Erfahrungen mit incidental training? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Erfahrungen mit incidental training?



Lugasch
17-10-2020, 20:48
Moin,
ich würde gerne wissen, ob und welche Erfahrungen ihr mit Micro-Workouts, Übungen im Alltag, etc. gemacht habt.
Die Idee, kleine Übungseinheiten in den Alltag zu integrieren, ist alles andere als neu, aber ich habe spontan keine Erfahrungsberichte von Leuten gefunden, die es tatsächlich über eine längere Zeit durchgezogen hätten.
Was ich dazu bisher an Meinungen gefunden habe, läuft eher unter "lieber ein Paar Übungen, als gar keine". Neulich ist mir allerdings mal wieder der Spruch über den Weg gelaufen "Dein Körper ist aufgrund deines Lebensstils so geformt, wie er geformt ist."
Und da keimte dann eben die Frage, ob solche Alltagsübungen mehr können als "besser als nüschts"... ob sie geeignet wären, den Körper positiv zu formen. Kann man damit mit vertretbaren Aufwand (d.h. nicht jeder Klogang muss im Lizzard-Style oder Handstand erfolgen) signifikante Verbesserungen erreichen? Kann so ein Lebensstil sich gar mit "normalen" Trainigseinheiten messen? Wie seht ihr das?
Vielleicht noch ein Hinweis hinterher geschoben: ich rede hier nicht von Leistungssportlern, sondern von Max Mustermann mit (und/oder) Kids, Schreibtischjob, Verletzungen, zu vielen Aufgaben, zu wenig Zeit, einem Netflix-Account, schwankender Motivation, "weitere Hindernisse einfügen", etc.

Tantal
17-10-2020, 21:17
Nach meiner Erfahrung im Bagua klappt das sehr gut, solange man prinzipienorientiert arbeitet. Dadurch wird quasi dann die gesamte Bewegungsstruktur verstanden und überarbeitet und dies ermöglicht Training durch Alltag, was dann natürlich dem Partnertraining und der Weiterentwicklung enorm hilft.

ThomasL
18-10-2020, 09:58
Ich mache das eigentlich schon immer teils unbewusst, teils bewusst (unabhängig von der jeweiligen KK). Ich finde es aber schwer zu bewerten was es konkret bringt - gefühlt würde ich sagen einiges. Im Bagua bin ich mir da sogar relativ sicher - siehe Tantals Beitrag.

Lugasch
18-10-2020, 10:40
Danke für eure Antworten, Strukturtraining hatte ich in dem Zusammenhang gar nicht auf dem Schirm.

Tantal
18-10-2020, 10:49
Deine Grundidee klang auch etwas danach, im Alltag immer wieder kurze Pausen einbauen, um dort zu trainieren, was den Alltag selbst dann zeittechnisch auch verlängert. Ich nutze den Alltag an sich hingegen zur Optimierung von Bewegungsqualität und dem Vertiefen neuronaler Muster. Das ist dann nur in der Umgewöhnungsphase etwas zeitintensiver, weil man viel weniger unbewusst machen darf, aber mit Übung läuft dann eh viel automatisiert richtiger und die Gewöhnung an diese Art zu Denken hilft dabei auch. Und dann sind wir nämlich genau an dem Punkt, dass der Körper durch den Lebensstil geformt wird und wie viele Stunden pro Tag wir eigentlich gegen unsere Trainingsziele arbeiten, wie viele Stunden für unser Training +/- 0 ergeben und wie viele Stunden uns unserem Ziel näher bringen

