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Vollständige Version anzeigen : Lehrspruch geeignet?



Gast
24-07-2020, 21:13
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marasmusmeisterin
25-07-2020, 08:03
Moin,
da bleiben aber reichlich Fragen offen.
1. WOFÜR soll der Lehrspruch geeignet sein?
2. WAS willst du damit sagen? Ist das räumlich, psychologisch, kampftaktisch oder sonstwie gemeint?

So nackt in den Raum gestellt bleibt es unverständlich. Ohne jede weitere Erklärung ist das eine tautologische Banalität.

Ach ja: ich gehe davon aus, daß der menschliche Körper gemeint ist. Oder bezieht sich das auf physikalische Festkörper (dein Hintergrund) wie Waffen oder Ähnliches?

Pansapiens
25-07-2020, 10:14
Hallo,
ich wollte eure Meinung zu einem Lehrsatz wissen, der sich bei meinem Üben herauskristallisiert hat. Er stellt meinen derzeitigen Stand dar und ist nicht in Stein gemeißelt, er ist auch aus keinem System oder einer Linie übernommen.
[...]
Der Lehrsatz lautet: "Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein."

Wie versteht ihr das in taktischer, sowie psychologischer Hinsicht, also als Verhaltensanweisung im Kampf?
Wie denkt ihr könnte das ein leicht Fortgeschrittener Übungsteilnehmer verstehen?


https://thumbs.gfycat.com/LegitimateUncomfortableKookaburra-small.gif

gast
25-07-2020, 10:44
Das ist korrekt und eine zentrale Erkenntnis.
Es folgen daraus zwei taktische Möglichkeiten.
In Abhängigkeit von dem Zeug, das Du treibst, mußt
Du dann Deinen Übenden einen Bewegungsrahmen geben.
Da Du im Partnerkumite thread geschrieben hast, werde ich mich jetzt
also nicht wiederholen.
Von Deiner Zweikörpertheorie ergibt sich dann Raumstruktur, daraus läßt sich
dann deutlich mehr entwickeln.
Zu Deinem Hintergrund Mathematik 10. Klasse langt da völlig, kann Dir aber versichern,
daß da einige Deiner Leute Dir nicht folgen können.

Alephthau
25-07-2020, 12:39
Hi,

Erinnert mich an einen unserer "Lehrsprüche" im Bajiquan:

Ich will da stehen wo der Gegner steht!

Gruß

Alef

Gast
25-07-2020, 14:15
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Gast
25-07-2020, 14:16
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carstenm
25-07-2020, 14:41
Ich habe diesen Satz im Laufe der Jahre immer wieder mal als didaktische Hilfe von Lehrern gesagt bekommen.

Mir persönlich hat er keine Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Und auch kein Verstehen gefördert.
Im Gegenteil.

Da er eine banale Wahrheit ausdrückt, ein no brainer ist, und kein "wie" illustriert, hat er mich ganz persönlich eher beim Üben behindert.

Pansapiens
25-07-2020, 15:43
Vielleicht hilft dir meine Antwort an marasmusmeisterin,
dein Nick unterstellt ja Intellekt.

Zunächst mal nur mehr Intellekt als die anderen Pan (Pan troglodytes und Pan paniscus).

Den Spruch hielte ich für angemessen, wenn einer gegen die Wand läuft und kann aus meiner Sicht sowohl das Vordrängen (wenn man den anderen verdrängen will), wie auch das Ausweichen (wenn man die Folgen einer Kollision vermeiden will) motivieren.
Druck ist die Folge dieses Gesetzes, aber unabhängig davon, ob ich den ausübe oder ob der auf mich wirkt.
Spontan fiel mir der Peek-a-boo-Stil von Mike Tyson ein, der darauf setzt, nicht dort zu sein, wo die gegnerische Faust ist, aber die eigene Faust dorthin zu bringen, wo der Gegner ist.
Als zweite Assoziation kommt mir Sumoringen. Also (oberflächlich betrachtet) Kraft gegen Kraft, um den anderen Körper zu verdrängen, bei dem man aber auch durch geschicktes Ausweichen zum Erfolg gelangen kann, in dem man nicht dort ist, wo der Gegner einen antizipiert.
Denn das Gesetz führt ja nicht nur dazu, dass wir nicht so einfach durch Wände gehen können, sondern auch dazu, dass wir festen Boden unter den Füßen haben und uns irgendwo abstützen können.
Wenn man dann den anderen dazu bringt, sich abzustützen, wo nichts ist, kann er damit zu Fall gebracht werden.


https://www.youtube.com/watch?v=0uUHG6jUaRE

In Bezug auf Spiritualität weckt er in mir diese Assoziation:

https://i.pinimg.com/originals/3c/2f/21/3c2f213f5a9e3dd2105a64be497b08fc.jpg

Mir hat man mir mal in jungen Jahren folgende Anweisung gegeben: "Du musst reingehen, wie eine Drecksau".
Das finde ich anschaulicher.

Gast
25-07-2020, 16:00
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Björn Friedrich
25-07-2020, 16:03
Hier mal ein visuelles Beispiel für diesen Lehrspruch.

Die Verteidigung gegen den Kimura, dadurch, das ich mit meinem Körper den Platz einnehme, den der andere braucht um seine Technik zu vollenden.

Zwei Körper können nicht den gleichen Raum besetzen und wer den Raum zuerst besetzt gewinnt den Exchange. Also entweder mein Gegner bekommt den Kimura oder ich das Pass.


https://www.youtube.com/watch?v=HFn7pzCDyfI&t=189s

Gast
25-07-2020, 16:26
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Gast
25-07-2020, 16:47
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Gast
25-07-2020, 16:59
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Björn Friedrich
25-07-2020, 19:14
Im Stand hast du solche Sachen gerade im Clinch. Immer wenn es darum geht die Struktur zu brechen und dann eben den entstandenen Raum einzunehmen....

Aiki5O+
25-07-2020, 21:03
Ich kann mich nicht erinnern, den Spruch von meinen Aikido-Lehrern gehört zu haben, die Umkehrung (mit anderen Worten oder Bildern) schon eher: "Wo kein Körper ist, kann ein anderer sein". Dieses Prinzip wird von Pansapiens zitiertem Sumo-Clip perfekt illustriert:


Wenn man dann den anderen dazu bringt, sich abzustützen, wo nichts ist, kann er damit zu Fall gebracht werden.


https://www.youtube.com/watch?v=0uUHG6jUaRE

So perfekt, dass man glauben könnte, das wäre ein Fake oder Teil eines Slapstick-Films. Bis jetzt dachte ich, Aikidoka in ihrer Rolle als Uke wären die einzigen, die sich selber werfen (https://www.youtube.com/watch?v=5h8A41sI5sE#t=7m).

Hier zwei Aikido-Erklärvideos, die ich mit dem Thema assoziiere:

von Chris Hein: Explanation of "Aiki" (https://www.youtube.com/watch?v=UYpkvbDB544#t=30)
etwas spirituelleres von einem 10. Dan: Michio Hikitsuchi: "Katsuhayabi" - It's over in a flash! (https://www.youtube.com/watch?v=szHaWH3AUwE#t=1m10)

Pansapiens
25-07-2020, 21:41
Ich kann mich nicht erinnern, den Spruch von meinen Aikido-Lehrern gehört zu haben, die Umkehrung (mit anderen Worten oder Bildern) schon eher: "Wo kein Körper ist, kann ein anderer sein". Dieses Prinzip wird von Pansapiens zitiertem Sumo-Clip perfekt illustriert:


das ist eine der "Grundtechniken" des Taijiquan.


12. Kong bedeutet leer, nicht da sein. Nicht da sein, bedeutet aber auch wo anders zu sein, nämlich am besten da, wo ich nicht in Gefahr bin aber doch noch handlungsfähig bin. Kong kann man oft beobachten, wenn man sich abends in eine einschlägige Kneipe setzt und den An- oder Betrunkenen Gästen bei ihren Auseinandersetzungen und Prügeleien zuschaut: Der eine "Volli" will sich den anderen schnappen greift aber daneben, weil dieser (also der Andere) in seinem „Suff“ gerade zur Seite taumelt (Kung). Der Angreifer greift also ins Leere, kommt ins Stolpern, stößt oder rempelt andere Gäste an, die sich mit ihrem Getränk bekleckern. Meist gibt es jetzt noch für ein paar Sekunden Zoff mit den neuen Feinden, die quasi aus dem Nichts aufgetaucht sind, bevor dann die eigentliche Schlägerei, oder als was man es bezeichnen möchte, mit dem ursprünglichen Gegner weiter geht. Kein Witz, das passiert tatsächlich, ich habs mir nicht ausgedacht! Aber schon in vielen verschiedenen Städten Deutschlands beobachtet.
Kong bedeutet also: Leere, wo vorher Substanz war und im Umkehrschluss Substanz wo vorher Leere war.

http://www.chen-fra.de/13_Grundtechniken.html


https://www.youtube.com/watch?v=5zUut60gfkU

carstenm
25-07-2020, 21:41
Von Aikidolehrern oder auch in anderen Systemen?Ja, ich kenne das aus dem aikidô. In der Bedeutung: Dort wo MEIN Körper ist, kann kein anderer sein. Das meint weiter, dass ich selbst den Raum einnehme, in dem dann der andere Körper nicht (mehr) sein kann.


