静 und “Chushin (immovable center)” = 中心, die du zitierst, habe ich ganz konkreten Unterricht erlebt. Zum ersten gibt es eine DVD von Endô sensei. Und als ich angefangen habe, bei ihm zu üben, war das in allen Seminaren ein wichtiges Thema und wurde zu Beginn jedes Unterrichts geübt. (Dazu habe ich in meinem Text zu Endô sensei in Ellis' Kollumne bei AikiWeb auch kurz geschrieben.) Zu Letzterem habe ich bei Dan Harden viel kennengelernt. Es ist - bzw. war in der Zeit, als ich bei ihm geübt habe - einer der zentralen Inhalte seines Übens.
Das kanji 中 deutet dabei daraufhin, daß es sich um etwas handelt, das im Inneren des Körpers geschieht. Im Gegensatz zu 円の動くund 入り身, die äußere Bewegungen beschreiben.

Aiki5O+
10-09-2019, 22:40
Diese deine Antwort macht mich etwas ratlos. Wie FireFlea schon schrieb: Das ist eben genau der Satz, den ich zitiert hatte. Auf der japanischen Seite steht dort halt der Begriff "budô", der auf der englisch Seite mit "martial art" übersetzt wird.
Mein Beitrag #25 war wirklich unüberlegt, da war ich wohl mit den Gedanken schon woanders. Bitte um Entschuldigung.

Natürlich steht es außer Frage, dass nach dem Selbstverständnis des Aikikai, Aikido ein Budo und eine Kampfkunst ist.


Um den Gedanken von DatOlli aufzunehmen:
Ist denn da für dein Gefühl bzw. nach deinem ganz persönlichen Verständnis ein Unterschied zwischen dem, was du mit "budô" verbindest und dem, was du mit "martial art" assoziierst?
武道 wird von Übersetzungsprogrammen mit "martial art" oder "Kampfkunst" übersetzt; kann also sein, dass es im Japanischen dann keinen Unterschied gibt. Im Deutschen und Englischen beschreibt die Wikipedia Budō als "japanische Kampfkunst".

Die Frage ist, ob Budo eher als ein Weg des Krieges, einer Kunst des Kämpfen Könnens, in der es in erster Linie um Effektivität geht, oder als ein Weg zur Selbstverwirklichung, als spiritueller Weg zu verstehen ist, in der Effektivität zweitranging oder unwichtig ist, so wie es Guillaume Erard in seinem Interview in The Suprising Origins of Budô (https://aikidojournal.com/2019/01/14/the-surprising-origins-of-budo-an-interview-with-guillaume-erard/) diskutiert.

Angenommen, ich würde mich dazu bekennen, dass Aikido ein Budo und eine effektive Kampf-Kunst, geeignet für SV auf der Straße - nicht nur anonym in einem Forum, sondern vor Kollegen, Familienangehörigen, Freunden, Bekannten. Da würde ich doch nur Hohn, Spott oder ungläubiges Kopfschütteln ernten. Könnte ich wirklich mein im Aikido erworbenes Können für die SV auf der Straße nutzbringend anwenden? Könnte ich es in einem Sparring mit anderen Kampfsportlern, vielleicht im Rahmen eines Wurf-Seminars für Wurf-Interessierte, überzeugend zeigen? Ehrlicherweise muss ich diese Fragen verneinen. Ein guter Judoka hat mich kürzlich mal auf der Matte mir (und mit mir) 3 Hüftwürfe ganz kurz hintereinander (u.a. O-Goshi) demonstriert (immerhin ist mein Ukemi schon so weit automatisiert, dass mir die Würfe nichts ausgemacht haben). Da ist ganz klar, dass ich gegen den in einem Sparring, Randori oder gar echtem Kampf nicht den Hauch einer Chance hätte. Aber im Rahmen des Aikido-Keiko verhält derselbe Judoka sich kooperativ und lässt er sich wie die allermeisten anderen Aikidoka auch für mich leicht bewegen. Und selbst Partner, die nebenbei Kickboxen üben, entschuldigen sich brav, wenn mal zufällig ungewollt eine Hand den Kopf oder das Gesicht streicht.

Ich kann auch nicht die immer wieder wiederholten Diskussionen um die Effektivität des modernen Aikidos hier im KKB und anderen Plattformen ignorieren. All das zeigt mir, dass das Üben von Aikido alleine nicht geeignet ist, sich für Kampf und SV zu wappnen. Und ich lehne es auch ab, mir irgendwelche Illusionen zu machen.

Sicherlich gibt es Möglichkeiten, die über das normale Aikido-Training, wie ich es kenne, hinausgehen, z.B.:

Ich hatte vorher mehr als zehn Jahre lang ein aikidô gelernt und geübt, in dem des um Effektivität ging. Mit Crosstraining, Bodenkampf, atemi an Sandsack und Pratze, Headbutts üben undsoweiter ... . Und ich habe dieses Üben übertragen in betriebliche Fortbildungen zum Thema "Selbstschutz und Eigensicherung" und dabei erlebt, wie sich das Üben abseits der Matte umsetzen läßt.
Oder man müsste so üben, wie es die ersten Aikido-Lehrer in Europa in den 50ern wie Tadashi Abe und Kenshiro Abbe, die noch Aiki-Budo kannten, vermittelt hatten, siehe http://is-aikido-martialart.blogspot.com/. Was noch Schläge und Tritte mit der Intention jemanden K.O. zu hauen beinhaltete.

In dem anderen Thread heißt es: Der Wert des Übens liegt in sich selbst. Man übt, um dem näher zu kommen, was geübt werden soll - und zwar im Dojo meines Lehrers. Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit haben einen Wert in sich, ohne dass ich da an Anwendung für Kampf oder SV denken muss. Wie schon gesagt, würde mich persönlich der Gedanke an Kampf und SV an der Entwicklung all dessen hindern. Das Üben verstehe ich also als ein Miteinander, in dem Tori dem Uke die Erfahrung des Ukemi entsprechend seiner Erfahrung vermittelt und in dem Uke Tori die Gelegenheit, gibt die Wurf- und Halte-Techniken zu studieren. Körperarbeit, die nicht an Formen gebunden ist, entfernt sich nach meiner Erfahrung noch weiter von einem Kampf-Training.

Gast
11-09-2019, 09:33
Könnte ich wirklich mein im Aikido erworbenes Können für die SV auf der Straße nutzbringend anwenden?

Nein, natürlich nicht. Weil du es eben auch gar nicht willst, weil dich schon Begriffe abschrecken, und deswegen auch nicht in dieser Richtung übst.
Wenn man mit Aikido-Techniken überzeugen will, dann muss man einfach so trainieren dass es funktioniert, und das willst du eben nicht.
Damit ist aber auch alles gesagt.

DatOlli
12-09-2019, 07:58
@Aiki50+

Bin ja kein Aikidoka und habe dennoch diesen Faden (und den über Ledyard) mit Genuss gelesen.
Das was Carstenm und Inryoku zu Aikido schrieben, fand ich ebenso wie das was du schriebst extrem interessant.
Aus meinem Blickwinkel beschrieben die beiden eine Kampfkunst (die Übungen schulen mMn. kampfrelevante Fähigkeiten ohne bereits "Kampf" zu sein) das was du schriebst ging amS. mehr in Richtung "Lebensführung".
Bitte nicht falsch verstehen, hat aus meiner Sicht beides seine Berechtigung. Eigentlich halte ich das für zwei "Pole" zwischen denen man sich bewegt.
Was die SV anbetrifft.
Aus meiner Sicht verbessern beide "Arten" deine Chancen. So wie jedes physische Training. Auch Tischtennis.
Scherz beiseite. (Distanz-)Timing, Atemi, Angriffswinkel erkennen, Strukturaufbau und Strukturstörungen, u.s.w. alles da.
Erinnert mich alles iwie an die"IMA"-Diskussionen. Da geht es aus meiner Sicht um ein ähnliches Spannungsfeld (Lebensführung vs. KK).
Den Schwerpunkt muss wohl jeder für sich setzen (sofern überhaupt noch möglich, siehe tcma wo es nur noch wenige gibt die nicht in erster Linie i.R. Lebensführung gehen)

Hoffe das war jetzt nicht zu störend.

Liebe Grüße
DatOlli

Gast
12-09-2019, 10:56
Lebensführung, Selbstverwirklichung, da gibt es viele Methoden und Wege.
Es gibt, auf die japanischen Disziplinen bezogen verschiedene "Do".
Jede hat aber ihre Spezifika, man tut eben das, was man dort tut.
Im Budo übt man halt Dinge, die mit Kämpfen zu tun haben.
Will man das nicht, sollte man kein Budo üben.
Man macht auch nicht Chado, wenn man von Tee Pickel kriegt, oder Ikebana wenn man Blumen nicht mag.
Im Schwertkampf übt man das Kämpfen mit dem Schwert, da kann man noch so viel schöne Worte schreiben oder sagen.
Im Aikido ist est es halt ein bisschen schwierig, weil die Inhalte entschlüsselt werden müssen, aber es ist doch und bleibt Budo, egal wieviel "Lebensführung" man da reinpacken will.
Das, was man dort tut, ist eben nicht Blumen pflücken (wobei man ja auch entspannt und durchlässig sein kann).

DatOlli
12-09-2019, 11:38
... aber es ist doch und bleibt Budo, egal wieviel "Lebensführung" man da reinoacken will.
Das, was man dort tut, ist eben nicht Blumen pflücken (wobei man ja auch entspannt und durchlässig sein kann).

Hmm, ich drücke dem Aikido aufrichtig die Daumen das du richtig liegst. Und bin jetzt auch wieder raus, weil das doch schon "arg" OT und auch die falsche (Diskussions-) Richtung ist.
Sorry.

Liebe Grüße
DatOlli

Gast
12-09-2019, 13:01
schon "arg" OT und auch die falsche (Diskussions-) Richtung ist.


Naja, man kann sich schon auch darüber unterhalten, wwlche Trainingsmethode für ältere Leute angemessen ist, und trotzdem dem Anspruch eines Budo genügt.
Das ist schon noch im Thema.
Hier scheint ja im Kopf ein Gegensatz zu bestehen:
Weichheit, Verbundenheit vs. Hart und verspannt
Persönliche Entwicklung vs. Kampf und Krieg, Budo.
Weiches ukemi vs. harte breakfalls.

Es ist meiner Ansicht nach total falsch, solche Polaritäten zu kreieren.

carstenm
12-09-2019, 18:55
@ Aiki50+:

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Ich glaube, ich habe jetzt zum ersten mal eine Ahnung davon bekommen, warum du die Bezeichnung "budô" nicht angemessen findest, bzw. nicht benutzen möchtest für dein Üben.


Die Frage ist, ob Budo eher als ein Weg des Krieges, einer Kunst des Kämpfen Könnens, in der es in erster Linie um Effektivität geht, oder als ein Weg zur Selbstverwirklichung, als spiritueller Weg zu verstehen ist, in der Effektivität zweitranging oder unwichtig ist, ... Mir kommen dazu einige Gedankensplitter in den Sinn. Sie sind nicht als Argumente gemeint, die in irgendeine Richtung hin überzeugen wollen. Es sind einfach ganz persönliche Assoziationen, die mir aufgekommen sind ...

