Vollständige Version anzeigen : Stress VS Technik
Moin zusammen,
ich habe eine spezielle Frage an unsere "Kopfexperten", aber natürlich auch an alle, die einfach nur so Ahnung haben. :)
Viele kennen ja bestimmt das Phänomen, dass unter Stress (Wettkampf, Schlägerei, etc.) von der schönen Technik nicht mehr viel übrig bleibt.
Mich interessiert ein recht spezieller Aspekt des "Warum". Vor einer Weile habe ich die Aussage gehört, dass wenn Menschen mehrere Sprachen gleich gut beherrschen, sie öfter Wortfindungsschwierigkeiten haben. Das soll aber nicht daran liegen, dass sie die Worte vergessen haben, sondern daran, dass sie die andere Sprache nicht ausreichend unterdrücken können. Also angenommen, ich würde gleich gut deutsch und spanisch sprechen. Ich unterhalte mich mit Spaniern, will irgendwas von Brot erzählen, aber das spanische Wort Brot fällt mir nicht ein - nicht weil ich das vergessen habe, sondern weil die deutsche Sprache vor meinem inneren Auge auf und ab hüpft und keine Ruhe gibt.
Nu zu meiner eigentlichen Frage:
Geht die schöne Technik unter Stress flöten, weil ich sie nicht gut genug trainiert habe (das wäre im Sprachenbeispiel "vergessen") oder weil die primitivere Technik nicht erfolgreich unterdrückt wird?
Und falls letzteres:
Wäre es denkbar, das Techniktraining so zu gestalten, dass man mit dem Primitivzeug anfängt und das ausbaut? Ich meine damit nicht, dass ich eine Technik erst grob lerne, verfeinere und so oft wiederhole, bis es im Blut ist (das wäre der klassische Ansatz), sondern dass ich die Technik nutze, die sich unter Stress eh aufdrängt und diese dann nach und nach ausbessere. Der Vorteil wäre dann quasi eine grundsätzlich immer abrufbare Technik.
Oder ist das Quatsch?
Ich zitiere mal ein wenig von unserer Homepage:
Das Gehirn und die Bilder (https://bagua-zhang.eu/?page_id=45)
Nun hat das Gehirn noch neben den breiteren Wegen eine andere Art der Wichtung: die der chemischen Botenstoffe. Um bei dem Beispiel mit dem „Fight, Flight, Freeze“ zu bleiben ist dies das Noradrenalin. Wenn ein Hirnareal (in diesem Fall der Locus coeruleus) diesen Stoff freisetzt, werden dessen Bilder für den OFC sehr viel wichtiger und alles andere verblasst und wird unwichtig, wir werden „instinktgesteuert“.
Andere Stoffe, die eine Wichtung bewirken, sind Dopamin und Serotonin die bei Süchten, Traumata oder auch der Liebe eine wichtige Rolle spielen.
Das Problem rückt immer mehr in den Fokus unserer Aufmerksamkeit, andere Dinge werden immer unwichtiger, je gefährlicher und größer, desto genauer nimmt unser Instinkt sich dieses Problems an und desto mehr feuert unser Locus coeruleus mit seinem Noradreanlin. Dies bewirkt eine unspezifische Aktivierung im OFC, mit anderen Worten es wird fieberhaft nach Lösungsmöglichkeiten gesucht, alle vorhandenen Wege werden genutzt, die Autobahnen mehr und schneller als die Feldwege.
Finde ich auf diesem Weg keine Lösung übernehmen immer tiefer liegende Zentren die Kontrolle: „es geht ans Eingemachte“. Je gefährlicher das Problem für die Dinge wird, die uns wichtig sind, desto tiefer und intensiver geht die Aktivierung.
Auf der Ebene der körperlichen Unversehrtheit (bei einem Überfall, dem Kontakt mit einem gefährlichen wilden Tier etc.) übernimmt dann unser „Instinktzentrum“ und uralte Überlebensprogramme werden abgerufen, in deren Folge unser Gehirn mit Noradrenalin überflutet wird und unser Körper mit dem Stresshormon Adrenalin.
Alles was nicht unmittelbar eine Lösung des Problems verspricht wird heruntergefahren, u.a. auch die Vernetzungen des OFC mit anderen Teilen des Großhirns, da eine bewusste Verarbeitung der Informationen (aus dem Körper und der Umwelt) zu lange dauert. Die tiefer liegenden Hirnareale greifen auf diese Informationen über schnellere Wege zu und verarbeiten sie schneller und direkter. Sie schwächen quasi unser bewusstes Denken.
Ein Beispiel dazu: Treffe ich einen Tiger in freier Wildbahn ist mein Locus coeruleus sofort maximal aktiv, da meine körperliche Unversehrtheit und damit mein Überleben, maximal bedroht sind. Das Noradrenalin überflutet mein Gehirn, sorgt für eine Adreanlinfreisetzung im Körper (um ihn auf Höchstleistung vorzubereiten), fährt mein bewusstes Denken herunter und stärkt die Autobahn zu meinen Instinkten. Ich gehe in den „Fight“-Modus, wenn ich meine das ich eine Chance habe (z.B. weil ich mir einen Stock, Stein greifen kann) oder in den Flight-Modus um der Bedrohung zu entkommen. Greift mich der Tiger an und ich liege unter ihm wird mein Körper den Freeze-Modus aktivieren um uninteressant für ihn zu werden, ich „stelle mich tot“. Das alles passiert „wie von selbst“, man schaut sich fasst von außen zu.
Über Strassen Netze und Bewegung (https://bagua-zhang.eu/?page_id=300)
Das Kommandozentrum unserer unwillkürlichen Motorik, die ja u. a. dazu dient dass wir nicht umfallen und unsere Körperspannung halten, liegt im Kleinhirn. Diese Hirnregion befindet sich „hinten“ unterhalb unseres Großhirns und sieht aus wie zwei, an den Hirnstamm geklebte, Walnüsse. Es macht nur ein Zehntel des Gewichts unseres Gehirns aus, beinhaltet aber 4/5 aller Hirnzellen. Alleine an dieser Verteilung kann man sehen wie wichtig dieses Gehirnareal auch für uns Menschen ist.
Im Kleinhirn laufen alle Informationen des Bewegungsapparates zusammen. Dort kommen die Informationen über den Spannungszustand der Muskeln und Sehnen an, die Informationen über die Stellung der Gelenke und Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan des Kopfes.
Gleichzeitig werden die Muskelbefehle der Großhirnrinde in Kopie dort in Echtzeit registriert und verschieden Informationen aus dem Hirnstamm verarbeitet.
Dieses Kommandozentrum hat Mitteilungskanäle zum Thalamus wo seine Informationen an das Großhirn weitergeleitet werden und wo mit Hilfe dieser Informationen willentliche motorische Befehle ausgearbeitet werden. Es hat jedoch auch Kanäle zum Hirnstamm, und damit direkt zur Muskulatur, um schnell und instinktiv auf Situationen reagieren zu können indem es den Körper reflexartig bewegt, oder unbewusst „austariert“.
Wie wir gesehen haben ist der Hirnstamm ebenfalls in alle Prozesse involviert. Das ist auch absolut logisch, denn er ist der älteste und wichtigste Teil unseres Gehirns. Hier werden Dinge wie unsere Atmung und der Herzschlag reguliert, hier laufen alle Informationen über unseren Körperzustand zusammen, hier tauscht sich das Kleinhirn mit den Augen, den Ohren und dem Gleichgewichtssinn aus, hier wird die Atem- und Schluckmuskulatur gesteuert und unsere Augenmuskeln koordiniert. Hier wird unser emotionales Erleben mit all den o. g. Funktionen abgestimmt.
Der Hirnstamm kann seine gewichtige Meinung über verschiedene Kanäle dem Verstand mitteilen. Er sitzt in der Führungsebene des Thalamus, beeinflusst die Schaltstelle der Basalganglien und hat einen ständigen Sitz in der Kommandozentrale des Kleinhirns. Seine Befehle gehen direkt an die Muskeln und Eingeweide und seine Meinung ist für den Verstand bindend.
Wenn der Hirnstamm der Meinung ist, dass der Verstand eine Situation nicht schnell genug lösen kann, dann übernimmt er selber die Kontrolle und setzt den Verstand auf die „Auswechselbank“. Er ist das Instinktzentrum von dem ich in dem Artikel über das Gehirn und die Bilder gesprochen habe, als es um den Tiger und „Fight, Flight, Freeze“ ging. Er ist es auch der die Wachheit und Aufmerksamkeit steuert.
Um die Zitate besser einordnen zu können empfehle ich die beiden Artikel komplett zu lesen, aber die Zitate sind für deine Fragestellung schon zielführend.
Gutes Training fördert die Vernetzung des OFC mit den tiefer liegenden Arealen, damit das Noradrenalin eben nicht diese Abschwächung des "bewussten" Reagierens bewirkt und man auch unter Hochstress handlungsfähig bleibt.
Der Umgang mit Aggressionen und die Kopplung von Motorik und Emotionen spielen da eine wichtige Rolle. Sämtliche Bewegungen sollten dabei den natürlichen Bewegungsmustern des Körpers entsprechen und eine hohe Wiederholungszahl aufweisen (da sind wir dann aber in der "technischen" Umsetzung von Kampfkunst).
