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Vollständige Version anzeigen : Freier Wille und Atmung



DatOlli
10-02-2020, 11:31
Den Artikel (https://www.scinexx.de/news/biowissen/wie-frei-ist-unser-freier-wille-2/) fand ich interessant.

Der ein oder andere hier eventuell auch.

Liebe Grüße
DatOlli

maxderbruchpilot
10-02-2020, 12:09
Einmal reicht doch...

DatOlli
10-02-2020, 12:11
Einmal reicht doch...

Steht das nochmal woanders hier im Board? Falls ja, wo?
Denn einmal reicht tatsächlich.

Liebe Grüße
DatOlli

Nachtrag:
Falls du den Faden zu Libet-Experimenten von Julian meinst, ja das hier hat einen Bezug dazu.

Klaus
10-02-2020, 15:43
Das ist aber teilweise banal, teilweise tendenziös. Natürlich melden sich per Gehirn die diversen Erfahrungen, Erinnerungen, schmerzhaften oder positiven Bewertungen, sowie die "eingebauten" Bewertungsmechanismen um unbekannte Situationen bewältigen zu können. Was soll da auch sonst kommen ? Ein Fragebogen zum Ankreuzen was man "will" ? Was wir wollen ist der Konsens diverser Empfindungen die in einen Mediationsmechanismus im weitesten Sinne gehen, was wir als "abwägen" empfinden, und dann anhand von unbekannten Gewichtungsvorgängen zu einer Entscheidung führen. Oder auch nicht. Und das geht öfter ratz-fatz ohne drei Stunden lang zu überlegen ob der Kaffee wirklich kalt genug ist sich nicht zu verbrennen.

Ja, das Ergebnis ist an sich vorher schon klar, weil der Gewichtungsmechanismus fix ist. Das einzige was da "wahlfrei" ist, ist das hin und her zwischen den verschiedenen Polen von Empfindungen. Das ist unvorhersehbar, und wird zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch unterschiedliche Ergebnisse beinhalten. Wenn man müde ist, geht man weniger Risiken ein, lässt Sachen einfach geschehen, macht nichts. Ist man voll drauf reagiert man schon mal spontan mit Risiken, und lässt es drauf ankommen. Könnte man den Zustand exakt formulieren, ist die Reaktion des jeweiligen Individuums absolut vorhersehbar. Nur, man kann es nicht. Das Fantasieprodukt von "freier Entscheidung" ist ein Hokuspokus von Leuten die ihren eigenen Gefühlen nicht trauen, und meinen sie könnten mit unendlicher trainierter und angelesener Schlauheit die Weltformel bezwingen und stets absolut perfekte, unanzweifelbare Entscheidungen grösster Brillianz an den Tag legen. Unabhängig von Launen, Erinnerungen, Ängsten meistern diese Menschen ihr Schicksal mit eiserner Faust, als strahlendes Vorbild unabstreitbarer Perfektion. Und dann klingelt der Wecker.

DatOlli
10-02-2020, 15:59
@Klaus

Klar ist das nicht so wichtig und hat für den Alltag auch keine wirkliche Relevanz. Der Artikel ist auch nicht sehr exakt u.s.w..
Bei der "Libet-Diskussion" und dem freien Willen war es ja so, dass der Impuls für die Entscheidung bereits vor der bewussten Entscheidung lag.
Das hier "erklärt" bzw. gibt eine Möglichkeit zu einer Erklärung woher dieser Impuls kam, ohne den "freien Willen" auszuschliessen.

Demnach wäre der Wille frei und nur das "timing" gesetzt.

Ob das jetzt Blödsinn ist oder nicht, mag bzw. kann ich nicht entscheiden. Nahm aber mal an, es würde die Leutz aus dem erwähnten Faden eventuell interessieren.

Liebe Grüsse
DatOlli

Gast
10-02-2020, 16:09
Den Artikel (https://www.scinexx.de/news/biowissen/wie-frei-ist-unser-freier-wille-2/) fand ich interessant.

Der ein oder andere hier eventuell auch.

Liebe Grüße
DatOlli

Merci, ich werde versuchen, ihn mir zu Gemüte zu führen!
Ich fand das Thema sehr spannend aber auch alles andere als leicht... Allein das Libet-Expermiment genau nachzuvollziehen (und ganz genau ist es mir glaube gar nicht gelungen) war schon ziemlich zeitaufwendig. Dann gab es ja allerlei Einwände und auch Folgeexperimente.... Und die diversen Positionen die da aktuell wohl im Raum stehen bezüglich Willensfreiheit... tricky...

DatOlli
10-02-2020, 16:20
Merci, ich werde versuchen, ihn mir zu Gemüte zu führen!
Ich fand das Thema sehr spannend aber auch alles andere als leicht... Allein das Libet-Expermiment genau nachzuvollziehen (und ganz genau ist es mir glaube gar nicht gelungen) war schon ziemlich zeitaufwendig. Dann gab es ja allerlei Einwände und auch Folgeexperimente.... Und die diversen Positionen die da aktuell wohl im Raum stehen bezüglich Willensfreiheit... tricky...

Ja, genau daran hatte ich mich heute Morgen beim lesen erinnert.

Liebe Grüsse
DatOlli

Gast
10-02-2020, 17:47
Hmm, habe mir versucht den Artikel zu Gemüte zu führen, aber wirklich schlau bin ich nicht draus geworden :gruebel:

Klaus
10-02-2020, 18:54
Man kann mich 365 mal im Jahr morgens fragen ob ich Kaffee will, und JEDES mal wird das Ergebnis vorher schon klar sein. Ja, verdammt! Es ist praktisch ausgeschlossen, dass in Fällen wo wir eine vorgefasste Meinung haben bei gleichen Voraussetzungen ein anderes Ergebnis kommt. In den Fällen wo es eine Art Wahl gibt, will ich schon wieder Käsetorte oder jetzt doch mal Kirschwasser, da entscheiden wir "frei". Oder da wo wir die Fragestellung noch nicht gehabt haben, und tatsächlich überlegen. Unsere Vorlieben verändern sich aber meist relativ selten oder nie, ausser durch einschneidende Ereignisse oder äussere Faktoren. Die Impulse kommen erst aus konkreten oder abstrakten Bedürfnissen, und dann läuft das in eine Entscheidungsfindungsinstanz, die nicht aus dem Blauen heraus sondern stets, immer und so gut wie ausschliesslich auf Basis dieser Summe an Urimpulsen reagieren wird. Was soll sie auch sonst machen, würfeln ? Das Gegenteil von dem tun was man als Grundbedürfnis möchte ? Daraus schliessen zu wollen wir hätten eigentlich keinen freien Willen ist ein bischen merkwürdig. Um nicht zu sagen, ein Zeugnis fehlender Intelligenz.

Pansapiens
10-02-2020, 19:26
Hmm, habe mir versucht den Artikel zu Gemüte zu führen, aber wirklich schlau bin ich nicht draus geworden :gruebel:

Die sind der Ansicht, dass Dein bewusster Wille, auf den Knopf zu drücken, nicht Ergebnis einer unbewussten Vorbereitung des Drückens ist, sondern Ergebnis einer Fluktuation Deiner neuronalen Prozesse aufgrund interner körperlicher Prozesse.
Aber auch da meinst Du nur, dass Du Dich entscheidest, auf den Knopf zu drücken...

Gast
10-02-2020, 20:08
Die sind der Ansicht, dass Dein bewusster Wille, auf den Knopf zu drücken, (a) nicht Ergebnis einer unbewussten Vorbereitung des Drückens ist, (b) sondern Ergebnis einer Fluktuation Deiner neuronalen Prozesse aufgrund interner körperlicher Prozesse.
Aber auch da meinst Du nur, dass Du Dich entscheidest, auf den Knopf zu drücken...

Hmm, okay, merci - und was genau ist der Unterschied zwischen (a) und (b)?
Und was genau sind (a) und (b)?

Pansapiens
10-02-2020, 21:14
Hmm, okay, merci - und was genau ist der Unterschied zwischen (a) und (b)?
Und was genau sind (a) und (b)?

ich hab das so verstanden:

a.) wäre eine auf das Ziel "Knopf drücken" gerichtete unbewusste Aktivität. Also gemäß der willentlichen Handlung gezielte Vorbereitung.
b.) wäre eine "zufällige" Schwankung in der neuronalen Aktivität, oder zumindest eine, die nicht sinnhaft mit dem Knopfdrücken verknüpft ist.