- Ich assoziiere mit budô ausdrücklich nicht moderne Selbstverteidigung. Weder SV "für die Strasse", noch "Selbstschutz und Eigensicherung", wie ich es in betrieblichen Kontexten unterrichtet habe.
- Ich assoziiere mit budô nicht "kämpfen können" in einem Sinne, wie es im Oktagon gefordert ist. Oder in einem Wettkampf.
- Für mich klingt in dem Begriff "budô" weder Krieg noch Kampf mit. Obwohl das natürlich in der Wortbedeutung liegt. Aber es ist nicht das, was ich als erstes assoziiere, wenn ich das Wort ion meinen Übungskontexten höre oder lese.
- Für mich meint der Begriff "budô" - ähnlich wie chadô, shodô, sumi e oder ikebana - ein kulturelles Phänomen. Konkret einen bestimmten Aspekt der japanischen Kultur. Ein budô zu üben hat für mich mit Geschichte, Lebensweise, Sprache und derlei Dingen zu tun.
- Ich verbinde mit dem Begriff "budô" ein historisches Phänomen.
- Das Üben von Etikette ist nach meinem Verständnis ein zentraler Aspekt des Übens von "budô".
- Ich assoziiere mit budô eine Form des Selbstvertrauens und der Fähigkeit der auch körperlichen Selbstbehauptung, bzw. Selbstwirksamkeit.
- Ich erlebe das Üben von budô als einen Weg der Persönlichkeitsentwicklung.
- Und vor allem: Ich erlebe es als einen spirituellen Weg.


Angenommen, ich würde mich dazu bekennen, dass Aikido ein Budo und eine effektive Kampf-Kunst, geeignet für SV auf der Straße - nicht nur anonym in einem Forum, sondern vor Kollegen, Familienangehörigen, Freunden, Bekannten. Da würde ich doch nur Hohn, Spott oder ungläubiges Kopfschütteln ernten.Ich benutze den Begriff "budô", um deutlich zu machen, daß ich etwas übe, das "irgendwie auf eine verschrobene Weise mit Kämpfen zu tun hat", ohne aber "auf der Straße" funktionieren zu müssen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß diese Darstellung eher Respekt als Hohn hervorruft.


Könnte ich wirklich mein im Aikido erworbenes Können für die SV auf der Straße nutzbringend anwenden? Wie gesagt: Ich denke nicht, daß budô dazu gemacht sind. In Bezug auf die koryû, die ich übe, ist das noch deutlicher: Die Waffen, mit denen wir üben, sind eher nicht dazu gedacht.
Nichtsdestotrotz habe ich erlebt, daß mir das Üben von aikidô durchaus Möglichkeiten an die Hand gegeben hat, die mir in Konfliktsituationen sehr gut geholfen haben.


Könnte ich es in einem Sparring mit anderen Kampfsportlern, vielleicht im Rahmen eines Wurf-Seminars für Wurf-Interessierte, überzeugend zeigen? Das kann man doch herausfinden ... und zwar gar nicht um irgendwem irgendwas zu beweisen, sondern um für sich selbst eine Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu gewinnen. Gerade für Menschen mit unserer Statur ist es doch auch im normalen Training interessant, mit besonders Großen oder besonders Schweren oder besonders Starken zu üben, um uns weiter zu entwickeln. In diesem Sinne habe ich auch Crosstraining oder Sparring immer verstanden.


Ehrlicherweise muss ich diese Fragen verneinen. Ich denke, da ist der Hinweis von Inryoku zutreffend: Man kann sich immer nur in einer Richtung weiter entwickeln, die man auch tatsächlich übt. Wenn du dich in dieser Richtung entwickeln wollen würdest, dann wäre es eben angezeigt auch in diese Richtung zu gehen. Ich ganz persönlich mach für mich immer einen klitzekleinen Schritt nach dem anderen, wenn ich solche Dinge in Angriff nehme. Und dann komme ich Laufe der Zeit eben so weit, wie ich komme ...


Ich kann auch nicht die immer wieder wiederholten Diskussionen um die Effektivität des modernen Aikidos hier im KKB und anderen Plattformen ignorieren. Aber das Internet ist doch in Bezug auf budô nur eine Scheinwelt. Ich selber kann das in Bezug auf diesen Aspekt nicht ernst nehmen. Ich kenne in zwischen so "unendlich" viele Lehrer und Übende, die in dieser virtuellen Welt nicht vorkommen, sondern einfach in der realen Welt üben und unterrichten ...


Sicherlich gibt es Möglichkeiten, die über das normale Aikido-Training, wie ich es kenne, hinausgehen, z.B.: ...Naja, in meinem Umfeld - und damit meine ich nicht nur den Verein und das dôjô, in denen ich damals geübt habe, sondern die gesamte Linie, war das "das normale Aikido-Training". Viele französische Lehrer haben so geübt, weil dort der Austausch mit Judo, Kickboxen und VK Karate einfach aufgrund der Vereinstrukturen normal war - und ist. (Im dôjô von Christian Tissier werden X KK/KS-Arten parallel unterrichtet.)
Begonnen hatte ich in einer ganz anderen aikidô-Linie und dort habe ich in meiner allerersten aikidô-Stunde am Makiwara üben müssen/dürfen.

Von daher denke ich, die Formulierung wäre eventuell zu teilen "das normale Aikido-Training" und "wie ich es kenne".


Was noch Schläge und Tritte mit der Intention jemanden K.O. zu hauen beinhaltete.Naja, das kenne ich durchaus als einen Aspekt, den viele Lehrer ganz unterschiedlicher Richtungen intendieren. Ob es technisch den Ansprüchen gerecht wird, ist sicher noch einmal ein eigenes Thema. Aber als Aspekt des Übens kenne ich das - mit einer Ausnahme - aus allen aikidi Richtungen, in denen ich bisher Erfahrungen sammeln konnte.


In dem anderen Thread heißt es: Der Wert des Übens liegt in sich selbst. Man übt, um dem näher zu kommen, was geübt werden soll - und zwar im Dojo meines Lehrers. Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit haben einen Wert in sich, ohne dass ich da an Anwendung für Kampf oder SV denken muss. Wie schon gesagt, würde mich persönlich der Gedanke an Kampf und SV an der Entwicklung all dessen hindern. Das Üben verstehe ich also als ein Miteinander, in dem Tori dem Uke die Erfahrung des Ukemi entsprechend seiner Erfahrung vermittelt und in dem Uke Tori die Gelegenheit, gibt die Wurf- und Halte-Techniken zu studieren. Körperarbeit, die nicht an Formen gebunden ist, entfernt sich nach meiner Erfahrung noch weiter von einem Kampf-Training.Ich glaube, daß es ganz wesentlich darum geht, die beiden Pole, die DatOlli genannt hat, und die du ja auch in deinem Post beschreibst, gleichermaßen zu betonen. Nach meiner Erfahrung ensteht eine hochinteressante Dynamik, wenn man ein budô, also eine Kampf/Kriegs-Kunst übt -und zwar in aller Konsequenz - um menschliches Miteinander zu leben und zu fördern, um seinem Übugnspartner zu helfen, zu wachsen, und um die eigene Persönlichkeit zu entwickeln.

Noch einmal ganz persönlich:
Ich übe ein aikidô, das sich ausdrücklich als budô versteht und so unterrichtet wird; ich übe das Schwert der katori shintô ryû, mit der Vorstellung einen Angreifer zu schneiden (auf deutsch: zu töten); ich übe eine Form von nei gong (in der es um innere Transformation geht); ich übe eine Richtung des tibetischen Buddhismus (die sich als zutiefst pazifistisch versteht). Und ich erlebe das alles als den einen, selben Weg ...

Noch einmal Danke für deine Antwort!
Und noch einmal: Ich möchte meine Gedanken, die durch deine Antwort angeregt wurden, nur dazu, bzw. daneben legen.
Das ist nicht gemeint als Gegenrede oder Wertung oder Argumentation.

Aiki5O+
12-09-2019, 21:37
Das was Carstenm und Inryoku zu Aikido schrieben, fand ich ebenso wie das was du schriebst extrem interessant.
Aus meinem Blickwinkel beschrieben die beiden eine Kampfkunst (die Übungen schulen mMn. kampfrelevante Fähigkeiten ohne bereits "Kampf" zu sein) das was du schriebst ging amS. mehr in Richtung "Lebensführung".
@DatOlli: Vielleicht hast du schon mal was von Kinomichi gehört, eine Bewegungskunst, die Masamichi Noro nach einem schweren Verkehrsunfall seit den 70er Jahren aus dem Aikido entwickelt hatte. Die Fragen, die sich Noro laut dem Autor eines Nachrufs (Andreas Lange-Böhm) gestellt hatte, enthalten ja zum Teil das, was ich mich gefragt habe und hier diskutiert wurde:


Vor allem stellte er (Noro) die grundsätzliche Frage, ob denn das Gegenüber immer als Gegner
betrachtet werden müsse. Ob das Denken in Kategorien von Angriff und Verteidigung, Sieg
oder Niederlage, von Gegnern überhaupt, nicht das eigentliche Ziel, Offenheit, Klarheit und
Präsenz zu gewinnen gerade unmöglich mache und letztlich auf der körperlichen Ebene nur
Angst und Anspannung erzeuge. Sollte es nicht möglich sein, die in den Kampfkünsten
vorhandene Energie konstruktiv zu nutzen und alle destruktiven Aspekte, die sich immer
wieder ungewollt einschlichen, zu eliminieren?

In "Über Kinomichi" (https://www.kinomichi.de/was-ist-kinomichi/) heißt es dann u.a.:

Im Wechselspiel von innerer Zentrierung und Expansion, Erdung und Aufrichtung, Nähe und Distanz im Kontakt zu Partnern findet sich ein neuer Zugang zur eigenen inneren Kraft.

Dank der verschiedenen Bewegungstechniken entwickelt man auf natürliche Art und Weise mehr geistige und körperliche Beweglichkeit, Zugang zur mentalen Kraft, eine größere Geschmeidigkeit, aber auch Ausdauer und Widerstandskraft auf allen Ebenen.

Dass Kinomichi eine „Kampfkunst“ ist, heißt, dass die martialischen Anteile eines Kampfsports transformiert wurden in unsere moderne Zeit. So wird ein Gegenüber zum Partner, wenn es überhaupt einen Gegner gibt, und Angriff und Abwehr lösen sich im gemeinsamen Kontakt auf.

Elegant im “flow” zu bewegen mit einem Partner - ganz eins zu sein mit sich und dem Partner, innere Freiheit und Konzentration erleben mit einer Energie die den anderen direkt erreicht …

Quelle: https://www.kinomichi.de/was-ist-kinomichi/
(https://www.kinomichi.de/was-ist-kinomichi/)
Aber genau so empfinde ich das Üben der Formen des Aikidos, das ich kenne. Also müsste mMn das Aikido Ueshibas das Potential einer Entwicklung in diese Richtung gehabt haben.

So empfinde ich (und auch nicht wenige andere Aikidoka, die ich kenne) das Rollen und Fallen nicht als Niederlage oder als Konter gegen den Willen von Nage, einen zu schmeißen und zu verletzen, sondern als etwas, was an sich Freude bereitet. Noch offensichtlicher ist das beim Üben von Haltetechniken (Katame Waza), die bei uns oft ganz ausdrücklich mit einer Schulter- und Rückengymnastik abgeschlossen werden.


