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Vollständige Version anzeigen : BJJ and Depression



jkdberlin
09-10-2019, 17:38
https://bjj-world.com/bjj-and-depression/

Brainstorming anyone?

Gast
09-10-2019, 19:02
bjj zu trainieren KANN eine hilfe sein.
manchmal.
eine LÖSUNG in dem sinne, dass es die depression "verschwinden" ließe, ist es definitiv nicht.

das jedenfalls kann ich als betroffener dazu sagen.
problematisch finde ich - nach kurzem einlesen in den verlinkten text - dass scheinbar (wieder mal) kein unterschied gemacht wird zwischen "depressiver episode" und manifester, chronischer depression.
doch es gibt da einen unterschied, und der ist enorm.
offenbar richtet sich der text an menschen, die NICHT an manifester, chronischer schwerer depression leiden.

davon abegsehen nervt es mich, wenn ich in solchen texten die üblichen plattitüden lesen muss ("stay strong" ... blablabla ...)

meine erfahung beim training: es hat extrem lange gedauert, bis zumindest ein großteil derer, mit denen ich im training (und auf seminaren) zu tun habe, akzeptieren konnten, dass ich chronisch und schwer depressiv bin.
und mich daher nicht immer unbedingt so verhalte, wie andere es erwarten und für "normal" halten.
es hat lange gedauert, bis ich keine unerwünschten "ratschläge" mehr bekam, und noch länger, bis sich herumgeschwiegen hatte, dass manche dinge, die ich sage und tue, der krankheit geschuldet sind (was keine ausrede dafür sein soll, das auch ich mich wie ein ar*ch benehmen kann).
es gab leute, die mir regelrecht vorgeworfen haben, dass ich depressiv bin ... und die all das, was ihnen während der akuten phasen an mir nicht gefiel, einfach und sehr herablassend als "charakterschwäche" abqualifizierten.
so einfach kann man es sich durchaus machen, klar.

nochmal: bjj KANN helfen (genau wie judo oder imho beinahe jede andere sportart).
KANN.
nicht MUSS.

diese hilfe ist aber leider sehr limitiert.
es ist nichts, worauf man wirklich bauen kann - es gibt keine garantie.
ein beispiel dafür ist wohl der fußballer robert enke ... oder der fußballer andreas biermann ... der radprofi dimitri de fauw ... der boxer darren sutherland (bronze bei olympia 2008) ...
und wenn wir schon beim grappling als hilfe gegen depressionen sind: bei claudia hell, judo (silbermedaille olympia 2004) hat es offenbar auch nicht funktioniert.

mich stört, dass sich zum thema "depression" immer wieder so unendlich viele leute äußern (in artikeln, essays und sonstigen beiträgen), die vion der thematik bestenfalls das wissen, was man populärwissenschaftlichem geschreibsel entnehmen kann.
wenn jemand an krebs erkrankt ist, wird er sicher einen onkologen aufsuchen und nicht unbedingt den schwager der freundin des nachbarn des postboten um rat fragen. und ich denke, der an krebs erkrankte wird es sich verbitten, wenn ihm laien ungefragt "ratschläge" geben, wie er den krebs "besiegen" kann.
und der an krebs erkrankte hätte damit völlig recht!
es ist wohl jedem einsichtig, das laien einem an krebs erkrankten keine fundierten ratschläge geben KÖNNEN, egal welche gute absicht auch dahintersteckt.

warum glauben dann so viele, sie könnten menschen, die an schweren chronischen depressionen erkrankt sind, einfach mal eben so "ratschläge" erteilen, die "hilfreich" sind?

ach, was reg' ich mich auf, es hat ja doch keinen sinn ...
das problem ist und bleibt, dass depressionen von sehr vielen nichtbetroffenen einfach nicht als schwere, chronische krankheit (an)erkannt werden.

ja, körperliche bewegung (wie bjj) KANN unter umständen helfen.
aber oft genug hilft sie eben nicht.


When we’re looking at BJJ and depression, there’s clearly an effect there. However, it is not a cure per se, nor is it a magic bullet. Brazilian JIu-Jitsu has the potential of helping everyone. Keep in mind though, that it does just that – help. It doesn’t mean it’ll completely cure you from whatever ails you. It is, though, a great thing to combine with medications in order to achieve a maximal effect. In fact, it can help you reduce the amount and number of medication you take while you’re looking to deal with one of the toughest issues of modern life. Stay strong, talk about it and remember to always keep rolling!
ganz ehrlich?
das ist für mich dieses nervtötende "ey, alles wird gut, if you give it a try ...!"



When we’re looking at BJJ and depression, there’s clearly an effect there
... und dieser "effect" besteht nun genau WORIN?
und auf welche belege stützt sich die oben zitierte aussage?

ich mach nun schon 'ne weile bjj (ca. 7 jahre) und 'ne weile judo (47 jahre).
der obenstehend angesprochene "effect" würde mich wirklich sehr interessieren ... vor allem wüsste ich gern, wie man diesen "effect" eigentlich qualitativ und quantitativ bestimmt ...

:mad:

Ripley
09-10-2019, 19:33
The usual route is going for therapy, which in most cases ends up with medications, or, in certain situations, even hospitalization. But there’s another way. (...)

Allein dafür gehören dem Autoren ein paar kräftige Watschn. Mindestens.

Eine Depression gehört in jedem Fall in die Hände von Fachleuten. Die dann, zusammen mit dem Patienten, über die nötigen und idealerweile auch hinreichenden Therapien entscheiden.

Dass Bewegung, Sport, meinetwegen auch (oder gerade) bjj Menschen mit seelischen Erkrankungen "ganz gut tun können" - geschenkt.

Eine alternative "Therapie", wie in diesem bescheuerten Intro impliziert, kann Sport nicht sein. Keiner.
Vielleicht für "'nen Moralischen", aber nicht für eine Major Depression.

Guv´nor
09-10-2019, 19:57
Ich verlor einige Freunde, blackbelts wegen Depressionen.
BJJ ist weit davon entfernt eine Therapie zu sein.

marq
09-10-2019, 20:42
Ich verlor einige Freunde, blackbelts wegen Depressionen.
selbstmord??

Gast
09-10-2019, 21:15
@ripley:


The usual route is going for therapy, which in most cases ends up with medications, or, in certain situations, even hospitalization. But there’s another way. (...)

Allein dafür gehören dem Autoren ein paar kräftige Watschn. Mindestens.

:halbyeaha

genau so ist es.

kanken
09-10-2019, 21:41
Allein dafür gehören dem Autoren ein paar kräftige Watschn. Mindestens.

Eine Depression gehört in jedem Fall in die Hände von Fachleuten. Die dann, zusammen mit dem Patienten, über die nötigen und idealerweile auch hinreichenden Therapien entscheiden.

Dass Bewegung, Sport, meinetwegen auch (oder gerade) bjj Menschen mit seelischen Erkrankungen "ganz gut tun können" - geschenkt.