Veranschaulicht:

Bei a.) hast Du eine Mannschaft im Kopf, die alles nötige für das Fingerheben schon mal vorbereitet, bevor Du weißt, dass Du den Finger heben willst. Diese Vorbereitungen drücken sich in dem Bereitschaftpotential aus, das Deiner willentlichen Handlung voraus geht.
bei b.) hast Du so was wie Sabine im Kopf, mit schwankenden Windstärken und wenn eine Böe mit >90km/h kommt, drückst Du den Knopf.



Wir argumentieren, dass dieser Befund im Einklang mit dem jüngsten Vorschlag steht, dass das Bereitschaftpotential Schwankungen der neuronalen Hintergrundaktivität widerspiegelt, und nicht spezifische neuronale Ereignisse, die mit der motorischen Vorbereitung auf den Knopfdruck verbunden sind. [...]
haben jüngste Arbeiten gezeigt, dass der Zeitpunkt der freiwilligen Aktion und das damit verbundene Bereitschaftspotential durch die Akkumulation von stochastischen Fluktuationen der neuronalen Aktivität erklärt werden kann, die schließlich eine Entscheidungsschwelle erreicht, und es wurde vorgeschlagen, dass das Bereitschaftpotential "Ebbe und Flut des neuronalen Hintergrundrauschens" widerspiegeln könnte.

https://www.nature.com/articles/s41467-019-13967-9


Was a) und b) genau sind, oder sein sollen, weiß man wohl nicht so genau. Aber bei b.) soll eben der (spontane) Atem eine Rolle spielen, da die meisten den Knopf in der Ausatemphase drücken und auch die Amplitude des Bereitschaftpotentials von der Atemphase abhängt.


Interessanterweise schlugen Murakami und Kollegen4 vor, dass die potenziellen Quellen für eine solche Variabilität der neuronalen Fluktuationen Beiträge von mehreren Körperkarten sein könnten, darunter somatosensorische, propriozeptive und interozeptive Systeme. In Übereinstimmung mit diesem Vorschlag und auf der Grundlage der vorliegenden Daten argumentieren wir, dass solche Fluktuationen der neuronalen Hintergrundaktivität weder "Rauschen" noch "spontan" sind, da sie zumindest teilweise durch Atmungssignale verursacht werden.

Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)

Der bewusste Wille wäre dann dergestalt frei, dass er nicht die Folge einer gezielten unbewussten Vorbereitung wäre, allerdings getriggert durch die unbewussten neuronalen Aktivitäten, z.B. infolge der Atmung:


Wir meinen, dass das Bereitschaftspotential nicht der "unbewussten zerebralen Initiierung einer freiwilligen Handlung entspricht, sondern zumindest teilweise die atmungsbezogene kortikale Verarbeitung widerspiegelt, die an den Beginn der freiwilligen Handlung gekoppelt ist.

Da die Freiheit des Willens in den Versuchen allerdings darin lag, wann der Knopf gedrückt wird, finde ich die Aussage im Scinexx-Artikel, der Wille sei frei, aber das Timing nur bedingt, etwas merkwürdig.


„Das könnte nur ein Beispiel dafür sein, wie Akte des freien Willens eine Geisel von verschiedenen inneren Zuständen unsere Körpers sind – und von der Verarbeitung dieser Zustände im Gehirn“, sagt Seniorautor Olaf Blanke vom EPFL.

kanken
10-02-2020, 21:44
Ist halt nur in kompliziert ausgedrückt dass man tieferliegende Potentiale findet, die zeitlich vor Reaktionen der Großhirnrinde liegen. Das sind die Potentiale, die ich in meinem Artikel über die Realität in vereinfachter Weise den „Emotionen“ zugeordnet habe. Dazu gehört ja eigentlich noch sehr viel mehr aus dem limbischen System und dem Hirnstamm:


Schauen wir uns die Emotionen mal genauer an. Sie können den Verstand „übersteuern“, oder ihm permanent dazwischen reden. Der Verstand reagiert also nicht nur auf Reize auf seiner Großhirnrinde, sondern kriegt auch ständig Gebrabbel aus seinen emotionalen Zentren mit.
Diese emotionalen Zentren wiederum reagieren auch auf äußere Reize und zwar durch die „unbewußte“ Verschaltung der Nervenimpulse bevor sie die Großhirnrinde erreichen. Diese unbewußte Verschaltung sorgt für Reaktionen des Körpers (Muskelspannungen, Reflexe etc.) und erzeugt Emotionen, bevor (oder während) dieser Reiz die Großhirnrinde erreicht.

Wir haben also immer eine Doppelinterpretation der äußeren Reize vorliegen. Die Bewußtmachung durch den Verstand und die „unbewußte“ durch die tieferliegenden Zentren. Unbewußt ist diese Verarbeitung nicht ganz, da sie dem Verstand ja in Form von Emotionen/Trieben gemeldet wird.

Der Verstand wird also mit zwei „Interpretationen“ der Außenwelt gefüttert. Dem, was auf der Großhirnrinde ankommt und dem was aus der unbewußte Verarbeitung, in Form von Emotionen, bei Ihm ankommt. Mal ist das Eine lauter, mal das Andere. Er versucht quasi permanent die Lautstärke zu regeln, nur manchmal überbrüllen die Emotionen halt alles.

Wenn wir lernen verarbeitet der Verstand immer beide Reizinterpretationen. Wir koppeln quasi unser Bild der Außenwelt, wie es auf der Großhirnrinde ankommt, mit dem, was wir abstrakt dazu gelernt haben (Stichwort Sprache, Schrift, Logik etc.) und dem was unser Körper dazu sagt (Emotion).

Quelle: https://bagua-zhang.eu/?page_id=472

Das entscheidende ist halt das wir mit zwei Systemen „fahren“ dem bewußten Verstand (langsam) und den unterbewußten Informationen aus dem limbischen System und Hirnstamm, die uns ggf. als Emotionen oder körperlichen Reaktionen bewußt werden.

Die Frage nach dem „wovon sind wir abhängig“ ist in sich schon, in meinen Augen, falsch, da die beiden Systeme so eng verzahnt sind dass man sie nicht trennen kann.

Pansapiens
11-02-2020, 05:48
Ist halt nur in kompliziert ausgedrückt dass man tieferliegende Potentiale findet, die zeitlich vor Reaktionen der Großhirnrinde liegen.

In einem EEG finden sich Signale, die dem Bereitschaftspotential vorausgehen?
Oder meinst Du, dass das Bereitschaftspotential selbst nicht auf Aktivitäten der Großhirnrinde zurückzuführen sei?

kanken
11-02-2020, 07:03
In einem EEG finden sich Signale, die dem Bereitschaftspotential vorausgehen?


Ich meine dass das EEG „etwas“ ungenau ist was die Zuordnung zu funktionalen Zentren angeht. FMRI ist da dtl. besser, aber auch das kann keine Aussage darüber treffen wem oder was „wir“ ausgeliefert sind, da „wir“ neurobiologisch noch nicht erklärt werden kann. Wir wissen wo unser „Verstand“, bzw. unsere „Persönlichkeit“ im Gehirn kodiert sind, aber unser „Bewußtsein“ gibt uns nach wie vor Rätsel auf.

Solche Experimente helfen da überhaupt nicht weiter, außer dass sie feststellen in welcher Tiefe des Gehirns wann elektrische Aktivität herrscht. Was diese Aktivität aussagt, darüber kann ein EEG kein Ausschluss geben.

Ich finde Forschungen sehr viel interessanter bei denen es darum geht worin unser Kleinhirn noch so alles beteiligt ist...

Gast
11-02-2020, 07:23
Hmm...

Ich versuche mal ein bisschen, meine Gedanken dazu zu ordnen:

Auf der einen Seite haben wir Experimente, bei denen anhand kleiner und simpler Szenarien (einen Knopf drücken) versucht wird, mehr über die begleitenden/verursachenden physiologischen (bio-chemischen und neuronalen) Vorgänge in Erfahrung zu bringen. Im Hintergrund des Experiments steht ein bestimmter mentaler Zustand des Probanden ("ich entscheide mich zum drücken") zu einem bestimmten Zeitpunkt.

Und, so die eine Auslegung, auf physiologischer Seite ist die Reaktion schon ablesbar, bevor der mentale Zustand ("ich will drücken") selbstreflektiv erfasst wird. Bei komplexeren Settings wie Aktionen auf äußere Reize (oder statischen Settings, welche über ein simples Knopfdrücken hinausgehen) kommen dann noch nicht in der Großhirnrinde verortete Verarbeitungsprozesse hinzu.