Was die SV anbetrifft.
Aus meiner Sicht verbessern beide "Arten" deine Chancen. So wie jedes physische Training. Auch Tischtennis.
Scherz beiseite. (Distanz-)Timing, Atemi, Angriffswinkel erkennen, Strukturaufbau und Strukturstörungen, u.s.w. alles da.
Es ist eine interessante Frage, ob und wie und welches Üben die Chancen in einer SV-Situation abseits der bewussten Anwendung von Techniken verbessern kann. Mangels eigener Erfahrung kann ich da nur spekulieren und auf andere Beiträge verweisen, z.B. den #43 von Klaus im Achtsamkeits-Thread (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188695-Was-ist-Achtsamkeit&p=3706173#post3706173), also ob im Not- und SV-Fall Geist und Körper intuitiv und trotzdem kreativ reagieren bevor der Verstand das mitbekommt. Auch Gozo Shioda beschreibt in seinem Buch "Aikido Shugyo", wie er zum Erstaunen seiner Begleiter so einen überraschenden Messerangriff kontern und unbeschadet überstehen konnte. Meine eigene Erfahrung bei Stürzen und Ausrutschern legt mir jedenfalls nahe, dass das prinzipiell möglich ist ohne spezifisches Szenario-Training, wie z.B. yoko ukemi üben auf Blitzeis-glatter Straße.

carstenm
13-09-2019, 08:07
... schon mal was von Kinomichi ... Ki no michi ist in der FFAAA (Fédération Française d'Aïkido, Aïkibudo et Affinitaires) unter der Bezeichnung der "Affinitaires" organisiert. Das ist nun ausgerechnet gerade der Verband, dem ich angenschlossen war in den ersten etwa zwölf Jahren, in dem ich - wie oben beschrieben - ein eher "robustes" aikidô geübt habe. So kommt es, daß ich Ki no michi in jener Zeit auch selber kennengelernt habe.
Noro sensei habe ich zwar nie kennengelernt, aber nach allem, was ich weiß, war es nicht sein Anliegen, durch seinen Übungsweg andere Formen von aikidô in Frage zu stellen. Zumal er selbst doch auch ein sehr "deutliches" aikidô unterrichtet hat, wenn ich es richtig weiß.
Bedeutsam scheint mir aber vor allem, wenn man an die japanischen Gepflogenheiten denkt, daß er sein eigenes Üben umbenannt hat. Wenn auch fast gleichlautend, hat seine Kunst eben doch einen neuen, einen eigenen Namen. Und heißt gerade nicht Aiki no michi. Und das hat soweit mir bekannt inhaltliche Gründe und liegt nicht einfach daran, daß die kanji sonst dieselben gewesen wären. Es ist nicht einfach eine weitere Richtung des aikidô.
Vielleicht kann Inryoku dazu genaueres sagen, ob und wie es aiki im Ki no michi gibt.


Aber genau so empfinde ich das Üben der Formen des Aikidos, das ich kenne. Ich bin ja von Wolfgang Sambrowsky zum shodan graduiert worden, der stark von Gerd Walter beeinflußt ist. Und sowohl er, als auch Gerd Walter haben bei Noro sensei geübt. Ich habe den Eindruck, wenn es eine aikidô-Richtung gibt, die eine innere Verbindung zu dem Ki no michi von Noro sensei hat, dann ist es wohl diese Linie. Ich jedenfalls habe das Üben häufig als sehr verwandt empfunden. Und es kommt mir so vor als habe Gerd Walter - und ganz ähnlich auch Wolgang - in der Verbindung von Zen und aikidô, die es ja ursprünglich so nicht gab, ein neues Konzept geschaffen, eine eigene Weiterentwicklung.

In der Zeit, als mein erster Lehrer von dem "französischen" aikidô zu dieser u.a. an Gerd Walter orientierten Richtung gewechselt war, hat er sich auch mit Kontaktimprovisation befaßt und Aspekte davon eingebracht. Bis heute kenne ich viele aikidoka, für die Kontaktimprovisation eine plausible Ergänzung zu ihrem Üben ist.


So empfinde ich (und auch nicht wenige andere Aikidoka, die ich kenne) das Rollen und Fallen nicht als Niederlage oder als Konter gegen den Willen von Nage, einen zu schmeißen und zu verletzen, sondern als etwas, was an sich Freude bereitet.Meiner Erfahrung nach gilt das für alle Richtungen, die ich bisher erleben konnte. Ich denke, die Freude am ukemi, wie auch die Erfahrung, daß ukemi nicht Niederlage oder Verlust ist, sondern im Gegenteil "glücklich" macht, ist dem Üben aller Richtungen gemeinsam.

Gast
13-09-2019, 11:18
@DatOlli: Vielleicht hast du schon mal was von Kinomichi gehört, eine Bewegungskunst, die Masamichi Noro nach einem schweren Verkehrsunfall

Kinomichi entstand nicht aufgrund eines Verkehrsunfalls, das kam erst später.
Der Unfall war 1966, Kinomichi gibt es erst seit 1979, 1985 wurde es im Beisein des 2. Aikido-Doshu öffentlich vorgeführt.



Also müsste mMn das Aikido Ueshibas das Potential einer Entwicklung in diese Richtung gehabt haben.

Natürlich hat es das.
Die Worte, dass wahres Budo eben nicht bedeutet in Kategorien von Angriff und Verteidigung, Sieg und Niederlage zu denken, stammen doch von Ueshiba.
Aber man muss das natürlich auch richtig deuten können, was damit gemeint ist.



Auch Gozo Shioda beschreibt in seinem Buch "Aikido Shugyo", wie er zum Erstaunen seiner Begleiter so einen überraschenden Messerangriff kontern und unbeschadet überstehen konnte. Meine eigene Erfahrung bei Stürzen und Ausrutschern


Hast du eine Vorstellung davon, wie Shiodas Training aussah?

Gast
13-09-2019, 12:30
Vielleicht kann Inryoku dazu genaueres sagen, ob und wie es aiki im Ki no michi gibt.

Ein zentrales Element im Kinomichi ist die Verbindung von Himmel-Erde-Mensch, Noro Sensei sprach auch von absteigender Wasser, und aufsteigender Feuer-Energie. Die Kinomichi Bewegungen betonen die Spirallinien, die durch den Körper verlaufen. Noro Sensei hatte ohne Zweifel einen Aiki-Body. Was er damit angestellt hat, war etwas anders, als das was daito-ryu Leute tun, er wollte glaube ich einen Schritt weiter, im Grunde hat er Ueshibas Denkweise konsequent weiter geführt, die für viele noch immer Widersprüche beinhaltet.
Aber ja, ich denke es gibt im Kinomichi Aiki.
Ich erinnere mich an den Vergleich, mit dem jemand der vielleicht etwa zur gleichen Zeit wie Gerd und Wolfgang bei Noro (noch zu Aikido-Zeiten) geübt hat, die Wirkung seiner Technik verglichen hat. Man konnte sich seiner Kraft nicht entziehen, es war wie der Rüssel eines Elefanten der einen einfach so mitnimmt, ganz weich, aber unglaublich stark.
Ich habe Noro ja nur einmal angegriffen, als er mich während des Trainings so im Vorbeigehen korrigierte, das fühlte sich schon besonders an.



Ich habe den Eindruck, wenn es eine aikidô-Richtung gibt, die eine innere Verbindung zu dem Ki no michi von Noro sensei hat, dann ist es wohl diese Linie. Ich jedenfalls habe das Üben häufig als sehr verwandt empfunden. Und es kommt mir so vor als habe Gerd Walter - und ganz ähnlich auch Wolgang - in der Verbindung von Zen und aikidô, die es ja ursprünglich so nicht gab, ein neues Konzept geschaffen, eine eigene Weiterentwicklung.


Ich glaube nicht dass es was mit der Verbindung mit Zen zu tun hat.
Ich denke, das diese "Weiterentwicklung " Asai Sensei zuzuschreiben ist, der das was mit Aiki-tai-sho und Ki no nagare schon existierte mit den Bewegungskonzepten Noros in Verbindung gebracht hat, und parallel zu dem klassischen Aikido das er unterrichtet hat ein eigenständiges Konzept geschaffen hat, eben auch um zu zeigen dass man mit den Aikidotechniken auch andere Dinge tun kann als Leute hart auf die Matte zu schmeißen (was beide ja sehr intensiv geübt haben).
Durch dieses Konzept sind aber viele Leute dann eben auch mit dem Aikido Noros und später mit dem Kinomichi in Berührung gekommen (manche haben auch nicht verstanden dass da im Grunde zwei Konzepte parallel existierten), viele Asai-Leute sind mit einem Empfehlungsschreiben in der Tasche nach Paris gefahren, und meistens mit einem deutlich zu beobachtenden Entwicklungsschub zurückgekommen.
Auch die beiden von dir genannten sind beide über diesen Weg mit Noro Sensei in Berührung gekommen.
Häufig kommen ja auch Kinomichi Leute zu Asai Sensei, weil es diese Parallele gibt, es gibt Kinomichi-Übende die regelmäßig im Dojo Asais anzutreffen sind, und auf den großen Lehrgängen von Asai sieht man immer öfter die gestreiften Hakama, u. a. den des jetzigen Soke des Kinomichi.

Gast
13-09-2019, 14:12
In welchen Bereich man das einordnen soll, ob Budo oder Lebensführung/Selbstverwirklichung, kann jeder selbst entscheiden:

https://youtu.be/NbQANnGI_A8

carstenm
13-09-2019, 15:54
Vielen Dank für die profunde Antwort! :)

Aiki5O+
13-09-2019, 19:09
Ich glaube, ich habe jetzt zum ersten mal eine Ahnung davon bekommen, warum du die Bezeichnung "budô" nicht angemessen findest, bzw. nicht benutzen möchtest für dein Üben.
Danke schön für die verständnisvolle Antwort.


- Ich assoziiere mit budô ausdrücklich nicht moderne Selbstverteidigung. Weder SV "für die Strasse", noch "Selbstschutz und Eigensicherung", wie ich es in betrieblichen Kontexten unterrichtet habe.
- Ich assoziiere mit budô nicht "kämpfen können" in einem Sinne, wie es im Oktagon gefordert ist. Oder in einem Wettkampf.
- Für mich klingt in dem Begriff "budô" weder Krieg noch Kampf mit. Obwohl das natürlich in der Wortbedeutung liegt. Aber es ist nicht das, was ich als erstes assoziiere, wenn ich das Wort ion meinen Übungskontexten höre oder lese.
...
- Ich erlebe das Üben von budô als einen Weg der Persönlichkeitsentwicklung.
- Und vor allem: Ich erlebe es als einen spirituellen Weg.
Mit diesem Verständnis von budô könnte ich mich anfreunden und identifizieren. Aufgrund von Beiträgen wie "Aikido ist Budo. Und wenn man aikidô übt, dann übt man ein budô. Einen Weg des Krieges, eine Kampfkunst. (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188614-Aikido-George-Ledyard-Seminarmitschnitt&p=3705551#post3705551)" hatte ich aber einen gegenteiligen Eindruck gewonnen. Außerdem ist zu berücksichtigen, was ein Gesprächspartner oder Leser, der kein Aikidoka ist, unter Budo versteht, ungefähr so wie es kurz in der Wikipedia definiert ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Bud%C5%8D).