Billy die Kampfkugel
18-10-2020, 10:52
Mehr als zwei bis drei Trainingseinheiten (1 1/2 - 2 Stunden) die Woche kann mein Körper nicht mehr ab. Dazwischen kleine Trainingseinheiten am Sandsack und zur Regeneration. Dehnen, Gleichgewicht, langsame Kata, Spaziergänge, Gewichte (Hanteln)... . Dient alles auch etwas der Abrundung. Viertel bis halbe Stunde. Einmal die Woche muss ich die Hüfte wieder aufdehnen brauche ich auch etwa 20 Minuten um den Muskelverkürzungen durch die Tritte gegenzuwirken.
Würde sagen je älter ich werde desto mehr verschiebt es sich in kleine Trainingseinheiten.
Mein Ausgleichssport ist Schwimmen, war mir aber wegen der Beschränkungen dieses Jahr zu umständlich. Ist leider ausgefallen.
Ob das jetzt Incidental Training, Lifestile oder Karate Do ist kann ich nicht beantworten. Es muss meinem Wohlbefinden zuträglich sein. Das steht über allem anderen.

period
18-10-2020, 13:58
Ich bin ehrlich gesagt mit dem Konzept (incl. Pavels "greasing the groove") nie wirklich warm geworden. Meine Freundin dagegen schwört drauf. Der Hauptvorteil ist, dass man auch an stressigen Arbeitstagen ein bestimmtes Grund-Trainingspensum absolvieren kann und so auch ein zusätzliches Stressventil hat, und je nach Persönlichkeitstyp ist es einfacher, sich dazu zu motivieren; der Nachteil ist, dass es sich nur für bestimmte Intensitäten und Übungen eignet - es sei denn, man hat ein perfektes Setup. Sprich, wenn mehr als ein Aufwärmsatz erforderlich ist, wirds schon schwer, das Grundkonzept einzuhalten, und wenn die Intensität und das Volumen hoch genug sind, um einen ins Schwitzen zu bringen, ist das ggf. auch nicht ideal. Sprich, es eignet sich z.B. gut, um ein hohes Volumen mit relativ niedrigen Intensitäten über den Tag verteilt zu fahren - super, wenn man z.B. viel an der Technik in einer Übung arbeiten oder sich auf ein höheres Trainingsvolumen hocharbeiten möchte. Also müssen die Rahmenbedingungen und die Intensität stimmen. Für mich recht gut funktioniert haben mit dem Konzept z.B. Klimmzüge an relativ schmalen Leisten (Türleisten, ca. 2 cm und stark abgerundet, also mit der offenen Hand zu greifen; das hat zur Folge, dass meine Finger deutlich vor dem Rest der Muskelkette müde werden, die Wiederholungen pro Satz daher so oder so begrenzt sind und ich daher in einer einzelnen Einheit ein deutlich geringeres Volumen fahren kann), alles andere nicht so wirklich bislang. Aber vielleicht muss ich einfach mehr damit experimentieren, die für mich relevanten Parameter dafür kenne ich ja mehr oder weniger.

Beste Grüsse
Period.

Kirke
18-10-2020, 15:50
Für mich hat greasing the groove auch nicht geklappt. Wenn ich bei jedem Türöffnen Klimmzüge mache, lenkt mich das von meinem eigentlichen Ziel ab und muss nicht da wieder reindenken. Das ist total ineffizient.
Gezielte Mini-Workouts, gern auch mehrmals täglich, finde ich hingegen klasse. Mit festem Plan (kein Vorplanen mehr nötig = spart Zeit und geistige Kapazität) und reserviertem Zeitslot (vermeidet Zeitstress oder Ablenkung).

Lugasch
18-10-2020, 19:48
Gibt es zu dem greasing the groove gute Quellen?

Zu dem Thema Alltagstraining (oder wie auch immer das heißt), da scheint es mehrere Ausprägungen zu geben: zum einen die Mini-Workouts, dann das greasing-Zeug und zuletzt (?) der Lebensstil an sich (Fahrrad statt Auto, Treppe statt Aufzug etc.).
Ich denke, dass es von der reinen Fitnessseite (also ohne Strukturtraining) am ehesten aufgehen würde, wenn man den Lebensstil entweder mit greasing oder mit Mini-Workouts kombinieren würde - je nach dem was einem mehr zusagt. Damit würde man vermeiden - wie Tantal richtig anmerkt - den langen lieben Tag gegen die eigenen Trainingsziele zu arbeiten.
Wenn ich das von der Warte der elastic habits angucke, dann wäre der Lebensstil quasi die Stufe 1, Lebensstil + greasing (oder Mini-Workouts) die Stufe 2 und Stufe 2 + "richtiges" Training die Stufe 3.
Was ich mich dann immernoch frage: führt ein hohes Volumen bei geringer Intensität dennoch zu einem Übertrag in Richtung Intensität? Dass die Grundfitness durch viel Mikrotraining steigt, scheint plausibel, aber wird meine Obergrenze durch steigende Grundfitness ebenfalls steigen?
So frei nach J.Stalin "Die Quantität hat ihre eigene Qualität".