Und - Hypothese (1): Eine Gruppe sieht darin Belege oder Beweise, dass unser gesamtes Verhalten entweder unbewusst oder determiniert abläuft, in jedem Fall aber nicht frei im Sinne von "ich hätte mich auch anders entscheiden können" (da vor der Bewusstwerdung der Entscheidung die Bahn der Entscheidung schon vorgezeichnet ist).

Lugasch
11-02-2020, 09:31
Könnte es nicht auch sein, dass das schnelle System denkt:
"Oh, hier ist ein lustiger Versuchsaufbau mit einem Knopf und alles was ich sonst so um mich herum wahrnehme, spricht irgendwie dafür, dass hier bald ein Knopf gedrückt werden könnte. Ich spanne den Finger vorsichtshalber mal vor, falls das langsame System sich tatsächlich dafür entscheiden sollte."?

Dann würde das unter Umständen bedeuten, dass die Bildung des freien Willens über einen viel längeren Zeitraum stattfindet, als bisher angenommen und die "bewusste" Entscheidung bloß die Eisbergspitze ist.

Und wie fehlerfrei ist eigentlich der Versuchsaufbau? Könnte es nicht sein, dass ich als Proband mich einfach nur unbewusst auf die Action vorbereite, wenn bereits vorher weiß, dass es im Experiment z.B. um Knöpfedrücken geht und es außerhalb des Testlabors sonst anders liefe?

Klaus
11-02-2020, 09:41
Genau, eine Gruppe sieht darin etwas, das man aus den Daten einfach nicht ableiten kann. Es ist eine Meinung, Spekulation. Als wäre der "freie Wille" eine bestimmte Region im Hirn, wo völlig unbeeinflusst von allen anderen Hirnregionen, Emotionen usw. eine freie Entscheidung nach Fakten, Fakten, Fakten stattfände. Irgendwo kommen Impulse her die eine Meinung oder ein Interesse an einer Handlung bekunden, häufig ausgelöst von der Wahrnehmung einer äusseren Veränderung (sich nähernde Objekte oder Personen die eine Handlungsrelevanz unterschiedlicher Intensität und Begründung besitzen können, sozial, körperlich, lebensbedrohend, belohnend, usw.). Irgendwo anders läuft das hin, und es wird abgewägt, z.T. in epischen Wälzprozessen über eine Ewigkeit, z.T. in Bruchteilen einer Sekunde. Anhand von Heuristiken, Erfahrungen, Näherungslösungen, Grundideen, Befürchtungen, Risiken, Belohnungen. Da läuft teilweise ein richtiges Gewitter ab. Wenn man ein extrem spezifisches Setup wählt - eine Reaktion auf eine Ansage "ich gebe dir 100 Euro wenn du diesen Knopf drückst, wobei nichts passiert" ist nicht wirklich typisch für Entscheidungsfindungen aus freiem Willen - dann ist auch die Beobachtung äusserst spezifisch, und der Ablauf.

Ist es zu einer Form von Entscheidung gekommen, häufig stumpf aus Gewohnheit, muss das ja auch erstmal umgesetzt werden. Sprich, diese Information geht an den Körpersteuerungsmechanismus, der reichlich komplexe kinästhetische Abläufe in Gang setzt um die Hand ausreichend genau auf den Knopf zu bringen. Da muss das Gleichgewicht erhalten bleiben, der Körper als Träger muss positioniert werden, der Arm überbrückt und zielt auf den Knopf und dann muss der Knopf über eine Gleichgewichtsmanipulation belastet werden. Welcher von den 5 Millionen Nervenimpulsen von der Uridee bis zum Drücken soll denn jetzt "exakt" als der "freie Wille" identifiziert werden ? Wie will man das machen ? Die Entscheidung dass man drücken möchte kommt doch nicht über die Feinmotoriksteuerung der Finger. Natürlich findet diese Entscheidung statt BEVOR die Körpersteuerung das Drücken einleitet. Ich zweifle an der Intelligenz der Menschen die das Experiment und die Beobachtungen deuten wollen. Ich erinnere mich, daher mein Interesse, an fürchterlich schwachsinnige Behauptungen und Diskussionen aus den 80er Jahren, wo Leute über stete Berieselung mit irgendwelchen schicken Thesen völlig auf den Holzweg geschickt und ihres Lebens nicht mehr froh wurden. Nach dem Motto, tschakka, du musst etwas nur ausreichend glauben, dann passiert das. Von alleine. 100 pro.

@Lugasch: +1. Genau richtig, die Leute wissen vorher was auf sie zukommt, denken bereits daran, und das kann alle möglichen körperlichen Dinge auslösen. Menschen trommeln ja auch nervös mit den Fingern wenn sie auf etwas zuwarten das eine körperliche Reaktion erforderlich machen könnte, z.B. Fluchtreaktionen oder Kampf.

kanken
11-02-2020, 10:03
Könnte es nicht auch sein, dass das schnelle System denkt:
"Oh, hier ist ein lustiger Versuchsaufbau mit einem Knopf und alles was ich sonst so um mich herum wahrnehme, spricht irgendwie dafür, dass hier bald ein Knopf gedrückt werden könnte. Ich spanne den Finger vorsichtshalber mal vor, falls das langsame System sich tatsächlich dafür entscheiden sollte."?

Dann würde das unter Umständen bedeuten, dass die Bildung des freien Willens über einen viel längeren Zeitraum stattfindet, als bisher angenommen und die "bewusste" Entscheidung bloß die Eisbergspitze ist.

Und wie fehlerfrei ist eigentlich der Versuchsaufbau? Könnte es nicht sein, dass ich als Proband mich einfach nur unbewusst auf die Action vorbereite, wenn bereits vorher weiß, dass es im Experiment z.B. um Knöpfedrücken geht und es außerhalb des Testlabors sonst anders liefe?


Absolut korrekt. Die Annahme des „Verstandes“ in dem Experiment spiegelt eigentlich nicht mehr das wieder, was man heutzutage eigentlich über den Verstand und das Bewusstwerden von Entscheidungen weiß.

Was die Jungs als „unbewusst“ bezeichnen (und messen) ist sehr sehr viel komplexer, vor allem wenn man annimmt dass die tieferliegenden Areale auch zum Bewusstsein gehören.

Ist ein spannendes Thema, aber sehr komplex. Grob vereinfacht kann man sagen dass man heutzutage nicht mehr davon ausgeht das der Verstand und das Bewusstsein alleine in der Großhirnrinde sitzen, sondern man kann es sich eher als ein Netz vorstellen das durch die verschiedenen Hirnareale geht und multikodiert ist.

Was wir von diesem Netz wahrnehmen, bzw. mitbekommen, kann individuell sehr unterschiedlich sein (einige Wege sind halt bei einigen
verkümmert, andere stärker ausgeprägt etc.). Wir sind nicht alle gleich verschaltet, im Gegenteil. Zudem läßt sich das „umkodieren“.

Einer der Gründe warum man z.B. So „verschaltet“ ist, wie man ist, ist die individuelle Neurotransmitterrezeptor Ausstattung des Gehirn, die von genetischen Faktoren abhängt (und sogar wahrscheinlich von epigenetischen Faktoren durch das, was die Mutter erlebt, während der Schwangerschaft). Unsere Erfahrungen in der Kindheit und der Pubertät sind natürlich auch ein wichtiger Faktor für die „Grundverschaltung“.

Libet hat lediglich etwas gemessen was man „Bereitschaftspotential“ nennt und heute weiß man dass in tieferliegenden Hirnschichten Sekunden bevor man eine Entscheidung „bewusst“ trifft Aktivität vorhanden ist an Hand derer man teilweise sogar, bei sehr einfachen Entscheidungen, voraussagen kann, wenn man sie im fMRI misst, wie diese Entscheidungen aussehen (z.B. Hand heben).
Das ist ja auch logisch, da wir von den Abwägungen, die unser Gehirn durchführt, nur das Ergebnis brauchen, denn dazu sind die Vorgänge einfach zu komplex (Erinnerungen, Erfahrungen, Emotionen etc. fließen ja alle mit ein und müssen vorher erst abgeglichen werden).


Man kann sich dies am ehesten wie mit einem Computer vorstellen. Wir müssen nicht den Programmcode des Betriebssystems kennen oder den des Browsers mit dem wir diese Zeilen lesen. Wir müssen nicht die Prozessorarchitektur kennen mit dem der Computer angetrieben wird und auch nicht all die Stationen mit denen die Informationen dieser Webseite auf ihren Bildschirm gelangen, geschweige denn deren inneren Aufbau.