Hi,
danke!
Die Artikel habe ich schon vor einer Weile gelesen. :)
In Kurz heißt es dann sowas wie, je stressiger die Situation, desto autobahniger sollte meine Wunschtechnik sein, um vor dem Echsenhirn dranzukommen, oder?
Und wäre ein Training vom Echsenhirn aus denkbar?
Also bei meinen ersten Auseinandersetzungen waren meine "Kampftechniken" (in verschiedenen Variationen): Schubsen, Haymaker, Doppeldeckung, (schlechtes) Greifen und irgendwie Niederringen, und (schlechte) Links-Rechts-Gerade im Kettenfauststyle (war allerdings alles vor meiner KK-Zeit).
Angenommen, ich wäre ein Anfänger und es wäre immernoch mein Echsenrepertoire - wäre es aus z.B. SV-Sicht sinnvoll mit genau diesen Techniken zu starten und sie zu verfeinern - aus dem Haymaker einen ordentlichen Hook zu entwickeln, die Links-Rechts-Kombo gescheit aufziehen, Fußarbeit hinzufügen, etc.
Wäre ich damit unter Stress ggf. schneller und zuverlässiger (dafür halt primitiver) handlungsfähig, als mit dem klassischen Training?
Man ruft in erster Linie das ab ,was man vertraut . Das was mit einem gewissen Sicherheitsgefühl verbunden ist , weil es schonmal gut geklappt oder sich immer wieder für einen Selbst bewährt hat . V.a. In unkooperativen Geschehen .je stärker es mit positiven Emotionen untermalt ist , desto eher greife ich darauf zurück
Gerade im Ernstfall experimentiert keiner mehr . Das bedeutet nicht das man nicht improvisiert , aber jede Improvisierung hat eine Vertraute Aktion als Ziel .
Man will in seinen vertrauten Raum gelangen .
Bedeutet, je künstlicher , je umständlicher , oder je fremder ( für deine Art dich zu bewegen ) eine Technik, eine Bewegung ist , desto weniger wirst du ihr vertrauen , desto unwahrscheinlicher ,das du sie abrufst . Is simple.
Es geht also weniger darum , ob etwas primitiv , einfach ist , sondern ob es deiner natürlichen Art zu reagieren , zu agieren , entspricht .
Der eine ist mehr an Kontakt interessiert , weil er gutes Feeling dort hat , der Nächste kann damit nix anfangen , er braucht die Distanz , den Abstand um handeln zu können.
Einer ist mehr der Passive , reagierende Typ , ein Anderer ist mehr der aktive , Agierende . Ist im Wettkampfbetrieb nicht anders .
Also gilt es , dein Disposition zu erkennen , ein guter Trainer sieht sowas .
Techniken , gerade in Sv Anwendungen sollten das berücksichtgen . Pauschal etwas überstülpen funzt nicht.
Nu zu meiner eigentlichen Frage:
Geht die schöne Technik unter Stress flöten, weil ich sie nicht gut genug trainiert habe (das wäre im Sprachenbeispiel "vergessen") oder weil die primitivere Technik nicht erfolgreich unterdrückt wird?
Ich würde mal den Aspekt, ob jemand genug trainiert hat aus der Betrachtung herauslassen - das mit einbezogen, lenkt von dem eigentlichen Mechanismus nur ab.
Wir nehmen also mal an, derjenige hätte ausreichend genug die einzelnen Bewegungen und Prinzipien trainiert, sprich vollkommen verinnerlicht.
Damit eine Blockade unter Stress eintritt, muss derjenige entweder von der Situation körperlich überwältig sein oder, wenn das nicht zutrifft, schlicht einfach zu viel Zeit zur Verfügung haben. Wir ignorieren ebenfalls mal den ersten Fall.
Die Wirkung von Zeit auf eine Blockade. Sobald ich nicht reaktiv, durch zu wenig Zeit, zu einer Handlung "gezwungen" werde, habe ich Zeit aktiv eine Entscheidung zu treffen. Das ist der Moment, in dem man zwischen mehreren Möglichkeiten sozusagen gefangen sein kann, das Denken übernimmt, Zweifel auftauchen können ect. pp. Ist dagegen die Zeit extrem stark reduziert, provoziert das nur eine reaktive, verinnerlichte Antwort, bei der das Hirn nicht beteiligt ist und somit auch schlicht keine Zeit und kein Raum für Zweifel, Abwägungen, Ängste, halt Denken, besteht.
Soweit erstmal.
@Lugasch
Das ganze ist ein wenig komplexer. Es gibt sehr, sehr grundlegende Bewegungsmuster unseres Körpers, die besonders dann zum Vorschein kommen wenn wir unter Stress geraten oder reflexartig reagieren. Funktionale Technik baut auf diesen Bewegungsmustern auf und nutzt sie.
So etwas kann man überall dort finden wo eine hohe Kompetenz von Bewegung unter Hochstress gefordert wird. Das ist an keine spezielle KK gebunden.
Das „modernste“ was ich da kennengelernt habe war Schießtraining bei Polizeieinheiten.
Tiefer in diese Materie einzusteigen habe ich schriftlich keine Lust und Zeit, aber immer gerne persönlich.
Das ist ein willkommener Anlass, einen leicht abgeänderten Text zu posten, den ich schon mal für einen anderen Faden geschrieben aber dann nie gepostet habe, weil zu viel um die Ohren und Off-Topic und so ;)
Ich bin ja kein Psychologe und auch auf dem Gebiet der Sportpsychologie ein ziemlicher Amateur mit einem «von der Hand in den Mund»-Ansatz (will sagen: solange es funktioniert, ist mir meistens vollkommen egal warum das so ist). Ich möchte dennoch einen Aspekt hier einführen, den ich im Sambo als «Erregungstheorie» kennengelernt habe – also dass Erinnerungen umso prägender sind, je höher der Erregungszustand in dem Moment war (ausformuliert übrigens in dem klassischen Sambo-Buch vom Weinmann Verlag, der deutschen Fassung von wasweissichwelcher Ausgabe des russischen Originals von Tschumakow, m.E. übrigens ein bemerkenswert gutes und häufig unterschätztes Buch). Das bedeutet im Klartext, dass tausende Wiederholungen in ruhigem Geisteszustand unter Umständen weniger «wirksam» sind als eine perfekte Wiederholung, die man in einem kritischen Moment erfolgreich ausgeführt hat. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen, an bestimmte Techniken / Bewegungsabläufe habe ich daher absolut gestochen klare und extrem einfach abrufbare Erinnerungen (und zwar an exakt eine bestimmte Ausführung in einem bestimmten Moment), an andere – auch wenn ich zig tausend Wiederholungen mit Dummy, Partner und Widerstand gemacht habe – deutlich verschwommenere, die erst eine Anwendung unter grösserem Druck brauchen, um für mich zu gleich klaren «Ankerpunkten» zu werden. Das erklärt auch indirekt, warum man meiner Meinung wirklich gute Trainingspartner braucht, um in kurzer Zeit wirklich wachsen zu können – nur ein wirklich forderndes Sparring reicht meiner Erfahrung nach als Erregungsminimum für so einen Ankerpunkt aus. Steel sharpens steel und so ;)
Das ist die Art, wie ich mir Techniken einpräge. Kankens Bagua-Linie würde vermutlich Bild dazu sagen, ich persönlich speichere das als «Erinnerung» oder «Gefühl» ab, und das visualisiere ich bewusst oder unbewusst, meistens als Handlungskomplex. Das ist gewissermassen mein «Autopilot». Teilweise ist es auch recht lustig, was so dabei rauskommt, wenn ich nicht nachdenke oder visualisiere – meistens ein slam oder noch öfter ein Suplex, beides ein Grund, warum ich Training ohne Matten oder mit Anfängern nie als Sparring betrachte, sondern höchstens als eingeschränktes rumspielen, bestenfalls als Drill. Dass es der Suplex ist, widerspricht aus meiner Sicht recht klar der Theorie des «natürlichen» - ein Suplex ist nun mal keine natürliche Handlung, schon gar nicht in der klassischen Form, und er war auch für mich nicht natürlich. Allerdings hat sich der Bewegungsablauf so stark eingeschliffen, dass er zum Reflex geworden ist. Ich habe das Phänomen auch bei anderen Ringern beobachtet – hin und wieder trifft man Leute, die in den Basics gelinde gesagt unterdurchschnittlich sind, aber eine einzelne, unglaublich hoch automatisierte und zum Teil extrem technische Lieblingstechnik haben, die sie sich irgendwann angeeignet haben. Welche das ist, ist meiner Erfahrung nach häufig eine Frage der Schule – will heissen, es ist fast immer eine der klassischen Handvoll an Techniken der Schule, nicht eine x-beliebige, die der Person eben besonders gut zugesagt hat. Das bedeutet, eine der Techniken, für die es in der Schule ein sehr ausgeklügeltes Drillsystem gibt, das standardmässig angewendet wird. Und ich komme nun mal ursprünglich aus einer Suplex-Schule…
Aber wie gesagt, das sind meine Erfahrungen und meine Sichtweise. Ihr prägt Euch Techniken vielleicht ganz anders ein, nehmt die anders war und visualisiert anders. Das einzige, was ich sagen kann ist, dass für mich die «Programmierung» so durchaus funktioniert hat.