Eine alternative "Therapie", wie in diesem bescheuerten Intro impliziert, kann Sport nicht sein. Keiner.
Vielleicht für "'nen Moralischen", aber nicht für eine Major Depression.

Everything said! :halbyeaha

Super Famicom
09-10-2019, 21:59
BJJ - the answer to EVERYTHING. ;)

kanken
09-10-2019, 22:14
Auch wenn, bzw. weil, „Depression“ ein schwieriges Thema ist, für alle Beteiligten, poste ich hier mal ein Video von Jordan Peterson zu dem Thema:


https://youtu.be/QT2KNvzovHM

Es richtet sich sowohl an Betroffene der Depression, als auch an Angehörige.

Der erste (und wichtigste) Schritt ist REDEN. Der Betroffene braucht jemanden dem er sich anvertrauen kann und das Umfeld muss den Betroffenen auf eine vermutete Depression ansprechen, damit er sich überhaupt öffnen kann. Da heißt nicht dass das Umfeld den Betroffenen therapieren kann (oder muss), das gehört in die Hände von Profis!
Nur damit Profis anfangen können zu helfen muss erst einmal ein Kontakt hergestellt werden und da kommt das Umfeld ins Spiel.
Zu sagen „BJJ“ (oder welcher Sport auch immer) hilft bei Depressionen ist einfach falsch und gefährlich. Falsch, weil eine Therapie multimodal sein muss, und gefährlich weil es einen Betroffenen tiefer in die Depression reinbringen kann und weil es das Umfeld nach einem vollendeten Suizid ebenfalls psychisch belasten kann.

Sprecht Leute auf eine vermutete Depression an, hört zu und vermittelt ggf. Hilfe von Profis. Bitte, versucht nicht die Therapie für die Person zu sein.
Wenn jemand depressiv ist sollte er bitte nicht im BJJ (oder welchem Sport auch immer) seine Therapie suchen. Er sollte einen Therapeuten suchen und dann, in Rücksprache mit ihm, ggf. ins Training gehen (denn Sport, bzw. körperliche Aktivität, kann ein Teil der Hilfe sein, dass muss man aber differenziert betrachten).

Artikel wie der verlinkte sind einfach ein Schlag ins Gesicht für jeden, der mit Depressionen zu tun hat, egal wie.

DZXX
09-10-2019, 23:22
und mich daher nicht immer unbedingt so verhalte, wie andere es erwarten und für "normal" halten.
es hat lange gedauert, bis ich keine unerwünschten "ratschläge" mehr bekam, und noch länger, bis sich herumgeschwiegen hatte, dass manche dinge, die ich sage und tue, der krankheit geschuldet sind (was keine ausrede dafür sein soll, das auch ich mich wie ein ar*ch benehmen kann)
:mad:

Kannst du da genauer werden? Wie äußert sich das? Woran würde ich als Seminarbesucher das erkennen, wenn ich dich als Person nicht kenne?

TREiBERtheDRiVER
10-10-2019, 01:36
Ich muss gestehen, ich hab mir den verlinkten Beitrag gar nicht erst richtig durchgelesen, nur überflogen. Die Quotes hier haben mir schon gereicht. Und ich wette man kann jedes "BJJ" in diesem Beitrag durch "Judo", "BBT", "Bergsteigen", "Segeln" oder "Basketball spielen" usw. ersetzen.

*scroll scroll scroll*


Well, BJJ surely ranks at the top of complicated physical activities that you can do. But that’s only a piece of the puzzle.
Oh, well ...
Rally fahren, Bergsteigen und Segeln sind wohl ebenfalls "komplex", wenn nicht sogar, aus eigener Erfahrung, weitaus "physical" komplexer als eine KK/KS. Aber das kommt halt auf den Standpunkt drauf an, denn komplexer als "Mensch Ärgere dich nicht!" (passt gerade zum Thema) zu spielen, ist das allemal.




es ist wohl jedem einsichtig, das laien einem an krebs erkrankten keine fundierten ratschläge geben KÖNNEN, egal welche gute absicht auch dahintersteckt.
Deswegen ist dieser Text auch nicht mehr als ein gut gemeinter Ratschlag.

Das ist genauso als wenn man jemand schwer depressiven dazu anraten würde, mal auf einer Jolle segeln zu gehen. Dann seinen Segelschein zu machen, in der Ost- oder Nordsee mal mit zufahren, dann Schiffe im beispielsweise Mittelmeer zu chartern um dann schlussendlich ein eigenes Schiff zu kaufen und darauf dann Holz-, Kunststoff-, Segeltuch-, Metallverarbeitung & Co zu lernen. Sich mit Navigation, internationalem Funk, dem Wetter und der See explizit auseinander zu setzen. Gut gemeinte Absicht.



und auf welche belege stützt sich die oben zitierte aussage?
Auf empirische Beobachtungen. Jemand dem es nicht gut ging, der in eine Gruppe geht und mit dem sich zusammen bewegt wurde, dem ging es mutmaßlich nach eigener Aussage, etwas besser. Man hat sich gekümmert, Ratschläge erteilt und zugehört = BJJ hilft gegen Depressionen! Ob der gleiche Effekt nicht auch beim Judo, in der EWTO oder mit dem Zulegen eines Schrebergartens eingetreten wäre, und vielleicht sogar noch schneller und besser, weis man ja nicht.

Hat für mich sowas homöopathisches.



Sprecht Leute auf eine vermutete Depression an, hört zu und vermittelt ggf. Hilfe von Profis.
Ja fast. Nicht ansprechen und dann im Zweifel volllabern (siehe auch Rambats Meinung dazu). Sowas endet schnell in "Was weis der denn schon?" und "Der versteht mich ja eh nicht!". Deswegen gehen Fachkräfte da auch anders ran. Fragen stellen, gezielt und die Richtigen. Dafür wurden sie ausgebildet. Für einen Laien kann man das in etwa so beschreiben, das der Therapeut/Psychologe die richtigen Fragen stellt, deren Antwort zur Selbsterkenntnis führen soll, was mit dem Betroffenen los ist, und wie er selbst zu einem (besseren) Ergebnis kommt. Also eher weniger reden, sondern mehr zuhören. Auch ein Grund, warum ihr einige Fernsehmoderatoren aus diversen Talkshows nicht so wirklich mögt. Fragen -> zuhören. Sozusagen weniger Markus Lanz.

lg

Gast
10-10-2019, 05:28
Kannst du da genauer werden? Wie äußert sich das? Woran würde ich als Seminarbesucher das erkennen, wenn ich dich als Person nicht kenne?

