Vollständige Version anzeigen : „Innere“ vs. „Äußere“ KK?
Die Kraftentwicklung beim Ringen ist komplett anders als bei den inneren Kampfküsten, da gibt es keine Gemeinsamkeiten, was die Körpermechanik angeht......
Ich greif das noch einmal auf weil Jamie ein schönes Video von Paul zum Thema „Innere KK“ online gestellt hat:
https://youtu.be/1apzUP4zSJw
Da wird sehr schön dtl. dass so eine Unterscheidung nie existiert hat und jeder Stil „internal“ werden kann. Es geht nur um das Level des Verständnis.
Sandro Vadacca
22-07-2020, 00:28
Alle Jahre wieder... :D
Kanken, ich habe da mal eine Frage dazu:
Du schreibst ja hier öfter von der besonderen Methodik und der ausgeklügelten Körperschulung, die du bei deinem Lehrer kennengelernt hast und lernst. Könnte man nicht sagen, dass genau das eben dasjenige ist, das "Innere" Kampfkunst ausmacht, also das Vorhandensein dieser tieferen, sehr feinen Ideen zur Bewegungssteuerung?
Und weiterführend, wenn es so ist: Kann man dann nicht sagen, dass Stile/Lehrlinien, die diese Dinge nicht kennen, eben eher externe Kampfkunst betreiben?
Bzw, verstehe ich dich denn richtig, dass du sagen würdest, diese "Externen" Kampfkünste können durch die Hinzunahme der internen Elemente internalisiert werden?
Würde dann der Boxer überhaupt noch ein Boxer sein, wenn er anfängt, hauptsächlich Dinge zu trainieren, die so in seinem System erstmal nicht vorkommen? (Ich möchte das selbst erstmal weder verneinen noch bejahen, meine es eher als Diskussionsfragen)
Es muss gar nicht eine ausgeklügelte systematische Körperschulung sein, ich denke (und Paul sieht es genau so) dass ein hohes Maß an Bewegungsqualität das Entscheidende ist.
WIE diese Bewegungsqualität entsteht ist dabei völlig sekundär. Paul sagt ja selber am Anfang des Videos dass ein BJJ-Blackbelt mehr „internal“ ist als 95% der anderen Kampfkünstler (für gute Boxer gilt für mich das Selbe).
Natürlich bleibt es BJJ oder Boxen, da das nur ein Name ist der für eine spezifische KK für ein ganz spezielles Setting gilt.
Es geht einzig und alleine darum wie gut jemand seine Bewegungsqualität entwickelt hat. Der Rest ist nur noch wofür er diese Bewegungsqualität nutzt.
Sehr interessant, Danke für's teilen
Bücherwurm
22-07-2020, 09:12
Bzw, verstehe ich dich denn richtig, dass du sagen würdest, diese "Externen" Kampfkünste können durch die Hinzunahme der internen Elemente internalisiert werden?
Würde dann der Boxer überhaupt noch ein Boxer sein, wenn er anfängt, hauptsächlich Dinge zu trainieren, die so in seinem System erstmal nicht vorkommen? (Ich möchte das selbst erstmal weder verneinen noch bejahen, meine es eher als Diskussionsfragen)
Wenn es keine "interne" KK gibt, dürfte es doh auch keine "internen" Elemente geben, oder? Ich denke, ich würde mit Kanken übereinstimmen, wenn er nicht versuchen würde, verbal immer noch einen draufzusetzen, um das besondere seiner Aussage hervorzuheben.
Für mich sieht es so aus.
https://css-tricks.com/wp-content/uploads/2017/05/yin_yang.gif
Du fängst an, irgendwas zu üben, da ahmst du nur die Bewegungen nah. Ganz klar "external", das ist der Yang-Aspekt. Dann verstehst du ein bischen ... usw. Wie tief du eindringst hängt von den Lehrern ab, die du hast, somit auch indirekt vom Stil oder von den Stilen, die du lernst.
* Silverback
22-07-2020, 10:20
...
Du fängst an, irgendwas zu üben, da ahmst du nur die Bewegungen nah. Ganz klar "external", das ist der Yang-Aspekt. Dann verstehst du ein bischen ... usw. Wie tief du eindringst hängt von den Lehrern ab, die du hast, somit auch indirekt vom Stil oder von den Stilen, die du lernst.