Beste Grüsse
Period.
Dass es der Suplex ist, widerspricht aus meiner Sicht recht klar der Theorie des «natürlichen» - ein Suplex ist nun mal keine natürliche Handlung, schon gar nicht in der klassischen Form, und er war auch für mich nicht natürlich.
Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber der Suplex beruht auf extrem „natürlichen“ Bewegungsmustern, sogar mit den tiefsten und natürlichsten des Gehirns. Sie sind normalerweise nur anderweitig übersteuert.
Das fällt uns nur schwer zu erkennen, da der Suplex eben den gesamten Körper „benutzt“ und auch vor allem die Rumpfmuskulatur. Das „natürliche“ Nutzen dieser Muskulatur muss man erst wieder lernen.
Und schwupp, sind wir bei dem trivialen Thema wie man Bewegungen verinnerlicht, sprich: lernt; was in einer reaktiven Sportart, ohne Kampf nur ein Gähn hervorruft. Wobei, die Bildern da ja inzwischen auch schon. Wie ging das bloß früher...
Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber der Suplex beruht auf extrem „natürlichen“ Bewegungsmustern, sogar mit den tiefsten und natürlichsten des Gehirns. Sie sind normalerweise nur anderweitig übersteuert.
Das fällt uns nur schwer zu erkennen, da der Suplex eben den gesamten Körper „benutzt“ und auch vor allem die Rumpfmuskulatur. Das „natürliche“ Nutzen dieser Muskulatur muss man erst wieder lernen.
Du hast Recht, das fällt mir nicht ganz einfach zu glauben ;) Extrem natürlich, verglichen mit sagen wir einem Double Leg, einem Arm drag oder einem Osoto Gari, deren Grundprinzip im weitesten Sinne des Wortes «nach vorne gehen» bzw. «dranhängen» ist? Bei den «Opferwürfen» im Judo wie Tomoe Nage oder Sumi Gaeshi (Grundprinzip: Hinsetzen) oder Ura Nage (Grundprinzip: Hinlegen) mag das evtl. auch noch angehen. Der Bewegungsablauf, der dagegen einem klassischen Suplex am nächsten kommt, ist dagegen ein Handüberschlag rückwärts aka Flick-Flack.
Wie dem auch sei: Mir war der Aspekt mit der Erregungstheorie zur Steuerung der Tiefe von Einprägungen tatsächlich wichtiger.
Beste Grüsse
Period.
Du hast Recht, das fällt mir nicht ganz einfach zu glauben ;) Extrem natürlich, verglichen mit sagen wir einem Double Leg, einem Arm drag oder einem Osoto Gari, deren Grundprinzip im weitesten Sinne des Wortes «nach vorne gehen» bzw. «dranhängen» ist?
...
Wie dem auch sei: Mir war der Aspekt mit der Erregungstheorie zur Steuerung der Tiefe von Einprägungen tatsächlich wichtiger.
Das Problem bei schriftlicher Forenkommunikation ist halt das man erst einmal die Definition von „natürlicher Bewegung“ abgleichen müsste. Ich denke da wird mein Ansatz anders sein als deiner ;)
Bei der Erregungstheorie bin ich übrigens ganz bei Dir. Daher schrieb ich ja auch „emotionale Kopplung“ von Bewegung. Spielerisch beim Lernen, Stress beim Vertiefen und freien Anwenden.
Und schwupp, sind wir bei dem trivialen Thema wie man Bewegungen verinnerlicht, sprich: lernt
Waren wir da nicht von Anfang an? Die Ausgangsfrage bezog sich ja mindestens ebenso sehr darauf, wie man die Blockade umgeht wie darauf, warum sie denn da ist. Meine Antwort darauf in Kurzform: Vertrauen in die Technik aufbauen und Technik festigen über steigende Aufregung bei der Technikdurchführung. Je näher die Bedingungen bei erfolgreicher Technikdurchführung an den "Realbedingungen" liegen, desto tiefer die Einprägung.
Warum die Blockade auftritt - na, das gibts in anderen Sportarten auch. Der Hauptgrund dafür ist, dass man mit dem Druck nicht klar kommt, anstatt dass man durch den Druck über sich hinauswachsen würde. Und warum kommt man mit dem Druck nicht klar? Weil man ihn nicht gewohnt ist. Und damit wieder zurück zu a.
Wie ging das bloß früher...
Ganz genauso?
Beste Grüsse
Period.
Das Problem bei schriftlicher Forenkommunikation ist halt das man erst einmal die Definition von „natürlicher Bewegung“ abgleichen müsste. Ich denke da wird mein Ansatz anders sein als deiner ;)
Das mag durchaus sein ;)
Bei der Erregungstheorie bin ich übrigens ganz bei Dir. Daher schrieb ich ja auch „emotionale Kopplung“ von Bewegung. Spielerisch beim Lernen, Stress beim Vertiefen und freien Anwenden.
:halbyeaha
@Period:
Wie schätzt du den Lernerfolgunterschied zwischen Wettkampf (nehmen wir das als Referenz mit 100% an) und Sparring mit einem guten Partner?
Und was sind deine Emotionalisierungsansätze beim "normalen" Training?
Und noch ein Gedanke:
Theoretisch müsste das ja dann auch anders herum gehen - also, dass ich eine vielversprechende Technik verbrenne, weil ich damit in einer Stresssituation versagt habe - hat das schon jemand so erlebt?
Bei Suplex hätte ich übrigens zumindest den ersten Part der Bewegung (packen+anheben) für natürlich gehalten, das Ende dann aber nicht unbedingt... außer man denkt an die Jagd, wo der unbewaffnete Homo Erectus kleine, wehrhafte Beute gepackt und übern Kopf geworfen haben könnte, quasi als Ersatz des Genickbisses und des Schleuderns - der Suplex wäre dann eine Profivarinte der "Zahnlosen" :D
Affenherz
09-04-2021, 09:36
Kleine Kinder werfen gern im Sitzen Arme und Nase in die Luft und strecken dabei den Torso, so daß sie mit Schwung nach hinten umkippen. Das bringt denen keiner bei. Es ist völlig natürlich. Man darf Bewegung und Anwendung nicht miteinander verwechseln.
Kleine Kinder werfen gern im Sitzen Arme und Nase in die Luft und strecken dabei den Torso, so daß sie mit Schwung nach hinten umkippen. Das bringt denen keiner bei. Es ist völlig natürlich. Man darf Bewegung und Anwendung nicht miteinander verwechseln.
Guter Einwand!
Mir geht es tatsächlich eher um die natürlichn Anwendungen.
@Period:
Wie schätzt du den Lernerfolgunterschied zwischen Wettkampf (nehmen wir das als Referenz mit 100% an) und Sparring mit einem guten Partner?
Und was sind deine Emotionalisierungsansätze beim "normalen" Training?
Ich würde sagen, in der Regel maximal 1:10 Sparring zu Wettkampf - meiner Erfahrung nach. Wenn es ein extrem schwieriger Partner ist - sagen wir, jemand an dem man sich zwei, drei Jahre lang die Zähne ausgebissen hat wie ich an einem bestimmten Kaderathleten - dann kann das Erfolgserlebnis auch dramatisch zugunsten des Sparrings kippen.
Und noch ein Gedanke:
Theoretisch müsste das ja dann auch anders herum gehen - also, dass ich eine vielversprechende Technik verbrenne, weil ich damit in einer Stresssituation versagt habe - hat das schon jemand so erlebt?
Ja, das gibt es. Shakhmuradov beschreibt das als "losing your favorite hold". Praktischerweise gibt er auch Empfehlungen, wie man das umkehren kann.
Beste Grüsse
Period.
Kleine Kinder werfen gern im Sitzen Arme und Nase in die Luft und strecken dabei den Torso, so daß sie mit Schwung nach hinten umkippen. Das bringt denen keiner bei. Es ist völlig natürlich. Man darf Bewegung und Anwendung nicht miteinander verwechseln.
Das ist "hinlegen" verbunden mit einer (leichten) Hyperextension und entspricht einem Ura-Nage. Ein Suplex ist dagegen ein Zurückfallen in die (Ringer-)Brücke - wobei man bevorzugt den Fall mit dem Nacken des Gegners/Partners abfängt, mit anschliessendem Überschlag oder übersteigen zur Seite. Wie gesagt, praktisch ein Flick-Flack.
Im Prinzip stimme ich zu dass all (!) Techniken sich von "natürlichen" Bewegungsabläufen ableiten. Allerdings ist der Bezug dazu meiner Meinung nach bei praktisch allen Ringtechniken stärker als beim Suplex, und die Überwindung kleiner. Gemäss der Erregungstheorie führt das aber auch automatisch zu einer besonders starken Einprägung.
Beste Grüsse
Period.
Björn Friedrich
09-04-2021, 10:09
Torsten Kanzmeier (von dem ich wirklich viel gelernt habe) hat mal zu mir gesagt: WILLE ERZEUGT WEG und genau das trifft es eigentlich ganz gut. Das Wollen und auch das NICHT-WOLLEN sorgen dafür das man viel versucht, viel Widerstand schaft und gegen die Schwerkraft arbeitet. Und wer gegen die Schwerkraft arbeitet, erzeugt beim anderen eine Gegenspannung und das führt dazu das am Ende nur noch Schrott rauskommt.
