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Vollständige Version anzeigen : Kreativität



oxcart
27-05-2020, 01:28
Für wie wichtig haltet ihr Kreativität bzw. ein gesundes Improvisationsvermögen im Kampfsport, Kampfkunst, und Selbstverteidigung?
Kann man Kreativität eurer Meinung nach trainieren? Wenn ja, wie?

Stixandmore
27-05-2020, 02:00
Für wie wichtig haltet ihr Kreativität bzw. ein gesundes Improvisationsvermögen im Kampfsport, Kampfkunst, und Selbstverteidigung?
Kann man Kreativität eurer Meinung nach trainieren? Wenn ja, wie?

Mit viel (Aufgaben)Sparring und Szenariotraining

* Silverback
27-05-2020, 02:35
Kreativität ist ja ein ein schwer definierbare Begriff; nimmt man eine mögliche "Übersetzung" dafür: Ideenreichtum - dann ist das IMHO extrem wichtig in KS und SV. Und lässt sich z.B. über Szenariotraining bestens trainieren.

Björn Friedrich
27-05-2020, 07:51
Pressure killt Kreativität und Kreativität killt Pressure.....:-)

Ich mag das Thema, weil ich überzeugt davon bin, das die Fähigkeit Bewegungen im Moment zu erschaffen die wirkliche Meisterschaft darstellt.

Ich würde es gar nicht improvisieren nennen, weil das impliziert, das es hätte planmäßig verlaufen können.

Im Jetzt zu sein und die Dinge geschehen zu lassen, ist ein Zeichen von Meisterschaft.

Sah man bei Ali, Anderson oder Fedor in den besten Jahren, da kamen einfach unglaubliche Bewegungen heraus...

ABER

Kreativität bedeutet nicht als Anfänger mit einem vollkommen verkrampften Körper und Geist, mit Bewegungen herumzuspielen, das führt nur zu Sinnlosigkeit.:-)

Ich würde sagen eine technische Grundlage ist die Basis und danach kommt der wichtigste Schritt, der Körper muss frei werden. Entspannung muss entwickelt werden und es müssen die einzelnen Verbindungen im Körper gestärkt werden.

Wenn das Grundgerüst steht, kann man langsam dfamit anfangen, die Dinge geschehen zu lassen und zu improvisieren, vorher führt das zu nix.

oxcart
27-05-2020, 13:56
Haltet ihr es für möglich kreativ zu sein und sich gleichzeitig auf nur wenige Techniken zu begrenzen? Ich habe manchmal das Gefühl desto mehr ich weiß desto mehr blockiere ich mich selber.

* Silverback
27-05-2020, 14:07
Haltet ihr es für möglich kreativ zu sein und sich gleichzeitig auf nur wenige Techniken zu begrenzen? ....

Yepp! Die Menge machts da nicht - eher die (kreative) Zusammenstellung, Variation und Flexibilität!

jkdberlin
27-05-2020, 14:14
Haltet ihr es für möglich kreativ zu sein und sich gleichzeitig auf nur wenige Techniken zu begrenzen? Ich habe manchmal das Gefühl desto mehr ich weiß desto mehr blockiere ich mich selber.

Das liegt eher daran, dass du noch mehr "kennst" aber noch nicht intuitiv "kannst". Du musst noch nachdenken, die daran erinnern. Zu wenig Wiederholungen, es ist noch nicht automatisch.

oxcart
27-05-2020, 17:36
Das liegt eher daran, dass du noch mehr "kennst" aber noch nicht intuitiv "kannst". Du musst noch nachdenken, die daran erinnern. Zu wenig Wiederholungen, es ist noch nicht automatisch.

Das ist fair.

Björn Friedrich
27-05-2020, 19:25
Technik ist Technik und die Fähigkeit zu Improvisieren ist eben genau das.

Beides hat nix miteinander zu tun, bzw. ist kein Substitut für das andere.

Techniken zu lernen sind immer gut, je mehr desto besser. Mein Video Archiv quillt über auch nach 25 Jahren geht das Lernen immer weiter.

Auf der anderen Seite arbeite ich an meinem Körper und seiner Fähigkeit im Jetzt zu sein und zu erschaffen. Eine völlig andere Arbeit als das Techniktraining.

