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Vollständige Version anzeigen : Traurig… und zugleich eine Warnung!



ryoma
09-04-2022, 18:46
Hier wurde ja schon einige Male über die Toda-ha Bukô-ryû und ihr Nachfolgeproblem gesprochen.

Mittlerweile ist die Angelegenheit juristisch über die Bühne… mit dem Ergebnis, dass eine Gruppe sich nun gezwungen sah, einen Namenswechsel vorzunehmen.

Den eigenen Schulnamen zu verlieren oder aufgeben zu müssen gilt im Kosmos von Koryû-bujutsu als grosse Schmach.
Den Schulnamen als Ergebnis eines Shiai zu verlieren ist eine Sache, aber lediglich als Ergebnis eines simplen Verwaltungsaktes (Markenschutz-Beantragung) die angestammte Ryû-Bezeichnung aufzugeben, ist richtig übel.

Die Gruppe, welche diesen Weg nun gehen muss, ist die Gruppe rund um Sôke-dairi Kent Sorensen und die Shihan Ellis Amdur, Maik Skoss und Pierre Simon.
Sorensen-sensei hat sich für den Namen Tenshin Bukô-ryû entschieden. Offensichtlich hat er noch versucht, sich juristisch zu wehren, was aber nicht von Erfolg gekrönt war.

Meine Meinung ist, dass es hier leider zu groben (vermeidbaren) Fahrlässigkeiten gekommen ist.

Die beiden Koryû-Organisationen (welche es eigentlich gar nicht mehr braucht) haben im Zuge dessen ihre Unschuld ebenfalls verloren, weil sie den gesamten Vorgang aktiv mitgetragen haben.

Für die Schule als Ganzes sind das denkbar schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft. Gleichzeitig sollte es vielen Ryûha ein Warnung sein, was passieren kann, wenn man die Geschicke der Schule nicht aktiv und offensiv handhabt.

Banger
09-04-2022, 19:06
Hier wurde ja schon einige Male über die Toda-ha Bukô-ryû und ihr Nachfolgeproblem gesprochen.

Mittlerweile ist die Angelegenheit juristisch über die Bühne… mit dem Ergebnis, dass eine Gruppe sich nun gezwungen sah, einen Namenswechsel vorzunehmen.

Den eigenen Schulnamen zu verlieren oder aufgeben zu müssen gilt im Kosmos von Koryû-bujutsu als grosse Schmach.
Den Schulnamen als Ergebnis eines Shiai zu verlieren ist eine Sache, aber lediglich als Ergebnis eines simplen Verwaltungsaktes (Markenschutz-Beantragung) die angestammte Ryû-Bezeichnung aufzugeben, ist richtig übel.

Die Gruppe, welche diesen Weg nun gehen muss, ist die Gruppe rund um Sôke-dairi Kent Sorensen und die Shihan Ellis Amdur, Maik Skoss und Pierre Simon.
Sorensen-sensei hat sich für den Namen Tenshin Bukô-ryû entschieden. Offensichtlich hat er noch versucht, sich juristisch zu wehren, was aber nicht von Erfolg gekrönt war.

Meine Meinung ist, dass es hier leider zu groben (vermeidbaren) Fahrlässigkeiten gekommen ist.

Die beiden Koryû-Organisationen (welche es eigentlich gar nicht mehr braucht) haben im Zuge dessen ihre Unschuld ebenfalls verloren, weil sie den gesamten Vorgang aktiv mitgetragen haben.

Für die Schule als Ganzes sind das denkbar schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft. Gleichzeitig sollte es vielen Ryûha ein Warnung sein, was passieren kann, wenn man die Geschicke der Schule nicht aktiv und offensiv handhabt.

Willkommen im 21.Jahrhundert!
Heutzutage wird so etwas vor Gericht geregelt und nicht auf der Matte.
Ich würde die KK auch nicht mehr als solches mehr bezeichnen sondern als Bewegungskunst oder ähnliches!
Im Boxen, Thaiboxen oder MMA wird man so etwas nicht finden.

Kumbaja
09-04-2022, 21:22
Gab es in den letzen, sagen wir mal 50 Jahren, eine Schule die Ihren Namen wegen eines Shiai verloren hat? Schulnamen können sich schon ändern aus unterschiedlichen Gründen, ist ja erstmal keine Schmach. In dem Fall wenn juristisch ist, unschön.

Gruß
Oli

ryoma
09-04-2022, 21:45
Willkommen im 21.Jahrhundert!
Heutzutage wird so etwas vor Gericht geregelt und nicht auf der Matte.
Ich würde die KK auch nicht mehr als solches mehr bezeichnen sondern als Bewegungskunst oder ähnliches!
Im Boxen, Thaiboxen oder MMA wird man so etwas nicht finden.

Das ist etwas zu kurz gedacht.
Schliesslich regelte sich solches und ähnliches bis weit in die Shôwa-Zeit mit Shiai in und zwischen zahlreichen Ryûha. Erst nach dem 2. WK fand eine fast vollständige Umformung von klassischen Kriegskünsten in modernes Budô statt, den Mindset betreffend.
Trotzdem gab es auch nach den 2. WK bis heute Schulen, die Dispute mit Shiai regeln. Aber ja, sehr viele Schulen haben sich modernisiert und sind den Bûdô-Künsten verblüffend ähnlich geworden.

Was den Markenschutz anbelangt, haben sich das viele Ryûha in den vergangenen Jahren durchaus zu Herzen genommen und entsprechend agiert, u.a. die Yagyû Shinkage-ryû Hyôhô, Hokushin Ittô-ryû Hyôhô, Hyôhô Niten Ichi-Ryû, Jigen-ryû Hyôhô, etc.

ryoma
09-04-2022, 21:55
Gab es in den letzen, sagen wir mal 50 Jahren, eine Schule die Ihren Namen wegen eines Shiai verloren hat? Schulnamen können sich schon ändern aus unterschiedlichen Gründen, ist ja erstmal keine Schmach. In dem Fall wenn juristisch ist, unschön.

Ich habe nicht gesagt, dass es eine Schmach ist, wenn sich der Schulname ändert. Es gibt durchaus Beispiele wo neue Sôke z.B. ein anderes Kanji (bei gleicher Ausprache) in Namen verwendeten, um einen veränderten Fokus der Schule zu dokumentieren. Diese Autorität besitzt natürlich der Sôke.

Wenn jedoch eine Namensänderung erzwungenermassen stattfindet, wie in diesem Beispiel, dann ist das sehr wohl damit zu erklären, dass da irgendjemand nicht aufgepasst hat oder nachlässig war.
Und das ist, meiner Meinung nach, nicht vereinbar mit der Maxime, die Schule vor inneren und äusseren Bedrohungen zu schützen (Stichwort: Jibun no ryûha o mamoru).

Früher stand vor vielen Dôjô ein grosses Holzschild (meistens mannshoch und relativ schwer) welches stolz den Schulnamen und evtl. den Namen des dortigen Lehrers nannte, ein sog. Kanban.
Es kam vor, dass diese Holztafeln entwendet wurden und die Diebe sich damit einen Schulnamen angeeignet haben obwohl sie nicht über die nötigen Befähigungen verfügten. Der Verlust des Schulnamens in einer heutigen juristischen Auseinandersetzung kann man sehr wohl mit dem Diebstahl des Kanban vergleichen. Und die Leute, die die Aufgabe hatten, dass Kanban zu schützen und zu verteidigen hatten nach so einem Diebstahl ganz schlechte Karten...

Nagonomori
09-04-2022, 22:45
Für die Schule als Ganzes sind das denkbar schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft.

Warum denn das?
Sind Kent Sorensen, Ellis Amdur, Meik Skoss, Diane Skoss oder Pierre Simon jetzt durch den Namenswechsel schlechtere Kampfkünstler oder Lehrer geworden?
Ich habe eine Ryuha immer als mehr als einen blossen Namen gesehen.

big X
10-04-2022, 00:00
warum holzschilder klauen? ist doch doof, wenn da auch noch der name des lehrers drauf steht. dann doch lieber schnell abkupfern.

Kumbaja
10-04-2022, 05:47
Ja heute gibt es halt eine Homepage statt Kanban. Weiss jetzt nicht genau was du damit sagen willst. Hast du ein Brett vor deinem Dojo?
Bzgl. Markenrecht denke ich meisten Schulen sehen sich nicht als kommerziell an, so dass es nicht lohnt sich zu schützen. Weiss jetzt nicht genau wieviel das kostet, kann das auch was finanzielles sein.

