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kanken
04-11-2019, 11:35
Ist evtl. erst einmal auf den ersten Blick nur ein Thema für die Leute aus den „traditionellen“ KK, ist aber eigentlich für jede KK wichtig:

In wie weit wird bei Euch auf die Vermittlung von Hintergrundwissen allgemein Wert gelegt?

Damit meine ich jetzt keine oberflächliche „Budoromantik“ sondern seriöse Quellen von seriösen Forschern/Wissenschaftlern.

Im Karate wurde bei uns damals schon Wert auf diese Dinge gelegt, um zu verstehen was man macht und wo es herkommt.
Es gab Reporte zur Geschichte, zur Physiologie, zur Philosophie und zur Didaktik.
Das notwendige Wissen dazu wurde zum einen von den Lehrern im Unterricht vermittelt und mußte zum anderen selbstständig, an Hand von empfohlenen Büchern, erarbeitet werden. Diese Reporte waren dann Teil der jeweiligen Prüfungen.

Im Bagua gibt es jetzt bei uns ja keine Prüfungen/Graduierungen, aber das selbstständige Erarbeiten von Wissen ist dort einer der Kernpfeiler des Unterrichts.
Durch den Aufbau des Training (Wohnzimmeratmosphäre) gibt es immer mal die Möglichkeit theoretisches Wissen zu vermitteln, zusätzlich empfehlen wir natürlich noch diverse Bücher.

Gerade den Bereich Geschichte und Physiologie/Anatomie halte ich für absolut unverzichtbar um zu verstehen was man da macht. Geschichte ist deswegen wichtig um keiner Pseudoromantik auf den Leim zu gehen und zu wissen woher die Art des Trainings kommt und warum trainiert wird, wie trainiert wird.

Anatomie und Physiologie sind, in meinen Augen, deswegen wichtig um ein Verständnis von Bewegung zu bekommen und um zu wissen wie man den Anderen verletzen kann, bzw. wo man ihn verletzen muss.

Klar ist das ein Training natürlich primär aus Üben besteht, d.h. man muss die Anwendungssets lernen und frei anwenden können, aber die Theorie hilft einem dabei dies effektiver zu tun, also wird sie, ab einem gewissen Fortschritt den Leuten „nebenbei“ erklärt.

Ich stelle dabei immer wieder fest, dass die Leute früher ein extrem hoch entwickeltes Wissen über die funktionelle Anatomie und anwendungsorientierte Physiologie hatten.
Was mein Lehrer mir im Bagua mit den Worten des dortigen soziokulturellen Kontextes erklärt (sehr bildliche Sprache, „natürliche“ Erklärungen) ist hervorragend geeignet um zu lernen wie man sich effektiv bewegt. Die Sprache ist jedoch für einen „Westler“ an einigen Stellen etwas „blumig“, bzw. stelle ich immer wieder fest dass viele Leute die „traditionellen“ Erklärungen (Bälle, Kräfte, Richtungen etc.) nicht verstehen, ernst nehmen, und sich erst darauf einlassen wenn man es ihnen mit westlichen Begriffen (Muskelketten, Neurophysiologie, Physik etc.) erklärt.

Wie ist es bei Euch? Gibt es überhaupt „Theorie“, oder macht man einfach nach was der Lehrer zeigt? Welchen Stellenwert hat eigenständiges Lernen bei Euch? Wie wichtig ist das Verständnis dessen, was man übt für Euch (im Sinne von Einordnung „wo kommt es her und was mache ich da eigentlich“)?

Björn Friedrich
04-11-2019, 11:52
Als Schüler interessiert mich die Theorie hinter etwas nicht wirklich, ich will es einfach nur können, der Rest ist mir egal.

Als Lehrer bin ich schon bemüht die Dinge in eine klare und einfache Sprache zu übersetzen, damit die Leute mit meinen Ratschlägen was anfangen können.

oxox
04-11-2019, 12:13
Kann man das denn so sauber trennen, die Theorie und das Können?

* Silverback
04-11-2019, 12:14
Vorab: Toller Post finde ich, mit tollen Fragen! :halbyeaha

...
Wie ist es bei Euch? Gibt es überhaupt „Theorie“, oder macht man einfach nach was der Lehrer zeigt?
Nada ... leider!



Welchen Stellenwert hat eigenständiges Lernen bei Euch?
Mehrheitliche Zufriedenheit, einmal pro Woche gemeinsam mit anderen seine Förmchen zu laufen (KK = Taij).
Selbst bezügliches eines gemeinsamen Extratrainings bin ich "einsam" geblieben.



Wie wichtig ist das Verständnis dessen, was man übt für Euch (im Sinne von Einordnung „wo kommt es her und was mache ich da eigentlich“)?
Da die Mehrheit der Gruppe, in der ich noch drin bin, fast ausschließlich an TJ als Gesundheitssport interessiert ist, bin ich als "einsamer Frager in der Wüste" bekannt. Und der Trainer orientiert sich halt an der Gruppenmehrheit. Et is wie et is.

ryoma
04-11-2019, 12:15
Kanken, aus unseren gelegentlichen Diskussionen weisst du natürlich, das es bei uns nahezu identisch ist, wie du es beschrieben hast. ;)

Bei den klassischen Schulen des Koryû-Bujutsu ist meist ein hohes Mass an theoretischem Selbststudium erforderlich (aber jede Schule handhabt das so, wie sie möchte).

Ich kann nur für die Hokushin Ittô-ryû Hyôhô sprechen: Vermittlung von Hintergrundwissen ist ebenso zentral wie das physische Training. Das verlangt von den Lehrern einiges ab, ja.
Bei uns zählt dazu natürlich Geschichte, insbesondere die Zeit, in der die Schule entstand und gross wurde (sprich 19. Jhd.). Der Schüler muss ein Gespür dafür entwickeln, wie es damals zu und her ging, schliesslich waren das Leute aus der eigenen Schule und mit denen verbindet uns ja etwas.
Ausserdem werden auch Verhaltensregeln unterrichtet. Egal ob das nun mit Schwert oder ohne ist.
Zentral ist auch die Vermittlung der philosophischen Lehren der Schule. Jede Ryûha hat da meist ein umfassendes Lehrgebäude dazu, welches zudem üblicherweise Hand in Hand geht mit den technischen Prinzipien der Schule.
Die japanische Sprache ist ein weiterer elementarer Baustein. Das rudimentäre Level bekommen Schüler natürlich während des Trainings mit. Aber ab der dritten (von fünf) Makimono sind weitergehende Sprachkenntnisse zwingend. Jemand auf diesem Level muss fähig sein, einen Unterricht vollständig auf Japanisch abhalten zu können inkl. weitergehenden mündlichen Unterweisungen und bei gesellschaftlichen Verpflichtungen müssen diese Leute auch vermögen Konversation zu führen, z.B. mit geladenen japanischen Gästen.

ainuke
04-11-2019, 12:32
Mich interessieren die Hintergründe und Grundlagen sehr. Allerdings musste ich im Laufe der Zeit anerkennen, dass speziell in der Karatewelt extrem viel Unfug verbreitet wurde und wird. Und wenn dann mal jemand mit nachvollziehbaren Erklärungen, insbesondere eben bzgl. Anatomie und Physiologie kommt, dann wird er oder sie dann ganz schnell gebremst, was sehr schade ist.

Für mich persönlich ist eigenständiges Lernen extrem wichtig. Das liegt wahrscheinlich an meinem persönlichen "Lerntyp". Ich bin ganz schlecht im "einfach nachmachen" oder "unverstanden ausführen". Erst wenn ich etwas verstehe, kann ich es umsetzen. Natürlich bedingen sich Verständnis und Übung gegenseitig. Zum Glück hat auch mein Karatelehrer seine Lehrmethode dahingehend geändert, dass er nicht mehr nur vormacht und nachmachen lässt, sondern einerseits sehr gut erklärt und andererseits zum eigenständigen Lernen und kritischen Denken motiviert. Dazu kommt das ständige Hineinschnüffeln in unterschiedliche Kampfkünste (z. B. Tai Ji) und verbundene Übungsformen (z. B. Qi Gong, Yoga).

Glücklicherweise darf ich seit 10 Jahren einen Karatestil lernen, bei dem der Stilrichtungsgründer ein nahezu komplettes System inkl. Qi Gong, Partnerübungen, etc. mit Bildern und Beschreibungen hinterlassen hat. Und der oben erwähnte Lehrer hat u.a. einen tiefen Hintergrund in Qi Gong und Yoga. So ist bei uns die intensive Auseinandersetzung mit den Hintergründen fast automatisch gegeben. Übrigens war der Gründer der Stilrichtung zwar Japaner und hat auch in Japan "Karate" trainiert, allerdings hat er seine eigene Stilrichtung weitgehend in China entwickelt und sehr viel vom Bagua abgeschaut.

kanken
04-11-2019, 12:34
Kanken, aus unseren gelegentlichen Diskussionen weisst du natürlich, das es bei uns nahezu identisch ist, wie du es beschrieben hast. ;)

Klar weiß ich das ;)

Dich, bzw. Eure Schule, habe ich auch als gutes Beispiel vor Augen.
Wenn ich mir die Koryu angucke und dann das was, bzw. wie, ich lerne, dann frage ich mich immer was der bessere Weg ist, bzw. ob es überhaupt ein besser oder schlechter geben kann...

ainuke
04-11-2019, 12:36
Die japanische Sprache ist ein weiterer elementarer Baustein. Das rudimentäre Level bekommen Schüler natürlich während des Trainings mit. Aber ab der dritten (von fünf) Makimono sind weitergehende Sprachkenntnisse zwingend. Jemand auf diesem Level muss fähig sein, einen Unterricht vollständig auf Japanisch abhalten zu können inkl. weitergehenden mündlichen Unterweisungen und bei gesellschaftlichen Verpflichtungen müssen diese Leute auch vermögen Konversation zu führen, z.B. mit geladenen japanischen Gästen.

Wenn ich das richtig verstehe, bedeutet das, dass man auf diesem Niveau mehr oder wenig fliessend Japanisch spricht. Respekt!

Shintaro
04-11-2019, 13:48
Es ist für mich wichtig, Hintergründe von meinen Kampfkünsten zu kennen, aber hauptsächlich trainiere ich . In manchen Prüfungsprogrammen wurde das Wissen sogar abgefragt. Halte ich allerdings nicht so viel von, denn man beschäftigt sich zwangläufig mit den Hintergründen, wenn man in der KK drin ist. Allerdings lerne ich japanisch, um mich mit meinem Lehrer unterhalten zu können und das Wissen an der Quelle zu erfahren, nicht nur durch Bücher oder Internet. Dann ist es eh zweifelhaft, ob in Büchern oder im Netz die Sachen einwandfrei wiedergegeben worden sind. Deshalb bleibt es nicht aus, sich auch mit der japanischen Sprache auseinanderzusetzen, wenn man in den japanischen KK zu Hause ist und sich damit beschäftigt und sie sogar selbst als Lehrer weitergibt.

karate_Fan
04-11-2019, 13:57
Bin an den Hintergründen und Geschichte der KK sehr interssant. Im HEMA Training wird man auch zum selbst Forschen und Nachdenken animiert, da es keinen groben Leitfaden oder Prüfungsprogramm gibt das einen bindet oder an der Hand nimmt.

Allerdings sind meine Laien Nachforschungen mehr auf die oberflächliche Geschiche und auf Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Manuskripten beschränkt.

In Sachen Philosophie (gibt es überhaupt in den HEMA Kreisen Leute die sich mit Philosophie der HEMA beschäftigten ???) kann ich nicht dienen.

An anotomischen Studien wie man sich z.B bewegunstechnisch am besten bewegt oder wie man die Techniken am effektivsten ausführt um den Gegner zu besiegen (also das Wissen über anotomische Schwachstellen) bin ich zwar brennend interessiert, aber da kann man aus den Fechtbüchern die mir bekannt sind nicht wirklich was herausholen.

Meine Schnitttechnik anhand von Schnittests mit Tatamimatten oder etwas vergleichbaren zu üben wäre zwar möglich, traue mich aber noch nicht an ein scharfes Schwert ran und besitze demnach keines. Dank der Verletzungsgefahr sollte man so was nur unter Aufsicht und Anleitung üben.

kanken
04-11-2019, 13:58
Übrigens war der Gründer der Stilrichtung zwar Japaner und hat auch in Japan "Karate" trainiert, allerdings hat er seine eigene Stilrichtung weitgehend in China entwickelt und sehr viel vom Bagua abgeschaut.

Ich nehme mal an du sprichst vom Ryû sui Ken? Schön mal einen Vertreter davon zu lesen!
Da Du dich ja mit den Hintergründen beschäftigst: Kannst du mir sagen bei wem Narasaki wo in China gelernt hat und wie lange? Außer das er zur Zeit des zweiten Weltkriegs in China war habe ich nix konkretes gefunden. War er Tudi, und wenn ja von welchem Lehrer?

ryoma
04-11-2019, 14:11
Wenn ich das richtig verstehe, bedeutet das, dass man auf diesem Niveau mehr oder wenig fliessend Japanisch spricht. Respekt!

Ja, das wäre grundsätzlich die Idee. Selbstverständlich erleichtert es die Sache ungemein, wenn man jahrelang in Japan gelebt und gearbeitet hat.
Klar, das können nicht alle einfach mal so tun.
Aber die entsprechenden Leute werden angehalten (bzw. habe natürlich auch selbst das Interesse) Japanischunterricht zu nehmen und auch mal für einen Sprachaufenthalt nach Japan zu fahren, und wenn es nur 2 -3 Wochen sind.

kanken
04-11-2019, 14:13
Zentral ist auch die Vermittlung der philosophischen Lehren der Schule. Jede Ryûha hat da meist ein umfassendes Lehrgebäude dazu, welches zudem üblicherweise Hand in Hand geht mit den technischen Prinzipien der Schule.

Wie vermittelt ihr diese? Im Unterricht, oder danach? An gesonderten Einheiten, im Selbststudium nach vorherige Einweisung? Ein bisschen von allem?

karate_Fan
04-11-2019, 14:47
@Ryoma ja möchte mich der Frage von Kanken auch anschließen wie der Philosophie Untericht erfolgt? Wird der während des regulären Trainings vermittelt oder gibt es dafür eigene Übungseinheiten?

kanken
04-11-2019, 15:00
Ich frage deshalb, weil man es bei uns nicht trennen kann. Alles muss (und wird) ab einem gewissen Level mit der Sprache der Philosophie beschrieben.
Da wir vieles in „moderne Begriffe“ packen erklären wir die technischen Dinge zunächst in der philosophischen Sprache, geben dann Literatur und Übungen an die Hand um diese besser zu verstehen und „übersetzen“ sie dann später im Training in moderne Begriffe und erklären sie (so weit man bestimmte Dinge überhaupt erklären kann/muss). Zu den modernen Begriffen kann man sich dann ggf. auch weiter informieren mit entsprechender Literatur.
Bei uns ist es also eine Mischung aus allem.

oxox
04-11-2019, 15:09
Kanken könntest du das vielleicht an einem Beispiel erläutern, wenn dir das nicht zu weit führt. Ich stelle mir da gerade sowas wie die Parabel vom Koch Ding vor, oder halt generell so Zhuangzi artige Passagen.

kanken
04-11-2019, 15:23
Es geht, ganz ganz grob vereinfacht, darum wie man sich selber wahrnimmt und wie man mit der Umwelt interagiert.

Nimm die äußeren Harmonien und wie man sie mit den inneren Harmonien verbindet. Dazu muss man schon wichtige Dinge im Bereich des Daoismus gehört haben und muss gelernt haben mit welchen Bildern man sie im eigenen Körper spürt, bzw. wie man sich über diese Bilder bewegt.
Ein anderes Beispiel ist zum Beispiel das Nutzen der Idee des Drachen. Dazu muss man allerdings wissen wie ein Drache in China gesehen wird, wie er aufgebaut ist und welche Funktionen er erfüllt. Erst wenn man diese Theorie zu der Idee kennt, kann man anfangen die Idee des Drachen in der körperlichen Übung umzusetzen.

Ein anderes Beispiel ist die Idee von Rüstungen oder spezifischen Waffen. Wenn man die nicht kennt und weiß wie sie funktionieren, bzw. wozu sie gedacht sind, dann kann man die Idee nicht nutzen.

Grundlegend ist dabei natürlich IMMER das nutzen einer Idee, also der Gebrauch von „Yi“. Yi wiederum ist Bestandteil einer bestimmten Weltsicht und Philosophie, also muss ich die zu allererst verstehen und einordnen können.

Da Yi im Bagua essentiell ist versuchen wir von Anfang an den Leuten zu vermitteln was es bedeutet mit Yi zu arbeiten. Jede Anwendung, jede Soloübung wird darüber erklärt.

Je weiter man kommt desto komplexer wird es natürlich bis man mit Ideen arbeitet die direkt mit der Wahrnehmung von Realität zu tun haben und damit mit Zeit und Raum, was wiederum den Bogen zum Kämpfen schlägt, denn das findet im Hier und Jetzt statt.

Erstaunlicher Weise sind sich da die Philosophien des Buddhismus und Daoismus mit der modernen Neurobiologie sehr einig (wenn man da vom Dualismusprinzip des Bewusstseins ausgeht und nicht vom Monoismusprinzip)...

Auf einer ganz simplen Ebenen geht es darum Begriffe wie „Zentrallinie“, „Punkte“, oder „Winkel“ in anatomische Zielgebiete zu übersetzen und einfache physiologische Prinzipien zu erklären um z.B. den Klingenkampf effektiver zu machen. Wie ändere ich wann und wo im Körper die Klingenführung. Was passiert da und wozu führt das.

Dazu gibt es dann hin und wieder Ultraschalldemonstrationen oder Seminare zur Ersten Hilfe, bei denen man dann noch den Bogen zum heute kriegt um zu erklären was wann wo gefährlich wird und was man Heute dagegen tun kann.

ryoma
04-11-2019, 15:50
Ich frage deshalb, weil man es bei uns nicht trennen kann. Alles muss (und wird) ab einem gewissen Level mit der Sprache der Philosophie beschrieben.
Da wir vieles in „moderne Begriffe“ packen erklären wir die technischen Dinge zunächst in der philosophischen Sprache, geben dann Literatur und Übungen an die Hand um diese besser zu verstehen und „übersetzen“ sie dann später im Training in moderne Begriffe und erklären sie (so weit man bestimmte Dinge überhaupt erklären kann/muss). Zu den modernen Begriffen kann man sich dann ggf. auch weiter informieren mit entsprechender Literatur.
Bei uns ist es also eine Mischung aus allem.

Same here! Was für ein Wunder, ne! ;)
Ja, trennen kann man es tatsächlich nicht. Ich habe das ja bereits kurz angedeutet mit dem Satz: "Jede Ryûha hat da meist ein umfassendes Lehrgebäude dazu, welches zudem üblicherweise Hand in Hand geht mit den technischen Prinzipien der Schule."

Der Unterschied mag sein, dass man bei uns nicht wirklich auf (externe) Literatur verweisen kann. Alles ist in der Ryûha enthalten und kommt auch aus ihr. Wir haben unsere verschiedenen Makimono, in denen gewisse Sachen schriftlich fixiert sind. Aber auch diese kann man nur entschlüsseln, wenn einem die Kuden dazu vermittelt werden.

oxox
04-11-2019, 15:58
Es wäre gelogen wenn ich sagen würde ich hätte das jetzt alles verstanden, aber danke für die ausführliche Antwort. Die einzige Referenz die ich im Bezug zum Daoismus habe sind halt Übersetzungen vom Zhuangzi, das Daodejing, und ein bisschen Sekundärliteratur von Leuten wie Edward Slingerland, der unter anderem auf die verschiedenen Interpretationen von Wu Wei eingegangen ist. Das Beispiel mit dem Koch Ding habe ich genannt, weil das in meiner Vorstellung am ehesten in Richtung Gebrauchsanweisung zu gehen scheint. Von wegen mit der Klinge in die Zwischenräume eintauchen, dem natürlichen Verlauf folgen, usw. ohne dass die Klinge beim Schlachten an Schärfe verlieren würde.

Du hast von Selbststudium geschrieben. Könntest du vielleicht ein paar Texte empfehlen oder in eine generelle Richtung deuten? Das Thema interessiert mich.

oxox
04-11-2019, 16:00
Kann man sagen das manche Aspekte bewusst kodiert wurden? Sei es durch blumige Sprache, spezielle Referenzen, etc.?

kanken
04-11-2019, 16:01
Der Unterschied mag sein, dass man bei uns nicht wirklich auf (externe) Literatur verweisen kann. Alles ist in der Ryûha enthalten und kommt auch aus ihr. Wir haben unsere verschiedenen Makimono, in denen gewisse Sachen schriftlich fixiert sind. Aber auch diese kann man nur entschlüsseln, wenn einem die Kuden dazu vermittelt werden.

Das ist in der Tat ggf. ein Vorteil, wobei bei uns der direkte, mündliche, Unterricht extrem wichtig ist. Die „externe“ Literatur bezieht sich dann auf die Sutren oder daoistischen Texte, die ja aber vom Lehrer in ihrer Übersetzung erläutert werden müssen.

Wenn man natürlich in den Makimono die „Essenz“ der Texte hat (ggf. mit Erläuterungen) und sie durch die Kuden erläutert werden, dann ist es ja eigentlich ganz ähnlich. Wobei ich natürlich nicht wissen kann was in den Makimono steht. Die Übersetzungen von Julian Braun einiger Makimono scheinen MIR aber in diese Richtung zu gehen.

kanken
04-11-2019, 16:04
Du hast von Selbststudium geschrieben. Könntest du vielleicht ein paar Texte empfehlen oder in eine generelle Richtung deuten? Das Thema interessiert mich.

Selbststudium meine ich unter den Augen eines Lehrers, denn es ist wichtige die Dinge einzuordnen und ein Bezug zur Umsetzung, also dem Gefühl, zu geben. „You have to make it real“ wie mein Lehrer immer sagt.

Daher bringt es nichts Texte dazu zu empfehlen, da das dann (aus Sicht der Kampfkünste) eher „Kopfgeburten“ sind. Mit dem Verstand herangehen und mit dem Herzen fühlen, beides ist wichtig!


Kann man sagen das manche Aspekte bewusst kodiert wurden? Sei es durch blumige Sprache, spezielle Referenzen, etc.?

Ob es bewusst kodiert wurde oder ob gewisse Dinge erst überhaupt ab einem gewissen Level erwähnt wurden kann man im Nachhinein nicht sagen.

Ich empfinde es eher so das man immer alles direkt erklärt bekommt, man aber die immer gleichen Dinge immer tiefer versteht. Wie eine Zwiebel. Das hat aber nichts mit „Wissen vorenthalten“ zu tun, sondern nur mit dem eigenen Verständnis.

Bestimmte Dinge bekommt man gar nicht erst zu hören, wenn ma nicht Tudi ist und nicht jeder Tudi bekommt alle Ebenen zu hören, da er erst sein Verständnis „beweisen“ muss. Tudi ist nicht gleichzusetzen mit „Innerer Schüler!“, jedenfalls in der Tradition die ich kenne.

ainuke
04-11-2019, 16:21
Ich nehme mal an du sprichst vom Ryû sui Ken? Schön mal einen Vertreter davon zu lesen!
Da Du dich ja mit den Hintergründen beschäftigst: Kannst du mir sagen bei wem Narasaki wo in China gelernt hat und wie lange? Außer das er zur Zeit des zweiten Weltkriegs in China war habe ich nix konkretes gefunden. War er Tudi, und wenn ja von welchem Lehrer?

Deine Annahme ist korrekt.

Leider wissen wir bisher auch nicht, wo und bei wem Narasaki in China gelernt hat. Nach Aussage von Himi Yoshio (Uchi Deshi von Narasaki und mehrmals in Deutschland) hat Narasaki in Japan/Tokio u.a. Shotokan geübt. Angeblich war er für einige Zeit (wann/wie lange?) auf Okinawa, um sich dort zu verbessern.
Beruflich war Narasaki Offizier bei der Handelsmarine und ist in der Regel für sechs Monate in Tokio gewesen und für sechs Monate auf dem Schiff unterwegs zwischen Japan und China.
Wann und wo genau er für längere Zeit in China war, wissen wir auch nicht. Vielleicht geben seine Bücher mehr darüber her, aber da gehen wir noch "sehr behutsam" vor, da es ziemlich aufwendig ist. De facto geht es genau um das Thema, welches Du in diesem Thread ansprichst. Zum einen suchen wir in den Beschreibungen für Bewegungen und Partnerübungen nach tiefgründigen Erklärungen und zum anderen üben wir die Bewegungen, die Atmung, "die Bilder", ... . Und da ist noch soooo viel zu bearbeiten ...

kanken
04-11-2019, 16:33
Wann und wo genau er für längere Zeit in China war, wissen wir auch nicht.

Komisch, so etwas sollte in einer traditionellen Linie eigentlich das Erste sein was man erfährt. Der Stammbaum ist entscheidend, jedenfalls wenn man wirklich traditionell herangeht. Diese Kenntnis ist quasi der Anfang, da man dann Zeit und Kontext der jeweiligen Linie lernt.

ainuke
04-11-2019, 17:22
Komisch, so etwas sollte in einer traditionellen Linie eigentlich das Erste sein was man erfährt. Der Stammbaum ist entscheidend, jedenfalls wenn man wirklich traditionell herangeht. Diese Kenntnis ist quasi der Anfang, da man dann Zeit und Kontext der jeweiligen Linie lernt.

Kannst Du mit dieser Übersicht etwas anfangen? Wie bereits geschrieben, haben wir dieses Buch noch nicht in Angriff genommen.
Himi Yoshio hat laut mehreren Leuten zwar immer wieder etwas von Narasaki erzählt, aber auch darauf hingewiesen, dass das eigentlich irrelevant sei. Am Ende müsste jeder Mensch "sein eigenes Karate" entwickeln.

44671

Phelan
04-11-2019, 17:31
Ixch unterrichte exzessiv den historischen und kulturellen Kontext der Prinzipien, Techniken etc. weil vielfach die Basics auf geographische Begebenheiten, verwendete Waffen etc. beruhen. finde das sehr wichtig - so wurde und wird es mir beigebracht und so gebe ich es weiter. Bin auch sehr davon überzeugt das es so besser "stickt" und man sich daher besser von den Prinzipien leiten lässt.

VG,
Phelan

karate_Fan
04-11-2019, 18:14
Ich frage deshalb, weil man es bei uns nicht trennen kann. Alles muss (und wird) ab einem gewissen Level mit der Sprache der Philosophie beschrieben.
Da wir vieles in „moderne Begriffe“ packen erklären wir die technischen Dinge zunächst in der philosophischen Sprache, geben dann Literatur und Übungen an die Hand um diese besser zu verstehen und „übersetzen“ sie dann später im Training in moderne Begriffe und erklären sie (so weit man bestimmte Dinge überhaupt erklären kann/muss). Zu den modernen Begriffen kann man sich dann ggf. auch weiter informieren mit entsprechender Literatur.
Bei uns ist es also eine Mischung aus allem.


Ja das macht natürlich Sinn. Auch wenn ich nur einen Bruchteil von dem verstehe was du schreibst,ist selbst meinen nicht geschulten Blick nicht entgangen, dass Praxis und Theorie bei deiner Linie des Bagua Hand in Hand gehen und man die Theorie doch sehr stark in das Training integriert.


Scheint ja bei Ryoma in der Hokushin itto Ryu genauso zu sein.

Übrigens auch ei Danke an dich Ryoma für deine Antworten.

ryoma
04-11-2019, 18:44
.

ryoma
04-11-2019, 18:53
Kannst Du mit dieser Übersicht etwas anfangen? Wie bereits geschrieben, haben wir dieses Buch noch nicht in Angriff genommen.
Himi Yoshio hat laut mehreren Leuten zwar immer wieder etwas von Narasaki erzählt, aber auch darauf hingewiesen, dass das eigentlich irrelevant sei. Am Ende müsste jeder Mensch "sein eigenes Karate" entwickeln.

Betr. dem roten Teil:
Das halte ich persönlich für ein ganz grosses Missverständnis. Nicht der eigentliche Schlusspunkt, dass "jeder sein eigenes XYZ" entwickeln soll... sondern das negieren , was es alles dazu braucht, um genau dazu überhaupt in der Lage zu sein. So ein Satz hilft wirklich niemandem. Erst recht nicht Anfängern.

Ich ordne das dem weiten Feld der Budôromantik zu.

Schnueffler
04-11-2019, 22:30
Sehe ich anders. Aber vielleicht schreiben wir gleich auch nur aneinander vorbei.
Das Fundament sollte bei allen vorhanden und gefestigt sein. Wenn das steht, dann fängt man ein sein xyz zu entwickeln, sprich die Prinzipien auf sich, seinen Körper und Vorlieben abzustimmen.

kanken
04-11-2019, 22:39
sondern das negieren , was es alles dazu braucht, um genau dazu überhaupt in der Lage zu sein.

Ich halte das für den entscheidenden Teil. Etwas „eigenes“ ist das logische Produkt eines langen Prozess des Lernens, Übens und Verstehens. Man kann aber diesen Prozess nicht umgehen und man braucht auch den Zugang zu den Inhalten.

oxox
05-11-2019, 03:19
Ich sehe es so, wenn man das Schreiben lernt fängt man mit normierten Buchstaben an und hat nicht sofort eine individuell erkennbare Handschrift. Dann lernt man Wörter richtig zu schreiben, deren Elemente, die korrekte Grammatik, formuliert einfache Sätze usw. bis man sich irgendwann detailliert ausdrücken kann.

Pansapiens
05-11-2019, 05:51
Ich empfinde es eher so das man immer alles direkt erklärt bekommt, man aber die immer gleichen Dinge immer tiefer versteht. Wie eine Zwiebel. Das hat aber nichts mit „Wissen vorenthalten“ zu tun, sondern nur mit dem eigenen Verständnis.

Bestimmte Dinge bekommt man gar nicht erst zu hören, wenn ma nicht Tudi ist und nicht jeder Tudi bekommt alle Ebenen zu hören, da er erst sein Verständnis „beweisen“ muss. Tudi ist nicht gleichzusetzen mit „Innerer Schüler!“, jedenfalls in der Tradition die ich kenne.

Wenn man nicht alles zu hören bekommt, wird einem natürlich Wissen vorenthalten.

oxox
05-11-2019, 07:35
Vielleicht meint er das eher in dem Sinne, dass es nichts bringt jemanden Stenografie zu unterrichten wenn derjenige nicht mal das Alphabet kennt.

DatOlli
05-11-2019, 08:56
Vielleicht meint er das eher in dem Sinne, dass es nichts bringt jemanden Stenografie zu unterrichten wenn derjenige nicht mal das Alphabet kennt.

Gutes Beispiel.

Die Sachen bauen eben aufeinander auf, fehlt die Vorstufe, kann man denn Inhalt nicht verstehen.

Was das mit vorenthalten zu tun hat erschließt sich mir leider nicht wirklich.

Das mit der Zwiebel ist ein schönes Beispiel, dass sich exakt mit dem deckt, wie ich es erlebe. Je länger und intensiver ich trainiere, umso mehr (auch Wahrnehmungs-)Effekte entstehen, die zu neuen Annahmen (Erkenntnissen) führen, was das Training und das Verständnis betrifft, das führt wiederum zu neuen Erkenntnissen (Annahmen) und so weiter und so fort.

Da lässt sich nix überspringen oder abkürzen. Informationen, die nicht eingeordnet werden können, sind mMn. in dem Zusammenhang kontraproduktiv bis gefährlich.

Aber gilt das nicht für jede(n) KK/KS?


Liebe Grüße
DatOlli

ainuke
05-11-2019, 09:04
Betr. dem roten Teil:
Das halte ich persönlich für ein ganz grosses Missverständnis. Nicht der eigentliche Schlusspunkt, dass "jeder sein eigenes XYZ" entwickeln soll... sondern das negieren , was es alles dazu braucht, um genau dazu überhaupt in der Lage zu sein. So ein Satz hilft wirklich niemandem. Erst recht nicht Anfängern.

Ich ordne das dem weiten Feld der Budôromantik zu.

Mit "Am Ende ..." war nicht gemeint "Für den Anfänger...".

Durch diesen Satz, dass "jeder sein eigenes XYZ" entwickeln soll, haben weder Himi noch ich selbst negiert, dass eine ordentliche Grundlage da sein muss, um dazu überhaupt in der Lage zu sein. Himi hat meines Wissens nur Schüler angenommen, die schon etwas Erfahrung hatten, beispielsweise 2. Dan Karate. Und selbst die wurden teilweise an ihre Grenzen gebracht (z.B. stundenlang dieselbe Sequenz). Auch mein Lehrer hat mich - nachdem ich schon eine Weile in seinem Dojo trainiert hatte - im Einzeltraining erst einmal ein paar Monate nur Körperarbeit machen lassen (Stehen, Ausrichten, Atmen), also keine klassischen Anfängerübungen - oder vielleicht doch?

Ich denke inzwischen, dass dieser Satz vielen Kampfkunstübenden sehr gut tun würde. Natürlich kann man dogmatisch einer Linie folgen. Aber wenn man einmal über den Tellerrand hinausschaut, bekommt man zwangsläufig neue Impulse und Einflüsse. Und dadurch entwickelt man nahezu zwangsläufig sein eigenes XYZ, denn jeder Einfluss verändert einen Menschen, mal mehr, mal weniger, aber er verändert.

kanken
05-11-2019, 09:10
Wenn man nicht alles zu hören bekommt, wird einem natürlich Wissen vorenthalten.

Es geht darum dass man, WENN man es lernt, immer eine Erklärung dazu bekommt. OB man es lernt hängt von vielen Faktoren ab. Die wichtigste ist eben „Schüler“ oder „Nicht-Schüler“.

Aus genau diesem Grund habe ich ja den Faden hier aufgemacht:

Um Schüler zu sein muss man verstehen wie das Lernen in den TCMA und das „System TCMA“ allgemein funktioniert und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat.
Die ganze „Sifu“ Titel Geschichte hatten wir ja gerade erst im WC-Forum und genau aus diesem Grund habe ich den Faden hier eröffnet.

Wenn sich mehr Leute mit den Hintergründen der traditionellen KK beschäftigen würden, dann würden solche Dinge immer weniger Platz haben.
Es gibt mittlerweile so viele gute Bücher zu dem Thema (gerade auch im WC Bereich), da sollte es doch möglich sein sich über diese Dinge zu informieren. Würde wahrscheinlich nur den Sifus nicht gut gefallen, da sie dann ziemlich dumm dastehen würden :D

An dem Faden hier interessiert mich einfach ob es überhaupt Leute, abseits einer intakten traditionellen Linie, gibt, die versuchen sich über diese Dinge zu informieren, bzw. dieses Wissen ihren Schülern weitergeben.

Ich nehme „traditionelle“ KK leider immer mehr als „konsumorientiertes“ Geturne war, das sich krampfhaft versucht von „Wettkampfsport“ abzugrenzen, ohne jedoch das Wissen dazu zu haben.

Wettkämpfer machen ihr Ding, nach ihren Regeln, und haben die Methoden dazu angepasst (und passen hier kontinuierlich an). Egal ob im Ringen, Karate, BJJ, Boxen etc. Die Jungs sind fit, motiviert und machen das, was funktioniert.

„Traditionalisten“ berufen sich auf das Überlieferte.
Die Frage ist halt in wie weit ist das Überlieferte authentisch? Wie Ryoma dargelegt hat kann man davon ausgehen dass die Koryu eine Methode gefunden haben Authentizität zu waren (Erlernen der Kultur, Sprache, Philosophie etc.). In keiner authentischen Linie kann man weiterkommen wenn man die Kultur und Philosophie nicht versteht, das gilt für die chinesischen KK genauso.

Wenn man sich jetzt mal die „Massentraditionalisten“ im Karate oder Quan Fa Bereich mal anguckt, dann wird man da eher wenig Hintergrundwissen finden. Organisationen wie die KU sind im Karate ja eher eine Randerscheinung, aber auch da wäre es mit nicht bekannt dass man sich zwangsläufig für die Prüfungen mit Hintergrundthemen beschäftigen muss?

Aber genau dieses Hintergrundwissen ist es, das Scharlatanerie und Schwachsinn aufdeckt. Wer von den Taijiquan Übenden hat denn jemals etwas über den historischen Kontext gelesen oder gar den Chen Xin? Wer von den ganzen südchinesischen Stilen kennt Judkins? Wer von den Shaolin Leuten Shahar?

Deswegen frage ich mich ja auch: Interessiert es die Leute einfach nicht woher das kommt, was sie machen. Will die Mehrheit wirklich einfach nur 1-2 mal die Woche schwitzen und Spaß haben??? :confused:

ryoma
05-11-2019, 09:17
...Will die Mehrheit wirklich einfach nur 1-2 mal die Woche schwitzen und Spaß haben??? :confused:

Ganz simpel und ganz hart: JA.

ryoma
05-11-2019, 09:19
Wenn man nicht alles zu hören bekommt, wird einem natürlich Wissen vorenthalten.

Nein. Wissen, das jemand nicht verarbeiten kann, weil die Grundlagen dazu fehlen, ist kein Wissen, sondern Balast.

ainuke
05-11-2019, 09:31
Ganz simpel und ganz hart: JA.

Stimmt. Für viele Leute ist das Üben einer Kampfkunst eine andere Form des Fitnessstudios. mehr nicht.

karate_Fan
05-11-2019, 09:41
Ganz simpel und ganz hart: JA.

Ich würde sagen, das trifft den Nagel auf den Kopf. Die Masse möchte nur Spaß haben und schwitzen auch in den sogenannten traditionellen Stilen.

Es gibt da noch mit Sicherheit einen Teil von Trainierenden einer "traditionellen " KK die an mehr interessiert wären, aber an dieses Wissen nicht herankommen, die Lehrer selbst davon nichts wissen oder es einfach ignorieren.