Wenn ich das jetzt mal in westliche Sprache übersetzen würde, kommt das für mich nahe an das Modell der 4 Lernstufen ran. Das da vereinfacht so geht:
1. Unbewusste Inkompetenz: Du weißt nicht, dass Du etwas nicht weißt
2. Bewusste Inkompetenz: Du weißt, dass Du etwas nicht weißt
3. Bewusste Kompetenz: Du weißt, dass Du etwas weißt
4. Unbewusste Kompetenz: Du weißt nicht, dass Du etwas weißt
erkläre doch bitte ´mal die Reihenfolge
oder hast Du 3+4 vertauscht?
* Silverback
22-07-2020, 16:51
erkläre doch bitte ´mal die Reihenfolge
oder hast Du 3+4 vertauscht?
Alles klar - die Reihenfolge ist korrekt.
Hier mal ein Beispiel:
1) Unbewusste Inkompetenz (ich weiß nicht, dass ich etwas nicht weiß/kann)
Beispiel Autofahren: Der Fahranfänger hat von Nichts eine Ahnung und weiß auch gar nicht, was alles auf ihn zukommt; diese Phase ist meist gekennzeichnet von einer gewissen naiven Unbefangenheit dem Neuen gegenüber.
2) Bewusste Inkompetenz (ich weiß, dass ich etwas nicht weiß/ kann)
Beispiel Autofahren: Der Fahranfänger beginnt zu bemerken, was er alles noch nicht kann und demzufolge zu lernen hat; diese Phase wird oft als kritisch im Lernprozess angesehen, weil ein Schüler hier seine eigene Inkompetenz ganz bewusst wahrnimmt und nachfolgend oft ein großes Frustrationspotenzial entwickelt.
3) Bewusste Kompetenz (ich weiß (bewusst), dass ich etwas weiß/kann)
Beispiel Autofahren: Der Fahrschüler beherrscht immer mehr Funktionen/ Schritte - muss diese aber jedesmal sehr bewusst abrufen (!).
4) Unbewusste Kompetenz (ich weiß nicht (und brauche es auch gar nicht zu wissen, dass ich etwas weiß - weil ich es weiß, und es automatisch abläuft)
Beispiel Autofahren: Der Lernstoff ist verinnerlicht, die Bewegungsabläufe erfolgen automatisiert, ohne noch einen Gedanken daran verschwenden zu müssen.
Besser verständlich so?
P.S.: Das Modell als Solches kommt aus dem Jahr 1969 - wird aber von vielen Lernpädagogen auch heute immer noch als grundliegend korrekt angenommen (unter der Prämisse, dass es EIN Modell (unter vielen weiteren) ist).
Huangshan
22-07-2020, 17:03
Stimme Paul Rogers zu.
Das Schubladendenken, Abgrenzen... zwischen Inneren-Äußeren , Wudang-Shaolin etc. ist eine Erfindung von einigen Personen am Ende der Qing Dynastie, Republikanischen Ära.( siehe z.B. die Rolle der Chin Woo/ Jing Wu Athletic Association,Central Guoshu Institute in der Öffnung,Verbreitung,Neustrukturierung, Transformation von trad. Gong Fu)
Ergänzend zum Thema Bewegungsqualität :
Auch sogenannte harte Stile haben innere,weiche... Elemente,Prinzipien etc. , siehe z.B. Qin Na /Chin Na/Kum Na .... Anwendungen .(Grappling)
uhm der Ansatz klingt ja furchtbar
unbewußte Kompetenz als höchstes Lernziel?
dann kann man sich ja jede bewußte Entwicklung sparen, wenn man es eh (möglicherweise) im Rückenmark hat
wozu dann die Beschäftigung mit Qi, Jin, Yi?
Björn Friedrich
22-07-2020, 18:41
Ich hab noch nie einen Ringer erlebt, der mich mit zwei Fingern und einer Hand werfen konnte. Akuzawa konnte das und es hat sich überhaupt nich nach "normaler Kraft angefühlt und Ark hat nie gerungen.
Umgekehrt habe ich die krassesten Athleten im Ringen erlebt, keiner den ich aus den innersten Kampfkünsten kenne, hat auch nur annähernd so eine sportliche Athletik wie gute Ringer.
Wie gesagt, mein Interesse liegt aber auch eher in den russischen und japanischen Sachen, zu den chinesischen Sachen kann ich nix sagen.......
* Silverback
22-07-2020, 18:52
uhm der Ansatz klingt ja furchtbar
unbewußte Kompetenz als höchstes Lernziel?
dann kann man sich ja jede bewußte Entwicklung sparen, wenn man es eh (möglicherweise) im Rückenmark hat
wozu dann die Beschäftigung mit Qi, Jin, Yi?