Bzgl. Buko Ryu, erstmal ist das ihr internes Thema was da passiert, offiziell ist das ihr Statement: https://tenshinbukoryu.org/

Kumbaja
10-04-2022, 05:55
Schliesslich regelte sich solches und ähnliches bis weit in die Shôwa-Zeit mit Shiai in und zwischen zahlreichen Ryûha. Erst nach dem 2. WK fand eine fast vollständige Umformung von klassischen Kriegskünsten in modernes Budô statt, den Mindset betreffend.
Trotzdem gab es auch nach den 2. WK bis heute Schulen, die Dispute mit Shiai regeln. Aber ja, sehr viele Schulen haben sich modernisiert und sind den Bûdô-Künsten verblüffend ähnlich geworden.
Das ändern des Mindset fand meine Meinung schon vorher statt. Beim abschaffen der Samurai haben die meisten Koryu Schulen keine Daseinsberechtigung und haben sind umorientiert und haben sich geöffnet. Kann auch sein das dieses Umorientierung bei einigen Schulen schon vorher stattfand.

Gast
10-04-2022, 06:01
Sorry, nichts gegen Koryu, aber für die restlichen 99% der Kampfkunst-Welt und die 99% der Menschen außerhalb der Kampfkunst-Welt ist das natürlich völlig belanglos.
Abspaltungen, Namensänderungen, Ansprüche auf Authentizität und dergleichen mehr sind ja in allen KK seit jeher an der Tagesordnung.
Der Punkt ist, dass das halt niemanden außerhalb der kleinen eigenen Blase interessiert.
Seitdem mir das so richtig klar geworden ist, hat meine Identität auch nichts mehr damit zu tun, dass ich genau diese Linie des Taijiquan praktiziere, die ich praktiziere. Allerdings glaube ich auch, dass es auch Vertreter braucht, die sich mit ihrer Linie wirklich identifizieren, um sie am Leben zu halten, weiterzuführen, verbreiten usw.

shinken-shôbu
10-04-2022, 07:55
Damit man sich einmal optisch selbst ein Bild machen kann:

Der letzte wirkliche (weibliche) 19te Sôke Nitta Suzuyô der Tenshin Bukô-ryû,
damals noch Toda-ha Bukô-ryû im März 1991:


https://youtu.be/hdmjXuRHk38?t=63
.
.
.
.
.
Der leider zu früh verstorbene jap. Nachfolger als 20ter Sôke,
Nakamura Yoichi, mit dem jetzigen Sôke-dairi Kent Sorensen in 2010:


https://www.youtube.com/watch?v=qh7z_hBrWns
.
.
.
.
.
Der jetzige "anerkannte" (weibliche) jap. Sôke der gegenwärtigen Toda-ha Bukô-ryû,
Tachiiri Kushiro, im Februar 2020

https://youtu.be/SArkI4YEBMM?t=24

ryoma
10-04-2022, 10:10
Meine Aussage bezieht sich darauf, dass der Schulname verloren wurde und nicht mehr verwendet werden darf. Etwas was in der Koryû-Szene seit je her als absolute Schande gesehen wird. Und früher sogar oft zu Seppuku geführt hat.

Bezüglich Kanban, diese gab es nicht nur vor dem Dôjô. Auch wenn der Verlust dieses Kanban bereits eine Schmach war, war der Verlust des Kanban auf welchem sich der Schulname befindet und welches sich normalerweise direkt beim Kamidana innerhalb eines traditionellen Dôjô befindet, eine viel größere Schande.
Dieses Kanban ist das Herzstück eines Koryû-Dôjô und der Verlust dessen konnte nur durch Niederlage bei einem Dôjô-Yaburi geschehen.

Ich erwarte nicht, dass Anhänger moderner Kampfkünste nachvollziehen können, was ein Namensverlust (wie hier geschehen) einer authentischen und direkt überlieferten Koryû zufügt.

Es hat auch nichts damit zu tun, dass die Mitglieder durch den neuen Namen schlechtere Kampfkünstler sind (was ich nirgends angedeutet habe!).
Allerdings wird es durch den neuen Namen in Japan sehr schwer werden Schüler zu finden. Besonders weil dort der Verlust des Schulnamens oftmals als Unfähigkeit und Schwäche interpretiert wird. Besonders da dieser eben von einem ausländischen Sôke-Dairi verloren wurde, dem die Schule unter der Bedingung anvertraut wurde, dass er sie an einen Japaner als nächstem Sôke weitergibt.
All die oben genannten Herrschaften sind betagte Herren. Es ist auch so schon schwer genug einen würdigen Nachfolger auszubilden. Die jetzige Situation vereinfacht es sicher nicht grade in Japan überhaupt Schüler zu finden.

Tai_Eule
10-04-2022, 10:12
Warum denn das?
Sind Kent Sorensen, Ellis Amdur, Meik Skoss, Diane Skoss oder Pierre Simon jetzt durch den Namenswechsel schlechtere Kampfkünstler oder Lehrer geworden?
Ich habe eine Ryuha immer als mehr als einen blossen Namen gesehen.
Schlechtere Kampfkünstler sind sie natürlich dadurch nicht. Aktuell ist die "Erschleichung" der Ryuha auch noch in aller Koryu-Munde und Interessierte werden auf diese Kontroverse stoßen. Aber wie ist das in 5 Jahren? In 10 Jahren? Julian Braun schrieb ja völlig zu Recht, dass das überhaupt nur einen kleinen Teil eines kleinen Teils einer Subgruppe interessiert. Es ist also durchaus denkbar, dass das in ein paar Jahren gar nicht mehr so präsent ist mit der "Erschleichung". Dann sähe das wie eine illegitime Abspaltung eines Ausländers aus oder wie eine Neugründung in 2022. Das Fortbestehen der Tradition hat bzw. sollte in Koryu oberste Priorität haben. Das ist nur mit Leuten möglich, die sich dieser Bewahrung verschreiben. Potentielle Kandidaten dafür gibt es denke ich in der heutigen Zeit nicht sehr viele. Damit ist alles, was es schwerer macht, eben jene möglichen Kandidaten für ein Weitergeben der Tradition zu gewinnen, kontraproduktiv. Das sehe ich bei der Tenshin Buko-ryu und befürchte, dass es in wenigen Jahren keine Tradition mehr geben wird. Damit wäre ein weiteres Stück lebendiger japanischer KK-Geschichte nach über 400 Jahren ausgestorben.


Das ändern des Mindset fand meine Meinung schon vorher statt. Beim abschaffen der Samurai haben die meisten Koryu Schulen keine Daseinsberechtigung und haben sind umorientiert und haben sich geöffnet. Kann auch sein das dieses Umorientierung bei einigen Schulen schon vorher stattfand.
Deine Sichtweise impliziert für mich, dass es einen geschichtlichen Einschnitt gegeben hat, der quasi "sofort" zu Änderungen geführt hat ("beim Abschaffen der Samurai"). Das ist für die Schulen, die heute noch existieren, nicht der Fall. Das ganze war ein Prozess, auch die Abschaffung der Samurai bzw. die Akzeptanz dieser, der bei unterschiedlichen Schulen unterschiedlich schnell und mit unterschiedlichem Fokus ablief, wie man an der Geschichte des Kendo sehen kann, aber auch an der Toyama-ryu (als Produkt aus Koryu bujutsu für die militärische Verwendung) oder an der Verwendung von Strategie-Schulen noch im zweiten Weltkrieg. Natürlich hast Du Recht, dass der Prozess eben durchaus auch früher begonnen hat und auch eine ganze Reihe von Schulen schlicht ausgestorben sind in der Zeit. Der moderne Budo-Gedanke, auf den Ryoma sich hier bezieht, hat sich in den Koryu jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg etablieren können. Eben weil der moderne Budobegriff auch erst irgendwann Ende der 1910er oder Anfang der 1920er überhaupt "offizielle" Form angenommen hat (Siehe Bennett: https://www.youtube.com/watch?v=ZUT2Vh_b-Jk).