gar nicht.
ich möchte hier nicht ins detail gehen, das gehört auch nicht hierher.
ich gehe wohl zu recht davon aus, dass jeder, der mich nicht kennt, das alles ohnehin nicht erkennen kann (und ich gebe mir auch alle mühe, dass es so bleibt).
ich bezog mich mit der von dir zitierten aussage auch nicht auf leute, die mich einmal auf einem seminar erleben. ;)
ich bezog mich auf jene, die mich schon länger und etwas besser kennen, regelmäßig bei und mit mir trainieren und regelmäßig an meinen seminaren teilnehmen.
und denen fällt dann doch schon mal das eine oder andere auf ...
oder auch nicht.

ich dachte vor einiger zeit, wenn ich offen anspreche, dass ich schwer und chronisch depressiv bin, könnte ich irritationen vermeiden - nee, war ein irrtum.
es reduziert sich im grunde auf drei bis vier reaktionsmuster: da gibt es diejenigen, die mir böse sind, dass ich das überhaupt thematisiere ("das will ich gar nicht wissen, das ist dein privatkram"), obwohl sie vorab inquisitorisch nachfragten, "was denn mit mir los wäre".
dann gibt es jene, die sofort damit beginnen, mich zuzutexten und mir unaufgefordert und in endlosschleife erklären, was ihrer meinung nach depressionen sind, und dass sie ja mal etwas darüber gelesen haben, und dass gegen depressionen am besten hilft, wenn man ... (hier beliebige verhaltensweise einsetzen), denn der hund des schwagers der schwester der nachbarin des bäckers aus trippsdrill hatte das auch, und dem hat (hier entprechende wunderkur einsetzen) wunderbar geholfen ...
solche leute sind zumeist sehr verärgert, wenn man die von ihnen empfohlene wunderkur nicht begeistert ausprobiert; und noch verärgerter sind sie, wenn man nicht innerhalb weniger tage (oder stunden) aufgrund ihrer empfehlungen komplett geheilt, kuriert und restlos glücklich ist.
weiterhin gibt es jene, die sich komplett zurückziehen und kaum noch oder gar nicht mehr mit einem reden bzw. jeden kontakt vermeiden. sie fühlen sich wohl überfordert ...
zu guter letzt sind da jene, die sofort aggressiv werden und einen ungebeten und permanent mit vorwürfen und anschuldigungen regelrecht überhäufen: "ach, und das ist jetzt die ausrede dafür, dass du ..." (hier jede verhaltensweise einsetzen, die diesen leuten irgendwie nicht in den kram passt).

gemeinsam ist all diesen leuten, dass sie erstens wenig bis nichts über depressionen wissen; dass sie zweitens leichte depressive episoden nicht von chronisch manifesten schwer(st)en depressionen unterscheiden können (oder wollen, nach dem motto: "erzähl mir doch nix, traurig war jeder von uns schon mal!") und dass sie sich drittens regelrecht belästigt davon fühlen, wenn man (auf ihre nachfrage hin!) ihnen reinen wein einschenkt.
selbst wenn dieses einschenken sehr zurückhaltend und vorsichtig geschieht ...

es gibt auch leute, die ihre etwas morbide neugier befriedigen wollen, sehr viel interesse an "schaurigen details" bekunden und meinen, man sei ihnen als betroffener nun jederzeit rechenschaft schuldig und müsse akribisch auf jede ihrer (meist impertinenten und aufdringlichen) fragen antworten und ihnen wiederholt haarklein erläutern, warum man sich in welcher situation zu welchem zeitpunkt so oder so gefühlt habe ... um sich dann ellenlange, alberne vorträge darüber anzuhören, welche biographischen details als "auslöser" verantwortlich für die depression sind. das ist insofern drollig, als diese leute von meiner biographie wenig bis nichts wissen, mir aber lang und breit erklären, was ich so erlebt hätte bzw. hätte erlebt haben müssen und sollen, damit ... blablabla ...
in der weltsicht dieser menschen muss man sich eine (chronische) depression regelrecht "verdienen", indem man bestimmte traumata in der kindheit durchlitten hat. das haben sie irgendwo mal gelesen, und nun erzählen sie einem, wie und was ...

zusammenfassen lässt sich, jedenfalls aus meiner sicht, nur sagen: es gibt kaum jemanden, der nicht betroffen ist und dennoch damit umgehen kann, in seinem engeren freundes-/ bekanntenkreis wiederholt umgang mit einem schwer depressiven menschen zu haben.
es gibt nach wie vor kaum jemanden, der als nichtbetroffener sachlich auf dieses thema reagiert.


nota bene: der eine oder ander zeitgenosse sieht übrigens im "eingeständnis", dass man an depressionen leidet (als sei das etwas, das man schuldhaft selbst zu verantworen habe), eine hervorragende möglichkeit, ein wenig mit dreck zu werfen ...
"ach komm, DEN kann man doch nicht ernst nehmen, der hat doch DEPRESSIONEN ... " (beim letzten wort bitte die stimme theatralisch heben und die augen übertrieben verdrehen) ...

kanken
10-10-2019, 06:27
Also eher weniger reden, sondern mehr zuhören.

Deswegen schrieb ich ja:

„Sprecht Leute auf eine vermutete Depression an, hört zu und vermittelt ggf. Hilfe von Profis.“

;)

Lugasch
10-10-2019, 07:53
@rambat:
gibt es echt keine positiven Reaktionen auf das "coming out"?

Den Rest, den du beschreibst, habe ich als Angehöriger aber auch oft genau so erlebt und zum Teil leider auch selbst von mir gegeben :(
Diese Krankheit überfordert beide Seiten, braucht Zeit, Erfahrung und den Willen, um halbwegs verstanden zu werden und dem Betroffenen kommt es wahrscheinlich wie ein Hohn vor, dass seine Angehörigen auf der anderen Seite der Glaswand mitleiden und man auch noch Energie investieren müsste, um sie dort abzuholen

jkdberlin
10-10-2019, 07:56
Es gibt Menschen, bei denen hilft BJJ - nicht.
Es sind einzelne, kurze Momente. Und unter "helfen" stelle ich mir irgend etwas anderes vor. Aber es kann ein kurzer Lichtblick sein. Von daher finde ich den Ansatz gut. Es kann Augen öffnen. Und es kann, wie so viele anderen Betätigungen auch, Grund und Auslöser für Gespräche sein.