Nicht jeder hat eine KK Biographie wie der gute Kanken hier, der gleich am Anfang eine Schule des Karate gefunden hat, die jenseits des Mainstream liegt. Er hat dann weiter geforscht und jetzt sein Steckenpferd das Bagua gefunden.

Oder auch du Ryoma der eng mit Japan verbunden ist, und dadurch natürlich weit mehr weiß und mitkommt als viele andere.


Die meisten modernen KKler hingegen, werden in Massenbetrieben abgefertigt und nehmen, das was sie lernen für bare Münze und denken gar viel darüber nach ,was es sonst so geben könnte. Auch in den angeblich traditionellen Stilen.

Da ist es kein Wunder, dass die Wissensvermittlung oder das Interesse daran zusätzliches Wissen zu erlangen doch recht gering ist.

Es wird auch nicht vermittelt, das man sich außerhalb der Matte über die KK Gedanken machen sollte. Das Training findet oft nur auf der Matte statt und das nur auf reiner technischer Ebene und nichts darüber hinaus.

So war es bei uns in der Breitensport Karate Gruppe zumindest so. Und denke das dürfte ähnlich in den meisten Verein basierten Schulen so ablaufen.

In den HEMA ist das vielleicht etwas anders. Da ist das Vergleichen von Quellen nicht verpönt und auch nicht ungern gesehen. Ist natürlich bei weitem nicht auf dem hohen Level wie bei den richtigen traditionellen Stilen, da in diesen einfach mehr Wissen vorhanden ist und auch gelehrt wird.

Im Vergleich mit einer Koryu einer etwas in der Richtung was Kanken macht, raten wir HEMA Jungs eigentlich nur. Das Wissen geht nicht so in die Tiefe.

Ist aber trotzdem ein guter Anfang, das zumindest versucht wird sich über die KK in einem größeren Umfang Gedanken zu machen.

ainuke
05-11-2019, 09:48
Um Schüler zu sein muss man verstehen wie das Lernen in den TCMA und das „System TCMA“ allgemein funktioniert und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat.

Jetzt verstehe ich erst einmal, wie Du "Schüler" definierst.

Dann könnte ich mich auch als Schüler bezeichnen. Immerhin habe ich vier Jahre bei meinem Lehrer gewohnt, morgens und abends mit ihm trainiert und anschließend endlos lang über die Hintergründe gelernt und philosophiert. Da er ursprünglich Jura und Religionsgeschichte studiert hat, kamen auch diese Einflüsse nicht zu kurz. Und auch wenn wir jedes Jahr zweimal eine Woche ins Kloster zum gemeinsamen Trainieren gehen, steht nicht nur körperliches Training auf dem Programm, sondern jede Menge Geschichte und Hintergründe.

Trotzdem weiß ich, dass ich zum Beispiel im Vergleich zu meinem Lehrer ganz einfach ein Anfänger bin. Er beschäftigt sich sein Leben lang jeden Tag mit Kampfkünsten, Qi Gong, Yoga, Religion, Philosophie, Japanologie, etc. Es ist ganz einfach sein Leben. Da ich selbst eine Familie habe und Unternehmer bin, lege ich meine Prioritäten anders. Bin ich dann noch Schüler nach Deiner Definition?

oxox
05-11-2019, 09:50
Aber genau dieses Hintergrundwissen ist es, das Scharlatanerie und Schwachsinn aufdeckt. Wer von den Taijiquan Übenden hat denn jemals etwas über den historischen Kontext gelesen oder gar den Chen Xin? Wer von den ganzen südchinesischen Stilen kennt Judkins? Wer von den Shaolin Leuten Shahar?

Das ist wohl der Grund warum Hintergrundwissen eher nicht unterrichtet wird, weil es manchmal unangenehme Fragen aufwirft und man ohne Kontext leichter kontrollierbar ist. Oder ist halt unangenehm weil der eigene Stil eine nicht ganz so glorreiche Hintergrundgeschichte hat und man nicht gerne drüber spricht, selbst wenn man eigentlich kompetent ist. Rückblickend hätte ich mir für manche Sachen ein bisschen mehr Kontext gewünscht. Wenn da einer irgendwo sagt wir machen sowas wie japanisches Jiu-Jitsu sagt man halt ok und gibt das so weiter, wenn das Hintergrundwissen fehlt. Ich habe jedenfalls Leuten Jahre lang gesagt, dass ich neben anderen Sachen japanisches Jiu-Jitsu gemacht hätte, von wegen halt nachgebende Kunst oder sowas und Samurai und so. Da geht Leuten die Ahnung von der Materie haben glaube ich die Hutschnur hoch.

Vielleicht weiß man es halt selber nicht. Ich meine, wäre ich Trainer geworden hätte ich meinen Schülern genau den falschen Kontext von wegen japanisches Jiu-Jitsu, Samurai-Nahkampfsystem, etc. gegeben um zu erklären was wir machen. Mittlerweile bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher was ich sagen würde und schätze mal ich würde eher etwas von Erich Rahn erzählen bzw. der groben Geschichte der japanisch inspirierter Kampfkünste in Deutschland und dann die Vereinsgeschichte im Speziellen.

kanken
05-11-2019, 09:55
Ganz simpel und ganz hart: JA.

Liegt das denn wirklich nur an dem Einzelnen, oder ist „das System“ nicht auch ein wenig dran Schuld? Ich meine Wettkämpfer kommen ab einem bestimmten Punkt ja auch nicht umher und müssen sich mit Ernährung, Trainingsplänen etc. beschäftigen (und wollen das ja dann auch!).

Viele Leute, z.B. im Karate, haben ja durchaus ein großes Interesse an ihrer KK, ihnen fehlt oft schlicht und ergreifend der Zugang zu guten Quellen und die bestehenden Vereinsstrukturen verhindern auch oftmals eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Materie (denn dann würde man ja ggf. einiges in Frage stellen).

Einmal ein Buch von Andreas Quast zu den Wurzeln des Karate lesen und dann ggf. noch Bittmann zur moderneren Geschichte und die Leute hätten doch eine vernünftige Basis. Ich meine 2! Bücher, das kann doch nicht Zuviel sein.

In der Realität werden solche Leute dann aber oft von bestehende Strukturen ausgebremst, Ihnen wird die nächste Prüfung verweigert etc.

Sollte man nicht vielmehr die Leute dazu ermuntern sich selber Gedanken zu machen? Zu forschen? Hungrig zu bleiben, wissbegierig?

Na ja, evtl. hast du ja Recht. Das Problem ist ein größeres. Die Kampfkunstvereine und die Leute sind eben auch nur ein Symptom... :(

kanken
05-11-2019, 10:02
Trotzdem weiß ich, dass ich zum Beispiel im Vergleich zu meinem Lehrer ganz einfach ein Anfänger bin. Er beschäftigt sich sein Leben lang jeden Tag mit Kampfkünsten, Qi Gong, Yoga, Religion, Philosophie, Japanologie, etc. Es ist ganz einfach sein Leben. Da ich selbst eine Familie habe und Unternehmer bin, lege ich meine Prioritäten anders. Bin ich dann noch Schüler nach Deiner Definition?

Um „Schüler“ zu sein muss man nicht zum Mitbewohner des Lehrers werden und ein quasi klösterliches Leben leben!
Mein Lehrer hat es, in meinen Augen, sehr schön auf den Punkt gebracht:

Du musst zum Freund des Lehrers werden.

Freunde haben die gleichen Interessen, tauschen sich über diese Dinge aus, stehen zueinander, helfen einander. Wenn jemand etwas besser kann und weiß, dann wird der Andere automatisch zuhören um zu verstehen was gesagt wird. Er fragt nach und es wird ihm gezeigt.
Man kann aber nichts einfordern, es kommt aus einem inneren „Wunsch“ heraus. Wie bei einer Freundschaft eben. Es ist ein geben und nehmen.

Der eine ist Unternehmer, der andere Angestellte. Der eine kennt sich in Medizin gut aus, der andere in Physik oder Jura oder BWL. Der eine hat eine Familie, der andere nicht. Das ist egal. Die KK ist das verbindende Element. Jeder bringt seine Kompetenzen ein und stärkt die Gemeinschaft.

Eine der Wurzeln der TCMA liegt in den Familienclans und den diversen „Hilfsgemeinschaften“ und Sekten. Da steht die Gemeinschaft an oberster Stelle und natürlich die Freundschaft (bzw. im Konfuzianismus die Familienstruktur, das würde aber hier zu weit führen). Aus ihr heraus funktioniert das Leben und man ist abgesichert. Im Dtld./Europa des 21. Jhd. ist diese Struktur natürlich etwas „aufgelockerter“ zu sehen, daher ja auch das:

Der Lehrer muss dein Freund sein. Das trifft es im Kern sehr gut.

ryoma
05-11-2019, 10:07
Das ist wohl der Grund warum Hintergrundwissen eher nicht unterrichtet wird, weil es manchmal unangenehme Fragen aufwirft und man ohne Kontext leichter kontrollierbar ist. Oder ist halt unangenehm weil der eigene Stil eine nicht ganz so glorreiche Hintergrundgeschichte hat und man nicht gerne drüber spricht, selbst wenn man eigentlich kompetent ist. Rückblickend hätte ich mir für manche Sachen ein bisschen mehr Kontext gewünscht. Wenn da einer irgendwo sagt wir machen sowas wie japanisches Jiu-Jitsu sagt man halt ok und gibt das so weiter, wenn das Hintergrundwissen fehlt. Ich habe jedenfalls Leuten Jahre lang gesagt, dass ich neben anderen Sachen japanisches Jiu-Jitsu gemacht hätte, von wegen halt nachgebende Kunst oder sowas und Samurai und so. Da geht Leuten die Ahnung von der Materie haben glaube ich die Hutschnur hoch.

Ja, aber darüber wird hier in nahezu regelmässigen Abständen diskutiert, seit Jahren.
Und ich bleibe bei meiner, vielleicht etwas harten Meinung: Jeder ist selbst verantwortlich, mehr zu lernen und erfahren. Wenn man das Glück hat, in einer authentischen Linie zu stehen, wo dies ganz selbstverständlich gefördert (und gefordert) wird, umso besser.
Aber jeder, der sich jahrzehntelang etwas erzählen lässt (Budôromantik anyone?), ohne ein einziges Mal auch nur kurz ins Grübeln zu kommen, hat es leider nicht besser verdient.

oxox
05-11-2019, 10:16
Ja, aber darüber wird hier in nahezu regelmässigen Abständen diskutiert, seit Jahren.
Und ich bleibe bei meiner, vielleicht etwas harten Meinung: Jeder ist selbst verantwortlich, mehr zu lernen und erfahren. Wenn man das Glück hat, in einer authentischen Linie zu stehen, wo dies ganz selbstverständlich gefördert (und gefordert) wird, umso besser.
Aber jeder, der sich jahrzehntelang etwas erzählen lässt (Budôromantik anyone?), ohne ein einziges Mal auch nur kurz ins Grübeln zu kommen, hat es leider nicht besser verdient.

Ja ich weiß, wir hatten die Diskussion schon mal glaube ich. Das eigentliche Problem ist imho wenn man anfängt sein eigenes Selbstwertgefühl bzw. Statussymbole an schlechten Kontext zu binden. Jemand der den 10.Dan im "japanischen Jiu-Jitsu" hat wird wohl eher nicht öffentlich Kritik an sich selbst üben. Desto mehr Zeit man in so eine Lebenslüge steckt desto schwieriger wird es sich das einzugestehen. Oder die Leute interessiert es überhaupt gar nicht mehr. Kann ja auch sein.

karate_Fan
05-11-2019, 10:19
Was mich persönlich ja wundert ist, dass Budo Romantik so hoch angesehen ist? Ich war da immer eigenen, mich haben Martial Arts Filme immer davon abgeschreckt mich für Kampfkunst zu interessieren. Nur komplett unrealistische Kampfstile die im echten Leben nicht möglich sind, (wie z.B die Kampfkunst der Jedi Star Wars ) hatten auf mich ein gewisses "Appeal".

Aber für viele Leute sind diese Bruce Lee oder Ninja Filme ja ein Einstieg in die Kampfkunst. Da gehen die Leute auch mit bestimmten Erwartungen heran. Ich fand diese Geschichten aber schon immer unglaubwürdig. Am "besten" gefällt mir ja immer noch der Karate Mythos, dass Karate eine Kampfkunst der armen Bauer war um sich unbewaffnet gegen einen Samurai mit Schwert zu behaupten. Selbst ohne das kleinste Hintergrund Wissen über Kampfkünste erschien mir das immer schon wie der reinste Mumpitz.

Aber die Leute scheinen das echt zu kaufen, sonst hätte man das nicht in zig Vereinen verbreitet. Ein weitere Klassiker sind die Ju Jutsu Geschichten oder Jiu Jitsu Geschichten wie es in unseren Breitengraden oft genannt wird. Diese Räuberpistolen findet man viel zu oft.

Was mich am meisten schockiert ist ja der Umstand, dass in unserer Gesellschaft ja normalerweise kritisches Denken gefragt ist und das man selten alles für bare Münze nimmt, was einem erzählt wird.

Nur in den Kampfkünsten ist das wohl anders. Da scheinen manche Leute ihr Gehirn echt zusammen mit der Straßenkleidung abzulegen sobald sie in der Umkleide ihren Gi anziehen und die Sporthalle zu gehen.

kanken
05-11-2019, 10:49
Was mich persönlich ja wundert ist, dass Budo Romantik so hoch angesehen ist?

Die Leute wollen unterhalten werden, das ist was zählt. Je actionreichen die Story und je bunter die Bilder, desto besser.

Ist ja prinzipiell auch nichts verwerfliches dran. Damit kann man Wissen in die Massen transportieren.

Karate Kid 1 & 2 sind die beiden besten Filme zum Karate (und den traditionellen KK) die ich kenne. Der Drehbuchautor kam aus dem Isshin-ryu und hatte Zugang zu gutem Wissen. Klar, ist viel Klischee drin, aber dennoch...

Matrix 1-3 packt extrem viel philosophischen Kontext in ein modernes Gewand und erreicht die Massen.

Budoromantik muss nicht schlecht sein, man muss sie nur richtig einordnen und die Show vom eigentlichen Inhalt trennen können.

Wurde früher übrigens genauso gemacht. Man muss sich nur die Erzählungen wie „Water Margin“ oder „Journey to the West“ angucken...

Stixandmore
05-11-2019, 10:50
Leider sind "Geschichten" in der Kunst die ich trainiere Gang und gebe- glauben kann man davon leider nichts! Das fängt bei der Geschichte des ollen LapuLapu an und zieht sich durch die gesamten Systeme(Stichwort: indigene Kampfkunst- gerade mein Stiloberhaupt verbreitet da sehr viel Mist und Blödsinn:rolleyes:)
Nicht desto trotz ist das Training für mich gut und ich bin zu frieden mit dem, was ich in der Hand habe

ainuke
05-11-2019, 10:59
Um „Schüler“ zu sein muss man nicht zum Mitbewohner des Lehrers werden und ein quasi klösterliches Leben leben!
Mein Lehrer hat es, in meinen Augen, sehr schön auf den Punkt gebracht:

Du musst zum Freund des Lehrers werden.

Freunde haben die gleichen Interessen, tauschen sich über diese Dinge aus, stehen zueinander, helfen einander. Wenn jemand etwas besser kann und weiß, dann wird der Andere automatisch zuhören um zu verstehen was gesagt wird. Er fragt nach und es wird ihm gezeigt.
Man kann aber nichts einfordern, es kommt aus einem inneren „Wunsch“ heraus. Wie bei einer Freundschaft eben. Es ist ein geben und nehmen.

Der eine ist Unternehmer, der andere Angestellte. Der eine kennt sich in Medizin gut aus, der andere in Physik oder Jura oder BWL. Der eine hat eine Familie, der andere nicht. Das ist egal. Die KK ist das verbindende Element. Jeder bringt seine Kompetenzen ein und stärkt die Gemeinschaft.

Die Wurzel der TCMA liegt in den Familienclans und den diversen „Hilfsgemeinschaften“ und Sekten. Da steht die Gemeinschaft an oberster Stelle und natürlich die Freundschaft (bzw. im Konfuzianismus die Familienstruktur, das würde aber hier zu weit führen). Aus ihr heraus funktioniert das Leben und man ist abgesichert. Im Dtld./Europa des 21. Jhd. ist diese Struktur natürlich etwas „aufgelockerter“ zu sehen, daher ja auch das:

Der Lehrer muss dein Freund sein. Das trifft es im Kern sehr gut.

Dann Schüler :halbyeaha

karate_Fan
05-11-2019, 11:13
Leider sind "Geschichten" in der Kunst die ich trainiere Gang und gebe- glauben kann man davon leider nichts! Das fängt bei der Geschichte des ollen LapuLapu an und zieht sich durch die gesamten Systeme(Stichwort: indigene Kampfkunst- gerade mein Stiloberhaupt verbreitet da sehr viel Mist und Blödsinn:rolleyes:)
Nicht desto trotz ist das Training für mich gut und ich bin zu frieden mit dem, was ich in der Hand habe

Ich würde sagen, es mehre Arten von KK Romantik.

Hat man wie es in den FMA wohl üblich ist im Grunde einen effektiven und realistischen Stil, dann sind die Geschichten die zwar historisch fragwürdig sind, aber den Ruf der KK nicht schaden und keine falschen Informationen über Anwendbarkeit geben, wohl nur ein kleines Ärgernis.

Gefährlich wird es nur wenn man es wie im Japan Sektor macht. Wenn man Karate als die ultimative Kunst geben einen Schwertkämpfer verkauft dann wird es gruselig.

Oder der Klassiker im Judo. Wo behauptet wird, Würfe und Würgetechniken seien sanfter und wesentlich verletzungsarmer als Schlagtechniken.

Dabei können Würfe und besonders Würger ebenso so gefährlich sein wie Schlagtechniken.

Solche Geschichten die falsches Zeugnis über die Techniken oder den eigentlichen Sinn der KK abgeben sind meiner Meinung nach suboptimal.

Die Verbesserung des Image der Kk mit Geschichten über historische Personen die man nicht zu 100pro belegen kann, sind da nur ein kleines Übel. Muss nicht sein, aber schadet der KK nicht da es den Leuten kein falsches Bild vermittelt.

ainuke
05-11-2019, 11:32
Was mich am meisten schockiert ist ja der Umstand, dass in unserer Gesellschaft ja normalerweise kritisches Denken gefragt ist und das man selten alles für bare Münze nimmt, was einem erzählt wird.

Nur in den Kampfkünsten ist das wohl anders. Da scheinen manche Leute ihr Gehirn echt zusammen mit der Straßenkleidung abzulegen sobald sie in der Umkleide ihren Gi anziehen und die Sporthalle zu gehen.

Wird in unserer Gesellschaft wirklich kritisches Denken gewürdigt? Unser Sohn hat vergangenes Jahr Abitur gemacht. Wir hatten während seiner gesamten Schulzeit endlose Diskussionen darüber, dass er immer wieder irgendeinen Blödsinn einfach hinnehmen sollte, was ihm völlig gegen den Strich ging. Zum Glück ist unser Sohn ziemlich selbstbewusst und hatte (und hat) auch vollen Rückhalt durch uns. Er ist am Ende sehr gut durch die Schule gekommen, aber er hätte es einfacher haben können, wenn er die Klappe gehalten und einfach alles hingenommen hätte.

Ich selbst bin durch einen Gen-Defekt auch ein Mensch, der sehr vieles in Frage stellt. Und mit Blödsinn finde ich mich einfach nicht ab. Damit habe ich mir aber auch in meinem Karateleben eine ganze Weile lang nicht unbedingt Freunde gemacht. Nach einigen Jahren war ich so mutig bzw. unvernünftig, offensichtlichen Blödsinn offen anzusprechen. Nach einer Weile bin ich dann dazu übergegangen, nur zu fragen, ob denn irgendetwas so wirklich anwendbar oder gesund wäre. Selbst das war für viele "Meister" noch zu viel. Inzwischen teile ich solche Gedanken nur noch mit Menschen, von denen ich weiß, dass sie dafür offen sind.


Das Problem des Tiefgangs in den Kampfkünsten hat meines Erachtens drei Dimensionen:

Erstens ist es grundsätzlich sehr zeitaufwendig, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen, diese zu verarbeiten und daraus etwas abzuleiten. Da muss man sich vielleicht auch noch mit andere Sprachen, Kulturen, Philosophie, Religion, etc. auseinandersetzen.

Zweitens geht es sehr viel um - nach westlichen Maßstäben - nicht einfach messbare Dinge. Solche "Kleinigkeiten" wie zum Beispiel "Schulter runter", "leichtes Verlagern des Schwerpunkts", etc. sind (momentan noch) nicht alle mit westlichen Methoden mess- oder erklärbar.

Drittens bringen "Mythen" und selbstbewusst vorgetragene Erzählungen großer Meister ("Der war mal Vizeweltmeister! Der muss es wissen.") oft viel Nebel und Blödsinn in die Kampfkunstwelt. Das wiederum erschwert die ersten beiden Punkte.

Da ist es doch wirklich einfacher, Gehirn und Straßenkleidung in der Umkleide abzulegen. Für mich wäre das nichts, aber ich möchte es auch nicht verurteilen.

ThomasL
05-11-2019, 11:53
Morsche,

zu Bagua sag ich mal zum ersten Punkt nichts, da weißt Du es ja eh was ich schon mache und irgendwann mal machen werde (das weißt du sogar besser ;-)).

Wie ist es bei Euch? Gibt es überhaupt „Theorie“, oder macht man einfach nach was der Lehrer zeigt?

Karate: Gab es leider kaum Theorie. Vor und nach der DAN Prüfung habe ich mir einiges an Literatur besorgt und bin bei geschichtlichen Themen dabei leider in einige Fallen getappt.

Judo: Im Unterricht wird viel Theorie (Bewegungslehre, Geschichte) vermittelt, alles durchaus wichtig um die Details besser zu verinnerlichen\umsetzen zu können und zu verstehen warum bei uns viele Dinge „anders“ gemacht werden. Häufig gibt es die Aufgabe sich bestimmte Bewegungsdetails in Videos (Hirano) nochmal genau anzusehen.


Welchen Stellenwert hat eigenständiges Lernen bei Euch?
Karate: Für mich hatte es einen hohen Stellenwert, da war ich aber eher die Ausnahme
Judo: Ist es im Schülerbereich nicht zwingend gefordert (bei 3x Training pro Woche mit Dauer von 2 – 3,5h) , für den DAN aber dann notwendig. Für mich hat es von Anfang an einen sehr hohen Stellenwert.
Bagua: Naturgemäß sehr wichtig

Wie wichtig ist das Verständnis dessen, was man übt für Euch (im Sinne von Einordnung „wo kommt es her und was mache ich da eigentlich“)?
Karate: War es mir erst ab der DAN Vorbereitung wichtig. Vorher: Hauptsache es funktioniert.
Judo: Wichtig
Bagua: Sehr wichtig

Lubo ILC
05-11-2019, 12:09
Im Zhong Xin Dao I Liq Chuan kommt man ohne ein weites Verständniss der Philosophy mit Sicherheit nicht weit. Die Basisübungen sind so aufgebaut dass sie nicht dazu da sind einfach nur wiederholt zu werden sondern als Werkzeuge genützet zu werden, um gewisse Prinzipien und körperliche Zusammenhänge zu erkennen. Dadurch wird mit der Zeit den Schülern bewusst dass jede Bewegung für sich einzigartig ist und man eigentlich gar nicht im Stande ist eine Bewegung genau gleich zu reproduzieren, man gibt sich höchstens der Illusion hin, dass man das tut. Das Gleiche gilt für die Haltung und Stabilität ... so etwas wie eine stabile Haltung gibt es nicht, man muss das erkennen und sich davon lösen. Dann erkennt man auch was Gleichgewicht bedeutet. Man erklärt diese Dinge sehr genau, weil das intelektuelle Verstehen eine gute Basis ist, um diese Dinge in sich zu entdecken und zu kultivieren. Wir haben einen Leitfaden in dem sehr viel der "Theorie" steht und auch eine Definition des Vukabulars dh bestimmte Ausdrücke werden ganz klar beschrieben und definiert damit die Schüler sie nicht nach eigenem Ermessen interpretieren, sondern ganz genau lernen können was damit gemeint wird.

MCFly
05-11-2019, 15:12
Interessanter Thread mit schönen Beiträgen. Ich trainiere und unterrichte Ju-Jutsu und zwar das, was allgemein unter deutschem Ju-Jutsu bekannt ist. Meine Sichtweise ist recht pragmatisch. Geschichtliche Hintergründe gibt es aus Sicht der Budokünste sicherlich, aber das nimmt gerade bei Anfängern eigentlich kaum Platz ein.

Zunächst einmal gibt es unter Einsteigern eine gemeinsame Motivation: sie suchen Spaß, sportliche Betätigung und wollen Kämpfen lernen. Es gibt die aufgedrehten, meist jungen Leute, die tatsächlich oft vom Fernsehen inspiriert werden, es gibt Menschen mit negativer Gewalterfahrung, die sich verteidigen wollen und es gibt natürlich auch Personen, die aus anderen Stilen gewechselt haben. Das alles ist sehr interessant, aber ich habe noch niemanden erlebt, der von Anfang an auf Wissen über die Historie aus war. Den meisten ist es anfangs eigentlich egal, ob sie jetzt Ju-Jutsu oder Aikido oder Karate lernen, sie sind einfach nur der Internetseite oder Empfehlungen gefolgt.

Als Lehrer muss man all diese Dinge auf einen Nenner bringen. Das geht bei uns über die Atmosphäre, man ist tatsächlich gerade anfangs auch ein Entertainer. Die Leute wollen Spaß vermittelt bekommen, Spaß haben und ganz wichtig: sie wollen auch erste Erfolge "erfahren" (Resultate, aber auch Feedback).
Unsere Aufgabe ist immer, in einem gewissen Rahmen auf Hintergründe einzugehen. In aller Regel sind das technische Erläuterungen. Man muss Anwendungsbereiche verstehen lernen, sonst ist das Training sehr schnell Zeitverschwendung, oder besser: wenn man die Prinzipien einer Anwendung versteht, beginnt erst das eigentliche Training. Das geht mal schneller (Bewegungslehre. Distanz, Deckungsverhalten), mal langsamer (Technikabfolgen, Sparring, Würfe, Fallschule).
Ich selber lege tatsächlich relativ schnell Wert darauf, eine Beziehung zu meinen "Schülern" aufzubauen. Techniken lernt man, indem man sie gemeinsam erarbeitet. Natürlich zeige und erläutere ich Dinge, im Gros und unter ständigen Partnerwechseln erarbeiten sich die Schüler dann aber ihr Verständnis und meine Aufgabe ist es, Hilfestellungen zu geben, wenn es hakt. Ich erwarte außerdem sehr frühzeitig, dass die Leute Fragen stellen. Wir geben uns große Mühe, aber es ist nicht immer möglich, auf jede Person ausführlich einzugehen, daher zählt es für mich zur Aufgabe und vielleicht auch Pflicht eines Schülers, Dinge anzusprechen oder nachzufragen, die jemanden interessieren oder wo es Verständnis-/Umsetzungsprobleme gibt.
Ich versuche also sehr schnell, ein Wir-Gefühl aufzubauen, Dialoge (in angemessenem Rahmen) zu fördern. Das führt auch zu dem ehrlichen Nebeneffekt, dass Diejenigen, die vielleicht mit einer falschen Vorstellung das Training angegangen haben, die Chance haben, frühzeitig einen anderen Weg zu suchen. Finde ich alles sehr wichtig.

Ansonsten: Trainer und Schüler gehen einen gemeinsamen Entwicklungsweg (beide Seiten!) und das ist ein sehr schöner Prozess, keine Frage. Ich biete vieles, es ist aber die Aufgabe des Schülers, Dinge anzunehmen und für sich selbst anzuwenden (eben eigenständiges Lernen). Schüler, die über die Jahre regelmäßig trainieren, lernen und fordern es, über den Tellerrand zu schauen: wo kommt unser Stil her, was war die Intention, wo führt die Reise hin oder wo kann sie hinführen? Das folgt oft dem sportlichen Weg über Lehrgänge, Seminare, separate Trainingseinheiten, aber durchaus auch ab und zu über längere Gespräche.



Du musst zum Freund des Lehrers werden.

Freunde haben die gleichen Interessen, tauschen sich über diese Dinge aus, stehen zueinander, helfen einander.

Es ist zumindest ein sehr harmonisches Miteinander, das sich entwickelt. Wobei sich unser Teilnehmerfeld unterschiedlich gestaltet, es gibt diejenigen, die (aufgrund von Familie oder anderen Gründen) unregelmäßig ein Mal wöchentlich trainieren und dann auch wirklich abschalten und trainieren wollen, als reiner Ausgleich. Das ist vollkommen ok.
Natürlich sind für mich diejenigen, bei denen ich die Begeisterung, die Motivation, alles aufnehmen und verstehen zu wollen, spüre die, mit denen ich persönlich in der Regel eine intensivere "Beziehung" eingehe. Meist sind es dann eben die Unterhaltungen abseits der Matte, auf denen Hintergründe, Philosophien, aber auch persönliche Einstellungen thematisiert werden. So etwas entwickelt sich, ich fordere es nicht.

Ich finde es immer wichtig, dass man sich gegenseitig Respekt entgegenbringt. Natürlich nimmt man als Trainer auch eine Vorbildfunktion ein, aber irgendwann kommt auch der Punkt, ab dem der Schüler vielleicht einmal selbst unterrichtet, ab dem man sich mehr und mehr auf einer Höhe bewegt. Mein Wunsch ist immer, dass meine Schüler irgendwann besser sind, als ich selber. Und vielleicht trotzdem noch zu meinem Training kommen, einfach, weil man sich schätzt.

Vielleicht ist das einmal eine etwas andere Sichtweise. Hintergrundwissen -egal in welcher Richtung- ist für mich eine Begleiterscheinung. Ich kenne kaum jemanden, der jahrelang bei uns trainiert und nicht auch die eine oder andere Fachliteratur in seinem Regal hat. Das führt dann natürlich vom deutschen Ju-Jutsu weg und hat grundsätzlich wenig Einfluss auf unser Training. Aber mich freut es immer sehr, wenn die Schüler irgendwann ihre eigenen Wege gehen.

ryoma
05-11-2019, 16:08
So, mal völliges OT von meiner Seite:

4 Seiten interessante, spannende und höfliche Kommunikation, selbst bei anderen Sichtweisen!
Vielen Dank an alle und an Kanken für den Thread und das Thema an sich!

Ich erwähne das hier speziell, weil dies leider absolut keine Selbstverständlichkeit mehr ist in der Forenwelt.

:thx:

Huangshan
05-11-2019, 18:25
Interessantes Thema.

Ich selber bin kein Sinologe, beschäftige mich aber seit Jahren mit chin. Philosophischen Schulen(Daoismus,Konfuzianismus,Buddhismus etc.) die ja die Kampfkünste mitbeeinflusst haben,
sowie mit chin. Geschichte,Kultur,Bräuchen etc. .
Bin mit einer chin. Frau verheiratet habe eine 5 Jährige Tochter die fleissig Chinesisch in einem chinesisch-deutschen Kulturverein lernt , in dem wir Mitglieder sind.(Vermittlung der chin. Sprache,Kultur etc. an meine Tochter)

Für mich ich das Hintergrundwissen ein wichtiger Aspekt !


PS: Schaue aber auch über den Tellerrand und beschäftige mich auch mit anderen asiatischen Kulturen , da wir Bekannte und Freunde aus anderen asiatischen Ländern haben.

ryoma
05-11-2019, 20:35
Same here! Was für ein Wunder, ne! ;)
Ja, trennen kann man es tatsächlich nicht. Ich habe das ja bereits kurz angedeutet mit dem Satz: "Jede Ryûha hat da meist ein umfassendes Lehrgebäude dazu, welches zudem üblicherweise Hand in Hand geht mit den technischen Prinzipien der Schule."

Der Unterschied mag sein, dass man bei uns nicht wirklich auf (externe) Literatur verweisen kann. Alles ist in der Ryûha enthalten und kommt auch aus ihr. Wir haben unsere verschiedenen Makimono, in denen gewisse Sachen schriftlich fixiert sind. Aber auch diese kann man nur entschlüsseln, wenn einem die Kuden dazu vermittelt werden.

Ja, ich zitiere mich selbst... sorry!

Ich möchte jedoch nochmal auf dieses Thema zu sprechen kommen.
Vor einigen Wochen wurde im Japan-Bereich dieser Thread eröffnet: https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?188885-Zwei-Vortr%C3%A4ge-%C3%BCber-japanische-Fechtb%C3%BCcher
Es geht um zwei Vorträge im Deutschen Klingenmuseum Solingen und da im Speziellen um den von Michael Mattner: https://www.youtube.com/watch?v=KPb03xfZlww&t=1s&fbclid=IwAR3NK-x7IqAqz4UfguOFlMyifDr6Mg5gEUWkRhCWPmTneQhVfmeVhSkz BYU

Meine Vorbehalte mit dem Vortrag habe ich bereits im entsprechenden Thread kurz dargelegt.
Da wir hier aber nicht im Japan-Bereich sind, möchte ich das gerne noch etwas ausführen: Schriften, welche die DNA einer Ryûha betreffen, können zwingend nur mit weiteren Inhalten technischer und philosophischer (evtl. auch religiöser) Art entschlüsselt werden.

Da Herr Mattner der Yagyû Shinkage-ryû weder als Schüler oder gar als Lehrer angehört, erschliesst sich mir diese Arbeit und dieser Vortrag nicht, bzw. nicht in dem Masse, wie es sich der Präsentator evtl. vorstellt.

Würde sich nun ein hochrangiger Vertreter einer anderen Ryûha mit diesem zentralen Text der Yagyû Shinkage-ryû auseinandersetzen, könnte dieser u. U. auf das Wissen in seiner Schule zurückgreifen, um sich dem Text annähern zu können. Da würde es dann noch darauf ankommen, aus welcher der drei bzw. vier Hauptströmungen der jap. Schwertkampfkunst seine eigene Ryûha hervorgegangen ist. Denn Schulen, welche aus derselben Hauptströmung stammen, teilen meist auch gewisse Inhalte, was dann wieder einen direkten Einfluss auf das Textverständnis bzw. dessen Entschlüsselung hätte.

Huangshan
05-11-2019, 20:40
Kurz zum Thema Budoromantik,Kampfkunstlegenden... :

China:
In China wurden in einigen Schulen,Stilen mythische,legendäre etc. Personen oft als Stilgründer eingesetzt um einen Stil,Schule aufzuwerten, ihm mehr Ansehen zu verleihen (Status,ältere Gründungslinie...)oder aus Verschleiherungsgründen.(Geheimbünde)

Es wurden in einigen chin. Stilen folgende legendäre Personen als Stilgründer eingefügt:

Kaiser Taizu,General Guan Yu, General Yue Fei, Bodhidharma(Damo),Zhang Sanfeng,die 5 Ältesten(Süd Shaolin),Mulan etc.....

In China , Asien war , ist dieses uns oft seltsam vorkommende und nach rationalen Denken, wissenschaftlichen Aspekten etc. befremdliche Vorgehen also nichts unübliches.

Früher gab es wenige Wissenschaftler(Historiker,Sinologen,Japanologen etc.) die sich mit dem Thema Kampfkunstgeschichte befasst haben, da dieses Gebiet kein wissenschaftliches Ansehen genoss.
Mittlerweile gibt es Autoren,Werke,Gruppen ... die sich mit Kampfkunstgeschichte im wissenschaftlichen Kontext befassen .

Eine Gruppe ist z.B. der Bunbu Forschungskreis http://www.bunbu.de/ für Kampfkünste aus Japan,Ryukyu Inseln(Okinawa)...


Der Forschungskreis zur Theorie, Praxis und Philosophie japanischer Kriegs- und Kampfkünste (bunbu-kenkyûkai) ist ein loser Zusammenschluss wissenschaftlich-japanologisch arbeitender Personen, die sich mit diesen Themenfeldern unter ihrem je eigenen Blickwinkel und Schwerpunkt beschäftigen.

PS:
ryoma hat aber einen wichtigen Punkt aufgezeigt!
Wenn es um tiefgründiges Stil,Schulwissen,Verstädniss... geht, so sollte der Forscher auch Kenntnisse in verwandten Kampfkünsten oder speziell von der zu erforschenden Schule haben.(Theorie-Praxis)

Schnueffler
05-11-2019, 20:47
Als ich vor mehr als 30 Jahren angefangen habe, gab es noch kein Internet und man hat als Jugendlicher das geglaubt, was der Trainer einem erzählt hat, vor allem, wenn er auch japinische Lehrer oftmals in den Niederlande besucht hat und diese auf Besuch waren.

ainuke
05-11-2019, 22:32
Als ich vor mehr als 30 Jahren angefangen habe, gab es noch kein Internet und man hat als Jugendlicher das geglaubt, was der Trainer einem erzählt hat, vor allem, wenn er auch japinische Lehrer oftmals in den Niederlande besucht hat und diese auf Besuch waren.

Das meinte ich in einem vorherigen Beitrag mit meinem Gen-Defekt: Ich habe auch in den 80er Jahren mit Karate angefangen. Und schon als Gelbgurt kamen bei mir ganz oft Fragen auf wie "Und das soll im Ernstfall funktionieren?".

Zu dieser Zeit hätte ich es sicher nicht besser machen oder gar erklären können, aber oft war offensichtlich, dass es entweder nicht anwendbar oder gar einfach Blödsinn war. Allerdings war es so, wie Du schreibst. Kein Mensch hätte sich getraut, einem japanischen Lehrer zu widersprechen. Fast alle "Schwarzgurte" waren heilig und wussten fast alles besser.

MCFly
05-11-2019, 23:12
Das meinte ich in einem vorherigen Beitrag mit meinem Gen-Defekt: Ich habe auch in den 80er Jahren mit Karate angefangen. Und schon als Gelbgurt kamen bei mir ganz oft Fragen auf wie "Und das soll im Ernstfall funktionieren?".