Also wäre er deiner eigenen Erfahrung nach nicht geeignet um Verständnis in einer Übungsgruppe zu fördern.Nach meiner ganz persönlichen Erfahrung nicht. Weil es zwar wahr ist. Aber nicht deutlich macht, wie das zu erreichen ist, sondern - jedenfalls im Kontext von aikidô - nur das Ergebnis beschreibt.


Hättest du eine Idee, wie dieses "Wie" auszudrücken wäre?Im Kontext von aikidô besteht das Wie in dem Erzeugen von kuzushi, d.h. Gleichgewichtsbrechung, also Störung der Körperstruktur des Gegners. Das ist die Voraussetzung für das Eintreten, das dann mit dem Satz beschrieben werden kann: "Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein." Der Satz beschreibt also eher warum dann ein Wurf erfolgt oder das zu Boden bringen für eine der Haltetechniken.

Ich versuche also entweder konkret zu beschreiben, wie kuzushi, also die Störung der Struktur in einer bestimmten Situation erzeugt werden kann um dann einzutreten.
Oder ich versuche allgemeiner zu beschreiben, daß das Eintreten so geschehn muß, dass damit ein Strukturbruch erfolgt.

Örrks ... schwierig ... ist das verstehbar, was ich geschrieben habe?


--- Ergänzung ---

Nur um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich habe gerade die Videos gesehen, die Aiki50+ gepostet hat. Ich übe aikidô deutlich anders. Darum illustrieren diese Videos nicht das, was ich versucht habe, zu beschreiben.

Aiki5O+
25-07-2020, 23:58
das ist eine der "Grundtechniken" des Taijiquan.

12. Kong bedeutet leer, nicht da sein. Nicht da sein, bedeutet aber auch wo anders zu sein, nämlich am besten da, wo ich nicht in Gefahr bin aber doch noch handlungsfähig bin. Kong kann man oft beobachten, wenn man sich abends in eine einschlägige Kneipe setzt und den An- oder Betrunkenen Gästen bei ihren Auseinandersetzungen und Prügeleien zuschaut: Der eine "Volli" will sich den anderen schnappen greift aber daneben, weil dieser (also der Andere) in seinem „Suff“ gerade zur Seite taumelt (Kung). Der Angreifer greift also ins Leere, kommt ins Stolpern, stößt oder rempelt andere Gäste an, die sich mit ihrem Getränk bekleckern. Meist gibt es jetzt noch für ein paar Sekunden Zoff mit den neuen Feinden, die quasi aus dem Nichts aufgetaucht sind, bevor dann die eigentliche Schlägerei, oder als was man es bezeichnen möchte, mit dem ursprünglichen Gegner weiter geht. Kein Witz, das passiert tatsächlich, ich habs mir nicht ausgedacht! Aber schon in vielen verschiedenen Städten Deutschlands beobachtet.
Kong bedeutet also: Leere, wo vorher Substanz war und im Umkehrschluss Substanz wo vorher Leere war.
Ich habe aber noch keinen Boxer gesehen, der umfällt, bloß weil er seinen Gegner nicht trifft oder weil sein Gegner unvorhergesehen ausweicht, selbst nicht gegen einen Muhammad Ali. Dass jemand im Vollsuff taumelt und stürzt ist sicher nichts ungewöhnliches, aber dass ein Sumo-Kampf ohne Körperkontakt entschieden wird schon, habe ich jedenfalls hier zum ersten Mal gesehen. Im Aikido gibt es Kokyunage und Aikinage-Formen, wo der Uke ebenfalls ohne Kontakt fällt oder abrollt, aber da kann immer behaupten, dass wäre eine kooperative Choreographie. Ein Beispiel: Aikido - Kisshomaru Ueshiba Demonstration (Paris, 1980) (0:11-0:12) (https://www.youtube.com/watch?v=gjgu0GmWi5Y#t=10).

carstenm
26-07-2020, 00:27
--- OT ---

... Aikinage-Formen, wo der Uke ebenfalls ohne Kontakt fällt oder abrollt ... Ein Beispiel: Aikido - Kisshomaru Ueshiba Demonstration (Paris, 1980) (0:11-0:12) (https://www.youtube.com/watch?v=gjgu0GmWi5Y#t=10).Dieses aiki nage funktioniert, indem tori die Knie von uke angreift.
Die Führung "oben" ist wichtig, damit uke nicht anhält. Der eigentliche Wurf geschieht, indem tori sich "unten" auf die Knie von uke zu bewegt.

In der Übungsform ( die in vielen dôjô über die Jahre zur eigentlichen Form geworden ist) geht tori nur auf die Knie und führt uke über sich hinweg.
In der tatsächlichen Form geht tori auf die Knie und bewegt sich auf uke zu um dessen Knie zu blockieren oder zu fegen.
Das zeigt auch nidai doshu in dem Video.

Kontaklos bleibt diese Form nur mit einem aufmerksamen und fallfreudigen uke und einem freundlichen tori.

Was das kontaktlose Fallen im aikidô anbetrifft, wie du es in Anlehnung an das Video von Pansapiens schilderst, so liegt das meines Erachtens tatsächlich in einer "kooperativen Choreographie" begründet. Die nicht selten unbewusst ist.
Oder - und das scheint mir der Hauptgrund - in einem schlechten Angriff. Sehr häufig wird irgendwarum geübt, beim Angriff die eigene Struktur aufzugeben, bzw. zu schwächen. So dass tori nur noch im richtigen Moment zur Seite gehen muss und der Angreifer fällt. Weil er etwa durch seinen Schlag über seinen eigenen Schwerpunkt hinaus gelangt.

Ich weiß, dass viele so üben und dass das inzwischen allzu oft geradezu als Wesen des aikidô angesehen wird. Um dann zu sagen - um das Beispiel aus dem Video von Chris Hein aufzugreifen: Wenn der Gegner erstmals sitzt, geht aikidô nicht mehr.
Ich habe aikidô kennengelernt als die Kunst, die Struktur des Gegners stören zu können, auch dann, "wenn er bereits sitzt".

Entschuldigung für das OT

Pansapiens
26-07-2020, 07:17
Ich habe aber noch keinen Boxer gesehen, der umfällt, bloß weil er seinen Gegner nicht trifft oder weil sein Gegner unvorhergesehen ausweicht, selbst nicht gegen einen Muhammad Ali.
[....] dass ein Sumo-Kampf ohne Körperkontakt entschieden wird schon, habe ich jedenfalls hier zum ersten Mal gesehen.


Ja, das ist in dieser Deutlichkeit nicht so oft zu sehen und ich musste eine Weile unter den Takanoyama-Videos suchen, bis ich das wiedergefunden habe.
Hier ist sein Gegner zwar auch in's Leere gestürmt, konnte sich aber abfangen:

https://youtu.be/p5nX1CDraPo?t=145

Beim Boxen ist es noch mal schwerer, denn Boxer setzten ja weniger darauf, den Gegner seinen Gegner aus dem Ring zu rammen.
"Das Gewicht in den Schlag legen" sollte man da nicht zu wörtlich nehmen.
Es ist ja eine Kritik an den üblichen Aikido-Demonstrationen, dass da die Uke anstürmen wie es in der Realität von einigermaßen geübten Leuten nicht zu erwarten ist.
Bei dieser Szene aus dem von mir verlinkten Video könnte man schon Ähnlichkeiten zu heranstürmenden Aikidoka erkennen, die in's Leere laufen:

https://www.kampfkunst-board.info/forum/attachment.php?attachmentid=45627&d=1595742059

in Normalgeschwindigkeit ist das allerdings nur der Bruchteil einer Sekunde, den zu erkennen und auszunutzen, ich mir schwer vorstelle.

https://youtu.be/Hb2WFHhXDyw?t=121




Im Aikido gibt es Kokyunage und Aikinage-Formen, wo der Uke ebenfalls ohne Kontakt fällt oder abrollt, aber da kann immer behaupten, dass wäre eine kooperative Choreographie. Ein Beispiel: Aikido - Kisshomaru Ueshiba Demonstration (Paris, 1980) (0:11-0:12) (https://www.youtube.com/watch?v=gjgu0GmWi5Y#t=10).

Choregraphie würde ich ich das nicht nennen, das würde ja bedeuten, dass da im Voraus feststeht, wer sich wann wie bewegt.
Die Uke greifen halt in einer ungestümen selbstlimitierenden Form an, die das Funktionieren der Techniken erleichtert, um nicht zu sagen, ermöglicht.
Die Kunst würde dann darin zu bestehen, den Gegner dazu zu bringen, so anzugreifen oder eben das hier im Großen demonstrierte Prinzip im kleinen Rahmen umzusetzen.