Gast
10-10-2019, 08:11
@lugasch:

@rambat:
gibt es echt keine positiven Reaktionen auf das "coming out"?
kaum.

und wenn, dann ausschließlich von menschen, mit denen ich ohnehin gut befreundet bin und die mich auch bisher einfach so angenommen haben, wie ich bin.
in bezug auf alle anderen bleibt mir nur, zu akzeptieren, dass ich nicht auf verständnis hoffen kann. folglich gilt da weiterhin: selbstkontrolle, selbstkontrolle, selbstkontrolle.
und hoffen, dass man sich nichts anmerken lässt, ganz gleich wie schwer es auch sein mag.
lässt man sich doch etwas anmerken, geht's fast immer schief ... siehe meinen vorhergehenden beitrag.
also: eiserne selbstdisziplin in gegenwart von leuten, die man nicht oder kaum kennt.

wenn man allerdings diese selbstdisziplin aufbringt, wird einem gern vorgeworfen, man sei ja so "unnahbar" und so "distanziert und kühl".
oder man hätte "nur ein einziges thema, nämlich grappling" (um himmels willen, worüber soll ich denn sonst mit teilnehmern meiner seminare reden?)
man solle und könne und müsse doch "mal aus sich rausgehen" und sich "öffnen" ...
im grunde ist das, was viele da von einem fordern, ein sehr anschauliches beispiel für eine doppelbindung (doppelbotschaft / double bind).

ich habe gerade im bjj festgestellt, dass es dort besonders schwer ist, offen mit einer solchen erkrankung wie einer schweren chronischen depression umzugehen.

Lugasch
10-10-2019, 08:25
Es gibt Menschen, bei denen hilft BJJ - nicht.
Es sind einzelne, kurze Momente. Und unter "helfen" stelle ich mir irgend etwas anderes vor. Aber es kann ein kurzer Lichtblick sein. Von daher finde ich den Ansatz gut. Es kann Augen öffnen. Und es kann, wie so viele anderen Betätigungen auch, Grund und Auslöser für Gespräche sein.

Ich schätze, dass es die BJJ-Überhöhung ist, die sauer aufstößt. Ich habe schon etliche Artikel und Filmchen gesehen in der Art von: "BJJ saved/changed my life" oder "Policeofficer überwältigt mit seinem BJJ...", "Und wieder erfolgreiche Messerabwehr mit BJJ" etc.
Und während die erste Art kein bisschen BJJ-spezifisch ist, kann man bei dem ganzen Rest oft gar nicht wissen, ob das überhaupt BJJ war. Ist ein bisschen wie "Alles ist WT".

Es entsteht (bei mir) der Eindruck, dass man um jeden Preis einen BJJ-Lifestyle-Hype aufbauen möchte. Was noch fehlt, sind solche Artikel wie "BJJ ist die beste Sportart für den Weltfrieden" und "BJJ heilt Krebs".

Würde man die ganzen Artikel anders aufziehen, so wie "Ich mag BJJ, ich mach BJJ und es hatte in der Rückschau folgende positive Aspekte...", dann wäre das eine andere Baustelle.

Das sage ich als jemand, der BJJ mag (aber Grappling macht)

Little Green Dragon
10-10-2019, 08:47
@lugasch:
kaum.

und wenn, dann ausschließlich von menschen, mit denen ich ohnehin gut befreundet bin und die mich auch bisher einfach so angenommen haben, wie ich bin.


Was wäre denn aus Deiner Sicht (wenn Du dazu was schreiben magst) eine angemessene / positive Reaktion?

Ich habe es - wenn auch in einem anderen Kontext - eher so erlebt (zumindest aus dem was man im Nachgang so mitbekommen hat), dass meine eigene Reaktion auf die "Preisgabe" persönlicher Dinge eher schlecht ankam. Im Endeffekt besteht die nämlich darin zu sagen "Aha - ok..." und dann mit der Person genauso umzugehen wie ich es vorher getan habe - wenn derjenige sich etwas anderes wünscht müsste er/sie das schon konkret äußern.

Ist sicherlich auch wieder eine sehr individuelle / persönliche Geschichte, aber ich habe dann eben "hintenrum" ein paar Mal schon gehört, dass "Der XY ja aber schon ein wenig enttäuscht gewesen sein, weil ich so gar nicht auf das Thema angesprungen bin oder eingegangen sein...".

Mag ja vielleicht auch tatsächlich so sein, dass ich diesbezüglich einfach zu "ignorant" oder zu abgestumpft im Bezug auf meine Mitmenschen und deren Gefühlswelt bin, aber im Kern ist es mir doch erstmal herzlich egal ob jemand eine Krankheit oder eine wie auch immer geartete sexuelle Ausrichtung hat oder sich in seiner Freizeit gerne einen Hammer auf den Fuß fallen lässt.

Vielmehr hinterlässt es bei mir den Eindruck, als sei eine solche "Offenbarung" dann auch die Form irgendeines Testes, zumindest wenn diese mit einem etwas herausfordernden Unterton rübergebracht wird. So nach dem Motto: "Mal schauen wie der reagiert wenn ich ihm sage, dass ich XY bin / habe ...". Sorry - ich habe i.d.R. nicht darum gebeten an so einem "Test" teilzunehmen - insofern dann bitte auch nicht enttäuscht sein, wenn ich dabei gnadenlos durchfalle.

Gast
10-10-2019, 09:02
@lgd:

ich denke, man muss schon unterscheiden, ob ein betroffener von sich aus aktiv wird und sozusagen offensiv alle damit konfrontiert ... (dürfte bei einer tatsächlich vorliegenden chronischen erkrankung kaum passieren).
oder ob (und so war es bei mir) sich irgendwann die notwendigkeit ergibt, das eigene verhalten begründen zu müssen (wem auch immer gegenüber).

ich erwarte ehrlich gesagt nichts, wenn ich zu diesem thema angesprochen werde (!) und dann ehrlich antworte.
es ist mein problem, meine krankheit, und mein gegenüber kann im grunde nichts anderes tun als das entweder zur kenntnis zu nehmen oder auch nicht.
ich erwarte keine hilfe. die suche ich mir woanders.

ich erwarte auch keine höflich-gequälte, interesse heuchelnde diskussion.
ich erwarte lediglich, dass mein gegenüber nicht in eines der reaktionsmuster verfällt, die ich zwei beiträge vorher angesprochen habe.
das würde mir bereits genügen.

mir selbst sind die probleme von leuten, die ich nicht oder kaum kenne, auch herzlich gleichgültig. ich nehme aber zur kenntnis, dass manches, was ich am verhalten dieses oder jenes zeitgenossen nicht verstehe, ursachen haben mag, an die ich nicht gedacht hatte.
und eine solche ursache kann eben auch eine schwere depressive erkrankung sein.
wenn ich dann die information habe, dass es so ist, kann ich einordnen, was da geschieht oder geschehen ist und kann besser damit umgehen.
das erleichtert die kommunikation und hilft, missverständnisse zu vermeiden, die sonst sehr ärgerlich werden und allen beteiligten viel verdruss bereiten können.

ich bezweifle übrigens aus persönlicher erfahrung heraus, dass menschen, die tatsächlich ernsthaft an einer schweren, chronischen depressiven erkrankung leiden, ihre mitmenschen mit der entsprechenden information "testen" wollen.
wer mit einer solchen erkrankung zu kämpfen hat, der hat andere probleme als irgendwelche seltsamen psychospielchen zu spielen ...