Beides wichtig.....

* Silverback
27-05-2020, 19:44
Technik ist Technik und die Fähigkeit zu Improvisieren ist eben genau das.

Beides hat nix miteinander zu tun, ......

Obwohl ich was BJJ angeht nicht vom Fach bin, würde ich dem 1. Teil ("beides hat nix miteinander zu tun") absolut widersprechen. Im Gegenteil, beides hat (auf höherem Niveau) IMHO absolut viel miteinander zu tun! Noch konkreter: Gekonntes Improvisieren geht überall (Musik, Künste, Handwerk, etcetc.) überhaupt erst dann richtig los, wenn man die Grundtechniken beherrscht und sie nachfolgend virtuos kombiniert ... geplant und/oder improvisiert; alles andere ist bloßer Zufall. Just my 2 cents.

oxcart
27-05-2020, 19:45
Woran ich dachte waren Leute wie Rickson Gracie zum Beispiel. Soweit ich nichts missverstanden habe beschränkt der sich doch eher auf Grundtechniken, geht dabei aber besonders in die Tiefe. Ich als Tourist kann da nicht viel Improvisation erkennen, schätze aber die ist einfach zu subtil für mich. Auf jeden Fall scheint er keine besonders exotischen Techniken zu benutzen, auch wenn ich davon ausgehe, dass er sie kennen wird. Bei Ryabko scheinen auch viele der Meinung zu sein, dass der besser wäre als Vasiliev, auch wenn ich da als Außenstehender nicht das gleiche Repertoire erkennen kann. Oberflächlich gesehen.

Björn Friedrich
27-05-2020, 21:16
Das stimmt schon, man kann nicht ohne viel technischer Vielfalt improvisieren, aber umgekehrt gilt das halt genauso. Technische Vielfalt zu besitzen führt eben nicht automatisch zur Improviationsfähigkeit.....

Es gibt viele BJJler die viele einzelne Techniken superschnell kombinieren und verketten können, aber das ist halt nicht improvisieren, sondern einen Gameplan schnell abrufen.

Improvisieren basiert darauf sich selber und den Gegner bewusst wahrzuehmen und den eigenen Körper so organisiert zu haben, das er einem nicht im Weg ist.

Dieses Gefühl ist die Grundlage. Ob man sich dann mehr oder weniger bewegt ist oft persönliche Präverenz,aber entscheident ist, das man wirklich auf das Jetzt reagiert und nicht irgendwelche vorgeplanten Techniken abruft.....

* Silverback
27-05-2020, 21:51
Das stimmt schon, man kann nicht ohne viel technischer Vielfalt improvisieren, aber umgekehrt gilt das halt genauso. Technische Vielfalt zu besitzen führt eben nicht automatisch zur Improviationsfähigkeit....
Vollkommen d'accord - und genau HIER zeigt sich IMHO auch der Unterschied zwischen bloßem Können (i.S.v. Wissen) und Kreativität (Ausgangsfrage in diesem Thread). Das ganze bloße Anhäufen hat noch rein gar nichts mit Kreativität zu tun; erst das gekonnte kombinieren und rekombinieren (auch i.S.v. improvisieren) ist ein Indiz für Kreativität. Wissen (~ alt) vs. Improvisieren (~ neu), etwas vereinfacht ausgedrückt.



...
Improvisieren basiert darauf sich selber und den Gegner bewusst wahrzuehmen und den eigenen Körper so organisiert zu haben, das er einem nicht im Weg ist.
....
z.T. mit.
Wahrnehmen ist auch meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil von "Kreativität" (meinethalben auch der Begrifflichkeit "Improvisieren"); ein anderer, mindestens aber genauso wichtiger Teil neben "Wahrnehmen" ist * "Ideen haben" * und "Wissen und Ideen flexibel abrufen und verknüpfen (eben improvisieren)" ... egal ob im Kampf, in der Kunst, der Musik, im Handwerk oder Business ... you name it.



...entscheident ist, das man wirklich auf das Jetzt reagiert und nicht irgendwelche vorgeplanten Techniken abruft.
Mit.