Das kann man doch herausfinden ... und zwar gar nicht um irgendwem irgendwas zu beweisen, sondern um für sich selbst eine Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu gewinnen. Gerade für Menschen mit unserer Statur ist es doch auch im normalen Training interessant, mit besonders Großen oder besonders Schweren oder besonders Starken zu üben, um uns weiter zu entwickeln. In diesem Sinne habe ich auch Crosstraining oder Sparring immer verstanden. Daran, also eine Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu gewinnen, hatte ich auch schon gedacht. Kann mir aber nicht vorstellen, wie das gehen soll, ohne dass daraus eine Art MMA-Sparring wird oder man sich ganz auf das Game (z.B. Judo/BJJ) des Sparringpartners einlassen muss. In meinem Dojo gibt es ja auch einige Judoka und Kickboxer, die aber nach meinem Eindruck ihre Erfahrungen und Können während des Übens völlig ausblenden. So als ob Judo oder Muay Thai völlig getrennte Welten von der des Aikido-Übens sind.

Gast
13-09-2019, 22:40
oder man sich ganz auf das Game (z.B. Judo/BJJ) des Sparringpartners einlassen muss.

Das ist genau der Fehler in der Denkweise, dem auch z.B. Rokas verfallen ist.
Aber du antwortest sowieso nicht auf meine Beiträge, oder gehst der Diskussion aus dem Weg, also lass ich es ab jetzt auch, dich zu kommentieren.

carstenm
14-09-2019, 05:53
Mit diesem Verständnis von budô könnte ich mich anfreunden und identifizieren. Aufgrund von Beiträgen wie "Aikido ist Budo. Und wenn man aikidô übt, dann übt man ein budô. Einen Weg des Krieges, eine Kampfkunst. (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188614-Aikido-George-Ledyard-Seminarmitschnitt&p=3705551#post3705551)" hatte ich aber einen gegenteiligen Eindruck gewonnen. Ich kann nur wiederholen:
Nach meinem Verständnis und in meinem Üben bilden diese scheinbaren Widersprüche eine (dialektische) Einheit, die das eigentliche Wesen von budô ausmachen. Der Weg des Krieges und der Weg des Friedens eins.


Daran, also eine Einschätzung der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu gewinnen, hatte ich auch schon gedacht. Kann mir aber nicht vorstellen, wie das gehen soll, ohne dass daraus eine Art MMA-Sparring wird oder man sich ganz auf das Game (z.B. Judo/BJJ) des Sparringpartners einlassen muss.Ich habe solches Training nie als etwas verstanden, bei dem es darum ginge, irgendetwas zu gewinnen oder zu beweisen. Sondern einfach nur darum, Erfahrungen zu sammeln. Und zwar zuächst mal vor allem darüber, wie sich der Partner aus einer anderen KK/KS bewegt und wie er seinen Körper organisiert. Um zu lernen, wie sich sein Verhalten von dem ukemi, das ja ein Teil des aikidô Paradigmas ist, unterscheidet. Ich habe es so erlebt, daß diese Erfahrungen dann auch ihren Weg gefunden haben in mein tägliches aikidô Üben und es befruchtet haben.


In meinem Dojo gibt es ja auch einige Judoka und Kickboxer, die aber nach meinem Eindruck ihre Erfahrungen und Können während des Übens völlig ausblenden. So als ob Judo oder Muay Thai völlig getrennte Welten von der des Aikido-Übens sind.Naja, die sind ja da, weil sie eben aikidô üben wollen, oder? Also werden sie entsprechend trainieren.

Aiki5O+
16-09-2019, 20:51
Aber du antwortest sowieso nicht auf meine Beiträge, oder gehst der Diskussion aus dem Weg, also lass ich es ab jetzt auch, dich zu kommentieren.Ich habe dich in diesem Thread nur beim Wort genommen:

Nein, natürlich nicht. Weil du es eben auch gar nicht willst, weil dich schon Begriffe abschrecken, und deswegen auch nicht in dieser Richtung übst.
Wenn man mit Aikido-Techniken überzeugen will, dann muss man einfach so trainieren dass es funktioniert, und das willst du eben nicht.
Damit ist aber auch alles gesagt.
Es stimmt ja auch, dass ich "das" nicht will. Das Risiko in einer SV-Situation zu Schaden zu kommen, schätze ich für mich persönlich als weit geringer ein, als das Risiko in einem harten Aikido ("mit Crosstraining, Bodenkampf, atemi an Sandsack und Pratze, Headbutts, Schläge und Tritte mit der Intention jemanden K.O. zu hauen") oder einer anderen VK-KK/KS einen vorzeitigen Verschleiß oder Verletzungen zu erleiden, die das weitere Üben behindern oder unmöglich machen.

@Carsten:

Ich kann nur wiederholen:
Nach meinem Verständnis und in meinem Üben bilden diese scheinbaren Widersprüche eine (dialektische) Einheit, die das eigentliche Wesen von budô ausmachen. Der Weg des Krieges und der Weg des Friedens eins.

Damit sind aber für dich beide Seiten von Budô untrennbar miteinander verbunden. Die harte Seite habe ich nun mal in jüngeren Jahren nicht kennen gelernt. Damit fehlt mir dieser Hintergrund und die Erfahrung, der es dir ermöglichte, wie du geschrieben hast, "aikidô ausschließlich als Körperarbeit" (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188690-Ukemi-f%C3%BCr-%C3%84ltere-oder-sind-die-%C3%9Cbungen-des-Aikido-wirklich-immer-gesund&p=3706760#post3706760) zu üben. Also bleibt es dabei, dass ich persönlich für mein Üben den Begriff "budô" nicht angemessen finde.

Zumal ich die Aussage, dass aikidô "irgendwie auf eine verschrobene Weise mit Kämpfen zu tun hat", angesichts folgendem Anspruches nicht nachvollziehen kann:

An Aikidoka should be able to consistently cut down an opponent with the first blow. This it the true Budo aspect of Aikido. It is precisely because we are confident that we will always able to do this. This confidence gives us two things, our strength and the ability to choose a less deadly outcome, both of which we should have as a prerequisite to our training.

(Hiroshi Tada, zitiert hier (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188082-Gedankenspiel&p=3693465#post3693465))

Die logische Konsequenz ist dann halt, dass ich kein Aikido übe.

Gast
17-09-2019, 07:05
. Das Risiko in einer SV-Situation zu Schaden zu kommen, schätze ich für mich persönlich als weit geringer ein, als das Risiko in einem harten Aikido ("mit Crosstraining, Bodenkampf, atemi an Sandsack und Pratze, Headbutts, Schläge und Tritte mit der Intention jemanden K.O. zu hauen") oder einer anderen VK-KK/KS einen vorzeitigen Verschleiß oder Verletzungen zu erleiden, die das weitere Üben behindern oder unmöglich machen.


Wo wir wieder beim Thema sind, wie übt man altersgemäß, und trotzdem mit einem gewissen Realitätsbezug.
Atemi am Sandsack kann man auch mit Ü50 ohne sich die
Hände zu brechen, aber um power zu entwickeln gibt es ganz verschiedene Methoden.
Aber da muss halt auch ein Konzept vorhanden sein.
Aber Budo und SV sind ja nun auch nicht ein und das Selbe.

carstenm
17-09-2019, 13:43
Damit sind aber für dich beide Seiten von Budô untrennbar miteinander verbunden.Ja. Genau das ist m.E. das Wesen vieler budô.


Die harte Seite habe ich nun mal in jüngeren Jahren nicht kennen gelernt. Damit fehlt mir dieser Hintergrund und die Erfahrung, der es dir ermöglichte, wie du geschrieben hast, "aikidô ausschließlich als Körperarbeit" (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188690-Ukemi-f%C3%BCr-%C3%84ltere-oder-sind-die-%C3%9Cbungen-des-Aikido-wirklich-immer-gesund&p=3706760#post3706760) zu üben. Also bleibt es dabei, dass ich persönlich für mein Üben den Begriff "budô" nicht angemessen finde.Ich selber habe durch diese Art des Übens außer blauen Flecken und Prellungen keine Verletzungen davongtragen. Volleyball war tausendmal schlimmer. Und das war auch bei meinen Mitübenden so.
Alle "echten" Verletzungen, die ich selber oder auch andere hatten, waren "Unfälle", wie z.B. im hakama hängen bleiben, in einen anderen Übenden hineinrollen, "doof" fallen, ... dergleichen Dinge, die auch bei weichem, entspannten Üben vorkommen. einmal hat mir mein Lehrer bei kenjutsu Training eine Rippe angebrochen. Aber das war beim Üben von kata und lag daran, daß ich mir was beweisen wollte ...


Zumal ich die Aussage, dass aikidô "irgendwie auf eine verschrobene Weise mit Kämpfen zu tun hat", angesichts folgendem Anspruches nicht nachvollziehen kann:Mit "verschroben" meine ich stark verkürzt, daß ich / wir "tödliche Techniken" üben, wie es u.a. Tada sensei beshreibt, in einer KK, in der es kein Sparring gibt, kein Randori im eigentlichen Sinne ... eben keinen Kampf ...


Die logische Konsequenz ist dann halt, dass ich kein Aikido übe.Ach, das glaub ich nicht. ;-) Es entscheidet doch nicht das Zitat eines Lehrers, zu dem du - wenn ich es richtig vermute - gar keine Beziehung als Übender hast, oder die Aussagen von klugen oder dummen Leute in Internetforen oder sonst irgendwer darüber, was du übst oder nicht. Vielleicht wäre es ja mal spannend, dich mit deinem Lehrer oder fortgeschrittenen sempai über dieses Thema auszutauschen? Weiß nicht, aber die nennen es doch offenbar "aikidô", was sie da unterrichten. Und sie unterrichten es ja offenbar so, daß du dich da mit deinem Verständnis gut aufgehoben fühlst. Ich habe in früheren Jahren oft - genau umgekehrt - den Vorwurf gehört, das, was ich üben würde, sei kein aikidô ...

Gast
17-09-2019, 19:16
Ich selber habe durch diese Art des Übens außer blauen Flecken und Prellungen keine Verletzungen davongtragen. Volleyball war tausendmal schlimmer. Und das war auch bei meinen Mitübenden so.


Ging es dabei nocht immer um so Langzeit- oder Folgeverletzungen, Gelenk- oder sonstige Probleme?
Und die hast du doch jetzt eben durch das andere Üben nicht mehr, wie du sagtest.

Gast
17-09-2019, 20:28
Mit "verschroben" meine ich stark verkürzt, daß ich / wir "tödliche Techniken" üben, wie es u.a. Tada sensei beshreibt, in einer KK, in der es kein Sparring gibt, kein Randori im eigentlichen Sinne ... eben keinen Kampf ...



Wenn man Tada gegenübersteht, versteht man ein bisschen, was das für ein Mann ist.

Aiki5O+
17-09-2019, 21:37
Die logische Konsequenz ist dann halt, dass ich kein Aikido übe.
Ach, das glaub ich nicht. ;-) Es entscheidet doch nicht das Zitat eines Lehrers, zu dem du - wenn ich es richtig vermute - gar keine Beziehung als Übender hast, oder die Aussagen von klugen oder dummen Leute in Internetforen oder sonst irgendwer darüber, was du übst oder nicht. Vielleicht wäre es ja mal spannend, dich mit deinem Lehrer oder fortgeschrittenen sempai über dieses Thema auszutauschen? Weiß nicht, aber die nennen es doch offenbar "aikidô", was sie da unterrichten. Und sie unterrichten es ja offenbar so, daß du dich da mit deinem Verständnis gut aufgehoben fühlst. Ich habe in früheren Jahren oft - genau umgekehrt - den Vorwurf gehört, das, was ich üben würde, sei kein aikidô ...
Meine Aussage war die (prädikaten)logische Konsequenz aus "Aikido ist Budo" und "Budo ist ein Weg des Kriege(r)s". Aber das ist doch Keyboar-Do und hat mit dem Übungsalltag nichts zu tun.