Zu dieser Zeit hätte ich es sicher nicht besser machen oder gar erklären können, aber oft war offensichtlich, dass es entweder nicht anwendbar oder gar einfach Blödsinn war. Allerdings war es so, wie Du schreibst. Kein Mensch hätte sich getraut, einem japanischen Lehrer zu widersprechen. Fast alle "Schwarzgurte" waren heilig und wussten fast alles besser.

Und das meinte ich mit Schülern, die Fragen stellen sollen und müssen. Insbesondere in der Anfängerphase, in der man auf der einen Seite vielleicht Abläufe in der kompletten Anwendung noch nicht einordnen kann und auf der anderen Seite noch frei von der Gefahr der "Betriebsblindheit" (Gewôhnung, Abstumpfung, Bequemlichkeit) ist.

Wenn man lehrt, oder eine bestimmte Erfahrung besitzt (von mir aus diese heilige Bauchbinde), aufgrund derer die weniger Erfahrenen den Rat suchen, entdeckt man auch für sich selbst wieder eine neue Entwicklung. Es heißt ja salopp "Man beginnt erst zu lernen, wenn man lehrt". Das ist vielleicht zu hoch gestochen. Aber es beginnen weitere spannende Kapitel und jede Frage ist auch ein Fingerzeig, sich mit dem Unterricht und den Teilnehmern eben auseinanderzusetzen und keine Tanzstunden mit Vortrâgen anzubieten.

In den 80ern habe ich Judo in der Kindergruppe trainiert, keine Fragen, keine Vorstellungen, nur Zeitvertreib. Aber ich denke, es hat sich einiges gewandelt. Speziell das Ju-Jutsu ist seit Beginn der 2000er auf einem guten Weg, sich von der ewigen Gürtelhierarchie und vor allem von veralteten Unterrichtsinhalten ein wenig zu lösen. Aber das ist ein anderes Thema.

Es stimmt, dass ein Lehrer es idR "besser weiß" als seine Schüler. Aber Unterricht funktioniert nur, wenn eine Vertrauensbasis besteht. Der Weg dahin sind eben auch Fragen und vielleicht sogar Zweifel.
Das fûhrt dann wieder Richtung Freundschaft: wir hören Leuten zu, die in einem Gebiet besser sind. Wir hören keinen Leuten zu, die nicht hin und wieder auch uns zuhören.

oxox
06-11-2019, 04:56
So um 2000 habe ich noch einen Fußballtrainer erlebt der meinte wir dürften im Training nichts trinken, weil ein trockener Körper ausdauernder wäre oder sowas. Hätte das niemand in Frage gestellt würde das wahrscheinlich noch immer unterrichtet. Nur so als analoges Beispiel zum Kampfsport und den ungesunden Übungen die da teilweise gelehrt wurden. Da gab es auch durchaus einen Konflikt zwischen den älteren Trainern und den Jüngeren. Wobei mich die Entwicklung die Schnueffler und Mcfly schildern wirklich freut, weil mich selber vieles frustiert hat.

Naja, was die japanischen oder asiatischen Künste angeht, ist da kulturell das in Fragestellen gerne gesehen, oder ist das nur was für individualistisch geprägte Europäer? Aus der Ferne habe ich eher den Eindruck, dass die Japaner nicht so scharf auf Skeptiker sind und eher blinden Gehorsam wollen bzw. blindes Vertrauen. Ist das richtig (auch in Okinawa)? Imho läuft man da in einen Catch 22 von wegen man kann zwar schlechte Kampfkünste entlarven, aber man vergrault auch authentische Lehrer mit denen man bei zu viel Kritik nicht mehr Freund werden wird.

Huangshan
06-11-2019, 06:42
Schnueffler:

Erinnere mich auch als ich in den 80ern angefangen habe an die Budoromantik Storys die verbreitet wurden.

Was das Hintergrundwissen anbelangt, es gibt heutzutage mehr gute Quellen(Bücher,Internet,Foren...) aus dennen man schöpfen kann.

Viele Mythen,Legenden,Volksmärchen die in Kampfkunstkreisen kursieren werden jedoch noch immer unreflektiert weitergegeben.


-Judo/Jiu/Ju-Jitsu/Jutsu:



Der eigentliche Impuls ging vom Chinesen Chin-Gen-Pin aus, der 1659 nach Japan kam und dort drei Samurai in einer Art des chinesischen Boxens unterrichtete. Diese Samurai verbanden diese Techniken mit dem, was sie schon kannten und nannten es “Jiu-Jitsu”, die nachgiebige Kriegstechnik.

etc.


Karate: Okinawanische Bauern etwickelten Karate(leere Hand) und Kobudo um sich gegen den jap. Satsuma Klan/Samurai zu verteitigen,zur Verteitigung wurden Werkzeuge,Gegenstände eingesetzt.

etc.


Taekwondo.:

Die Hwarang Ritter sind mit die Begründer des Taekwondo das eine tausendjährige Geschichte hat.

etc.


Wushu/Quanfa;
der Inder Bodhidharma (Damo) ist der Begründer des Kung Fu/Shaolin Quan und Verfasser von den Werken Yi Jin Jing ,Xi Sui Jing etc.

Siehe diverse Schul,Verbandseiten..... im Internet.


Und täglich grüsst das Murmeltier.;)

kanken
06-11-2019, 08:41
Naja, was die japanischen oder asiatischen Künste angeht, ist da kulturell das in Fragestellen gerne gesehen, oder ist das nur was für individualistisch geprägte Europäer? Aus der Ferne habe ich eher den Eindruck, dass die Japaner nicht so scharf auf Skeptiker sind und eher blinden Gehorsam wollen bzw. blindes Vertrauen. Ist das richtig (auch in Okinawa)? Imho läuft man da in einen Catch 22 von wegen man kann zwar schlechte Kampfkünste entlarven, aber man vergrault auch authentische Lehrer mit denen man bei zu viel Kritik nicht mehr Freund werden wird.

Genau bei der Frage kann man ja sehen wie wichtig Informationen über den geschichtlichen Hintergrund sind.

Wie viele Leute in den „klassischen“ KK wissen denn woher die Gi-Uniformen, das Rangsystem und die Unterrichtsform kommen?
Wenn ich Judo, Karate oder JJ Leuten anfange zu erklären dass ihr gesamtes Rangsystem auf einer nationalistischen Idee des imperialistischen Japans beruht und man den Gi und die Gürtel ganz gut mit einer HJ Uniform oder einer Napola vergleichen kann, dann gucken die immer sehr sparsam und es kommt der Kommentar „aber heute ist es ja ganz anders“. Linksliberale Gutmenschen mögen solche Vergleiche eher weniger...

Ich will hier auch gar nicht über das Für-und-Wider eines militärischen Trainings diskutieren, ich werbe lediglich dafür zu wissen was man warum macht. Im nächsten Schritt kann man dann gucken was man möchte (dann auf der Lehrer Ebene, denn die können die Unterrichtsform ja bestimmen).
Ich selber habe knapp 20 Jahre nur „militärischen“ Unterricht gelebt, erst durch den Kontakt zu den TCMA habe ich eine andere Form kennengelernt und sofort für gut befunden, aus den unterschiedlichsten Gründen. Bei uns herrscht jetzt eher die Atmosphäre einer Boulderhalle (nur ohne die Musik), aber so war es traditionell auch in China und Okinawa.

Kein guter Lehrer würde dir in einer traditionellen Kritik krumm nehmen, wenn sie begründet ist und in einem vernünftigen Rahmen angesprochen wird. Der Lehrer ist ein Freund, ein großer Bruder, nicht der Drill-Sergeant, es sei denn man ist im „militärischen“ System (was es ja auch in den chin. KK gibt, Stichwort JingWu).

Wenn man weiß wo der Stil herkommt, worauf er wert legt und worauf man sich einläßt, dann kann man auch leichter die Regeln befolgen (oder sich etwas anderes suchen).

Viele Leute (auch Lehrer) heutzutage wissen aber zu wenig über das „warum“ man etwas macht und „wozu“. Da werden lieber irgendwelche Rituale kopiert, auf japanisch gezählt (soweit man das überhaupt „japanisch“ nennen darf) und auf „die Tradition“ gepocht.
Wenn man dann aber nach der Bedeutung des „Shomen“ fragt und woher das kommt, dann ist aber ganz schnell Ende. Mit ganz viel Glück murmelt der Lehrer noch was von Konfuzius oder Shinto, dann darf man aber auch nicht mehr nachfragen. Hauptsache es wird sich verbeugt und man gehorcht dem „Schwarzgurt“...

Wissen gibt einem die Freiheit zu entscheiden was man machen will und dann steht man auch automatisch hinter dem, was man da tut, weil es eben authentisch ist.

karate_Fan
06-11-2019, 09:33
Das Internet ist aber ein zweischneidiges Schwert was die Budo Romantik betrifft. Natürlich kann man sich dank dem Internet besser informieren, aber es kann auch helfen, noch mehr Nonsense zu verbreiten als früher.

Meinen bisherigen Erfahrungen in den Nachforschungen über die KK online, so sind die Leute die wirklich was wichtiges zu sagen haben wesentlich schwere zu finden als die Romantiker. Die Artikel oder Aussagen der Romantiker sind durch oberflächliche Google Suchen bereits sehr leicht zu lokalisieren, während die wahren Perlen schon sehr versteckt sind. Da muss man sich schon durch einiges an Daten quälen um was mit Substanz zu finden. Für online Foren gilt das gleiche.

Huangshan
06-11-2019, 10:04
karate fan:
Ja es ist nicht einfach gute von schlechten Quellen im Bereich Kampfkunstgeschichte auszusieben.
Es gibt leider nur wenige gute Bücher,Texte,Seiten etc. in deutscher Sprache zum Thema.
Viele Quellen sind z.B. in englischer oder der Sprache des Herkunftslandes verfasst.
Da du dich auch mit Hema befasst bist du sicher schon mit der Materie vertraut.
Da hilft die akademische, Quellenanalyse,Quellenkritik....

https://geschichtsstudium.de.tl/Quelleninterpretation.htm

http://www.uni-kassel.de/fb05/uploads/media/Anleitung_zur_Quellenkritik_und_Quelleninterpretat ion_05.pdf

http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/spaetmittelalter/propaedeutik/quellenarbeit/quelleninterpretation1.html

etc..

oxox
06-11-2019, 10:05
Leute (auch Lehrer) heutzutage wissen aber zu wenig über das „warum“ man etwas macht und „wozu“. Da werden lieber irgendwelche Rituale kopiert, auf japanisch gezählt (soweit man das überhaupt „japanisch“ nennen darf) und auf „die Tradition“ gepocht.
Wenn man dann aber nach der Bedeutung des „Shomen“ fragt und woher das kommt, dann ist aber ganz schnell Ende. Mit ganz viel Glück murmelt der Lehrer noch was von Konfuzius oder Shinto, dann darf man aber auch nicht mehr nachfragen. Hauptsache es wird sich verbeugt und man gehorcht dem „Schwarzgurt“...

Denkst du so gesehen wäre es vielleicht besser wenn sich deutsche Vereine weiter von asiatischen Einflüssen emanzipieren bzw. eine eigene Identität kultivieren? Das meine ich nicht im Sinne von Nationalismus, von wegen wir tragen jetzt alle nur noch Lederhosen im Training, eher die bewusste Wahrnehmung der deutschen Kampfsportgeschichte und dem Blick in Richtung Zukunft. Ich meine, man kann sich darüber streiten inwiefern der Ursprung diverser Schulen authentisch ist, aber wenn ich mir alte Geschichten anhöre usw. kann man doch sagen, dass es in Deutschland in den letzten 50 Jahren eine rasante Entwicklung gegeben hat.

Den asiatischen Hintergrund würde ich trotzdem erklären, aber dabei auch die gemachten Missverständnisse erwähnen und wie daraus Budoromantik entstehen konnte. Ich finde jedenfalls die deutsche Kampfkunst- bzw. Kampfsport-Geschichte an sich ist ein irrsinnig interessantes, unverbrauchtes Thema. Also historisch gesehen und nicht nur für Kampfsportler. Siehe mal alleine den Einfluss von Karate z.B. in Hamburg, oder in diversen Behörden. Oder im Bezug auf die Entstehung diverser Wettkampfsportarten.

kanken
06-11-2019, 10:08
Wushu/Quanfa;
der Inder Bodhidharma (Damo) ist der Begründer des Kung Fu/Shaolin Quan und Verfasser von den Werken Yi Jin Jing ,Xi Sui Jing etc.


Da sind wir dann wieder bei Karate-Fans Kritik. Natürlich hate Shaolin etwas mit den TCMA zu tun und natürlich der Buddhismus mit Shaolin, die Leute haben aber keine Ahnung wie sie das einzuordnen haben. Klar gibt es in den Texten (z.B. von Guo Yunshen) Hinweise auf „Knochenmarksgewasche“ und „Knochen und Sehnen Training“, das hat ja sogar alles seinen Weg nach Okinawa gefunden über die Vertretung Okinawas in Fujien und das Training dort, ebenso wie die südchinesischen Stories über die 5 Ahnen, das Louhan-quan, die Nonne und den Kranich etc.

Quellenanalyse und Quellenkritik ist jedoch essentiell wenn man sich mit solchen Dingen beschäftigt und das findet nun einmal so gut wie überhaupt nicht statt. Shahar, Judkins, Lorge, Quast, Bittmann etc. werden einfach nicht gelesen und das sind ja nun wirklich einfach nur Grundlagen, nix spezielles wie die Übersetzungen von McCarthy, Stubenbaum/Bohn, Wittwer, Braun, Meulenbeld, Murray oder all die von Brannen.

Das bringt uns aber auch schon zu dem hier:



Würde sich nun ein hochrangiger Vertreter einer anderen Ryûha mit diesem zentralen Text der Yagyû Shinkage-ryû auseinandersetzen, könnte dieser u. U. auf das Wissen in seiner Schule zurückgreifen, um sich dem Text annähern zu können. Da würde es dann noch darauf ankommen, aus welcher der drei bzw. vier Hauptströmungen der jap. Schwertkampfkunst seine eigene Ryûha hervorgegangen ist. Denn Schulen, welche aus derselben Hauptströmung stammen, teilen meist auch gewisse Inhalte, was dann wieder einen direkten Einfluss auf das Textverständnis bzw. dessen Entschlüsselung hätte.

All diese Quellen müssen auch mit lebendigen Wissen in den KK abgeglichen werden, denn das hilft sie einzuordnen. Ohne praktische Erfahrung und das Wissen wie diese Dinge umgesetzt/angewandt werden, bringen die Texte auch nichts.

Ich poste mal im Anhang 5 Grafiken aus unserem „Theoriebereich“. Ohne Hintergrundwissen kann man diese Dinge nicht einordnen und ohne einen Lehrer, der einem erklärt wie man das im Kampf umsetzen muss, was man FÜHLEN muss, kann man das auch nicht im Kontext verstehen...

karate_Fan
06-11-2019, 10:20
karate fan:
Da du dich auch mit Hema befasst bist du sicher schon mit der Materie vertraut.
Ja es ist nicht einfach gute von schlechten Quellen im Bereich Kampfkunstgeschichte auszusieben.
Es gibt leider nur wenige gute Bücher,Texte,Seiten etc. in deutscher Sprache.
Viele Quellen sind z.B. in englischer oder der Sprache des Herkunftslandes verfasst.

Da hilft die akademische;
Quellenanalyse,Quellenkritik

https://geschichtsstudium.de.tl/Quelleninterpretation.htm

http://www.uni-kassel.de/fb05/uploads/media/Anleitung_zur_Quellenkritik_und_Quelleninterpretat ion_05.pdf

http://www.spaetmittelalter.uni-hamburg.de/spaetmittelalter/propaedeutik/quellenarbeit/quelleninterpretation1.html

etc..


Ja es ist schon in Sachen HEMA alles andere als einfach. Aber auf dem asiatischen Sektor ist noch schwieriger. HEMA Quellen sind wenigstens in unserer Sprache oder besser gesagt dem Vorläufer unserer Sprache verfasst. Und man durchaus Leute in unseren Breiten finden die sich Alt bzw Mittelhochdeutsch beschäftigen. Zum Teil kann die Bedeutung mit dem Kenntnis der modernen deutschen Sprache erraten.

wie man meiner Meinung nach z.B recht gut in dem Video sehen kann.

https://www.youtube.com/watch?v=G4k-vjdeZO4


Die Verse dann praktisch richtig umzusetzen ist wiederum ein anderes Kaliber, aber es ist möglich auch wenn natürlich gerne bezweifelt werden darf ob die Sachen so umgesetzt werden wie es sich das die Leute damals vorgestellt haben. Was das betrifft fehlt uns einfach die lebende Übertragungslinie wie es sie in den Koryu Ryuha und den CMA gibt. Es ist aber in Sachen HEMA Forschung trotzdem leichter an schriftliche Quelle zu kommen, wenn man wirklich möchte. Da wir viele Experten haben die sich mit unserer Geschichte hier im Europa beschäftigen.

Bei asiatischen Kampfkünsten ist die Sache wesentlich schwieriger. Da ist die Quelle weit weg, und man weiß nie genau, wie verfälscht die Lehren in den Westen gekommen sind. Und ob die Lehrer den Ausländern auch wirklich alles verraten haben.

Oder ob die Leute die das Wissen in den Westen gebracht haben, nicht irgendetwas falsch verstanden und sich diese Fehlinformation sich dann einfach so unkontrolliert weiterverbreitet haben.

Vor diesem Fehler sind selbst Muttersprachler nicht gefeilt. War es nicht der Übersetzungsfehler eines japanischen Historikers der versehentlich den Mythos mit dem waffenlosen Okinawa verbreitet hat??? Meine mich daran zu erinnern, dass so etwas ähnliches in einem der Bücher von Gibukai gestanden ist?? Könnte mich aber auch irren, ist schon eine Weile her, dass die Bücher gelesen habe..

Also die Aussage bitte mit Vorsicht behandeln..

oxox
06-11-2019, 10:26
Mich erinnert das Ganze irgendwie an freimaurerische Sachen, von wegen Arbeit am rauen Stein und sowas. Im Sinne eines Intitationssystems das mit Bildern und Metaphern arbeitet um komplexe Sachverhalte zu verdeutlichen. Der Unterschied scheint halt ein anderer Kontext zu sein der als Informationsträger dient und die Betonung kämpferischer Aspekte.

kanken
06-11-2019, 10:34
Denkst du so gesehen wäre es vielleicht besser wenn sich deutsche Vereine weiter von asiatischen Einflüssen emanzipieren bzw. eine eigene Identität kultivieren?

Den asiatischen Hintergrund würde ich trotzdem erklären, aber dabei auch die gemachten Missverständnisse erwähnen und wie daraus Budoromantik entstehen konnte.

Ich finde man muss sich weder emanzipierten noch abgrenzen. Man muss nur wissen was man macht und was man will!

Jedes System hat Vor- und Nachteile (die wir hier gar nicht diskutieren müssen), man muss nur wissen ob man dem folgen möchte, wofür es steht.

Als Beispiel:
Militärischer Drill und Rangordnung:
In den japanischen Systemen (und zum Teil in „neueren“ chinesischen) kommt es aus dem schwedischen und preußischen Militär. Disziplin, Gehorsam, gepaart mit japanischer Ideologie. So etwas funktioniert (mit wechselnder „Philosophie“) weltweit in allen militärischen (und paramilitärischen) Strukturen. Das bringt effektive Kämpfer hervor, wenn ich es konsequent anwende. Reality proofed...

In Deutschland ist zwar dieses Trainingsprinzip übernommen worden, alles militärische aber immer mehr abhanden gekommen (warum auch immer) bis am Ende nix halbes und nix ganzes mehr übrig blieb und jeder Verein seine „Interpretation“ machte. In Tiefe und Verständnis immer abhängig von dem was an Wissen im jeweiligen Verein vorhanden war.

Wenn man konsequent sein will, dann sollte man es (jetzt bezogen auf das Karate) so machen, wie es in Japan gedacht war. Drill und Disziplin. Will hier nur keiner, da das ja „unmenschlich“ ist und für die Kinder nicht gut und sowieso hat das ja mit Militär zu tun...

Wie es „richtig“ geht machen die Koryu ja vor: So wie es immer schon gemacht wurde. Ohne Kompromisse.

Ein anderes Beispiel, wie es auch geht:
Hier in Münster übertragen wir alles auf unsere Sprache, unsere Kultur, unser Verständnis, sprich: unser soziokulturelles Umfeld.
Die Traininsgmethodik kommt uns hier sehr entgegen, ebenso die „klassische“ Trainingsatmosphäre. Wir tragen dazu aber keine Seidenschlafanzüge, sondern ganz normale Trainingsklamotten, wie man sie in jedem Sportladen kaufen kann.
Was uns beigebracht wird betrachten wir unter dem Aspekt der modernen wissenschaftlichen Erkenntis und übersetzen das, so weit es möglich ist, in den „modernen“ Kontext von Sportmedizin, Neurologie, Anatomie und Physiologie.

„Geschichten“ die mündlich überliefert werden lassen wir natürlich auch durch den Filter der aktuellen Erkenntnis über den historischen Kontext laufen, bzw. nutzen sie halt als mündliche Quellen aus x.ter Hand im Sinne der Quellenkritik. Dong Hai Chuan war nun einmal ein abgehalfterter Störenfried am untersten Ende der sozialen Stufe, der aber anscheinend kämpferisch etwas drauf hatte. Ebenso Zhang Zhao Dong, der ja auch als Yamen Runner am Anfang „sozialer Bodensatz“ war. Erst durch die sozialen Umwälzungen Anfang des 20. Jhd. kamen solche Leute zu Geld, da deren Fähigkeiten geschätzt wurden und Spieler wie WXZ wurden durch ihre Kontakte reich und angesehen (in gewissen Kreisen).
Die gängigen „Stories“ glorifizieren natürlich etwas mehr ;)

Das als Beispiel einer konsequenten „kulturellen Emanzipation“, wobei ich es er so sehe das wir das Wissen einfach an den Kontext anpassen, denn die Fähigkeiten und Erfahrungen müssen ja gleich bleiben, nur das Erklärungsmodell ändert sich.

kanken
06-11-2019, 10:37
Mich erinnert das Ganze irgendwie an freimaurerische Sachen, von wegen Arbeit am rauen Stein und sowas. Im Sinne eines Intitationssystems das mit Bildern und Metaphern arbeitet um komplexe Sachverhalte zu verdeutlichen. Der Unterschied scheint halt ein anderer Kontext zu sein der als Informationsträger dient und die Betonung kämpferischer Aspekte.

Dazu ist es natürlich wichtig zu wissen wer das, wem, wann, in welchem Kontext, erzählt hat. KK wurden in bestimmten Umfeldern geübt und die hatten ihre eigenen Regeln, Riten etc. Deswegen muss man ja wissen wo es herkommt und vor allem wie man es fühlt und umsetzt.

Huangshan
06-11-2019, 11:05
karate Fan:

Da muß ich Dir recht geben.

Es ist nicht einfach seriöse,wertvolle,objektive ... Quellen zu finden.

Was es erschwert ist auch,dass der akademische Titel von einem Autor auch kein Garant für eine wissenschaftlich untermauerte,gute fehlerfreie,objektive etc. Arbeit ist !(siehe akademische Titel von Kernspecht und Co.)

Und wie ryoma es kritisch bemerkt hat:


Da Herr Mattner der Yagyû Shinkage-ryû weder als Schüler oder gar als Lehrer angehört, erschliesst sich mir diese Arbeit und dieser Vortrag nicht, bzw. nicht in dem Masse, wie es sich der Präsentator evtl. vorstellt.


Würde sich nun ein hochrangiger Vertreter einer anderen Ryûha mit diesem zentralen Text der Yagyû Shinkage-ryû auseinandersetzen, könnte dieser u. U. auf das Wissen in seiner Schule zurückgreifen, um sich dem Text annähern zu können. Da würde es dann noch darauf ankommen, aus welcher der drei bzw. vier Hauptströmungen der jap. Schwertkampfkunst seine eigene Ryûha hervorgegangen ist. Denn Schulen, welche aus derselben Hauptströmung stammen, teilen meist auch gewisse Inhalte, was dann wieder einen direkten Einfluss auf das Textverständnis bzw. dessen Entschlüsselung hätte.


Deshalb sollte man auch nicht jedem Werk,Vortrag etc. blindlos vertrauen und Rezensionen, Buchkritiken, Buchbesprechungen von Fachleuten lesen!

Glückskeksweisheit:
In akademischen Kreisen gibt es auch gute und schlechte Handwerker(Kopfwerker):gruebel:

Gast
06-11-2019, 11:28
Das meinte ich in einem vorherigen Beitrag mit meinem Gen-Defekt: Ich habe auch in den 80er Jahren mit Karate angefangen. Und schon als Gelbgurt kamen bei mir ganz oft Fragen auf wie "Und das soll im Ernstfall funktionieren?".

Zu dieser Zeit hätte ich es sicher nicht besser machen oder gar erklären können, aber oft war offensichtlich, dass es entweder nicht anwendbar oder gar einfach Blödsinn war. Allerdings war es so, wie Du schreibst. Kein Mensch hätte sich getraut, einem japanischen Lehrer zu widersprechen. Fast alle "Schwarzgurte" waren heilig und wussten fast alles besser.

Wobei man auch aufpassen muss, dass man sich nicht zu sehr in der Theorie verliert. Auch ein Trend der im diversen KKs Einzug gehalten hat, da kann dir dann jeder den geschichtlichen Hintergrund erklären, Stammbäume aufzählen, kennt alle Schlachtgeschichten, die Anatomie, ...
Beim lockeren unkooperativen ausprobieren wie das denn alles so funktionieren sollte ist es dann aber ganz schnell dunkel.
Theoretisch weiß man wie der Hebel, der Wurf, ... funktionieren sollte, man weiß wo man Schnitt setzt, welchen Winkel die Klinge haben muss, ... man ist aber nicht in der Lage eine Faust abzuwehren.

step-by
06-11-2019, 11:33
Hallo lieber kanken,

ein Thread der vieles anspricht aber eine richtige Diskussion wird es erst mit den letzten Beiträgen.

[QUOTE]=kanken;3712845]Genau bei der Frage kann man ja sehen wie wichtig Informationen über den geschichtlichen Hintergrund sind.

Wie viele Leute in den „klassischen“ KK wissen denn woher die Gi-Uniformen, das Rangsystem und die Unterrichtsform kommen?
Wenn ich Judo, Karate oder JJ Leuten anfange zu erklären dass ihr gesamtes Rangsystem auf einer nationalistischen Idee des imperialistischen Japans beruht und man den Gi und die Gürtel ganz gut mit einer HJ Uniform oder einer Napola vergleichen kann, dann gucken die immer sehr sparsam und es kommt der Kommentar „aber heute ist es ja ganz anders“. Linksliberale Gutmenschen mögen solche Vergleiche eher weniger...

Ich will hier auch gar nicht über das Für-und-Wider eines militärischen Trainings diskutieren, ich werbe lediglich dafür zu wissen was man warum macht. Im nächsten Schritt kann man dann gucken was man möchte (dann auf der Lehrer Ebene, denn die können die Unterrichtsform ja bestimmen).
Ich selber habe knapp 20 Jahre nur „militärischen“ Unterricht gelebt, erst durch den Kontakt zu den TCMA habe ich eine andere Form kennengelernt und sofort für gut befunden, aus den unterschiedlichsten Gründen. Bei uns herrscht jetzt eher die Atmosphäre einer Boulderhalle (nur ohne die Musik), aber so war es traditionell auch in China und Okinawa.

Kein guter Lehrer würde dir in einer traditionellen Kritik krumm nehmen, wenn sie begründet ist und in einem vernünftigen Rahmen angesprochen wird. Der Lehrer ist ein Freund, ein großer Bruder, nicht der Drill-Sergeant, es sei denn man ist im „militärischen“ System (was es ja auch in den chin. KK gibt, Stichwort JingWu).
W[/QUOTE)

Diese Deine Gedanken verwundern mich etwas,
Der Begründer der Judo Kano hat die Hierarchie der Gürtelgrade eingeführt und der war nun einmal ein Schuldirektor und kein Soldat.
Obwohl in Japan in den Schulen, sich der Unterricht, usw. sehr stark von dem unterscheidet was in deutschen Schulen üblich ist!
Das Karate auf Okinawa da dachte ich immer, da gab es keine " Gürtelgrade " bevor die ersten " Ausbilder des Tode " nach Japan ausgewandert sind.
Dann habe ich nirgends gelesen, daß dort ein " Meister " vor 100 oder mehr Schülern seine Techniken vorgeführt hat, bevor das Karate oder Tode im Schulunterricht eingeführt wurde.

Was verstehst Du unter dem Begriff: Tradition?

In einer Traditions-Linie machen alle Leute immer nur dasselbe, was früher gemacht wurde, es gibt keinen Fortschritt.
Was wird besser?
Ich möchte nicht immer das tun müssen, was schon meine Großeltern so gemacht haben.

Da Du das militärische Training erwähnst. Nehme ich stark an, Du hast den Militärdienst nicht genossen.
Du kannst die Ausbildung dort nicht mit einer Unterrichtsstunde in einer Karate, Judo, Aikido,... Stilart vergleichen.
Dann überlebt ein Soldat nur, wenn er in den neuesten Erkenntnisse des militärischen Kampfes ausgebildete wird.
Diese Neuausrichtung findest Du aber in jedem Beruf.

Berufe ich mich in meiner Kampfsport-Art auf den Begriff Tradition.
Dann sollte nicht vergessen werden, eine Kampfsport-Art überlebt nur, wenn sie sich an die Gegebenheit der Gesellschaft anpaßt.

;)

Hoffe, wir können auch darüber freundliche Worte austauschen.

Hinweis: Karate Kyohan: Was die alten Meister wußten!
Japan modernisierte die japanische Marine nach dem Vorbild der British Royal Navy
die japanische Armee nach dem militärischen Vorbild des Königreichs Preußen, etwa um 1853.

kanken
06-11-2019, 11:34
... man ist aber nicht in der Lage eine Faust abzuwehren.

Die praktische Kompetenz ist dann in der Tat noch mal ein ganz anderes Thema, darum sollte es aber hier mal ausnahmsweise nicht gehen.

Ich denke wir sind uns einig dass Theorie und Praxis übereinstimmen sollten. :biglaugh: (Wie es in der Realität aussieht ist dann ein anderes Thema).

ThomasL
06-11-2019, 11:44
Pansapiens
Wenn man nicht alles zu hören bekommt, wird einem natürlich Wissen vorenthalten.

Ist eher wie in der Schule / Studium. In Elektronikerausbildung haben wir auch erstmal einfach Formeln bekommen erst im Studium wurden diese dann mittels Verfahren wie Differential- und Integralrechnung hergeleitet (und verallgemeinert).
Als Wissen vorenthalten würde ich das aber bezeichnen (da dies Bezeichnung negativ belastest ist, es aber um etwas positives geht), in der Ausbildung hätte ich diese Sachen (mangels mathematischen Vorwissens) gar nicht verstehen können und es hätte mich nur verwirrt. Wir bekamen genau das, was wir auf dieser Stufe der Ausbildung benötigten.

@Step-by: Es haben einfach viele keine Lust mehr gute Threads von Dir zerstören zu lassen (egal ob absichtlich oder nicht). Mach zu deinen OT doch einfach eigenen Threads auf.

Gast
06-11-2019, 12:01
Die praktische Kompetenz ist dann in der Tat noch mal ein ganz anderes Thema, darum sollte es aber hier mal ausnahmsweise nicht gehen.

Ich denke wir sind uns einig dass Theorie und Praxis übereinstimmen sollten. :biglaugh: (Wie es in der Realität aussieht ist dann ein anderes Thema).

Absolut, das Thema kann auch interessant sein geht aber am Problem meistens vorbei. Ist es schön zu wissen woher das Rangsystem und die Anzüge kommen. Klar, kann auch Helfen diverses besser zu verstehen, muss ich es wissen?
Nicht unbedingt, nur wie ich es richtig einsetze, noch dazu ist geschichtliches wissen immer nur eine Annäherung an die Wahrheit, nie aber die absolute Wahrheit.
Historisches Wissen zu benutzen um Kontexte zum hier und jetzt herzustellen finde ich dagegen sehr gut. Solange es kein Ergötzen an der Vergangenheit wird. Hat dann mehr was von LARP als echter KK mMn.
Vieles davon passiert aber in den "traditionellen" KKs mEn. immer mehr.
Selbst in modernen Stilen schon und sehr schnell.
JKD ist da ja ein Beispiel dafür, da wird jeder Bruce Lee Satz zitiert, in den Kontext gesetzt und interpretiert. Das Ende vom Lied, der Eye Jab ist das ultimative Tool. Nach Interpretation einiger Quellen ist er das wahrscheinlich sogar. In der Praxis, naja.

oxox
06-11-2019, 12:11
Wobei man finde ich zwischen Marketing und einem gesunden geschichtlichen Bewusstsein unterscheiden muss. Wenn man immer nur positive Sachen hört und wie toll doch alles ist springen bei mir persönlich die Alarmglocken an. Im Gegensatz dazu wächst bei mir das Vertrauen wenn jemand Fehler eingestehen kann und die Vergangenheit auch mal kritisch betrachtet. Vielleicht bin nur ich das und ich habe auch so einen Gendefekt, oder das sind Nachwehen meiner katholischen Kinderstube :biglaugh:

Manche Leute hören sich halt an als würden sie aus irgend einer Broschüre zitieren oder haben ein Flussdiagram zur Kundenabwicklung.

kanken
06-11-2019, 12:24
@MaddinG
Ein absolut berechtigter Einwand und der bringt uns eigentlich auch zu dem Thema von „Inhalten“ einer Kampfkunst.

Nimm das „moderne“ Karate:
Eingeführt zur Stärkung des Volkskörpers und um die Kinder auf nationalistisch/imperialistische Linie zu bringen. Man brauchte eine massenkompatible Gymnastik, die gleichzeitig die einfachsten Schläge, Tritte und Blöcke beinhaltet.

Dass die Wurzeln des Ganzen im Waffenkampf lagen und die Bewegungen eigentlich dafür gedacht waren hat man in Japan und auch in China sehr bewusst weggelassen, da gerade ja die Speere, Schwerter und Bögen ein Symbol für die Rückständigkeit der eigenen Nation waren und man eine „moderne“ Nation und eine „moderne Armee“ wollte. Schlagen, Treten, Körperertüchtung war jedoch sehr gut.

An der Stelle ist es halt zu einem Bruch in der Überlieferung gekommen. Wenn man die Geschichte kennt, dann kann man das nachvollziehen und muss in einer solchen Linie auch nicht nach tieferen Anwendungen suchen (es sei denn man will auf eigene Faust die Bewegungen „interpretieren“).

Die Koryu hingegen haben ihre Methodik erhalten, nichts geändert, obwohl die Waffen nicht mehr modern waren. Da ist jedoch noch wissen um den Umgang mit Ihnen vorhanden und, wenn intakt, auch die Fähigkeit. Intakt heißt dabei, für mich, man testet es auf der Matte.

In wie weit eine Linie intakt ist zeigt sich einzig und alleine in der praktischen Fähigkeit auf der Matte, da bin ich absolut bei dir! Nicht umsonst haben intakte Linien klare Regeln wer sie nach außen vertreten darf und wer eben nicht. In den TCMA, wie ich sie kenne, ist es ab dem Moment wenn man von seinem Lehrer die Erlaubnis hat zu unterrichten, denn dann muss „mit Besuch“ gerechnet werden.

Ein anderer Punkt ist dann wieder der dass ganz viele Vereine und „Stile“ die Lücken, die jemand in dem System erkannt hat (warum auch immer sie da waren) mit anderen Dingen gestopft hat, bzw. es weiterentwickelt hat. Das absolut beste Beispiel dafür ist ja das BJJ.

Wissen an der Stelle hilft einfach nur zu verstehen was in der eigenen Linie da ist, oder evtl. nicht da ist.

Oft stellen sich die Leute diese Frage aber erst wenn sie merken dass ihr Training ihnen in der realen Welt, außerhalb des Dojo’s, nichts bringt.

Alfons Heck
06-11-2019, 13:00
Moderation:
Inhaltlich schreiben!!!
Einige OT Antworten gelöscht.

Kiryu-Lee
06-11-2019, 13:18
Ich bin da eher praktisch veranlagt.

Interessieren mich der Hintergrund einer KK? Ja, sicher. Wenn das Interesse gross genug ist, lese und forsche (nicht wissenschaftlich) ich dann auch gerne selber etwas nach. Ich war persönlich aber noch nie in einer wirklich "traditionellen" Lineage unterwegs und hatte auch nie einen Meister/Trainer der dies wirklich vermitteln wollte. Die meisten meiner Trainings waren militärisch ausgerichtet. Durch mein Interesse bin ich aber nicht total unbewandert und kann schon mal sagen wenn jemand absoluten Mist erzählt. Aus Respekt schalte ich dann auf Durchzug und nicke freundlich.

Das physiologische und anatomische ist mir dann absolut nicht egal und umso wichtiger. Ich will ja eine Technik oder Bewegungsabläufe korrekt lernen und nicht irgendwie. Aber diesbezüglich bin ich wahrscheinlich eher Kampfsportler als Kampfkünstler. Ich bin mehr ein Fan von Technikdrills, Partnerübungen als Formenlaufen (ich hasse Formen nicht). Wage zu behaupten, dass wenn einer ein paar Jährchen Training auf dem Buckel hat und diese Trainings ernst genommen hat, mit der Zeit auch selber merken wird ob etwas dann absolut für die Katz ist oder nicht. Natürlich bedeutet dies nicht, dass wenn man etwas selber nicht kann - es dann unmöglich ist. Im Idealfall hat sich der Körper und der Geist auch schon entsprechend entwickelt, dass man auch ohne Arzt zu sein/Medizin studiert zu haben/grosse Ahnung von Physik/Physiologie, ungefähr weiss auf welche Muskeln es bei welcher Technik/Bewegung es ankommt. Wenn man dann noch gerne selbstständig denkt, hinterfragt man eben manches. Im Sparring oder an einem Turnier unterzieht man dem Ganzen dann einer Prüfung.