@ "klingt ....": Naja, das ist nunmal Ansichtssache;
1) zum einen ist es mWn keine Definition von Lernzielen (SOLL), sondern eine IST-Beschreibung, wie Lernen aus einer bestimmten Brille heraus betrachtet abläuft.
2) Stellt das Modell (= nicht die Wahrheit, sondern ein Modell!) die Entwicklung von Lernkompetenz dar - und danach kann kein Schritt ausgelassen oder übersprungen werden.
3) Ich habe (unmaßgeblich wie ich als Maßstab ganz sicher bin) mit dem Modell bisher viel anfangen können (als Selbst-Betroffener wie als Vermittelnder)! Finde es schlüssig und griffig (s. Beispiel 'Autofahren')! Und wenn es dann stimmt: Klaro, selffulfilling prophecy.
P.S.: Qi, Jin, ... x + y, uVm: Lässt sich IMHO mit dem Modell gut abbilden. Wie gesagt just my 5 cents.
Also wie immer bei Modellen: Es kommt drauf was man draus macht.
Wenn es nicht Deins ist, einfach wieder abhacken und weitergehen.
Antikörper
23-07-2020, 10:25
Das was Paul Rogers sagt kann ich gut nachvollziehen. Ich habe als Teenager mit Karate angefangen, bin dann zum Aikido gewechselt, iwann dann noch Kali und Thaiboxen dazu genommen und mittlerweile beim MMA und BJJ gelandet. Beim Aikido hat man sehr viel Wert auf diese "inneren" Konzepte gelegt, sowas wie zentralisiertes Bewegen, Ganzkörperbewegungen, Spiralbewegungen um die eigene Achse, Generierung der Kraft aus den Boden, Atmung usw... ABER ich konnte damit nicht wirklich etwas Anfangen. Erst wo ich zum Vollkontakt gekommen bin und dort versucht habe meine Techniken durch hartes Schlagen am Reifen oder am Boxsack zu optimieren habe ich den Nutzen wirklich verstanden und habe viel schneller viel bessere Fortschritte gemacht wie der Durchschnitt. Das Wissen darüber WIE man sich ideal zu bewegen hat hat mir einfach unglaublich geholfen.
Interessanter Weise bewegen sich Leute aus dem Vollkontakt Bereich die wirklich effizient sind genau auf diese Weise ohne es wirklich zu wissen, ohne diese Konzepte jemals in der üblichen Bildsprache Prinzipien-orientiert erklärt bekommen zu haben und ohne die ganzen lustigen japanischen oder chinesischen Begriffe dazu zu kennen. Sie tun es einfach weil der Körper ihre Bewegungen durch zig tausende Wiederholungen automatisch effizient gemacht hat. Es geht natürlich schneller, wenn man den Leuten das Prinzipien Orientiert erklärt und sie nicht einfach an Boxsack stellt.
Auf was ich hinaus will ist, diese inneren Konzepte und die "äußere" harte Arbeit gehen Hand in Hand. Wobei das innere ohne das äußere in meinen Augen keinen Wert hat. Und daran krankt es halt meist dann auch bei den "Internalisten". Natürlich lassen sich in Zeitlupe mit willigen Partner erstaunliche Effekte erzielen, siehe das Video von KRK in dem anderen Thread, ABER wenn mal jemand wirklich mit Dampf daher kommt stürzt das Haus meistens in sich zusammen. Das ist der springende Punkt und das eigentlich Interessante, wie viel bleibt von der Magie real noch übrig, außerhalb einer abgesprochenen kooperativen Übungssituation. Alleine das ist interessant und nicht die Übung an sich.
Bücherwurm
23-07-2020, 10:49
Interessanter Weise bewegen sich Leute aus dem Vollkontakt Bereich die wirklich effizient sind genau auf diese Weise ohne es wirklich zu wissen, ohne diese Konzepte jemals in der üblichen Bildsprache Prinzipien-orientiert erklärt bekommen zu haben und ohne die ganzen lustigen japanischen oder chinesischen Begriffe dazu zu kennen. Sie tun es einfach weil der Körper ihre Bewegungen durch zig tausende Wiederholungen automatisch effizient gemacht hat.
Was soll man dazu (noch) sagen?
Huangshan
23-07-2020, 11:32
Antikörper:
Treffend formuliert.
kurz:
Es gibt viele Methoden,Konzepte etc. die zum Ziel führen.