@Julian Braun: Du hast natürlich Recht, dass das den Großteil der Kampfkunst-Übenden höchstens am Rande interessiert. Trotzdem finde ich es sehr wichtig, dass solche Vorkommnisse und ihre Umstände geteilt werden. Auch zeigt es, wie es um die Rolle der NKK/NKS steht, die sich ursprünglich mal "Nicht-Einmischung in Schulen-Angelegenheiten" auf die Fahne geschrieben haben. Dazu kommt, das meine Ansicht nach dieses ganze Debakel ohne eine deutliche Portion Rassismus gar nicht möglich gewesen wäre. Diverse Beteiligte sind ja der Meinung, eine Koryu könne und dürfe ausschließlich von einem "echten" Japaner geleitet werden. Dafür nimmt man im Zweifel in Kauf, dass Teile der Tradition und damit lebendige japanische Geschichte, eben verloren gehen.

PS: Ich sehe, Ryoma war schneller.

ryoma
10-04-2022, 11:17
Sorry, nichts gegen Koryu, aber für die restlichen 99% der Kampfkunst-Welt und die 99% der Menschen außerhalb der Kampfkunst-Welt ist das natürlich völlig belanglos.
Abspaltungen, Namensänderungen, Ansprüche auf Authentizität und dergleichen mehr sind ja in allen KK seit jeher an der Tagesordnung.
Der Punkt ist, dass das halt niemanden außerhalb der kleinen eigenen Blase interessiert.
Seitdem mir das so richtig klar geworden ist, hat meine Identität auch nichts mehr damit zu tun, dass ich genau diese Linie des Taijiquan praktiziere, die ich praktiziere. Allerdings glaube ich auch, dass es auch Vertreter braucht, die sich mit ihrer Linie wirklich identifizieren, um sie am Leben zu halten, weiterzuführen, verbreiten usw.

Weil sich weltweit nur einige hundert Leute dafür interessieren, sollte man darüber eigentlich gar nicht schreiben? Kann man natürlich so sehen.

Darüber, was Identität (und Verbundenheit) bedeutet, hat ja ausgerechnet Ellis Amdur in seinen Büchern und Artikeln immer wieder geschrieben. Das sind auch die Artikel, welche mich immer am meisten angesprochen haben, weil ich seine Argumentationen und den Mindset genau so nachvollziehen kann und auch erlebe.
Und ja, ein tradierter Name ist sehr wohl eng verwoben mit der Schulidentität. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich Amdur und Co. nun fühlen müssen.

Gast
10-04-2022, 12:01
Dazu kommt, das meine Ansicht nach dieses ganze Debakel ohne eine deutliche Portion Rassismus gar nicht möglich gewesen wäre. Diverse Beteiligte sind ja der Meinung, eine Koryu könne und dürfe ausschließlich von einem "echten" Japaner geleitet werden. Dafür nimmt man im Zweifel in Kauf, dass Teile der Tradition und damit lebendige japanische Geschichte, eben verloren gehen.Der Gedanke, die Vererbungs-Linie einer ryû mit der Güte der Technik zu assoziieren, anstelle von sozialen Aspekten, wie zum Beispiel Familienzugehörigkeit oder japanische Abstammung, ist nach meiner Wahrnehmung eine moderne und vor allem eine nicht-japanische Sichtweise.
Dessen ist sich übrigens Ellis (der einzige von den genannten Personen, die ich persönlich kenne) durchaus bewußt und teilt diese Auffassung, soweit ich weiß.

iemoto ist m.E. ein soziales Phänomen, das nicht über technische Inhalte, bzw. Fähigkeiten definiert wird.

Entsprechend gibt es ja Beispiele für Schulen, deren sôke nicht der technisch Beste war, bzw. ist. Oder sogar das budô seiner Schule überhaupt nicht übt. Und es gibt Beispiele dafür, wie die Weitergabe einer Linie nicht an den technisch Besten erfolgt, sondern eben an den, der aufgrund sozialer Kriterien Erbe der Linie ist.

[Der vorige sôke (dôshu) des aikidô hat zuweilen beklagt, dass er nicht das aikidô zeigen und unterrichen könne, das er selber technisch präferiert, sondern dass es seine Aufabe sei, ein Idealbild des aikidô zu präsentieren.]

Tai_Eule
10-04-2022, 12:41
Der Gedanke, die Vererbungs-Linie einer ryû mit der Güte der Technik zu assoziieren, anstelle von sozialen Aspekten, wie zum Beispiel Familienzugehörigkeit oder japanische Abstammung, ist nach meiner Wahrnehmung eine moderne und vor allem eine nicht-japanische Sichtweise.
Dessen ist sich übrigens Ellis (der einzige von den genannten Personen, die ich persönlich kenne) durchaus bewußt und teilt diese Auffassung, soweit ich weiß.

iemoto ist m.E. ein soziales Phänomen, das nicht über technische Inhalte, bzw. Fähigkeiten definiert wird.

Entsprechend gibt es ja Beispiele für Schulen, deren sôke nicht der technisch Beste war, bzw. ist. Oder sogar das budô seiner Schule überhaupt nicht übt. Und es gibt Beispiele dafür, wie die Weitergabe einer Linie nicht an den technisch Besten erfolgt, sondern eben an den, der aufgrund sozialer Kriterien Erbe der Linie ist.


Ich verstehe Deinen Kommentar nicht so ganz. Ich habe nicht geschrieben, dass der technisch beste Soke werden muss. Es gab und gibt diverse Beispiele, die zeigen, dass das nicht sein muss. Dafür muss man auch nicht Aikido heranziehen, sondern kann fröhlich in den Koryu bleiben.

Ich kenne Ellis Ansicht zu dem Thema ebenfalls. Zusammengefasst in etwa "Das war der Wunsch von Nakamura-soke. Das ist als Schüler nicht zu hinterfragen, sondern nach Kräften zu unterstützen."

Mein Kommentar bezog sich sowohl auf die NKK, die ausschließlich Japaner als Schulenoberhäupter zulassen, als auch auf Unterstützer von Tachiiri Kushiro (die bei der NKK als Soke der Toda-ha Buko-ryu gelistet ist), die eine Schülerin, die, wenn ich das richtig in Erinnerung habe als Kontaktperson zur NKK diente, zur neuen Soke gemacht haben. Explizit entgegen den Wünschen des vorangegangenen Soke, der ja die Verantwortung für diesen Prozess an Sorensen gegeben hatte. Hier wurde also von externen Personen in die Nachfolge einer Schule eingegriffen, einfach weil die aktuell verantwortliche Person kein Japaner war. Irgendwelche sachliche Kritik an Sorensens Vorgehen ist mir jedenfalls nicht zu Ohren gekommen. Die Begründung "so sind die Traditionen" bzw. "iemoto ist ein soziales Phänomen", beides Aussagen, die ich stützen würde, greift hier also nicht.

Nagonomori
10-04-2022, 13:03
Allerdings wird es durch den neuen Namen in Japan sehr schwer werden Schüler zu finden. Besonders weil dort der Verlust des Schulnamens oftmals als Unfähigkeit und Schwäche interpretiert wird. Besonders da dieser eben von einem ausländischen Sôke-Dairi verloren wurde, dem die Schule unter der Bedingung anvertraut wurde, dass er sie an einen Japaner als nächstem Sôke weitergibt.

Ah okay, verstehe.
Danke für die Antwort!

Gast
10-04-2022, 13:19
Weil sich weltweit nur einige hundert Leute dafür interessieren, sollte man darüber eigentlich gar nicht schreiben? Kann man natürlich so sehen.

Darüber, was Identität (und Verbundenheit) bedeutet, hat ja ausgerechnet Ellis Amdur in seinen Büchern und Artikeln immer wieder geschrieben. Das sind auch die Artikel, welche mich immer am meisten angesprochen haben, weil ich seine Argumentationen und den Mindset genau so nachvollziehen kann und auch erlebe.
Und ja, ein tradierter Name ist sehr wohl eng verwoben mit der Schulidentität. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich Amdur und Co. nun fühlen müssen.

Nein, natürlich kann/soll/darf/muss man darüber schreiben.
Und ich habe auch ausdrücklich gesagt, dass ich verstehe dass es auch Personen braucht, die sich damit identifizieren.
Insofern widersprechen wir uns eigentlich nicht :)
Meine persönliche Einstellung dazu hat sich halt geändert, und ich denke ich sehe mittlerweile auch ein zwei blinde Flecken, die man nicht sieht, solange man identifiziert ist. (Während man natürlich umgekehrt vieles nicht zu sehen kriegt, wenn man nicht identifiziert ist.)