Wie gesagt, ich bin eher praktisch veranlagt. Bin kein grosser Fan von "wenn dieser Kick kommt, blocke ich den mit dieser Abwehr" und dies manchmal mit einer absoluten Sturheit. Wieso sieht es im Ernstfall anders aus? Ich erwähne nochmals, dass bedeutet keinesfalls das es nicht geht oder das Formen schlecht sind. Aber ich persönlich habe noch keinen getroffen, der sie mir akzeptabel erklären konnte. Kampf ist für mich frei und situationsabhängig, mit oder ohne Regeln.

Ich bin zugegebenermassen einer, der durch Budoromantik und Beat-em-up Videospiele zu den Kampfkünsten und Kampfsport gefunden habe. Von klein auf Wuxia Filme und Dramas sowie Fighting Games können ein etwas falsches Bild vermitteln. Aber bisschen Kontakt können beim Aufwachen durchaus helfen. :biglaugh:

Gast
06-11-2019, 14:00
Wobei man finde ich zwischen Marketing und einem gesunden geschichtlichen Bewusstsein unterscheiden muss. Wenn man immer nur positive Sachen hört und wie toll doch alles ist springen bei mir persönlich die Alarmglocken an. Im Gegensatz dazu wächst bei mir das Vertrauen wenn jemand Fehler eingestehen kann und die Vergangenheit auch mal kritisch betrachtet. Vielleicht bin nur ich das und ich habe auch so einen Gendefekt, oder das sind Nachwehen meiner katholischen Kinderstube :biglaugh:

Manche Leute hören sich halt an als würden sie aus irgend einer Broschüre zitieren oder haben ein Flussdiagram zur Kundenabwicklung.

Das ist ganz das Ding, ich find's gut wenn es Leute gibt den geschichtlichen Hintergrund kennen, ihn studieren und im besten Fall hinterfragen und auch Mal das System entschlacken wenn es sein muss.
Oder anders gesagt, die großen kämpferischen Namen in z.B. den CMA stammen alle aus Zeiten in der es kein so breit gefächertes Wissen und einen so hohen Bildungsstand wie heute gab. Vom Informationsfluss gar nicht zu sprechen.
Auch war die Duell- uns Verhleichskampfdichte viel höher.
Ich finde schon daraus kann man ziehen wie sehr die Gewichtung theoretisches Wissen und Praxis sein sollte. ;)

Gast
06-11-2019, 14:48
@kanken

Finde dein Beispiel zur realen Welt sehr gut mit den Koryu.
Die Koryu sind ihrem Mikrokosmos sicher absolut real, ob noch Anwendungsbezogen steht zum Teil auf einem anderen Blatt.
In der heutigen Welt eher weniger, da der Kampf mit Schwert in der modernen Welt eher weniger gefröhnt wird.
Wenn es Leute gibt die den Übertrag schaffen ist das doppelt cool. Wenn es denn auch das Ziel ist.
Aber da kommt meine Kritik, dazu muss der Blick auch nach vorne und nicht nur in die Vergangenheit sondern auch nach vorne gerichtet sein. Und das passiert leider zu oft.

ryoma
06-11-2019, 15:29
@kanken

Finde dein Beispiel zu realen Welt sehr gut mit den Koryu.
Die Koryu sind ihrem Mikrokosmos sicher absolut real, ob noch Anwendungsbezogen steht zum Teil auf einem anderen Blatt.
In der heutigen Welt eher weniger, da der Kampf mit Schwert in der modernen Welt eher weniger gefröhnt wird.
Wenn es Leute gibt die den Übertrag schaffen ist das doppelt cool. Wenn es denn auch das Ziel ist.
Aber da kommt meine Kritik, dazu muss der Blick auch nach vorne und nicht nur in die Vergangenheit sondern auch nach vorne gerichtet sein. Und das passiert leider zu oft.

Zur Verdeutlichung: Koryû bestehen nicht nur aus diesen schwertschwingenden, versnobbten Heinis! (Direktzitat!) :D

Spass beiseite.... Es gibt ja auch etliche Jûjutsu-Ryûha (welche trotzdem immer einen mehr oder minder grossen Anteil an Waffen haben) und diese kann man doch sehr wohl "in der heutigen Welt" einsetzen.
Und selbst die waffenbezogenen Schulen, die ja auch prinzipienbasiert funktionieren, lassen sich doch teilweise ganz gut übertragen.

Und ja, ob die Koryû in ihrer Gesamtheit (und nur in ihrem Mikrokosmos) anwendungsbezogen sind, steht tatsächlich auf einem anderen Blatt.

oxox
06-11-2019, 15:41
Sagt mal, wie ist das eigentlich im modernen japanischen Militär? Haben die irgendeine bestehende Verbindung zu den Koryû bzw. passen da Aspekte für sich an?

Ich habe auf die Schnelle nur das gefunden: https://en.wikipedia.org/wiki/Taiho_Jutsu

ryoma
06-11-2019, 16:04
Sagt mal, wie ist das eigentlich im modernen japanischen Militär? Haben die irgendeine bestehende Verbindung zu den Koryû bzw. passen da Aspekte für sich an?
Ich habe auf die Schnelle nur das gefunden: https://en.wikipedia.org/wiki/Taiho_Jutsu

Obwohl ziemlich OT, antworte ich mal kurz:
Der Wiki-Artikel handelt ja hauptsächlich von der japanischen POLIZEI und nicht Militär.
Und bezogen auf deine eigentliche Frage: Wozu sollten da offizielle Verbindungen zwischen Koryû (welche?) und den jap. Selbstverteidigungsstreitkräften bestehen?
Ich kannte und kenne einige Mitglieder (aktiv und ehemalig) der jap. Selbstverteidigungsstreitkräften, die in Schulen der Koryû aktiv sind. Aber das ist etwas persönliches und hat eindeutig nichts mit dem Job zu tun.

Gast
06-11-2019, 16:26
Zur Verdeutlichung: Koryû bestehen nicht nur aus diesen schwertschwingenden, versnobbten Heinis! (Direktzitat!) :D

Spass beiseite.... Es gibt ja auch etliche Jûjutsu-Ryûha (welche trotzdem immer einen mehr oder minder grossen Anteil an Waffen haben) und diese kann man doch sehr wohl "in der heutigen Welt" einsetzen.
Und selbst die waffenbezogenen Schulen, die ja auch prinzipienbasiert funktionieren, lassen sich doch teilweise ganz gut übertragen.

Und ja, ob die Koryû in ihrer Gesamtheit (und nur in ihrem Mikrokosmos) anwendungsbezogen sind, steht tatsächlich auf einem anderen Blatt.

Ich glaube durchaus, dass das geht. Für mich besteht halt immer mir die Gefahr vor lauter Traditionstreue den Blick aufs hier und jetzt und die Praxis zu verlieren. Deswegen bin ich bei "zu viel" Theorie immer skeptisch.

Huangshan
06-11-2019, 17:03
oxox:


Einige jap. mil. Einheiten siehe Japan Self-Defense Forces (自衛隊 Jieitai) JSDF ,üben Nippon Kempo 日本拳法 /Toshu Kakuto 徒手格闘 aus.



https://www.youtube.com/watch?v=TlRLIGmhNlI



https://www.youtube.com/watch?v=2LL64kay_j4


https://www.youtube.com/watch?v=kR1BvwFpvSU


https://en.wikipedia.org/wiki/Nippon_Kempo

karate_Fan
06-11-2019, 17:09
Ich glaube durchaus, dass das geht. Für mich besteht halt immer mir die Gefahr vor lauter Traditionstreue den Blick aufs hier und jetzt und die Praxis zu verlieren. Deswegen bin ich bei "zu viel" Theorie immer skeptisch.


Ein durchaus mehr als berechtigter Einwand. Auf dem Gebiet des Waffenlosen Kampfes stimme ich da vorbehaltlos zu. Da kann man durch zu viel Tradition sicher den Blick auf das Wesentliche verlieren.

Beim Umgang antiquierten Blankwaffen stellt sich die Frage aber eher nicht. Da gibt es kein Hier und Jetzt (wird ja dami nicht mehr effektiv gekämpft) und da ist Tradition überaus wichtig um zu lernen. Gibt ja heute keine lebenden Menschen mehr mit Erfahrungen auf dem Gebiet.

Tradition kann einem auch helfen Rückschlüsse über die Effektivität der Techniken bringen. Eine Mischung aus Praxis und Tradtion ist auf dem Gebiet das beste denke ich. Wir auf dem HEMA Gebiet sind nur Praktiker und haben keine lebende Tradition.

Unser "Form Training und das Sparring sind zwar hilfreich um eine ungefähre Vorstellung von den Techniken zu bekommen. Besonders das Sparring lehrt einem treffen und nicht getroffen zu werden. Das macht Spaß und ist für viele HEMA Fechter wohl auch ausreichend.

Ich bin da aber etwas eigenen und denke weiter. Auch wenn ich nicht das Bedürfnis habe jemanden mit einem Schwert zu verletzen und ich das wohl auch Gott sei Dank nie tun muss, so interssiert es mich doch aus reinem akademischen Interesse schon ob meine Techniken effektiv wären und wie man die Techniken am effektivisten in einem kriegerischen Kontext einsetzt.

Im Sparring trifft man sich zwar, aber niemand stellt sich die Frage ob der Treffer was ausrichten würde oder nicht. Da wären tradionelle Überlieferungen von Vorteil die sich mit dem Thema den Gegner richtig treffen um zu gewinnen von Vorteil. Natürlich in Verbindung mit praktischen Schnitttestes von Tatamimatten oder was vergleichbarem.

FireFlea
06-11-2019, 23:46
@Maddin.G & karate_fan

Ihr scheint mir Theorie mit Tradition gleichzusetzen. Aber warum? "Hintergrundwissen" kann auch sehr aktuell sein, bspw. Erkenntnisse aus der Chiropraktik in der KK-Praxis. Ich denke kanken meint hier nicht zwangsweise geschichtliche Hintergründe.



Damit meine ich jetzt keine oberflächliche „Budoromantik“ sondern seriöse Quellen von seriösen Forschern/Wissenschaftlern.


Aber damit fängt es ja schon an. Ich denke ein Großteil der Karatelehrer würde bestätigen, dass "Hintergründe", "Philosophie" oder was auch immer einen entscheidenden Stellenwert einnimmt um dann im gleichen Atemzug den gleichen Mist wie üblich zu erzählen. Schau Dir doch mal an, was der Nr.1 Karate-Bestseller bei Amazon ist und die Kommentare dazu (Karate Essenz von Tartaglia). Da schreiben Leute mit Jahrzehnten Erfahrung und xtem Dan "genial", "neues Referenzbuch" blablabla und ich dachte mir banaler gehts kaum noch.

Ansonsten nimmt Eigentraining einen sehr hohen Stellenwert bei mir ein und der Lehrer dient als Abgleich, Anregung und Korrektiv. Bzgl. Geschichte usw. würde ich Schüler in die richtige Richtung schubsen mit Leseanregungen aber das nicht
unbedingt abfragen. Schlussendlich sind wir aber auch keine klassische Schule, wo ich als Lehrer sicher verhältnismäßig mehr Wert auf Historie legen würde. Bzgl. Praxis-"Hintergrund" ebenso - mein Lehrer ist in den letzten Jahren recht stark von Hino beeinflusst, da schadet es sicher nicht, auch mal dessen Buch zu lesen. Ebenso integrieren wir bspw. Übungen von Movement Fix / Dr. Ryan DeBell und Stop Chasing Pain / Dr. Perry Nickelston mit rotem Faden in die Körperorganisation jenseits des Aufwärmtrainings, auch da kann man sich mit entsprechendem Material beschäftigen. Eine entsprechende Grunderfahrung befähigt den Schüler dann auch, sich eigenständig weitere "gute" Quellen zu erschließen, die zu dem Gelehrten passen.

ainuke
07-11-2019, 08:55
Wissen an der Stelle hilft einfach nur zu verstehen was in der eigenen Linie da ist, oder evtl. nicht da ist.

Oft stellen sich die Leute diese Frage aber erst wenn sie merken dass ihr Training ihnen in der realen Welt, außerhalb des Dojo’s, nichts bringt.

Ist das nicht ein grundlegender Aspekt, weshalb manche Menschen sich überhaupt oder ggf. intensiver mit Hintergründen ihrer Kampfkunst beschäftigen oder eben nicht? In meinem Training erscheint die Mehrheit nur, um sich etwas zu bewegen. Da ist das Karatetraining einfach nur ein Ersatzfitnessclub mit einer sehr netten sozialen Komponente (die ich nicht unterbewerten möchte). Da die meisten Trainingsteilnehmerinnen und -teilnehmer schon 20+ Jahre Karate üben, haben sie auch noch das Ganzkörperkrampfkarate gelernt und verinnerlicht ("Kimäääää!!!") und kennen die "wahren, geschichtlichen Hintergründe" (Tekki lehrt das Kämpfen auf einem schmalen Boot; mit Karate kann man den bewaffneten Samurai (=Edelmann!) besiegen; gute Atmung muss laut sein; etc.). Für dieses Leute ist es schon hart genug, dass ich langsam aber bestimmt ganz neue Aspekte "einmassiere", z. B. runde und gesunde Bewegungen, verschiedene Arten der Atmung, locker-locker-locker, usw.

Erst wenn sie merken, dass ihnen diese andere Art zu trainieren, gut tut, öffnen sie sich auch für Hintergründe. Ah, da könnte doch etwas dahinterstecken, seien es physiologische Erkenntnisse und/oder auch geschichtliche Hintergründe.

Aber ein großer Teil der Menschen macht sich außerhalb des Dojos gar keine Gedanken darüber.

karate_Fan
07-11-2019, 09:07
FireFlea prinzipiell hast du recht das Hintergrund Wissen auch aktuell sein aktuell sein. Ich gehe aber bei meinem Posts von meinem Trainingsumfeld aus, und das befasst sich nun mal ausschließlich mit dem Umgang mit antiquierten Blankwaffen. Die Waffe mit der ich gerade übe, das lange Schwert ist hoffnungslos antiquiert und der Umgang damit ist in Vergessenheit geraten, bevor er durch die HEMA Szene wieder belebt wurde. Um sich mit dem Umgang dieser Waffe in Duell Kontext oder Schlachtfeld Umfeld zu beschäftigen ist man auf historisches Wissen das sich irgendwo erhalten angewiesen. Auf diesem Themengebiet wissen die Menschen heute sicher nicht mehr als die Menschen aus Mittelalter. Da wird es keine neuen Erkenntnisse geben.

Prinzipiell hast du aber natürlich recht. Modernes Wissen aus den Sportwissenschaften kann sicher helfen bestimmte Bewegungen besser zu versehen und auch auszuführen.

Hoffe es ist jetzt irgendwie verständlich worauf ich hinaus wollte.

Huangshan
07-11-2019, 09:13
Der Begriff "Hintergrundwissen" ist oft in verschiedene Bereiche aufgefächert,unterteilt und je nach Stil,Schule,Lehrer

haben z.B. in China(Reich der Mitte)verschiedene Disziplinen über die Jahrtausende die trad. Kampfkünste(TCMA) mitbeeinflusst.(neben der rein technischen Elementen,Konzepten)

Das Thema würde den Rahmen sprengen deshalb halte ich mich kurz::kaffeetri

In China leben an die hundert verschiedene Völker,Ethnien mit unterschiedlichen Kulturen,Glaubensauffassungen,Sprachen etc. .

Es sind dadurch je nach Lehrer,Schule verschiedene Aspekte,Elemente in die Kampfkünste eingeflossen.

Elemente aus:
philosophischen Denkschulen,Religionen :
siehe Volksglauben,Shamanismus,Ahnenkult,Daoismus, Konfuzianismus,Buddhimus,Islam etc.....

-TCM(trad. chin. Medizin) trad. tibetische Medizin (TTM) ,Tuina/Anmo,Akkupunktur/pressur--Daoyin,Qigong,Qi,Meridiane,Dianxue/Dimak,Meditation,Kräuterheilkunde...

-Militärische Aspekte,Bücher,Texte
Startegie,Taktik,Drill,Waffen....

-Bräuche/Etikette: Aufnahme Riten,Familienstruktur ,Drachentanz,Löwentanz,Qilintanz,Masken-Waffentänze,Trommelspiel,Musik,.....

- Mechanische/Technische Tranigshilfsmittel für Krafttranig,Ausdauertraining,Abhärtung, Koordinationsübungen etc.)
Pfähle,Sandsäcke,Steinhanteln,Dummys(Puppen), Rattanringe,Krüge,Übungswaffen......

etc.. :idea:

Literatur zum Einstieg:

Geschichte der chinesischen Philosophie: Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus(Wolfgang Bauer)


Die chinesische Kampfkunst: Spiegel und Element traditioneller chinesischer Kultur(Kai Filipiak)


Das Dao des Generals: Militärische Führung und Strategie im alten China( Martin Bödicker )



Über die Kriegskunst von Sun Zi /Sun Bin ( Patricia Hannig , Gregor Kneussel ,Zhong Yingjie )


The Shaolin Monastery: History, Religion, and the Chinese Martial Arts(Meir Shahar)


Chinese Martial Arts Training Manuals: A Historical Survey(Brian Kennedy , Elizabeth Guo)

Jingwu: The School that Transformed Kung Fu((Brian Kennedy , Elizabeth Guo)


The Seven Military Classics Of Ancient China (History and Warfare)(Ralph D. Sawyer)


PS: Wie man sieht ist das Thema umfangreich,sicherlich kann einer der Sinologen die hier im Forum schreiben noch mehr zum Thema beitragen.

kanken
07-11-2019, 09:27
Ich denke kanken meint hier nicht zwangsweise geschichtliche Hintergründe.

Absolut nicht. Geschichtliches Wissen sehe ich nur als absolute Basis an. Nichts was die Kampfkunst „inhaltlich“ weiterbringt. Sie hilft nur die eigene Richtung einzuordnen.

Wirkliches „Hintergrundwissen“ sehe ich im Bereich Physiologie, Anatomie und Psychologie, aber auch, in den traditionellen Linien, Philosophie.

Es sollte darum gehen seinen Körper zu verstehen und wie er gesteuert wird. Dann kommt man ganz schnell zum „Verstand“ und dann muss man gucken wie der funktioniert und wie man mit ihm umgeht (Stichwort Angst, Stress etc.).

Ich weiß das dieser Ansatz in der KK-Welt in Dtld. nicht weit verbreitet ist, aber ich frage mich ob das an den Leuten liegt die in die Turnhallen rennen oder an den Leuten die das Training in den Turnhallen anbieten?

Wenn ich mir die Atmosphäre in einer Boulderhalle angucke oder beim BJJ (zumindest in unserem Dojo), dann schafft die schon die Voraussetzung um das Training so zu gestalten das diese Art von Wissen vermittelt werden kann.
Wenn ich an „traditionelle KK“ in Dtld. denke, dann habe ich eigentlich immer das Bild von Leuten im Gi mit bunten Gürteln vor Augen, die schön geordnet durch die Halle pflügen.

Die Art und Atmosphäre eines Trainings bestimmt auch zu einem großen Teil wie Wissen vermittelt wird und was die Leute aufnehmen können.
Ich habe beruflich genug Seminare, Coachings und Beratungen mitgemacht um zu wissen das die Atmosphäre das Wichtigste ist wenn es darum geht was der Einzelne mit nach Hause nimmt.

Ich werde am WE ausnahmsweise, entgegen meiner sonstigen Überzeugung, ein Seminar geben und in der Vorbereitung dafür habe ich die meiste Zeit damit verbracht meine Didaktik und die Atmosphäre vorzubereiten. Inhaltlich fordert mich das jetzt nicht besonders.

Machen sich die Leute, die lehren, denn über so etwas überhaupt Gedanken? Ist Ihnen klar was sie den Leuten an Hintergrundwissen vermitteln wollen und wie sie am effizientesten tun können? Muss man Training immer so geben „wie is immer gemacht wurde“?

Gast
07-11-2019, 09:33
@FireFlea

ich unterscheide da ganz klar. Es gibt aktuelles Hintergrund wissen, wobei man auch da wissen muss wie viel und wie sehr im Detail brauch ich es.
Und geschichtliches Hintergrundwissen und da muss ich aufpassen nicht zu sehr in die Tradition zu verfallen, bzw. zu sehr zu verklären. Vor allem bei der Philosophie kann ich schnell ins Geschwurbel abdriften.

karate_Fan
07-11-2019, 10:38
@Huangshan Ja das Thema Hintergrund Wissen kann sehr vielfältig sein. Neben den technischen Hintergründen gibt es ja noch die historischen und auch ethnologischen Hintergründe. Auch die linguistischen Hintergründe können sehr spannend sein. Warum z.B die Techniken so heißen, wie sie heißen.

Mich hat um auf meinen HEMA Background zurückzukommen immer schon fasziniert warum unsere Huten so heißen wie sie heißen. Warum die Huten wie Pflug und Ochse durchaus noch einen Sinn ergeben besonders aus dem historischen Kontext heraus da wohl jeder wusste wie ein Ochs aussieht oder was ein Pflug ist, so sind die Bedeutungen der anderen Huten wie z.B Vom Tag schon wesentlich schwerer zu erkennen. Warum es vom Tag heißt z.B. Zumindest mein Trainer wusste darauf keine Antwort. Gibt aber sicher Leute in der HEMA Szene die das wissen...

Mit diesen Visualisierungen zu arbeiten ist überaus spannend, da man wohl Begriffe verwendet hat, die für einen Menschen der damaligen Zeit alltäglich wären und an sich alles so wohl leichter merken konnte.

Die Hintergründe können echt faszinierend zu erforschen sein, wenn man sich wirklich dafür interessiert.

ryoma
07-11-2019, 10:52
....Und geschichtliches Hintergrundwissen und da muss ich aufpassen nicht zu sehr in die Tradition zu verfallen, bzw. zu sehr zu verklären. Vor allem bei der Philosophie kann ich schnell ins Geschwurbel abdriften.

Das sehe ich persönlich auch als grosse Falle der verschiedenen Gendai-Budô im japanischen Bereich.
Ab Ende des WKII wurde da sooo viel heisse Luft produziert, mit dem die allermeisten Praktizierenden nichts anfangen können, bzw. teilweise auch völlig überfordert sind.
Ich beziehe mich da auf die typischen Aussagen wie "mit xyz-dô wird man ein besserer Mensch", "durch xyz-dô wird dein Charakter kultiviert", "mit xyz-dô trägt man zum Weltfrieden bei" etc....

Die Intentionen hierzu waren sicher nicht verkehrt, aber man hätte später durchaus wieder etwas auf die Bremse treten können.
Aber im Gegenteil findet sogar eine eigentliche Entschärfung bei einigen dieser Künste statt: Im Iaidô gibt es mittlerweile etliche Dôjô (in Japan wie auch hier) wo der Gebrauch eines Shinken grundsätzlich verboten ist. Im Kendô kommen praktisch jährlich neue Verbote hinzu (Tsuki als Beispiel).

Da wird dann die Diskrepanz zwischen Anspruch ("Charakterbildend") und Wirklichkeit (ein echtes Schwert? Gott behüte, nein!) allzu offensichtlich.

Um das nochmals zu verdeutlichen: Auch in den Koryû-Bujutsu gibt es philosophische Lehren welche sich im weitesten Sinne damit befassen, wie man „besser“ oder „anständiger“ wird. Aber diese Fragen (und Antworten) stehen am Ende einer langen Entwicklung und werden dem Anfänger nicht gleich beim ersten Schritt ins Dôjô an den Kopf geworfen.

karate_Fan
07-11-2019, 11:03
Das sehe ich persönlich auch als grosse Falle der verschiedenen Gendai-Budô im japanischen Bereich.
Ab Ende des WKII wurde da sooo viel heisse Luft produziert, mit dem die allermeisten Praktizierenden nichts anfangen können, bzw. teilweise auch völlig überfordert sind.
Ich beziehe mich da auf die typischen Aussagen wie "mit xyz-dô wird man ein besserer Mensch", "durch xyz-dô wird dein Charakter kultiviert", "mit xyz-dô trägt man zum Weltfrieden bei" etc....


wie kam es eigentlich dazu, dass man nach dem Krieg diese Philosophie so verstärkt angenommen hat? Die allgemeine Meinung dazu ist ja, dass die Japaner versucht haben den Amerikanern die Kampfkünste als was positives und friedliches zu verkaufen? Und das hat sich dann im Westen als Selbstläufer entwickelt? Nur stimmt das überhaupt so oder war das der einzige Grund?

Und waren die Gendai Budo Stile nicht bereits auch vor dem Krieg philosophisch angehaucht oder hat das erst wirklich nach dem verlorenen Krieg so entwickelt?

Man muss natürlich zwischen den einzelnen Gendai Budo Stilen differenzieren, aber war nicht zumindest in Aikido der Harmonie Gedanke nicht immer schon ausgeprägt?

Soweit ich weiß, hieß es ja vor dem Krieg nach anders (Aikibudo glaube ich????) war nicht Ueshiba schon immer ein sehr spiritueller Mensch durch seine Verbindung mit einer Sekte (die hieß Omoto glaube ich???) und er nicht schon immer seinem Training einer spirituelle Komponente gegeben??

Bei anderen Gendai Budo Stilen könnte es noch anders gewesen sein....

ryoma
07-11-2019, 11:16
Sorry, karate-fan. Habe meinen Beitrag gerade eben noch etwas ergänzt.

karate_Fan
07-11-2019, 11:23
Sorry, karate-fan. Habe meinen Beitrag gerade eben noch etwas ergänzt.


Schon gesehen. Vielen Dank dafür. :)

MCFly
07-11-2019, 11:32
Kanken, ich zitiere mich einmal selber::



Interessanter Thread mit schönen Beiträgen. Ich trainiere und unterrichte Ju-Jutsu und zwar das, was allgemein unter deutschem Ju-Jutsu bekannt ist. Meine Sichtweise ist recht pragmatisch. Geschichtliche Hintergründe gibt es aus Sicht der Budokünste sicherlich, aber das nimmt gerade bei Anfängern eigentlich kaum Platz ein.

... ... ... ... ...

Als Lehrer muss man all diese Dinge auf einen Nenner bringen. Das geht bei uns über die Atmosphäre, man ist tatsächlich gerade anfangs auch ein Entertainer. Die Leute wollen Spaß vermittelt bekommen, Spaß haben und ganz wichtig: sie wollen auch erste Erfolge "erfahren" (Resultate, aber auch Feedback).
Unsere Aufgabe ist immer, in einem gewissen Rahmen auf Hintergründe einzugehen. In aller Regel sind das technische Erläuterungen. Man muss Anwendungsbereiche verstehen lernen, sonst ist das Training sehr schnell Zeitverschwendung, oder besser: wenn man die Prinzipien einer Anwendung versteht, beginnt erst das eigentliche Training.

... ... ... ...


Ansonsten: Trainer und Schüler gehen einen gemeinsamen Entwicklungsweg (beide Seiten!) und das ist ein sehr schöner Prozess, keine Frage. Ich biete vieles, es ist aber die Aufgabe des Schülers, Dinge anzunehmen und für sich selbst anzuwenden (eben eigenständiges Lernen).


... .... ... ...

Ich finde es immer wichtig, dass man sich gegenseitig Respekt entgegenbringt. Natürlich nimmt man als Trainer auch eine Vorbildfunktion ein, aber irgendwann kommt auch der Punkt, ab dem der Schüler vielleicht einmal selbst unterrichtet, ab dem man sich mehr und mehr auf einer Höhe bewegt. Mein Wunsch ist immer, dass meine Schüler irgendwann besser sind, als ich selber. Und vielleicht trotzdem noch zu meinem Training kommen, einfach, weil man sich schätzt.

Atmosphäre ist immer ein zentraler Bestandteil eines guten Trainings. Ich schrieb weiter, dass vieles im JJ auf einem guten Weg ist. Das ist auch dem heutigen Zeitgeist geschuldet, die Einflüsse und die Vertreter verschiedenster Stile sind spürbar, das alte Korsett aus Judo-Karate-Aikkdo ist längst aufgebrochen.
Die Lehrer, die heute noch dieses altbekannte hierarchische, dogmatische und starre Muster verfolgen, sind idR diejenigen, die sich nicht mehr selber weiterentwickeln (wollen?).

Alfons Heck
07-11-2019, 11:34

Ich beziehe mich da auf die typischen Aussagen wie "mit xyz-dô wird man ein besserer Mensch", "durch xyz-dô wird dein Charakter kultiviert", "mit xyz-dô trägt man zum Weltfrieden bei" etc....
...
damit befassen, wie man „besser“ oder „anständiger“ wird. Aber diese Fragen (und Antworten) stehen am Ende einer langen Entwicklung und werden dem Anfänger nicht gleich beim ersten Schritt ins Dôjô an den Kopf geworfen.
Naja...wenn ich mir die Interessenten ansehe stelle ich grob gerastert fest:
Kinder: Mama/Papa will das
Jugendliche: Kickboxen, Straßenkampf, SV
30er: Meditation, Philosophie, Atemübungen
ab 40er: Freizeit- und Gesundheitsaspekte

Die 30er sind aktuell die Gruppe die am meistens reinschaut und am wenigsten anfängt.
Die haben also schon einen "Hintergrund" und suchen das dazu passende Angebot und werden sicher auch fündig.


Gruß
Alfons.

kanken
07-11-2019, 11:48
Atmosphäre ist immer ein zentraler Bestandteil eines guten Trainings. Ich schrieb weiter, dass vieles im JJ auf einem guten Weg ist. Das ist auch dem heutigen Zeitgeist geschuldet, die Einflüsse und die Vertreter verschiedenster Stile sind spürbar, das alte Korsett aus Judo-Karate-Aikkdo ist längst aufgebrochen.

Was für Literatur geht ihr denn Interessierten an die Hand bzgl. Geschichte, Anatomie, Physiologie und ggf. Philosophie?

Ich frage deshalb, da ich aktuell eine Liste für unseren Gebrauch zusammenstelle und mich interessiert was andere so empfehlen.

carstenm
07-11-2019, 11:52
wie kam es eigentlich dazu, dass man nach dem Krieg diese Philosophie so verstärkt angenommen hat? Die allgemeine Meinung dazu ist ja, dass die Japaner versucht haben den Amerikanern die Kampfkünste als was positives und friedliches zu verkaufen? Und das hat sich dann im Westen als Selbstläufer entwickelt? Nur stimmt das überhaupt so oder war das der einzige Grund?In der Geschichte des aikidô war die (scheinbare) Aufgabe der engen Verbindung dieses budô mit einer ultranationalistischen politischen Einstellung und Aktivität und der Umdeutung in ein auch aus westlicher Perspektive positives japanisches Kulturgut m.E. nur ein Aspekt.

Einen viel größeren Einfluß hat nach meinem Dafürhalten die Öffnung des Übens für die allgemeine Öffentlichkeit gehabt.

Die tiefe und konkrete Verwurzelung des Übens in dem daoistischen bzw. neo-shintoistischen Hintergrund konnte unter diesen Bedingungen nicht mehr vermittelt werden. Das war ja vorher in einem abgeschlossenen Kontext offenbar schon schwierig genug gewesen.
Und damit eng verbunden hat sich auch das Üben selbst verändert: Ohne diesen Hintergrund konnte nicht mehr in gleicher Weise die bis dahin zentrale "innere Bewegung" gelehrt und gelernt werden, so daß an deren Stelle "äußere Bewegungen" getreten sind, die bis heute zuallermeist das Bild des aikidô prägen. Und auch die damit verbundenen Vorstellungen, wie Ausweichen, "Energie" des Angreifers nutzen, "umlenken", auf ihn zurück "führen", sich verbinden mit der Energie des Angreifers, ... usw. sind so in Ermangelung der eigentlichen, ursprünglichen Übungsinhalte und Vorstellungen entstanden.


... war nicht zumindest in Aikido der Harmonie Gedanke nicht immer schon ausgeprägtAuch die Deutung bestimmter zentraler Begriffe, wie z.B. Harmonie oder Liebe hat sich durch diese Öffnung verändert: Sie wurden aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgerissen und in neue Kontexte transportiert, so daß die ursprünglichen, eigentlichen Bedeutungen - die eben auch konkrete Übungsinhalte transportiert haben - verloren gegangen sind. Und einigermaßen willkürlich durch das je eigene Verständnis im dieser Begriffe ersetzt wurde.

----

Ergänzung:
Die Veränderungen durch die Öffnung des Übens für die Öffentlichkeit fallen interessanterweise zeitlich in etwa zusammen mit dem Verbot Ueshibas, Herausforderungen anzunehmen. Woraus die heute gängige Anschauung entstanden ist, im aikidô ginge es per se nicht ums Kämpfen.
Inhaltlich hat beides allerdings ursprünglich nichts miteinander zu tun, da das Verdikt Ueshibas auf einen konkreten Vorfall zurückgeht, bei der sich ein Herausforderer nachhaltig verletzt hat.

oxox
07-11-2019, 12:02
Ist nicht unbedingt meine Meinung, aber ich könnte mir vorstellen man könnte argumentieren, dass es manchmal besser ist alte Traditionen bewusst über Bord zu werfen und mehr oder weniger komplett neu anzufangen. Also bewusst die alten Hintergründe nicht mehr unterrichten, oder nur sehr dosiert. Das steht man kurzfristig vielleicht schlechter da aber langfristig möglicher Weise besser. Wenn es nur um den praktischen Nutzen geht es ist das wohl eine Erwägung, das andere wäre dann Liebhaberei. Das bedeutet nicht, dass die alten Sachen nichts wissenswertes zu lehren haben, aber in der Kosten-Nutzen-Rechnung können die Vorteile gefühlt nicht immer den damit verbundenen Mehraufwand rechtfertigen. Siehe zum Beispiel ein erforderliches, komplexes Hintergrundwissen bezüglich dem kulturellen Kontext von Ideen, Bildern, und so weiter. So wie Kanken das zu schildern scheint.

Nach meiner bescheidenen Kenntnis war der Langbogen noch sehr lange relativ modernen Schusswaffen überlegen. Wenn ein trainierter Bogenschütze 12-15 Pfeile in der Minute abschießen konnte wäre das nicht so weit weg von einem K98, oder? Aber der Aufwand um einen trainierten Bogenschützen auszubilden ist halt wesentlich höher. So gesehen war es trotz kurzfristiger Nachteile trotzdem schlauer auf die neue Technologie umzusteigen. So gesehen war ja der Boxeraufstand in China vielleicht eben so ein Argument gegen alte Traditionen, im Anbetracht des Ausgangs der westlichen Militärintervention. Aber vielleicht vestehe ich das auch falsch.

War solche Beweggründe nicht auch ein Faktor während der Meiji-Restauration in Japan? Von wegen der von Kanken angesprochenen Militarisierung und dem japanischen Nationalismus? Das halte ich für das Thema interessant, weil ein Teil der alten Traditionen doch über Bord geschmissen wurde. Andererseits, vielleicht wurde da auch nur umgewichtet. Zen z.B. hatte doch einen anhaltenden Einfluss auf das Militärwesen?

ryoma
07-11-2019, 12:21
....
War solche Beweggründe nicht auch ein Faktor während der Meiji-Restauration in Japan? Von wegen der von Kanken angesprochenen Militarisierung und dem japanischen Nationalismus? Das halte ich für das Thema interessant, weil ein Teil der alten Traditionen doch über Bord geschmissen wurde. Andererseits, vielleicht wurde da auch nur umgewichtet.

Die Beweggründe, warum es nach einem jahrzehntelangen Prozess schlussendlich zur Meiji-Restauration kam, sind vielschichtig.
Einer der wesentlichen Gründe war die Situation in Rest-Asien und das Wissen darum in Japan. Leute wie Takasugi Shinsaku (1839-1867) aus dem Chôshû-han, welches der Zentralregierung seit jeher feindlich gesinnt war, reisten z.B. illegal nach Shanghai und haben mit eigenen Augen die Auswirkungen der westlichen Expansion gesehen.
Die Meiji-Restauration bzw. die Errichtung einer echten und schlagkräftigen Zentralregierung war also die japanische Antwort auf den Kolonialismus. Man kann den daraus entstandenen jap. Kolonialismus und die Expansion verurteilen, aber dies war die damals einzige Möglichkeit, ein Gegengewicht zum übermächtigen Westen aufzubauen.


Zen z.B. hatte doch einen anhaltenden Einfluss auf das Militärwesen?

Das musst du nochmal genauer erklären, wie das gemeint sein soll.

oxox
07-11-2019, 12:37
@ryoma
Also anhaltend meinte bis zum Ende des zweiten Weltkriegs bzw. den Einfluss von Leuten wie D.T. Suzuki, von wegen: “it is really not he but the sword itself that does the killing. He had no desire to do harm to anybody, but the enemy appears and makes himself a victim. It is as though the sword performs automatically its function of justice, which is the function of mercy.” Das als Faktor in der Dynamik die die spezielle Ausprägung des damaligen Soldaten-Ethos begünstigt hat.

Hier in Deutschland hat Himmler ja auch angeblich eine Bhagavad-Gita-Kopie mit sich herum getragen, was zwar nichts mit Zen an sich zu tun hat, aber auch in Richtung einer Abkopplung von Taten und persönlicher Verantwortung gehen kann. Je nach Auslegung.

Gast
07-11-2019, 12:49
Was für Literatur geht ihr denn Interessierten an die Hand bzgl. Geschichte, Anatomie, Physiologie und ggf. Philosophie?

Ich frage deshalb, da ich aktuell eine Liste für unseren Gebrauch zusammenstelle und mich interessiert was andere so empfehlen.


Finde ich jetzt schwierig gute Bücher zu nennen, die Du noch nicht kennst. Mit deinem Wissen wirst Du wahrscheinlich auch anders beurteilen, ob ein Buch gut oder schlecht ist. Nichts desto
trotz....ich wage es mal.