Little Green Dragon
10-10-2019, 09:15
Danke.



ich bezweifle übrigens aus persönlicher erfahrung heraus, dass menschen, die tatsächlich ernsthaft an einer schweren, chronischen depressiven erkrankung leiden, ihre mitmenschen mit der entsprechenden information "testen" wollen.
wer mit einer solchen erkrankung zu kämpfen hat, der hat andere probleme als irgendwelche seltsamen psychospielchen zu spielen ...

Bin ich grds. bei Dir, wer ernsthaft betroffen ist geht damit eher nicht hausieren - das betrifft (in meinem Fall) wohl auch eher Leute die zwar auch irgendwelche "Probleme" haben, aber diese dann eher als Vehikel nutzen um (warum auch immer) Aufmerksamkeit o.ä. zu generieren. Wenn mir jemand bei 2ten Aufeinandertreffen ungefragt erzählt er wäre ja z.B. Borderliner und hätte schon versucht sich das Leben zu nehmen etc. pp., wobei die Narben auf den Unterarmen dann doch eher oberflächliche Kratzer sind bin ich ja eher geneigt - ich weiß nicht nett - darauf hinzuweisen, dass man Pulsadern doch lieber längs als quer aufschneiden sollte zumindest wenn man es ernst meint, anstatt da jetzt großartig Mitleid zu haben.

Wie gesagt, auch Personen die so etwas machen haben mit Sicherheit irgendwo ihren Packen zu tragen, ansonsten würden sie sich nicht so aufführen. Nur ist das dann sicherlich nur ein Teilaspekt des Ganzen und die wahrscheinlich interessantere Frage wäre, welche Ursachen es hat das man auf diesem (verzweifelten) Weg versuchen muss sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Guv´nor
10-10-2019, 09:39
@ Marq ja, Selbstmorde.

Alleine aus diesem Forum 2 User in 2018 (einer davon BJJ ein weiterer aus einer anderen KK)
Darüber hinaus ein befreundeter Blackbelt von Aranha, die Story war auch auf BJJEE.

Es gibt sogar neue verdachtsfälle das (ok, das ist jetzt BJJ-Off-Topic) das Schlagtraumata zu Depressionen bei VK - Kämpfern führen.

Ich sehe Depressionen als ein explodierendes Problem und wir dürfen das auf keinen Fall unterschätzen.

Lugasch
10-10-2019, 10:40
Danke.



Bin ich grds. bei Dir, wer ernsthaft betroffen ist geht damit eher nicht hausieren - das betrifft (in meinem Fall) wohl auch eher Leute die zwar auch irgendwelche "Probleme" haben, aber diese dann eher als Vehikel nutzen um (warum auch immer) Aufmerksamkeit o.ä. zu generieren. Wenn mir jemand bei 2ten Aufeinandertreffen ungefragt erzählt er wäre ja z.B. Borderliner und hätte schon versucht sich das Leben zu nehmen etc. pp., wobei die Narben auf den Unterarmen dann doch eher oberflächliche Kratzer sind bin ich ja eher geneigt - ich weiß nicht nett - darauf hinzuweisen, dass man Pulsadern doch lieber längs als quer aufschneiden sollte zumindest wenn man es ernst meint, anstatt da jetzt großartig Mitleid zu haben.

Wie gesagt, auch Personen die so etwas machen haben mit Sicherheit irgendwo ihren Packen zu tragen, ansonsten würden sie sich nicht so aufführen. Nur ist das dann sicherlich nur ein Teilaspekt des Ganzen und die wahrscheinlich interessantere Frage wäre, welche Ursachen es hat das man auf diesem (verzweifelten) Weg versuchen muss sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Die Narben können aber vom Ritzen stammen und sind nicht unbedingt Suizid-Male. Und Borderliner benehmen sich manchmal tatsächlich so "aktiv" (zumindest nach den Erfahrungen aus meinem Bekanntenkreis), das scheint aber zur Krankheit zu gehören.
Die Denke "Wenn er/sie über die Suizidversuche redet, wird er/sie es nicht ernst meinen" halte ich für sehr gefährlich. Ja, es mögen Hilfeschreie sein und ja, die Person will vielleicht gar nicht sterben, aber wenn sie keinen Ausweg sieht und keine Hilfe kommt - vor allem wegen "ist ja nicht ernst" - dann zieht sie es durch.
Insofern wäre dein Tipp ziemlich schlimm und ein Öl ins Feuer gießen.

Little Green Dragon
10-10-2019, 10:48
Die Denke "Wenn er/sie über die Suizidversuche redet, wird er/sie es nicht ernst meinen" halte ich für sehr gefährlich. Ja, es mögen Hilfeschreie sein und ja, die Person will vielleicht gar nicht sterben, aber wenn sie keinen Ausweg sieht und keine Hilfe kommt - vor allem wegen "ist ja nicht ernst" - dann zieht sie es durch.
Insofern wäre dein Tipp ziemlich schlimm und ein Öl ins Feuer gießen.

Ich würde mich auch hüten etwas derartiges tatsächlich auszusprechen - ist halte eher so der Teil den man sich dabei denkt. Ob und wie man auf entsprechende Aussagen reagiert, sollte dann doch lieber den Fachleuten oder Bezugspersonen überlassen bleiben - ich kenne einen Fall in dem ein Jugendlicher damit "gedroht" hat aus dem Fenster zu springen. In dem Fall war die (richtige) Reaktion des Betreuers das Fenster zu öffnen und zu sagen "Bitte schön...". So etwas kann man natürlich nur bringen, wenn man die Person entsprechend gut kennt und die Aussagen auch korrekt einordnen kann.

Nur ist das ja dann auch gerade einer der entscheidenden Punkte: Wenn mir jemand den ich wenig bis gar nicht kenne derartige Dinge mitteilt, dann kann ich da im Prinzip gar nicht sinnvoll oder "hilfreich" drauf reagieren - und will es ehrlich gesagt auch nicht.

Lugasch
10-10-2019, 11:28
Ich würde mich auch hüten etwas derartiges tatsächlich auszusprechen - ist halte eher so der Teil den man sich dabei denkt. Ob und wie man auf entsprechende Aussagen reagiert, sollte dann doch lieber den Fachleuten oder Bezugspersonen überlassen bleiben - ich kenne einen Fall in dem ein Jugendlicher damit "gedroht" hat aus dem Fenster zu springen. In dem Fall war die (richtige) Reaktion des Betreuers das Fenster zu öffnen und zu sagen "Bitte schön...". So etwas kann man natürlich nur bringen, wenn man die Person entsprechend gut kennt und die Aussagen auch korrekt einordnen kann.

Nur ist das ja dann auch gerade einer der entscheidenden Punkte: Wenn mir jemand den ich wenig bis gar nicht kenne derartige Dinge mitteilt, dann kann ich da im Prinzip gar nicht sinnvoll oder "hilfreich" drauf reagieren - und will es ehrlich gesagt auch nicht.