Wichtig sind die Informationen auf dem Bildschirm, mit ihnen arbeiten wir. Genauso ist es mit unserem Verstand. Er muss nicht alle Informationen kennen, er muss nur mit den Ergebnissen dieser Informationen arbeiten.


So etwas bedeutet aber absolut nicht dass man keinen „freien Willen“ hat! Alle an dem Prozess beteiligten Aktivitäten des Gehirns, bewusst wie unbewusst, sind Teil unserer Persönlichkeit und unseres Willen.

DatOlli
11-02-2020, 10:13
...
So etwas bedeutet aber absolut nicht dass man keinen „freien Willen“ hat! Alle an dem Prozess beteiligten Aktivitäten des Gehirns, bewusst wie unbewusst, sind Teil unserer Persönlichkeit und unseres Willen.

Ich fand eher spannend, dass das Timing für die Entscheidung anscheinend an die Atmung gekoppelt sein könnte.
Was mich natürlich an die verschiedenen Arten zu Atmen u.s.w. erinnert. Wodurch ich mich Frage ob das Zufall ist, oder ob ich nur wahrnehme was ich erwarte bzw. ein Muster/Link sehe, wo nix ist.

Liebe Grüsse
DatOlli

kanken
11-02-2020, 10:24
Ich fand eher spannend, dass das Timing für die Entscheidung anscheinend an die Atmung gekoppelt sein könnte.
Was mich natürlich an die verschiedenen Arten zu Atmen u.s.w. erinnert. Wodurch ich mich Frage ob das Zufall ist, oder ob ich nur wahrnehme was ich erwarte bzw. ein Muster/Link sehe, wo nix ist.


Na ja, sie drückten eine Taste. Wenn man sich mit Motoriksteuerung auskennt, dann wundert es einen doch nicht dass das mit der Atmung koordiniert wird...

Viel mehr wundert es mich dass die Autoren diese neuronal Verschaltungen nicht kennen, oder aber sie kannten sie unten haben mit dem Versuch lediglich gezeigt dass die anatomischen Begebenheiten auch wirklich den Effekt haben, den sie haben müssten.


Na ja, die Veröffentlichung bringt auf alle Fälle Impactpunkte ;)

DatOlli
11-02-2020, 11:29
...
Viel mehr wundert es mich dass die Autoren diese neuronal Verschaltungen nicht kennen, oder aber sie kannten sie unten haben mit dem Versuch lediglich gezeigt dass die anatomischen Begebenheiten auch wirklich den Effekt haben, den sie haben müssten.


Nur das ich das richtig verstehe: Das war so bekannt, nur in einem anderen Kontext. Aber leicht zu schlussfolgern gewesen?

Falls ja, geh ich ein bisschen Lachen.


Liebe Grüsse
DatOlli

kanken
11-02-2020, 11:33
Nur das ich das richtig verstehe: Das war so bekannt, nur in einem anderen Kontext. Aber leicht zu schlussfolgern gewesen?


Ja, die anatomischen Verbindungen der „Systeme“ sind schon lange bekannt und auch dass sie sich natürlich beeinflussen müssen.

Die Schaltstelle selber kennt man seit ca. 1954, wobei die spannenden Dinge in den 90ern und 2000ern dazu gefunden wurden.

Dieser Nervenkern ist übrigens auch derjenige, der für das Funktionieren von Yi verantwortlich ist. Er verbindet nicht nur die Atmung mit „dem Verstand“, sondern auch Bewegung allgemein (neben anderen Dingen).

DatOlli
11-02-2020, 12:10
Ja, die anatomischen Verbindungen der „Systeme“ sind schon lange bekannt und auch dass sie sich natürlich beeinflussen müssen.

Die Schaltstelle selber kennt man seit ca. 1954, wobei die spannenden Dinge in den 90ern und 2000ern dazu gefunden wurden.

Dieser Nervenkern ist übrigens auch derjenige, der für das Funktionieren von Yi verantwortlich ist. Er verbindet nicht nur die Atmung mit „dem Verstand“, sondern auch Bewegung allgemein (neben anderen Dingen).

Dafür vielen Dank. Davon abgesehen gehe ich mal 'ne Runde lachen (auch über mich).

Liebe Grüsse
DatOlli

Gast
11-02-2020, 16:12
So, bisschen weitergedacht. Weg von der neurologischen, messbaren Seite: Was meinen wir mit Willensfreiheit eigentlich?

Postulat: Frei bin ich genau unter den Umständen und in den Szenarien, in denen ich mich frei fühle.

Spannend wird es ja auch, wenn wir vom reinen Knöpfchen-Drücken weggehen. Zum Beispiel wenn wir uns überlegen, wo und was wir am Wochenende machen wollen. Wenn ich hier diverse Optionen und Planungen durchgehe, ist körperlich-räumlich noch gar nix passiert; passiert z.B. alles im Liegen auf der Couch am Donnerstag Abend :-) Erst am Freitag setzt sich dann der Körper entsprechend in Bewegung. Ich kann nicht sehen, wie man jetzt bildgebende Verfahren, Messungen und Neurologie auf den Prozess des geistigen Durchdenkens und Abwägens beziehen könnte in dem Sinne, dass man hier die Entscheidung vorhersehen könnte? Ich denke hier bewegen wir uns vielmehr im Bereich der Spieltheorie, Rational-Choice-Theorie und ähnlicher Ansätze: Unter welchen Umständen und mit welchem Wissen treffen Menschen was für Entscheidungen. Wobei man noch fragen könnte, wie frei eine Entscheidung ist, wenn wir stets die nach unserem Einsichts- und Schlussvermögen beste Entscheidung auswählen.

Lugasch
11-02-2020, 19:13
Oder man geht von einem komplett deterministischen Universum aus - dann wäre der freie Wille bloß die einzig mögliche Entwicklung.Also eigentlich überhaupt nicht frei im herkömmlichen Sinne. Aber weil das Universum so komplex ist und wir die ganzen Entscheidungsprozesse trotzdem durchleben (müssen), ist der Wille quasifrei und ich wüsste nicht, wo ein messbaree Unterschied wäre. ;)

oxox
11-02-2020, 21:10
Willensfreiheit ist imho nur eine lebenserleichternde Arbeitshypothese. Wir sind alle Rechengrößen in einer komplexen Dynamik interagierender Faktoren, wo jede Entscheidung Ausdruck einer langen Kettenreaktion ist, die man wahrscheinlich bis ins Unendliche rückverfolgen könnte. Wenn ich meine Gedanken beobachte und deren Ursprung suche greife ich ins Leere. Die Gedanken tauchen einfach auf, entwickeln sich, und verschwinden wieder, wobei das Konzept des Denkers auch nur ein weiterer Gedanke ist. Dabei habe ich manchmal den Eindruck, dass das persönliche Gefühlsleben, genauso wie das ausformulierte, langsame Denken, Ähnlichkeiten mit der Atmung hat. Also eher etwas ist was einem passiert und weniger etwas das man aktiv macht.

Die interessantere Frage für mich ist die nach dem Zeugen. Also wer nimmt die Kettenreaktion wahr? Ich drehe mir das so zurecht, dass wir im innersten Kern sowohl Leinwand als auch Beobachter einer mehrdimensionalen Projektion sind, in die wir nicht eingreifen können. So gesehen sind wir im gewissen Sinne ein gesonderte Entität, anderseits sind "wir" auch nur Produkt der förmlichen Welt und existieren nur in deren Kontext. Die Welt ist für mich wiederum Ausdruck einer Korrelation von Unendlichkeit und Wahrscheinlichkeit, wobei man die eigene Nichtexistenz nicht wahrnehmen kann. Soll heißen, wenn die Projektion stoppt und das förmliche Ich stirbt bzw. der damit verbundene Beobachter, ist es nur eine Frage der Zeit (als Sequenz von Ereignissen bzw. deren Abwesenheit) bis die nächste Projektion einsetzt. Die Zeit dazwischen nehmen wir nicht war, weil wir nicht existieren.

https://www.youtube.com/watch?v=R9Plq-D1gEk

LahotPeng
11-02-2020, 21:57
@oxox
Das wollte ich auch gerade schreiben. Es lag mir auf der Zunge.