Phelan
26-07-2020, 08:18
Im Stand hast du solche Sachen gerade im Clinch. Immer wenn es darum geht die Struktur zu brechen und dann eben den entstandenen Raum einzunehmen....

Schliesse mich da Björn an,
wir verwenden das Prinzip (mit einem ähnlichen Spruch) um einen Takedown vorzubereiten/ihn erst zu ermöglichen.


VG,
Phelan

period
26-07-2020, 09:27
Ich habe aber noch keinen Boxer gesehen, der umfällt, bloß weil er seinen Gegner nicht trifft oder weil sein Gegner unvorhergesehen ausweicht, selbst nicht gegen einen Muhammad Ali. Dass jemand im Vollsuff taumelt und stürzt ist sicher nichts ungewöhnliches, aber dass ein Sumo-Kampf ohne Körperkontakt entschieden wird schon, habe ich jedenfalls hier zum ersten Mal gesehen. Im Aikido gibt es Kokyunage und Aikinage-Formen, wo der Uke ebenfalls ohne Kontakt fällt oder abrollt, aber da kann immer behaupten, dass wäre eine kooperative Choreographie. Ein Beispiel: Aikido - Kisshomaru Ueshiba Demonstration (Paris, 1980) (0:11-0:12) (https://www.youtube.com/watch?v=gjgu0GmWi5Y#t=10).

Ja, das passiert im Sumo durchaus, allerdings selten in dieser Reinform, da hierfür fast der Ansturm mit vollem Körpergewicht erforderlich ist – im Boxen fällt man deshalb nicht auf die Nase, weil die Beinarbeit komplett anders ist und es sich um Schläge handelt, während man im Sumo explosiv schiebt.
In der vorliegenden Form als Seitwärtsschritt nennt sich das im Sumo «Henka». Aber auch andere Sumo-Techniken beruhen auf dem Prinzip des Ausweichens, z.B. Hiki-Taoshi oder Okuri-Dashi.
Im Ringen ist es genauso. Ein Sprawl ist im Prinzip nichts anderes, als die angegriffenen Körperteile vom Gegner wegzubringen, seine Bewegung weiterzuführen und, falls eine Änderung der Bewegungsrichtung erforderlich ist, selbst Energie in Form des Hüftstosses dazuzufügen. Und viele Techniken, die insbesondere am Mattenrand ausgeführt werden (Schleuder, abgeknieter Schulterwurf…), rechnen damit, dass der Gegner anschiebt, um den «billigen» Punkt durch Rausschieben zu holen. Prof. Rajko Petrov (langjähriger Trainer des bulgarischen Nationalteams) schreibt schreibt in «Freestyle and Greco Roman Wrestling» (FILA 1986) im Kapitel «The Biomechanics of Wrestling», dass zwei Ringer in einem Kampf ein gemeinsames biomechanisches System bilden, das sich selbst stützt. Daher ist es logisch, dass das System umfällt, wenn man einen Teil plötzlich wegnimmt, bevor sich das System umstellen kann.
"During a match, it is our opinion that a biomechanical “wrestler-wrestler” system is created, which has numerous distinctive features that have not yet been studied. For example, in many studies the base of support has been examined from a static viewpoint: as an invariable dimension. In fact, it changes considerably according to the opponent’s actions and the dynamic upper support on the other wrestler’s body. Support on the surface of the m at is firm and stable, whereas support on the opponent’s body changes constantly according to the movements of both wrestlers who strive to attain their own objectives. Sometimes, the projection of the CG [Center of Gravity] falls far forward, but the wrestler doesn’t fall because the reciprocal control acts as an upper mobile support (fig. 113). In cases where the wrestler lifts his opponent, he has to keep his balance in order to execute an effective throw. His stability decreases, because lifting the opponent gives the “wrestler-wrestler” system a new common base of support and a new common CG, which is higher and has a smaller angle of stability ( c f . < α and β in fig. 109). Furthermore, the top (lifted) wrestler keeps moving in an effort to upset his opponent’s balance. Both the muscular and the vestibular systems come into play as the bottom wrestler struggles to recover his balance by increasing the distance between his feet or by stepping in the direction in which he is off balance. In addition to the above-mentioned procedures, the wrestler tries to keep his balance by transferring the weight of his body in the opposite direction of his opponent’s movement, or reacts by contracting or relaxing his muscles."

Beste Grüsse
Period.

Gast
26-07-2020, 09:31
Es ist ja eine Kritik an den üblichen Aikido-Demonstrationen, dass da die Uke anstürmen wie es in der Realität von einigermaßen geübten Leuten nicht zu erwarten ist.


Takanoyama würde ich ja nun nicht als üngeübt bezeichnen, und doch macht er nun diesen Fehler.
Er hat halt eine feste Absicht, und die Kunst besteht darin den anderen glauben zu machen er könne seine Absicht verwirklichen, was hier ja perfekt gelingt.
Ueshiba sagte mal, Aikido sei, zu lernen die Absicht des Angreifers zu erkennen. Es geht darum,
ihn mental zu führen.
Hiroshi Tada sagte, er hätte immer geglaubt er könne den Alten noch erwischen, und jedesmal war er weg.
Man sieht das in alten Videoaufzeichnungen und man denkt, wo schlägt er denn hin, der Alte steht doch schon fast hinter ihm?
Das ist eine mentale Geschichte, es kommen natürlich mehrere Aspekte zusammen.
Alle Übungsmethoden die es heute im Aikido gibt, spiegeln Teilaspekte wieder wider, und versuchen entweder an der Technik, an der Körperstruktur oder an diesem Timing zu arbeiten ( was eigentlich kein Timing ist, sondern die Arbeit mit dem "Intent").
Es gibt keine Übungsmethode die alle Aspekte in einem vereint, es sind verschiedene Methoden, die aufeinander aufbauen.
Was in Demonstrationen zu sehen ist, ist fast immer eine dieser Übungsmethoden, die eben ein bestimmtes Verhaltensmuster beinhalten, es ist nie realer Kampf.
Irgendwann geht es halt dahin das tatsächlich etwas passiert, was real ist.
Bein nidai-doshu z.B., haben mir mehrere Leute berichtet dss sie wirklich dachten: So, die Gelegenheit lass ich mir nicht entgehen, dem zeige ich mal das ich ihn packen kann! Hat aber nie geklappt, bei keinem einzigen, auch gut trainierte Leute aus dem Judo-Bereich.
Das ist das was die Leute halt über Ueshiba berichtet haben, das es eben so gut wie ummöglich war ihn auf irgendeine Weise zu packen zu kriegen,
Ob nun mit oder ohne körperlichem Kontakt, und dann kam eben diese Aiki-Geschichte noch dazu, "kuzushi on kontakt", "drawing the ki out" und sowas.
Aber keins davon alleine ist Aikido, sondern alles zusammen, oder verschiedene Aspekte derselben Idee "ich bin die Leere selbst".
Die Leere kann halt auch Raum einnehmen, aber nicht weil sie da sein "will" wo der andere ist.

period
26-07-2020, 18:51
Takanoyama würde ich ja nun nicht als üngeübt bezeichnen, und doch macht er nun diesen Fehler.
Er hat halt eine feste Absicht, und die Kunst besteht darin den anderen glauben zu machen er könne seine Absicht verwirklichen, was hier ja perfekt gelingt.

Der, der hier nach vorne taumelt, ist Chiyonokuni, Takanoyama ist der tschechische Rikishi mit 98 kg. Im Sumo ist das eine Nischentaktik, die auch nur dann funktioniert, wenn man sie nicht immer anwendet, weil sich der Gegner drauf einstellt - nur mit der Taktik ist im Sumo noch niemand an die Spitze gekommen. Und Takanoyama hatte ja ein ungewöhnlich breites, mehrheitlich unkonventionelles Technikrepertoire, bedingt durch seine kleinere Statur, vielleicht auch durch seine vorherigen Erfahrungen im Judo usw.: https://www.youtube.com/watch?v=9Uq8A36tq1Y
Aber ja, bei allen Kontertechniken in Ringsportarten spielt die von Dir angesprochene "schauspielerische" Komponente eine Rolle, nicht selten gepaart mit den bereits im anderen Thread angesprochenen "Herausforderungen" zu einem bestimmten Angriff.

Beste Grüsse
Period.

Aiki5O+
27-07-2020, 13:14
Ja, das passiert im Sumo durchaus, allerdings selten in dieser Reinform, da hierfür fast der Ansturm mit vollem Körpergewicht erforderlich ist – im Boxen fällt man deshalb nicht auf die Nase, weil die Beinarbeit komplett anders ist und es sich um Schläge handelt, während man im Sumo explosiv schiebt.
In der vorliegenden Form als Seitwärtsschritt nennt sich das im Sumo «Henka». Aber auch andere Sumo-Techniken beruhen auf dem Prinzip des Ausweichens, z.B. Hiki-Taoshi oder Okuri-Dashi.
Im Ringen ist es genauso.
Überraschend für mich war ja nicht, dass es dem Verteidiger gelingt, sich nicht packen zu lassen, auszuweichen, die Bewegung des Gegners weiterzuführen. Erstaunt hat mich, dass ein erfahrener Wettkämpfer kompromisslos sich auf seinen Gegner stürzt und damit eine sichere Niederlage im Falle des Ausweichens riskiert.