Der Zustand des Wollens, der Emotionen, der Wut, etc. führt nie zu guten Ergebnissen. Von daher sollte das Ziel sein, den Widerstand in einem selber aufzulösen, sobald man ihn in einer Stresssituation fühlt. Ansonsten bleiben halt nur rudimentäre Sachen übrig....
Das bedeutet im Klartext, dass tausende Wiederholungen in ruhigem Geisteszustand unter Umständen weniger «wirksam» sind als eine perfekte Wiederholung, die man in einem kritischen Moment erfolgreich ausgeführt hat.
.......
Das erklärt auch indirekt, warum man meiner Meinung wirklich gute Trainingspartner braucht, um in kurzer Zeit wirklich wachsen zu können – nur ein wirklich forderndes Sparring reicht meiner Erfahrung nach als Erregungsminimum für so einen Ankerpunkt aus. Steel sharpens steel und so
Das ist die Art, wie ich mir Techniken einpräge. Kankens Bagua-Linie würde vermutlich Bild dazu sagen, ich persönlich speichere das als «Erinnerung» oder «Gefühl» ab, und das visualisiere ich bewusst oder unbewusst, meistens als Handlungskomplex. Das ist gewissermassen mein «Autopilot».
.......
Welche das ist, ist meiner Erfahrung nach häufig eine Frage der Schule – will heissen, es ist fast immer eine der klassischen Handvoll an Techniken der Schule, nicht eine x-beliebige, die der Person eben besonders gut zugesagt hat. Das bedeutet, eine der Techniken, für die es in der Schule ein sehr ausgeklügeltes Drillsystem gibt, das standardmässig angewendet wird. Und ich komme nun mal ursprünglich aus einer Suplex-Schule…
Aber wie gesagt, das sind meine Erfahrungen und meine Sichtweise. Ihr prägt Euch Techniken vielleicht ganz anders ein, nehmt die anders war und visualisiert anders. Das einzige, was ich sagen kann ist, dass für mich die «Programmierung» so durchaus funktioniert hat.
Das mit dem Erregungszustand finde ich ich eine wirklich sehr gute Formulierung, die etwas das wir im Yiquan machen doch nochmal klarer zum Ausdruck bringt, als ich das bisher ausdrücken konnte: Quantität führt eben nicht ab einem gewissen Punkt zwingend zu Qualität (oder zu einer Qualität die noch in Relation zum Aufwand steht); ausschlaggebend ist immer die Idee mit der ich etwas mache. Damit verlässt man eben eine Art zweidimensionaler Ebene von repetitiver Technikwiederholung und macht eine Tiefendimension qualitativer Natur auf.
Eine Idee im Yiquan ist nichts anderes, als dass man sich in einen gewissen Erregungszustand versetzt. Das ist schwer zu beschreiben, da es eben nicht das klassische Visualisieren ist, wo man sich etwas "bildlich" vorstellt --- visualisiert. Das bildliche vorstellen mag ein Vorgang sein, um sich mit der Idee vertraut zu machen, aber im Training an sich versucht man eben gerade aus dem Kopf, aus Bildern rauszukommen und direkt mit diesem Gefühl zu arbeiten, das eben wie eine Erinnerung ist die irgendwo tief im Körper sitzt.
Z.B. die Idee auf einem Fussbreiten Holzstamm über einer tiefen Schlucht zu stehen; oder von wilden Tieren umgeben sein, die dabei sind zum Sprung anzusetzen und einen töten wollen. Das sind Bilder, aber die Bilder sind nur eine Krücke um ein Gefühl zu beschreiben, einen Erregungszustand den man bewusst versucht zu evozieren. Die konkrete Ausführung an sich hat dann nichts mehr mit visualisieren zu tun, sondern kommt tief und direkt irgendwo aus dem "inneren". Das ist etwas was im Körpergedächtnis abgerufen wird. Dieser Erregungszustand kann trainiert werden und auf diesen Zustand kann man direkt zugreifen bei Bedarf. Je echter und tiefer das im Training umgesetzt wird, desto mehr überlagert es eben das Programm was in einer wirklichen Stresssituation dazu führt, dass nichts mehr geht.
Klar ist natürlich wie Du schreibst, dass man letztendlich nicht ohne die wirkliche Situation auskommt. Je direkter desto besser (steel sharpens steel, wie ich dich verstanden habe). Das heisst man trainiert hauptsächlich (nicht ausschließlich) so wie das, wo man letztendlich auch hin will. Das Yiquan hat neben dem Partner- bzw. Sparringtraining eben eine Methode entwickelt das sozusagen im Labormodus zu trainieren (zu simulieren). Das ganze funktioniert aber nicht nur mit einen Kampf-Erregungsmodus, sondern auch in Richtung Entspannung und Lebenspflege.
Der Zustand des Wollens, der Emotionen, der Wut, etc. führt nie zu guten Ergebnissen.
Bedingt....
Wenn die Emotionen einen sozusagen überrollen und man von ihnen dominiert ist würde ich sagen ja; aber umgekehrt kann man eben auch bewusst mit "Gefühlen", mit Erregungszuständen arbeiten (Torsten hat das ja auch in gewisser Weise gemacht). Das ist ja auch eine Form des "Wollens". D.h., in dem Moment wo ich bewusst etwas mache, will ich. Aber Wollen und Wollen ist natürlich nicht immer dasselbe ;-)
dbma_ffm
09-04-2021, 10:50
Geht die schöne Technik unter Stress flöten, weil die primitivere Technik nicht erfolgreich unterdrückt wird?
Techniktraining so zu gestalten, dass ich die Technik nutze, die sich unter Stress eh aufdrängt und diese dann nach und nach ausbessere.
Ja. Oder so lassen, wenn sie funktioniert. :)
dbma_ffm
09-04-2021, 11:04
Je näher die Bedingungen bei erfolgreicher Technikdurchführung an den "Realbedingungen" liegen, desto tiefer die Einprägung.
Techniken bei hoher physischer Anstrengung zu üben, also hoher Puls, müde Muskeln usw. ( wettkampfsituation ) hilft erfahrungsgemäß ganz gut beim verinnerlichen. Was nach 15 Minuten sharktank noch ausführbar ist, geht ausgeruht meist noch besser.
concrete jungle
09-04-2021, 20:16
Ja da ist was dran!
”Dave Grossman, a former army lieutenant colonel and the author of On Killing, argues that the optimal state of ‘arousal’ – the range in which stress improves performance – is when our heart rate is between 115 and 145 beats per minute… ‘After 145,’ Grossman says, ‘bad things begin to happen. Complex motor skills start to break down. Doing something with one hand and not the other becomes very difficult. … At 175bpm, we begin to see an absolute breakdown in cognitive processing. … The forebrain shuts down, and the mid-brain – the part of your brain that is the same as your dog’s … – reaches up and hijacks the forebrain. Have you ever tried to argue with an angry or frightened human being? You can’t do it."
hand-werker
09-04-2021, 20:36
Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber der Suplex beruht auf extrem „natürlichen“ Bewegungsmustern, sogar mit den tiefsten und natürlichsten des Gehirns. Sie sind normalerweise nur anderweitig übersteuert.
Auf welchen denn? Und wovon werden die normalerweise überteuert?
Willi von der Heide
09-04-2021, 21:07
Geht die schöne Technik unter Stress flöten, weil ich sie nicht gut genug trainiert habe (das wäre im Sprachenbeispiel "vergessen") oder weil die primitivere Technik nicht erfolgreich unterdrückt wird?
Dir " fehlt " etwas ... :D auf der einen Seite Wettkampferfahrung. auf der anderen Seite Erfahrung mit Gewalt. Mit Wettkampf habe ich nichts mehr am Hut und laße das mal außen vor. Was ich habe ist Erfahrung mit z.T. brachialer Gewalt.
Sei froh, daß dir das fehlt. Diese Starre die du beschreibst zeigt, daß dein Körper und dein Verstand diese Erfahrung nicht haben und deswegen kein Werkzeug entwickelt haben um damit umzugehen. Du schaffst es nicht zu fliehen und du schaffst es nicht zu kämpfen, da bleibt nur noch eines du mußt dich dem Säbelzahntiger gegenüber totstellen. Ist die einzige Möglichkeit die übrig bleibt und jetzt noch Sinn ergibt.
Was hilft ist ein gut gemachtes Szenario. Man kann sich der " Realität " nicht zu 100 % nähern, ich weiß, daß das viele wollen, es geht aber nicht. Es reichen schon 70 oder 80 %. Macht man so etwas ab und zu mal, mit einer anschließenden Analyse per Video usw. bringt einem das schon ordentlich was. Je öfter man das macht, desto besser kann der Körper mit dem ausgeschüttetem Streß umgehen. Es bringt nichts gegen die menschliche Natur anzuarbeiten, daß funktioniert nicht. Der Körper alleine entscheidet wann er Adrenalin ausschüttet, nicht wir.