;)

Aiki5O+
11-02-2020, 22:07
Oder man geht von einem komplett deterministischen Universum aus - dann wäre der freie Wille bloß die einzig mögliche Entwicklung.Also eigentlich überhaupt nicht frei im herkömmlichen Sinne. Aber weil das Universum so komplex ist und wir die ganzen Entscheidungsprozesse trotzdem durchleben (müssen), ist der Wille quasifrei und ich wüsste nicht, wo ein messbaree Unterschied wäre. ;)
Die Annahme eines komplett deterministischen Universums (Superdeterminsm (https://en.wikipedia.org/wiki/Superdeterminism)) wäre aber nicht falsifizierbar und ist somit unwissenschaftlich. Nicht nur der Ausgang jedes Experiments wäre vorherbestimmt, auch die Fragestellungen selber.

oxox
11-02-2020, 23:19
Ist nur eine unfundierte Meinung, aber wenn Vorgänge keine reproduzierbare, logische Verbindung hätten, könnte man keine Vorhersagen machen. Wäre das Universum nicht deterministisch könnte es überhaupt keine Wissenschaft geben. Das Problem sind eher scheinbare Zufallsfaktoren wie z.B. der radioaktive Zerfall, aber selbst der Zufall hat doch so etwas wie eine Normaldistribution im statistischen Sinne. Meine, nur weil der Zufall ein Faktor in der Gleichung ist, beweist das noch keinen freien Willen. Da sehe ich im Sinne der Wissenschaftlichkeit den freien Willen auch das als die zu falsifizierende Behauptung und nicht den Determinismus. Wo soll dieser freie Wille sein? Wie soll man den beweisen? Meine mich da auch an eher gegenteilige Sozialexperimente zu erinnern, wo Probanden tendenziell andere Entscheidungen getroffen haben abhängig davon ob deren Getränk warm oder kalt war.

Pansapiens
12-02-2020, 01:15
Na ja, sie drückten eine Taste. Wenn man sich mit Motoriksteuerung auskennt, dann wundert es einen doch nicht dass das mit der Atmung koordiniert wird...

Viel mehr wundert es mich dass die Autoren diese neuronal Verschaltungen nicht kennen, oder aber sie kannten sie unten haben mit dem Versuch lediglich gezeigt dass die anatomischen Begebenheiten auch wirklich den Effekt haben, den sie haben müssten.


Nur das ich das richtig verstehe: Das war so bekannt, nur in einem anderen Kontext. Aber leicht zu schlussfolgern gewesen?


Ja, die anatomischen Verbindungen der „Systeme“ sind schon lange bekannt und auch dass sie sich natürlich beeinflussen müssen.

Die Schaltstelle selber kennt man seit ca. 1954, wobei die spannenden Dinge in den 90ern und 2000ern dazu gefunden wurden.

Dieser Nervenkern ist übrigens auch derjenige, der für das Funktionieren von Yi verantwortlich ist. Er verbindet nicht nur die Atmung mit „dem Verstand“, sondern auch Bewegung allgemein (neben anderen Dingen).

Die Autoren gehen durchaus auf Kopplungen motorischer Funktionen an die Atmung ein, sind aber Ansicht, dass man daraus nicht so einfach das Ergebnis ihrer Arbeit vorhersehen kann:


Bemerkenswert ist, dass eine solche motorisch-respiratorische Kopplung meist mit unwillkürlichen Bewegungen, automatischer respiratorisch-motorischer Steuerung und der Aufrechterhaltung der metabolischen Homöostase verbunden ist. Die vorliegenden Ergebnisse, die die Beziehung zwischen Atmung und willkürlicher Aktionskontrolle zeigen, gehen über diese homöostatischen Kontrollen und Reflexe hinaus und zeigen, dass das Atmungssystem die willkürliche Aktion, eine übergeordnete motorische Kontrollfunktion, die beim Menschen mit dem freien Willen und dem Selbstbewusstsein in Verbindung gebracht wurde, beeinflusst.

angesichts dessen, dass die Autoren weitere aufwändige Untersuchungen anregen, um den genauen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, dass man die darüber aufklärt, dass das schon längst bekannt ist:


Zukünftige EEG-fMRI-Studien sowie invasive Aufnahmen am Menschen werden ebenfalls hilfreich sein, um diese Fragen zu untersuchen und die neuronalen Strukturen und Mechanismen, die den gegenwärtigen Effekten zugrunde liegen, abzugrenzen.

Pansapiens
12-02-2020, 02:03
Dann würde das unter Umständen bedeuten, dass die Bildung des freien Willens über einen viel längeren Zeitraum stattfindet, als bisher angenommen und die "bewusste" Entscheidung bloß die Eisbergspitze ist.


Das ist die übliche Interpretation.
Die Autoren des hier diskutierten Artikels verweisen auf die Interpretation, dass, zumindest das Beretschaftspotential, weniger eine solche Willensbildung wiederspiegelt, sondern eben (auch) auf Schwankungen der neuronalen Aktivität zurückgeht.
Man sollte hier IMO beachten, dass es sich um Willkürbewegungen geht, die durch keine äußeren Reize getriggert sind oder sein sollen.
D.h. es gibt keinen ersichtlichen Grund, den Knopf zum Zeitpunkt A anstatt zum Zeitpunkt B zu drücken.
Da wäre es aus meiner Sicht gar nicht so erstaunlich, wenn das System auf einen "zufälligen" internen Trigger reagierte.

Was macht denn Mensch, wenn er sich zwischen zwei Optionen entscheiden kann, aber keine Option klar attraktiver oder sinnvoller erscheint?
Da wird doch der "freie Wille" manchmal zur "Qual der Wahl" und es soll Leute geben, die in einer solchen Situation eine Münze werfen.



Und wie fehlerfrei ist eigentlich der Versuchsaufbau? Könnte es nicht sein, dass ich als Proband mich einfach nur unbewusst auf die Action vorbereite, wenn bereits vorher weiß, dass es im Experiment z.B. um Knöpfedrücken geht und es außerhalb des Testlabors sonst anders liefe?

natürlich kann das sein.
Wenn aber das Bereitschaftspotential nur Ausdruck einer solchen Vorbereitung wäre aber nicht in engerem zeitlichen Zusammenhang mit der Aktion stünde, könnte es ja auch eine Minute vor dem Knöpfchendrücken schon auftreten.
Versuche haben auch gezeigt, dass man die Aktion auch bei schon anschwellendem Bereitschaftpotential noch unterlassen kann, aber nur bis 200ms vor der eigentlichen Aktion. (Die Entscheidung zum Abbrechen soll dann allerdings wieder unbewusst getroffen werden).

Pansapiens
12-02-2020, 02:59
Postulat: Frei bin ich genau unter den Umständen und in den Szenarien, in denen ich mich frei fühle.


Dann wäre auch eine Illusion von Freiheit Freiheit.
Dann sind natürlich auch die Probanden in den diskutierten Experimenten frei (innerhalb der Vorgaben der Experimente) weil sie sich ja so fühlen.
Auch ein Süchtiger, der meint, sich aus freien Stücken zum Konsum seiner Droge zu entschließen wäre in diesem Sinne "frei".


Meine, nur weil der Zufall ein Faktor in der Gleichung ist, beweist das noch keinen freien Willen.


Vor allem: Wenn der Zufall das Schlupfloch für den freien Willen ist, dann kann der freie Wille nur zufällig sein.
So wie in dem hier diskutierten Artikel die "Freiheit" dadurch entsteht, dass die Willenshandlung durch "zufällige" Fluktuationen vorbereitet wird.
Es sei denn, dass der freie Wille es schafft, eigentlich zufällige Ereignisse (wie den erwähnten radioaktiven Zerfall) so zu beeinflussen, dass bei einer großen Zahl von Versuchen eine Abweichung von der erwarteten Wahrscheinlichkeitsverteilung auftritt.
Da das dann allerdings Prozesse im Gehirn auf Quantenebene wären, ist das IMO in absehbarer Zeit nicht so leicht nachweisbar.
Und auch dann bleibt es IMO dabei: Entweder basiert die Entscheidung auf Regeln, dann ist die nicht frei. Oder die basiert nicht auf Regeln, dann ist die zwar frei, aber auch wieder irgendwie zufällig oder zumindest sinnlos.



Meine mich da auch an eher gegenteilige Sozialexperimente zu erinnern, wo Probanden tendenziell andere Entscheidungen getroffen haben abhängig davon ob deren Getränk warm oder kalt war.