Ich weiß jetzt nicht, was mein(e) Lehrer dazu antworten würde(n), aber mir fällt dazu ein Cartoon eines BJJ'lers ein:

https://i.redd.it/7pj6om3pyx201.jpg
Quelle: https://www.reddit.com/r/bjj/comments/7iohv7/therapy/

Wobei idealerweise der Zustand aus Bild 6 schon bzw. gerade beim Üben des Aikido, das ich kenne, erreicht werden sollte..

Gast
18-09-2019, 07:34
Mir fällt dazu ein Satz von Andre Protin ein:

"Aikido als psychohygienisches sich austoben"

carstenm
18-09-2019, 08:50
Wenn man Tada gegenübersteht, versteht man ein bisschen, was das für ein Mann ist.Ja, das denke ich mir. Ihn meinte ich auch nicht mit "verschroben", sondern das Phänomen, daß vielen Übenden die "praktische Erfahrung" oder auch die innere Haltung fehlen, die hinter Aussagen wie der von Tada sensei - oder auch manchem anderen Lehrer - stehen.

carstenm
18-09-2019, 08:54
Ging es dabei nocht immer um so Langzeit- oder Folgeverletzungen, Gelenk- oder sonstige Probleme?
Und die hast du doch jetzt eben durch das andere Üben nicht mehr, wie du sagtest.Ich bin nicht ganz sicher, worauf du dich beziehst? Ich erinnere mich an eine Diskussion über "ungesundes" aikidô. Dort habe ich mich aber mit meiner Kritik auf die Trainingsweise in einem anderen dôjô bezogen.
Wenn ich mich denn recht erinnere ...

carstenm
18-09-2019, 08:56
Aber das ist doch Keyboar-Do und hat mit dem Übungsalltag nichts zu tun.Danke, das war mir nicht bewußt.

Ich versuche so zu schreiben, daß meine Worte ungetrennt sind von meinem Üben und Leben.


Ich weiß jetzt nicht, was mein(e) Lehrer dazu antworten würde(n), aber mir fällt dazu ein Cartoon eines BJJ'lers ein:
Wobei idealerweise der Zustand aus Bild 6 schon bzw. gerade beim Üben des Aikido, das ich kenne, erreicht werden sollte.Im Üben von Endô sensei - und auch bei meinem Lehrer - ist das etwas, das während der Vorbereitung auf das Training geschehen sollte und weswegen man sich idealerweise 15 Minuten vor Beginn auf der Matte einfindet ...

Gast
18-09-2019, 10:38
Ich bin nicht ganz sicher, worauf du dich beziehst?



.
Mein Körper wird im Laufe der Jahre flexibler, beweglicher.
Und die Probleme mit Gelenken, Rücken, ... die ich früher hatte, sind aufgrund meines Trainings verschwunden ...



Diese Auasage bezog sich also nicht auf dein früheres Training?

carstenm
18-09-2019, 11:25
Diese Auasage bezog sich also nicht auf dein früheres Training?Nein. Das bezog sich auf die Probleme und Einschränkungen, die ich mitgebracht habe, als ich begonnen habe, aikidô zu üben.

Gast
18-09-2019, 14:06
Alles klar

Aiki5O+
22-09-2019, 10:12
Meine Aussage war die (prädikaten)logische Konsequenz aus "Aikido ist Budo" und "Budo ist ein Weg des Kriege(r)s". Aber das ist doch Keyboar-Do und hat mit dem Übungsalltag nichts zu tun. Danke, das war mir nicht bewußt.

Ich versuche so zu schreiben, daß meine Worte ungetrennt sind von meinem Üben und Leben.

Noch mal zur Klarstellung: Mit Keyboar-Do meinte ich nur die Diskussion um den Begriff "budô", verbunden mit der Aussage "Aikido ist Budo". Solche Diskussionen um Begriffe, die sich mittlerweile im Kreis drehen, haben tatsächlich nichts mit meinem Üben und Leben zu tun. Es ist sogar so, dass wir uns beim Üben gerade nicht an Begriffe und sprachliche Gedanken, Erklärungen klammern sollen. "Lerne es und vergiß es" soll Ueshiba laut Shioda "ständig" gesagt haben*.

Ausgangspunkt der Diskussion zu "budô" in diesem Thread war folgende Frage:

Wie verstehst du es stattdessen?
Und welche Bedeutung hat es für dich, wenn die Website des honbu dôjô des aikikai auf die Frage: "Was ist aikidô?" antwortet: "aikidô ist ein modernes budô."?Die Antwort auf japanisch (http://www.aikikai.or.jp/aikido/index.html) auf der Website des honbu dôjô des aikikai lautet: 合気道は現代武道。 Aikidō wa gendai budō.

Dazu habe ich jetzt einen Artikel von Guillaume Erard Real fighting is not the primary purpose of budo (https://guillaumeerard.com//aikido/articles-aikido/real-fighting-is-not-the-primary-purpose-of-budo/) gefunden, der wiederum auf ein längeres auf YouTube veröffentlichtes Interview mit Alex Bennett (Teil 8-11) (https://www.youtube.com/watch?time_continue=61&v=ZUT2Vh_b-Jk) verweist.

(Gendai) Budô ist ein Begriff, der laut Alex Bennett erst vor ca. 100 Jahren eingeführt wurde für kobudo-Disziplinen, um sie in ein Erziehungssystem umzuwandeln. Jiguro Kano hat wohl 30 Jahre dafür geworben, dass Judo in Schulen an Kinder und Jugendliche unterrichtet werden durfte. Demnach ist "modernes Budo" in erster Linie ein Erziehungssystem und ein Weg zu Persönlichkeitsentwicklung, in dem Effektivität auf Straße oder Schlachtfeld zweitrangig geworden ist.

Damit könnte ich mich identifizieren, aber die Bedeutung des Begriffs in Gesprächen und Diskussionen dürfte wohl umstritten bleiben (erst recht, wenn man sich an die wörtliche Übersetzung "Weg des Krieges" klammert). Außerdem bleibt mir weiter unklar, was Morihei Ueshiba unter "Budo" oder anderen Begriffen wie "Budo der Liebe", "Liebe", "Harmonie" usw. verstand. Warum sollte ich mich also mit einem Begriff identifizieren, der mir selber unklar ist, und völlig unterschiedliche, teils gegensätzliche Interpretationen und Bedeutungen hat?


_________________________
*) Gozo Shioda. Aikidô Shugyô

Gast
22-09-2019, 12:05
.

(Gendai) Budô ist ein Begriff, der laut Alex Bennett erst vor ca. 100 Jahren eingeführt wurde für kobudo-Disziplinen, um sie in ein Erziehungssystem umzuwandeln. Jiguro Kano hat wohl 30 Jahre dafür geworben, dass Judo in Schulen an Kinder und Jugendliche unterrichtet werden durfte. Demnach ist "modernes Budo" in erster Linie ein Erziehungssystem und ein Weg zu Persönlichkeitsentwicklung, in dem Effektivität auf Straße oder Schlachtfeld zweitrangig geworden ist.


Du schreibst einfach so viele selbst zusammengereimte Sachen, die zwar nicht total falsch sind, aber oft irgendwie am Kern vorbeigehen.
Jigoro Kanos Judo orientierte sich durchaus am realen Kampf.
Erziehungsystem und Persönlichkeitsentwicklung war zudem natürlich zu einem erheblichen Anteil auf die körperliche Entwicklung bezogen und im Rahmen des aufkeimenden Nationalismus auf die Entwicklung bestimmter Ideale und Vorstellungen.
Der Gedanke der heute ins Judo hineininterpretiert wird, das mit dem Begriff "Do" etwas wie ein philosophischer Weg gemeint ist ( allgemein als Do-Disziplinen bezeichnet) war Kano fremd.
Lies dazu mal Niehaus Abhandlung über Kanos Vortrag
vor der Dai Nihon kyoikukai (,Großjapanischen Gesellschaft für Erziehung'), in Gegenwart des Erziehungsministers Enomoto Takeaki von 1889.
Der Begriff Gendai Budo dient als Abgrenzung zu den Koryu- Schulen, Budo die nach der Meiji Reform begründet wurden zählen nicht als Koryu.

Aiki5O+
22-09-2019, 19:49
Du schreibst einfach so viele selbst zusammengereimte Sachen, die zwar nicht total falsch sind, aber oft irgendwie am Kern vorbeigehen.Bei meinem letzten Beitrag ging es ja auch nur darum, dass ich den Begriff "Budo" nicht verstehe und ganz unterschiedliche Ansichten lese und ich es schon deswegen für unangemessen halte, mich als Budoka zu bezeichnen.

Gast
22-09-2019, 21:11
Bei meinem letzten Beitrag ging es ja auch nur darum, dass ich den Begriff "Budo" nicht verstehe und ganz unterschiedliche Ansichten lese und ich es schon deswegen für unangemessen halte, mich als Budoka zu bezeichnen.

Wenn du etwas übst, was vom Begründer dieser Kunst ganz klar als Budo bezeichnet wurde, wo ist das Problem?
Zumal wenn diese Person sein Leben lang in diesem Metier tätig war und eine hohe Anerkennung hatte?
Warum ist es da wichtig, was es da noch für unterschiedliche Meinungen gibt, die gibt es doch zu allem und jedem?

carstenm
23-09-2019, 18:38
Noch mal zur Klarstellung: Mit Keyboar-Do meinte ich nur die Diskussion um den Begriff "budô", verbunden mit der Aussage "Aikido ist Budo". Solche Diskussionen um Begriffe, die sich mittlerweile im Kreis drehen, haben tatsächlich nichts mit meinem Üben und Leben zu tun.Mit meinem Üben und Leben dagegen schon. Ich erlebe das Üben von aikidô unmittelbar als Ausdruck japanischer Kultur. Und das nicht auf einer theoretisch-abstrakten Ebene, sondern weil ich bei japanischen Lehrern übe. Oder bei Lehrern, die in Japan gelebt haben, um dort zu üben. Und deren Lehrer also ebenfalls Japaner sind. (Ein wichtiger Lehrer für meinen Lehrer war beispielsweise Watanabe sensei, dessen Versterben du neulich gepostet hast.) So hat unser Üben einen engen Bezug zu dem Land, seinen Menschen, der Kultur und Geschichte. Und in so einem Kontext ist eben "budô" kein Abstraktum, sondern ein kultureller Aspekt, der mit Leben gefüllt ist. Und dem ich versuche, in meinem Leben und Üben näher zu kommen.



(Gendai) Budô ist ein Begriff, ... Ich bin nicht sicher, wie die Frage der Unterscheidung von kobudô und gendaibudô in den Diskussionsverlauf passt? Ich selber übe ja sowohl ein kobudô, als auch ein gendaibudô. Und ich sehe nicht, daß die Unterscheidung, ob ein budô vor oder nach der Meiji Restauration entstanden ist, einen Unterschied bedeutet für die Frage, "was budô sei".
M.E. haben sich viele Aspekte, die du gendai budô zuschreibst, durch das bunbu ryôdô der Edo Zeit längst auch in kobudô entwickelt. Und sie konnten auch vorher schon Teil dessen sein, was unter budô verstanden wurde. So gehören diese Aspekte zum Gründungsmythos der TSKSR, die Mitte des 15. Jahrhunderts gegründet wurde.