Die anderen hier im Thread geposteten Beispiele liegen im Rahmen dessen, was ich erwarten würde. Der Angreifer mag kurz das Gleichgewicht verlieren, aber nicht Kampf entscheidend. Ein weiteres Beispiel, das mir einfällt, ist einer der Kämpfe von Mifune in "The Essence of Judo", der gegen Honbe (7. Dan Judo) (1:55-2:10) (https://www.youtube.com/watch?v=2YS-WF6nlA0#t=1m55): wo Honbe zwei mal fällt ohne geworfen zu werden, weil er einen Wurf ansetzt, aber Mifune nicht richtig zu packen kriegt.

Gast
27-07-2020, 14:16
Der, der hier nach vorne taumelt, ist Chiyonokuni, Takanoyama ist der tschechische Rikishi mit 98 kg.

Ja, habe ich verwechselt, danke.

period
27-07-2020, 14:53
Überraschend für mich war ja nicht, dass es dem Verteidiger gelingt, sich nicht packen zu lassen, auszuweichen, die Bewegung des Gegners weiterzuführen. Erstaunt hat mich, dass ein erfahrener Wettkämpfer kompromisslos sich auf seinen Gegner stürzt und damit eine sichere Niederlage im Falle des Ausweichens riskiert.

Die anderen hier im Thread geposteten Beispiele liegen im Rahmen dessen, was ich erwarten würde. Der Angreifer mag kurz das Gleichgewicht verlieren, aber nicht Kampf entscheidend. Ein weiteres Beispiel, das mir einfällt, ist einer der Kämpfe von Mifune in "The Essence of Judo", der gegen Honbe (7. Dan Judo) (1:55-2:10) (https://www.youtube.com/watch?v=2YS-WF6nlA0#t=1m55): wo Honbe zwei mal fällt ohne geworfen zu werden, weil er einen Wurf ansetzt, aber Mifune nicht richtig zu packen kriegt.

Den Unterschied würde ich darin sehen, dass Mifune gezielt den Griff des Gegners im kritischen Moment des Wurfes sprengt, während in dem Sumo-Beispiel gar kein Kontakt hergestellt wird. In beiden Fällen ist es klar, dass man mehr oder weniger haltlos hinfällt, wenn das Körpergewicht hinter der Technik ist, nachdem es in beiden Fällen eine starke Vorwärtslage in Wurfrichtung gibt.
Im Sumo ist es so, dass statistisch gesehen die meisten Kämpfe durch den Ansturm am Anfang (Tachi-Ai) und die daruffolgenden Stösse mit der Handfläche (Tsuppari) entschieden. Ist der erste Ansturm überstanden, können sich aus dem fassen die weiteren Techniken ergeben. Das Problem dabei ist, dass es beim Tachi-Ai meistens nur alles oder nichts gibt: entweder man begegnet dem Ansturm mit einer gleichartigen Bewegung und neutralisiert ihn, oder man kommt komplett weg and kommt so hinter den Gegner. Alles "dazwischen" ist ziemlich problematisch, weil es entweder auf einen Wurf nach vorne ohne vorheriges Fassen (wäre viel leichter, wenn man z.B. mit dem Knie auf den Boden dürfte... mit Jacke wärs auch leichter als nur mit dem Gürtel) bzw. Snapdown hinausläuft - falls der Platz nach hinten dafür reicht - , oder man wird über den Haufen gerannt. Ich würde tatsächlich empfehlen, das bei Interesse mal mit einem Partner auszuprobieren, der dezidiert nicht bremst und weiss, was er macht. Dagegenhalten ist in dem Fall die mit Abstand einfachste und am wenigsten riskanteste Variante, wobei man auch beim Tsuppari verschiedene Variante zur Verfügung stehen hat. Immer vorausgesetzt, dass man die Physis eines Rikishi hat, und die werden nun mal primär nach den Kriterien Explosivkraft und Masse selektiert.

Beste Grüsse
Period.

Gast
28-07-2020, 21:01
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Gast
29-07-2020, 09:12
.

Gast
29-07-2020, 09:13
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Gast
29-07-2020, 12:48
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Gast
29-07-2020, 12:54
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Aiki5O+
02-08-2020, 17:36
Ich werde auf alle eingehen, in der Zwischenzeit habe ich versucht meinen Lehrspruch in den verschiedenen Ebenen zu beschreiben.
Das ist mir nicht immer leicht gefallen, weil man gewissen Dinge schwer verbalisieren kann. Einiges passt auch vielleicht nicht zu 100% zusammen, weil es noch ein Arbeitsprozess ist.
Ich bin für Feedback oder Kritik offen und daran interessiert.
Mir scheint, dass dein Artikel zum Lehrspruch durch die folgenden Beiträge und den Seitenwechsel untergegangen ist. Da ich kein Karate übe und auch im Aikido nur Schüler bin, will ich mir keine Bewertung anmaßen, denke aber, dass der Artikel wert ist, diskutiert zu werden.

Der Lehrspruch ist demnach ein Dreisatz, ebenso die darauf folgenden Erläuterungen, was ich als These, Antithese und Synthese verstanden habe:


These: Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein.
Antithese: Wo kein Körper ist, kann ein anderer sein.
Synthese: Der Körper manifestiert das Sein.

Im Abschnitt "Taktischer Inhalt" tauchen die 3 Begriffe "Go no Sen (https://en.wikipedia.org/wiki/Go_no_sen)", "Sen no Sen" und "Sen Sen no Sen" auf, die allgemein in japanischen Kampfkünsten und insbesondere auch im Aikido bekannt sind aus folgendem Interview mit Morihei Ueshiba. Deshalb möchte ich dazu einiges anmerken:


O-Sensei: In aikido, there is absolutely no attack. To attack means that the spirit has already lost. We adhere to the principle of absolute non-resistance, that is to say, we do not oppose the attacker. Thus, there is no opponent in aikido. The victory in aikido is masakatsu agatsu (correct victory, self-victory); since you win over everything in accordance with the mission of heaven, you possess absolute strength.
B: Does that mean go no sen? (This term refers to a late response to an attack.)

O-Sensei: Absolutely not. It is not a question of either sensen no sen or sen no sen. If I were to try to verbalize it I would say that you control your opponent without trying to control him. That is, the state of continuous victory. There isn’t any question of winning over or losing to an opponent. In this sense, there is no opponent in aikido. Even if you have an opponent, he becomes a part of you, a partner you control only.

Quelle: https://aikidojournal.com/2016/09/24/interview-with-morihei-ueshiba-and-kisshomaru-ueshiba/

Diese Passage ist schwer zu verstehen und noch schwerer ins Üben zu übertragen. Ich will es hier also gar nicht erst versuchen, möchte aber auf einen Artikel von Ethan Monnot Weisgard verweisen, der Morihiro Saito zu dem Thema befragt hatte: Go no sen / sen no sen / sensen no sen (http://www.aiki-shuren-dojo.com/pdf/Go%20no%20sen.pdf)

Go no sen wäre demnach "Reagieren und Kontern", ausführlicher: "das Timing, das im Budo oft als Reaktion auf einen Angriff verwendet wird. Im Aikido wäre ein Beispiel dafür, nach innen aus der Angriffslinie zu treten, die angreifende Hand zu parieren und Shihonage auszuführen, wenn man sich gegen Yokomen uchi verteidigt".* "Distanz halten" passt meiner Meinung nicht, da man ja den Angriff kontern will. Beispiel-Videoclip: Aikido Doshu Moriteru Ueshiba Sensei - 2010 Canada, Montreal - Yokomenuchi Shihonage (https://www.youtube.com/watch?v=_-NWixepTyw)

Sen no sen bedeutet "vor dem Angriff, dass sich Uke beispielsweise in einer Übung mit Bokken der Absicht Uchis bewusst ist, anzugreifen, und genau zu dem Zeitpunkt, zu dem Uchi mit dem Angriff beginnt, einschreitet und den Angriff stoppt... Im Tai Jutsu ist der nach außen gerichtete Parade gegen yokomen uchi ein gutes Beispiel für sen no sen: Wenn uke im yokomen uchi die Hand über den Kopf hebt und beginnt, seine Schwerthand nach vorne zu schwingen, gleitet nage nach außen und stoppt ukes Hand, bevor sie zu viel Schwung gewinnt."* Beispiel-Videoclip: Moriteru Ueshiba, Kihon 3 (13:55-15:00) (https://www.youtube.com/watch?v=zQgu38-TdwM#t=13m55)