Je nachdem, ob Probanden einen Artikel contra oder pro Willensfreiheit lesen, sollen die auch eher bereit sein, in einem anschließenden Spiel zu betrügen oder nicht. :hehehe:
Für die Gesellschaft ist es also eventuell ganz gut, dass die Leute meinen, einen freien Willen zu haben und sich deshalb eher an Regeln halten.

kanken
12-02-2020, 06:22
Die Autoren gehen durchaus auf Kopplungen motorischer Funktionen an die Atmung ein, sind aber Ansicht, dass man daraus nicht so einfach das Ergebnis ihrer Arbeit vorhersehen kann:


Wie gesagt, die Verbindung, die ich meine, hat nicht nur mit unwillkürlichen Bewegungen zu tun, im Gegenteil, da geht es vor allem um die willentliche Bewegung in Kombination mit der unwillentlichen Steuerung.

Aber die Autoren scheinen das in der Tat nicht zu kennen, was man Ihnen aber auch nicht verübeln kann, da das schon extrem speziell ist. In Lehrbüchern wird der Kern noch nicht mal wirklich erwähnt, vor allem weil seine Verschaltungen und seine Funktion ziemlich komplex ist.

Klaus
12-02-2020, 08:16
Der Wille entsteht dadurch, dass die "Laune" etwas so oder anders zu möchten über die Zeit entsteht, aus einer Vielzahl an Eindrücken von innen und aussen, Interaktion mit anderen Menschen, Ereignissen, und so weiter. Das ist nicht binär ja/nein, sondern eine dynamische Wolke aus Empfindungen die über die Zeit nicht konstant ist. Da schlägt dann der Schmetterlingseffekt voll zu.

Wenn man der Meinung ist die Quantenphysik wäre Unsinn, und auch die Denkvorgänge beim Knobeln neuer Lösungen wären jederzeit voll reproduzierbar, ja dann könnte man den Lauf der Dinge voll simulieren, und es würde immer das identische Ergebnis rauskommen. Man müsste halt nur einen Rechner haben der jedes Atom simuliert, und schneller ist als die Realität ...

Gast
12-02-2020, 09:49
Dann wäre auch eine Illusion von Freiheit Freiheit.
Dann sind natürlich auch die Probanden in den diskutierten Experimenten frei (innerhalb der Vorgaben der Experimente) weil sie sich ja so fühlen.


Ja.



Auch ein Süchtiger, der meint, sich aus freien Stücken zum Konsum seiner Droge zu entschließen wäre in diesem Sinne "frei".

Meine Erfahrungen mit hochgradig Abhängigen sind gering, aber aus dem Mittelfeld würde ich sagen: Es gibt solche und solche. D. h. zum Beispiel bezüglich Tabak und Alkohol. Ein gewisses Quantum führt bei manchen zu der Frage, ob sie das wirklich wollen, und vielleicht stellen sie fest, dass ein Teil in ihnen es gerne lassen würde, aber ein anderer Teil setzt sich durch und sie konsumieren. Dabei fühlen sich die Leute sicherlich nicht frei, oder zumindest nicht gänzlich frei. Andere haben gar kein Problem mit einem gewissen Konsum und empfinden sich frei. Und wieder andere fühlen sich beim gleichen Konsum eindeutig unfrei.

Wie gesagt, eine spannende Frage in dem Zusammenhang ist doch: "Was bedeutet Willensfreiheit". Geht es überhaupt mehr ums Handeln ("Ich kann handeln wie ich will") oder ums Wollen selbst ("Ich kann wollen was ich will")?

kanken
12-02-2020, 09:59
Ich persönlich finde die Frage „Wer ist eigentlich ICH“ in dieser philosophischen Betrachtung sehr viel spannender.
Um es neurobiologisch auszudrücken:

„Welcher Teil des Netzes ist ICH“ und wieviel Einfluss hat er auf den Rest? Grob vereinfacht gesagt ist meine Antwort darauf: Je mehr Knoten das Netz hat und je komplexer es ist, desto freier bin ICH, absolut frei kann ICH aber nicht werden.

Pansapiens
12-02-2020, 20:24
Wie gesagt, eine spannende Frage in dem Zusammenhang ist doch: "Was bedeutet Willensfreiheit".


in den besprochenen Experimenten geht es ja um einen bewussten Willen. Wie Du sagtest, das selbstreflektive Erkennen des eigenen Willens.
Je nach Interpretation irrt man sich da im Zeitpunkt der Entschlussfassung. Der bewusste Wille wäre dann nur das Bewusstwerden eines vorher schon vorhandenen unterbewussten Willen.
Es gibt Beispiele, da irrt man sich auch in der Zielsetzung des Willens, d.h. man sieht andere Motive hinter dem eigenen Handeln, als jene, die das Handeln tatsächlich verursachen.
Ob dann der unbewusste Wille frei ist, steht dann noch nicht fest, aber eventuell fällt es schwerer, sich einen unbewussten freien Willen vorzustellen, als einen bewussten?



Geht es überhaupt mehr ums Handeln ("Ich kann handeln wie ich will") oder ums Wollen selbst ("Ich kann wollen was ich will")?

Da würde ich doch sagen, um das Wollen. Sonst wäre es ja Handlungsfreiheit.
Die Handlungsfreiheit kann durch äußere Umstände beschränkt sein (Durst und nix zu trinken) aber auch durch widerstrebende Willen.
Willen muss ja nicht nur in Einzahl auftreten, sondern kann sich auch in sich widersprechenden Antrieben oder Zielsetzungen äußern, von der sich dann eine momentan dominierende durchsetzt.

Pansapiens
13-02-2020, 04:47
„Welcher Teil des Netzes ist ICH“ und wieviel Einfluss hat er auf den Rest?


Da kommt mir das Wagengleichnis von Buddha in den Sinn...


Die Forscher untersuchten sechs Probanden, denen im Alter von drei Monaten bis 11 Jahren eine Gehirnhälfte entfernt werden musste. Dieser von Medizinern "Hemisphärektomie" genannte Eingriff wird - allerdings äußerst selten - in sehr schweren Fällen von Epilepsie durchgeführt. Erstaunlicherweise hatten diese sechs Patienten durch den schweren Eingriff kaum kognitive Einbußen erlitten, die Betroffenen konnten weiterhin normal denken und sprechen.

https://img.br.de/a207d83c-5dad-477e-9a49-fcdf17797194.jpeg?q=80&rect=0,4,1014,570&w=800&h=450


© Caltech Brain Imaging Center
Funktionelle MRT-Aufnahme von zwei der sechs Probanden mit linker bzw. rechter neurochirurgischen Entfernung einer Gehirnhälfte.

https://www.br.de/nachrichten/wissen/warum-ein-halbes-gehirn-mitunter-volle-leistung-bringt,RiMF21c


wahrscheinlich hatten die auch immer noch "ICH"?
Wenn ja, liegt der Schluss nahe, dass entweder in beiden Hirnhälften ein Teil "ICH" ist, so dass bei Entfernung einer Hälfte noch genug ICH übrig bleibt, oder, dass kein Teil des Netzwerkes ICH ist.
Falls Ersteres, stellt sich die Frage, warum die meisten Leute nur ein Ich erleben, das eine gewisse Kontinuität aufweist.
Kann natürlich sein, dass das es eine "ichaktive" Hirnhälfte gibt, von deren Ich in der anderen Hälfte ein immer recht aktueller Klon existiert, der erst beim Ausfall der anderen Hälfte aktiviert wird.



Grob vereinfacht gesagt ist meine Antwort darauf: Je mehr Knoten das Netz hat und je komplexer es ist, desto freier bin ICH, absolut frei kann ICH aber nicht werden.

Das scheint mir nun eher eine Antwort auf die Frage: "Wovon hängt die Freiheit eines durch ein neuronales Netzwerk realisierten ICH ab, und wie frei kann das sein?"
Die Antwort scheint mir darauf hin zu deuten, dass Du mit "Freiheit" in diesem Zusammenhang "Anzahl der unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten auf Inputs" meinst.
Bei einem neuronalen Netzwerk weiß man ja mitunter nicht so genau, wie das in spezifischen Situationen reagiert, d.h. aufgrund der Inputs und der Verdrahtung ist die Reaktion nicht so einfach vorher zu sagen, wie bei einer Türklingel.
Insbesondere können - in Abhängigkeit von der Komplexität- auch neue Reaktionen erlernt oder Reaktionen und deren Folgen virtuell simuliert werden ("Denken").
Diese Freiheit hängt dann nicht nur mit der Komplexität zusammen, sondern auch mit der Plastizität des Netzwerkes.
Beim Menschen sind auch Hirnregionen stärker entwickelt, als bei anderen Tieren, die mehr automatische Verhaltensweisen ("Instinkte") unterdrücken können, was dann wieder zu mehr "Freiheit" in obiger Definition führt.
Wenn mit Freiheit ein Maß für die Anzahl der Reaktionsmögiichkeiten eines neuronalen Netzwerkes angesichts des gleichen Inputs gemeint ist, dann wäre die obere Grenze dieser Freiheit die Anzahl der möglichen Zustände dieses Netzwerkes.
In der Menge der möglichen Zustände sind dann sinnvolle und weniger sinnvolle Reaktionen enthalten, wobei "sinnvoll" natürlich im Auge des Betrachters liegt, bzw. nur im Zusammenhang mit einer Zielsetzung beurteilt werden kann.
Die weniger sinnvollen würde dann ein Beobachter vielleicht als "verrückt' bezeichnen, aber gerade die wären IMO Ausdruck eines freien Willens, der von Umständen und Zielsetzungen unabhängig ist.
Entsprechend könnte zu viel Willensfreiheit zu einem geringeren Fortpflanzungserfolg führen.