Ja, das mit dem sinnvoll reagieren ist schwierig. Da ist es dann wohl so, wie Tom das beschreibt. Zumindest habe ich als Angehöriger damit die besten Erfahrungen gemacht. Aber das funktioniert auch eher beim langfristigen Umgang mit Menschen und nicht bei einer spontanen Begegnung.

DZXX
10-10-2019, 11:40
gar nicht.
ich möchte hier nicht ins detail gehen, das gehört auch nicht hierher.

Es ist ausreichend "Material" in deinen anderen Beiträgen, was meine Frage beantwortet. Thx.

DZXX
10-10-2019, 11:41
.

Gast
10-10-2019, 13:03
es gibt zum thema "depressionen" (und damit meine ich nicht "traurige verstimmung / leichte bis mittlere depressive episode") einieg missverständnisse, die einem immer wieder begegnen.

so auch hier.
depression bedeutet nicht zwangsläufig, dass der betroffene permanent schwer suizidal wäre.

wer sich ein wenig mit der materie auskennt, der wird wissen, dass die tiefe der depression auch bei chronifizierung schwankt und einer gewissen bandbreite unterliegt. gefährlich ist dabei nicht jene tiefe, aus der es für den betroffenen ohne hilfe keinen ausweg mehr gibt - wer wirklich schwer(st) depressiv ist und die absolute "talsohle" erreicht hat, kann in vielen fällen nicht einmal mehr die energie aufbringen, sich das leben zu nehmen.

gefährlich ist jene phase, in der die absolute talsohle verlassen wird und es ein stückchen "aufwärts" geht - dort kann der betroffene dann wieder genug energie entwickeln, um vorherige suizidpläne in die tat umzusetzen.

mich stört allerdings die verengung der debatte auf den eventuellen suizid des betroffenen.
ja, es kommt signifikant häufig vor, dass eine "depressionskarriere" so endet.
aber bis da hin ist es ein langer, sehr schmerzhafter weg, und das wird von nichtbetroffenen oft übersehen.
noch einmal: depression (wie gesagt, ich rede von chronischem, schwerem verlauf, nicht von "trauriger verstimmung / leichter depressiver episode") ist nicht einfach so gleichzusetzen mit suizid.

VincentPrice
10-10-2019, 13:35
Ich denke wir sind uns einig, dass BJJ absolut nicht gegen eine echte Depression hilft. Genausowenig wie Fußball, oder Pilze sammeln.

Allerdings würde ich schätzen, dass mindestens 80% der "Betroffenen" die man im Internet trifft, schlicht und einfach keine Depression haben. Die Diagnose Depression wird wie zb auch ADHS heute sehr leichtfertig gestellt, mitunter von Profis aber doch in erster Linie von den Betroffenen selbst.

Die Leute sind dauerhaft schlecht drauf und leiden an Antriebslosigkeit weil sie sich schlecht ernähren, zu wenig bewegen, zu wenig trinken, zu wenig schlafen und ggf noch verantwortungslos mit Alkohl und Drogen umgehen. Da ist die Eigendiagnose Depression sehr bequem, weil man dann nicht mehr selbst verantwortlich ist für die eigene Lage.
Diese Fälle kann BJJ hervorragend kurieren. Zum Einen weil jeder Sport die schon weitgehend kurieren würde und zum anderen weil zusätzlich zu den positiven Auswirkungen des Sports, BJJ (wie jeder andere grapplinglastige Sport) zum Beispiel Oxytocin ausschüttet, also das "Kuschelhormon" und das Bedürfnis nach körperlicher Nähe befriedigen, was sich ja bekanntermaßen auch auf den Gemütszustand auswirkt.

Nur hat das eben nichts mit einer Depression zu tun. An Rambats Stelle, als Betroffener einer echten Depression würden mich diese ganzen selbst diagnostizierten Fälle maßlos aufregen ehrlich gesagt. Die führen nämlich dann genau dazu, dass solche Erkrankungen in der Breite nicht ernst genommen werden.

Nicht zuletzt weil dann eben auch solche Artikel geschrieben werden, die alles durcheinanderwerfen und "mies drauf aufgrund des eigenen Lebenswandels" mit Depression gleichsetzen.

jkdberlin
10-10-2019, 16:25
ich finde eine Abstufung des Begriffes gut. Eine Konzentrierung auf eine bestimmte Form nicht treffend. Ich denke, BJJ kann für einige Formen der Depression hilfreich sein. Es gibt sehr viele, teilweise konträre Formen, von Depressionen. Ich denke, der Artikel zielt dabei mehr auf die leichteren ab. Deswegen sollte man die gemeinschaftliche Aktivität, wie z.B. BJJ, aber nicht gleich so negativ sehen. Ich glaube sehr wohl, dass damit in einigen Fällen das Leben angenehmer gemacht werden kann.

Pansapiens
11-10-2019, 04:25
Ich denke wir sind uns einig, dass BJJ absolut nicht gegen eine echte Depression hilft. Genausowenig wie Fußball, oder Pilze sammeln.


Nein.
Was ist denn eine "echte" Depression?

Pansapiens
11-10-2019, 05:14
ich finde eine Abstufung des Begriffes gut. Eine Konzentrierung auf eine bestimmte Form nicht treffend. Ich denke, BJJ kann für einige Formen der Depression hilfreich sein. Es gibt sehr viele, teilweise konträre Formen, von Depressionen. Ich denke, der Artikel zielt dabei mehr auf die leichteren ab.


Dem ersten Satz stimme ich zu. Den Artikel selbst finde ich allerdings eher undifferenziert und teilweise widersprüchlich.
Schon im Titel wird mit "silent Killer" wohl eher auf schwerere Formen Bezug genommen und auch in diesem schon zitierten Satz:


The usual route is going for therapy, which in most cases ends up with medications, or, in certain situations, even hospitalization. But there’s another way.

Spätestens bei einem stationären Klinikaufenthalt liegt wohl eher eine schwere Form oder eine Fehldiagnose vor.




Deswegen sollte man die gemeinschaftliche Aktivität, wie z.B. BJJ, aber nicht gleich so negativ sehen. Ich glaube sehr wohl, dass damit in einigen Fällen das Leben angenehmer gemacht werden kann.

Wenn in der Gemeinschaft, in die man sich, so man es schafft, begibt, allerdings bestimmte Vorstellungen herrschen, kann einem das Leben dadurch auch schwerer gemacht werden.


One thing to remember is that it is crucial to actually exercise particularly when you’re feeling like you want to skip it. That “feel good” factor is actually going to be increased tenfold if you just make yourself train when you don’t feel like it.
[...]
Stay strong, talk about it and remember to always keep rolling!

Ich kenne den Begriff des Sekundärleidens.
Damit ist gemeint, dass man zusätzlich zur eigentlichen Problematik, bei Depressionen Antriebslosigkeit, abgeschnitten sein von Gefühlen... noch zusätzlich daran leidet, dass man durch diese Problematik eigene oder fremde Erwartungen ("stay strong". "reiß Dich zuammen", "Du musst nur wollen", "schau mal, der Junge ohne Arme und Beine ist doch auch gut drauf, was ist Deine Ausrede?") nicht erfüllen kann.