Tai_Eule
10-04-2022, 13:19
Um hier nochmal eine Quelle zu bringen:

Unfortunately, the idea of a non-Japanese citizen at the head of a traditional Japanese martial art was offensive to the leaders of some other martial traditions, and in particular, the leadership of several koryū ‘umbrella organizations.’ Mrs. Tachiiri was instructed to communicate Sorensen sensei’s wishes to these organizations—this was her sole responsibility. Instead, she conspired with their respective leadership groups to have them recognize her as soke. Because of this, she was made hamon (expelled), and a public letter to this effect was sent to relevant koryū organizations. Notwithstanding, one prominent organization took it upon itself to declare her as soke of Toda-ha Bukō-ryū, something she now claims. In fact, no outside organization or individual, no matter how prestigious, has any authority to make such a declaration. This is only done by direct transmission, teacher to disciple.

Even more reprehensibly, she took out a trademark on the name, Toda-ha Bukō-ryū. This issue has been in various court proceedings for years, and has resulted in many other koryū taking out their own trademark so that their legacy is not stolen from them in a similar manner.

Perhaps some will take the position that this is an unimportant matter, and will say something like: “There are ‘two sides to every story.” However, as in this case, it is merely a matter of truth countering lies.

In short, Mrs. Tachiiri Hisayo is an individual with a rudimentary knowledge of Toda-ha Bukō-ryū, who was expelled from Toda-ha Bukō-ryū by her own instructor, because she betrayed our soke on his death bed.

—Ellis Amdur, Shihan, Toda-ha Bukō-ryū

December 8th, 2020 - Statement From Kent Sorensen, Toda-ha Bukō-ryū, Sokedairi

Link leider nur noch über Google-Cache: https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:mIviq_L82_wJ:https://todahabukoryu.org/about-training-faq/truth-and-falsehood/

Viskando
10-04-2022, 13:47
wenn hier faktisch nur um 2 personen geht die den soke titel beanspruchen. haette man da nich nen duell machen koennen. meinetwegen mit holzschwertern.

wenn die frau wirklich so durchschnittlich is wie behauptet, sollte das doch ausreichen.

notfalls können wir auch einfach wieder ein paar atombomben auf japan werfen

OliverT
10-04-2022, 13:52
Wie relevant sind ryus denn in der japanuschen Gesellschaft im allgemeinen und in deren Kampfkunst/Kampfsportszene? Kann man das so wie Hema sehen, dass es zwar Gruppen gibt die das noch machen und leben, der Großteil macht aber was anderes?

Kumbaja
10-04-2022, 14:09
Deine Sichtweise impliziert für mich, dass es einen geschichtlichen Einschnitt gegeben hat, der quasi "sofort" zu Änderungen geführt hat ("beim Abschaffen der Samurai"). Das ist für die Schulen, die heute noch existieren, nicht der Fall. Das ganze war ein Prozess, auch die Abschaffung der Samurai bzw. die Akzeptanz dieser, der bei unterschiedlichen Schulen unterschiedlich schnell und mit unterschiedlichem Fokus ablief, wie man an der Geschichte des Kendo sehen kann, aber auch an der Toyama-ryu (als Produkt aus Koryu bujutsu für die militärische Verwendung) oder an der Verwendung von Strategie-Schulen noch im zweiten Weltkrieg. Natürlich hast Du Recht, dass der Prozess eben durchaus auch früher begonnen hat und auch eine ganze Reihe von Schulen schlicht ausgestorben sind in der Zeit. Der moderne Budo-Gedanke, auf den Ryoma sich hier bezieht, hat sich in den Koryu jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg etablieren können. Eben weil der moderne Budobegriff auch erst irgendwann Ende der 1910er oder Anfang der 1920er überhaupt "offizielle" Form angenommen hat (Siehe Bennett: https://www.youtube.com/watch?v=ZUT2Vh_b-Jk).

Ja das war sicher nicht abrupt. Aber wo keine Kundschaft, kein Geschäft. Aber vor dem WW2 hat man halt versucht, den Samurai Geist bei jeden Japaner zu wecken, damit er für den Kaiser in den Tod ging. Auch bei den ganzen Gendai Budo Schulen genauso. Es ging primär den Kampfgeist zu stärken, die Kampftechniken an sich waren denke ich nicht kriegsentscheidend. Nach dem krieg wurde dann Japan pazifistisch, da kann man schlecht eine tödliche Kriegskunst verkaufen.

Gruß
Oli

Kumbaja
10-04-2022, 14:11
Wie relevant sind ryus denn in der japanuschen Gesellschaft im allgemeinen und in deren Kampfkunst/Kampfsportszene? Kann man das so wie Hema sehen, dass es zwar Gruppen gibt die das noch machen und leben, der Großteil macht aber was anderes?

Großenteils unbekannt.

Tai_Eule
10-04-2022, 14:43
Ja das war sicher nicht abrupt. Aber wo keine Kundschaft, kein Geschäft. Aber vor dem WW2 hat man halt versucht, den Samurai Geist bei jeden Japaner zu wecken, damit er für den Kaiser in den Tod ging. Auch bei den ganzen Gendai Budo Schulen genauso. Es ging primär den Kampfgeist zu stärken, die Kampftechniken an sich waren denke ich nicht kriegsentscheidend. Nach dem krieg wurde dann Japan pazifistisch, da kann man schlecht eine tödliche Kriegskunst verkaufen.

So wie ich Ryoma verstanden hatte, bezog sich seine Aussage auf die Änderung des Mindset in den Koryu bujutsu hin zum modernen Budo. Diese vollzog sich, wie auch in einigen Gendai budo, endgültig erst nach WW2.

Es wird ja gar nicht bestritten, dass es schon vorher Änderungen gab. Diese gab es ja auch schon, wenn man weiter zurück geht: Von den ersten Familienclans mit intern überlieferten Künsten zu immer öffentlicher agierenden Ryuha "freier" Lehrer und ähnlichem, also losgelöst vom Clan-Geschehen. Die radikale gesellschaftliche Änderung im Umbruch zur Edo-Zeit, die wieder Änderungen im Selbstbild mit sich brachten. Auch damals ging es für Lehrer und Schüler sicherlich mit darum, den Lebensunterhalt weiter bestreiten zu können. Das hat sich meiner Ansicht nach bis in die moderne Zeit gehalten, auch wenn man durchaus von manchen Schulen lesen darf, dass es "auf keinen Fall um Geld gehen darf". Da wurden (und werden) Änderungen eingeführt, um den Lebensunterhalt der Lehrer zu sichern, die notwendige Anzahl an Schülern zu gewinnen, um schließlich auch die Tradition weitergeben zu können.

Zu den Kampftechniken: Zum Teil waren die sogar hinderlich, wenn ich das Kapitel aus einem der Skoss-Bücher richtig im Kopf habe. Da wurden klassische strategische Erwägungen eins-zu-eins umgesetzt, was zu einer völlig verzerrten Bewertung der Situation führte. Auf Ausbildungsebene hat man als Beispiel die Toyama-ryu, die kreiert wurde, um die Offiziere in der Verwendung des wieder als Offizierswaffe eingeführten jap. Schwertes zu unterrichten.

Zur tödlichen Kriegskunst: Nach dem Krieg gab es ja auch noch die Untersagung imperialistischer-militaristischer Aktivitäten durch das amerikanische GHQ, die das Üben von Budo/Bujutsu zumindest zeitweilig unmöglich gemacht hat (Schöne Textsammlung mit übersetzten [Englischen] Auszügen aus Medien der Zeit: https://ejmas.com/jcs/jcsart_svinth_1202.htm). Es war eine sehr komplexe Gemengelage verschiedenster Aspekte, die alle die Entwicklung der Budo/Bujutsu beeinflusst haben.

Kumbaja
10-04-2022, 15:05
So wie ich Ryoma verstanden hatte, bezog sich seine Aussage auf die Änderung des Mindset in den Koryu bujutsu hin zum modernen Budo. Diese vollzog sich, wie auch in einigen Gendai budo, endgültig erst nach WW2.

Denke Japan allgemein. Man bedenke allgemein was passiert, 2 Atombomben, Krieg verloren.