Gast
13-02-2020, 07:06
in den besprochenen Experimenten geht es ja um einen bewussten Willen. Wie Du sagtest, das selbstreflektive Erkennen des eigenen Willens.
Je nach Interpretation irrt man sich da im Zeitpunkt der Entschlussfassung. Der bewusste Wille wäre dann nur das Bewusstwerden eines vorher schon vorhandenen unterbewussten Willen.
Es gibt Beispiele, da irrt man sich auch in der Zielsetzung des Willens, d.h. man sieht andere Motive hinter dem eigenen Handeln, als jene, die das Handeln tatsächlich verursachen.
Ob dann der unbewusste Wille frei ist, steht dann noch nicht fest, aber eventuell fällt es schwerer, sich einen unbewussten freien Willen vorzustellen, als einen bewussten?

Wenn ich nicht nachvollziehen/erleben kann, dass irgendein ominöser unterbewusster Wille meine Entscheidung schon vorentscheidet, kann ich mich ja immer noch frei fühlen in meiner Entscheidung, oder nicht?




Da würde ich doch sagen, um das Wollen. Sonst wäre es ja Handlungsfreiheit.
Die Handlungsfreiheit kann durch äußere Umstände beschränkt sein (Durst und nix zu trinken) aber auch durch widerstrebende Willen.
Willen muss ja nicht nur in Einzahl auftreten, sondern kann sich auch in sich widersprechenden Antrieben oder Zielsetzungen äußern, von der sich dann eine momentan dominierende durchsetzt.

Nun ja, die beiden hängen ja irgendwie zusammen. Denn das Libet-Experiment läuft ja unter Willensfreiheit, obwohl es ja eine Handlungssituation beschreibt. Ich dachte ich will links wählen ("ich fühlte mich frei links zu wählen"), aber anscheinend war ich in meinem Handeln eben doch nicht so frei wie ich dachte. Auf der anderen Seite fehlt sowieso die Klärung, was "Wille" an sich sein soll. Denn auch wenn du mich in Ketten legst, kann ich ja frei sein wollen :-) D. h. Wille im Sinne von "ich möchte" kann ja kaum oder gar nicht eingeschränkt werden? Außer eben mit Blick auf Entscheidungs- und Handlungsfreiheit, oder im Sinne der Frage, inwieweit ich "wollen kann, was ich will".

P.S. Was sagst du zum Wochenende-Planungs-Gedankenspiel?

Klaus
13-02-2020, 08:44
Das ist sowas wie "man trifft eine schöne Frau in geschmackvoll-reduzierter Oberbekleidung, und entscheidet sich per freiem Willen hinzusehen". :) Natürlich könnten wir auch woanders hinschauen, entscheiden uns aber aufgrund vieler wichtiger Gesichtspunkte nach ausführlicher Abwägung es doch zu tun. Oder, wir sehen ein herrenloses Stück Schokolade im Büro, und entscheiden uns nach ausführlicher Berechnung der Kalorienzufuhr und unseres akuten Bedarfs über Zeit es zu essen.

gast
13-02-2020, 09:03
Das ist sowas wie "man trifft eine schöne Frau in geschmackvoll-reduzierter Oberbekleidung, und entscheidet sich per freiem Willen hinzusehen". :) Natürlich könnten wir auch woanders hinschauen, entscheiden uns aber aufgrund vieler wichtiger Gesichtspunkte nach ausführlicher Abwägung es doch zu tun. Oder, wir sehen ein herrenloses Stück Schokolade im Büro, und entscheiden uns nach ausführlicher Berechnung der Kalorienzufuhr und unseres akuten Bedarfs über Zeit es zu essen.

Da fällst Du ja wohl nicht wirklich eine Entscheidung oder? :D
Das passiert einfach.

Ich persönlich glaube ja inzwischen nicht mehr so an den freien Willen, zumindest nicht in autarker Form.
Alleine durch Zuführung chemischer Substanzen lassen sich Persönlichkeitsveränderungen feststellen.
Dazu bedarf es noch nicht mal irgendwelcher psychoaktiver Substanzen oder langer Gewöhnungszeiten.
Blutdruckmedikamente langen da völlig, wobei natürlich Bluthoch- oder niederdruck schon Verhalten verändert.

Klaus
13-02-2020, 09:52
Da fällst Du ja wohl nicht wirklich eine Entscheidung oder? :D


"Emotionskineästhisch" schon irgendwo, es ist nur erstaunlich häufig immer die gleiche. :D

oxox
13-02-2020, 11:10
Ich kann das auf die Schnelle nicht finden, aber habe mal gehört es gäbe eine Sache die sich Spock-Problem nennt. Bei gleichwertigen Optionen kann bei rein objektiver Abwägung so eine Art logischer Patt-Zustand entstehen, der nur durch scheinbar irrationale Impulsentscheidungen aufgelöst wird. Manche behaupten glaube ich, dass man künstliche Intelligenzen mit Emotionen ausstatten müsse, um wirklich weiter zu kommen. Siehe zum Beispiel das Trolly-Problem bei autonomen Autos, z.B. wenn es darum geht wer im Zweifelsfall überfahren wird.

Vielleicht ist das Bewusstsein nur ein Nebeneffekt eingebauter Zufallsgeneratoren, die sich evolutionär im Menschen entwickelt haben und helfen sollen die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten bzw. effizienter zu gestalten.

Gast
13-02-2020, 13:43
Ich kann das auf die Schnelle nicht finden, aber habe mal gehört es gäbe eine Sache die sich Spock-Problem nennt. Bei gleichwertigen Optionen kann bei rein objektiver Abwägung so eine Art logischer Patt-Zustand entstehen, der nur durch scheinbar irrationale Impulsentscheidungen aufgelöst wird. Manche behaupten glaube ich, dass man künstliche Intelligenzen mit Emotionen ausstatten müsse, um wirklich weiter zu kommen. Siehe zum Beispiel das Trolly-Problem bei autonomen Autos, z.B. wenn es darum geht wer im Zweifelsfall überfahren wird.

Vielleicht ist das Bewusstsein nur ein Nebeneffekt eingebauter Zufallsgeneratoren, die sich evolutionär im Menschen entwickelt haben und helfen sollen die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten bzw. effizienter zu gestalten.

Nennt sich traditionell "Buridans Esel (https://de.wikipedia.org/wiki/Buridans_Esel)" :cool:

Klaus
13-02-2020, 15:36
Ich möchte wetten es gibt dafür eine Lösung im Hirn, z.B. nimm die erste Lösung an der man vorbei kommt. Deadlocks treten denke ich eher da auf, wo jede der Möglichkeiten mit einer stark unangenehm eingestuften Wirkung einhergeht. Z.B. spring aus dem brennenden Haus und breche dir alle Knochen, oder warte und hoffe du findest andere Wege.

oxox
13-02-2020, 20:32
Nennt sich traditionell "Buridans Esel (https://de.wikipedia.org/wiki/Buridans_Esel)" :cool:

Danke Julian :halbyeaha


Ich möchte wetten es gibt dafür eine Lösung im Hirn, z.B. nimm die erste Lösung an der man vorbei kommt. Deadlocks treten denke ich eher da auf, wo jede der Möglichkeiten mit einer stark unangenehm eingestuften Wirkung einhergeht. Z.B. spring aus dem brennenden Haus und breche dir alle Knochen, oder warte und hoffe du findest andere Wege.

Finde das hört sich genau nach dem an worüber du und andere oft zu schreiben scheint, gerade im Bezug auf das Kämpfen. Auf bestimmte Instinkte vertrauen, Prozesse mal machen lassen, und so weiter. Da stellt sich auch die Frage inwiefern man solche Tendenzen kultivieren kann und ob sich das Gehirn dahin gehend messbar verändert.