Bei Sensen no sen "handelt es sich um die Einleitung einer Bewegung, die sowohl den Intent des Angreifers führen als auch einen eigentlichen Angriff auslösen soll, um diesen Angriff für eine Verteidigungstechnik zu nutzen." "Ein gutes Beispiel für sen no sen im Tai Jutsu ist shomen-uchi. O-Sensei stellte klar, dass nage die Bewegung einleiten sollte, indem er mit der Handkante in Richtung des Gesichts von uke schlägt und die Hand aus der Ausgangsposition etwa auf Taillenhöhe und nach oben in Richtung des Gesichts von uke bringt. Uke blockiert diese Bewegung, wodurch es nage ermöglicht wird, den blockierenden Arm von Uke für eine bestimmte Technik einzusetzen. Diese Bewegung ist aus den meisten Aikidoschulen so gut wie verschwunden."* Beispiel-Clip: Morihiro Saito's Shomenuchi Ikkyo Omote: Most mess up this technique from the start! (https://www.youtube.com/watch?v=YEyrDYwC5D8)

Ich würde das so interpretieren: alle drei Arten des Timings kommen im Aikido vor, aber keine allein ist charakteristisch fürs Aikido. Es sind unterschiedliche Aspekte des Übens. Ein übergeordnetes Prinzip kann ich auf meiner Stufe noch nicht erkennen oder beschreiben oder umsetzen, die einzelnen Aspekte aber schon (mehr oder weniger ..). Das gilt mMn auch für die bisher in diesem Faden diskutierten Aspekte: "Wo ein/kein Körper ist...", das Bild vom Stuhl, den man dem sich hinsetzenden Uke wegzieht, usw.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Lehrer durchaus einen Lehrspruch/Motto/Prinzip vorgibt, das aber individuell und für eine bestimmte Entwicklungsstufe gültig oder hilfreich sein mag. Ein solches Prinzip ist die Kunst des Entspannens. Tohei soll mal gesagt haben, das einzige, was er von Ueshiba gelernt habe, war sich zu entspannen.

In any case, I began studying aikido because I saw that Ueshiba Sensei had truly mastered the art of relaxing. It was because he was relaxed, in fact, that he could generate so much power. I became his student with the intention of learning that from him. To be honest, I never really listened to most of the other things he said.

Quelle: https://aikidojournal.com/2015/07/07/interview-with-koichi-tohei-1/

Es kann halt sehr lange dauern (Jahre), bis man sich genügend entspannen kann (ohne zu erschlaffen!) und das ins Üben übertragen und einen deutlichen Unterschied spüren bzw. dem Partner spüren lassen kann. Trotzdem würde ich das nicht als das Grundprinzip von Aikido oder Aiki verstehen. Es ist aber eine wichtige Basis, auf der anderes aufbaut.

____________________________
*) Zitate aus https://www.aiki-shuren-dojo.com/books-articles-pr-videos/ -> "Go no Sen", übersetzt mit www.DeepL.com/Translator

Gast
02-08-2020, 20:03
Ich will es hier also gar nicht erst versuchen, möchte aber auf einen Artikel von Ethan Monnot Weisgard verweisen, der Morihiro Saito zu dem Thema befragt hatte: Go no sen / sen no sen / sensen no sen (http://www.aiki-shuren-dojo.com/pdf/Go%20no%20sen.pdf)


Das ist doch skurril.
Jemand zitiert O Sensei, der ganz klar sagt dass sein Aikido rein gar nichts mit dem Konzept der "drei sen" zu tun hat, da dies die klassische Denkweise von Angriff und Verteidigung beinhaltet, und gibt sich dann alle Mühe das Aikido unbedingt in dieses Korsett zu pressen.
Warum?
Zudem passen die Beispiele nicht, denn auf jeweil verschiedenen Übungslevels sind alle der genannten Formen entweder reagierendes, vorausschauend eintretendes, oder den Angriff vorwegnehmendes bzw. einladend führendes Handeln, oder eben die Verwirklichung des Prinzips des "mountain echo", bei dem es sich eben nicht um eine bestimmte Technik mit wohlklingendem Namen handelt.


. Tohei soll mal gesagt haben, das einzige, was er von Ueshiba gelernt habe, war sich zu entspannen.


Was natürlich bullshit ist.

carstenm
02-08-2020, 21:07
Das ist doch skurril.Ja. In der Tat.

Hast du eine Idee, woher der Gedanke kommt, das mountain echo als eine bestimmte Technik aufzufassen?

Gast
02-08-2020, 21:18
Eine Idee habe ich, wenn ich auch nicht weiß ob es stimmt.
Ich habe ein Bild von Ueshibas Bewegung vor Augen, die in dem Weisgard Artikel beschrieben ist.
Es ist aber eben die Art, wie er bewegt hat, bzw. sein Können was da zum Ausdruck kommt.
Leute sehen das dann in einer bestimmten Bewegung, schnappen einem Begriff auf der zufällig fällt wenn er gerade diese Bewegung sieht, und schon ist es der Name einer Technik.
So ungefähr stelle ich mir das vor.
Ähnlich wie Leute Eigenheiten eines Lehrers nachahmen, die das Resultat einer körperlichen Einschränkung sind oder einfach Fehler sind, und dann ist es plötzlich der xy-Stil.
Oder jemand hat in einer demonstration mal bei einer Technik das Knie auf dem Boden gehabt, und die Technikverliebten Verbandsvorsitzenden machen das dann zur Prüfungsform, und alles andere ist falsch.

Gast
02-08-2020, 21:35
Eine andere Erklärung wäre, das in Traditional Aikido Vol.1-Basic Techniques, "yamabiko no michi" als secret technique im Grunde mit "Irimi" gleichgesetzt wird:

When you extend your ki, the ki of the opponent will return to you like an echo. However, you do not receive your opponent's ki because you have instantly moved past him to his rear".

Auf den folgenden Seiten kommen dann halt Erläuterungen zu shomen uchi - irimi nage.

Pansapiens
02-08-2020, 21:45
Mir scheint, dass dein Artikel zum Lehrspruch durch die folgenden Beiträge und den Seitenwechsel untergegangen ist. Da ich kein Karate übe und auch im Aikido nur Schüler bin, will ich mir keine Bewertung anmaßen, denke aber, dass der Artikel wert ist, diskutiert zu werden.

Der Lehrspruch ist demnach ein Dreisatz, ebenso die darauf folgenden Erläuterungen, was ich als These, Antithese und Synthese verstanden habe:


These: Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein.
Antithese: Wo kein Körper ist, kann ein anderer sein.
Synthese: Der Körper manifestiert das Sein.


Ich hab ja keine Ahnung von Dialektik, aber sollte die Antithese nicht der These widersprechen und nicht sich selbst?
Natürlich ist jeder Körper ein anderer Körper als "kein Körper", aber meint "kein Körper" nicht "jeder Körper nicht"?

Aiki5O+
02-08-2020, 22:58
Eine andere Erklärung wäre, das in Traditional Aikido Vol.1-Basic Techniques, "yamabiko no michi" als secret technique im Grunde mit "Irimi" gleichgesetzt wird:

When you extend your ki, the ki of the opponent will return to you like an echo. However, you do not receive your opponent's ki because you have instantly moved past him to his rear".

Auf den folgenden Seiten kommen dann halt Erläuterungen zu shomen uchi - irimi nage.
Klingt für mich wesentlich plausibler. Vielleicht ist es ein Übersetzungsfehler: Der zitierte Abschnitt hat die Überschrift "Irimi Technique", logischer wäre "Irimi Principle".*

_________________
*) http://shoshin.over-blog.com/article-yamabiko-no-michi-90247157.html

gast
03-08-2020, 07:34
Ich hab ja keine Ahnung von Dialektik,.....
:megalach:

Aiki5O+
03-08-2020, 10:08
Das ist doch skurril.
Jemand zitiert O Sensei, der ganz klar sagt dass sein Aikido rein gar nichts mit dem Konzept der "drei sen" zu tun hat, da dies die klassische Denkweise von Angriff und Verteidigung beinhaltet, und gibt sich dann alle Mühe das Aikido unbedingt in dieses Korsett zu pressen.
Warum?
Warum soll das skurril sein? Weisgard unterscheidet doch klar das Denken und Können Ueshibas von dem, was ein Aikido-Lehrer seinen Schülern vermitteln möchte:

O-Sensei goes on to say that it is not a question of sensen no sen or sen no sen. As stated earlier, O-Sensei was on a much higher level of perception than the concepts these terms indicate. But for those of us who follow the path of aiki without possessing the martial genius of the founder of aikido, I hope that my examples of these terms can be of some help in understanding the intricacies of timing and awareness inherent in the fascinating world of aikido.
Beim Lernen und Üben einer Technik/Kata/Form sollte den Übenden doch klar sein oder werden, in welcher Reihenfolge Uke und Nage die Initiative ergreifen. Und dazu können die 3 "sen" Begriffe, die das mögliche Timing kategorisieren, hilfreich sein. Das gilt auch dann, wenn man die "klassische Denkweise von Angriff und Verteidigung, Gewinnen und Verlieren" überwinden will. Denn (kooperativ) Agieren und Reagieren beim Üben einer Form würden Uke und Nage ja weiterhin.