Es wird ja gar nicht bestritten, dass es schon vorher Änderungen gab. Diese gab es ja auch schon, wenn man weiter zurück geht: Von den ersten Familienclans mit intern überlieferten Künsten zu immer öffentlicher agierenden Ryuha "freier" Lehrer und ähnlichem, also losgelöst vom Clan-Geschehen. Die radikale gesellschaftliche Änderung im Umbruch zur Edo-Zeit, die wieder Änderungen im Selbstbild mit sich brachten. Auch damals ging es für Lehrer und Schüler sicherlich mit darum, den Lebensunterhalt weiter bestreiten zu können. Das hat sich meiner Ansicht nach bis in die moderne Zeit gehalten, auch wenn man durchaus von manchen Schulen lesen darf, dass es "auf keinen Fall um Geld gehen darf". Da wurden (und werden) Änderungen eingeführt, um den Lebensunterhalt der Lehrer zu sichern, die notwendige Anzahl an Schülern zu gewinnen, um schließlich auch die Tradition weitergeben zu können.

Koryu schulen waren jetzt nicht, das man kommerziell an alle anbieten konnte, sondern hauptsächlich Bushi oder Samurais. Sehe das eher sowas wie eine Berufsausbildung.



Zu den Kampftechniken: Zum Teil waren die sogar hinderlich, wenn ich das Kapitel aus einem der Skoss-Bücher richtig im Kopf habe. Da wurden klassische strategische Erwägungen eins-zu-eins umgesetzt, was zu einer völlig verzerrten Bewertung der Situation führte. Auf Ausbildungsebene hat man als Beispiel die Toyama-ryu, die kreiert wurde, um die Offiziere in der Verwendung des wieder als Offizierswaffe eingeführten jap. Schwertes zu unterrichten.

irgendwie denke ich gerade an eine Szene aus einem Indiana Jones Film....



Zur tödlichen Kriegskunst: Nach dem Krieg gab es ja auch noch die Untersagung imperialistischer-militaristischer Aktivitäten durch das amerikanische GHQ, die das Üben von Budo/Bujutsu zumindest zeitweilig unmöglich gemacht hat (Schöne Textsammlung mit übersetzten [Englischen] Auszügen aus Medien der Zeit: https://ejmas.com/jcs/jcsart_svinth_1202.htm). Es war eine sehr komplexe Gemengelage verschiedenster Aspekte, die alle die Entwicklung der Budo/Bujutsu beeinflusst haben.
Shinto Muso ryu durfte sogar recht früh weiter für den Polizeidienst trainiert werden. Aber das war nur ein kleiner Teil der Schule der da trainiert worden ist.

ryoma
10-04-2022, 15:09
wenn hier faktisch nur um 2 personen geht die den soke titel beanspruchen.

Nein, es geht mitnichten darum, dass einfach zwei Personen einen Titel beanspruchen.


haette man da nich nen duell machen koennen. meinetwegen mit holzschwertern. wenn die frau wirklich so durchschnittlich is wie behauptet, sollte das doch ausreichen.

Wenn du den Thread bis hierhin aufmerksam gelesen hast, ist dir sicher aufgefallen, dass ich das schon ganz zu Beginn erwähnt bzw. angedeutet hatte.
Die Idee von nicht-tödlichen Duellen ist tatsächlich ein zentrales Element klassischer jap. Kriegskünste. Aber die Formalitäten dazu müssen gewahrt sein. Ich habe natürlich keine Kenntnis davon, ob in diesem Fall überhaupt ein Shiai-Môshikomijô ausgestellt wurde.


notfalls können wir auch einfach wieder ein paar atombomben auf japan werfen

Ein ungeschickter Versuch, spassig sein zu wollen?

ryoma
10-04-2022, 15:14
...Meine persönliche Einstellung dazu hat sich halt geändert, und ich denke ich sehe mittlerweile auch ein zwei blinde Flecken, die man nicht sieht, solange man identifiziert ist. (Während man natürlich umgekehrt vieles nicht zu sehen kriegt, wenn man nicht identifiziert ist.)

Das ist absolut korrekt. Man kann schlichtweg nicht alles haben.

Viskando
10-04-2022, 15:29
Nein, es geht mitnichten darum, dass einfach zwei Personen einen Titel beanspruchen.



Wenn du den Thread bis hierhin aufmerksam gelesen hast, ist dir sicher aufgefallen, dass ich das schon ganz zu Beginn erwähnt bzw. angedeutet hatte.
Die Idee von nicht-tödlichen Duellen ist tatsächlich ein zentrales Element klassischer jap. Kriegskünste. Aber die Formalitäten dazu müssen gewahrt sein. Ich habe natürlich keine Kenntnis davon, ob in diesem Fall überhaupt ein Shiai-Môshikomijô ausgestellt wurde.



Ein ungeschickter Versuch, spassig sein zu wollen?



Ich hatte bis zu Post 19 gar nicht so recht verstanden worum es eigtl. geht :D

und in dem Post von Herrn Amdur liest sich das so als würde da eine einzelne person die wuensche des oberhaupts nicht respektiert haben und ist dann stiften gegangen fuer den rueckhalt.

davon ab muss ich auch zugeben das es mir schwer faellt bei den ganzen begriffen zu folgen (und ich zu faul war google zu bemuehen)

womit auch der ungeschickte charakter unterstrichen wird ;)

Meier2
10-04-2022, 15:34
ich muss nochmal von oben lesen .

Tai_Eule
10-04-2022, 15:36
Denke Japan allgemein. Man bedenke allgemein was passiert, 2 Atombomben, Krieg verloren.
Das ist sicherlich korrekt, aber was hat das mit Koryu bujutsu zu tun?

Koryu schulen waren jetzt nicht, das man kommerziell an alle anbieten konnte, sondern hauptsächlich Bushi oder Samurais. Sehe das eher sowas wie eine Berufsausbildung.
Diese Aussage ist so, wie sie hier steht, nicht korrekt, weil die Zeit-Information fehlt. Immerhin erstreckt sich der Wirkungsrahmen von Koryu vom 14. Jhd. bis heute. Es gab sehr wohl Schulen bzw. genauer Dojo, die auch nicht-Bushi zugänglich waren. Das Chiba-Dojo in Edo (Ende der Edo-Zeit) zum Beispiel und auch Schulen "auf dem Land" hatten durchaus Unterricht für nicht-Bushi während der Edo-Zeit im Angebot. Auch der Aspekt der Berufsausbildung galt nicht für alle, waren Bushi in der Edo-Zeit doch verpflichtet, mit Waffen umgehen zu können. Für die Mehrheit wird es wohl daher eher Pflicht gewesen sein, dieser Voraussetzung zu genügen. Natürlich gab es auch die, für die das eine Berufsausbildung war, die dann zum Bsp. Ende der Edo-Zeit von ihren Han (Provinzen) aus zu "Lehrgängen" in andere Dojo geschickt worden sind, inkl. Stipendium und Unterkunft vor Ort. Aber auch diese Aspekte können, je nach Zeitraum und Han, noch wieder anders gewesen sein.


Shinto Muso ryu durfte sogar recht früh weiter für den Polizeidienst trainiert werden. Aber das war nur ein kleiner Teil der Schule der da trainiert worden ist.
Danke, das wusste ich noch gar nicht. Spannend, da 1948 bemängelt wurde, dass es Kendo bei der Polizei gebe, da dieses keinen Platz im Polizei-Training habe. Judo wurde dagegen als sinnvoll schon vorher erlaubt. Die Quelle, die ich beigefügt hatte, erwähnt den Jo nur am Ende
EN2. According to Benjamin Hazard (2002), who was training with the Tokyo police kendo instructor during this era, "The Tokyo police in attempting to control the disorder that accompanied the Communist May Day demonstrations, May 1, 1949, used the jô (staff) for crowd control. The GHQ provost marshal (Beigun Sôshireibu Kempeitai-chô) had seen that some of the Communists had been able to seize some of the staffs and were beating the police with them. The provost marshal was able to have orders issued prohibiting kendo training for all the police. Kendo was reinstated later in that year, but when practice resumed, those elements in kendo which were clearly associated with a real sword, such as the slicing movement after the cut, [were missing], nor were blows delivered with as much strength as they had been prior to the ban."

Kumbaja
10-04-2022, 15:53
Das ist sicherlich korrekt, aber was hat das mit Koryu bujutsu zu tun?

Hatte sicherlich einen Einfluss, zu einem sind viele gute Lehrer im Krieg gestorben und konnte die Schule nicht weitergeben. Und zweitens war der drang sowas zu lernen bestimmt weniger geworden.