Und falls letzteres:
Wäre es denkbar, das Techniktraining so zu gestalten, dass man mit dem Primitivzeug anfängt und das ausbaut? Ich meine damit nicht, dass ich eine Technik erst grob lerne, verfeinere und so oft wiederhole, bis es im Blut ist (das wäre der klassische Ansatz), sondern dass ich die Technik nutze, die sich unter Stress eh aufdrängt und diese dann nach und nach ausbessere. Der Vorteil wäre dann quasi eine grundsätzlich immer abrufbare Technik.
Oder ist das Quatsch?
Nein, man muß herausfinden ob das für dich ein gangbarer Weg ist. Wenn du so besser lernst ... OK.
Willi von der Heide
09-04-2021, 21:14
Zu oft sollte man ein Szenariotraining aber nicht durchführen, weniger ist mehr heißt wohl die Devise. Es hat schon Teilnehmer an solchen Veranstaltungen gegeben die heftig " getriggert " wurden.
Daß gleiche ist es wenn man regelmäßig in solche Streßsituationen kommt. Ist auch nicht gut für Köper und Psyche und führt igendwann zu einer Belastungsreaktion. Die Besuche beim Psychotherapeuthen haben mir immer geholfen, solche Situationen gut zu verarbeiten.
" Schaust du zu lange in den Abgrund, dann blickt der Abgrund irgendwann zurück ... "
@Willi:
von der Starre hab ich aber gar nicht gesprochen und das "ich" in den Beispielen war ein hypothetisches ;)
Also mir (diesmal dem echten) ging es tatsächlich um einen sehr speziellen Aspekt der "Übersteurung", aber ich finde die Diskussionen von den anderen Leuten ziemlich interessant und lese gespannt mit. Die Starre wäre ggf. ein extra Thema wert :)
Ich finde die "No Win" Szenarien sehr lehrreich, aber von denen verträgt man echt nicht viele
Pansapiens
10-04-2021, 05:35
Allerdings ist der Bezug dazu meiner Meinung nach bei praktisch allen Ringtechniken stärker als beim Suplex, und die Überwindung kleiner.
Hmm...
Überwindung impliziert ja eine Hemmung.
Eventuell ist die Hemmung das, was laut Kanken die natürliche Bewegung übersteuert bzw. eben hemmt.
Da stellt sich die Frage, auf welcher Ebene die Hemmung realisiert ist, die überwunden wird.
Wenn man fällt, scheint es "natürlich", sich mit den Händen abzufangen.
Das ist nicht immer sinnvoll, bzw. gesund, daher wird es ja in manchen Kampfsportarten abtrainiert (Fallschule).
Wenn man rückwärts fällt, ist das mit den Händen schwer, daher wird man sich natürlicherweise eher Hinsetzen und den Sturz mit dem Hintern abzufangen oder den Körper in der Längsachse zu drehen/verwringen.
Diese Neigungen muss man bei einem Handstandüberschlag rückwärts überwinden.
Da stellt sich - wie gesagt - die Frage ob diese Neigungen angeboren sind und bei der Ausführung gehemmt werden müssen, oder ob diese Neigungen auf höheren Ebenen die Ausführung hemmen (weil man auf höherer kognitiver Ebene die Befürchtung hat, sich das Genick zu brechen oder so...) und quasi nur verlernt oder gelassen werden müssen.
Man darf Bewegung und Anwendung nicht miteinander verwechseln.
Eine Anwendung wäre eine Bewegung in einem bestimmten Kontext?
Der oben thematisierte Handstandüberschlag rückwärts, erfordert eventuell weniger Überwindung, wenn man den nicht im Schwerefeld der Erde oder im Wasser ausführt oder dabei eine Sicherung hat, sei es eine Sicherung mit Gurt, oder nur die Hilfestellung eines Trainers, der mit der Hand den Rücken stützt und so hilft, nicht nur die Bewegung zu erlernen sondern auch zu erkennen, dass man es kann.
Pansapiens
10-04-2021, 06:00
Techniken bei hoher physischer Anstrengung zu üben, also hoher Puls, müde Muskeln usw. ( wettkampfsituation ) hilft erfahrungsgemäß ganz gut beim verinnerlichen. Was nach 15 Minuten sharktank noch ausführbar ist, geht ausgeruht meist noch besser.
Ja da ist was dran!
”Dave Grossman, a former army lieutenant colonel and the author of On Killing, argues that the optimal state of ‘arousal’ – the range in which stress improves performance – is when our heart rate is between 115 and 145 beats per minute… ‘After 145,’ Grossman says, ‘bad things begin to happen. Complex motor skills start to break down. Doing something with one hand and not the other becomes very difficult. … At 175bpm, we begin to see an absolute breakdown in cognitive processing. … The forebrain shuts down, and the mid-brain – the part of your brain that is the same as your dog’s … – reaches up and hijacks the forebrain. Have you ever tried to argue with an angry or frightened human being? You can’t do it."
Mal davon abgesehen, dass Hunde doch ganz gut kämpfen können und Grossman doch nach meiner Erinnerung Schäferhunde als Bild für Gewaltkompetenz in guten Händen anführt...
Ist es da nicht ein Unterschied, warum der Puls nun hoch geht?
Ich bin früher gerne länger Anstiege mit dem Fahrrad hochgefahren, da hatte ich längere Zeit sehr hohen Puls, ohne emotional aufgeregt gewesen zu sein, oder den Eindruck, da große kognitive Verluste zu haben.
Ich konnte auch noch die Hände getrennt voneinander bewegen.
Pansapiens
10-04-2021, 06:23
Vor einer Weile habe ich die Aussage gehört, dass wenn Menschen mehrere Sprachen gleich gut beherrschen, sie öfter Wortfindungsschwierigkeiten haben. Das soll aber nicht daran liegen, dass sie die Worte vergessen haben, sondern daran, dass sie die andere Sprache nicht ausreichend unterdrücken können. Also angenommen, ich würde gleich gut deutsch und spanisch sprechen. Ich unterhalte mich mit Spaniern, will irgendwas von Brot erzählen, aber das spanische Wort Brot fällt mir nicht ein - nicht weil ich das vergessen habe, sondern weil die deutsche Sprache vor meinem inneren Auge auf und ab hüpft und keine Ruhe gibt.
Nu zu meiner eigentlichen Frage:
Geht die schöne Technik unter Stress flöten, weil ich sie nicht gut genug trainiert habe (das wäre im Sprachenbeispiel "vergessen") oder weil die primitivere Technik nicht erfolgreich unterdrückt wird?
Dein Sprachbeispiel geht ja davon aus, dass Du die Sprachen gleich gut beherrschst, während Du in der "eigentlichen Frage" von Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen sprichst.
Da wäre das Bild eher jemand, der in seine Muttersprache zurückfällt.
Ich hab mal gelesen, dass eine Sprache die in der frühkindlichen Phase erlernt wird in einem anderen Hirnareal "realisiert" ist, als später erlernte Sprachen.
Die Muttersprache wäre dann "primitiver" im Sinne von auf tiefer liegender Ebene.
Es gibt KK, die üben Techniken nur mit einer Seite, damit die eben in einer Stressituation nicht zu viele Möglichkeiten der Wahl haben, die sich hemmen können.
Auf der anderen Seite dachte ich, das was Du hier thematisierst - der Rückgriff auf "primitive" auch unter Stress noch funktionierende Bewegungsmuster - wäre inzwischen in der SV üblich?
discipula
10-04-2021, 06:44
Auf der anderen Seite dachte ich, das was Du hier thematisierst - der Rückgriff auf "primitive" auch unter Stress noch funktionierende Bewegungsmuster - wäre inzwischen in der SV üblich?
Genau mit dieser Erklärung wurde mir jedenfalls in meiner allerersten Wing Chun Stunde die Kettenfäuste vorgestellt: simple Sache, natürliches Bewegungsmuster, man muss nur an eines denken, es braucht keine millimetergenaue Präzision, sprich, es wird alles dafür getan, dass es auch unter Stress abrufbar ist, und das schon nach kurzer Zeit.
und darauf wird dann aufgebaut.
Pansapiens
10-04-2021, 06:49
Genau mit dieser Erklärung wurde mir jedenfalls in meiner allerersten Wing Chun Stunde die Kettenfäuste vorgestellt: simple Sache, natürliches Bewegungsmuster, man muss nur an eines denken, es braucht keine millimetergenaue Präzision, sprich, es wird alles dafür getan, dass es auch unter Stress abrufbar ist, und das schon nach kurzer Zeit.
und das hast Du geglaubt?:)
Waren wir da nicht von Anfang an? Die Ausgangsfrage bezog sich ja mindestens ebenso sehr darauf, wie man die Blockade umgeht wie darauf, warum sie denn da ist.
Wir müssen ja nicht in jeden Apfel beißen, der uns hingehalten wird. Man kann sich der Frage halt von verschiedenen Seiten nähern. Wollte nur anmerken, dass wir in der Regel immer gerne den technischen Aspekt fokussieren. Wohl weil dieser beherrschbarer scheint und wir diesen leichter verstehen. Der technische Aspekt verkleinert aber nur das Fenster, den Grund für eine Blockade. Ich halte es für sinnvoller sich mit dem Grund selbst zu beschäftigen.
Meine Antwort darauf in Kurzform: Vertrauen in die Technik aufbauen und Technik festigen über steigende Aufregung bei der Technikdurchführung. Je näher die Bedingungen bei erfolgreicher Technikdurchführung an den "Realbedingungen" liegen, desto tiefer die Einprägung.