VincentPrice
11-10-2019, 06:59
Nein.
Was ist denn eine "echte" Depression?

Ein Ungleichgewicht in der Gehirnchemie, bzw. im Hormonhaushalt, das der Körper nicht ohne Hilfe von außen ausgleichen kann.


ich finde eine Abstufung des Begriffes gut. Eine Konzentrierung auf eine bestimmte Form nicht treffend. Ich denke, BJJ kann für einige Formen der Depression hilfreich sein. Es gibt sehr viele, teilweise konträre Formen, von Depressionen. Ich denke, der Artikel zielt dabei mehr auf die leichteren ab.

Ich würde das evtl mit Grippe vs Erkältung vergleichen. Umgangssprachlich hat man ja gerne mal die Grippe wenn man 2 Tage auf der Couch liegt weil man sich eine Erkältung, bzw. einen grippalen Infekt eingefangen hat. Das ist aber einfach nicht das gleiche wie eine tatsächliche Infektion mit Grippeviren, bei der man 2 Wochen flach liegt. Auch wenn die Symptome sich durchaus ähnlich sind.



Deswegen sollte man die gemeinschaftliche Aktivität, wie z.B. BJJ, aber nicht gleich so negativ sehen.


Ich sehe BJJ auch nicht negativ in dem Zusammenhang. BJJ ist imho hervorragend geeignet einen Ausgleich zum bewegungsarmen und stressbelasteten Alltag zu schaffen, den die meisten von uns haben dürften. Dementsprechend kann BJJ definitiv vorbeugend wirken oder bei einer echten Depression begleitend zur Therapie positiv wirken. Wie Du ja auch im nächsten Satz ansprichst:


Ich glaube sehr wohl, dass damit in einigen Fällen das Leben angenehmer gemacht werden kann.

Das ist zweifelsohne richtig. Das ist aber ein großer Unterschied zu der Aussage im Artikel, dass BJJ eine Alternative zu medikamentöser oder gar stationärer Therapie ist.

Gast
11-10-2019, 12:02
in diskussionen wie dieser hier schreiben (das zumindest entnehme ich den meisten beiträgen) vor allem nicht-betroffene.
bei manchen beiträgen stört mich da ein wenig die gewissheit, mit der nicht-betroffene sich zu diesem thema äußern ...

es ist, wie bereits angemerkt, nun aber so, dass der begriff "depression" sowohl medizinischer terminus als auch (sachlich unzutreffende) "umgangssprachliche beschreibung" sein kann.
der verlinkte artikel differenziert da in keiner weise, und allein das finde ich bereits sehr bedenklich.

es ist nun mal ein riesengroßer unterschied, ob jemand im klinischen sinne an einer depressiven erkankung (affektive störung) leidet oder ob er traurig und verstimmt ist, den symptomen zufolge aber nicht einmal F32.0 (leichte depressive episode) erreicht.
der begriff "depression" wird umgangssprachlich einfach zu oft und viel zu undifferenziert, also regelrecht inflationär verwendet.
letztlich führt das meiner meinung nach zu einer abwertung der erkrankung.
sie wird von vielen nicht-betroffenen noch immer als selbstverschuldet eingeordnet, als selbstregulierbar, als etwas, das nicht ernstgenommen werden muss, als "laune" gar, und daraus resultieren dann verbale attacken wie: "du musst dich nur mal zusammenreißen" / "du musst auch selber wollen!" / "wenn sich nun jeder so gehenlassen würde wie du!" / "mir geht es auch öfter mal nicht so gut, aber ICH kann mich nicht einfach hinsetzen und alles hinschmeißen!" ...
usw. usw.

als "depression" (im sinne von: ab hier wird's gefährlich) würde ich persönlich das bezeichnen (und ich hab da die ansicht mehrerer sehr bewanderter fachärzte übernommen), was im diagnoseschlüssel mit F32.2 beginnt ("schwere depressive episode ohne psychotische symptome").

und NEIN, ein sport, ganz egal welcher, ist nicht als ersatz für medizinische / psychotherapeutische hilfe geeignet.
und als "unterstützung" auch nur bedingt, denn ob so etwas funktioniert, hängt von sehr vielen faktoren ab.

wenn ich mir übrigens anschaue, wie im bjj in manchen (gar nicht so wenigen) gyms trainiert wird und welcher macho-kult da ums gewinnen (beim rollen!) gemacht wird, dann konterkarieren solche zustände die behauptung, bjj würde bei depressionen helfen.
ich hab's in verschiedenen "ultraharten" gyms selbst erlebt.
DORT irgendwie erkennen zu lassen, dass man eben während einer schweren phase der depression (vorübergehend oder auch für die gesamte dauer dieser phase) keine "harte sau" sein kann, weil man viel zu tief im dunkel versunken ist, wäre ganz sicher keine gute idee.
es würde die anderen, die ja imho in einem solchen gym sind, WEIL sie so trainieren wollen, entweder überfordern oder abstoßen oder beides.
in einem solchen gym passt man sich also an, powert mit, gibt die ultraharte sau, oder man geht unter.
kein guter ort für menschen mit schweren depressionen, denke ich.
(allerdings möchte man auch als depressiv erkrankter, der sich dem bjj zuwendet, ganz sicher nicht als schneeflöckchen durchs gym geistern, das aller zehn sekunden verbale streicheleinheiten und einen "safe space" sowie ein kuschelkissen benötigt!)

um missverständnissen vorzubeugen: bjj ist, was es ist, und das ist auch gut so! da MUSS eine gewisse härte (gegen sich selbst!) rein, sonst wird das nichts. und es hülfe einem depressiv erkrankten ganz sicher nicht, wenn er in einem bjj-gym gleichsam "mit samthandschuhen angefasst" würde ...
nur denke ich (und vielleicht irre ich mich da auch), dass es in einem "ultraharten" gym kaum möglichkeiten gibt, sich als depressiv erkrankter entsprechend zu artikulieren und die "seltsamkeiten" des eigenen verhaltens so zu erklären (ich hatte es mal vergeblich versucht), dass man auch wirklich verstanden wird und nicht einfach nur als "spinner" oder als "unangenehmer mensch" gilt ...

bjj a priori als "hilfe" bei depressionen zu empfehlen halte ich für oberflächlich und unüberlegt.
es kommt imho sehr darauf an, in welchem gym, unter welchem lehrer und in welcher trainingsatmosphäre ...