Diese Aussage ist so, wie sie hier steht, nicht korrekt, weil die Zeit-Information fehlt. Immerhin erstreckt sich der Wirkungsrahmen von Koryu vom 14. Jhd. bis heute. Es gab sehr wohl Schulen bzw. genauer Dojo, die auch nicht-Bushi zugänglich waren. Das Chiba-Dojo in Edo (Ende der Edo-Zeit) zum Beispiel und auch Schulen "auf dem Land" hatten durchaus Unterricht für nicht-Bushi während der Edo-Zeit im Angebot. Auch der Aspekt der Berufsausbildung galt nicht für alle, waren Bushi in der Edo-Zeit doch verpflichtet, mit Waffen umgehen zu können. Für die Mehrheit wird es wohl daher eher Pflicht gewesen sein, dieser Voraussetzung zu genügen. Natürlich gab es auch die, für die das eine Berufsausbildung war, die dann zum Bsp. Ende der Edo-Zeit von ihren Han (Provinzen) aus zu "Lehrgängen" in andere Dojo geschickt worden sind, inkl. Stipendium und Unterkunft vor Ort. Aber auch diese Aspekte können, je nach Zeitraum und Han, noch wieder anders gewesen sein.

Kommt drauf an welches Ziel erfolgen soll, beim erlernen der Schule. Was meinst du war das Ziel denn?

Tai_Eule
10-04-2022, 16:17
@Kumbaja: Ok, danke, jetzt verstehe ich den Bezug. Darauf wurde von Seiten der Schulen reagiert, u.a. mit der Ernennung von mehreren potentiellen Nachfolgern während des Krieges (Bsp.: Noda Shiro ernannte Kobayashi Yoshikatsu als ersten und Konishi Shigejiro als zweiten Nachfolger) oder eben mit der folgenden Annäherung an modernes Budo in den Jahren danach, um neues Publikum anzusprechen.

Zum Ziel: Aus welcher Perspektive und in welcher Zeit? Aus Sicht eines Schülers gab es damals (Edo-Zeit) sicherlich ähnlich vielfältige Gründe wie heute, von der spirituellen Suche (siehe z.B. Toru Shirai) über das Erlangen einer Berufsausbildung (heute eher untypisch) oder das Erfüllen eines gesellschaftlichen/gesetzlichen Soll (heute eher untypisch) bis hin zum "Besten aller Besten" werden (siehe z.B. das Zitat von Chiba Shusaku im anderen Thread) war alles dabei. Diese Ziele können nebeneinander in einer Person zu finden sein oder auch aufeinanderfolgend in deren Biografie. Hier im Forum berichten ja einige, dass sich ihre Ansprüche und Ansichten an bzw. zu ihrem persönlichen Kampfkunstweg geändert haben. Auch der Wunsch nach Selbstverteidigung, gerade wenn man sich die nicht-Bushi offenen Dojo anschaut, wird bei manchem eine Rolle gespielt haben. Aus Dojo/Lehrer-Sicht wird es eher wirtschaftliche und gesellschaftlich-soziale Gründe gegeben haben, Stichworte z.B. Lebensunterhalt, Marketing, Traditionserhalt. Dies sollte für die Edo-Zeit genauso wie für heute gelten, wenn es sich um kommerzielle Schulen handelt. Wobei auch nicht-kommerzielle Strukturen ja Kosten decken müssen. Es gibt meiner Ansicht nach also nicht das eine Ziel.

Kumbaja
10-04-2022, 16:45
Zum Ziel: Aus welcher Perspektive und in welcher Zeit? Aus Sicht eines Schülers gab es damals (Edo-Zeit) sicherlich ähnlich vielfältige Gründe wie heute, von der spirituellen Suche (siehe z.B. Toru Shirai) über das Erlangen einer Berufsausbildung (heute eher untypisch) oder das Erfüllen eines gesellschaftlichen/gesetzlichen Soll (heute eher untypisch) bis hin zum "Besten aller Besten" werden (siehe z.B. das Zitat von Chiba Shusaku im anderen Thread) war alles dabei. Diese Ziele können nebeneinander in einer Person zu finden sein oder auch aufeinanderfolgend in deren Biografie. Hier im Forum berichten ja einige, dass sich ihre Ansprüche und Ansichten an bzw. zu ihrem persönlichen Kampfkunstweg geändert haben. Auch der Wunsch nach Selbstverteidigung, gerade wenn man sich die nicht-Bushi offenen Dojo anschaut, wird bei manchem eine Rolle gespielt haben. Aus Dojo/Lehrer-Sicht wird es eher wirtschaftliche und gesellschaftlich-soziale Gründe gegeben haben, Stichworte z.B. Lebensunterhalt, Marketing, Traditionserhalt. Dies sollte für die Edo-Zeit genauso wie für heute gelten, wenn es sich um kommerzielle Schulen handelt. Wobei auch nicht-kommerzielle Strukturen ja Kosten decken müssen. Es gibt meiner Ansicht nach also nicht das eine Ziel.
Ich kenne nicht den Werdegang aller Schulen. Hier vielleicht das Beispiel von Shinto Muso Ryu: Vor der Meiji Restauration wurden die Ahigaru des Koroda Clans trainiert für den Polizeidienst, eher so Streifenpolizist heutzutage. Später war das Ziel Erhalt der Schule , vor dem Krieg denke ich Erhalt, Kriegsvorbereitung und etwas die Polizei zu trainieren. Nach dem Krieg, auch Erhalt und Polizeitraining. Glaube heute nur noch der Erhalt als Ziel.

gunk
12-04-2022, 11:10
...
Bzgl. Markenrecht denke ich meisten Schulen sehen sich nicht als kommerziell an, so dass es nicht lohnt sich zu schützen. Weiss jetzt nicht genau wieviel das kostet, kann das auch was finanzielles sein.
...
Die Kosten für Markenschutz (solange man es nicht in jedem Land weltweit anstrebt) halten sich einigermaßen in Grenzen (wenn es dann zu einem Rechtsstreit kommt sieht die Sache wieder anders aus).

shinken-shôbu
12-04-2022, 15:41
Aktuell ist die "Erschleichung" der Ryuha auch noch in aller Koryu-Munde und Interessierte werden auf diese Kontroverse stoßen. Aber wie ist das in 5 Jahren? In 10 Jahren? Julian Braun schrieb ja völlig zu Recht, dass das überhaupt nur einen kleinen Teil eines kleinen Teils einer Subgruppe interessiert. Es ist also durchaus denkbar, dass das in ein paar Jahren gar nicht mehr so präsent ist mit der "Erschleichung". Dann sähe das wie eine illegitime Abspaltung eines Ausländers aus oder wie eine Neugründung in 2022.
Selbst wenn dann irgendwann beide "Erblinien" als authentisch angesehen würden unter dem Motto "Es gibt halt immer verschiedene Ansichten in den Koryû und Aufspaltungen" (obwohl ich mich frage, wie eine Dame, die erst im höheren Alter einer Ryûha beitritt und gerade mal etwa zwei Jahre erlernt - ich verweise hier gerne auf die von mir in Post #11 verlinkten Videos, in denen man alle 4 aktuelleren "Schuloberhäupter" sehen kann - überhaupt alle Techniken der Ryûha unterrichten will), hätte Tachiiri Kushiro ja immerhin endgültig etwas sehr Beachtliches erreicht (wenn auch im negativen Sinne).




[...] die NKK, die ausschließlich Japaner als Schulenoberhäupter zulassen, als auch auf Unterstützer von Tachiiri Kushiro (die bei der NKK als Soke der Toda-ha Buko-ryu gelistet ist), die eine Schülerin, die, wenn ich das richtig in Erinnerung habe als Kontaktperson zur NKK diente, zur neuen Soke gemacht haben. Explizit entgegen den Wünschen des vorangegangenen SokeIn meinen Augen hat eine Organisation, die soetwas Schändliches tut oder unterstützt ihre Daseinsberechtigung verloren.




wenn hier faktisch nur um 2 personen geht die den soke titel beanspruchen. haette man da nich nen duell machen koennen. meinetwegen mit holzschwertern.Nicht nur auf den hier behandelten Fall bezogen:
Wer genau sollte denn überhaupt so ein Duell anordnen und wie sollte man eine Person dazu zwingen können, sich auf dieses einzulassen?