Björn Friedrich
28-05-2020, 07:42
Einer meiner Lehrer Alex Kostic hat mal gesagt:

Immitation - Improvisation - Innovation

Das trifft es eigentlich ganz gut.

Sieht man oft bei den guten Brasilianern die sehr spielerisch trainieren. Erst lernen sie BJJ, dann spielen sie damit herum und improvisieren neue Bewegungen und daraus entstehen dann neue Techniken.

Und die meisten Menschen wollen dann lieber die neuen Techniken lernen, als die Fähigkeit selber welche zu entdecken.:-)

jkdberlin
28-05-2020, 08:25
Eine Basis an Grundtechniken ist meiner Meinung nach wichtige Voraussetzung für Kreativität. Denn darüber lernt man die Konzepte und Prinzipien des BJJ. Darauf basierend kann man dann selber kreativ werden.

Katamaus
28-05-2020, 15:18
Hört sich irgendwie wie Shu-Ha-Ri an.

:kaffeetri:zwinkern::teufling:

Aber mal ernsthaft: ich glaube, dass es eines sehr forgeschrittenen Verständnis für KS/KK sowie einer guten Beobachtungsgabe bedarf. Dann allerdings schlägt imho so eine Art Mustererkennung an, d.h. man kopiert Bewegungen und vergleicht/assoziiert sie mit bisher Erlerntem und greift dadurch auf bereits bekannte/vertraute Muster zurück, wodurch sich dann tatsächlich Techniken stehlen/kopieren lassen.

es bleibt allerdings die Frage, was einem das bringt (von Neugier, Forscherdrang und Bewegungsfreude mal abgesehen), wenn man davon ausgeht, dass man sich im Ernstfall ohnehin nur auf 1-2 Techniken verlassen kann und möchte. Das ist für mich, nebenbei bemerkt, der Hauptgrund, warum ich zwar gerne in andere Disziplinen hineinschnuppere, diese aber nicht ernsthaft zu erlernen oder ausuführen versuche.

Schnueffler
28-05-2020, 15:24
Teilweise ist es ja nur eine andere Bewegung innerhalb deines sonstigen, eingespeichertem Bewegungsmuster, was du dabei dann aufnimmst. Und diese eine einzige andere Bewegung kam dir vorher nicht in den Sinn und jetzt wo du sie 5x gemacht hast, hat sie sich schon tiefer eingebrannt, als dein altes Bewegungsmuster.
Ich habe viel über den Tellerrand geschaut und auch intensiv.
Dadurch habe ich mein eigenen Stil hervorgebracht, vieles auf meinen Körper angepasst, wo ich ne Kleinigkeit, wie ne andere Handposition beim werfen, gesehen habe und ausprobiert habe.
Fühlte sich dann besser, natürlicher, einfach, wie auch immer an.

discipula
28-05-2020, 16:04
Für wie wichtig haltet ihr Kreativität bzw. ein gesundes Improvisationsvermögen im Kampfsport, Kampfkunst, und Selbstverteidigung?

man kann bestimmt mit genau vorgegebenen Mustern sehr weit kommen. aber das ist auf Dauer langweilig.




Kann man Kreativität eurer Meinung nach trainieren? Wenn ja, wie?

wenn die Grundlagen erst mal sitzen, zum Beispiel als Partnerübung: A macht immer denselben vordefinierten Angriff; B muss jedes Mal eine neue Antwort darauf finden. was auch impliziert, dass viele Versuche nichts Schlaues bringen, aber meist fangen neue Erkenntnisse nach einer Periode der Ratlisigkeit an.

oxcart
28-05-2020, 17:08
wenn die Grundlagen erst mal sitzen, zum Beispiel als Partnerübung: A macht immer denselben vordefinierten Angriff; B muss jedes Mal eine neue Antwort darauf finden. was auch impliziert, dass viele Versuche nichts Schlaues bringen, aber meist fangen neue Erkenntnisse nach einer Periode der Ratlisigkeit an.