period
19-10-2020, 07:21
Was ich mich dann immernoch frage: führt ein hohes Volumen bei geringer Intensität dennoch zu einem Übertrag in Richtung Intensität? Dass die Grundfitness durch viel Mikrotraining steigt, scheint plausibel, aber wird meine Obergrenze durch steigende Grundfitness ebenfalls steigen?
So frei nach J.Stalin "Die Quantität hat ihre eigene Qualität".

Nicht automatisch, aber es kann ein Schritt dazu sein. Du hast als Variablen immer Volumen und Intensität, jeweils pro Satz, pro Trainingseinheit und in einem gewissen Sinne auch pro Woche. Du kannst die Intensität nur bis zu einem bestimmten Punkt erhöhen, bis Du stagnierst, ebenso wie das Volumen nicht unbegrenzt gesteigert werden kann (allerdings in der Regel deutlich mehr als die Intensität, insbesondere pro Woche). Sprich, Du kannst das Volumen steigern, um ein Plateau bei der Intensität zu überwinden, indem Du eine "breitere Basis" im Bereich Kraftausdauer schaffst. Oder Du kannst vermehrt an Deiner Spannung und Technik arbeiten (insbesondere bei ersten 1-3 Wiederholungen) und so auf ein höheres Leistungslevel kommen usw.
Die Obergrenze hat die Eigenheit, dass sie in der Regel viel spezifischer ist als die Grundfitness. Nehmen wir also an, Du willst Dich in military presses, einarmigen Liegestützen oder Klimmzügen steigern, im ersten Fall primär in Sachen Kraft, in den letzteren auf WH; der Einfachheit halber nehmen wir an, Du würdest in der military aktuell 10 WH mit einer 32er KB schaffen, in den einarmigen LS ebenfalls 10 und bei den Klimmzügen 20. Wenn das Mittel der Wahl nun erhöhtes Volumen über den Tag verteilt ist, könnte das für die genannten Ziele wie folgt aussehen:
- Military: 1 Aufwärmsatz mit 24 kg oder 2-3 WH mit 32 kg (abhängig davon, ob es Gelenksprobleme gibt etc), dann 5-8 WH mit 32 kg ODER bottom up-presses mit 24 kg (= Fokus auf Spannung)
- einarmige LS: ein Satz mit 20 WH mit der Hand auf einer Erhöhung => progressiv weiter nach unten (je nach Intensität etc. ein zusätzlicher Aufwärmsatz oder auch nicht)
- Klimmzüge: Ein Satz mit 12-15 WH, progressiv steigern.
Wenn wir jetzt eine Übung annehmen würden, die höhere Wiederholungszahlen verlangt - sagen wir, normale Liegestütze, Du schaffst aktuell 80 und willst auf 100 kommen - könnte man ähnliche Ansätze verwenden, also entweder mit Winkel oder ROM spielen oder mehrere Sätze mit 40-60 WH über den Tag verteilt machen. Aufgrund des höheren Volumens müsste man dann ggf. aber noch vorsichtiger mit den Satzzahlen sein.

Beste Grüsse
Period.

period
19-10-2020, 07:23
Gibt es zu dem greasing the groove gute Quellen?


Pavel Tsatsouline hat da einiges dazu geschrieben, wo genau müsste ich nachschauen.

Beste Grüsse
Period.