Billy die Kampfkugel
11-10-2019, 13:23
Vor einem Vierteljahr nahm ich an der Beerdigung eines Jugendfreundes teil. Die Depression liegt in der Familie. 40jähriger Familienvater, Kleinunternehmer, hilfreich und vorbildlich, aber kam nicht aus dem Tief und hat seine Krankheit verheimlicht. Es kann jeden erwischen. Schuldzuweisungen und einfache Lösungen sind fehl am Platz. Der Vater ist in professioneller Behandlung. Er hat seinen Sohn überlebt.

jkdberlin
11-10-2019, 15:32
An dieser Diskussion können natürlich auch nicht Betroffene teilnehmen. Natürlich sollten sollte jeder überlegen, in wie weit seine "Gewissheit", seine Wahrheit, dass trifft, was andere empfinden oder erfahren. Aber das sollten auch die Betroffenen. Hier hat niemand die Definitionshoheit.

Ansonsten finde ich die Ausführungen zur Atmosphäre, zur Trainingskultur und zum allgemeinen Umgang im Gym untereinander sehr interessant, so wie sie Rambat im letzten Teil seines Postings angefangen hat. Damit wären wir auch wieder beim Thema denke ich.

Ich sage:
14-10-2019, 06:43
https://www.foundmyfitness.com/topics/depression#nutrition

Auch ein Aspekt, der kaum beleuchtet wird.

Ripley
14-10-2019, 07:59
Welchen der vielen aufgeführten Aspekte meinst du? Und worin widerspricht dieser Übersichtsartikel dem in diesem Faden bereits Gesagten? Oder wo bietet er zusätzliche Info?

jkdberlin
14-10-2019, 08:27
Welchen der vielen aufgeführten Aspekte meinst du? Und worin widerspricht dieser Übersichtsartikel dem in diesem Faden bereits Gesagten? Oder wo bietet er zusätzliche Info?

Nun, da der Link auf #nutrition verweist, denke ich, es geht dem User um die Ernährung.

Ich sage:
14-10-2019, 09:00
Welchen der vielen aufgeführten Aspekte meinst du? Und worin widerspricht dieser Übersichtsartikel dem in diesem Faden bereits Gesagten? Oder wo bietet er zusätzliche Info?
Wie jkdberlin sagte, ist das ein riesen Artikel, bei dem ich den Nutrition Teil verlinkt habe. Diesbezüglich findet man bei Dr. Rhonda Patrick doch einiges. Es scheint also einen nicht unerheblichen Effekt zu haben, der wiederum aber bisher kaum erforscht zu sein scheint. Stichworte sind gut microbiome. Bei älteren Herren lohnt es sich wohl auch, den Testosteron Wert überprüfen zu lassen.

TREiBERtheDRiVER
17-10-2019, 00:50
Es gibt Menschen, bei denen hilft BJJ - nicht.
Es sind einzelne, kurze Momente. Und unter "helfen" stelle ich mir irgend etwas anderes vor. Aber es kann ein kurzer Lichtblick sein. Von daher finde ich den Ansatz gut. Es kann Augen öffnen. Und es kann, wie so viele anderen Betätigungen auch, Grund und Auslöser für Gespräche sein.

Jo, genau das.
Wenn man allerdings bei diesem Artikel, nicht "zwischen den Zeilen liest", dann ist das doch etwas "an den Haaren herbeigeholt".
Enttäuscht halt, bei diesem Thema was eine gewisse "Tiefe" mit sich bringt.




gemeinsam ist all diesen leuten, dass sie erstens wenig bis nichts über depressionen wissen;
dass sie zweitens leichte depressive episoden nicht von chronisch manifesten schwer(st)en depressionen unterscheiden können
und dass sie sich drittens regelrecht belästigt davon fühlen, wenn man [...] ihnen reinen wein einschenkt.
es gibt auch leute, die ihre etwas morbide neugier befriedigen wollen,

Gut erklärt, aber das würde allerdings auch alle Psychologen, Therapeuten und Seelsorger mit einschließen. Hört sich für mich so ein bisschen danach an, als ob man selber "depressiv" sein müsste, damit man nachzuvollziehen, sich einbringen, helfen und/oder therapieren könnte. Was wäre denn deine erweiterte Idee, fern ab von KK/KS, wie man auf Betroffene zu gehen könnte, und was sind sinnvolle Schritte, wenn man selber merkt das man betroffen ist (sein könnte)?

Gast
17-10-2019, 08:48
@ttd:


Zitat von rambat

gemeinsam ist all diesen leuten, dass sie erstens wenig bis nichts über depressionen wissen;
dass sie zweitens leichte depressive episoden nicht von chronisch manifesten schwer(st)en depressionen unterscheiden können
und dass sie sich drittens regelrecht belästigt davon fühlen, wenn man [...] ihnen reinen wein einschenkt.
es gibt auch leute, die ihre etwas morbide neugier befriedigen wollen

Gut erklärt, aber das würde allerdings auch alle Psychologen, Therapeuten und Seelsorger mit einschließen. Hört sich für mich so ein bisschen danach an, als ob man selber "depressiv" sein müsste, damit man nachzuvollziehen, sich einbringen, helfen und/oder therapieren könnte. Was wäre denn deine erweiterte Idee, fern ab von KK/KS, wie man auf Betroffene zu gehen könnte, und was sind sinnvolle Schritte, wenn man selber merkt das man betroffen ist (sein könnte)?
meine aussage schließt therapeuten, seelsorger usw. ausdrücklich NICHT ein, denn ich gehe bei dieser personengruppe davon aus, dass sie erstens die nötige empathie besitzen und zweitens fachlich entsprechend ausgebildet sind, um mit jemandem umgehen zu können, der schwer depressiv ist.

und nein, man muss nicht selbst betroffen sein, um jemandem helfen zu können, der an einer depressiven erkrankung leidet.
ich bezog mich mit meiner kritik auch NICHT auf entsprechende fachleute, sondern auf laien, die wenig bis nichts über depressionen wissen, aber ungebeten mit unsinnigen ratschlägen um sich werfen und für betroffene keinerlei echtes verständnis aufbringen.

um auf deine konkrete frage zu antworten: wenn man bemerkt, dass man selbst betroffen sein könnte, gibt es nur einen einzigen wirklichen rat, den man befolgen sollte - man sollte sich fachlich kompetente hilfe suchen.
man kann sich eine überweisung von hausarzt austellen lassen und dann einen niedergelassenen therapeuten konsultieren.
man kann aber auch einfach entsprechende ambulanzen aufsuchen. es gibt da etliche ... z.b. gibt es das ZIP (zentralinstitut für integrative psychiatrie / psychotherapie). das hat niederlassungen in etlichen städten.
sucht man dort die institutsambulanz auf, muss man nicht den umweg über den hausarzt gehen ...

ähnliche einrichtungen gibt es überall in deutschland.

Ripley
11-11-2019, 07:53
Twitterfund.
Ersetzt den Mann durch "die öffentliche Wahrnehmung" und das Problem ist perfekt umschrieben.https://uploads.tapatalk-cdn.com/20191111/b116215e8748aa4ae1cc549a91383ec3.jpg