1. Chinese Energetic Medicine Vol. 1 - 5 von Jerry Alan Johnson
https://bookstore.qigongmedicine.com/collections/medical-qigong-books/products/volume-1-the-secret-teachings-of-chinese-energetic-medicine-energetic-anatomy-and-physiology

2. Dreizehn Kapitel zu T'ai Chi ch'uan von Chen Man Ching (mir gefällt vor allem das Kapitel: Chi-Kraft in Anwendung und Physik)

3. Die zwölf Grade der Freiheit von Christian Larsen
https://www.amazon.de/Zw%C3%B6lf-Grade-Freiheit-Spiraldynamik-Bewegungskoordination/dp/3928632167/ref=sr_1_2?adgrpid=72083648852&gclid=EAIaIQobChMI2sfSk4DY5QIVxbHtCh2YuAvIEAAYASAA EgLf6vD_BwE&hvadid=332686022102&hvdev=c&hvlocphy=1003297&hvnetw=g&hvpos=1t1&hvqmt=e&hvrand=9318456661508054948&hvtargid=kwd-299711158729&hydadcr=14744_1801965&keywords=die+zw%C3%B6lf+grade+der+freiheit&qid=1573126331&sr=8-2

4. Jian Rongqiao's Baguazhang translated by Andrea Falk
http://www.thewushucentre.ca/book-translations/bagua-books-and-videos/jiang-rongqiaos-baguazhang.html

5. Daodejing - Übersetzung von R.L.Wing (die einzige Übersetzung die ich gefunden habe und was damit anfangen kann)


Ich denke, was wäre es mal für's erste, was mir gleich so in den Sinn kommt.

Glückskind
07-11-2019, 13:05
5. Daodejing - Übersetzung von R.L.Wing (die einzige Übersetzung die ich gefunden habe und was damit anfangen kann)

Bei der Gelegenheit weise ich mal auf die leider nur noch im Web-Archiv existierende Seite mit vielen verschiedenen Übersetzungen hin:

https://web.archive.org/web/20100413143426/http://home.pages.at/onkellotus/TTK/_IndexTTK.html

Dem Web Archiv sollte ich endlich mal was Spenden... :o

Gast
07-11-2019, 13:27
Abkopplung von Taten und persönlicher Verantwortung... Je nach Auslegung.

Aber einen "anhaltenden Einfluss" auf das Militärwesen kann man doch daraus nicht ableiten, genausowenig hatte die Bhagavatgita einen solchen auf das deutsche Militärwesen.

ryoma
07-11-2019, 13:33
@ryoma
Also anhaltend meinte bis zum Ende des zweiten Weltkriegs bzw. den Einfluss von Leuten wie D.T. Suzuki, von wegen: “it is really not he but the sword itself that does the killing. He had no desire to do harm to anybody, but the enemy appears and makes himself a victim. It is as though the sword performs automatically its function of justice, which is the function of mercy.” Das als Faktor in der Dynamik die die spezielle Ausprägung des damaligen Soldaten-Ethos begünstigt hat.

Hier in Deutschland hat Himmler ja auch angeblich eine Bhagavad-Gita-Kopie mit sich herum getragen, was zwar nichts mit Zen an sich zu tun hat, aber auch in Richtung einer Abkopplung von Taten und persönlicher Verantwortung gehen kann. Je nach Auslegung.

Ach so, ja.
Dazu gibt es ein sehr gutes Buch: "Zen at War" von Brian Victoria. Ist glaube ich so ca. 10 Jahre alt.
Soweit ich weiss, ist Victoria selbst ordinierter Zen-Mönch (weiss nicht mehr welcher Schule genau).
Selbst habe ich nur Auszüge daraus gelesen. Aber es scheint hervorragend recherchiert zu sein. Warum sich viele jap. Buddhisten (nicht nur die vergleichsweise kleinen Schulen des Zen) in den Dienst des jap. Nationalismus stellten, hatte z.T. sicher auch mit der starken anti-buddhistischen Doktrin der Meiji-Zeit zu tun. Buddhisten wollten so zeigen, dass sie sehr wohl zur jap. Nation standen und sie zu verteidigen gedenken.

kanken
07-11-2019, 13:34
Finde ich jetzt schwierig gute Bücher zu nennen, die Du noch nicht kennst.

Soll gar nicht darum gehen ob ich sie kenne, oder nicht.

Mich würde viel mehr interessieren was ihr Euren Leuten allgemein an die Hand gebt, wenn ihr es überhaupt tut.

MCFly
07-11-2019, 13:50
Was für Literatur geht ihr denn Interessierten an die Hand bzgl. Geschichte, Anatomie, Physiologie und ggf. Philosophie?

Ich frage deshalb, da ich aktuell eine Liste für unseren Gebrauch zusammenstelle und mich interessiert was andere so empfehlen.

Ich schicke Dir gerne am Wochenende ein paar Titel und Herausgeberinfos, da ich aktuell auf Dienstreise bin. Zum Thema Strech-, Dehnübungen, bzw. sinnvollem Aufbau und muskulârem Zusammenspiel habe ich z.B. ein ganz gutes Buch aus dem Kunstturnen. Ist wohl schon was älter, kann ich aber empfehlen und mache ich auch. Stock und Messer halte ich mich an Literatur zur Historie, Schwerpunkt historisches Fechten. Gibt es sehr schöne Ausführungen, gerade zum Hintergrund und Anwendungsbereich verschiedener Techniken.
Du bekommst Post :)

carstenm
07-11-2019, 13:54
Mich würde viel mehr interessieren was ihr Euren Leuten allgemein an die Hand gebt, wenn ihr es überhaupt tut.Wenn es Menschen gibt, die das möchten, u.a:

- Die Bücher von Damo Mitchell. Je nach Kenntnisstand oder Übungsintention. Als Basis aber zunächst "Daoist Nei Gong. The philosophical Art of Change"
- Sensationen in den Sehnen von Xander.
- Anatomy Trains von Myers
- Dynamic Alignement von Eric Franklin
- The Secret Teachings of Aikido von Morihei Ueshiba
- Touching the Infinite: A New Perspective on the Buddha's Four Foundations of Mindfulness von von Rodney Smith, weil darin interessanterweise etliche "Hinweise" auf körpliche Aspekte "versteckt" sind, die auch im aikidô geübt werden.

Und auch Kopien aus meinem persönlichen Übungs-Journal von Seminaren mit Dan Harden und Damo Mitchell.


Aaaaber, ich gebe freimütig zu: es gibt nur wenige Übende, die das tatsächlich verdauen möchten ...
... andere allerdings gibt es, da bleibt es dann nicht bei diesen "Klassikern".

In meinem eigenen Üben lerne ich eher durch die persönlichen "Lehrgespräche" mit meinen Lehrern, als durch Bücher.

Gast
07-11-2019, 13:55
Soll gar nicht darum gehen ob ich sie kenne, oder nicht.

Mich würde viel mehr interessieren was ihr Euren Leuten allgemein an die Hand gebt, wenn ihr es überhaupt tut.


Mich interessiert , ob eure Schüler sich die Bücher, die ihr empfehlt, auch wirklich besorgen und lesen. Meine Erfahrung ist, dass die meisten unglaublich interessiert tun, schlussendlich aber ausserhalb der Trainingszeit sich nicht mehr mit der Materie auseinander setzen. Das ist dann wirklich die Ausnahme. Wie motiviert ihr die Schüler, täglich auch zuhause zu üben und Geld und Zeit zu investieren, die empfohlene Literatur auch wirklich zu lesen?

Geht das überhaupt ohne Obligatorium inkl. Prüfung der entsprechenden Inhalte?

kanken
07-11-2019, 15:02
Wie motiviert ihr die Schüler, täglich auch zuhause zu üben und Geld und Zeit zu investieren, die empfohlene Literatur auch wirklich zu lesen?

Geht das überhaupt ohne Obligatorium inkl. Prüfung der entsprechenden Inhalte?

Wir geben Ihnen die Bücher an die Hand und verweisen bei den Erklärungen auch immer auf die entsprechende Literatur.
Das „alleine Üben“ ist bei uns eh das Normale, da im gemeinsamen Training Partnerübungen gemacht werden und man da ohne Einzeltraining zu Hause (Stehen, Kreisgehen) keine Fortschritte machen kann.

Klar, wir haben auch nicht 20 Leute jede Einheit im Training, sondern sind 4-8 Leute, aber die trainieren halt so, weil sie sich für die Sache interessieren. Fairerweise muss man auch sagen dass jeder einzelne weit über 10 Jahre KK-Erfahrung auf dem Buckel hat.

Ich denke man muss halt sehen wer, was, wann braucht. Im Karate habe ich damals auch ganz langsam mit Geschichtsbüchern angefangen, bzw. das allererste Buch zu den Hintergründen war zu Weihnachten 1993 von meinem Lehrer eine Ausgabe des BSK-Lexikons, das es damals gar nicht zu kaufen gab, sondern als internes Sammelwerk des BSK den Leuten zur Verfügung stand.

Werner Lind wird immer vorgeworfen keine seriösen Quellen zu nennen, nur abgeschrieben zu haben etc. Ich kann aber sagen dass es 1993 für einen 16-jährigen Anfänger ein Geschenk war dieses Buch zu haben. Es gab sonst: NICHTS. Kein Internet, kein Amazon, man wußte gar nicht welche Titel überhaupt existierten. Nachdem ich das Lexikon gefühlte 10 mal gelesen hatte und das Netz allmählich aufkam habe ich mir natürlich Werners Originalquellen besorgt (die er für die Leute auch nie geheim hielt) und gelesen. Wissen entwickelt sich weiter, gar keine Frage und heute gibt es viel mehr Möglichkeiten an Wissen zu kommen, aber man muss auch lernen welches Wissen gut ist und welches nicht.

Ich habe auf meiner Liste für die TCMA über 50 Bücher stehen, zu allen möglichen Bereichen. Von Geschichte über Anatomie/Physiologie, Neurobiologie bis zu Psychologie und Philosophie. Einige sind Dissertationen oder Fachbücher, andere „Laienliteratur“.
Die Kunst des Lehrers sollte doch darin bestehen dem Schüler das zu empfehlen was er gerade gebrauchen kann.

Geschichtlich zur TCMA fange ich z.B. immer mit Lorge an, zu China allgemein mit Keay. In Anatomie und Physiologie empfehle ich den Speckmann/Wittkowski, weil er das Thema für Laien gut aufarbeitet ohne zu oberflächlich zu bleiben. In Neurobiologie habe ich den Carter (für medizinische Laien) schätzen gelernt, zur Gewalt an erster Stelle de Becker (Mut zur Angst) und Miller (Meditations on Violence). Zur Psychologie ist Petersen (12 Rules of Life) super.

Das sind 7 Bücher. Wenn man die durch hat dann hat man schon einmal einen sehr guten Überblick. Die Bücher sind weit weg vom kompliziert oder abgehobener Fachliteratur. Wen es interessiert und wer die gelesen hat, der bekommt dann gerne weiterführende Tipps (z.B. Anatomy Trains, Shahar etc.).
Wichtig ist ja nur das der jeweilige Trainer/Lehrer weiß was er wann wem empfehlen kann (und die Bücher natürlich dazu kennen muss).

Inhaltliches zum Training ist noch einmal etwas anderes, das gehört aber, bedingt durch die Sprache und Tradition, in den Bereich Philosophie und spezielle Geschichte, außerdem wird das eh intensivst „Hands on“ erklärt. Da muss man dann schon die empfohlene Literatur lesen um die Sprache zu verstehen, auch wenn man es erklärt.

Wie gesagt, ich bin mit Hintergrundwissen in den KK groß geworden. Klar, ich mußte es auch durch die abzugebenden Report, zu denen auch IMMER eine Quellenangabe gehörte. Ich denke aber man muss den Leuten einfach klar machen dass sie freiwillig beim Training sind und das es in den KK mehr gibt als reines Schwitzen und Üben an 1-2 Tagen die Woche für 2 Stunden. Das „Warum“ trainiere ich, ist auch ein wichtiger Faktor, über den sich die Leute klar werden sollten.

Wenn ich ZZ beruflich in der Therapie einsetze, dann erzähle ich den Leuten auch nix von den Hintergründen, oder wenn ich Techniken/Prinzipien aus dem Bagua ins Schutztechnikenprogramm bringe, dann muss ich auch nix zur Geschichte der TCMA erzählen.

Man muss halt wissen was man hat, und was man für wen will und wie man es den Leuten beibringen möchte. Genau aus diesem Grund habe ich ja den Faden hier eröffnet, weil mich interessiert wie das Andere machen.

ainuke
07-11-2019, 16:13
Oh je, jetzt hat mich dieser wirklich interessante Thread doch wieder angestachelt, ob ich im hohem Alter von 53 nicht doch nochmals anfangen sollte, richtig Japanisch zu lernen. Ich meine eben "richtig". Zum Schlaudaherschwätzen im Dojo reicht es ja. Aber ich habe beispielsweise jede Menge alter Karatebücher, kann sie nur leider nicht lesen.

Hat jemand eine Idee, wie ich so etwas realistisch angehen kann? So einfach mal schnell an der Uni einschreiben, geht nicht, da ich ab und zu auch noch arbeiten muss und in der Regel auch viel auf Reisen bin. Kann jemand eine gute Lern-App empfehlen? Spanisch lerne ich so zum Spaß mit Babbel.de. Das funktioniert sehr gut. Aber da gibt es kein Japanisch.

Gast
07-11-2019, 16:41
Oh je, jetzt hat mich dieser wirklich interessante Thread doch wieder angestachelt, ob ich im hohem Alter von 53 nicht doch nochmals anfangen sollte, richtig Japanisch zu lernen. Ich meine eben "richtig". Zum Schlaudaherschwätzen im Dojo reicht es ja. Aber ich habe beispielsweise jede Menge alter Karatebücher, kann sie nur leider nicht lesen.

Hat jemand eine Idee, wie ich so etwas realistisch angehen kann? So einfach mal schnell an der Uni einschreiben, geht nicht, da ich ab und zu auch noch arbeiten muss und in der Regel auch viel auf Reisen bin. Kann jemand eine gute Lern-App empfehlen? Spanisch lerne ich so zum Spaß mit Babbel.de. Das funktioniert sehr gut. Aber da gibt es kein Japanisch.

Da können wir am Samstag mal drüber sprechen:)
Nur soviel: Japanisch Lesen und japanisch Sprechen sind aber in gewisser Weise zwei paar Stiefel; fürs Lesen lernen kann ich dir bestimmt bisschen weiterhelfen.

Gast
07-11-2019, 16:53
. Kann jemand eine gute Lern-App empfehlen?

Vielleicht der Stein von Rosetta.
Gibts allerdings nicht für lau.

Kiryu-Lee
07-11-2019, 17:05
Oh je, jetzt hat mich dieser wirklich interessante Thread doch wieder angestachelt, ob ich im hohem Alter von 53 nicht doch nochmals anfangen sollte, richtig Japanisch zu lernen. Ich meine eben "richtig". Zum Schlaudaherschwätzen im Dojo reicht es ja. Aber ich habe beispielsweise jede Menge alter Karatebücher, kann sie nur leider nicht lesen.

Hat jemand eine Idee, wie ich so etwas realistisch angehen kann? So einfach mal schnell an der Uni einschreiben, geht nicht, da ich ab und zu auch noch arbeiten muss und in der Regel auch viel auf Reisen bin. Kann jemand eine gute Lern-App empfehlen? Spanisch lerne ich so zum Spaß mit Babbel.de. Das funktioniert sehr gut. Aber da gibt es kein Japanisch.

Ich lerne zur Zeit mit Duolingo Spanisch, Russisch und Mandarin. Memrise hab ich auch versucht, da stand im Internet es sei kostenlos. Ja, die ersten zwei Übungen vielleicht. Also Duolingo finde ich bisher wirklich ganz gut für eine kostenlose App. Aber wenn man dann wirklich lernen will, v.a. das Sprechen, reicht die App nicht mehr aus. Für den Anfang aber bestimmt ganz gut und wie gesagt auch gratis. :)

Edit: Natürlich wird dort auch Japanisch angeboten. Das gute ist auch, du kannst glaub ich sogar angeben, welche Muttersprache du hast bzw. welche Gegensprache du willst. Dies stellt dann das entsprechende Pendant dar. Das heisst ich übe jetzt z.Z. Russisch mit Gegensprache English.

FireFlea
07-11-2019, 23:48
Ich denke man muss halt sehen wer, was, wann braucht. Im Karate habe ich damals auch ganz langsam mit Geschichtsbüchern angefangen, bzw. das allererste Buch zu den Hintergründen war zu Weihnachten 1993 von meinem Lehrer eine Ausgabe des BSK-Lexikons, das es damals gar nicht zu kaufen gab, sondern als internes Sammelwerk des BSK den Leuten zur Verfügung stand.

Werner Lind wird immer vorgeworfen keine seriösen Quellen zu nennen, nur abgeschrieben zu haben etc. Ich kann aber sagen dass es 1993 für einen 16-jährigen Anfänger ein Geschenk war dieses Buch zu haben. Es gab sonst: NICHTS. Kein Internet, kein Amazon, man wußte gar nicht welche Titel überhaupt existierten. Nachdem ich das Lexikon gefühlte 10 mal gelesen hatte und das Netz allmählich aufkam habe ich mir natürlich Werners Originalquellen besorgt (die er für die Leute auch nie geheim hielt) und gelesen. Wissen entwickelt sich weiter, gar keine Frage und heute gibt es viel mehr Möglichkeiten an Wissen zu kommen, aber man muss auch lernen welches Wissen gut ist und welches nicht.


So ist es. Mein erstes Karate Buch waren die 25 Shotokan Kata von Pflüger und die Enzyklopädie von Lind war seinerzeit super und hat erste Hinweise gegeben, dass außerhalb der bekannten Karatewelt noch etwas mehr existiert. Ansonsten gab es neben den ganzen Büchern aus dem Falken- und Weinmann Verlag nicht viel.

Ändert aber nix daran, dass Lind teils ziemlich abgeschrieben hat und auch einiger Quatsch drinsteht ;)

kanken
08-11-2019, 07:25
Ändert aber nix daran, dass Lind teils ziemlich abgeschrieben hat und auch einiger Quatsch drinsteht ;)

Klar, aber er hatte es ja primär erst einmal für seine Leute aus dem Englischen übersetzt und zusammengetragen (zur fehlenden Quellenangabe müssen wir nix sagen...). Was dann danach veröffentlicht wurde und wie ist wieder eine andere Nummer.

Bei meinen über 50 Büchern, die ich heute empfehlen würde, ist auch keins von Lind dabei.

ryoma
08-11-2019, 08:58
In meinem Bereich empfehle ich zu Beginn gerne Bücher, welche als "myth buster" dienen können.

- SHOTS IN THE DARK. JAPAN ZEN AND THE WEST von Yamada Shoji

- SAMURAI, WARFARE AND THE STATE IN EARLY MEDIEVAL JAPAN von Karl F. Friday

- THE TEETH AND CLAWS OF THE BUDDHA: MONASTIC WARRIORS AND SOHEI IN JAPANESE HISTORY von Mikael S. Adolphson

Es geht darum, mit den grössten Irrtümern, Missverständnissen und Falschaussagen aufzuräumen bei den Schülern.
Denn jeder von uns stolpert in schöner Regelmässigkeit auf x-fachen Websites von Dôjô und Sportclubs über den grössten Blödsinn.

karate_Fan
08-11-2019, 09:00
@ainuke Nur mal so eben mit ein paar Aps Japanisch lernen wird nichts werden, außer du bist überdurchschnittlich intelligent. Das war der Grund warum ich mich bereits vor geraumer Zeit angefangen habe Japanisch zu lernen und es immer noch lerne. Bin auf Anfänger Level schon ganz ok, kann Hiragana und auch Katakana schon schreiben und auch recht gut lesen, und auch etwas sprechen geht schon, aber dieses Basic Level bringt einem beim Lesen von Fachartikel nicht. Dafür muss man Kanji lesen können.

Und die lernt man nicht so schnell mal nebenbei. Das Problem ist auch, das beim gängigen Japanisch Untericht die Kanji erst mal Nebensache sind, und man sich zuerst nur auf die Kana konzentriert. Außer du hast Glück und findest eine Schule in D-Land die dich auf den JPLT vorbereitet. Dort werden die Kanji früher oder später durchgenommen.

Oder du machst es so wie ich, wenn das nötige Kleingeld hast und besuchst eine Sprachschule in Japan. Ich war schon 3 mal in Japan und habe bei den letzten beiden Besuchen immer für 3 Wochen eine Sprachschule besucht und es war vom Ergebnis her sehr gut. Denke das ich nächstes Jahr dort wieder einen Kurs machen werde.

Viel Glück jedenfalls bei deinen Bemühungen. Aber denk daran, bis du Bücher lesen kannst, besonders Fachbücher ist es ein weiter und steiniger Weg.

Huangshan
08-11-2019, 09:04
Fire Flea:

In meiner Budoromantik Phase habe ich auch Linds Lexikon gelesen, da es damals nur wenig Material in deutscher Sprache gab.
Erinnere mich das Lind erwähnt hat das Roland Harbersetzer von ihm abgeschrieben hat ?

http://www.budopedia.de/wiki/Lexikon_der_Kampfk%C3%BCnste


kanken ;

Was soll man dir als Medizinmann im Bereich Physiologie ,Anatomie ... noch empfehlen da du ja Fachlich kompetenter bist.;) (Danke für die Buchtipps)

Beim Thema chin. Geschichte,Philosophie etc. halte ich mich persönlich an die Empfehlungen meiner chin. Lehrer und an Empfehlungen von Sinologen.

PS: möchte mich an dieser Stelle bei Gong Fu(der Sinologe ist) für seine Empfehlungen zum Thema Quan Pu bedanken und an seine Kritik.

DatOlli
08-11-2019, 09:07
Auch von mir danke für die Buchempfehlungen.

Liebe Grüße
DatOlli

karate_Fan
08-11-2019, 09:11
@Ryoma Danke für deine Buchempfehlungen. Hätte dazu noch eine Frage.

Ist SHOTS IN THE DARK. JAPAN ZEN AND THE WEST auch für Leute wie mich empfehlenswert die absolut nichts über Zen wissen, oder wäre es ratsam vorher noch andere Text über Zen zu lesen bevor man sich an das Buch heran wagt?

ryoma
08-11-2019, 10:31
@Ryoma Danke für deine Buchempfehlungen. Hätte dazu noch eine Frage.

Ist SHOTS IN THE DARK. JAPAN ZEN AND THE WEST auch für Leute wie mich empfehlenswert die absolut nichts über Zen wissen, oder wäre es ratsam vorher noch andere Text über Zen zu lesen bevor man sich an das Buch heran wagt?

Nein, über Zen muss man nichts wissen, um aus dem Buch hervorragende Erkenntnisse zu ziehen!
Das Buch hat schon beim Erscheinen nicht allen gefallen und es gefällt auch vielen immer noch nicht. Insbesondere in der Kyûdô-Community...

Zen und die japanischen Kampfkünste (oder sonstigen Künste) sind ja ein leidiges Thema. Angefangen hat das ganze mit einem grossen, wirklich grossen Missverständnis des deutschen Professors Eugen Herrigel im Jahre 1926. Er trat für einige Jahre eine Stelle als Philosophie-Professor an einer japanischen Universität an und traf in dieser Zeit auf Zen und japanisches Bogenschiessen (oder das was er dafür hielt). Und so nahm das Unheil seinen Lauf… :D

Im ersten Teil befasst sich das Buch sehr detailliert mit der Biographie Herrigels, der Kyûdô-Geschichte und Zen. Im zweiten Teil wird auch der berühmte Steingarten des Ryoan-ji auf seine „Zen-Tauglichkeit“ hin geprüft (durchgefallen!).
Insbesondere wird auch untersucht wie das Bild Japans, welches der Westen sehen will, entstand und bis heute weiterbesteht und wie dieses Bild quasi wieder nach Japan „re-importiert“ wurde. Hier wird minutiös nachgewiesen, dass es tatsächlich nie eine irgendwie geartete Wesensverbindung zwischen Zen und den verschiedenen japanischen Künsten gab (bis auf wenige, marginale Touchpoints).

Ein Muss für alle, die es wagen, lieb gewonnene Erkenntnisse in Frage zu stellen und wirklich Neues lernen wollen!
Gerade für die kommenden Festtage wäre das doch was, um seine Nase drin zu vergraben. ;)

karate_Fan
08-11-2019, 10:41
Ok das hört sich schon vielversprechend an Ryoma.

[QUOTE=ryoma;3713082]Zen und die japanischen Kampfkünste (oder sonstigen Künste) sind ja ein leidiges Thema. Angefangen hat das ganze mit einem grossen, wirklich grossen Missverständnis des deutschen Professors Eugen Herrigel im Jahre 1926. Er trat für einige Jahre eine Stelle als Philosophie-Professor an einer japanischen Universität an und traf in dieser Zeit auf Zen und japanisches Bogenschiessen (oder das was er dafür hielt). Und so nahm das Unheil seinen Lauf… :D
[QUOTE]

Und der von dir angesprochene Punkt ist genau der Grund warum ich überhaupt gefragt habe. Wissen oder nennen wir es vermeidliches Wissen über Zen findet man online in der heutigen Zeit sehr leicht. Nur fundiertes Wissen über Zen und die japanischen KK findet man hingegen nicht so leicht.

Da haben sich Gerüchte oder falsch verstandene Meinungen mit der Wahrheit vermischt. Aber gut zu wissen, dass das Buch dann genau das ist was ich suche.

karate_Fan
08-11-2019, 11:05
In Sachen Hintergrund Wissen würde sich neben Büchern natürlich auch noch das Lesen von bestimmten Blogs anbieten. Sofern diese professional geschrieben sind könnten die auch einiges an Informationen bitten.

In Sachen japanische Kampfkünste bietet sich der Blog vom guten Ryoma z.B sehr an

https://schwertgedanken.com/

Das hier ist ebenfalls

https://lifeforasword.wordpress.com/author/lifeforasword/

ein netter Blog der glaube ich ebenfalls von einem Mitglied des KKB betreut wird. Leider ist mir der Nickname entfallen :p

In Sachen CMA

gefällt mir

https://chinesemartialstudies.com/

das hier sehr gut.

carstenm
08-11-2019, 11:17
In Sachen Hintergrund Wissen würde sich neben Büchern natürlich auch noch das Lesen von bestimmten Blogs anbieten. ...Nicht nur interessant für aikidôka oder Schüler von Dan Harden:
https://www.aikidosangenkai.org/blog/

ryoma
08-11-2019, 11:21
...

Das hier ist ebenfalls
https://lifeforasword.wordpress.com/author/lifeforasword/

ein netter Blog der glaube ich ebenfalls von einem Mitglied des KKB betreut wird. Leider ist mir der Nickname entfallen :p

Das ist der verehrte Dragodan!

step-by
08-11-2019, 20:41
Was kann ich aus diesem Thread mitnehmen? Den ich sorgfältig gelesen habe.

Ich bin etwas erstaunt, daß ich mit Schnueffler einer Meinung bin.



Sehe ich anders. Aber vielleicht schreiben wir gleich auch nur aneinander vorbei.
Das Fundament sollte bei allen vorhanden und gefestigt sein. Wenn das steht, dann fängt man ein sein xyz zu entwickeln, sprich die Prinzipien auf sich, seinen Körper und Vorlieben abzustimmen.

Besonders erfreut haben mich diese Gedanken von ryoma

;)




Insbesondere wird auch untersucht wie das Bild Japans, welches der Westen sehen will, entstand und bis heute weiterbesteht und wie dieses Bild quasi wieder nach Japan „re-importiert“ wurde. Hier wird minutiös nachgewiesen, dass es tatsächlich nie eine irgendwie geartete Wesensverbindung zwischen Zen und den verschiedenen japanischen Künsten gab (bis auf wenige, marginale Touchpoints).

Ein Muss für alle, die es wagen, lieb gewonnene Erkenntnisse in Frage zu stellen und wirklich Neues lernen wollen!
Gerade für die kommenden Festtage wäre das doch was, um seine Nase drin zu vergraben. ;)

Wirklich Neues lernen zu wollen?
Da würde ich nicht einem Buch nachschlagen, das sich mit der Geschichte der Kampfkünste beschäftigt.
Sondern ein Buch lesen, das erläutert, wie ich die Fitnesskomponenten Ausdauer - Kraft - Beweglichkeit - fördern kann.
Das die Trainingslehre erläutert.
Mir einen Hinweis gibt, wie ein Fitnesstest aufgebaut sein soll, usw.

Vieles findest Du im Buch: Das große Fitness- Buch , von Christoph Delp, pietsch- Verlag. Grundlage für viele Sportarten.
Das ist natürlich nur " praktisches Wissen" das ausprobiert werden will, keine Geschichten über " Meister" die schon länger verstorben sind.

Nehme ich von Christoph Delp: das Buch Kampfsport- Solotraining, zur Hand, dann erhalte ich das Hintergrundwissen
um zusätzliche Fitnesseinheiten machen zu können, die mich in meinem Kampfsport weiter bringen.
Einfach viele Techniken, Kraftübungen und Trainingspläne, mit denen effektiv trainiert werden kann.

Dieses Hintergrundwissen finde ich wichtig. und nur das - ist für mich -wichtig.
Denn im Sparring steht mir kein " alter Meister " zur Seite, sondern nur mein Trainer und ich habe hoffentlich genug Workouts hinter mich gebracht.

PS: Ein Danke an Christoph Delp der super Bücher für Kampfsportler geschrieben hat.

Gast
08-11-2019, 22:57
@kanken:

An dem Faden hier interessiert mich einfach ob es überhaupt Leute, abseits einer intakten traditionellen Linie, gibt, die versuchen sich über diese Dinge zu informieren, bzw. dieses Wissen ihren Schülern weitergeben.
ja.
gibt es.
mich zum beispiel.

:D

oxox
09-11-2019, 05:21
Wie wurde das theoretische Wissen früher weiter gegeben? Nur durch Konversation und technischen Unterricht?

kanken
09-11-2019, 07:55
Kommt drauf an wo du guckst... :D

Kampfkünste wurden, zumindest in China, zum größten Teil von der untersten sozialen Schicht ausgeübt, oder waren Bauern, die Wehrdienst leisten mußten, bzw. bei der Miliz mitmachten.
Diese Leute konnten weder lesen noch schreiben, also war die mündliche Unterweisung das Einzige was möglich war.
Man darf aber auch nicht vergessen dass diese „philosophischen“ Aspekte jeden Tag, von früh bis spät, durch den Volksglauben, omnipräsent waren. Sei es durch Rituale, Feste etc., daher ja auch diese Sprache. Religiosität und Volksglaube prägten das Leben jedes Einzelnen extrem.

Wenn wir dann von KK in speziellen Kreisen sprechen (Sekten, Geheimbünde, Theater etc) dann hatten die nochmal mehr mündlich überlieferte Inhalte und Regeln.
Ganz spezielle Kreise, bzw. Individuen in diesen Kreisen, stellten dann Aufzeichnungen zusammen in dem sie die, für sie, wichtigsten Inhalte niederschrieben.

Im klösterlichen Umfeld, oder in den (selten), gebildeteren Schichten wurden natürlich auch klassische Schriften des Daoismus und Buddhismus gelesen.

Im Karate z.B. hatten die „alten“ Meister ja größtenteils eine klassisch konfuzianische Ausbildung. Im Ryukyu Haus in Fujian, gab es ja zwar eine Trainingshalle, aber das war eher „Freizeit“, die Jungs hatten primär andere Sorgen.

Zu den Koryu kann Ryoma besser was sagen, wer lesen konnte und wer nur mündliche Unterweisung bekam.

Huangshan
09-11-2019, 09:07
kanken, ergänzend zu deinen Ausführungen.

Es gab früher nur eine kleine gebildete Schicht die tiefgründig lesen,schreiben etc. konnte.
Erst in der republikanischen Zeit und später verstärkt in der VR China wurde der Analphabetismus stark reduziert.(vereinfachtes Schriftsystem)
Vieles wurde mündlich und in Gedicht oder Liedform übertragen.
Das gesammte Wissen wurde nur an innere Schüler übertragen.

Quan Pu (Faust Bücher/Manuskripte) wurden von einigen Literaten verfasst.
Ohne die Unterweisung eines Lehrers sind sie jedoch nicht zu entschlüsseln.

Als Bsp. im Karate(China Hand) ist das Bubishi zu nennen , die sogenannte Bibel des Karate.;)
Keiner kann heutzutage dieses Werk noch vollständig deuten.

Zum Thema Quan Pu siehe meine Buchempfehlung.

kanken
09-11-2019, 09:38
Als Bsp. im Karate(China Hand) ist das Bubishi zu nennen , die sogenannte Bibel des Karate.;)
Keiner kann heutzutage dieses Werk noch vollständig deuten.


Das ist nicht ganz richtig.

https://www.amazon.com/-/de/dp/9869375405/ref=cm_sw_r_cp_awdb_t1_pPNXDbVWQFYHE

Zumindest einer der Autoren hat sicher Zugang zu höheren Inhalten (siehe linking steps)...

FireFlea
09-11-2019, 09:39
Zur Zen Thematik - ich habe ja ein Jahr an der Toyo studiert und dort auch einen Kalligraphie Kurs besucht. Das war kein Hobby Kurs, sondern eine richtige Einheit mit Professor und allem drum und dran. Der Prof. hat mir dann eines Tages den Herrigel als Pflichtlektüre in die Hand gedrückt. :rofl:

Um auch mal was zu Büchern beizusteuern - bzgl. Karate Historie:

Karate 1.0 - Andreas Quast

Geschichte und Lehre des Karatedo - Heiko Bittmann

Die Bücher von Henning Wittwer

Die Bücher von Mark Bishop

Praktisch konnte ich aus Folgenden Anregungen ziehen:

Don't think, listen to the Body! - Akira Hino

The Essence of Bujutsu Karate - Ushiro Kenji

Karate and Ki - Ushiro Kenji

The Secrets of Okinawan Karate - Kiyoshi Arakaki

Principles of Karate - Kazumasa Yokoyama

The Way of Sanchin Kata - Kris Wilder

Representing the Old, Creating the New und die Naihanchi Bücher von Chris Denwood

Bzgl. Jap. KK wurde ja schon einiges genannt; ich denke Amdur, Lowry, Skoss etc. hat jeder schon mal gehört. Duelling O'Sensei von Amdur fand ich in letzter Zeit sehr lesenswert.

Zum Kopfkino - den Miller habe ich natürlich auch im Schrank (btw. sehr interessant, was er zu kata schreibt).

Zum Körper:

Ein Buch über Yoga Anatomie (weiß grad nicht mehr welches, ist in einer Umzugskiste)

Funktionelle Anatomie der Gelenke von Ibrahim A. Kapandji (@kanken ich glaube Du hattest das sogar mal emfohlen)

Anatomie der Bewegung: Technik und Funktion des Körpers. Einführung in die Bewegungsanalyse - Blandine Calais-Germain

Spiraldynamik - schmerzfrei & beweglich von Larsen & Miescher

demnächst hole ich mir "Muscles and Meridians - the manipulation of shape" von Pillip Beach (war von der Leseprobe die ich gesehen habe recht angetan)

Folgende yt channels haben noch eine gewisse Auswirkung auf unsere Praxis:

https://www.youtube.com/user/njlaserdoctor

https://www.youtube.com/user/themovementfix

kanken
09-11-2019, 09:52
Funktionelle Anatomie der Gelenke von Ibrahim A. Kapandji (@kanken ich glaube Du hattest das sogar mal emfohlen)


Hatte ich auch, stimmt.

Bin ich aber heute gänzlich von runter. Da steht nix falsches drin, aber seine Systematik ist einfach aus dem letzten Jahrtausend. Da ist das Bewegungsverständnis heute sehr viel weiter.

Da ich Didaktik extrem wichtig finde würde ich die Wälzer heute niemanden mehr empfehlen, ja eigentlich sogar abraten.

Hätte ich aber vor einigen Jahren noch andere gesehen, da haben mir die Physios und Osteopathen bei uns in der Gruppe sehr geholfen...

oxox
09-11-2019, 10:26
Hoffe das ist nicht zu Off-Topic, aber um nochmal auf den Daoismus zu sprechen zu kommen: Auf mich als Laien wirken ältere Strömungen ziemlich anti-intellektuell, mit Idealen wie Selbstvergessenheit, Absichtslosigkeit, einfach sein, und der generelle Betonung einer höheren Dynamik die per Definition nicht verstanden werden kann. Zu mindestens scheint Lao Tse der Meinung gewesen zu sein, dass es nicht darum geht immer mehr Wissen anzuhäufen und man zur Vervollkommnung eher vergessen müsse. Dabei ist mir klar, dass der Wu-Wei-Begriff unterschiedlich gedeutet wird, aber ich glaube allen Interpretationen ist die Mühelosigkeit als Ziel gemein. Ob jetzt Mühelosigkeit als Resultat langwieriger Lernprozesse, oder Mühelosigkeit im Zuge einer Reduktion auf das Wesentliche und der Abstreifung von Künstlichkeiten.

Lange Rede kurzer Sinn, wird dieser Fokus auf das intensive Lernen bei den daoistisch geprägten Kampfkünsten als Widerspruch empfunden? Sind die authentischen Lehrer sehr buchstabentreu, oder ist das Lernen in erster Linie nur für die Schüler und die Meister konzentrieren sich auf andere Sachen? Ich kann es schlecht erklären. Auf jeden Fall wirkt die im Thread geschilderte Attitüde eher konfuzianisch geprägt auf mich, was nichts heißen muss.

step-by
09-11-2019, 10:33
gelöscht

kanken
09-11-2019, 10:35
Auf mich als Laien wirken ältere Strömungen ziemlich anti-intellektuell, mit Idealen wie Selbstvergessenheit, Absichtslosigkeit, einfach sein, und der generelle Betonung einer höheren Dynamik die per Definition nicht verstanden werden kann. Zu mindestens scheint Lao Tse der Meinung gewesen zu sein, dass es nicht darum geht immer mehr Wissen anzuhäufen und man zur Vervollkommnung eher vergessen müsse.