Gast
03-08-2020, 12:50
Beim Lernen und Üben einer Technik/Kata/Form sollte den Übenden doch klar sein oder werden, in welcher Reihenfolge Uke und Nage die Initiative ergreifen. Und dazu können die 3 "sen" Begriffe, die das mögliche Timing kategorisieren, hilfreich sein.

Mein Lehrer hat diese Begriffe nie verwendet.
Denn es ist ja so wie ich bereits gesagt habe, es hängt davon ab auf welchem Level man ist, ob man noch "reagiert", oder ob man schon mehr kann
Das ist nicht von Kata oder bestimmten Angriffsformen abhängig.
So wie "yamabiko no michi" eben auch keine bestimmte Technik ist.
Aikido ist immer Irimi, egal ob du Tenkan, Irimi-tenkan,
tenkai oder sonstwas machst.
Es gibt eigentlich keine "reaktiven" Formen.

Gast
03-08-2020, 15:40
.

carstenm
03-08-2020, 17:34
--- Pardon --- mehr OT ---


Warum soll das skurril sein? Weisgard unterscheidet doch klar das Denken und Können Ueshibas von dem, was ein Aikido-Lehrer seinen Schülern vermitteln möchte:Genau das finde ich skurril. Das Üben - und vor alle auch das Unterrichten - eines budô sollte m.E. den Anspruch haben, sich an den Vorbildern der Lehrer zu orientieren und mindestens zu versuchen dem im Laufe eines Lebens so nahe zu kommen, wie man es den eben vermag.
Aber wenn der Begründer eines budô sagt: aikidô hat nix mit go no sen, sen no sen und sensen no sen zu tun, dann gehe ich doch nicht hin und sage sinngemäß: Das kann und versteh ich eh nich. Also, paßt auf: Wir teilen mal die Techniken des aikidô ein in go no sen, sen no sen und sensen no sen.
Ich finde das skurril.


Beim Lernen und Üben einer Technik/Kata/Form sollte den Übenden doch klar sein oder werden, in welcher Reihenfolge Uke und Nage die Initiative ergreifen. Und dazu können die 3 "sen" Begriffe, die das mögliche Timing kategorisieren, hilfreich sein. Das gilt auch dann, wenn man die "klassische Denkweise von Angriff und Verteidigung, Gewinnen und Verlieren" überwinden will. Denn (kooperativ) Agieren und Reagieren beim Üben einer Form würden Uke und Nage ja weiterhin.Mal ganz abgesehen davon, daß ich der Meinung bin, daß Ueshiba osensei sich nicht auf Fragen des Timings bezieht: "It is not a question of either sensen no sen or sen no sen. If I were to try to verbalize it I would say that you control your opponent without trying to control him. That is, the state of continuous victory. There isn’t any question of winning over or losing to an opponent. In this sense, there is no opponent in aikido. Even if you have an opponent, he becomes a part of you, a partner you control only."
In den beiden kenjutsu, die ich übe, bzw. geübt habe, ist der Bezug dieser Begriffe auf das Timing nicht das, was gemeint ist. Sondern es drückt sich darin eher so etwas aus, wie die "Qualität der Beziehung" der Gegner: Wer gibt das Thema vor? Geht man auf das Thema ein? Oder nicht? Karl Friday hat dazu etwas in Legacies of the Sword geschrieben, meine ich. Dabei geht es dann auch um die Frage der Kontrolle, auf die ja Ueshiba hier eingeht.

Deutlich wird ja auch, daß Timing nicht das eigentliche Thema dieser Begriffe ist, wenn man bedenkt, daß go no sen es gerade erfordert, daß ich die Initiative übernehme ...

Für mich jedenfalls gewinnen die Worte von Ueshiba inzwischen mehr und mehr Gestalt, wenn ich kuzushi bei Kontakt erlebe zum Beispiel. Das ist dann weder eine Frage des Timings, noch eine Frage der Beziehung von Technik und Gegentechnik. Sondern das geschieht "sono mama", es ist einfach, wie es ist. Kontrolle ohne zu kontrollieren.
Für mich ganz persönlich jedenfalls ist diese Aussage von Ueshiba osensei ein Wegweiser, in diese Richtung zu üben.

Gast
03-08-2020, 19:12
Genau das finde ich skurril. Das Üben - und vor alle auch das Unterrichten - eines budô sollte m.E. den Anspruch haben, sich an den Vorbildern der Lehrer zu orientieren und mindestens zu versuchen dem im Laufe eines Lebens so nahe zu kommen, wie man es den eben vermag.


Das Gegenteil ist oft der Fall und das zieht sich ja irgendwie durch in der Aikido-Welt. Gerade auch in der Iwama Szene gibt es immer wieder solche Äußerungen wie: Wir machen ja eigentlich noch gar kein Aikido, das sind ja alles nur Vor-Stadien, das "richtige" Aikido können wir gar nicht. Weil Saito Sensei das nun mal gesagt hat.
Aber man nennt das, was man übt "Takemusu", was angeblich die höchste Stufe des Aikido ist.
Das ist genau die gleiche Geschichte, wir können kein Aikido können, deshalb machen wir was anderes.
Was soll das? Ueshiba war ein Mensch, der das was er konnte durch üben gelernt hat, also KANN man das lernen. Aber nein, man geht dem, was es zu lernen gilt konsequent aus dem Weg.
Nein, das ist nichts für uns, so weit sind wir noch nicht.
Es gibt aber auch verschiedene andere Gründe.

Gast
03-08-2020, 19:27
.

period
03-08-2020, 19:30
Wenn man das auf Ueshibas Leben vor der "Erleuchtung" ummünzt, müsste die Aikido Grundausbildung offenbar Sumo-Training als Kind, 5 Jahre Judo-Privatunterricht mit einem kompetenten Lehrer, Schwimmen, Heben verschiedener Lasten usw. beinhalten. Dazu käme ein laufendes Studium von menschlicher Biomechanik. Klingt gut ;)

Beste Grüsse
Period.

Gast
03-08-2020, 19:45
.

period
03-08-2020, 19:54
Dass die Tatsache, dass sich ein Körper irgendwo im Raum befindet bedeutet, dass man ihn entsprechend verwringen, verdrängen, wegschieben, ziehen oder zu einer Bewegung verleiten muss, falls man seinen aktuellen Platz im Raum einnehmen möchte?

Period.

Aiki5O+
03-08-2020, 20:20
Das verliert sich hier in einer Diskussion um Lerninhalte im Aikido, die das eigentlich Thema eher nur streift.Vielleicht kann ein Moderator die Beiträge #34-38,40,42,43,45,46 in einen neuen Thread "Timing im Aikido? Go no sen / sen no sen / sensen no sen" verschieben?

Gast
03-08-2020, 20:47
Als Beispiel vielleicht Dame: wo ein Stein ist, kann ich keinen hinsetzen. Aber wo keiner ist, also eine Lücke, kann einer gesetzt werden.

Ist halt zweimal die gleiche Aussage, einmal positiv und einmal negativ formuliert.
Naja, und wenn jemand irgendwo steht, dann lass ich ihn doch da.
Die Frage ist doch, warum will man was? Mir ist das ehrlich gesagt zu theoretisch.
Ein Satz, der im Grunde eine simple Tatsache des täglichen Lebens beschreibt, was will man damit machen, außer zu sagen: Ja, ist so.
Es ist damit keine Strategie verbunden, kein Konzept, irgendwie gar nichts.

Gast
03-08-2020, 22:04
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Gast
03-08-2020, 22:11
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period
03-08-2020, 23:21
Danke, für die Antwort. Das wäre also deine erste Assoziation. Hälst du den Spruch im Rahmen einer technischen Beschreibung, eines bspw. Wurfes oder Hebels, für geeignet oder bist du da eher bei Pansapiens "Geh rein wie eine Drecksau?"

Hm. Ich empfand den Lehrsatz als solchen auch nach Dursicht des pdfs nicht als für mich sinnvoll, weil er m.E. zu statisch agiert. Körper stehen nicht, sie bewegen sich. Will ich einen Anreiz für eine bestimmte Position schaffen, um eine Öffnung zu haben, dann erzwinge ich den eben, durch Bedrohung (Finte), Zug oder Druck (direkt oder unter Ausnutzung der Gegenbewegung) und/oder Schmerzreflex.


Verwringen bedeutet "Torsion" oder? Die Bilder in deinem anderen Post waren sehr schön und haben mir auch geholfen einige Gedanken klarer zu ordnen. Gibt es in dem Buch mehr solcher Bilder? Dann würde ich an einer Anschaffung überlegen.

Ja, bedeutet es (ist der übliche Ausdruck in der deutschsprachigen Ringliteratur) und ja, gibt es. Allerdings hab ich das Buch nie in Papier gesehen, gibt wohl nicht viele am Markt. Die FILA hat aber mal das pdf ins Netz gestellt. Falls nicht auffindbar, PN mit Mailadresse an mich.

Beste Grüsse
Period.