Leider haben einige Systeme das Ziel > Kämpfen aus den Augen verloren und sind zu Show-Bewegungskünsten,Eso-Traumtänzen ...... transformiert.
PS:Nicht Innere vs Äußere sodern Innere&Äußere (yīn- yáng, jap. in-yō etc...)
och war kein Vorwurf Herr Silberrücken
ich fand es halt ziemlich unverständlich
oberstes Ziel sollte doch immer komplette Kontrolle sein
unbewußte Kompetenz bedeutet für mich vom Wort her
einfach nur, daß Fähigkeiten vorhanden sind, die weder benannt noch verstanden werden
also das, was Antikörper weiter oben beschreibt
ich meine allerdings nicht Leute wie den hier:
https://www.youtube.com/watch?v=-22RvoxJU_I
ich bin sicher, daß hier viele die einwandfreie internal Struktur erkennen,
im XingYi Sprech tiger embrace, dragonbody, 6 harmonies, 5 elements
Der Mann konnte das ganz sicher nicht nur unbewußt kompetent, sondern hat
von seinen Trainern sicher mit anderen Worten das auch genau erläutert bekommen.
Ein bodenständiger Paul. :klatsch:
Oder wie Bruce das mal sagte: 'Erst ist ein Schlag ein Schlag, dann ist ein Schlag mehr als ein Schlag bis ein Schlag wieder nur ein Schlag ist'
* Silverback
23-07-2020, 17:39
Merci für die Antwort, knackendes Kettenfahrzeug,
och war kein Vorwurf Herr Silberrücken
Ja, auf den "Herrn" leg ich schon Wert, Danke auch. :D
Ansonsten: Kam auch nicht so an, halt nur etwas maulend. Daher nochmals allgemein: Das Modell ist ja auch nicht von mir, paßte hier aber IMHO durchaus;
und wiegesagt (ganz ohne Hintergedanken): Wenn's nicht Deins ist, dann isses das halt eben nicht. c'est ca. Nicht mehr nicht weniger.
:beer:
ich fand es halt ziemlich unverständlich
oberstes Ziel sollte doch immer komplette Kontrolle sein
unbewußte Kompetenz bedeutet für mich vom Wort her einfach nur, daß Fähigkeiten vorhanden sind, die weder benannt noch verstanden werden
iS des Modells heißt "Fähigkeiten benennen und verstehen": 3 Stufe.
"Unbewusste Kompetenz", die 4 Stufe, geht darüber hinaus/ baut darauf auf, und heißt, dass Gelerntes nicht nur verstanden wurde und bewusst angewendet werden kann, sondern darüberhinaus auch bereits verinnerlicht ist. Was in der Praxis gelegentlich bedeutet, dass jemand der im Bezug auf etwas die Stufe 3 erreicht hat, oft noch sehr viel Nachdenken muss, zugleich aber auch sehr genaue Auskunft geben kann was er da gerade tut. Anders bei der 4. Stufe, da fließt es einfach nur noch rein intuitiv.
P.S.: Es würde die Übersichtlichkeit erleichtern (so iSv zu wissen, dass ich gemeint bin), wenn Du die Zitierfunktion nutzt.
P.P.S.: Da das Ganze aber im Kontext des Threads eine Metadiskussion ist und bevor es in die OT-Ecke abdriftet, lass ich es mal jetzt bei diesem Hinweis zu diesem bewenden; mehr gibt's bei Interesse im www.
Pfueti.
ja nee wollte das gar nicht so auszitieren, mir ist dabei nur halt Mike eingefallen
deswegen wurde das länger
ich sehe das alles nicht auf einer Metaebene, sondern ganz praktikabel
so wie die Herren Rogers und Kanken vermutlich auch
Die sprachlichen Verbiegungen zum Beschreiben des "Inneren" sind halt hoch.
Ich denke schon, daß ich einige Ausführungen Kankens inzwischen verstehe,
auch wenn ich immer noch keine Bilder habe, die sich x-mal pro Sekunde verändern,
auch seinem Absolutanspruch der kompletten Lehrlinie sehe ich etwas differenzierter.
Ich habe einen Post zuvor XingYi Sprech verwendet, weil ich mich da im Moment mit beschäftige
und das "anerkannter" innerer Stil ist (was naklar Unsinn ist, siehe Eingangsvideo),
ist aber nicht mein Sprech im eigentlichen Sinne, ich würde das persönlich anders ausdrücken, machte das für Euch halt nur unverständlicher
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