FireFlea
19-04-2022, 06:26
Die neue Seite:

http://bukoryu.main.jp/

MGuzzi
19-04-2022, 10:59
obwohl ich mich frage, wie eine Dame, die erst im höheren Alter einer Ryûha beitritt und gerade mal etwa zwei Jahre erlernt - ich verweise hier gerne auf die von mir in Post #11 verlinkten Videos, in denen man alle 4 aktuelleren "Schuloberhäupter" sehen kann - überhaupt alle Techniken der Ryûha unterrichten will

Muss sie das denn?
Es gibt doch andere Beispiele für Soke, die das nicht tun, weil sie es nicht können oder nicht wollen.

Tai_Eule
19-04-2022, 12:15
Muss sie das denn?
Es gibt doch andere Beispiele für Soke, die das nicht tun, weil sie es nicht können oder nicht wollen.

Muss sie natürlich als Soke nicht, hatten wir ja schon weiter oben.

Allerdings hat sie (vermeintlich) ein Menkyo Kaiden, also die vollständige Überlieferung [KORREKTUR: in meiner Quelle wurde nur von diploma gesprochen, eine genaue Graduierung wurde nicht erwähnt!] und tritt in dem Enbu-Video ja auch in der Position auf, die dem Erfahreneren der beiden Präsentierenden vorbehalten ist. Das ist wiederum etwas, was meines Wissen nach ein Soke, der nicht die technische Meisterschaft hat, nicht tun würde: Öffentlich vorführen. In dem Kontext ist shinken-shobus Frage nicht völlig unberechtigt, wenn auch nicht auf die Lehre bezogen. Zumal es durchaus Fälle von Personen gibt, die aufgrund entsprechender Vorerfahrungen schnell neue Schulen gemeistert haben. Gerade dann, wenn es Ähnlichkeiten zwischen den Schulen gibt, weil eine aus der anderen hervorgegangen ist oder sie auf gemeinsame "Vorfahren" zurückgehen. Ob man der Meinung ist, dass hier so ein Fall vorliegt, überlasse ich mal jedem selbst, der sich die Videos anschauen mag.

Tai_Eule
19-04-2022, 14:06
Die neue Seite:

http://bukoryu.main.jp/
Danke für den Link!
Die Website ist gut und informativ zusammengestellt. Man sieht die Dokumente von Sorensen, die Lineage ist angegeben und es gibt sogar einen Link zum Gerichtsurteil.

Da habe ich mit DeepL mal durch das Urteil gewühlt. Wenn ich das richtig verstanden habe, gilt zusammengefasst:
Toda-ha Buko-ryu hat in wesentlichen durch und mit der NKK und NKS agiert (Enbu, etc.-). Dies schon seit mehreren Jahrzehnten (seit 1935 in der NKS und knapp 40 Jahre in NKK). Kent Sorensen hat versucht, sich dort, mit Hilfe von Tachiiri, als Leiter eintragen zu lassen was zunächst an der Hürde, er müsse jap. Staatsbürger sein, scheiterte. Einer Einbürgerung wollte er nicht zustimmen. Daraufhin wurde von Seiten NKK und NKS erklärt, dass ohne registrierten Vertreter ein Ausschluss der Schule erfolgen müsse. Tachiiri hat nun, quasi gezwungenermaßen, sich selbst als Vertreterin einsetzen lassen, um das reguläre Fortbestehen der Schule "im gewohnten Maße" zu erhalten. Sie wurde in der einen, die Ehefrau von Nakamura-soke (20. Soke und der, der Sorensen zum Soke-dairi gemacht hat) in der anderen Organisation als Vertreter eingetragen. Da Tachiiri von Nakamura-soke mit der Leitung des Buyokan-Dojo in Odawara beauftragt wurde und auch mit der Koordination von Verwaltungsdingen, dazu war sie auch regelmäßig bei Enbu anwesend, ist sie (so lese ich zwischen den Zeilen) aus Sicht des Gerichts durchaus nicht ungeeignet. Mit der Zustimmung der NKK und NKS zu den beiden genannten Vertretern ist das reguläre Weiterbestehen der Schule "wie gewohnt" sichergestellt. Damit führt sie die Tradition fort und "beerbt" diese. Damit sind alle Markenrechtlichen Bedenken von Seiten des Klägers (Sorensen), betrügerische Absicht, Verwechselungsgefahr, Aneignung eines verwendeten/fremden Namens, abzulehnen.

Quelle: https://shohyo.shinketsu.jp/originaltext/tm/1340227.html

shinken-shôbu
19-04-2022, 14:08
obwohl ich mich frage, wie eine Dame, die erst im höheren Alter einer Ryûha beitritt und gerade mal etwa zwei Jahre erlernt - ich verweise hier gerne auf die von mir in Post #11 verlinkten Videos, in denen man alle 4 aktuelleren "Schuloberhäupter" sehen kann - überhaupt alle Techniken der Ryûha unterrichten will
Muss sie das denn?
Es gibt doch andere Beispiele für Soke, die das nicht tun, weil sie es nicht können oder nicht wollen.
Ja, grundsätzlich muss ein Sôke nicht einmal überhaupt jemals irgendeine Kampfkunst betrieben haben, da sind wir uns augenscheinlich alle einig.
Sorry, ich dachte, das wäre klar gewesen aber vielleicht ist es ja gut, dass ich das jetzt nochmal feststellen konnte.:)

In diesem besonderen Falle hier - Tai_Eule liegt richtig damit, dass ich es u.a. am verlinkten Enbu-Clip ausmachte - tritt die Dame aber offenbar als Lehrerin ihrer Schule auf. Eine Weitergabe des kompletten (noch existenten) Lehrplans der echten Schule über die "Linie" des neuen weiblichen Sôke ist m.A.n. jedoch nicht denkbar, sofern sie es nicht geschafft haben sollte, auch gleich noch mindestens einen der vollständig geschulten Lehrer unter Sorensen sensei mit in ihr Boot gezogen zu haben. Sie selbst scheint laut Aussagen ihrer ehemaligen Weggefährten nämlich ein eher kleineres Licht gewesen zu sein nach den zwei Jahren Training - jedenfalls klang es definitiv nicht so, als hätte sie den kompletten Lehrplan in ihrer kurzen Zeit bei der authentischen Linie gemeistert.

Ohne entsprechende Äußerungen ihrer alten Weggefährten würde ich nicht stark dazu tendieren zu vermuten, dass sie nicht bereits Alles gelehrt bekommen hat, was es in der authentischen Linie gibt, zumal ich über die Vorgeschichte der Dame nichts weiß und wie Tai_Eule schon schrieb, können benötigte Zeiten um bestimmte Dinge zu erlernen je nach (Talent, Fleiß und) Vorerfahrung individuell sehr stark variieren.

MGuzzi
19-04-2022, 15:49
.

Allerdings hat sie (vermeintlich) ein Menkyo Kaiden, also die vollständige Überlieferung

Was heißt in dem Fall vermeintlich?

MGuzzi
19-04-2022, 16:09
Ohne entsprechende Äußerungen ihrer alten Weggefährten würde ich nicht stark dazu tendieren zu vermuten, dass sie nicht bereits Alles gelehrt bekommen hat, was es in der authentischen Linie gibt, zumal ich über die Vorgeschichte der Dame nichts weiß und wie Tai_Eule schon schrieb, können benötigte Zeiten um bestimmte Dinge zu erlernen je nach (Talent, Fleiß und) Vorerfahrung individuell sehr stark variieren.

Anscheinend ist ja in der Schule einiges verloren gegangen über die Jahrhunderte, u.a. im Schwertbereich, wo ich tatsächlich die größten Unterschiede zu den anderen Lehrern sehe, die, wie Ellis Amdur auf e-budo geschrieben hat, auch andere Schwertschulen trainiert haben um bestimmte Defizite auszugleichen.
Wenn es also nur um die Inhalte geht die tatsächlich in der Schule noch vorhanden ist, sieht die Sache anders aus, dann kann man den Vergleich vielleicht gar nicht so ziehen.
Amdur schrieb weiterhin, dass ohne ein spezielles Zusatztraining das Können (des den Schwerpart übernehmenden) keine genügende Herausforderung bieten kann.