Lange Rede kurzer Sinn, wird dieser Fokus auf das intensive Lernen bei den daoistisch geprägten Kampfkünsten als Widerspruch empfunden?

Es geht nicht um „Wissen anhäufen“, es geht um verstehen und dann kann man es wieder loslassen (bzw. es wird ganz automatisch losgelassen). Um es zu verstehen muss man es hören und üben (oder halt lesen und üben).

Es geht um das praktische umsetzen, das Verstehen während des Tuns. Es geht nicht um intellektuelle Übung, sondern um Praktisches umsetzen des Verstandenen.

Es ist ein wenig wie in der psychotherapeutischen Praxis. Man muss es hören, fühlen und verstehen, damit etwas passieren kann, was einen weiterbringt.

Es geht um gelebte Tradition, nicht um theoretische. Dazu braucht es einen Lehrer, der diese Tradition lebt und umsetzt und eben nicht nur verkopft weitergibt. Der Lehrer ist wichtiger als jedes Buch, aber der Lehrer kann dir Bücher empfehlen um ihn besser zu verstehen.

„You have to think about it...“

step-by
09-11-2019, 10:39
Bevor wieder der Einwurf kommt, ich möchte dieses wirklich interessanten Thread zerschießen.

lösche ich.

karate_Fan
09-11-2019, 10:47
Das ist nicht ganz richtig.

https://www.amazon.com/-/de/dp/9869375405/ref=cm_sw_r_cp_awdb_t1_pPNXDbVWQFYHE

Zumindest einer der Autoren hat sicher Zugang zu höheren Inhalten (siehe linking steps)...


Das ist ja interssant. Wusste gar nicht, dass es auch was aus der CMA Sicht über das Bubishi gibt. Habe aber auch noch direkt danach gesucht muss ich zugeben. War mehr an der okinawischen Perspektive im Bezug auf Karate interssiert.

Ist das Buch eine Übersetzung des Originals mit Anmerkungen oder ist mehr nur eine Abhandlung über das Thema vergleichbar mit dem Bubishi von McCarthy?

Huangshan
09-11-2019, 11:13
kanken:
Danke für die Info.




The Bubishi, “The Bible of Karate”, is considered to be the most important text in karate. Its status and obscure origins make it the subject of intense curiosity and the object of serious research.

This manual also bears a Chinese name—Wubeizhi—is written in classical Chinese, contains descriptions of gongfu forms and ethics, Chinese philosophy, and Chinese medicine) and was probably compiled in China. In this book, we set out to tell the Chinese side of the Bubishi story.

In chapter one, Martial Manuals and Bronze Statue Notebooks tells how the medical pursuits of martial artists led to the creation of a new medical tradition, and the Bronze Statue Notebooks. The Bubishi, as an example, contains substantial martial-medical knowledge.

In chapter two, we review the contents and structure of four different Bubishi editions, including the only known color edition—recently discovered. This color edition is included in the book.

Chapter Three is dedicated to explaining the role of guardian in gongfu schools in general and for the Bubishi’s authors in particular, shedding light on an overlooked aspect of gongfu culture—Chinese religious beliefs and practices.

Chapter four, addresses The Ryukyu House—a prestigious college of Chinese studies where Chinese masters groomed students to become scholars and diplomats—and the possibility that this establishment, located in the martial arts hotbed of Fuzhou, was the birthplace of the Bubishi.

In chapter five, Craneformation, we read “Luohan is also Crane”. This may be the bridge between White Crane and Karate.

The great emphasis we put on gongfu culture and history makes this book an asset to both karateka and gongfu practitioners. It takes the reader to the time and place when gongfu and karate were created. By going on this journey, karateka and gongfu practitioners can learn a great deal about the origins of their arts and the mindset of their creators.




Ich bin jedoch skeptisch!

Theoretisch mag die Übersetzung aus dem alt,klassischen Chinesisch besser sein als die Übersetzungen,Interpretationen von einigen Karateka .(Patrick McCarthy,Harbersetzer etc.)

Aber wie ryoma es bereits in anderem Zusammenhang erwähnt hat, ist der Autor im weißen Kranich Stil oder Louhan Quan bewandert? (Anwendgen,Prinzipien,Taktik etc.)

Hat er TCM Kenntnisse ?


etc.


Sonst wird es wieder eine Interpretations Nummer ala was könnte gemeint sein?;)


Der Preis+Versandkosten( 78,45 Dollaros) ist leider auch zu hoch um es sich mal zu holen.

kanken
09-11-2019, 11:38
Ich bin jedoch skeptisch!

Aber wie ryoma es bereits in anderem Zusammenhang erwähnt hat, ist der Autor im weißen Kranich Stil oder Louhan Quan bewandert? (Anwendgen,Prinzipien,Taktik etc.)

Hat er TCM Kenntnisse ?


Was er schreibt und wie er es schreibt legen sehr fundierte Kenntnisse in den TCMA nahe (wie gesagt merkt man es wie er über die linking steps schreibt, aber auch an anderen Stellen).

karate_Fan
09-11-2019, 11:44
@Huangshan Kann deine Skepsis gut verstehen, ganz so genau wird man es nie wissen.

Bin aber trotzdem froh, dass vom Bubishi auch etwas aus CMA Sicht gibt. Ich bin am überlegen ob ich mir das Buch holen sollte oder nicht. Ist zwar in der Tat nicht billig, habe aber schon mehr Geld für Fachbücher ausgegeben und es nicht bereut.

Die Frage ist nur ob man als Laie überhaupt was mit dem Buch anfangen kann..

kanken
09-11-2019, 11:45
Ist das Buch eine Übersetzung des Originals mit Anmerkungen oder ist mehr nur eine Abhandlung über das Thema vergleichbar mit dem Bubishi von McCarthy?

Es ist keine Übersetzung sondern ordnet es in den Kontext ein und analysiert den Inhalt.

Huangshan
09-11-2019, 11:52
kanken: Danke für deine Einschätzung!

Plum Publications hat ja einige interesssante Werke,Artikel.
https://www.plumpub.com/


Schade das es kein Taschenbuch gibt?https://www.plumpub.com/sales/thoughts/thoughts_bubishi.html

Huangshan
09-11-2019, 12:01
Habe grade gelesen, dass der Autor Brian Kennedy gestorben ist.

https://www.plumpub.com/kaimen/2019/the-passing-of-brian-kennedy/

Rest in peace!

ryoma
09-11-2019, 14:51
Kommt drauf an wo du guckst... :D

Kampfkünste wurden, zumindest in China, zum größten Teil von der untersten sozialen Schicht ausgeübt, oder waren Bauern, die Wehrdienst leisten mußten, bzw. bei der Miliz mitmachten.
Diese Leute konnten weder lesen noch schreiben, also war die mündliche Unterweisung das Einzige was möglich war.
Man darf aber auch nicht vergessen dass diese „philosophischen“ Aspekte jeden Tag, von früh bis spät, durch den Volksglauben, omnipräsent waren. Sei es durch Rituale, Feste etc., daher ja auch diese Sprache. Religiosität und Volksglaube prägten das Leben jedes Einzelnen extrem.

Wenn wir dann von KK in speziellen Kreisen sprechen (Sekten, Geheimbünde, Theater etc) dann hatten die nochmal mehr mündlich überlieferte Inhalte und Regeln.
Ganz spezielle Kreise, bzw. Individuen in diesen Kreisen, stellten dann Aufzeichnungen zusammen in dem sie die, für sie, wichtigsten Inhalte niederschrieben.

Im klösterlichen Umfeld, oder in den (selten), gebildeteren Schichten wurden natürlich auch klassische Schriften des Daoismus und Buddhismus gelesen.

Im Karate z.B. hatten die „alten“ Meister ja größtenteils eine klassisch konfuzianische Ausbildung. Im Ryukyu Haus in Fujian, gab es ja zwar eine Trainingshalle, aber das war eher „Freizeit“, die Jungs hatten primär andere Sorgen.

Zu den Koryu kann Ryoma besser was sagen, wer lesen konnte und wer nur mündliche Unterweisung bekam.

Kanken, wirklich sehr spannend deine Ausführungen zu China!

In Japan war das tendenziell etwas anders, obwohl es durchaus Schnittpunkte mit der Situation in China gab.

Es kommt vorallem auf die Zeit an, von welcher man spricht:

- Vor und während der Nara-Zeit (7./8. Jhd.) formte das Kaiserhaus nahezu den kompletten Staat nach T'ang-Vorbild. Strafrecht, Verwaltungsrecht, Politik und natürlich auch das Militär. Zu dieser Zeit bestand Wehrpflicht und es gab eine stehendes Herr des Kaisers.

- Später dann entwickelte sich das privatisierte Kriegerwesen (Bushi). Und erst ab hier wirds interessant, wenn es um das Wissen von Kampfkünsten geht. Schon früh waren die Kampfkünste (zuerst Pfeil und Bogen, später dann Stangenwaffen) eher den gebildeteren Schichten vorbehalten. Hierzu muss man wissen, dass diese Provinzkrieger und Landbesitzer (die späteren Samurai) alle Nachkommen von Kaisern waren. Da aber nicht alle mit Posten am Hof versorgt werden konnten, erhielten einige Familiennamen und Ländereien in den Provinzen (wie die Minamoto, Taira, Fujiwara). Und diese Familien und ihre Zweigfamilien wurden dann im Laufe der Zeit so stark (es gab keine kaiserliche Armee mehr), dass sie dann für die kommenden 800 Jahre die Szenerie beherrschten.

- In der Sengoku-Periode (ab ca. 1470 - ca. 1570) mussten Krieger ausgebildet werden. Punkt. Hier spielte der Stand (der eh noch nicht so klar definiert war, wie in der folgenden Edo-Zeit) oftmals keine Rolle. In diese Zeit fallen auch die Gründungen diverser früher Ryûha, die teilweise heute noch bestehen. Ab hier kann man auch erst von strukturierten Schulen sprechen, welche zudem mit religiösen und weiteren eher theoretischen Inhalten aufgefüllt wurden.

- In der Edo-Zeit fand dann wohl die stäkste Reglementierung der Kampfkünste statt. Das hatte zum einen militärpolitische Gründe, zum anderen war das Tokugawa-Shogunat vollkommen konfuzianistisch geprägt (definierte Stände). Ab hier war es Leuten ausserhalb des Bushi-Standes kaum mehr möglich, Aufnahme in eine Ryûha zu erlangen.

- Das wurde dann zum Ende der Edo-Zeit (Bakumatsu/19.Jhd) wieder aufgebrochen aufgrund der Schwäche der Zentralregierung. Hier wurde es auch Bauern, Handwerkern und Kaufleuten möglich, Kampfkünste zu erlernen.

oxox
09-11-2019, 16:09
Wie sieht das mit dem Bansenshukai aus? Ich habe gehört, dass es zwar keine eigenständige Ninja-Kampfkunst geben haben soll und es sich bei den "Ninja" weitesgehend um Samurai handelte, aber laut Wikipedia enthält es Strategien und so weiter für die asymmetrische Kriegsführung. Falls 1676 als Erstellungsdatum stimmt müsste das ja in die Edo-Zeit gefallen sein. Und wie sah das mit eher "völkischen" Kampfkünsten aus, vor dem Ende der Edo-Zeit? Ich schätze einfache Bürger mussten sich auch irgendwie verteidigen, oder siehe halt Gesetzlose. Ich meine, in Italien gibt es ja auch Systeme die sich eher im Verbrecherumfeld gebildet haben (oder in revolutionären Bewegungen, je nach Auslegung).

oxox
09-11-2019, 16:26
Alternativ dazu noch Sekten wie den(?) Shugendo, von wegen Bergasketen und so weiter.

karate_Fan
09-11-2019, 19:46
Habe grade gelesen das der Autor Brian Kennedy gestorben ist.

https://www.plumpub.com/kaimen/2019/the-passing-of-brian-kennedy/

Rest in peace!


Tut mir leid das zu hören. Mir haben die Guo/Kenndy Bücher sehr gut gefallen.


@Kanken Ok dane für die Auskunft. Dann werde das Buch sicher besorgen. Möchtet ohnehin mal von einem anderen Autor als McCarthy was über das Bubishi lesen.

kanken
11-11-2019, 09:37
Es geht um das praktische umsetzen, das Verstehen während des Tuns. Es geht nicht um intellektuelle Übung, sondern um Praktisches umsetzen des Verstandenen.


Auch wenn Selbstzitate doof sind, möchte ich das hier noch ein wenig weiter ausführen, da es für das Verständnis der Kampfkünste wichtig ist.

Der Konfuzianismus war in China die wichtigste Strömung. Alles ist danach aufgebaut.

Die „Große Lehre“ besteht in einem Acht-Punkte-Programm: Nei Sheng Wai Wang (Das Heilige im Inneren nach außen zur Herrschaft bringen).
Dazu muss man sich

1. Mit den Dingen befassen, d.h. sie physisch üben (manuelle Tätigkeit)

2. Erkenntnis und Wissen erwerben, was aber nur durch die „Arbeit mit den Dingen“ gelingen kann.

3. Sich selbst gegenüber Rechenschaft über seine Absichten ablegen

4. Ein „reines Herz“ haben, also keine dunklen Ecken in seinem Bewußtsein dulden. Sich selbst gegenüber offen und ehrlich sein.

5. Eine Persönlichkeit ausbilden.
Dieser Punkt ist wichtig, da er quasi die ersten Punkte zusammenfasst:
Zuerst muss man sich selber durch das praktische Üben kennenlernen und dieses Üben mit seiner ganzen Persönlichkeit erforschen, das Üben bringt aber gleichzeitig auch die Persönlichkeit zum Vorschein. Da muss man dann lernen sich selbst mit allem zu akzeptieren was man findet.
Wenn man DAS getan hat soll man seine Persönlichkeit durch LERNEN weiter ausbilden, denn dadurch kann man sich selbst weiterentwickeln. Das LERNEN steht dann wieder im Zusammenhang mit dem manuellen Üben, denn es soll einem Helfen dieses Üben besser zu verstehen, was dann wieder zu einem Besseren Verständnis der eigenen Persönlichkeit führt.
LERNEN, VERSTEHEN und ÜBEN sind also ein Kreislauf um sich selber weiter zu entwickeln.

Die Punkte 6, 7 und 8 greifen dann diese „entwickelte“ Persönlichkeit auf und besagen das ein solcher Mensch zuerst sein Haus in Ordnung bringen kann, dann den Staat und am Ende die Welt (Kong Zi sah sich ja als Berater von Herrschern).
Das Thema wurde ja dann später auch von Leuten wie Kano wieder modern gemacht...

Es geht also darum sein Wesen durch Schulung der Persönlichkeit zu entfalten.

Da springt dann der Daoismus mit dem „Himmel-Erde-Mensch“ Konzept rein:
Die Schulung der Persönlichkeit soll zur Himmelserkenntnis in sich selbst führen. Zhang Zai sagt dazu 1000 n.Chr. dass das „Himmelswesen“ im Menschen ist, es ist seine Wesensnatur (Xing), so wie das Wesen des Wassers im Eis ist und das Wesen des Lichts auch die Dunkelheit beinhaltet.
Damit werden quasi die Ideen des Zhuang Zi („Himmel und Erde entstehen mit mir zugleich und alle Dinge sind mit mir eins“, bzw. „Für die Heiligen gibt es keinen Himmel, keine Menschen, keinen Ursprung und kein Ding. Alle sind eins und dasselbe“) weiter ausgeführt, bzw. es wird durch den Konfuzianismus erläutert wie man das daoistische Ideal eines Heiligen erreichen kann.

Man darf nicht vergessen, dass die Absichtslosigkeit das Ideal des Daoismus ist, etwas was man erst erreicht hat, wenn man ein Heiliger IST. Das Erkennen der eigenen Wesensnatur, des Dao, bedarf des steten Übens und da kommt dann der Konfuzianismus ins Spiel.

Die Synthese wird ja dann schön von Zhang Zai durch die Erkenntnis der Wesensnatur dargelegt. Diese Erkenntnis erlangt man dann ja durch die Entwicklung der Persönlichkeit, wo wir bei den Punkten von Kong Zi sind.

Durch den Buddhismus bringen dann einige Sekten des Daoismus noch die Erkenntnis des Geistes mit rein und greifen damit das LERNEN aus dem 5. Punkt mit auf. Die Erkenntnis der Leere des Geistes (Shunyata) als Folge der Erkenntnis der Leere in der Welt (Tathata) und der Leere des Körpers (Dharmakaya).
Den Körper als „Übungsinstrument“ zu nehmen ist dabei schon uralt (sie indische Traditionen). Da ist dann der Zirkelschluss zu Kong Zi, da das PRAKTISCHE Üben bei Ihm ja auch an erster Stelle steht. Nur dadurch kann ich ERKENNTNIS gewinnen, die mir bei meinem VERSTÄNDNIS hilft.
Im Daoismus wird das dann durch „Ming“, die Lebensenergie, aufgegriffen, die ich durch diverse Übungen pflege, was mir hilft Xing, die Wesensnatur, zu nähren.


Je nachdem wo (und wann) man dann in der chinesischen Gesellschaft guckt und manifestieren sich diese Ideen auch mehr oder minder in den Kampfkünsten.
Selbst heute noch spielen die Ideen Kong Zi‘s eine riesige Rolle (man denke nur an den Film „Konfuzius“ von 2010, den die chinesische Regierung ja so „abgesegnet“ hat).


Ich hoffe dieser kleine Ausflug in die Didaktik und das „Weltbild“, zumindest unserer Baguatradition (das Kreisgehen ist Teil der Tradition der Quanzhen Daoismus), war nicht zu sehr OT.
Das „Hintergrundwissen“, das ich in diesem Faden anspreche, bezieht sich genau auf den fünften Punkt, da es das Lernen zu Entwicklung der Persönlichkeit fördern soll.

Da mein Karate ja auch aus der konfuzianischen Tradition des okinawanischen Adels stammt, wurde dieser Punkt bei uns damals auch als wichtig erachtet. Ist also nix was es nur in China gibt.

Pansapiens
11-11-2019, 12:21
Der Konfuzianismus war in China die wichtigste Strömung. Alles ist danach aufgebaut.

Die „Große Lehre“ besteht in einem Acht-Punkte-Programm: Nei Sheng Wai Wang (Das Heilige im Inneren nach außen zur Herrschaft bringen).
Dazu muss man sich

1. Mit den Dingen befassen, d.h. sie physisch üben (manuelle Tätigkeit)

2. Erkenntnis und Wissen erwerben, was aber nur durch die „Arbeit mit den Dingen“ gelingen kann.

3. Sich selbst gegenüber Rechenschaft über seine Absichten ablegen

4. Ein „reines Herz“ haben, also keine dunklen Ecken in seinem Bewußtsein dulden. Sich selbst gegenüber offen und ehrlich sein.

5. Eine Persönlichkeit ausbilden.
Dieser Punkt ist wichtig, da er quasi die ersten Punkte zusammenfasst:
Zuerst muss man sich selber durch das praktische Üben kennenlernen und dieses Üben mit seiner ganzen Persönlichkeit erforschen, das Üben bringt aber gleichzeitig auch die Persönlichkeit zum Vorschein.

War Konfuzius nicht Moralist?
D.h. man sollte nicht irgendeine Persönlichkeit zum Vorschein bringen, sondern eine, die mit einer bestimmten Moral übereinstimmt?
Falls ja, wie unterscheidet sich das Konzept von der üblichen Budoromantik, die ja unterstellt, Budo/KK diene zur Charakterentwicklung?



Die Punkte 6, 7 und 8 greifen dann diese „entwickelte“ Persönlichkeit auf und besagen das ein solcher Mensch zuerst sein Haus in Ordnung bringen kann, dann den Staat und am Ende die Welt (Kong Zi sah sich ja als Berater von Herrschern).
Das Thema wurde ja dann später auch von Leuten wie Kano wieder modern gemacht...
.

Kano war doch der, der das Graduierungssystem erfunden hat, dass Du weiter vorne mit HJ und Napola in Verbindung gebracht hast?
Das passt ja: in den Napola sollten Persönlichkeiten herangezogen werden, die den Staat und die Welt "in Ordnung" bringen.

kanken
11-11-2019, 12:30
War Konfuzius nicht Moralist?

Kano war doch der, der das Graduierungssystem erfunden hat, dass Du weiter vorne mit HJ und Napola in Verbindung gebracht hast?
Das passt ja: in den Napola sollten Persönlichkeiten herangezogen werden, die den Staat und die Welt "in Ordnung" bringen.

Zu Konfuzius und seinen Lehren empfehle ich die einschlägige Literatur, ebenso wie die zu den Kreisen die seine Ideen aufgegriffen haben. Alles weitere würde hier wahrscheinlich den Rahmen sprengen...

Kano wurde konfuzianisch groß, was ja nicht heißt dass er die Ideen nicht auch in einem nationalistsich/imperialistischen Sinne nutzen konnte.
Die Lehre des Konfuzius (oder jeder anderen Philosophie) kann immer für alles missbraucht werden.

Konfuzius wollte die Persönlichkeit entwickeln und daraus erfolgte die Moral. Stimmt. Diese Idee durchdrang aber die gesamte Gesellschaft und vermischte sich mit diversen Glaubensrichtungen. Vom Volksglauben, über daoistsiche Richtungen bis zu buddhistischen Strömungen war alles vorhanden.
Später vermischte sich das dann halt auch mit nationalistischen und marxistischen Ideen.

Dumm ist wenn der Herrscher keine „gut entwickelte“ Persönlichkeit hat. Das fand Konfuzius ja auch damals schon, daher wollte er ja die Herrscher beraten...

oxox
11-11-2019, 12:53
Das passt ja: in den Napola sollten Persönlichkeiten herangezogen werden, die den Staat und die Welt "in Ordnung" bringen.

Ich glaube zu mindestens der Proto-Daoismus nach Lao Tse geht davon aus, dass die Welt sich selber in Ordnung bringen kann, wenn ein guter Herrscher an der Macht ist und die natürlichen Dynamiken wirken lässt. Im Sinne eines guten Schiedsrichters, der ein Spiel laufen lässt, und dabei kaum bemerkt wird aber trotzdem einen beruhigenden Einfluss hat (im Gegensatz zu einem schlechten Schiedsrichter). Dann gibt es Behauptungen von wegen, dass man Diebe macht wenn man Dinge als wertvoll erachtet und Moral immer auch Unmoral erzeugt, wobei man Menschen einfach werden lassen sollte.

Im Zhuangzi oder wie es jetzt geschrieben wird gibt es dann Sinnbilder wie den Fund einer wertvollen Perle, worauf die Charaktere darüber spekulieren, dass diese nur von einem Drachen oder ähnliches stammen könnten und man besser dran wären die Perle einfach weg zu schmeißen und zu vergessen. Darüber hinaus Sinnbilder vom Wert der Wertlosigkeit, wo z.B. am Beispiel eines alten knorrigen Baums erklärt wird, dass der nur alt wurde weil niemand etwas mit ihm anfangen konnte. Der ideale Lehrer wird dabei dann als absolut einfacher Mensch geschildert, der zwar irgendwie einen positiven Einfluss zu haben scheint, aber nichts sagt oder macht was irgendwie zitierbar wäre. Der nicht ganz so gute Lehrer sagt dann aber ab und zu gute Sachen, wird aber nicht auf der gleichen Stufe gesehen.

Allgemein scheint der alte Daoismus eine spielerische Beziehung mit dem Konfuzianismus gehabt zu haben und Konfuzius selber ist da mit unter nicht unbedingt eine Witzfigur, aber so etwas ein verkopfter Klugscheißer, der vom Daoisten rhetorisch in die Tasche gesteckt wird. Die Beziehung zu den alten Mohisten war wohl ähnlich, wobei das bei Zhuangzi durchaus freundschaftlich spielerische Züge hatte und er auf der Beerdigung eines langjährigens Sparringspartners geweint haben soll.

step-by
11-11-2019, 14:53
Hallo Pansapiens,

Du stellst sehr wichtige Nachfragen zu diesem Thread.

:halbyeaha

Denn wir wollen doch keine Budo- Romantiker sein und alles ungeprüft übernehmen, sondern unseren Kopf einschalten und dann eventuell im Internet
nachlesen.



=Pansapiens;3713349]War Konfuzius nicht Moralist?
D.h. man sollte nicht irgendeine Persönlichkeit zum Vorschein bringen, sondern eine, die mit einer bestimmten Moral übereinstimmt?
Falls ja, wie unterscheidet sich das Konzept von der üblichen Budoromantik, die ja unterstellt, Budo/KK diene zur Charakterentwicklung?


Bei diesen Deinen Zeilen erlaube ich es mir, einige Gedanken einzufügen.


Kano war doch der, der das Graduierungssystem erfunden hat, dass Du weiter vorne mit HJ und Napola in Verbindung gebracht hast?
Das passt ja: in den Napola sollten Persönlichkeiten herangezogen werden, die den Staat und die Welt "in Ordnung" bringen.


Wenn Du Jigoro Kano und damit das Kodokan- Dojo und die Entstehung des Judo nennst, um auf Zeilen von kanken zu antworten!
OT

Jigoro Kano hat die Gürtel-Hierarchie ins Judo eingeführt, das kein neues System war, sondern aus seinen Studien der Techniken der verschiedenen Ju-Jutsu Ryu entstanden ist.
Dann habe ich den Lebenslauf von Jigoro Kano gelesen und nirgends einen Hinweis gefunden, daß der " Schuldirektor " jemals eine militärische Ausbildung erhalten hat.
Die Gürtelgrade kommen aus dem GO ( japanischen Brettspiel ) und die Einteilung war im Judo am Anfang sehr ähnlich.
Kyu- Grade für Amateure
Dan- Grade für Profis.

Zeilen über Kosen-Judo gelöscht,

Japanische Kampfkünste fürs Militär
Das wird gerne hervorgehoben!
Leider entspricht das nicht den Tatsachen.
Beim Aufbau der japanischen Streitkräfte, insbesondere des Heers, nach der Meiji Restauration spielte das deutsche Kaiserreich eine wichtige Rolle.
Bericht: Japanische Offiziere im Deutschen Kaiserreich 1870 - 1914 von Rudolf Hartmann Berlin.
Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Militärbericht vom 29.06.1902

Japanische Armee 1941/1942 dort finden sich viele weitern Infos.
Jeder wird sofort feststellen, die Dienstgrade in dieser kaiserlichen japanischen Armee haben viel Ähnlichkeiten mit denen des deutschen Kaiserreiches,
da viele Offiziere zur militärischen Schulung in Deutschland waren - bis zum Ersten Weltkrieg insgesamt 450.

Wenn wir uns über das Hintergrundwissen unserer Kampfkünste oder Kampfsport-Arten unterhalten,
dann sollten wir uns davor hüten: .. falsches Traditionsverständnis in Kampfkunstkreisen bei manchen Lehrern und Schülern erzeugen schillernde Blüten.

Verweise auf einen Artikel : Die Tradition in den chinesischen Kampfkünsten, vom 13. November 2011, vom Dan Gong - Institut für Daostische Medizin Lüdinghausen,

OT

:winke:

Gast
11-11-2019, 17:23
@kanken:


Kano wurde konfuzianisch groß
bitte entschuldige meinen einwand ...
ich schätze dich und deine arbeit sehr, das weißt du, aber diese aussage über kano und den konfuzianismus möchte ich so nicht stehen lassen.

soweit ich informiert bin (ich hab gerade keine gelegenheit, auf meine bibliothek zurückzugreifen) waren kanos verwandte der väterlichen linie sehr eng mit dem shinto verbunden, auch und nicht zuletzt als shinto-priester, und das über generationen.
konfuzianismus mag in kanos erziehung evtl. eine rolle gespielt haben (ich finde da auf die schnelle allerdings nichts), aber ich würde keinesfalls so weit gehen, dass er "konfuzianisch groß wurde".

Ich lasse mich da aber gern korrigieren, wenn ich falsch liegen sollte.
:)

Gast
11-11-2019, 17:30
Dann sollte nicht unerwähnt bleiben, im Kodokan Judo von Jigoro Kano gab es zwischen 1900 und 1914 eine große Entwicklung hin zu den Bodentechniken - das Kosen Judo - .
diese Techniken erwiesen sich im Zweikampf als sehr effektiv.
Bevor die Probleme mit dieser neuen Richtung im Judo zu groß wurden, soll Kano viele dieser Judo-ka als Abgesandte in die Welt geschickt haben.
Einer dieser Kosen Judoka war Maeda der im Brasilien den Grundstein für das Brazilian Jiu-Jitus legte.
kompletter unfug.

du hast keine ahnung, was kosen judo war (ist), aber schreibst darüber.
du hast keinen schimmer von maedas biographie, aber schreibst darüber ... und NEIN, maeda war KEIN vertreter des kosen judo!
maeda legte auch nicht den grundstein für das bjj.

und dieser satz hier entbehrt jeder logik und offenbart deine beschämende unkenntnis:

Bevor die Probleme mit dieser neuen Richtung im Judo zu groß wurden, soll Kano viele dieser Judo-ka als Abgesandte in die Welt geschickt haben.
das ist der größte unsinn, den ich in letzter zeit zum thema "judo / kano" gelesen habe.

und nein, ich werde auf deine beiträge nicht weiter eingehen, denn ich bin überzeugt davon, dass du nur wieder einen vorwand suchst, um diese diskussion zu stören.

kanken
11-11-2019, 17:36
konfuzianismus mag in kanos erziehung evtl. eine rolle gespielt haben (ich finde da auf die schnelle allerdings nichts), aber ich würde keinesfalls so weit gehen, dass er "konfuzianisch groß wurde".

Ich mag mich irren, aber war Japan zu Zeiten Kanos nicht auch nach dem konfuzianischen Vorbild gestaltet, bzw. durchdrang diese Sicht nicht auch die Gesellschaft Japans zu der Zeit?

kanken
11-11-2019, 17:54
Auf die Schnelle zu Japan und Konfuzius:

https://japanlink.de/land-leute/religion/konfuzianismus/


Die Lehre des Konfuzius gelangte im 4. Jahrhundert nach Christi aus China nach Japan. Hierbei ging der Konfuzianismus wie auch später der Buddhismus mit einigen kulturellen, chinesischen Errungenschaften den Weg über Korea. Einen bedeutende Zuwendung erfuhr der Konfuzianismus in der Meiji-Zeit.

und


Japan, China und die koreanische Halbinsel bilden den sog. konfuzianischen Kulturkreis. Wie in der japanischen Kultur- und Geistesgeschichte üblich, existieren verschiedene konfuzianische Schulen nebeneinander.

Ryoma wird da aber sicher mehr wissen.

Edit:
Jetzt weiß ich auch wo ich es mit Konfuzius und Japan her hatte:


Dieses kurze Zitat ist von kaum zu unterschätzender Bedeutung, vergegenwärtigt man sich das hohe Ansehen, welches Konfuzius auch in der japanischen Tradition zukommt (vgl. 1.1)

aus der Dissertation von Julian Braun (Seite 9):

Bunbu-ryôdô: Philosophie und Ethik japanischer Kriegskunst der Tokugawa-Zeit (1603-1868) (https://www.amazon.de/dp/393601891X/ref=cm_sw_r_cp_tai_7mzYDbAC09HJ2)

FireFlea
11-11-2019, 18:01
Unabhängig zur Prägung Kanos zu der ich nichts sagen kann - Shinto und Konfuzianismus schließen sich keinesfalls aus. Ich bin zu blöd das mit dem Handy zu verlinken aber sucht mal nach "Neo-Konfuzianismus und konfuzianistischer Shinto" auf der Seite der Uni Wien.

Gast
11-11-2019, 18:04
Ich mag mich irren, aber war Japan zu Zeiten Kanos nicht auch nach dem konfuzianischen Vorbild gestaltet, bzw. durchdrang diese Sicht nicht auch die Gesellschaft Japans zu der Zeit?

ich denke nicht.
in kanos kindheit /er erlebte als kind nur die letzten sieben jahre der edo-periode) spielten solche vorstellungen in der erstarrten gesellschaft des bafuku kaum noch eine rolle, wenn ich die erkenntnisse diverser historiker richtig einordne ...
schon vor kanos geburt (1860) war der amerikanische admiral matthew perry im jahr 1854 in japan eingetroffen und hatte mit seinem geschwader moderner kriegsschiffe die öffnung japans gewaltsam erzwungen.
das löste enorme gesellschaftliche verwerfungen in japan aus.
kano wurde also in eine periode der wirren und des bürgerkriegs hineingeboren. die japanische gesellschaft insgesamt befand sich im umbruch, und konfuzianische wertvorstellungen und ein entsprechendes verbindliches gesellschaftsbild waren obsolet, zumindest für einige jahrzehnte.

daher meine einwände gegen die aussage, kano sei konfuzianisch aufgewachsen.
berücksichtigen sollte man auch - ich erwähnte es bereits - dass der väterliche (?) zweig seiner familie auf eine lange folge von shinto-priestern zurückblicken konnte ... (oder war es der mütterliche zweig? ich muss erst nachschauen) ...



kano selbst bezieht sich, soweit ich mich erinnere, in seinen texten nirgends auf den konfuzianismus in dem sinne, dass er davon in irgend einer weise beeinflusst gewesen wäre.
soweit mir bekannt (siehe dazu niehaus et al), neigte kano ab etwa 1900 dem utilitarismus zu.
ich kenne jetzt - aus dem stegreif - keinen text, in welchem kano seinen eigenen werdegang und/oder sein judo in irgend einer weise mit dem konfuzianismus verknüpft.
ich habe aber im moment, wie gesagt, auch keinen zugriff auf meine bibliothek.

ich werde, sobald ich zurück bin, kanos texte (soweit sie mir zur verfügung stehen) danach durchsuchen, ob und wenn ja in welchem zusammenhang er den konfuzianismus erwähnt.

kanken
11-11-2019, 18:17
daher meine einwände gegen die aussage, kano sei konfuzianisch aufgewachsen.
berücksichtigen sollte man auch - ich erwähnte es bereits - dass der väterliche (?) zweig seiner familie auf eine lange folge von shinto-priestern zurückblicken konnte ... (oder war es der mütterliche zweig? ich muss erst nachschauen) ...


Ich nahm an dass jemand in einer Familie wie Kano wohl kaum dem Einfluss des Konfuzianismus in Japan entgehen kann (siehe meine Zitate), zumal er auf Bunbu-ryodo ja auch einen starken Einfluss hatte und damit hatte Kano ja ganz sicher in seiner Jugend Kontakt.

karate_Fan
11-11-2019, 18:26
Ganz einfach wird man die Frage nicht beantworten, da Erziehung wohl im alten Japan individuell war, und vielleicht weiß niemand mehr wie es in der Familie Kano war, aber generell könnte man sich fragen wie die Kinder in dieser Umbruchszeit erzogen worden sind . Kano ist ja mit dem Geburtsjahr 1860 ein interessanter Fall.

In seiner frühesten Erziehung könnte er wirklich noch mit den alten Werten und auch damit auch mit dem Konfuzianismus in Berührung gekommen sein, aber was ist nach dem Fall des Shogunats? War das nicht seine Zeit des Umbruchs wo eine Zeit lang alles alte Japanische als minderwertig betrachtet wurde und man sich nur dem Westen zugewandt hat???

Meine sogar mal gelesen zu haben, dass genau dieser Abfall von allen alten Japanischen der Grund war warum es der Junge Kano nicht leicht hatte einen Jujutsu Lehrer zu finden???

Natürlich muss nicht jeder Japaner damals da mitgemacht haben und Kano ist weiterhin auf die alte Weise erzogen worden.??

Schwer zu sagen, am ehesten wird das wohl Rambat wissen, der ja über ein umfangreiches Wissen verfügt..

Gast
11-11-2019, 18:31
Ich nahm an dass jemand in einer Familie wie Kano wohl kaum dem Einfluss des Konfuzianismus in Japan entgehen kann (siehe meine Zitate), zumal er auf Bunbu-ryodo ja auch einen starken Einfluss hatte und damit hatte Kano ja ganz sicher in seiner Jugend Kontakt.

davon gehe ich nicht aus.
zum einen gehörte kano nicht, wie oft kolportiert, einer "samurai"-familie an. seine vorfahren mütterlicherseits besaßen eine reihe von sake-brauereien (waren also sehr reich), und seine vorfahren väterlicherseits waren (vorrangig) shinto-priester.

es gibt nach meinem dafürhalten keinen hinweis darauf, dass kano (geboren 1860) während der letzten sieben bis acht jahre des bafuku / der edo-periode in irgend einer weise in kontakt mit dem bunbu ryodo gekommen wäre.
seine erste unterweisung in japanischen koryu erhielt er tatsächlich frühestens mit 15 jahren.
das wäre dann 1875 gewesen.

also in einer zeit, in der alles japanische als obsolte galt und alles westliche weitgehend kritiklos übernommen wurde ...
eine zeit zudem, in der es immer wieder zu unruhen und aufständen kam (man denke nur an den satsuma-aufstand von 1877).

ich sehe einfach keine anhaltspunkte dafür, dass kano konfuzianisch geprägt aufgewachsen wäre.
weder von seiten des elternhauses aus noch von seiten der japanischen gesellschaft.

vor allem aber, und das ist es, worauf ich mich in erster linie beziehe, hat kano in seinen texten immer wieder sehr ausführlich erläutert, dass und wie sein judo dem "embetterment of society" dienlich sein könne. dabei aber bezog er sich nirgends (soweit mir bekannt) auf den konfuzianismus. stattdessen erwähnt er dezidiert utilitaristen wie john stuart mill.

Gast
11-11-2019, 18:57
Also ich bin definitiv nicht groß bewandert in der Biographie Kanos. Ich habe ihn für mich im ganz groben Schublanden-Raster vor allem als im westlichen Sinne pädagogisch beeinflusst abgespeichert... (Genauer trifft es aber sicher die Zuordnung von Rambat mit dem Verweis auf den Utilitarismus.)