Dazu kommt, daß es durchaus Überschneidungen geben kann von strukturellen Aspekten der gendaibudô und kobudô: So hat z.B. das aikidô einen shintô (ômoto kyô) Schrein, in dem die 43 kami des aikidô eingeschreint sind. Es ist als Schule einer Familie organisiert, hat also einen sôke und die entsprechenden Hierarchien. Die TKSKR umgekehrt hat in einer ihrer Linien das moderne dankyû System adaptiert.

Ich verstehe den Begriff gendaibudô eher als einen politischen Begriff. gendai meint ja schlicht die gegenwärtige Zeit, die die Edo-Zeit Edo jidai abgelöst hat. D.h. der Begriff gendaibudô bezeichnet Schulen, die entstanden sind nach der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, nach dem Verbot, Schwerter zu tragen etc. ... nachdem also (zumeist) nur eine bestimmte gesellschaftliche Klasse budô üben konnte. David A. Hall nennt in seiner Enzyclopaedia als wesentliches Kriterium für gendai budô, daß sie "... for civilians" bestimmt waren.
Was gendaibudô als Erziehungssystem anbetrifft, so muß man bedenken, daß das in einem nationalistischen Kontext zu sehen ist. Vielleicht so ähnlich wie die Wurzeln unserer Turn- und Schützenvereine. Es ging dabei darum, eine "wehrfähige Jugend" zu bilden. Nachdem man zur Landesverteidigung nicht mehr auf eine Kriegerklasse zurückgreifen konnte, muß man dieses Problem auf andere, neue Weise lösen. Sugino Yoshio ôsensei kritisiert sehr deutlich, dieses Verpflanzen der alten budô in den Kontext des Schulunterrichts. Und ich vermute, daß dir die Inhalte des in einer solchen Weise als Erziehungssystem verstandenen budô denn eher doch nicht behagen würden.


Warum sollte ich mich also mit einem Begriff identifizieren, der mir selber unklar ist, und völlig unterschiedliche, teils gegensätzliche Interpretationen und Bedeutungen hat?
[...]
Bei meinem letzten Beitrag ging es ja auch nur darum, dass ich den Begriff "Budo" nicht verstehe und ganz unterschiedliche Ansichten lese ...Ich vermute, es ist ein Unterschied, ob man budô als ein theoretisches Konzept versteht, mit dem man sich intellektuell auseinandersetzt. Oder ob man es als mit Leben gefüllten kulturellen Aspekt unmittelbar erfährt. Ersteres wäre mir wohl auch fremd und würde mir nicht zu Identifikation taugen. Mit Letzterem mußte ich mich gar nicht gedanklich auseinandersetzen und irgendwann bewußt entscheiden, daß ich aikidô als budô verstehe, sondern es ist eher so, daß ich im Nachhinein beschreibe, was ich in meinem Üben erlebt habe.

Nebenbei bemerkt:
Mein Lehrer, der einer der Menschen ist, die mein Verständnis von budô wesentlich prägen - und der sowohl gendaibudô, wie auch kobudô unterrichtet - ist durch die Friedensbewegung zum aikidô gekommmen und übt auch vierzig Jahre später immer noch mit diesem Impetus.
Und ich selber habe ja auch nicht den allerkriegerischsten Brotwerberb und Lebensinhalt.

Gast
24-09-2019, 12:19
Ich bin nicht sicher, wie die Frage der Unterscheidung von kobudô und gendaibudô in den Diskussionsverlauf passt?

Wahrscheinlich denkt er:
Koryu = altes Budo = Kriegskunst = destruktiv
im Gegensatz zu
Gendai Budo = modernes Budo = philosophischer Weg, Persönlichkeitsentwicklung

Ansonsten denke ich auch, dass es eher ein politisches Konstrukt ist, bzw. die neueren Budokünste eben auch instrumentalisiert wurden.



43 kami des aikidô

Ich dachte es sind 42.

carstenm
24-09-2019, 12:55
Ich dachte es sind 42.Auf der alten Website des aiki jinja werden 43 kami genannt:https://web.archive.org/web/20121212065014/http://www13.big.or.jp/~aikikai/e_kaiso.html
Diese Zahl findet sich auch immer wieder mal in Aussagen Ueshiba Kisshomaru.
Das ist die Zahl, auf die ich mich beziehe.

Aber du hast völlig Recht: Die 42 findet man auch sehr häufig.

Wenn ich es richtig verstehe, geht diese Differenz auf unterschiedliche Zählweisen zurück:
Eine Erklärung, die ich kennengelernt habe: Die 42 zählt aiki no kami (agatsu katsuhayabi no mikoto) selbst nicht mit, sondern nur die schützenden kami. Warum so gezählt wird, weiß ich nicht.
Eine andere Erklärung meint, daß Ôsensei selbst auch als kami im aiki jinja eingeschreint sei. Und nicht mitgezählt würde.

Gast
24-09-2019, 16:20
Eine andere Erklärung meint, daß Ôsensei selbst auch als kami im aiki jinja eingeschreint sei. Und nicht mitgezählt würde.

Ich weiß immer nicht als wer?
Als sarutahiko no okami?
Oder als ame no murakumo kuki samuhara ryu o? Oder einfach als Ueshiba kami?
Oder als welchen kami er sich noch bezeichnet hat oder von welchem er sich beseelt oder "besessen" gefühlt hat.
Wer war er denn nun eigentlich, und wie viele?

Gast
25-09-2019, 11:19
:
Eine Erklärung, die ich kennengelernt habe: Die 42 zählt aiki no kami (agatsu katsuhayabi no mikoto) selbst nicht mit, sondern nur die schützenden kami.

Wobei Aiki O kami wiederum drei sind, die drei "creatorgods" des kojiki: Amenominakanushi, Takamimusubi, Kamimusubi (Laut Sangenkai).
Wie passt das den jetzt wieder zusammen?
Bin da echt überfragt.

carstenm
25-09-2019, 12:54
Wie passt das den jetzt wieder zusammen?Ich habe mich vor Jahrenden mal versucht da reinzufinden ...
... und hab's irgendwann losgelassen und zurückgleiten lassen in den Sumpf der ungeklärten Fragen ...

Aiki5O+
26-09-2019, 21:08
Wenn du etwas übst, was vom Begründer dieser Kunst ganz klar als Budo bezeichnet wurde, wo ist das Problem?
Siehe Post #29 (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188690-Ukemi-f%C3%BCr-%C3%84ltere-oder-sind-die-%C3%9Cbungen-des-Aikido-wirklich-immer-gesund&p=3707055#post3707055) und Carstens Antwort(en) darauf.


Wahrscheinlich denkt er:
Koryu = altes Budo = Kriegskunst = destruktiv
im Gegensatz zu
Gendai Budo = modernes Budo = philosophischer Weg, Persönlichkeitsentwicklung
Nein, so habe ich nicht gedacht. Ich bezog mich auf das Interview (https://www.youtube.com/watch?time_continue=61&v=ZUT2Vh_b-Jk) mit Alex Bennett, nach dem der Begriff "budô" erst seit ca. 100 Jahren gebräuchlich sei. Also die Umbenennung von bujutsu zu budo, und von (Budo)-Disziplinen von jutsu zu do.

Dass auch die Koryu zumindest seit der Edo-Periode als Erziehungssysteme und Weg zu Persönlichkeitsentwicklung verstanden werden können, wird ja auch in den Artikeln von Guillaume Erard und im Interview durch Alex Benett betont.


Ich vermute, es ist ein Unterschied, ob man budô als ein theoretisches Konzept versteht, mit dem man sich intellektuell auseinandersetzt. Oder ob man es als mit Leben gefüllten kulturellen Aspekt unmittelbar erfährt. Ersteres wäre mir wohl auch fremd und würde mir nicht zu Identifikation taugen. Mit Letzterem mußte ich mich gar nicht gedanklich auseinandersetzen und irgendwann bewußt entscheiden, daß ich aikidô als budô verstehe, sondern es ist eher so, daß ich im Nachhinein beschreibe, was ich in meinem Üben erlebt habe.
Ja. Ich habe nun mal keinen japanischen Lehrer und bin auch keine Mitglied einer Koryu, für mich bleibt budô ein theoretisches Konzept. Japanische Etikette wie das Verbeugen ist auf das Geschehen auf der Matte begrenzt. Davor und danach begrüßt oder verabschiedet man sich bei uns mit "Hallo", Handschlag, seltener mit Umarmung, aber nicht mit Verbeugung. Letzteres würde ich als aufgesetzt und komisch empfinden. Anders sähe es aus, wenn ein Japaner sich zur Begrüßung verbeugt*, eben weil es für ihn natürlich und gewohnt ist.

In dem Karate-Thread "Geht die Tradition verloren" gibt es einen, wie ich finde, interessanten und auch aufs Aikido übertragbaren Beitrag von Henning Wittwer, der Tradition als Übetragungs-Linien versteht (was auch in Aikido-Threads immer wieder genannt wird):
...In seinem Dōjō wurden an der Stirnseite die Namen von drei japanischen Gottheiten deutlich sichtbar ausgehangen. Diese drei japanischen Gottheiten hatten für Japaner damals hinsichtlich Kampfkunst und Heimatgefühl eine Bedeutung. Tatsächlich werden dieselben drei Gottheiten bis heute im dritten Shōtōkan in Tōkyō mittels jährlichen Shintō-Ritualen verehrt. Für Japaner ist das eher „normal“. Doch diese drei Gottheiten sind für Karate an sich wiederum „nur“ äußerer Putz, um es in der Kultur Japans einzupassen. Keineswegs – und das ist zum Verständnis wirklich wichtig – war G. Funakoshi der Auffassung, dass derartige japanische Kultur zusammen mit seinem Karate in andere Länder überführt werden müsse. Im Gegenteil vertrat er die Auffassung, dass sein Karate in jedem Land eigenständig in die jeweilige Kultur eingeführt werden sollte.

Mit anderen Worten wäre es „traditionell“ in G. Funakoshis Sinne, eben japanisches Ritual in Deutschland wegzulassen. Zum Beispiel verfügen wir in Deutschland über eigne Begrüßungsrituale, wie z. B. „Hallo!“ oder „Guten Tag!“ zu sagen. Anstatt also „japanische Grüße“ auszutauschen, wäre es angebracht, für uns normale Umgangsformen zu nutzen.

Soll also ein westlicher Aikidoka und Budoka die 42+ Kami des aiki jinja Schreins verehren und dazu vielleicht noch Ueshiba selbst als Kami? Oder kann ein westlicher Lehrer Aikido in der Tradition einer Lehrlinie ausgehend von Ueshiba fortführen, losgelöst vom religiösen, spirituellen und kulturellen Kontext? Meines Wissens hat Ueshiba zumindest die Frage von Schülern (Noquet?) verneint, ob Aikido selbst eine Religion sei.

Ich kenne es jedenfalls so, dass meine Lehrer die Techniken und Prinzipien des Aikido während des Unterrichts weitgehend mit deutschen Begriffen und mit Bildern aus dem westlichen Alltag und auch anderen Sportarten erklären, aber eben nicht auf daoistische Begriffe und Prinzipien zurückgreifen.

____________________________
*) Außerhalb des Aikido-Unterrichts

carstenm
27-09-2019, 07:42
Ich bezog mich auf das Interview (https://www.youtube.com/watch?time_continue=61&v=ZUT2Vh_b-Jk) mit Alex Bennett, nach dem der Begriff "budô" erst seit ca. 100 Jahren gebräuchlich sei. Also die Umbenennung von bujutsu zu budo, und von (Budo)-Disziplinen von jutsu zu do.Puuuhhhh ....