Ja, das ist ein scheinbar gutes Mittel. Wenn Du mit "Realbedingung" aber realen Stress meinst, muss ich doch anführen, dass die schlicht schiere große Menge an Wiederholungen hinreichend ist, etwas zutiefst zu verinnerlichen.
Warum die Blockade auftritt - na, das gibts in anderen Sportarten auch. Der Hauptgrund dafür ist, dass man mit dem Druck nicht klar kommt, anstatt dass man durch den Druck über sich hinauswachsen würde. Und warum kommt man mit dem Druck nicht klar? Weil man ihn nicht gewohnt ist. Und damit wieder zurück zu a.
Erstmal, Vorsicht. Wir bewegen uns hier in einem Thread, der SV thematisiert hat. Der Stress im Wettkampf und in Ernstfall kann, zu bestimmten Bedingungen gleich wirken, zu anderen aber überhaupt nicht. Das sind grob zwei unterschiedlich zu betrachtende Momente des "Stresses".
Ganz genauso?
Bin mir da nicht sicher.
discipula
10-04-2021, 07:20
und das hast Du geglaubt?:)
da es sich bewährte, ja klar.
@ETARAK:
ich hänge nicht an SV als Stressfaktor, ich habe es eher ins Spiel gebracht, um zu gucken, ob es ein sinnvoller Grund wäre das Training aus dem primitiven zu starten.
Ich denke, dass ein VK-Wettkampf dem Erregungszustand der SV am nächsten kommt. Die Erregung ist zwar nicht ganz so hoch, dauet dafür aber viel länger, weil man ja schon Tage/Wochen/Monate vorher weiß, dass man kämpfen wird.
Rein adrenalintechnisch war bei mir der Wettkampf den echten Schlägereien am nächsten, auch wenn es durchaus Szenariotraining gab, wo man im "Spiel" aufgegangen ist. War fast wie echt, nur nicht ganz so aufregend.
Dein Sprachbeispiel geht ja davon aus, dass Du die Sprachen gleich gut beherrschst, während Du in der "eigentlichen Frage" von Kompetenzen auf verschiedenen Ebenen sprichst.
Da wäre das Bild eher jemand, der in seine Muttersprache zurückfällt.
Ich hab mal gelesen, dass eine Sprache die in der frühkindlichen Phase erlernt wird in einem anderen Hirnareal "realisiert" ist, als später erlernte Sprachen.
Die Muttersprache wäre dann "primitiver" im Sinne von auf tiefer liegender Ebene.
Es gibt KK, die üben Techniken nur mit einer Seite, damit die eben in einer Stressituation nicht zu viele Möglichkeiten der Wahl haben, die sich hemmen können.
Auf der anderen Seite dachte ich, das was Du hier thematisierst - der Rückgriff auf "primitive" auch unter Stress noch funktionierende Bewegungsmuster - wäre inzwischen in der SV üblich?
Ich bin mittlerweile gedanklich von den primitiven Bewegungsmustern abgerückt hin zu primitiven Techniken. Da ist dann auch dein Beispiel mit der Muttersprache vs erlernte Sprache sehr aufschlussreich - ich nehme an, dass die primitiven Techniken individuell zusammengestellt sind, natürlich mit ähnlichen Mustern über die Weltbevölkerung betrachtet. Bei einigen SV-Anbietern habe ich das mit den primitiven Bewegungsmustern gehört (SPEAR und so.), kenne mich da aber nicht so aus. In dem Beispiel mit den primitiven Techniken (nicht Bewegungsmustern) müsste man aber vor dem Training erst rausfinden, auf was die Person unter Stress zurückgreift.
Bei den Bewegungsmustern gehe ich davon aus, dass diese universell sind. Primitive Technik wäre dann eine Art persönliche Auswahl und Zusammensetzung von einigen primitiven Bewegungen und wäre damit ganz klein wenig weniger primitiv (im Sinne von jünger), wäre also doch irgendwie erlernt, nur eben sehr früh.
Pansapiens
10-04-2021, 08:14
https://i.redd.it/ohb7sgis182z.jpg
https://www.youtube.com/watch?v=0BrUGYcBbuE&t=99s
Auf welchen denn? Und wovon werden die normalerweise überteuert?
Die Antwort darauf ist leider etwas länger, da man dazu tiefer in die Neurophysiologie und Neuroanatomie von Bewegung einsteigen muss.
Bis jetzt habe ich noch keine Zeit gefunden das kurz und kompakt für nicht Fachleute zusammenzuschreiben.
Das Problem ist halt dass man dazu sehr viele Subthemen behandeln muss und wie sie zusammenhängen. Die Zusammenhänge sind jedoch so „tief“ im Gehirn verankert dass man da ziemlich detailliert in die Neuroanatomie einsteigen muss und das so zu beschreiben dass es Leute ohne entsprechende Vorbildung verstehen erfordert einiges an Vorbereitung in der Didaktik.
Bis jetzt vermitteln wir das im Training mündlich und mit einigen Folien, aber am einfachsten erscheint es mir immer noch die beschreibenden Worte der TCMA zu nutzen. Das sind dann aber Begriffe die ein „Westler“ erst einmal „komisch“ findet und die man zumindest in den Basics in den richtigen Kontext setzen muss (für das Verständnis des rationalen Westlers).
Das ist halt „work in progress“. Wen das wirklich interessiert, dem erkläre ich das gerne persönlich.
Moin zusammen,
ich habe eine spezielle Frage an unsere "Kopfexperten", aber natürlich auch an alle, die einfach nur so Ahnung haben. :)
Viele kennen ja bestimmt das Phänomen, dass unter Stress (Wettkampf, Schlägerei, etc.) von der schönen Technik nicht mehr viel übrig bleibt.
Mich interessiert ein recht spezieller Aspekt des "Warum".
Erstmal, Vorsicht. Wir bewegen uns hier in einem Thread, der SV thematisiert hat. Der Stress im Wettkampf und in Ernstfall kann, zu bestimmten Bedingungen gleich wirken, zu anderen aber überhaupt nicht. Das sind grob zwei unterschiedlich zu betrachtende Momente des "Stresses".
Meine Erfahrung ist, dass in einem sportlichen Wettkampf die Aufregung nur am Anfang ist und es dann oft dazu kommt, dass man Ladehemmungen hat, die sich aber immer Laufe des Wettkampfs normalerweise ziemlich schnell legen und man sozusagen "reinkommt".
In einer wirklich gefährlichen Situation die aus dem "Nichts" auftaucht und wo eine plötzliche Bedrohung da ist, ist es meine Erfahrung nach genau umgekehrt: man reagiert erst und macht reflexartig alles notwendige um erstmal nicht "unterzugehen". Der Schock kommt i.d.R. danach (oder man merkt ihn erst dann).
Beides sind für mich zwei komplett verschiedene Szenarien.
Gerade im VK Wettkampf wird aber auch damit gearbeitet von Anfang so viel Druck aufzubauen, dass der Gegner eben gar nicht erst dazu kommt sich zu sortieren und in seinen Rhythmus zu kommen. Das kann soweit gehen, dass jemand schon als so bedrohlich wahrgenommen wird, dass allein die Präsenz schon für eine gewisse Lähmung/Respekt sorgt. Diese Blockade muss man dann erstmal lösen können. Das ist so, wie wenn man auf die Bühne tritt um eine Rede zu halten, dann aber vor lauter Aufregung alles vergisst.
aber am einfachsten erscheint es mir immer noch die beschreibenden Worte der TCMA zu nutzen.
Welche meinst du damit? So ein kurzer Überblick wäre bestimmt interessant für alle hier. Du musst sie ja nicht in der Tiefe erklären.
dbma_ffm
10-04-2021, 10:14
Ich bin früher gerne länger Anstiege mit dem Fahrrad hochgefahren, da hatte ich längere Zeit sehr hohen Puls, ohne emotional aufgeregt gewesen zu sein, oder den Eindruck, da große kognitive Verluste zu haben.
Eine lustige Nebenbeschäftigung wenns anfängt langweilig zu werden ist Kopfrechnen. Interessant dabei ist dann bis zu welcher Pulsfrequenz das noch machbar ist, ohne durcheinander zu kommen.
Alternativ geht auch ich packe meinen Koffer :)
Schnueffler
10-04-2021, 10:30
Mal davon abgesehen, dass Hunde doch ganz gut kämpfen können und Grossman doch nach meiner Erinnerung Schäferhunde als Bild für Gewaltkompetenz in guten Händen anführt...
Ist es da nicht ein Unterschied, warum der Puls nun hoch geht?
Ich bin früher gerne länger Anstiege mit dem Fahrrad hochgefahren, da hatte ich längere Zeit sehr hohen Puls, ohne emotional aufgeregt gewesen zu sein, oder den Eindruck, da große kognitive Verluste zu haben.
Ich konnte auch noch die Hände getrennt voneinander bewegen.
Aus eigener Erfahrung ist es ein Unterschied, warum der Puls hochgeht.
Lasse ich die Leute nur laufen, sind die Einschränkungen minimal.