Dass Kano aber keinerlei familiäre oder gesellschaftliche Prägung durch konfuzianische Ideen erhalten haben soll, kann ich mir jetzt ehrlich gesagt erstmal schwer vorstellen. Das mit den Shinto-Priestern wäre aus dem Stegreif meiner Meinung sogar eher ein Argument dafür, da insbesondere während der Edo-Zeit der Shinto in vielen und engen Verbindungen mit dem Konfuzianismus stand (z. B. Suika-Shinto und Watarai-Shinto). Da müsste man genauer schauen, welcher Strömung die Linie seiner Eltern und Vorfahren angehörte. Und selbst in der Meiji-Zeit war der Konfuzianismus nicht abgehakt, sondern wurde im Gegenteil auch herangezogen, um die kokutai- und bushidô-Ideologie zu formen.

Und es wurde auch nicht alles Japanische als obsolet und alles Westliche kritiklos übernommen: Das Leitbild war vielmehr wakon-yôsai, "japanischer Geist und westliche Technik".

kanken
11-11-2019, 19:05
Hier steht Kano sei von neo-konfuzianischen Lehrern erzogen worden:


Kanō's father was a great believer in the power of education, and he provided Jigorō, his third son, with an excellent education. The boy's early teachers included the neo-Confucian scholars Yamamoto Chikuun and Akita Shusetsu.[5]

[5] ist “Naoki, Murata (https://en.wikipedia.org/wiki/Naoki_Murata) (2005), "From Jutsu to Dō: The Birth of Kōdōkan Judo", in Bennett, Alexander (ed.), Budo Perspectives, Auckland: Kendo World, p. 144“

Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Kanō_Jigorō

Ich denke der Kurator des Kodokan Judo Museums in Tokyo wird die Lehrer Kanos wohl kennen ;)

Was Kano über den Zweck des Judo schreibt passt ja auch ganz gut zum „Acht Punkte Plan“ von Konfuzius und auch das Japan sich in der Meijizeit mehr dem Konfuzianismus zuwendete (siehe Zitat oben) passt dazu.

Gast
11-11-2019, 19:40
@kanken:

ich insistiere.

ich möchte wiederholen - auch wenn wir dadurch wohl OT geraten - dass kano in seinen texten nirgends explizit erwähnt, ja noch nicht einmal implizit andeutet, dass er selbst oder sein judo vom konfuzianismus geprägt wären (anderslautende aussagen bitte mit zitierfähigen quellen belegen).
:)

und obwohl kano sich in seinen schriften sehr ausführlich und dezidiert zu fragen der moral (der persönlichen und der gesellschaftlichen) äußert, und obwohl kano sich auch häufig dazu äußert, auf welche weise sein judo dem "embetterment of society" zuträglich sein könne, erwähnt er nirgends den konfuzianismus als quelle seiner vorstellungen.
stattdessen, und das wurde bereits geschrieben, bezieht er sich hauptsächlich auf den (frühen) utilitarismus eines john stuart mill sowie allgemein auf westliche gesellschaftsentwürfe.

ich persönlich gehe davon aus, dass jemand wie kano, wenn er denn konfuzianisch aufgewachsen wäre, zumindest in seinen frühen schriften darauf bezug genommen hätte.
soweit mir bekannt, hat er das aber nicht getan.

ob das, was kano bezüglich seiner ansichten zu pädagogik und gesellschaft äußerte, gut zum konfuzianismus passt(e) oder nicht, sei dahingestellt.
es bleibt die tatsache (soweit mir bekannt), dass er weder seine person und seinen werdegang noch sein judo in seinen texten jemals in die nähe des konfuzianismus rückte.

ich gehe auch davon aus, dass die "neo-konfuzianische erziehung" durch yamamoto chikuun und akita shusetsu kein beweis, sondern allenfalls ein schwaches indiz sein kann dafür, dass er "konfuzianisch aufwuchs".

(nota bene: ich wuchs in der DDR auf und wurde in der schule und im kinderheim ausschließlich von lehrern / erziehern "erzogen", die tatsächlich oder vorgeblich der weltanschauung des "wissenschaftlich-historischen materialismus" anhingen, und ich kann nicht behaupten, dass ich deshalb "kommunistisch" aufwuchs. wenn mich diese sehr massiven versuche, mich zu indoktrinieren, überhaupt beeinflusst haben, dann dahingehend, dass ich gegen diese angeblich "wissenschaftliche" und intolerante ideologie eine herzliche abneigung entwickelte, und das schon in sehr jungen jahren. es ist also durchaus nicht zwingend, dass man als schüler die weltsicht des jeweiligen lehrers übernimmt ;) )

kanken
11-11-2019, 19:52
Das Kano den Konfuzianismus nicht explizit erwähnt wundert mich jetzt nicht. Chinesisches Wissen und japanische Traditionen waren um die Jahrtausendwende in Japan jetzt nicht gerade populär ;)
Fakt ist das Kano die Gedanken sehr genau kannte, was er dann später daraus gemacht hat und womit er sie verbunden hat, das ist eine ganz andere Sache. All seine Ideen zum Zweck des Judo decken sich mit den Gedanken des Konfuzianismus und von dem hat er sehr viel eher gehört als vom Utilitarismus (siehe seine Lehrer). In den Koryu ist er damit auch ganz sicher in Kontakt gekommen.

Das er das im imperialistischen Japan später dann nicht als Konfuzianismus verkaufen konnte ist klar, zumal dort dann nur westliches Gedankengut „modern“ war, vor allem in Beziehung auf Erziehung.

Aber das wäre alles sehr interessanter Stoff für ein Extrathema, sonst verzetteln wir uns hier noch zu sehr (und langweilen die Anderen).

Gast
11-11-2019, 20:03
Noch als kleines Detail:
Im Judo wird doch auch rei praktiziert - und das kommt woher...?

Huangshan
11-11-2019, 20:13
Aber das wäre alles sehr interessanter Stoff für ein Extrathema, sonst verzetteln wir uns hier noch zu sehr (und langweilen die Anderen).

Keine Sorge eure posts heben das Niveau dieses Forums, des KB, dass sonst Bildzeitungsniveau hat.;)

kurz:
Der Konfuzianismus bzw. der Neo Konfuzianismus hat die ostasiatischen Gesellschaften über Jahrhunderte geprägt.



Chinesisches Wissen und japanische Traditionen waren um die Jahrtausendwende in Japan jetzt nicht gerade populär

Die chinesische Philosophie,Kultur etc. hat einige asiatische,ostasiatische Kulturen stark geprägt wie die griechische,römische Phil., Christentum etc. Europa,den Westen .......
Auch wenn einige jap. Nationalisten versucht haben chin. Wurzeln zu verwischen.

Auch in der sozialistischen VR China wird Neo Konfuzianismus von der KP instrumentaliesiert.

step-by
11-11-2019, 20:35
OT


=rambat;3713407]kompletter unfug.

du hast keine ahnung, was kosen judo war (ist), aber schreibst darüber.
du hast keinen schimmer von maedas biographie, aber schreibst darüber ... und NEIN, maeda war KEIN vertreter des kosen judo!
maeda legte auch nicht den grundstein für das bjj.

und dieser satz hier entbehrt jeder logik und offenbart deine beschämende unkenntnis:


Leider legst Du Dich mit dem falschen an!
Du solltest Dich an die Verantwortlichen dieser Seite wenden:

www.bjj-judo-weiden.de/

Viele Infos und unter Judo den von mir vorgestellten Artikel...

Dort findest Du den Artikel: Judo : Das Kodokan-Dojo und die Entstehung des Judo
natürlich auch den Abschnitt über: Kosen Judo.

OT

FireFlea
11-11-2019, 20:52
@ step-by

Der Unterschied ist, dass rambat auch eigenes Know How vorweisen und vor diesem Hintergrund entsprechende Texte einordnen kann, Du aber (wieder einmal) einfach Links zu Themen kopierst, von denen Du keinerlei Plan hast...


Unabhängig zur Prägung Kanos zu der ich nichts sagen kann - Shinto und Konfuzianismus schließen sich keinesfalls aus. Ich bin zu blöd das mit dem Handy zu verlinken aber sucht mal nach "Neo-Konfuzianismus und konfuzianistischer Shinto" auf der Seite der Uni Wien.

Voila: https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Geschichte/Neo-Konfuzianismus

Gast
11-11-2019, 20:54
Und hier bei Andreas Niehaus:

https://books.google.de/books?id=wHGaDwAAQBAJ&pg=PA179&lpg=PA179&dq=kano+judo+konfuzianismus&source=bl&ots=ZVIRjYryAQ&sig=ACfU3U3QLhBSYvLJd6OSz_Jx29FfzFgaeQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjQxa219-LlAhV6DWMBHZXODJwQ6AEwCHoECAkQAQ#v=onepage&q=kano%20judo%20konfuzianismus&f=false

("...unter explizitem Rückgriff auf konfuzianische Wertekategorien:")

Bücherwurm
11-11-2019, 20:56
Keine Sorge eure posts heben das Niveau dieses Forums, dass sonst Bildzeitungsniveau hat.;)


Einwurf: Könnten bitte alle Diskussionsteilnehmer auf die Vollständigkeit der Quotes achten?! Nur für den Fall, dass jemand die Diskussion nachvollziehen will. Danke.

Gast
11-11-2019, 21:24
Um die letzten Kano-Konfuzius-Beiträge noch mal zusammenzufassen:

War Kano einigermaßen konfuzianisch sozialisiert und darüber hinaus auch intellektuell mit den Inhalten des Konfuzianismus vertraut? Halte ich für sehr wahrscheinlich.
Wie er jetzt tatsächlich (und noch genauer, vielleicht in einzelnen Phasen seines Lebens) zum Konfuzianismus, bzw. zu den diversen Aspekten des Konfuzianismus stand, ist damit aber noch nicht gesagt und müsste halt anhand seiner überlieferten Texte, Ansprachen, Biographie etc. sowie der vorhandenen Literatur wie dem Werk von Niehaus und anderen untersucht werden.

Und dann ist es immer noch so: das Vorhandensein z. B. konfuzianischer Elemente muss eben nicht gleichbedeutend sein mit einer inneren Zustimmung zu diesen Inhalten; ebenso ist das Fehlen solcher Aspekte noch kein Beleg für die Ablehnung. Nicht so einfach.

kanken
11-11-2019, 22:43
War Kano einigermaßen konfuzianisch sozialisiert und darüber hinaus auch intellektuell mit den Inhalten des Konfuzianismus vertraut? Halte ich für sehr wahrscheinlich.
Wie er jetzt tatsächlich (und noch genauer, vielleicht in einzelnen Phasen seines Lebens) zum Konfuzianismus, bzw. zu den diversen Aspekten des Konfuzianismus stand, ist damit aber noch nicht gesagt und müsste halt anhand seiner überlieferten Texte, Ansprachen, Biographie etc. sowie der vorhandenen Literatur wie dem Werk von Niehaus und anderen untersucht werden.

Und dann ist es immer noch so: das Vorhandensein z. B. konfuzianischer Elemente muss eben nicht gleichbedeutend sein mit einer inneren Zustimmung zu diesen Inhalten; ebenso ist das Fehlen solcher Aspekte noch kein Beleg für die Ablehnung. Nicht so einfach.

Manchmal liebe ich Google für seine „Books“. Im Anhang ein Screenshot aus „Leben und Werk KANO Jigoros (1860-1938): Judo - Sport - Erziehung“ von Andreas Niehaus.

Zitat Seite 180


So gelingt es Kano eine Verbindung zwischen westlichem Rationalismus und konfuzianischer Staatsethik herzustellen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Verknüpfung von Individuum und Staat sowie die Betonung der konfuzianischen Grundtugenden von Pietät und Loyalität den Kern der Philosophie der Edo-zeitlichen Kriegskünste bilden und Kano auch von dieser Seite Einflüsse aufgenommen haben dürfte.

Gast
11-11-2019, 22:58
ich muss ehrlich zugeben, dass mich so etwas regelrecht ärgert:


So gelingt es Kano eine Verbindung zwischen westlichem Rationalismus und konfuzianischer Staatsethik herzustellen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Verknüpfung von Individuum und Staat sowie die Betonung der konfuzianischen Grundtugenden von Pietät und Loyalität den Kern der Philosophie der Edo-zeitlichen Kriegskünste bilden und Kano auch von dieser Seite Einflüsse aufgenommen haben dürfte.
und das ausgerechnet bei niehaus ...

dürfte.
ist imho gleichzusetzen mit:
hätte.
könnte.

DASS kano in einer zeit aufwuchs, in der imho der neo-konfuzianismus ein denkmodell japanischer eliten war, ist unbestritten.
ich kann jedoch noch immer nicht erkennen, wie sich die aussage belegen ließe, er sei "konfuzianisch aufgewachsen".

ich wiederhole es: seine EIGENEN schriften geben das nicht her, mir ist zumindest keine solche textstelle bekannt.
die aussagen DRITTER darüber, wie weit neo-konfuzianische einflüsse in kanos kindheit seine sicht auf die welt und die gesellschaft geprägt haben, stellen - mit verlaub! - nichts als vermutungen und spekulationen dar und sind meiner meinung nach nicht geeignet, so kategorische aussagen zu treffen.

anders wäre es, wenn es hieße: "es ist möglich, dass kano in seiner kindheit durch neo-konfuzianische einflüsse MITgeprägt worden sein KÖNNTE. anhaltspunkte dafür findet man (hier entsprechende quellen einfügen) ..."
das würde ich so gelten lassen.

:)

nachsatz: die unbeholfenen versuche eines uns unliebsam bekannten users, diese diskussion (wie schon viele andere) zu stören, sollten wir weiterhin ignorieren. hat doch bisher ganz gut funktioniert ...

kanken
11-11-2019, 23:17
DASS kano in einer zeit aufwuchs, in der imho der neo-konfuzianismus ein denkmodell japanischer eliten war, ist unbestritten.
ich kann jedoch noch immer nicht erkennen, wie sich die aussage belegen ließe, er sei "konfuzianisch aufgewachsen".


Unabhängig von Niehaus hatte Naomi Murata ja die beiden konfuzianischen Lehrer von Kano genannt: "The boy's early teachers included the neo-Confucian scholars Yamamoto Chikuun and Akita Shusetsu."

Das Kano eine konfuzianische Bildung genossen hatte ist damit doch klar. Niehaus scheint diese ja nicht anzuzweifeln.
Julian hat ja auch dargelegt dass es zwischen Shinto und Konfuzianismus durchaus enge Verbindungen gibt und außerdem zeigt er ja anhand der Schriftrollen der Kito-ryu ( Geisteswelt der Edo-Zeit Band 2 (https://www.amazon.de/Geisteswelt-Edo-Zeit-Band-Philosophie-Kampfkunst/dp/3734769620/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&keywords=Julian+Braun+geisteswelt&qid=1573510577&sr=8-1)) das dort auch konfuzianische, buddhistische und daoistische Elemente enthalten sind. Die Rollen der Kito-ryu hat Kano nun ja wohl eindeutig gekannt.

Gast
12-11-2019, 00:21
Unabhängig von Niehaus hatte Naomi Murata ja die beiden konfuzianischen Lehrer von Kano genannt: "The boy's early teachers included the neo-Confucian scholars Yamamoto Chikuun and Akita Shusetsu."

Das Kano eine konfuzianische Bildung genossen hatte ist damit doch klar. Niehaus scheint diese ja nicht anzuzweifeln.
Julian hat ja auch dargelegt dass es zwischen Shinto und Konfuzianismus durchaus enge Verbindungen gibt und außerdem zeigt er ja anhand der Schriftrollen der Kito-ryu ( Geisteswelt der Edo-Zeit Band 2 (https://www.amazon.de/Geisteswelt-Edo-Zeit-Band-Philosophie-Kampfkunst/dp/3734769620/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&keywords=Julian+Braun+geisteswelt&qid=1573510577&sr=8-1)) das dort auch konfuzianische, buddhistische und daoistische Elemente enthalten sind. Die Rollen der Kito-ryu hat Kano nun ja wohl eindeutig gekannt.

das sind meiner meinung nach indizien, aber keine belege.

ich wiederhole es:

Unabhängig von Niehaus hatte Naomi Murata ja die beiden konfuzianischen Lehrer von Kano genannt: "The boy's early teachers included the neo-Confucian scholars Yamamoto Chikuun and Akita Shusetsu."
pardon, aber das lasse ich nicht gelten.

ich präzisiere noch einmal meinen einwand gegenüber der aussage, das kano "konfuzianisch aufwuchs":

man könnte, um das beispiel zu wiederholen, das ich schon eingebracht hatte, bspw. über mich schreiben: "seine lehrer waren u.a. XY und TZ, zwei bekannte kommunisten, die dafür bekannt waren, nicht nur der SED anzugehören, sondern auch an der parteihochschule im fach 'dialektischer materialismus' promoviert hatten."

was würde das über MICH aussagen?
nichts.
es bedeutet nicht, dass ich den lehren dieser herren folgte oder bis heute folge. es bedeutet nicht, dass sie einen maßgeblichen einfluss auf mein weltbild hatten. es bedeutet nur, dass diese beiden lehrer überzeugte anhänger des "dialektischen materialismus" waren und dass sie mich als lehrer unterrichteten.
übrigens in den fächern geschichte, deutsch und staatsbürgerkunde.

macht mich das zum anhänger ihrer ideologie?
nein.
bin ich "kommunistisch aufgewachsen"?
nein.
ich bin in einem umfeld aufgewachsen, in dem beinahe jeder tatsächlich an den sieg des sozialismus / kommunismus glaubte oder vorgab, das zu tun. ich wurde wie jeder andere schüler auch mit dieser ideologie überschüttet.
das aber sagt nichts, rein gar nichts darüber aus, inwieweit ich mit dieser lehre übereinstimmte und / oder davon geprägt wurde.

wenn es sich aber bei mir so verhält, wieso sollte es dann bei kano und dem neokonfuzianismus anders sein?
ich sehe noch immer keine belege für die aussage, dass er "(neo)konfuzianisch aufwuchs".

zumal er selbst sich in seinen schriften nicht in einer weise äußert, die eine nähe seiner person oder seines judo zum (neo)konfuzianismus belegt.
alle entsprechenden aussagen sind die von DRITTEN, und zwar ÜBER kano; es sind aber keine aussagen, die er selbst getroffen hat.

ich denke, man sollte diesen unterschied nicht außer acht lassen.

oxox
12-11-2019, 07:01
Wie wächst man eigentlich konfuzianisch auf? Unsere Gesellschaft ist doch auch nicht mehr explizit christlich, aber der christliche Ethos hat trotzdem eine prägende Wirkung.

kanken
12-11-2019, 07:23
wenn es sich aber bei mir so verhält, wieso sollte es dann bei kano und dem neokonfuzianismus anders sein?
ich sehe noch immer keine belege für die aussage, dass er "(neo)konfuzianisch aufwuchs".

zumal er selbst sich in seinen schriften nicht in einer weise äußert, die eine nähe seiner person oder seines judo zum (neo)konfuzianismus belegt.
alle entsprechenden aussagen sind die von DRITTEN, und zwar ÜBER kano; es sind aber keine aussagen, die er selbst getroffen hat.

ich denke, man sollte diesen unterschied nicht außer acht lassen.

Nun gut, formulieren wir es so:

Er durchlief eine konfuzianische Bildung und kannte daher den Konfuzianismus sehr gut.

Wie Julian ja dargelegt hat war der Konfuzianismus in Japan zu der Zeit omnipräsent und Niehaus schreibt selbst das Kano es verstanden hat Konfuzianismus mit westlichem Rationalismus zu kombinieren...

Alfons Heck
12-11-2019, 07:42
Einige OT-Beiträge entfernt --- Beim Thema bleiben!!!

Gast
12-11-2019, 09:03
Noch als kleine Ergänzung: Kanô war wohl auch maßgeblich an der Reaktivierung der Konfuzius-Feier im Yushima Seidô (https://de.wikipedia.org/wiki/Yushima_Seidō) beteiligt.

(https://www.tsukuba.ac.jp/wp-content/uploads/160822_28.pdf)

oxox
12-11-2019, 09:22
Ich würde die ursprüngliche Frage gerne mal umdrehen. Kann es eigentlich Situationen geben wo der Unterricht von Hintergrundwissen schädlich ist?

kanken
12-11-2019, 09:29
Ich würde die ursprüngliche Frage gerne mal umdrehen. Kann es eigentlich Situationen geben wo der Unterricht von Hintergrundwissen schädlich ist?

Ganz klar:

Ja, wenn die Theorie nicht ins praktische Üben umgesetzt wird, bzw. wenn die Theorie das praktische Üben ersetzen soll.

An Stelle 1 muss IMMER die praktische Fähigkeit stehen. Wenn man meint etwas verstanden zu haben dann muss es sich im praktischen Üben wiederfinden. Dazu bedarf es dann eines Lehrers der einem die theoretische Erkenntnis bestätigt und der überprüfen kann ob es sich im praktischen Üben wiederfindet.

Mein Lehrer sagt mir immer „Show me!“ und dann gibt es Feedback.

ainuke
12-11-2019, 09:38
Ganz klar:

Ja, wenn die Theorie nicht ins praktische Üben umgesetzt wird, bzw. wenn die Theorie das praktische Üben ersetzen soll.

Das mag jetzt etwas kleinkariert klingen, aber in diesen Fällen ist nicht das Hintergrundwissen schädlich, sondern das Fehlen der praktischen Übung.

kanken
12-11-2019, 09:54
Noch als kleine Ergänzung: Kanô war wohl auch maßgeblich an der Reaktivierung der Konfuzius-Feier im Yushima Seidô (https://de.wikipedia.org/wiki/Yushima_Seidō) beteiligt.

(https://www.tsukuba.ac.jp/wp-content/uploads/160822_28.pdf)


Ich habe auch noch etwas gefunden

http://www.100yearlegacy.org/english/Kano_Jigoro/Chronology/


1870 Moved to Tokyo with his father and started studying Chinese classics
1878 Studied the Chinese classics at Nisho Gakusha (current Nishogakusha University)
1881 Graduated from Department of Political Science and Economics of the Faculty of Literature of Tokyo Imperial University and entered the selected subjecs of Moral Philosophy (Dogi) and the Aesthetics (graduated in the following year)


Er hat sich also auch in Tōkyō mit den chinesischen Klassikern beschäftigt und sich sogar in Moralphilosophie spezialisiert.

Im Anhang ein Bildschirmfoto von http://www.100yearlegacy.org/english/Kano_Jigoro/pdf/kj_panph_English.pdf. Darin wird erläutert dass er seinen Schreibnamen in seinen 60ern auf „Ki-Issai“ geändert hat.
Das Schriftzeichen „Ki“darin soll auf eine Phrase von Xunzi (https://de.wikipedia.org/wiki/Xunzi) zurückgehen, einem konfuzianischen Philosophen.

All das legt zumindest die Vermutung nahe dass Kano nicht nur die Lehren von Konfuzius sehr gut kannte, sondern ihn anscheinend zumindest auch schätzte...

Gast
12-11-2019, 09:54
Nun gut, formulieren wir es so:

Er durchlief eine konfuzianische Bildung und kannte daher den Konfuzianismus sehr gut.

Wie Julian ja dargelegt hat war der Konfuzianismus in Japan zu der Zeit omnipräsent und Niehaus schreibt selbst das Kano es verstanden hat Konfuzianismus mit westlichem Rationalismus zu kombinieren...

DAS lasse ich absolut gelten!
:beer:

kanken
12-11-2019, 09:55
Das mag jetzt etwas kleinkariert klingen, aber in diesen Fällen ist nicht das Hintergrundwissen schädlich, sondern das Fehlen der praktischen Übung.

Das stimmt, aber leider wird oft die Theorie benutzt um mangelnde praktische Fähigkeiten zu „überspielen“...

kanken
12-11-2019, 10:00
DAS lasse ich absolut gelten!
:beer:

:klatsch: :halbyeaha

Ich will mich ja mit dir auch gar nicht streiten! Finde es selber spannend zu sehen wie diverse KK beeinflusst werden. Zur Geschichte des Judo hatte ich mich bisher nur oberflächlich informiert. Genau das meine ich ja mit „Hintergrundwissen“ vermitteln.
Im Zeitalter des Internets ist es ja jetzt auch nicht so schwierig sich gewisse Dinge herauszusuchen, zumindest wenn man gescheite Quellenkritik gelernt hat und weiß welche Autoren seriös sind und welche nicht.

Zu den KK Japans sollten da auf alle Fälle Julian Brauns Bücher auf die „Must-have“ Liste (Die Dissertation und den 2. Band der „Geisteswelt der Edo-Zeit“ hatte ich ja hier schon verlinkt).

Gast
12-11-2019, 10:41
@kanken:

ich mag ja auch nicht streiten, schon gar nicht mit dir!
:)

es ist nur so: ich hab mich ja nun schon seit etwa 25 jahren mit der geschichte des judo und mit kanos biographie befasst.
mir sind dabei etliche fehler unterlaufen, ich habe einigen nicht zitierfähigen quellen geglaubt ...

deshalb bin ich nun wohl besonders kritisch und skeptisch.

zudem habe ich inzwischen kontakte nach japan, die weitgehend darin übereinstimmen, dass sowohl kanos lebenslauf als auch die geschichte des judo gnadenlos geschönt und propagandistisch aufbereitet wurden.
es hat einen grund, warum man (selbst wenn man herrn murata schon persönlich kennengelernt hat) nicht unbedingt alles in den archiven des kodokan zu sehen bekommt ...

es gibt extrem viele ungereimtheiten in kanos biographie, was die gründung des kodokan und die etablierung seines (?) judo angeht.
der kodokan selbst ist da keine hilfe, dort ist man imho nicht daran interessiert, die tatsächliche historie des judo mit all ihren brüchen und verwerfungen zu thematisieren.

wer sich dazu weiter informieren möchte, sei auf charles de creè verwiesen, der (soweit ich informiert bin) 30 jahre in japan gelebt hat, ein hervorragender judoka ist und meines wissens der erste war, der all die widersprüche und ungereimtheiten in der historie des judo und in kanos offizieller biographie nicht hinnehmen.

nota bene: es sei nur mal als beispiel dafür, dass kodokan nicht (nur) für judo, sondern auch für politik steht, auf margo sathaye verwiesen.
zitat aus dem (inzwischen leider geschlossenen) amerikanischen judoforum:

And the answer to that is not again an 'exception' like Margo Sathaye, because officially, according to the Kôdôkan, she was never an instructor there.
Believe, me, they actually went to look it up and verified it through all the different hierarchical layers after I insisted that she did teach at the Kôdôkan.
She has pretty much been 'cleaned' up and removed from the records.

auch so etwas ist hintergrundwissen, denke ich.
und es ist nur EIN beispiel dafür, dass sowohl die aufzeichnungen des kodokan als auch die "offizielle" biographie kanos und die historie des judo mit größter vorsicht zu genießen sind.


und genau aus diesem grund bin ich erst einmal allem abgeneigt, was DRITTE über kanos tatsächliche oder angebliche meinungen / einstellungen sagen oder schreiben.
;)

kanken
12-11-2019, 10:48
wer sich dazu weiter informieren möchte, sei auf charles de creè verwiesen, der (soweit ich informiert bin) 30 jahre in japan gelebt hat, ein hervorragender judoka ist und meines wissens der erste war, der all die widersprüche und ungereimtheiten in der historie des judo und in kanos offizieller biographie nicht hinnehmen.

Hat Kano denn nicht in Tōkyō studiert? Haben die das echt nur behauptet? Ich meine Abschlüsse wird man ja nicht so einfach fälschen können und Listen wird es ja schon geben, oder?

Huangshan
12-11-2019, 10:53
Das mag jetzt etwas kleinkariert klingen, aber in diesen Fällen ist nicht das Hintergrundwissen schädlich, sondern das Fehlen der praktischen Übung.



Das stimmt, aber leider wird oft die Theorie benutzt um mangelnde praktische Fähigkeiten zu „überspielen“...

Dieses Phänomen kann man in einigen Schulen, bei Lehrern beobachten.
In einigen modernen Schulen werden Esoterik,New Age Elemente etc. ins Lehrkonzept eingebaut.

Theorie und reines Formenlaufen werden in den Vordergrund gestellt, explizit gelehrt.


PS: Julian Braun, danke für die Quellen!

karate_Fan
12-11-2019, 11:22
Das mag jetzt etwas kleinkariert klingen, aber in diesen Fällen ist nicht das Hintergrundwissen schädlich, sondern das Fehlen der praktischen Übung.


Ja und Nein würde sagen. Das Problem mit vermeidlich traditionellen Kampfkünsten (ich beziehe mich damit jetzt ausdrücklich auf die Form des Shotokan Karate wie ich es kennen lernen und üben dürfte) ist ja, dass man meint über Hintergrundwissen zu verfügen, dieses Wissen aber nicht praktisch erklären kann. Es wird also über etwas referiert was die alten Meister angeblich konnten, aber man aber selbst nicht replizieren kann.

Ein solches Hintergrundwissen ist meiner Meinung nach nutzlos. Da sollte man vielleicht etwas weniger Ahnenverehrung betreiben und sich auf den praktischen technischen Teil, denn auch der aktuelle Lehrer 1:1 wiedergeben kann.

Hintergrundwissen über die Gichin und Gigo Funakoshi ist ja sehr spannend, bringt aber einen beim praktischen Training nicht weiter. Was die alten Karate Fachleute konnten oder nicht konnten ist für mich als Geschichts Freak überaus cool, bringt mir aber nichts wenn darum geht mich praktisch in der Jetztzeit zu verbessern. Da ist das praktische Wissen meines Lehrers wichtiger als sein historisches Wissen.

Am besten wäre wenn sich das historische Wissen mit dem praktischen Wissen verbinden würde. Das ein jetzt noch lebender Lehrer z.B alles über die theoretischen Grundlagen des gelehrten Stils samt Geschichte bescheid weiß und dieses dann auch technisch auf einen hohen Level beherrscht und es auch weiter leiten kann.

Mal ein Beispiel : In meiner ehemaligen Karate Gruppe wurde zwar anerkannt, dass im Karate nicht nur Schläge und Tritte sondern auch Würfe gibt, was sehr progressiv für eine Sportkarate Gruppe war. Leider wusste man nichts über die traditionellen Würfe sondern hat versucht die Lücke mit Judo zu schließen.

Der Co Trainer war das betrifft auch über aus ehrlich und hat nichts beschönigt, was ich echt gut finde. Nur die Frage ist eben wie sinnvoll es ist Lücken im Karate aus anderen Kampfkünsten zu schließen? Die Würfe dürfte man eher in den CMA finden.

Ich dem Fall ist das Hintergrundwissen über die Würfe eher schädlich da sie ein Fremdkörper im Körper des Sport Karate sind, wo es nur mehr ums Schlagen und Treten geht.

Da wäre es fast besser, die Trainingszeit auf etwas zu beschränken was der Lehrer wirklich beherrscht, anstatt versuchen die Würfe zu üben die der Trainer nicht perfekt beherrscht da seine Judo Trainingserfahrung im Vergleich zu seiner Trainingszeit im Karate doch eher beschränkt sind.

Oft ist weniger vielleicht mehr.

Und zu umfangreiches theoretisches Wissen ohne praktisches Wissen kann vielleicht oft mehr Schaden als nutzen...

Es kommt in dem Fall aber immer auf die KK Praktizierenden an. Da gibt es keine eindeutige Antwort.

step-by
12-11-2019, 11:30
Das verstehe ich unter einer Diskussion. Du kannst es doch.



@kanken:

ich mag ja auch nicht streiten, schon gar nicht mit dir!
:)

es ist nur so: ich hab mich ja nun schon seit etwa 25 jahren mit der geschichte des judo und mit kanos biographie befasst.
mir sind dabei etliche fehler unterlaufen, ich habe einigen nicht zitierfähigen quellen geglaubt ...

deshalb bin ich nun wohl besonders kritisch und skeptisch.

zudem habe ich inzwischen kontakte nach japan, die weitgehend darin übereinstimmen, dass sowohl kanos lebenslauf als auch die geschichte des judo gnadenlos geschönt und propagandistisch aufbereitet wurden.
es hat einen grund, warum man (selbst wenn man herrn murata schon persönlich kennengelernt hat) nicht unbedingt alles in den archiven des kodokan zu sehen bekommt ...

es gibt extrem viele ungereimtheiten in kanos biographie, was die gründung des kodokan und die etablierung seines (?) judo angeht.
der kodokan selbst ist da keine hilfe, dort ist man imho nicht daran interessiert, die tatsächliche historie des judo mit all ihren brüchen und verwerfungen zu thematisieren.

wer sich dazu weiter informieren möchte, sei auf charles de creè verwiesen, der (soweit ich informiert bin) 30 jahre in japan gelebt hat, ein hervorragender judoka ist und meines wissens der erste war, der all die widersprüche und ungereimtheiten in der historie des judo und in kanos offizieller biographie nicht hinnehmen.

nota bene: es sei nur mal als beispiel dafür, dass kodokan nicht (nur) für judo, sondern auch für politik steht, auf margo sathaye verwiesen.
zitat aus dem (inzwischen leider geschlossenen) amerikanischen judoforum:


auch so etwas ist hintergrundwissen, denke ich.
und es ist nur EIN beispiel dafür, dass sowohl die aufzeichnungen des kodokan als auch die "offizielle" biographie kanos und die historie des judo mit größter vorsicht zu genießen sind.


und genau aus diesem grund bin ich erst einmal allem abgeneigt, was DRITTE über kanos tatsächliche oder angebliche meinungen / einstellungen sagen oder schreiben.
;)

Da stimme ich Dir wirklich bei.
Dann solltest Du aber auch anerkennen, leider wird dieses Dein " Wissen " nicht Allgemeingut, sondern in vielen Judo- Büchern wird genau das
als Wahrheit vorgestellt, was Du bemängelst.

Wobei ich dieses " Hintergrundwissen oder die Geschichten über einen Gründer einer Kampfsport-Art " nie ernst genommen habe, Beispiele gibt es genug.

Hoffe, dieser freundliche Umgangston bleibt in diesem Thread.

:kaffeetri

kanken
12-11-2019, 11:41
So, habe mir jetzt mal die Veröffentlichungen von De Cree angeguckt und in

„Shōnen Jūdō-no-kata [“Forms of Jūdō for Juveniles”] ―an experimental Japanese teaching approach to Jūdō skill acquisition in children considered from a historic- pedagogical perspective – part I“

Folgendes auf Seite 8 gefunden:


In August 1882 Kanō had started working as a Lecturer 4th Class3 (kyōjuho 教授補) in politics and economy at the Gakushūin 学習院 or Peers School, a government school under jurisdiction of the Kunaichō 宮内廳 [Imperial Household Agency], with entry now open to children from out- side the ranks of the nobility as well. However, Kanō gave up the position in 1883, to move to Komaba Nōgakkō 駒場農学 校 [Komaba Agricultural College, now Tōkyō Agricultural
University] to teach economy (Rizaigaku Kyōju 理財学教授 [Professor of economics]).

Das passt sehr gut zu der oben von mir verlinkten Timeline.

Zwar merkt De Cree in der Fußnote dazu folgendes an:


Note: It is this appointment from 1885 that has given rise to the Kōdōkan myth of Kanō being awarded a doc-torate and supposedly becoming ‘Dr. Kanō’; in real- ity Gakushūin, today’s Gakushūin University 学習院大学 in those days never had the authority to award any doctorates, nor did the doctoral degree system even exist in Japan in those days; in other words and in reality, Kanō became a professor without holding a prior doctorate.

aber die Ausbildung, die Kano genossen hat, wird nicht angezweifelt. Im Gegenteil er bestätigt ja Kanos Abschluss als „Professor“.

Danke Rambat für den Tip mit De Cree! Sein Artikel über Hiranos Kuzushi ist auch ziemlich cool, den muss ich mir noch mal ganz in Ruhe angucken. Bei 30 Seiten habe ich den nur quer gelesen.

Huangshan
12-11-2019, 11:52
in real- ity Gakushūin, today’s Gakushūin University 学習院大学 in those days never had the authority to award any doctorates, nor did the doctoral degree system even exist in Japan in those days; in other words and in reality, Kanō became a professor without holding a prior doctorate.

Um an Hoschulen zu lehren,Professur muss man keinen Dr. Grad besitzen.

rambat,kanken

Danke für das Hintergrundwissen zu Kano.