Der Begriff budô ist belegt seit dem 16. Jahrhundert.
Er ist ursprünglich einigermaßen weit gefaßt und meint mehr als nur die martialen Techniken. Der Begriff bezeichnet eher insgesamt die "Lebensweise" derjenigen, die eine Kriegskunst üben. Man kann das noch ein bißchen erahnen, wenn man sich vor Augen führt, was alte Schulen neben den kriegerischen Techniken z.B. auch unterrichten:
Heilkunst - Nicht nur auf Kriegsverletzungen bezogen, sondern ganz allgemein angewendet auch für die übrige Bevölkerung.
Etikette - Den gesamten Alltag umfassend und regulierend.
Baukunst und das, was wir heute unter "Feng shui" verstehen - Also gute Orte, gute Richtungen, gute Anordnungen finden. Und auch das nicht nur bezogen auf Festungen o.ä..
Die Kunst der Weissagung.
Die Beschwörung der kami.
...
All das kann man z.T. noch heute in verschiedenen Schulen finden, wenn man genauer hinschaut.
Ein budô war - und ist m.E. - weit mehr als das Erlernen und Üben martialer Techniken. Sondern der Begriff bezeichnet eine die Weise, das gesamte Leben zu gestalten.

Auch eine der Wurzeln des aikidô, das oshikiuchi, ist wahrscheinlich ein budô, in dem es vor allem um Etikette ging. Um die Weise, sich zu bewegen unter bestimmten Bedingungen im Inneren von Palästen (wenig Raum, kniende Haltung, Zerermonialgewänder ...).

Faktisch wurden - nach allem, was ich inzwischen meine gelernt zu haben - die Bezeichungen budô und bujutsu weitgehend synonym gebraucht. (Ich meine, daß auch der Begriff heihô einen solch weiten Deutdungsrahmen haben und also synonym sein konnte.) Die Unterscheidung im Sinne einer Entwicklung von jutsu zu dô, die heute oft angenommen wird, geht - soweit mir bekannt - auf Donn F. Draeger zurück. Und gilt heute, so glaube ich, als überholt.

Der Vorgang, den Alex Bennett schildert, war nicht eine "Umdeutung von bujutsu zu budô", sondern es war eine Einengung des Begriffes allein auf die Aspekte der alten Schulen, die im Rahmen des Erziehungswesens unterrichtet werden sollten. Und das waren eben die martialen Aspekte.
Es ging darum, das Volk, die Schüler fit zu machen für den Krieg. Daher wurden auch nur die entsprechenden Aspekte der budô in das Erziehungswesen integriert. Sugino Yoshio ô sensei beschreibt diese Einengung und den dadurch verursachten Verlust der Entwicklung der in einem budô angelegten Tugenden in dem Abschnitt "Budô in der Schule" zu Beginn seines "Budô Kyôhan" von 1941.
Sodann war es wichtig, Formen des Unterrichtens und Übens zu entwickeln, die im Rahmen eines Erziehungssystems funtkionieren konnten. Das hat zu tun mit dem Phänomen, das im Westen oft als "Versportlichung" interpretiert wird.
Weiter war es wichtig, in diesen Unterricht Nationalstolz, die Haltung gegenüber Kaiser und Vaterland, und die Haltung gegenüber den nationalen Werten zu integrieren. Die sog. "dô-Aspekte", auf die du dich beziehst, wenn du von einer Entwicklung "von jutsu zu do" sprichst, waren keine ethischen oder demokratischen.
Und schließlich ging es bei der Schaffung und Entwickung des dai nihon butokukai immer wieder auch schlicht um Standardisierung: Man wollte die "unendlich vielen" Schulen, in denen die unterschiedlichsten budô gelehrt wurden, so standardisieren, daß man sie zentral lenken konnte. Ich verstehe es so, daß man die frei flottierenden Schulen der Kriegskunst, die nach der Meiji Restauration im Lande umherwaberten, zu einem einheitlichen, steuerbaren System organisieren wollte, das - neben der Armee - eine Säule der nationalen Verteidigung sein konnte. Und nicht chaotisch in Regionen, Familien, Schulen, dôjô ... aufgefleddert war.

Nebenbei:
Dem budô von Ueshiba ist ja 1942 etwas vergleichbares geschehen: Das aiki budô Ueshibas wurde zwangsweise in den dai nihon butokukai integriert und erhielt im Sinne einer Standardisierung den Namen "aikidô". (Um die lange Geschichte mal sehr kurz darzustellen.) Ueshiba ôsensei hat sich doch zunächst deutlich gewehrt, sowohl gegen die Eingliederung, wie auch gegen den neuen Namen. Der uns heute ganz selbstverständlich geworden ist.


Soll also ein westlicher Aikidoka und Budoka die 42+ Kami des aiki jinja Schreins verehren und dazu vielleicht noch Ueshiba selbst als Kami? Sobald das Üben beginnt, das über das möglichst gute Nachahmen der äußerlichen Bewegungen, also der äußeren Form, hinauszugehen, fangen - nach meiner persönlichen Erfahrung - derlei Dinge an, tatsächlich bedeutsam zu werden. Denn sie haben mit dem zu tun, was IN dem Übenden geschieht.



Meines Wissens hat Ueshiba zumindest die Frage von Schülern (Noquet?) verneint, ob Aikido selbst eine Religion sei.Ist es auch nicht. Nicht im Sinne des westlichen Verständnisses.
Das sag aber mein Meditationslehrer genauso auch über den Buddhismus.
Und mein nei gong Leher über den Daoismus.
Und mein aikidô (und katori) Lehrer* über das shintô.
...
Und dennoch sind bei allen diesen Übungsweisen die inhaltlichen Aspekte entscheidend.
Allein, daß ich im burmesischen Sitz auf einem Kissen sitze, ist noch kein Üben. Es ist nur der Ausgangspunkt davon.
Allein, daß ich in einer "leeren Haltung" stehe, ist noch kein Üben. Es ist nur der äußere Rahmen dessen.
Allein, daß ich die kihon no waza äußerlich reproduzieren kann, ist noch kein Üben. Es ist nur die Voraussetzung dafür.

_____________

* Der ist übrigens Religionslehrer.

FireFlea
27-09-2019, 08:10
Zum Thema budo hat Ellis Amdur geschrieben, dass die Einteilung bujutsu --> budo hauptsächlich auf Don Draeger zurückgehe und man in seiner Schule darüber gelacht habe, da seine 'raue und aufs Töten & Überleben' ausgelegte Araki Ryu sich ebenfalls als budo bezeichne und die Begriffe bujuts & budo oft mehr oder weniger synonym verwendet würden.

carstenm
27-09-2019, 10:10
Zum Thema budo hat Ellis Amdur geschrieben, dass die Einteilung bujutsu --> budo hauptsächlich auf Don Draeger zurückgehe und man in seiner Schule darüber gelacht habe, da seine 'raue und aufs Töten & Überleben' ausgelegte Araki Ryu sich ebenfalls als budo bezeichne und die Begriffe bujuts & budo oft mehr oder weniger synonym verwendet würden.Exakt. Und genau so kenne ich es auch aus Gesprächen mit Vertretern anderer kobudô.

Btw:
Wo ich eben grade "kobudô" schreibe ... ;-)

Solch "altes" budô 古武道 ist ja rein sprachlich der Gegenbegriff zu den modernen, im Sinne von "gegenwärtig", budô, den gendaibudô 現代武道. Auch wenn meist koryû 古流 als Gegenbegriff benutzt wird. Der Begriff budô reicht - sehr weit - hinter die Meiji Restauration und hinter die Standardisierung 1919 zurück. Nur die Vorzeichen, bzw. Vorsilben haben sich verändert ...

Gast
27-09-2019, 17:22
Siehe Post #29 (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188690-Ukemi-f%C3%BCr-%C3%84ltere-oder-sind-die-%C3%9Cbungen-des-Aikido-wirklich-immer-gesund&p=3707055#post3707055) und Carstens Antwort(en) darauf.


Soll Carstens Antwort jetzt deine Sichtweise untermauern?
Du versuchst, Gegensätze aufzubauen, und Carsten versucht dir zu vermitteln, das es eben keine sind, dass es im Grund nur ums Üben geht.
Aber du beharrst darauf, dass du etwas, was du in deinen Gedanken kreiert hast, eben nicht übst oder nicht üben kannst, weil es etwas anderem, gegensätzlichem, was du ebenfalls in deinen Gedanken kreiert hast, nicht entspricht.
Aus dem Muster kommt die Diskussion irgendwie nicht raus.

step-by
27-09-2019, 18:00
Eine Diskussion ist eine Möglichkeit, sich mit anderen Menschen auszutauschen.
Wenn jeder versucht den anderen zu verstehen, dann kann eine Diskussion ein gute Sache sein.

Was Aiki50+ über seinen " Aikido-Weg " erzählt, kann ich nachvollziehen.


Ja. Ich habe nun mal keinen japanischen Lehrer und bin auch keine Mitglied einer Koryu, für mich bleibt budô ein theoretisches Konzept. Japanische Etikette wie das Verbeugen ist auf das Geschehen auf der Matte begrenzt. Davor und danach begrüßt oder verabschiedet man sich bei uns mit "Hallo", Handschlag, seltener mit Umarmung, aber nicht mit Verbeugung. Letzteres würde ich als aufgesetzt und komisch empfinden. Anders sähe es aus, wenn ein Japaner sich zur Begrüßung verbeugt*, eben weil es für ihn natürlich und gewohnt ist.

Soll also ein westlicher Aikidoka und Budoka die 42+ Kami des aiki jinja Schreins verehren und dazu vielleicht noch Ueshiba selbst als Kami? Oder kann ein westlicher Lehrer Aikido in der Tradition einer Lehrlinie ausgehend von Ueshiba fortführen, losgelöst vom religiösen, spirituellen und kulturellen Kontext? Meines Wissens hat Ueshiba zumindest die Frage von Schülern (Noquet?) verneint, ob Aikido selbst eine Religion sei.

Ich kenne es jedenfalls so, dass meine Lehrer die Techniken und Prinzipien des Aikido während des Unterrichts weitgehend mit deutschen Begriffen und mit Bildern aus dem westlichen Alltag und auch anderen Sportarten erklären, aber eben nicht auf daoistische Begriffe und Prinzipien zurückgreifen.

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*) Außerhalb des Aikido-Unterrichts


Vielleicht sollten wir bei all den" Geschichten über Ueshiba" eines nicht vergessen.

44571

Aikido ist das, was mein Lehrer mir vermittelt.
Da es unzählige Strömungen im Aikido gibt, würde ich es begrüßen, wenn das auch beachtet wird.

Aiki5O+
27-09-2019, 22:26
Puuuhhhh ....

Der Begriff budô ist belegt seit dem 16. Jahrhundert.
Danke für die lesenswerten Ausführungen zur Geschichte des Begriffes "Budo". Ich bin auf dem Gebiet natürlich kein Experte. Aber ich nehme an, dass Alex Bennett als in Japan lebender Professor für japanische Kultur und Geschichte ein solcher ist. Und das Interview, insbesondere Teil 9 und 10 kann ich nur so verstehen, dass er der Ansicht ist, dass der heute gebräuchliche Begriff "budô" Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt wurde - und ein Synomym für "bujutsu" ist, was zur der Zeit in Japan einen eher schlechten Ruf gehabt haben soll, aber inhaltlich auch die erzieherischen und Persönlichkeitsbildenden Aspekte enthält.