Lugasch
13-02-2020, 23:35
Danke Julian :halbyeaha



Finde das hört sich genau nach dem an worüber du und andere oft zu schreiben scheint, gerade im Bezug auf das Kämpfen. Auf bestimmte Instinkte vertrauen, Prozesse mal machen lassen, und so weiter. Da stellt sich auch die Frage inwiefern man solche Tendenzen kultivieren kann und ob sich das Gehirn dahin gehend messbar verändert.

Ich glaube, von Rory Miller gibt es ein Buch dazu, wie man sowas kultiviert.

Pansapiens
14-02-2020, 05:50
Wenn ich nicht nachvollziehen/erleben kann, dass irgendein ominöser unterbewusster Wille meine Entscheidung schon vorentscheidet, kann ich mich ja immer noch frei fühlen in meiner Entscheidung, oder nicht?


ja natürlich, machen ja die meisten, auch ich..
Wenn man aber dann ein subjektives Gefühl schon als "freien Willen" definiert, kann man sich entsprechende Experimente und Überlegungen sparen.



Nun ja, die beiden hängen ja irgendwie zusammen. Denn das Libet-Experiment läuft ja unter Willensfreiheit, obwohl es ja eine Handlungssituation beschreibt.


Ja, der Wille oder das Wollen führt zu einer Handlung, sofern die Handlungsfreiheit nicht entsprechend eingeschränkt ist.
Wollen + Handlungsfreiheit => Handlung



Ich dachte ich will links wählen ("ich fühlte mich frei links zu wählen"), aber anscheinend war ich in meinem Handeln eben doch nicht so frei wie ich dachte.


In den Experimenten konnten die Probanden aus einer Anzahl von Handlungen eine auswählen und waren nicht durch äußere Bedinungen eingeschränkt, diese auszuführen.
Die hatten auch nicht das Gefühl, dass sie nicht tun konnten, was sie wollten (innerhalb der Vorgaben des Experiments).
Wenn sie dachten - in Deinem Beispiel - links zu wählen, haben die auch links gedrückt.
Wenn sie dachten, rechts zu wählen, haben die auch rechts gedrückt.
Sie meinten, bewusst zu wollen, was sie auch taten.
Und sie taten (konnten tun), was sie unbewusst wollten.
Sie waren also frei zu tun, was sie wollten.
Sie waren nicht frei, bewusst etwas anderes zu wollen, als sie unbewusst wollten.

Hirschhausen hat sich mal ungefähr folgendermaßen über gefühlten Willen, bzw. verbalen Ausdruck eines solchen geäußert:


Wenn man einen Raucher fragt, "warum rauchst Du?" was sagt er dann?
"weil's mir schmeckt".
Wer spricht da?
Die Großhirnrinde.
Warum die?
Weil die sprechen kann!
Früher hat man gedacht, die Großhirnrinde wäre die Regierung des Körpers.
Heute weiß man, die ist eher der Regierungssprecher.
Hat mit der Entscheidung nix zu tun, muss die aber nach außen vertreten.

Natürlich ist das zur Veranschaulichung grob verallgemeinert bis falsch, aber nehmen wir mal "Großhirnrinde" hier als Synonym für sprachlichen Ausdruck, bzw. bewusstes Erleben:
Dann bekommt der Regierungssprecher "Bewusstsein" im Libetexperiment von der Regierung die Entscheidung mitgeteilt "wir haben uns entschieden, den Knopf zu drücken".
und merkt sich, wie spät es ist, als er diese Entscheidung mitgeteilt bekommt.
Wenn er später gefragt wird, wann die Entscheidung gefallen ist, gibt er den an, zu dem ihm die Entscheidung mitgeteilt wurde.
Die Forscher stellen fest, dass im Regierungsgebäude schon einige Zeit vor diesem Zeitpunkt ein Aktivitätsanstieg zu bemerken war und führen das auf gerichtete Entscheidungsprozesse zurück.
Andere Forscher meinen, dass dieser Aktivitätsanstieg nur Schwankungen der üblichen Aktivität im geschäftigen Regierungsgebäude darstellen, wodurch beim Regierungsprecher der Eindruck entstand, es wäre eine Entscheidung gefallen und kurz darauf tatsächlich eine Handlung durchgeführt wurde.
Bei uns Menschen fühlt sich der Regierungssprecher meist nicht getrennt von der Regierung und hat daher das Gefühl, nicht nur die Entscheidungen zu vertreten, sondern auch zu treffen.

Die Kränkung, nicht von Vernunft und bewussten Überlegungen, sondern von Unbewussten Antrieben gesteuert zu sein, wird ja Sigmund Freud zugeschrieben.
Die ist eventuell schwerer zu verdauen, als die anderen beiden...

Die drei Kränkungen der Menschheit (https://www.welt.de/geschichte/article160308329/Die-drei-Kraenkungen-der-Menschheit.html)




Auf der anderen Seite fehlt sowieso die Klärung, was "Wille" an sich sein soll. Denn auch wenn du mich in Ketten legst, kann ich ja frei sein wollen :-)


Ja, deine Handlungsfreiheit ist durch die Ketten eingeschränkt.

Wollen ohne entsprechende Handlungsfreiheit => keine Handlung



D. h. Wille im Sinne von "ich möchte" kann ja kaum oder gar nicht eingeschränkt werden?


Wenn Du lange genug in Ketten liegst, erlahmt eventuell auch Dein Freiheitswillen.

Erlernte Hilflosigkeit (https://de.wikipedia.org/wiki/Erlernte_Hilflosigkeit)

Oder ich lege Dich in goldene Ketten oder verändere die Äußeren Bedingungen, die zu Deinem Willen führen (siehe den Ansatz: Fluchtursachen (Gründe für das woanders sein wollen) in den Usrprungsländern bekämpfen, statt die Handlungsfreiheit von Geflüchteten, die nach Europa wollen, durch Zäune einzschränken).
Lobotomie war früher mal ein Ansatz mit unerwünschtem Willen oder Antrieben umzugehen, heute gibt es pharmakologische Lösungen.



P.S. Was sagst du zum Wochenende-Planungs-Gedankenspiel?

da müsste ich noch drüber nachdenken, nun "will" "ich" aber - extrinsisch motiviert- etwas anderes. ;)

Pansapiens
14-02-2020, 19:02
Spannend wird es ja auch, wenn wir vom reinen Knöpfchen-Drücken weggehen. Zum Beispiel wenn wir uns überlegen, wo und was wir am Wochenende machen wollen. Wenn ich hier diverse Optionen und Planungen durchgehe, ist körperlich-räumlich noch gar nix passiert; passiert z.B. alles im Liegen auf der Couch am Donnerstag Abend :-) Erst am Freitag setzt sich dann der Körper entsprechend in Bewegung. Ich kann nicht sehen, wie man jetzt bildgebende Verfahren, Messungen und Neurologie auf den Prozess des geistigen Durchdenkens und Abwägens beziehen könnte in dem Sinne, dass man hier die Entscheidung vorhersehen könnte?


Nein. Das geht wohl schon beim Knöpfchendrücken nicht, zumindest nicht per EEG.


Das Bereitschaftspotential, das in einer negativen Auslenkung des Elektroencephalogramms (EEG) besteht, kann erst durch Rückwärts-Mittelung des EEGs über mehrere gleichartige intendierte Bewegungen sichtbar gemacht werden

https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/bereitschaftspotential/1383





Ich denke hier bewegen wir uns vielmehr im Bereich der Spieltheorie, Rational-Choice-Theorie und ähnlicher Ansätze: Unter welchen Umständen und mit welchem Wissen treffen Menschen was für Entscheidungen.


Ja, wenn es darum geht, Handlungen vorherzusagen, nützt es nichts, an die Außenseite des Kopfes ein paar Elektroden zu pappen und Spannungsschwankungen zu messen.
Da ist es sinnvoller, man unterstellt dem Menschen Eigenschaften, wie Schadensvermeidung, Gewinnoptimierung etc. ohne sich darum zu kümmern, wie die nun konkret realisiert werden.
Aber auch da fließen dann unbewusste Faktoren ein.



Wobei man noch fragen könnte, wie frei eine Entscheidung ist, wenn wir stets die nach unserem Einsichts- und Schlussvermögen beste Entscheidung auswählen.

Eben.
Die ist dann von den Umständen, unseren Zielen und unseren kognitiven Fähigkeiten determiniert.
Die Entscheidung von Buridans Esel ist diesbezüglich natürlich frei.