Gast
12-11-2019, 13:20
Hat Kano denn nicht in Tōkyō studiert? Haben die das echt nur behauptet? Ich meine Abschlüsse wird man ja nicht so einfach fälschen können und Listen wird es ja schon geben, oder?

ich glaube, du hast mich falsch verstanden.
es ging und geht nicht um die frage, ob und wo kano studiert hat - das ist hinreichend belegt.

es geht um ungeklärte fragen hinsichtlich der gründung des kodokan und der gründung des judo.
da gibt es reichlich widersprüchlichkeiten, auf die der kodokan niemals eingeht, selbst wenn man ganz direkt danach fragt.

und dass die aufzeichnungen (records) des kodokan zumindest ... geschönt sind, steht außer frage; man vergegenwärtige sich nur den fall margo sathaye (auch wenn das lange nach kanos tod geschah).

das, was allgemein als "hintergrundwissen" zur geschichte des judo und zu biographischen details aus kanos leben bekannt ist, wurde erkennbar "geglättet", und das ist nachweisbar.
es ist der arbeit von judoka wie charles de creè zu verdanken, dass bestimmte ereignisse heutzutage wenigstens erwähnt werden. (ich würde dauch auch cunningham hinzuzählen, auch wenn der sich in den vergangenen 7-8 jahren enttäuscht zurückgezogen hat angesichts des shitstorms, den seine fragen und die ergebnisse seiner recherchen ausgelöst hatten).

beispiele: kanos sohn war mehrfach in gewalttätige aktionen der japanischen kommunisten verwickelt, und kano musste ihn mehrfach aus dem gefängnis holen, wozu er seine stellung als unterstaatssekretär (so würde man das wohl heute nennen) nutzte.
kano selbst war ein engagierter förderer von uchida ryohei, der im jahr 1901 die ultranationalistische kokuryukei gründete, und schrieb persönlich das vorwort zu dessen 1903 erschienen judobuch (das übrigens sehr interessant ist, weil es sich von anderen judobüchern bspw. dadurch unterscheidet, dass es eben kein harmonie-gedöns enthält, sondern judo als sehr effektive, sehr gewalttätige kk dargestellt wird).
uchida ryohei war 1925 in die attentatsplanung auf den japanischen premierminister takaaki kato und den kaiser yoshihito involviert ...

solche dinge erfährt man über judo und kano nur, wenn man sehr gezielt danach sucht und weiß, welche ressourcen man sich dabei erschließen muss.
;)

gut, inzwischen sind derlei details in diversen foren verbreitet worden, immerhin gibt es ja zahlreiche judoka, die auf diesem gebiet forschen. in die verlautbarungen des kodokan aber und in heutige judobücher fanden und finden sie keinen eingang.
fragt sich, warum wohl ...

die familie kano bspw. weigert sich seit ewigen zeiten, kanos tagebücher zu veröffentlichen. ob diese tagebücher wohl dem bild, das man sich so allgemein von kano macht, sehr zuwiderlaufen ...? möglich wär's, und wundern würde es mich nicht, denn kano war ein mensch und kein heiliger.

da wir gerade bei ungereimtheiten sind ...
kano begann selbst bei wohlwollender betrachtung frühestens im alter von 15 jahren mit dem training, und regulär und offiziell dann mit 17 jahren (tenshin shinyo ryu). und nur wenige jahre später gründete er 1882 den kodokan ...
kano jigoro hatte also im besten falle 7, im wahrscheinlichsten fall aber nur 5 jahre trainingserfahrung.
maximal.
dennoch gründete er ein eigenes dojo.
und hatte ziemlich schnell einige sehr gute kämpfer (aus anderen schulen), die den ruf des kodokan begründeten.
kano selbst war KEIN kämpfer. wieso unterstellten sich ihm also kämpfer anderer schulen? und diese kämpfer (u.a. die vier "shitenno") begründeten ja den ruf des kodokan, zumindest in den ersten jahren, NICHT mit dem, was sie von kano lernten (der bei gründung des kodokan 22 jahre alt war und maximal 7 jahre training, wahrscheinlich aber nur 5 jahre training hinter sich hatte!), sondern mit dem, was sie in anderen schulen gelernt hatten.
warum?
solche und andere fragen sind bislang unbeantwortet geblieben, und man macht sich in judokreisen auch keine freunde, wenn man sie zu hartnäckig stellt ...

zumindest für judo kann ich aber sicher sagen, dass die historie geschönt und kanos lebensweg "geglättet" wurde.
und damit wird das, was als "offizielle" historie des judo kolportiert wird, leider weitgehend wertlos.

und somit muss man, wenn man historische hintergründe und entwicklungen bspw. des judo weitervermitteln will, verdammt vorsichtig sein.

möchte aber kaum jemand hören ...
;)

kanken
12-11-2019, 14:02
solche und andere fragen sind bislang unbeantwortet geblieben, und man macht sich in judokreisen auch keine freunde, wenn man sie zu hartnäckig stellt ...


Sehr interessant, Danke. So etwas gibt es wohl leider überall...

Huangshan
12-11-2019, 15:28
rambat:
Danke für die interessanten Informationen.


Kano gehört neben Ueshiba , Sō Dōshin...... zu den Ikonen des Budo, deshalb wundert es mich nicht, dass sein Lebenslauf frisiert,beschönigt.... wurde.

Dies ist z.B. in Ostasien, wenn man sich einige Kampkünstler Biografien anschaut gang und gäbe



Wenn ich in der VR China bin, muss ich immer auch drauf achten was .... ich sage.
Kritik stört die Harmonie.;)


Gibt es objektive Bücher oder Artikel über Jigiro Kano oder wurde alles glatt gebügelt?

oxox
12-11-2019, 15:51
Wenn ich in der VR China bin, muss ich immer auch drauf achten was .... ich sage.
Kritik stört die Harmonie.

Mischt sich die Regierung eigentlich in den Kampfkunst-Betrieb ein und verbietet den Unterricht von bestimmten Sachen? Man hört ja oft von Falun Gong und sowas, was gefühlt nicht soooo weit weg von inneren Kampfkünsten wäre. Auf jeden Fall scheint Kanken einen philosophisch/spirituellen Unterbau zu betonen.

Ich stelle mir es kommt nicht so gut an wenn man auf gewisse geschichtliche Zusammenhänge hinweist, von wegen unsere Linage basiert historisch auf dieser und jener Revolution welche die Autorität der Regierung in Frage stellte und dann weiter in den Untergrund getrieben wurde, nachdem die Kommunisten unser Kloster abbrannten. Hier wäre ich persönlich vorsichtig was ich einem Schüler sage, damit das nicht auf mich unangenehm zurückfällt.

Eskrima-Düsseldorf
12-11-2019, 17:11
Das ist auf jeden Fall der beste Thread seit langem - danke.

Huangshan
12-11-2019, 17:32
oxox:
Nun wenn einer Mitglied,Funktionär z.B. in der staatlich kontrolierten Chinese Wushu Association ist , dann sollte er aufpassen was er tut,sagt.

Versuch mal einem Shaolin Mönch oder einem Shaolin Quan Anhänger in China zu erklären das Bodhidharma(Damo) eine legendäre Figur ist und er nicht das Yi Jin Jing und Xi Sui Jing verfasst,begründet hat und Shiba luohan shou (die 18 Hände der Arhats) etc. .

Oder in einigen Kreisen das Zhang Sanfeng nicht das Taijiquan erfunden hat ,
nicht zu sprechen von bestimmten Qigong Arten,rel. Sekten etc. die tabu sind.

Aber dieses Verhalten ist auch in Korea und Japan zu beobachten , wenn man über bestimmte Themen spricht.

Wenn man in einer relativen Demokratie aufgewachsen ist und freie Meinungsäußerung gewohnt ist, so muss man bei bestimmten Themen in China lernen den Mund zu halten.(Tibet,Hong Kong,Kritik an der KP etc.)

Die Regierung hat überall Spitzel!

Gast
12-11-2019, 20:29
Gibt es objektive Bücher oder Artikel über Jigiro Kano oder wurde alles glatt gebügelt?

ich habe leider keinen überblick über sämtliche publikationen zu kano und dessen judo.
ich bezweifle, dass man in japan etwas finden würde, das die von mir angesprochenen ungeklärten fragen aufgreift.

in deutscher sprache ist tatsächlich nur niehaus zu empfehlen. allerdings sollte man dabei nicht vergessen, dass niehaus erstens selbst kein judoka ist, zweitens seine arbeit vorrangig bis ausschließlich das pädagogische wirken kanos zum inhalt hat und drittens auch ein andreas niehaus mit enorm hoher wahrscheinlichkeit viele dokumente zum thema judo im kodokan gar nicht zu gesicht bekam.

carl de creé ist im augenblick der einzige, dem ich zutraue, in seinem (lange angekündigten) buch auch umfassend auf die ungeklärten fragen und ungereimtheiten in der historie des judo einzugehen.
empfehlenswert sind meiner meinung nach noch joe svinth, cunningham und verschiedene andere englischsprachige freelancer, die vor allem im (untergegangenen) amerikanischen judoforum vor etwa zehn jahren ihr enormes wissen teilten (und auch belegten).

allerdings setzen sich selbst belegte aussagen in den "offiziellen" nationalen verbänden (die ohnehin wenig bis kein interesse an der geschichte des judo haben und völlig zufrieden sind mit dem albernen, geschönten und unrealistischen unfug, der als "geschichte des judo" gilt) nicht durch, sobald sie von dem abweichen, was im jeweiligen verband so verkündet wird ...

damit muss man halt leben.
ich hab auch kein interesse mehr, all die wirklich spannenden und zumindest z.t. sehr gut belegten details, die ein ganz anderes licht aufs judo werfen, mit aller welt zu teilen. es genügt mir, dass ich hier und da auf das eine oder andere puzzlestück stoße, das eine ganz andere erklärung bestimmter vorgänge zulässt als die "offizielle" sichtweise.
:)

Huangshan
13-11-2019, 08:22
rambat:

Danke für deine Erläuterung und die Empfehlungen.

Ja alles erinnert an Heiligenverehrung und an die Inquisition.

Leute die objektiv,kritisch bestimmte Themen,Personen,Geschichte betrachten sind in einigen Kampfkunst/Sport Kreisen nicht beliebt.

Abseits von China und Japan:
Als Beispiel ist auch die Aufarbeitung der Taekwondo Geschichte in Korea zu nennen und das Abschneiden der jap. Wurzeln.

Wenn man glaubt das im 21 Jh. die Wissenschaft,Aufklärung ...... den Aberglauben,religiösen,politischen Fanatismus,Unwissenheit etc. in die Schranken gewiesen hat , so wird man eines besseren belehrt wenn man sich einige Kampfkunstkreise,Organisationen anschaut.

kanken
13-11-2019, 09:26
Leute die objektiv,kritisch bestimmte Themen,Personen,Geschichte betrachten sind in einigen Kampfkunst/Sport Kreisen nicht beliebt.

Wenn man glaubt das im 21 Jh. die Wissenschaft den Aberglauben,religiösen,politischen Fanatismus,Unwissenheit etc. in die Schranken gewiesen hat , so wird man eines besseren belehrt wenn man sich einige Kampfkunstkreise,Organisationen anschaut.

Aus genau diesem Grund habe ich ja u.a. auch diesen Faden eröffnet.

Gegen solche Tendenzen hilft nur Wissen. Wissen hilft Aussagen einzuordnen. Wissen hilft zu hinterfragen. Wissen hilft Unwissen aufzudecken.

Wie viele Leute in den CMA schwafeln vom „Taiji“ haben aber noch nie das Yijing gelesen oder das Dao De Jing.

Wie viele Leute reden von der „Natürlichkeit“ (Zi Ran) und dem „Wu Wei“, haben aber keine Ahnung von „Bu Wei“ und „You Wei“? Daraus entsteht dann so etwas wie „als Daoist läßt man wirken“ etc. Nette New-Age Philosophie, die ja mittlerweile selbst in China dankend den Westlern verkauft wird, denn in für die ist ja genau das „Daoismus“. Man bekommt was man sucht, denn dafür zahlt man ja schließlich Geld...

Wie viele Leute können denn „ 道“ des Kong Zi von dem „ 道“ des Lao Zi unterscheiden und können daher erklären wie „Budo“, „Karate-do“ einzuordnen sind und wo der Unterschied zu dem Verständnis in den daoistisch geprägten KK liegt?

Wie viele Leute reden von „li“, „jing“ etc. können aber nicht erklären aus welchen Gedankengut dies hervorgeht und wie sich das im Menschen kontrollieren läßt (was ja auch in den klassischen Texten beschrieben wird).

Wir viele Leute können denn dann auf der Matte erklären wie diese Begriffe IN DER PRAXIS umgesetzt werden und wie man dies entwickelt?
Da kommt dann ein „wenn ich drücke mußt du nachgeben“... Alles klar.

Schau dir an was für ein Aufsehen um „den Kontaktpunkt“ im WT, gemacht wird oder die Kreise, oder die „Bögen“.

Aber wo kommt es her, was für Prinzipien manifestieren sich da und vor allem wie entwickelt man das weiter, bzw. wofür war das gedacht. Wo ist Körperarbeit und wo ist Kampf. Wie manifestiert sich Körperarbeit im Kampf? Was für ein Kampf überhaupt?

Am Anfang des Fadens hier haben ja schon viele geschrieben dass es so scheint dass die Leute, die eine traditionelle Kampfkunst üben, ihr Gehirn mit Anlegen ihrer Uniform ausschalten und nix mehr hinterfragen. Man übernimmt die Definition von Begriffen, die einem der Trainer sagt, der wird es schon wissen. Was aber, wenn der Trainer genau das Gleiche gemacht hat und auf seinen Trainer vertraut hat? Was aber wenn der keine Ahnung hatte (warum auch immer)?
Auf einmal haben wir eine Definition eines Begriffes, der nichts mehr (oder nur oberflächlich) mit der ursprünglichen Definition etwas zu tun hat (oder mit der ursprünglichen Tiefe).

Einhergehend damit geht dann auch die praktische Umsetzung verloren. Wenn ich einen Begriff nur zu 1% verstehe, dann verliere ich auch 99% des in der Praxis umsetzbaren.

Dann muss man sich nicht wundern wenn die „Traditionalisten“ in China vom MMA auf‘s Maul bekommen.

Andere sind wenigstens so schlau und holen sich die fehlenden praktische Umsetzung in anderen Bereichen (oder versuchen es zumindest), dann hat das Produkt aber auch nix mehr mit dem Ursprünglichen zu tun, es wird aber teilweise trotzdem noch unter dem Namen „verkauft“.

Leute die, auf Grund von Wissen, Dinge in Frage stellen, waren noch nie gerne gesehen, aber das darf kein Grund sein sich kein Wissen anzueignen oder anderen Leuten Wissen vorzuenthalten.

Man sollte immer versuchen zu lernen, man sollte immer hinterfragen und sich nie mit theoretischen Floskeln abspeisen lassen! Auch wenn man sich dadurch keine Freunde macht. Dann muss man sich halt diejenigen suchen, die auch so denken.

karate_Fan
13-11-2019, 09:56
@Huangshan Ich denke ja, dass Objektivität nicht gewissen KK Kreisen nicht gerne gesehen.

Ich gehöre ja zu den wenigen Leuten denen die KK Mystik und Budo Romantik abgeschreckt hat. Mich interessieren harte historische Fakten mehr. Bin aber was das betrifft in der Minderheit. Viele Leute an die gängigen Mythen glauben, mit dem all wissenden und herzensguten Meistern die keiner Fliege was zu Leide tun würden.

Die Leute verkennen dabei, dass diese Meista auch nur Menschen wären mit Ecken und Kanten. Bei den japanischen Kampfkünsten ist ja Ueshiba ein gutes Beispiel. Der schien eine sehr komplexe Persönlichkeit zu sein die auch politisch eng verstrickt war.

Bei den CMA ist ja besonders auffällig, dass die guten Leute aus dem Jahrhundert, nicht gerade das waren was man heute als brave gesetzestreue Bürger bezeichnen würde.

Ist immer wieder interessant, wie sich die Realität von den Mythen unterscheiden kann.

Solange es Leute gibt die daran glauben wollen, werden diese Mythen aber nicht verschwinden, denke ich.

carstenm
13-11-2019, 11:05
Bei den japanischen Kampfkünsten ist ja Ueshiba ein gutes Beispiel.Im Falle Ueshibas scheint mir wichtig, unterschiedliche Linien der Rezeptionsgeschichte zu differenzieren:

Gruppen, die sich weitgehend vom ursprünglichen historischen Kontext abgelöst haben und das Bild Ueshibas in ihren eigenen kulturellen und weltanschaulichen Kontext assimiliert haben, verstehen ihn als weisen alten Mann und als Vertreter einer pazifistischen "Liebesreligion".

Gruppen, die eine Verbindung zum historischen, bzw. kulturellen Kontext erhalten haben (also konkret eine enge Verbindung nach Japan und zu den japanischen Vertretern seiner Schule), deuten ihn im Rahmen und nach Mustern dieses Kontextes.
Das bedeutet dann eine weitere Differenzierung, nämlich das nach Außen, in der Öffentlichkeit transportierte Bild "des Begründers". Und das Bild, das im Inneren der Schule vermittelt wird. (Klassisches Beispiel dafür sind die je nach Fragesteller unterschiedlichen Antworten ein und derselben Schüler auf die Frage, ob Ueshiba am Ende seines Lebens tatsächlich noch werfen konnte, oder ob sie aus Respekt vor ihrem Lehrer gefallen sind. Oder die Aussagen über Ueshibas Verhalten als Familienmensch.)

Eine dritte Rezeptionslinie besteht in dem Bild, das Vertreter anderer Schulen, die Berührung mit Ueshiba hatten, von ihm haben. Und auch da ist wieder zu unterscheiden zwischen dem Bild, das nach Außen, in der Öffentlichkeit transportiert wird. (Weiser Begründer einer anderen Schule, dem aller Respekt gebührt.) Und dem Bild, das schulintern vermittelt wird. (Jemand der kein aiki hat, oder weniger als gedacht. Jemand, der nicht mit dem Schwert umgehen kann. usw. ...)

Diese Differenzierung von Innen und Außen ist ja ein grundlegender Aspekt der japanischen Kultur. Und die schein-Heiligkeit des im Westen rezipierten Bildes von Ueshiba hat m.E. u.a. damit zu tun, daß es durch Mensch vermittelt wurde, die nicht wirklich Zugang zum Innen hatten. - Oder eben dieses Innen ganz bewußt nicht öffentlich transportieren wollten.

kanken
13-11-2019, 11:36
Ist immer wieder interessant, wie sich die Realität von den Mythen unterscheiden kann.


Klar, man muss sich aber auch bemühen die Realität zu erkennen! Zugegeben, da macht es einem die „Öffentliche Meinung“ nicht immer leicht, aber jeder einzelne ist seines Glückes Schmied.

Nimm doch mal die „großen drei Richtungen“ Asiens. Man behandelt sie immer getrennt. Konfuzianismus ist Konfuzianismus, Buddhismus ist Buddhismus und Daoismus ist Daoismus. Jeder meint die Kernaussagen zu kennen und schon sind die Schubladen im Kopf auf.

Das sich in der Realität z.B. Daoismus und Buddhismus immer gegenseitig beeinflusst haben und eigentlich nicht getrennt betrachtet werden können (zumindest in China),das wird geflissentlich ignoriert. Geldsetzer und Hong bringen es ja schön auf den Punkt wenn sie sagen


Das der indische Buddhismus in China Eingang finden konnte, beruht offensichtlich darauf, das er sich in späteren Zeiten als bessere Ausarbeitung der Dao-Philosophie des Lao Zi darstellen konnte.

Zack. Das Begreifen und Wirken der daoistische Leere wird auf einmal durch den Buddhismus erklärt. Was Lao Zi und Zhuang Zhou versucht haben den Leuten klar zu machen wird durch die Worte Buddhas ergänzt und das Ganze findet in einer konfuzianischen Gesellschaft statt.

Da ist nichts mit „vermeintlichen Wissen über Teilgebiete“ man muss das Wissen verknüpfen.

Es genügt nicht zu wissen dass man das Dao über das Wirken von Yin und Yang verstehen lernt. Man muss auch erkennen wie Yin und Yang in der Natur wirken, wobei „Natur“ nicht nur alles um uns herum meint, sondern auch alles in uns. Das wiederum meint nicht nur den Körper, sondern auch unseren Geist. Wie die Leere in unserem Geist wirkt, damit hat sich ja auch der Buddhismus befasst. Dies hat dem konfuzianischen Staat im Laufe der Geschichte aber auch nicht immer gefallen.

Alles hängt zusammen und man muss Lernen viele Gebiete miteinander zu verknüpfen, was jedoch voraussetzt das man sich auch mit vielen Gebieten beschäftigt. „Everything makes everything better“, wie mein Lehrer immer zu sagen pflegt...

Im Westen kommt dann noch dazu dass wir ein gänzlich anderes Verständnis der Welt haben. Da muss man dann die „östlichen“ Gebiete auch noch mit den „westlichen“ versuchen zu verknüpfen, also gucken wie sich dieses Wissen mit unserem Wissen überschneidet, aber auch das setzt fundiertes Wissen auf allen Gebieten voraus.

Die Verantwortung sich dieses Wissen anzueignen liegt jedoch bei dem Schüler, nicht beim Lehrer. Der Lehrer gibt nur Tipps, er zeigt die Tür...

oxox
13-11-2019, 11:37
Das ist wahrscheinlich auch unpopulär, aber ich persönlich mag mich generell keiner Ideologie mehr exklusiv verschreiben. Ich finde das alles interessant, trotzdem sind es eher Anregungen um sich selber ein (idealer Weise kohärentes) Weltbild zusammen zu basteln, so ein bisschen wie die Schnittmenge eines Mengendiagramms. Das gesagt, mit eher magischen Ausprägungen des Daoismus z.B. kann ich nicht viel anfangen, auch wenn ich da neugierig sein sollte. Von wegen dem Streben nach Unsterblichkeit und vielleicht übermäßigen Wohlstand, Spiritismus [sic], oder der chinesischen Medizin und dem Streben nach einem langen Riemen (mit der Hilfe von Gewichten). Anderseits mag ich bestimmte Konzepte wie das Wu-Wei, oder halt spezielle Auslegungen, selbst wenn ich mir bewusst bin das mein Verständnis limitiert ist und nicht unbedingt dem Konsens entsprechen muss. Dem Handlungsparadox bin ich mir trotzdem durchaus bewusst, selbst wenn ich noch nie was von You-Wei gehört habe und setze das für mich eben in Kontext zu meinetwegen buddhistisch inspirierten Konzepten. Von wegen Mittelweg, das Wunschparadox im Sinne von sich wünschen nicht zu wünschen, etc. Wobei ich die Bhagavad Gita im Kontext sehr interessant finde, auch wenn ich ebenso wenig Hindu bin. Oder nimm eben eher westlichen Philosophien wie der Stoa und dem Kynismus.

Das soll nicht heißen, dass ich denke es wäre irgendwie unredlich einem Weg "authentisch" und bis ins Detail der Gebrauchsanweisung nach zu folgen, aber für mich ist es nichts mehr und mag mich halt in erster Linie auf mich selber konzentrieren. Ich will kein Supermann sein, ich möchte keine übernatürlichen Kräfte, und glaube an kein neues Zeitalter, wo auf einmal alles schlechte gut wird. Vielleicht könnte ich irgendwie nach zwanzig Jahren harter Arbeit und viel Hintergrundwissen lernen über Wasser zu laufen, aber warum nicht einfach ein Boot benutzen? Mich beschäftigt persönlich eher die Frage danach was ich überhaupt möchte und warum, oder ob meine Wünsche erfüllbar sind bzw. ob deren Erfüllung erstrebenswert ist. Im Moment denke ich mir, dass ich einfach nur ein normaler Mensch sein möchte, der irgendwann mal stirbt und tut was er kann, aber nicht versucht das Meer mit dem Löffel auszuschöpfen. Aber ich glaube auch, dass alles irgendwie einer höheren Dynamik gehorcht, die sich nicht wirklich greifen lässt.

Keine Ahnung ob einer versteht wie ich das meine. Das soll nichts schmälern und wenn es jemanden erfüllt cool, aber ich bin halt kein Chinese und werde auch keiner mehr werden. Andererseits haben Chinesen, Japaner, usw. auch nichts anderes gemacht als sich verschiedener Einflüsse zu bedienen und zu einem Amalgam zusammen zu fügen. Aber muss nicht stimmen.

kanken
13-11-2019, 12:02
Anderseits mag ich bestimmte Konzepte wie das Wu-Wei, oder halt spezielle Auslegungen, selbst wenn ich mir bewusst bin das mein Verständnis limitiert ist und nicht unbedingt dem Konsens entsprechen muss. Dem Handlungsparadox bin ich mir trotzdem durchaus bewusst, selbst wenn ich noch nie was von You-Wei gehört habe und setze das für mich eben in Kontext zu meinetwegen buddhistisch inspirierten Konzepten.

„You-Wei“ ist ur-daoistisch und genau darum geht es:

Die Philosophien sind kein Selbstbedienungsladen bei dem man sich einfach mal das nimmt was man gerade meint verstanden zu haben und was einem in die eigene Weltsicht passt.
Klar, man kann entscheiden was man für sich übernimmt und was evtl. nicht, aber man sollte diese Entscheidung auf Grund von fundiertem Wissen treffen.

Man kann nicht für sich entscheiden „Wu-Wei ist Klasse“, aber noch nichts von „You-Wei“ gehört haben. Da fehlt einem die Hälfte zum Verständnis von Wu-Wei und was man dann „für sich nimmt“ ist eben auch nur die Hälfte der ursprünglichen Bedeutung.

Wenn man dann von Wu-Wei spricht erzählt man auch nur die Hälfte.

Es ist wie in den klassischen Kampfkünsten: Man durfte erst lehren wenn man genug verstanden hatte, denn nur dann konnte man für das gelernte Konzept sprechen.

Es geht darum genug Wissen über einen Bereich zu haben, ehe man über einen Bereich spricht. Wenn sich ein Medizinstudent im ersten Semester hinstellt und jedem auf der Party erklärt wie man eine Sepsis behandelt, dann würden ihn wahrscheinlich einige bewundern. Erfahrene Intensivmediziner im Raum würden wahrscheinlich die Augen rollen und ihn nicht mehr ernst nehmen...

Aber genau das passiert leider in den KK. Es wird oberflächliches „Wissen“ den Schülern verkauft und dann will der Partygast aus dem oberen Beispiel auf einmal auf einer Intensivstation den septischen Patienten mit akutem Nierenversagen, Spenderleber und EXCOR behandeln, weil er ja vom Medizinstudenten im ersten Semester alles über die Sepsis gelernt hat...

Wenn ein Lehrer unterrichtet, dann hat er, in meinen Augen, auch die Verpflichtung sich in dem Gebiet genauestens auszukennen, oder den Schüler bei einer bestimmten Fragestellung zu demjenigen zu schicken, der sich damit auskennt.

oxox
13-11-2019, 12:08
Was meinst du denn jetzt mit You-Wei? Das Nicht-Handeln handeln sein kann und Handeln halt Nicht-Handeln?

Was Philosophie angeht ist die meiner Meinung nach tatsächlich ein Selbstbedienungsladen, auch wenn man sich auf einen gemeinsame Terminologie einigen muss um überhaupt sprechen zu können und die eigene Interpretation in sich schlüssig sein muss. Das sehe ich durchaus ein, aber es halt nichts handfestes wie einen Autoreifen zu wechseln, oder sowas.

DatOlli
13-11-2019, 12:14
.... Das sehe ich durchaus ein, aber es halt nichts handfestes wie einen Autoreifen zu wechseln, oder sowas.

Soweit ich Kanken verstanden habe, werden diese Philosophien durchaus "handfest". In den Anwendungen (speziell auch im "freien" Bereich).

Liebe Grüße
DatOlli

kanken
13-11-2019, 12:17
Was meinst du denn jetzt mit You-Wei? Das Nicht-Handeln handeln sein kann und Handeln halt Nicht-Handeln?


Wu-Wei meint nicht „Nicht-Handeln“. Es meint „die Leere wirken lassen“. „Nicht handeln“ ist „Bu Wei“.

Wenn ich im Kampf „Nicht-Handel“ bekomme ich aufs Maul. Wenn ich „die Leere wirken lasse“ muss man wissen wie man das tut. Wenn man es kann, dann bekommt der Andere aufs Maul (es sei denn er kann es besser, dann bekomme wieder ich aufs Maul).

oxox
13-11-2019, 12:44
Also ich meine damit auch nicht sich einfach aufs Maul hauen zu lassen. Deswegen halt mein Einwurf im Bezug auf den Widerspruch zwischen Handeln und das Nichthandeln. Würde ich es für mich definieren würde ich denken Wu Wei meint mit dem "natürlichen" Fluss der Dinge zu gehen, aber keine Ahnung. Ich sehe den Begriff in erster Linie als einen Fingerzeig in die Richtung dessen was ich meine, wobei der Begriff halt ein Mittel zum Zweck ist und es bei der breiten Bevölkerung grob klar ist was gemeint ist. Wenn ich Zollstock statt Gliedermaß sage, oder Schraubenzieher anstatt Schraubendreher wird ein Handwerksmeister auch mit den Augen rollen, aber für die normale Kommunikation ist es ausreichend.

Die Amis nutzen den Begriff "Enlightenment" umgangsprachlich eher im spirituellen Sinn und wenn ich da mit Kant anfange muss ich auch erst einmal erklären das "Aufklärung" nicht unbedingt das Gleiche ist wie Erleuchtung und Kant mit "Was ist Aufklärung?" afaik kein metaphysisches Erweckungserlebnis meint, selbst wenn die englische Übersetzung "What is enlightenment?" schreibt. Da muss man sich halt unterhalten. Wenn man das nicht möchte ist das auch in Ordnung, aber deswegen ist der gemeine Ami auch nicht automatisch blöde.

Versteh das alles nicht falsch, ich respektiere was du schreibst und meine zu verstehen worauf du hinaus willst, aber ganz so einfach ist es finde ich nicht.

kanken
13-11-2019, 12:58
Wenn ich einen Begriff in einem bestimmten Kontext gebrauche, dann meint er ganz konkrete Dinge. Dazu muss halt klar sein was der Begriff meint.
Wu-Wei, also die Leere wirken lassen, ist zum einen ein philosophischer Begriff des Lao Zi, er wird aber in den Kampfkünsten, die ihn nutzen, ganz konkret genutzt.
Wenn ich, als Westler, jetzt jedoch unter „Wu-Wei“ fälschlicher Weise „Nicht-Handeln“ verstehe und diese Definition dann versuche auf die Kampfkünste anzuwenden, weil ich auch da keinen Lehrer habe der es mir erklärt, dann bringt es nix.

Wie ich „die Leere“ konkret im Kampf zur Anwendung bringe, dass muss mir mein Lehrer zeigen und ich muss natürlich noch sehr viel mehr der damit verbundenen Begriffe und Konzepte verstehen.

Es ist eine „Fachsprache“ und die muss man Lernen. Es darf einem nicht „grob klar sein“, da bei „grob klar“ sehr viel eben unklar ist und dann wird aus „die Leere wirken lassen“ „Nicht handeln“ und man bekommt ihm Kampf eins auf die Nuss.

oxox
13-11-2019, 13:04
Meine wenn ich mich mit einem Ami unterhalte und sowas sage wie, "I consider myself enlightened" (tue ich nicht, aber ich bin in diese Richtung bemüht und halte Aufklärung nach Kant für wichtig) wird der erst mal komisch gucken und denken ich halte mich für erleuchtet, bis ich dann die Kant-Definition erkläre oder sowas. Von wegen der Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit, Unmündigkeit als Unvermögen selbstständig zu denken, etc. Die amerikanische Sprache hat halt keine direkte Übersetzung für Aufklärung soweit ich meine zu wissen. Trotzdem können die den Begriff im Kant-Sinn oder meinetwegen nach Voltaire benutzen und müssen nicht zwangsläufig ein spirituelles Erwachen meinen.

oxox
13-11-2019, 13:08
Es ist eine „Fachsprache“ und die muss man Lernen. Es darf einem nicht „grob klar sein“, da bei „grob klar“ sehr viel eben unklar ist und dann wird aus „die Leere wirken lassen“ „Nicht handeln“ und man bekommt ihm Kampf eins auf die Nuss.

Gut genug. Ich würde halt sagen Wu-Wei ist sowas wie der alte Mann der durch einen Strudel taucht und nicht gegen die Strömung ankämpft und deswegen an anderer Stelle wieder ausgespuckt wird. Das was du beschreibst klingt für mich wahrscheinlich fälschlicher Weise nach Mushin im Japanischen.

step-by
13-11-2019, 14:59
Hallo rambat,


ich ziehe meine Anfrage zurück!

kanken
13-11-2019, 15:14
Das was du beschreibst klingt für mich wahrscheinlich fälschlicher Weise nach Mushin im Japanischen.

Mushin ist wörtlich übersetzt das „Leere-Herz“. Es meint das Wirken der Leere im Herzen. Das Herz ist Sitz des Geistes (Yin) und des Verstandes (Yang). Das Wirken der Leere im Herzen bewirkt die Stärkung des Yin Anteils was zu „Mushin no shin“ führt, dem „No-Mind“. Es beruhigt den Verstand, woraufhin mein Geist das Wirken des Dao (in meiner Wesensnatur „Xing“) zulassen kann.

Grob vereinfacht gesagt ist „Mushin“ der Ausdruck der Manifestation der Leere in meinem Geist.

Mushin ist Folge von Wu-Wei in meinem Herzen.

Man darf dabei aber nicht vergessen dass das Eine ein Begriff aus dem Daoismus ist und das Andere aus dem Zen!

Gast
13-11-2019, 15:35
@step-by:

Ich habe es mir erlaubt in einem älteren Beitrag auf das " Kosen Judo " zu verweisen.
Da ich einen Artikel gefunden habe, der darauf verwiesen hat, zwischen 1900 und 1914 gab es im Kodokan eine große Entwicklung hin zu den Bodentechniken.
Quelle: Judo/BJJ& Judo Weiden

Dort auch den Hinweis Maeda unterrichtete später in Brasilien und legte damit auch den Grundstein für das Brazilian Jiu Jitsu.

Deine Antwort war nur: völlig falsch.
Warum? Denke das gehört auch zum Hintergrundwissen und vielleicht könntest Du etwas näher darauf eingehen.
warum sollte ich?
ausgerechnet für dich?

du tust schon wieder, was du in jedem diskussionsfaden tust, an dem du dich beteiligst: du wirfst wahllos irgendwelche links in die debatte und erwähnst irgendwelche bücher, und nie hat es etwas mit dem ursprünglichen thema zu tun.
es nützt auch nichts, wenn man dich darauf hinweist, dass du damit die diskussion störst; du machst einfach weiter.

im aktuellen fall zitierst du eine website, auf der zur geschichte des judo und zu mitsuyo maeda schlicht unsinn steht.
du kannst zitierfähige quellen noch immer nicht von bedeutungslosen quellen unterscheiden.

ich habe zum judo, zum kosen judo und zu mitsuyo maeda bereits sehr, sehr viel geschrieben und meine texte mit zitierfähigen quellen belegt.
ich werde das hier an dieser stelle nicht wiederholen, nur weil du das gern so hättest.

step-by
13-11-2019, 16:03
E=rambat;3713774]@step-by:

warum sollte ich?
ausgerechnet für dich?




Danke für die Antwort, hätte sofort im Judo-Forum nachlesen sollen.
-ab 2006 Judo Memoirs
Promotion
Judolehre von Jigoro Kano

ThomasL
14-11-2019, 08:53
Auch von mir an Kanken, Rambat und Huangshan ein herzliches Dankeschön für den informativsten Thread seit langem.

DatOlli
14-11-2019, 09:12
Auch von mir an Kanken, Rambat und Huangshan ein herzliches Dankeschön für den informativsten Thread seit langem.

:yeaha:

Auch von mir.

Liebe Grüße
DatOlli

karate_Fan
14-11-2019, 10:52
Auch von mir an Kanken, Rambat und Huangshan ein herzliches Dankeschön für den informativsten Thread seit langem.

Dieser Danksagung kann ich mich nur anschließen. Endlich gibt es seit langem hier im Forum mal wieder neuen hochwertigen Thread.

Gast
14-11-2019, 13:34
@step-by:

es wird dir zwar nicht helfen, aber ich habe meine auf zitierfähige quellen gestützten texte zu kosen judo, mitsuyo maeda ect. NICHT im deutschsprachigen judoforum veröffentlicht.

und texte von niehaus über kano zu lesen beantwortet keine einzige der nach wie vor offenen fragen und erklärt keine einzige ungereimtheit in der geschichte des judo.
nochmal: andreas niehaus verfasste eine dissertation über kano als pädagogen.
kanos judo kommt da nur am rande vor.

"judo memoirs" zu lesen ist (besonders für nicht-judoka) auch wenig hilfreich, denn dieses buch, das brian watson herausgab, wurde erstens nicht von kano persönlich geschrieben, sondern ist sozusagen eine verschriftlichung von interviews, die ein journalist namens torabei ochiai 1928 mit kano führte.
diese texte torabei ochiais erschienen zwischen januar 1927 und dezember 1928 in der zeitschrift "sakko, die von der kodokan-kulturvereinigung (kodokan bunkakai) herausgegeben wurde.
niehaus etwa übersetzt den japanischen titel dieses buches mit "mein leben als judoka". der originaltitel aber lautet: "judoka toshite no kano jigoro" - wörtlich übersetzt: "jigoro kano als judoka".
ich denke, daran wird deutlich, dass die texte zwar von kano autorisiert sind, aber nicht von ihm selbst stammen ...
in den dann als buch zusammengefassten interviews (denen man nicht mehr anmerkt, dass es mal interviews waren) werden die wirklich interessanten fragen zum judo und die ungereimtheiten in dessen geschichte nicht angesprochen und daher auch nicht beantwortet.

"mind over muscle" ist ein konglomerat von kano-texten, die (imho unzulässigerweise) mit interpretierenden aussagen des herausgebers naoki murata (kurator des kodokan-museums, wenn ich nicht irre) vermischt wurden. es ist oft nicht zu erkennen, wo der text, den kano selbst verfasste, aufhört udn wo muratas text beginnt.
also auch dort keine antworten auf die wirklich interessanten fragen zur geschichte des judo.

ich könnte weitere bücher nennen, die ich mal für wirklich gut hielt - die es aber letztlich nicht sind.
auf die (nicht nur von mir) gestellten fragen findet man darin keine antworten.

es wird dir also, vor allem da du dich im judo nicht im mindesten auskennst, ganz sicher nicht helfen, nun die genannten bücher zu lesen.

step-by
14-11-2019, 21:59
=rambat;3713909]@step-by:

es wird dir zwar nicht helfen, aber ich habe meine auf zitierfähige quellen gestützten texte zu kosen judo, mitsuyo maeda ect. NICHT im deutschsprachigen judoforum veröffentlicht.

Du hast Dir mit Deiner freundlichen Antwort viel Mühe gegeben. Danke.



:winke:

Bücherwurm
14-11-2019, 23:29
[I]Aber weitere Beurteilungen kann nicht vornehmen, da mir das Hintergrundwissen fehlt!

:winke:

Und warum hältst du es dann nicht mal mit Dieter Nuhr?