Nick_Nick
04-08-2020, 00:04
Ist halt zweimal die gleiche Aussage, einmal positiv und einmal negativ formuliert.
Naja, und wenn jemand irgendwo steht, dann lass ich ihn doch da.
Die Frage ist doch, warum will man was? Mir ist das ehrlich gesagt zu theoretisch.
Ein Satz, der im Grunde eine simple Tatsache des täglichen Lebens beschreibt, was will man damit machen, außer zu sagen: Ja, ist so.
Es ist damit keine Strategie verbunden, kein Konzept, irgendwie gar nichts.

Irimi in Reinform ist doch genau das Gegenteil: der Platz des anderen wird eingenommen, ohne sich einen Millimeter aus der Centerline zu bewegen. Insofern beschreibt für mich der Satz "Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein." sehr gut ein eminent wichtiges Prinzip. Den Satz kann man natürlich auch je nach Lesart anders sehen.

Pansapiens
04-08-2020, 02:58
Der Lehrspruch ist demnach ein Dreisatz, ebenso die darauf folgenden Erläuterungen, was ich als These, Antithese und Synthese verstanden habe:


These: Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein.
Antithese: Wo kein Körper ist, kann ein anderer sein.
Synthese: Der Körper manifestiert das Sein.



Ich hab ja keine Ahnung von Dialektik, aber sollte die Antithese nicht der These widersprechen und nicht sich selbst?
Natürlich ist jeder Körper ein anderer Körper als "kein Körper", aber meint "kein Körper" nicht "jeder Körper nicht"?


Ich weiß nicht, ob ich dich richtig verstehe, aber ich sehe nicht, wie sich der Satz selbst wiederspricht.
Als Beispiel vielleicht Dame: wo ein Stein ist, kann ich keinen hinsetzen. Aber wo keiner ist, also eine Lücke, kann einer gesetzt werden.

Deine erste These ist nur allgemein richtig, wenn "kann kein anderer sein" "gleichzeitig" impliziert.
Denn natürlich kann, wo jetzt ein Körper ist, zu einem späteren oder früheren Zeitpunkt ein anderer sein.
In Deinem Damebeispiiel, kann dort wo jetzt ein Stein ist, zu einem späteren Zeitpunkt durchaus einer gesetzt werden, wenn der erste weggezogen wurde.
Wenn also im Kontext der Lehrsätze sich die Bedeutung von "kann [...] sein" nicht von einem Satz auf den anderen verändert, wird auch im zweiten Lehrsatz "kann [...] sein" ein "gleichzeitig" implizieren.
Wenn man das explizit ausschreibt, steht da:
"Wo kein Körper ist, kann gleichzeitig ein anderer sein".
Da kommt es dann darauf an, ob Du mit "kein Körper" den Zustand der Leere meinst, der den Hintergrund von Anwesenheit bildet, und nicht verschwindet, wenn man die Leere füllt, oder eben "jeder Körper nicht".
Da es keinen Körper gibt, der nicht in der Menge "jeder Körper" enthalten ist, bleibt kein anderer Körper übrig, der gleichzeitig dort sein kann, wo jeder Körper nicht ist.

es wird also IMO ungenau mit der zeitlichen Komponente umgegangen:

Um den Zustand eines mechanischen Systems vollständig zu beschreiben, reicht es nicht aus, den Ort von allen Körpern anzugeben, sondern man muss auch noch die Geschwindgkeiten und Beschleunigungen (Kräfte) kennen.
Im ('Kampf-)Sport agieren nun Menschen, die ihre eigenen Bewegungen danach ausrichten, welche Einschätzungen sie nicht nur von den Orten der anderen Köper haben, sondern auch von deren Geschwindigkeiten und Beschleunigungen.
Damit können die Akteure aus momentanen Zuständen zukünftige abschätzen (Antizipation).
Ein guter Tennisspieler schaut beim gegnerischen Aufschlag nicht auf den Ball, sondern dort hin, wo der Ball sein wird.
Wo der Ball sein wird, erkennt er an der Art und Weise, wie der andere Tennisspieler sich bewegt.
Dazu kommt, bei einem menschlichen Gegner, dass Menschen in ihrem Kopf nicht nur ein Gehirn hat, dass die die Flugbahn von Bällen vorausberechnen kann, sondern auch eines, das eine Theorie des Geistes entwickeln kann uns sich überlegen, was im Gehirn des anderen so vor geht, bzw. wie dieser die zukünftige Entwicklung des Systems einschätzt und sein Verhalten danach ausrichtet.

Am Beispiel der Sumoringer:


https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=0uUHG6jUaRE&feature=emb_logo

Der Mann in blau hat die zukünftige Entwicklung des Systems falsch eingeschätzt, da er wohl dachte, der 2-Zentner-Hänfling kommt beschleunigt auf ihn zu oder bleibt zumindest stehen und leistet Widerstand.
Der Mann in rot (?) hat die Einschätzung des Mannes in Blau korrekt eingeschätzt und damit "Kong" angewandt, im Sinne von "nicht da sein (wo es der andere erwartet)"
Mit einem Stier kann man das wohl öfter machen, ein menschlicher Gegner könnte sich aufgrund seiner höheren geistigen Kapazität darauf einstellen und aufgrund der Erfahrung seine Einschätzung der Situation anpassen, sofern er verstehen kann, was da passiert.

Ein sich daraus ergebender möglicher didaktischer Aufbau wäre aus meiner Sicht:

1.) Umgang mit sich selbstständig nicht bewegenden Objekten um Kraftübertragung und Bewegen im Raum zu erlernen.
2.) Umgang mit sich "physikalisch vorhersehbar" bewegenden Objekten.
3.) Umgang mit lebenden Objekten auf der Ebene von Reflexen.
4.) Umgang mit lebenden Objekten auf der Ebene von höheren kognitiven Fähigkeiten.

Dein Aufbau ist nun ein anderer und scheint auf den verschiedenen Stufen diese Inhalte in unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad zu vermitteln aber der Zusammenhang mit dem Lehrspruch - um den soll es ja hier gehen - ist zumindest mir nicht unmittelbar einsichtig.

Letztlich kommt es aber darauf an, ob es Dir damit gelingt, den Schülern das zu vermitteln, was Du vermitteln willst.:)

Gast
04-08-2020, 09:49
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Gast
04-08-2020, 09:58
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carstenm
04-08-2020, 10:47
Ich hab mir das pdf grad mal angeschaut. Hatte es vorher irgendwarum übersehen.
Ich gebe zu: Ich hab's letztendlich dann nur überflogen. Denn ich ganz persönlich - sowohl, was mein eigenes Üben betrifft, als auch mein eigenes Unterrichten - kann solche Abstraktionen nicht wirklich sinnvoll in Verbindung setzen zu meinem Üben. Zu viel Kopf ...
Ich kann also die Güte nicht wirklich beurteilen.

Lediglich eines möchte ich doch anmerken:
Ich würde die Begrifflichkeiten go no sen, sen no sen und sensen no sen entweder ganz weglassen. Oder aber deutlich machen, woher dein Verständnis dieser Begriffe stammt. Denn sie werden in allen drei japanischen budô, die ich übe, bzw. geübt habe, unterschiedlich interpretiert. Wobei aber keine dieser Interpretationen mit der Verwendung übereinstimmt, die du vornimmst. Ich vermute, daß das Verständnis, das du benutzt, aus dem kendô stammt? (Damit kenne ich mich leider überhaupt nicht aus.) Aber falls dem so ist, würde ich das um der Klarheit willen anmerken. Wenn's allerdings aus dem Karate stammt, dann ist es natürlich klar ... und mein Einwand verpufffffft .....

Zur Erläuterung:
Die Beschreibung: "Ich weiche aus und schaffe bewusst Lücken, ich fintiere. Ich erahne den Angriff, da ich ihn dazu verleite und kann seinen Angriff angreifen", charakterisiert in zwei budô, die ich übe, die Methode go no sen.
Die Beschreibung: "Bei der Begegnung beherrsche ich den Mittelpunkt zwischen uns," charakterisiert in einem budô, das ich geübt habe, die Methode sen no sen. Allerdings vollkommen unabhängig vom Timing.
Die Beschreibung: "Ich reagiere auf den Gegner und kontere ihn ab," kann in einem der budô, die ich übe, die Methode sensen no sen meinen.

Gast
04-08-2020, 22:17
Irimi in Reinform ist doch genau das Gegenteil: der Platz des anderen wird eingenommen, ohne sich einen Millimeter aus der Centerline zu bewegen. Insofern beschreibt für mich der Satz "Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein." sehr gut ein eminent wichtiges Prinzip.