Fange ich aber an sie unterschiedlich zu fordern, sei es Ausdauerleistungen, dann mal 10 LS eingestreut, wieder Ausdauer, 10 Burpees, dazu bekommen einzelne Leute Fragen gestellt, Rechenaufgaben, etc. und dann auf Händeklatschen greift einer an, wird es sehr unkoordiniert.
Simuliert aber definitiv immer noch nicht den Stress, den man in einer realen Situation erlebt.
@Period: Und was sind deine Emotionalisierungsansätze beim "normalen" Training?
Sorry, den Teil hatte ich gestern vergessen zu beantworten. Es läuft primär über Visualisierung. Für die Visualisierung in anderen Stilen kann ich nicht sprechen, ich habe Visualisierung eher als fortgeschrittenes Stadium des Trainings kennengelernt, sprich, das Training mit Partner geht der Visualisierung voraus und man visualisiert primär Abläufe, von denen man sehr genau weiss, wie sie sich anfühlen müssen. Das funktioniert sowohl mit Visualisierungshilfe (Dummy, Gummibänder etc) als auch ohne, wobei ersteres m.E. eine Erleichterung darstellt, nachdem man den Gegner nicht vollständig visulisieren muss.
Beste Grüsse
Period.
Das mit dem Erregungszustand finde ich ich eine wirklich sehr gute Formulierung, die etwas das wir im Yiquan machen doch nochmal klarer zum Ausdruck bringt, als ich das bisher ausdrücken konnte: [...]
Klar ist natürlich wie Du schreibst, dass man letztendlich nicht ohne die wirkliche Situation auskommt. Je direkter desto besser (steel sharpens steel, wie ich dich verstanden habe). Das heisst man trainiert hauptsächlich (nicht ausschließlich) so wie das, wo man letztendlich auch hin will. Das Yiquan hat neben dem Partner- bzw. Sparringtraining eben eine Methode entwickelt das sozusagen im Labormodus zu trainieren (zu simulieren). Das ganze funktioniert aber nicht nur mit einen Kampf-Erregungsmodus, sondern auch in Richtung Entspannung und Lebenspflege.
Freut mich, wenn ich sinnvolle Inputs geben konnte ;) Was ich zu "Steel sharpens steel" noch anmerken sollte: hier gibt es verschiedene Ansätze, die auch je nach Schule und Trainingspartner sehr stark variieren können. Es ist dezidiert nicht so, dass härteres Sparring zwangsläufig zielführender oder besser ist, die Sparringshärte wird mit Bedacht und auch mit Rücksicht auf das Verletzungsrisiko gewählt. Aber ja, ganz ohne "Realerfahrung" ist es aus meiner Sicht schwierig, den höchsten Grad an Effizienz zu erreichen in dem, was man tut. Wie im letzten Post erwähnt hilft diese Realerfahrung auch bei der Visualisierung, eben dadurch dass prägende "Erinnerungen" im Sinne eines bewussteren Muskelgedächtnisses einfliessen können.
Beste Grüsse
Period.
Wir müssen ja nicht in jeden Apfel beißen, der uns hingehalten wird. Man kann sich der Frage halt von verschiedenen Seiten nähern. Wollte nur anmerken, dass wir in der Regel immer gerne den technischen Aspekt fokussieren. Wohl weil dieser beherrschbarer scheint und wir diesen leichter verstehen. Der technische Aspekt verkleinert aber nur das Fenster, den Grund für eine Blockade. Ich halte es für sinnvoller sich mit dem Grund selbst zu beschäftigen.
Ja, das ist ein scheinbar gutes Mittel. Wenn Du mit "Realbedingung" aber realen Stress meinst, muss ich doch anführen, dass die schlicht schiere große Menge an Wiederholungen hinreichend ist, etwas zutiefst zu verinnerlichen.
Na ja, ich habe beschlossen, in den einen Apfel zu beissen, und habe aus meiner Perspektive als Wettkämpfer zu antworten. Lugasch «kennt» mich und weiss folglich auch, aus welcher Perspektive meine Antworten zu lesen sind. Ob ich den Aspekt für alle Mitlesenden hinreichend betont habe, darüber kann man streiten.
Wohlgemerkt: ich will/wollte den Wiederholungen den Wert zur Verinnerlichung nicht absprechen, diese sind essenziell um eine Technik an den Punkt zu bringen, wo sie es überhaupt wert ist, so eingeschliffen zu werden, und gelegentlich haben sich Techniken auch rein über die Anzahl der Wiederholungen in meinen Autopilot eingeschlichen. Allerdings war es mir dennoch wichtig, die «Erregungstheorie» hier zu erwähnen, eben weil sie sich sehr stark mit meinen persönlichen Erfahrungen deckt. Aus meiner Sicht ist dies eine mögliche Abkürzung im Training, und wie gesagt, ich bin der Meinung dass ohne den «realen» Stress – welches Szenario das auch immer ist – ein optimaler Umgang mit diesem Szenario kaum zu erreichen ist. Dass das bei einigen Szenarien rechtlich schwierig ist, sollte auch klar sein.
Erstmal, Vorsicht. Wir bewegen uns hier in einem Thread, der SV thematisiert hat. Der Stress im Wettkampf und in Ernstfall kann, zu bestimmten Bedingungen gleich wirken, zu anderen aber überhaupt nicht. Das sind grob zwei unterschiedlich zu betrachtende Momente des "Stresses".
Wir bewegen uns in einem Thread, in dem Wettkampf UND SV thematisiert wurde. Des weiteren siehe oben.
Bin mir da nicht sicher.
Ich weiss ja nicht, auf welche Geographie und welche Zeit Du Dich beziehst, aber nach allem, was ich über die kämpferische Ausbildung – egal ob sportlich oder militärisch – im europäischen Raum weiss, würde aus meiner Sicht in dieses Raster passen. Was die asiatischen Systeme angeht, bin ich wie mehrfach erwähnt ein kompletter Laie, aus meiner Aussensicht heraus würde ich jedoch bestimmte Probleme und Diskussionen bezüglich der Anwendung bestimmter Stile nicht zuletzt darauf zurückführen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt entschieden wurde, die «Realerfahrung» herauszunehmen und zu versuchen, die Lehrinhalte ohne dieselbe in gleichem Masse zu vermitteln. Ich sollte aber hinzufügen, dass ich von Haus aus ganz übel ikonoklastisch veranlagt bin.
Beste Grüsse
Period.
@period
Ikonoklastisch. Immer gut. :-)
Ich hatte irgendwie verpasst, dass es um Sport geht.
Sorry, den Teil hatte ich gestern vergessen zu beantworten. Es läuft primär über Visualisierung. Für die Visualisierung in anderen Stilen kann ich nicht sprechen, ich habe Visualisierung eher als fortgeschrittenes Stadium des Trainings kennengelernt, sprich, das Training mit Partner geht der Visualisierung voraus und man visualisiert primär Abläufe, von denen man sehr genau weiss, wie sie sich anfühlen müssen. Das funktioniert sowohl mit Visualisierungshilfe (Dummy, Gummibänder etc) als auch ohne, wobei ersteres m.E. eine Erleichterung darstellt, nachdem man den Gegner nicht vollständig visulisieren muss.
Beste Grüsse
Period.
Merci!
Visualisierst du die Abläufe aus rein technischen Perspektive ("So fühlt es sich an, wenn ich das richtig mache"), oder aus einer Situation ("Es ist das Finale bei den olympischen Spielen, 10 Sekunden bis Ende und mir fehlen noch 3 Punkte")?
Oder stellst du dir bei dem Partner einen Erzfeind vor? :)
Merci!
Visualisierst du die Abläufe aus rein technischen Perspektive ("So fühlt es sich an, wenn ich das richtig mache"), oder aus einer Situation ("Es ist das Finale bei den olympischen Spielen, 10 Sekunden bis Ende und mir fehlen noch 3 Punkte")?
Oder stellst du dir bei dem Partner einen Erzfeind vor? :)
Ich persönlich mache meistens etwas dazwischen: Ich visualisiere das Gefühl, meistens mit einem reellen Partner, also Person X, mit der es eben zu dieser eingeprägten Erinnerung gekommen ist, und zwar in einer bestimmten Situation. Es ist für mich klar eine Erinnerung, keine hypothetische Situation. Damit verknüpft sind die Empfindungen, die ich in dem Moment hatte. Meistens geht das in Richtung Flow wenn man so möchte, also ein Gefühl von sehr grosser Klarheit, die den ganzen Körper durchströmt und ein Bewusstsein, dass es gerade auf der Welt nichts Anderes gibt als mich, meinen Gegner/Partner und die Technik. Ich weiss, das klingt vielleicht ein bisschen eso, aber besser kann ich meine Eindrücke aktuell nicht in Worte fassen.
Beste Grüsse
Period.
Ich persönlich mache meistens etwas dazwischen: Ich visualisiere das Gefühl, meistens mit einem reellen Partner, also Person X, mit der es eben zu dieser eingeprägten Erinnerung gekommen ist, und zwar in einer bestimmten Situation. Es ist für mich klar eine Erinnerung, keine hypothetische Situation. Damit verknüpft sind die Empfindungen, die ich in dem Moment hatte. Meistens geht das in Richtung Flow wenn man so möchte, also ein Gefühl von sehr grosser Klarheit, die den ganzen Körper durchströmt und ein Bewusstsein, dass es gerade auf der Welt nichts Anderes gibt als mich, meinen Gegner/Partner und die Technik. Ich weiss, das klingt vielleicht ein bisschen eso, aber besser kann ich meine Eindrücke aktuell nicht in Worte fassen.