Danke auch für den Hinweis auf das auf deutsch übersetzte Buch "TSKSR Budo Kyohan". In dem Vorwort von Sugino Yoshio heißt es übrigens: Katori Shinto Ryu ist eine "Kampfkunst" [heihô (兵法 ?)], nicht "budô".

Eigentlich will ich nur sagen, dass ich mich alleine durch das Üben in dem mir bekannten Aikido nicht als Budoka fühle.



Sobald das Üben beginnt, das über das möglichst gute Nachahmen der äußerlichen Bewegungen, also der äußeren Form, hinauszugehen, fangen - nach meiner persönlichen Erfahrung - derlei Dinge an, tatsächlich bedeutsam zu werden. Denn sie haben mit dem zu tun, was IN dem Übenden geschieht.Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob IN mir mehr geschehen würde, wenn meine Lehrer tiefer mit der japanischen Kultur verbunden wären. Aber dass sich etwas tut, was über das "Nachahmen von äußeren Bewegungen hinausgeht", würde ich schon in Anspruch nehmen. Auch wenn es am Anfang erst mal für Aikidoka mit über 30-jähriger Erfahrung banale Dinge wie Durchlässigkeit, Weichheit, Entspanntheit sind, die für mich nicht nur Voraussetzung sondern auch ein Ergebnis des Übens sind.

carstenm
27-09-2019, 23:58
Danke auch für den Hinweis auf das auf deutsch übersetzte Buch "TSKSR Budo Kyohan".Gerne. Die Widmung in meinem Exemplar lautet: "Wahrer aikidô-Geist ist wahrer budô-Geist!" Und das dôjô meines Lehrers (dir ist bewußt, daß seine Frau und er das Buch übersetzt und herausgegeben haben?) heißt "Aiki Kobudo Kai - Verein für Aikido und Kobudo".


In dem Vorwort von Sugino Yoshio heißt es übrigens: Katori Shinto Ryu ist eine "Kampfkunst" [heihô (兵法 ?)], nicht "budô".Äh ... jaaa ... der Titel des Buches lautet ab er schon "budô kyôhan".
Daß heihô häufig zu budô synonym verwandt wirdt, habe ich ja oben schon geschrieben ... und so benutzt er dann weiter unten auf der Seite (19) dreimal den Begriff budô.
Auf Seite 21 wird deutlich, daß heihô, bujutsu und budô synonym verwandt werden. Zudem heitß es dort: " Dieses Buch ist ein Nachschlagebuch für diejenigen, die shintô-ryu-budô (!) erlernen wollen ..."

Ansonsten:

Auf Seite vi heißt es:
"Dieses Buch ist als ein Wegweiser für Trainierende gedacht, um das ernsthafte kobudô weider aufblühen zu lassen."

Auf Seite xi heißt es im Vorwort des sôkê zur deutschen Ausgabe:
"Ich hoffe, dass der Gesit des japanischen kobudô eine positive Wirkung auf die auf materielle Dinge konzentriete Kultur der heutigen Welt ausübt."

Auf Seite xiii heißt es im Vorwort von Sugino Yukihiro sensei zur deutschen Ausgabe:
"Als mein Vater noch lebte, hat er sich immer gewünscht, dass der japanische Geist des kobudô, besonders das Katori Shintô Ryu, nicht nur natürlich in Japan, sondern auch im Ausland verbreitet wird."

Auf Seite 15 heißt es im Vorwort von Sawada Sôju (1941 Oberpriester des Katori-Jingu):
"Dieses Mal haben die Schüler des Katori Shintô ryu , Her Sugion Yoshio und Frau Itô Kikue,diese alte Kunst des kobudô aufgeschrieben und veröffentlichen einen Teil davon im "Katori Shintô Ryu Budô Kyo^han" als Lernmaterial für Menschen, die budô erlernen möchten. [...] Der Inhalt dieses Buches drückt den Geist des budô gut aus [...] (und ist ) für diejenigen, die sich dem Studium des budô widmen, unentbehrlich;"

Das 1. Kapitel des ersten Abschnitts, Allgemeine Einführung, heißt: "Die Bedeutung und das Ziel von budô" (S. 31)

Das 4. Kapitel des ersten Abschnitts, Allgemeine Einführung, heißt: "Budô in der Schule" (S.44)

Was die Bildung der Persönlichkeit angeht, so heißt es im 2. Kapitel des zweiten Abschnitts, Spezielle Erklärungen: "Von Alters her wurde der Ort, an dem man die Gesetz Buddhas erlernt hat, dôjô genannt; aber nach und nach wurder der Ort, an dem man bujutsu lernt, ebenso dôjô genannt. Dies erhält seine tiefere Wahrheit darin, dass es der Ort ist, an dem man durch hartes Trainieren der Technik schließlich seine Persönlichkeit als Mensch ausbildet." (S. 45)

Im 2. Kapitel des zweiten Abschnitts, Spezielle Erklärungen, heißt es: " Verschiedenes Durcheinander, Unordnung oder Unsauberkeit verschmutzen die Heiligkeit des dôjô. Wenn man das zulässt, hat man sich schon weit vom traditionellen Studium des wahren budô entfernt." (S. 49)

Im 2. Kapitel des zweiten Abschnitts, Spezielle Erklärungen, heißt es: " Das Training von budô ist etwas heiliges und wird im dôjô praktiziert." (S. 51)

Will sagen: Dieses Buch ist nun gerade eines, in dem der Begriff "budô" durchgehend ganz ausdrücklich für eine Schule gebraucht wird, die einigermaßen alt ist. Und in dem das, was im Erziehungssystem unterrichtet wird, interessanterweise gerade nicht als budô verstanden wird. Und diesen Sprachgebrauch hat Sugino ôsensei nicht erfunden, sodnern vorgefunden.


Aber ich nehme an, dass Alex Bennett als in Japan lebender Professor für japanische Kultur und Geschichte ein solcher ist. Ja, das ist er unbestritten. Ich habe nur den Abschnitt des Interviews angeschaut, den du als Beleg für deine These verlinkt hattest. Und mindestens diese Aussage widerspricht eben nicht meinen Ausführungen, sondern hast du möglicherweise mißverstanden.
(Abgesehen davon darf ich mich glücklich schätzen, von Experten lernern zu dürfen, wie z.B. dem Übersetzer von budô kyôhan oder auch Ellis Amdur, u.a.. Wenn mich das auch natürlich definitiv nicht selber zu einem Experten macht.)

Gast
28-09-2019, 00:18
Heihô ist zudem ein Begriff aus dem Bereich der Militärstrategie, die Vorbereitung einer Strategie zum Einsatz militärischer Truppen (gunpô).

Gast
29-09-2019, 13:30
Auch wenn es am Anfang erst mal für Aikidoka mit über 30-jähriger Erfahrung banale Dinge wie Durchlässigkeit, Weichheit, Entspanntheit sind, die für mich nicht nur Voraussetzung sondern auch ein Ergebnis des Übens sind.

Das ist für niemanden banal.
Manche Leute versuchen das ein Leben lang, und kommen nicht in diesen Zustand.
Andere üben, um sich ein erarbeitetes Level zu erhalten.
Keiko ist nicht so, dass man unbedingt jeden Tag Fortschritte macht, manchmal geht es auch rückwärts, und über einen längeren Zeitraum sollte es dann bergauf gehen.
Aber das sind alles Teiaspekte des Übens, je länger man übt , desto mehr Phasen durchläuft man, in denen verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen, und andere Dinge in Frage gestellt werden.
Deine "Budo-Phase" wird schon noch kommen.

Aiki5O+
29-09-2019, 22:25
Ich habe nur den Abschnitt des Interviews angeschaut, den du als Beleg für deine These verlinkt hattest. Und mindestens diese Aussage widerspricht eben nicht meinen Ausführungen, sondern hast du möglicherweise mißverstanden.
Ich muss dir zu deinen Ausführungen zum Begriff "budô" recht geben.
Die Stelle, die ich missverstanden habe, ist wohl folgende (ab 7:00) (https://www.youtube.com/watch?v=ZUT2Vh_b-Jk#t=6m57):

But the Ministry of Education, after having agreed to let martial arts be taught in schools - it wasn't until 1920's, i think it was 1926 - that they officially changed all of the terms to Budo in their documents..

So the term, the idea of Budo itself, officially is not even 100 years old.
Also ging es hier um den offiziellen Sprachgebrauch durch das Erziehungsministerium in offiziellen Dokumenten (z.B. Schulbücher?), was man dann auch als "Einengung des Begriffes allein auf die Aspekte der alten Schulen, die im Rahmen des Erziehungswesens unterrichtet werden sollten" verstehen kann, wie du es in deinem letzten Beitrag geschrieben hast.

Aiki5O+
29-09-2019, 22:52
Das die Effektivität des "Aiki-Budô" eben gerade auf diesen Dingen (Durchlässigkeit, Weichheit, innere Verbundenheit) beruht, bzw. das das die Vorraussetzungen für das "Funktionieren" sind, willst du aber irgendwie nicht verstehen, oder?


Das ist für niemanden banal.
Manche Leute versuchen das ein Leben lang, und kommen nicht in diesen Zustand.
Andere üben, um sich ein erarbeitetes Level zu erhalten.
Keiko ist nicht so, dass man unbedingt jeden Tag Fortschritte macht, manchmal geht es auch rückwärts, und über einen längeren Zeitraum sollte es dann bergauf gehen.
Aber das sind alles Teiaspekte des Übens, je länger man übt , desto mehr Phasen durchläuft man, in denen verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen, und andere Dinge in Frage gestellt werden.
Ja, so geht es mir auch.

Wenn "das", also Durchlässigkeit, Weichheit, Entspanntheit, nicht banal ist und manche Leute es ein Leben lang nicht erreichen, kann man doch auch nicht erwarten, dass Aikido-Techniken so ohne weiteres zum "Funktionieren" gebracht werden können?

"Das", also Durchlässigkeit, Weichheit, Entspanntheit haben für mich einen Wert an sich. Dieser "Zustand", der sich für mich ganz anders anfühlt als normales Üben, erreiche ich auch nicht immer, sondern eigentlich nur bei bestimmten Katas bei wenigen Partnern. Das reicht mir aber als Ansporn, die Techniken und das Üben mit Partnern, wo ich Schwierigkeiten habe, kontinuierlich zu optimieren.

Gast
29-09-2019, 23:53
Wenn "das", also Durchlässigkeit, Weichheit, Entspanntheit, nicht banal ist und manche Leute es ein Leben lang nicht erreichen, kann man doch auch nicht erwarten, dass Aikido-Techniken so ohne weiteres zum "Funktionieren" gebracht werden können?


Niemand hat gesagt, das es einfach ist.
Und es hängt natürliich davon ab, wieviel Zeit und Energie man investiert, um dann vielleicht auch die nächsten Schritte zu machen.
Ein entspannter Körper ist noch kein "aiki-body".

Gast
30-09-2019, 23:18
But the Ministry of Education, after having agreed to let martial arts be taught in schools - it wasn't until 1920's, i think it was 1926 - that they officially changed all of the terms to Budo in their documents..

Judo wurde übrigens schon 1911 in den Schulsport der japanischen Mittelschulen übernommen.