Erstens ist Irimi nicht, sich "keinen Millimeter" aus der Centerline zu bewegen. Ich nehme an du meinst, wenn ich den Kontext berücksichtige, mit Centerline sowas wie die Angriffslinie? Ich verstehe darunter eigentlich was anderes.
Irimi kann sein, dass man haarscharf neben der Angriffslinie bewegt, das man sie kreuzt, oder das man sie nicht verlässt.
Zweitens, die Aussage. wo ein Körper ist kann kein anderer sein, ist banal. Das ist einfach ein Lehrsatz der klassischen Physik. Das auf Kampfkunst zu übertragen finde ich schwierig, denn es ist keine Aussage die irgendwas über Bewegung sagt. Soll ein Körper verdrängt werden, wirken Kräfte auf ihn ein, oder was passiert oder soll passieren? Was habe ich erreicht, wenn ich den Platz eines anderen einnehme, steht er dann einfach woanders, oder habe ich Kontrolle über ihn erlangt?
Und, kann mir nichts passieren, weil niemand da stehen kann wo ich stehe? Was ist, wenn ich mit einem Schwert in der Mitte durchgeschnitten werde, was nützt mir dann dieser Lehrsatz?

Wenn es dann aber im Weiteren um einen gemeinsamen Mittelpunkt geht, dann geht es halt nicht mehr um Körper, sondern um ein dynamisches System. Und wieder, was ist ein gemeinsamer Mittelpunkt, was ist damit gemeint? Die Mitte des Abstands (und wie kontrolliert man die), oder ist der Massenschwerpunkt des Systems gemeint?
Das sind alles so theoretische Begriffe, die meiner Ansicht nach nicht das wiedergeben können, was wirklich passiert.
Es gibt z.B. sowas wie Bewegungsachsen, wenn ich die in Richtung des Gegner verschiebe und gleichzeitig die Bewegung des Angreifers oder Gegners über diese Achse kontrollieren kann, dann habe ich zwar nicht den Platz eines anderen Körpers eingenommen, aber ich kann, falls es gelingt, massiv auf die Möglichkeiten seiner Bewegung Einfluss nehmen. Falls er sich aus dieser Kontrolle befreit, muss ich die Achse woanders wiederherstellen. Aber dabei geht es nicht um Orte wo einer ist oder nicht ist, sondern um Bewegungssysteme und Kräftevektoren.

Nick_Nick
04-08-2020, 23:46
Anscheinend ist es wirklich so, dass je nach Background und Lesart der Satz unterschiedlich verstanden werden kann.
Ich habe versucht den Satz möglichst einfach und grundlegend zu formulieren. Aber vielleicht ist ja die vermeintlich "einfache" Formulierung zu offen, so dass verschiedene Sichtweisen hineinprojiziert werden können.

Scheint so :). Aber immerhin hat carstenm bestätigt, dass der Satz auch von anderen Lehrern gebracht wird.


Erstens ist Irimi nicht, sich "keinen Millimeter" aus der Centerline zu bewegen. Ich nehme an du meinst, wenn ich den Kontext berücksichtige, mit Centerline sowas wie die Angriffslinie? Ich verstehe darunter eigentlich was anderes.
Irimi kann sein, dass man haarscharf neben der Angriffslinie bewegt, das man sie kreuzt, oder das man sie nicht verlässt.


Ich weiß schon, dass man Irimi auf vielerlei Arten realisieren kann. Deswegen hatte ich geschrieben "in Reinform“. Sozusagen als schwierigste Form von Irimi.

Es ist auch einfach das, womit ich diesen Satz verbinde und das mir als erstes eingefallen ist. Und als Synonym für „Übernehmen der Centerline (= Angriffslinie)“ finde ich es sehr passend. Ausgangspunkt ist für mich ein Angriff des Partners, der aufgenommen wird. Im Kontext der Kampfkünste wird der Partner dann nicht einfach woanders stehen, sondern ist entweder getroffen oder aus dem Gleichgewicht oder beides. Man selbst wird dabei natürlich nichts selbst getroffen oder verliert seine Struktur.

Da war doch auch was von Ellis Amdur zu Irimi:

"As the enemy cuts, so, too, do I cut. Not “along” the same path. ON THE SAME PATH. Two objects cannot occupy the same space, and I, with greater power/speed/timing/postural stability, etc, take that space. The enemy is, ostensibly, deflected, but they are NOT knocked away. They are simply not allowed to occupy that space. And often there is no tai-sabaki (body displacement, getting off line). There might be. If there is, it is simultaneous—not one following the other. But even beyond that, tai-sabaki is not part of the fundamental definition of irimi, simply an elaboration of it."

(https://aikidojournal.com/2016/05/06/irimi-by-ellis-amdur/)

Ansonsten, mag sein, dass es eine triviale physikalische Tatsache ist, die einem auch nichts sagen kann.

Gast
05-08-2020, 06:46
Und weiter steht dort auch etwas über Irimi.

Gast
05-08-2020, 07:23
Unzer anderem geht es doch auch darum wann man Platz besetzt, und wann man welchen freigibt, und dass das ein Wechselspiel ist, bzw. ein Tanz auf des Messers schneide ist oder sein kann.
Dad alles kann man in so einem kurzen Satz nicht ausdrücken. Dafür gab es ja dann auch Lieder, Poems, Kuden u.s w.

Nick_Nick
05-08-2020, 10:06
Und weiter steht dort auch etwas über Irimi.

Unglücklich von mir formuliert, im Artikel geht´s natürlich um Irimi, deswegen habe ich ihn ja verlinkt. Und dort geht´s mir speziell um „…Two objects cannot occupy the same space …“ Habe es oben geändert.


Dad alles kann man in so einem kurzen Satz nicht ausdrücken. Dafür gab es ja dann auch Lieder, Poems, Kuden u.s w.

Ich vermute, Sturmkind wird zu seinem Satz seinen Schülern schon noch ein paar Erklärungen hinterherschicken.

Eskrima-Düsseldorf
05-08-2020, 10:10
Der Lehrsatz lautet: "Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein."


Das hat Kernspecht schon in den späten 80ern, frühen 90ern gesagt (steht sogar in "Mein Zweikampf") meine ich.

Gast
05-08-2020, 10:52
Ich vermute, Sturmkind wird zu seinem Satz seinen Schülern schon noch ein paar Erklärungen hinterherschicken.

Naja; z.B. vielleicht wann es Sinn macht Raum einzunehmen, oder vielleicht besser freizugeben.
Heute morgen kam mir ein älterer Herr mit dem Fahrad fast vors Auto, weil er meinte bei rot über die Füsgängerampel fahren zu müssen, getreu dem Motto: Wo ich bin darf kein anderer sein.

Gast
05-08-2020, 13:04
.

Gast
05-08-2020, 13:16
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Gast
05-08-2020, 13:18
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Gast
05-08-2020, 13:28
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Gast
05-08-2020, 13:30
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Gast
05-08-2020, 13:31
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Gast
05-08-2020, 13:38
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Aiki5O+
05-08-2020, 15:38
Wie schon bei Aiki50+ geschrieben ist die Erklärung im Karate nicht klar definiert und je nach Stil unterschiedlich. Ich denke aber, ich werde es durch "Reagieren, Agieren, Antizipieren" ersetzen. Das gibt weniger Missverständnisse und wird wahrscheinlich von meiner Gruppe auch besser aufgenommen.

Bezüglich einer Definition, ich hab folgendes gelesen und fand es eigentlich ganz gut:

Go no Sen: Der Rückzug des Angriffs wird angegriffen.
Sen no Sen: Der Angriff wird angegriffen.
Sen Sen no Sen: Die Vorbereitung zum Angriff wird angegriffen.

nach:
...
https://www.reddit.com/r/karate/comments/2pns0w/sen_no_sen_sen_sen_no_sen_go_no_sen_and_deai/


Ah interessant, wie unterschiedlich die Begriffe verwandt werden können..
Ich hatte den von mir verlinkten PDF-Artikel von Weisgard über die englische Wikipedia-Seite zu "go no sen (https://en.wikipedia.org/wiki/Go_no_sen)" gefunden, die auch auf darauf verweist. Da hatte ich noch nicht bedacht, dass die Begriffe doch sehr unterschiedlich ausgelegt werden.

Interessant, dass auch ein Karateka in einer Reddit-Diskussion auf Weisgards Artikel über die 3 sens hinweist, obwohl die Begriffe gar nicht aufs Aikido anwendbar sein sollen. Auch von meinen Aikido-Lehrern habe ich diese 3 Begriffe oder deutsche Umschreibungen im Unterricht noch nicht gehört.

Gast
05-08-2020, 19:48
Von der Karate-Seite fand ich eigentlich interessant, was Kenei Mabuni über die "Sen" schrieb.
Muss ich aber nochmal nachschlagen.

Eskrima-Düsseldorf
06-08-2020, 09:57
Ach, wusst ich gar nicht. Kernspecht ist mir natürlich ein Begriff, aber ich habe weder mit ihm, noch mit seiner Organisation je zu tun gehabt. Aber gute Information, danke.
(Nach den Meinungen hier im Board bin ich mir unsicher, ob das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen ist, wenn das auch von Kernspecht verwendet wurde.)

Ob das gut oder schlecht ist, kann ich auch nicht sagen. Ich meinte das in meinem Post auch gar nicht wertend - wollte nur anzeigen, dass die Idee durchaus benutzt wird - bekannt ist.