Beste Grüsse
Period.
Nix Eso. Klingt sehr sinnvoll. Danke
Welche meinst du damit? So ein kurzer Überblick wäre bestimmt interessant für alle hier. Du musst sie ja nicht in der Tiefe erklären.
Wie gesagt, das ist nichts für schriftliche Kommunikation, jedenfalls nicht für die Zeit, die ich bereit bin in diese hier zu stecken.
Ich persönlich mache meistens etwas dazwischen: Ich visualisiere das Gefühl, meistens mit einem reellen Partner, also Person X, mit der es eben zu dieser eingeprägten Erinnerung gekommen ist, und zwar in einer bestimmten Situation. Es ist für mich klar eine Erinnerung, keine hypothetische Situation. Damit verknüpft sind die Empfindungen, die ich in dem Moment hatte. Meistens geht das in Richtung Flow wenn man so möchte, also ein Gefühl von sehr grosser Klarheit, die den ganzen Körper durchströmt und ein Bewusstsein, dass es gerade auf der Welt nichts Anderes gibt als mich, meinen Gegner/Partner und die Technik. Ich weiss, das klingt vielleicht ein bisschen eso, aber besser kann ich meine Eindrücke aktuell nicht in Worte fassen.
Beste Grüsse
Period.
Sehr Yiquan
Ich persönlich mache meistens etwas dazwischen: Ich visualisiere das Gefühl, meistens mit einem reellen Partner, also Person X, mit der es eben zu dieser eingeprägten Erinnerung gekommen ist, und zwar in einer bestimmten Situation. Es ist für mich klar eine Erinnerung, keine hypothetische Situation. Damit verknüpft sind die Empfindungen, die ich in dem Moment hatte. Meistens geht das in Richtung Flow wenn man so möchte, also ein Gefühl von sehr grosser Klarheit, die den ganzen Körper durchströmt und ein Bewusstsein, dass es gerade auf der Welt nichts Anderes gibt als mich, meinen Gegner/Partner und die Technik. Ich weiss, das klingt vielleicht ein bisschen eso, aber besser kann ich meine Eindrücke aktuell nicht in Worte fassen.
Beste Grüsse
Period.
Klingt nachvollziehbar :)
Noch eine letzte Verständnisfrage - die Technik, die du gerade übst, ist auch die Technik, an die du dich erinnerst?
Also du nutzt die Erinnerung an eine Situation, wo du die Technik X perfekt durchgebracht hast nicht als trojanisches Pferd für die Technik Y, oder? Es geht dann nur um X und darum, wie du es schneller/besser abspeicherst?
Noch eine letzte Verständnisfrage - die Technik, die du gerade übst, ist auch die Technik, an die du dich erinnerst?
Also du nutzt die Erinnerung an eine Situation, wo du die Technik X perfekt durchgebracht hast nicht als trojanisches Pferd für die Technik Y, oder? Es geht dann nur um X und darum, wie du es schneller/besser abspeicherst?
X, nicht Y (auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen :D Wobei ich nicht glaube, dass das für mich gut gehen würde, da komme ich durcheinander ;) Es ist quasi wie ein Video in Echtzeit zum Mitmachen, komplett mit Gefühl und so ;)
Beste Grüsse
Period.
Raging Bull
29-01-2022, 20:55
Ich zitiere mal ein wenig von unserer Homepage:
Das Gehirn und die Bilder (https://bagua-zhang.eu/?page_id=45)
Über Strassen Netze und Bewegung (https://bagua-zhang.eu/?page_id=300)
Um die Zitate besser einordnen zu können empfehle ich die beiden Artikel komplett zu lesen, aber die Zitate sind für deine Fragestellung schon zielführend.
Gutes Training fördert die Vernetzung des OFC mit den tiefer liegenden Arealen, damit das Noradrenalin eben nicht diese Abschwächung des "bewussten" Reagierens bewirkt und man auch unter Hochstress handlungsfähig bleibt.
Der Umgang mit Aggressionen und die Kopplung von Motorik und Emotionen spielen da eine wichtige Rolle. Sämtliche Bewegungen sollten dabei den natürlichen Bewegungsmustern des Körpers entsprechen und eine hohe Wiederholungszahl aufweisen (da sind wir dann aber in der "technischen" Umsetzung von Kampfkunst).
Ich muss gestehen, ich habe Zweifel was diese Tiger-Beispiele angeht. Also nicht nur bei Dir konkret, sondern allgemein. Das scheint mir eher so ein Reininterpretieren zu sein und eher nicht gesichert. Falls ich mich irre und Du da entsprechende wissenschaftliche Quellen hast, immer gern her damit. Fand ich schon immer interessant ohne dass ich mir da jetzt die Mühe gemacht hätte groß zu suchen.
Das von Dir konkret Beschriebene deckt sich nicht mit meinen Beobachtungen. Mir scheint die Frage Fight, Flight or Freeze eher persönlichkeits- denn situationsabhängig. Was ich beobachte ist, dass es Typen zu geben scheint (ich hab da keine Studie zu, wäre aber interessant), die ganz grundsätzlich quasi immer zum Kämpfen tendieren, selbst wenn das gerade absolut keinen Sinn macht. Die stellen sich unter dem Tiger dann gerade nicht tot, sondern kämpfen bis zum Ende. Andere wiederum frieren selbst in Situationen wo Kampf oder Flucht deutlich erfolgversprechender wären komplett ein.
Wenn ich damit recht habe, dann wäre die Frage des TE also vor allem typabhängig zu beantworten.
Ich glaube btw auch nicht, dass Periods Beispiel wirklich (rein) drillabhängig sind, sondern würde da eher die soziale Eingebundenheit (wesentlicher Lernfaktor) als (bestimmenderen) Faktor sehen wollen. Wäre ein interessantes Experiment - man steckt Leute in Deine Schule und verweigert denen jedesmal die Teilnahme an Suplexdrills. Dann guckt man nach ner gewissen Zeit, ob die trotzdem eher dazu neigen zu suplexen als Schüler anderer Schulen, denen man ebenfalls die Drills vorenthalten hat. Meine Hypothese - ja.
Aber - nur meine Meinung und ich schätze Eure Beiträge sehr.
concrete jungle
29-01-2022, 21:25
Denke auch das viel tief in der Persönlichkeit des ,,Anwenders" liegt,
aufwachsen mit Körperlichkeit, Gewalt im Nahraum und Wettkampf(auch was wie Rugby,Handball,Wasserball) schult da sehr.
Habe manchmal Typen getroffen, die da sehr weit vorne waren aber ich wollte nicht mit denen tauschen, wenn man deren Historie hört wundert man sich nimmer.
Wenn dann heftige Erfahrungen von natürlichen Autoritäten weitergegeben werden (Vater, Onkel, Bruder, Trainer aus der In-Group etc.) und ein paar Jahre viel Training sagen wir Ringen und Boxen in der Jugend
+ derbe Szenesozialisation -dann machen die wie ferngesteuert, warten wohl nur auf eine passende Möglichkeit, endlich selbst von der Leine gelassen zu werden.
Aber - nur meine Meinung und ich schätze Eure Beiträge sehr.
Der gesamte Beitrag beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, ich mache mir hier aber nicht die Mühe einzelne Studien dazu rauszuschreiben.
Für den Anfang empfehle ich dazu „The Neuropsychology of Anxiety“ von Gray und McNorton. Ist zwar schon älter aber immer noch gut. Darauf kann man dann aufbauen.
Das muss man dann kombinieren mit den heute gängigen Erkenntnissen über Bewegung und den neueren Erkenntnissen über die Raumwahrnehmung und wie das alles mit den Systemen aus dem Buch zusammenhängt. Da hat sich nach 2003 ja eine Menge getan (gerade im Bereich des Hippocampus und der Verbindung von Hirnstamm, Kleinhirn und limbischen System, bzw. was das limbische System noch so alles macht).
Wer, wie reagiert ist abhängig von seiner genetischen Neurotransmitterausstattung und den epigenetischen Faktoren die die neuronalen Netze im Laufe der Gehirnentwicklung geprägt haben. „Hunter“, „Sensation Seeker“, „Wal“, „Delphin“, „emotionaler Typ“ etc. sind alles nur Beschreibungen für bestimmte Modelle um diese Transmitterausstattung „greifbar“ zu machen.
Das ist ein extrem komplexes Thema und die Artikel auf unserer Homepage sollen nur dazu dienen allgemeine Grundzüge dem Laien verständlich zu machen.
Was da genau passiert und wo, dass könnte ich dir gerne auf einem Wochenendvortrag erläutern, der dauert dann aber 10-20 Stunden, da man dann schon einiges an Neurobiologie und Physiologie erläutern müsste.
Ich habe einen Vortrag dazu über 2-3 Stunden, aber auch das kann man nicht mal eben in einem Forum erläutern.
Wenn dich das Thema interessiert kann ich auch „Psychopath inside“ von Fallon oder „Psychopathen“ von Dutton empfehlen. Da wird das auch für Laien interessant besprochen.
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