Erinnert mich an etwas, dass ich im Zusammenhang zur Bundeswehr gesehen hatte. Die Jungs bekamen die Aufgabe einen kleinen Graben als Gruppe so oft wie möglich zu überqueren, aber jede Lösung durfte nur einmal benutzt werden. Zum Ende hin zwang das diejenigen wirklich kreativ zu werden, halt mit vielen Fehlschlägen. War definitiv interessant anzuschauen. Richard Stallman, der Open-Source-Guru, meinte so oder so ähnlich mal der erste Hack der meisten Leute wäre es eine Rolltreppe die falsche Richtung hochzugehen. Also etwas explizit gegen die Designerintention zu benutzen und zu schauen ob man es trotzdem irgendwie schafft. In dem Sinne kann man das bestimmt auch auf das Kämpfen anwenden, in dem man bestimmte Werkzeuge nimmt und diese kreativ zweckentfremdet. Oder kreativ Regeln umgeht ohne sie zu brechen. Siehe mal Bas Rutten in Pancrase, als er heraus fand dass er Leute mit dem Handballen ausknocken konnte.

Mal ein anderer Punkt: Sind Improvisationen im Ernstfall nicht eher eine Notlösung? Also eine Reaktion auf ein unerwartetes Problem, dass man nicht hat wenn Schema F funktioniert? Ich meine, wenn da jemand ein Messer zieht werden doch die Wenigsten anfangen zu jazzen und eher weglaufen.

* Silverback
28-05-2020, 17:29
Erinnert mich an etwas, dass ich im Zusammenhang zur Bundeswehr gesehen hatte. Die Jungs bekamen die Aufgabe einen kleinen Graben als Gruppe so oft wie möglich zu überqueren, aber jede Lösung durfte nur einmal benutzt werden. Zum Ende hin zwang das diejenigen wirklich kreativ zu werden, halt mit vielen Fehlschlägen. War definitiv interessant anzuschauen. ...
Hört sich spannend an (zumindest solange, wie der Spieß auch wirklich offen für LösungEN ist - selbst solche, die "nicht Seins sind").


...Mal ein anderer Punkt: Sind Improvisationen im Ernstfall nicht eher eine Notlösung?
IMHO eine Frage des wordings; nimmt man den Begriff "Notlösung" wertneutral (was bei dem Wort meist schwierig ist) dann ist es (IMHO) ziemlich identisch.



...Ich meine, wenn da jemand ein Messer zieht werden doch die Wenigsten anfangen zu jazzen und eher weglaufen.
Ich kann's gerade nicht auf die Schnelle googlen, erinnere mich aber, dass es genausowas mal gab ... und das hatte den Angreifer so verblüfft, dass er völlig verdattert war. Kreativ - Notlösung - der Zweck heiligt die Mittel - ... . Sicherlich kein Patenzrezept für jede Situation - was aber auch wumpe ist; es hatte damals funktioniert. Gut is.

discipula
30-05-2020, 20:21
Einschränkungen scheinen mir Kreativität zu fördern.

Wenn zB ein Boxer für den Sandsack eine Aufgabe erhält wie zB "Kombinationen mit Schlägen zu Kopf und Rumpf" oder "immer vier Schläge, aber nie zwei Mal dasselbe" kommen interessantere, vielseitigere Sachen raus als wenn man sagt "drei Minuten Sandsack, los, macht mal!" - dann neigen die meisten dazu, immer dasselbe zu machen.

Kai Dobi
30-05-2020, 20:56
Einige haben sich immer mal im Bereich Karate über die s.g. "Bunkai-Sammler" lustig gemacht. Festgestellt habe ich mit der Zeit, dass genau diese Leute aufällig oft geile Lösungen finden ... zumindest bis hin zu lockerem Sparring. Wirds härter und schneller und die Versuche aus dem clinch gleich frei oder gleich runter zu gehen energischer werden, dann kommen meist auch nur die Standardsachen.

Denke also auch, ein gutes Schema F ist wichtiger. Impro nur wenn das nicht mehr hilft. ... und ein gutes Gelingen im Ernstfall kann ich mir dann auch nicht so recht vorstellen.

balnadd
22-06-2020, 11:21
Ich finde, dass Kreativität sehr wichtig im Kampfsport ist, da ist man auch mehr flexibler