Tai_Eule
19-04-2022, 17:53
Was heißt in dem Fall vermeintlich?
Aus den Gerichtsdokumenten geht hervor, dass Tachiiri "Shoden" hat und ~4 Jahre dabei war, bevor sie mit Hamon (Rauswurf/Ausschluss) bedacht wurde. Über die amerikanische Gerüchteküche kam die Behauptung, dass sie sich ein Menkyo Kaiden ausgestellt hat oder hat ausstellen lassen. Da das nur ein Gerücht ist, habe ich hier ein "vermeintlich" eingesetzt. Unbestreitbar hat sie eine Graduierung erhalten (siehe Gerichtsdokumente, im anderen Beitrag verlinkt). KORREKTUR: Das Menkyo Kaiden entsprang meiner eigenen Lesart. Die Rede war nur von diploma die rückdatiert sein sollen. Dokumente hier zu sehen: https://todahabukoryu.jp/ Ich habe in meinem obigen Beitrag einen Korrekturhinweis gesetzt.


Anscheinend ist ja in der Schule einiges verloren gegangen über die Jahrhunderte, u.a. im Schwertbereich, wo ich tatsächlich die größten Unterschiede zu den anderen Lehrern sehe, die, wie Ellis Amdur auf e-budo geschrieben hat, auch andere Schwertschulen trainiert haben um bestimmte Defizite auszugleichen.
Wenn es also nur um die Inhalte geht die tatsächlich in der Schule noch vorhanden ist, sieht die Sache anders aus, dann kann man den Vergleich vielleicht gar nicht so ziehen.
Amdur schrieb weiterhin, dass ohne ein spezielles Zusatztraining das Können (des den Schwerpart übernehmenden) keine genügende Herausforderung bieten kann.
Sehe hier die Relevanz nicht. Tachiiri war Schülerin unter Kent Sorensen, dem späteren Soke-dairi, und hat als solche auch von ihm gelernt (Quelle: Gerichtsdokument). Damit kann sie inhaltlich nichts anderes gelernt haben als der Rest. Wie viel sie von diesen Inhalten tatsächlich hat, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Das Toda-ha Buko-ryu eventuell zu viel verloren hat, um ausreichend Schwertfähigkeiten zu vermitteln, mag zwar sein, sollte aber an dem Kata-Teil nicht so viel ändern, da hier sowohl Form als auch Zweck vorgegeben sein sollten. Da sie aber eben unter jenem Lehrer gelernt hat, sollte sie auch von seinen "verbesserten"/"erweiterten" Kenntnissen profitiert haben. Inwieweit Schwertdinge aus anderen Schulen übertragbar sind, ist nochmal eine andere Sache.

ryoma
19-04-2022, 18:14
Die ganze Angelegenheit ist wirklich äusserst traurig.

In diesem Artikel von Grigoris Miliaresis (https://budojapan.com/feature-articles/toda-ha-buko-ryu-from-chichibu-to-the-world/ ) kommt ja auch der mittlerweile "berühmte" Satz vor, dass sich die Schule von niemandem reinreden lässt: Uchi no koto wa, uchi no koto dake desu

Wirklich eine Schande, dass sich dies nicht bewahrheitet hat.

shinken-shôbu
20-04-2022, 06:23
Anscheinend ist ja in der Schule einiges verloren gegangen über die Jahrhunderte, u.a. im Schwertbereich, wo ich tatsächlich die größten Unterschiede zu den anderen Lehrern sehe, die, wie Ellis Amdur auf e-budo geschrieben hat, auch andere Schwertschulen trainiert haben um bestimmte Defizite auszugleichen.
Wenn es also nur um die Inhalte geht die tatsächlich in der Schule noch vorhanden ist, sieht die Sache anders aus, dann kann man den Vergleich vielleicht gar nicht so ziehen.
Amdur schrieb weiterhin, dass ohne ein spezielles Zusatztraining das Können (des den Schwerpart übernehmenden) keine genügende Herausforderung bieten kann.
Wie Tai_Eule schon schrieb und begründete - und ich sehe es wie er - ist dies zumindest für das hier besprochene Problem nicht wirklich von Relevanz.




Aus den Gerichtsdokumenten geht hervor, dass Tachiiri "Shoden" hat und ~4 Jahre dabei war, bevor sie mit Hamon (Rauswurf/Ausschluss) bedacht wurde.
Ah, danke nochmal, ich hatte mir gestern vor dem Training das von Dir genannte und mir bis dahin völlig unbekannte deepL noch extra runtergeladen und werde das bei Gelegenheit mal ausprobieren.

Was die Angabe von ~2 und ~4 Jahre angeht vermute ich (also reine Spekulation meinerseits), dass die 2 Jahre möglicherweise echte, regelmäßige Traininszeit waren und dann halt der ganze Stress mit der Dame folgte, es aber halt noch recht lange bis zum endgültigen Rausschmiss dauerte.
Selbst bei 4 Jahren des regulären Trainings in der authentischen Linie wäre es den Gerichtsdokumenten nach aber ja nun tatsächlich so - und v.a. darum ging es mir bei der Erwähnung der von mir gefundenen Zeitangabe - dass Tachiiri eben wahrscheinlich (bzw. den Gerichtsdokumenten nach offenkundig) die authentische Linie nicht bereits komplett gemeistert hatte zum Zeitpunkt ihres Rauswurfs sondern ganz im Gegenteil noch sehr viel Stoff zu lernen hatte.

Dies bringt mich dann wieder zu meinem Punkt, dass die Gründung ihrer eigenen Linie und auch deren Anerkennung als vermeintlich echte, ursprüngliche Linie durch eine Budô-Organisation ohne "Mitnahme" mindestens eines voll ausgebildeten Shihan absoluter Schwachsinn ist. Mal abseits des "Sôke können nur Japaner sein"-Politikums oder der Frage, wer richtiger Sôke ist, ist es doch verheerend, dass eine Budô-Gesellschaft "aus Gründen" lieber in Kauf nimmt, eine Schule mit sagen wir mal nur noch einem Drittel des eigentlichen Lehrinhalts anzuerkennen statt die Linie mit dem umfangreicheren Lehrplan. Tja und laut dem von ryoma verlinkten Interview stellt es sich ja tatsächlich so dar, dass die voll lizensierten Lehrer der authentischen Linie allesamt bei ebendieser geblieben sind. Was genau also soll man nun von Tachiiri letztlich lernen können, wie soll ausgerechnet sie die Buko Ryû erfolgreich in die nächste Generation tragen?

MGuzzi
20-04-2022, 07:52
Sehe hier die Relevanz nicht. Tachiiri war Schülerin unter Kent Sorensen, dem späteren Soke-dairi, und hat als solche auch von ihm gelernt (Quelle: Gerichtsdokument). Damit kann sie inhaltlich nichts anderes gelernt haben als der Rest. Wie viel sie von diesen Inhalten tatsächlich hat, ist nicht mit Sicherheit zu sagen.

Naja, dann ist ja anscheinend doch mehr "über die Vorgeschichte der Dame" bekannt, um den Sachverhalt in dieser Hinsicht zu beurteilen. Ich will mich da auch nicht weiter einmischen, bin da zu wenig im Thema.

Tai_Eule
20-04-2022, 09:30
Naja, dann ist ja anscheinend doch mehr "über die Vorgeschichte der Dame" bekannt, um den Sachverhalt in dieser Hinsicht zu beurteilen. Ich will mich da auch nicht weiter einmischen, bin da zu wenig im Thema.
Verbreitet öffentlich zugänglich ist dieses Dokument auch erst seit letztem Samstag (16.04.2022). Mir waren bis dahin die Lern-/Lehrdetails von Tachiiri auch nicht sicher bekannt, kamen die meisten Englisch-sprachigen Informationen dazu von der Sorensen-Fraktion und waren damit entsprechend negativ eingefärbt. Der Vorteil an dem Gerichtsdokument ist vor allem auch der kleine Zusatz an manchen Absätzen "Dieser Punkt wird von beiden Seiten bestätigt.". Damit sind reelle Tatsachen öffentlich gemacht worden, auf die man sich in der weiteren Beurteilung der Situation stützen kann.

Ein gewichtiger Punkt ist dabei auch gewesen, dass Nakamura-soke öffentlich keinen Nachfolger benannt hat, z.B. im Rahmen einer Shuumeihirou (Verleihungszeremonie). Alle Belege (Dokumente, wie Zeugen der Gespräche) sind immer nur im kleinen Kreis und ohne Anwalt/Notar (zumindest gibt es dazu keinen Hinweis in der Quelle) kommuniziert worden. Damit wurde das dann ein "er sagt/sie sagt" vor Gericht. Dazu sind ihr, trotz der relativ kurzen Mitgliedschaft (2009 Training im Hauptdojo unter Sorensen begonnen), verwaltende Aufgaben von Nakamura-soke in 2011 übertragen worden und war, bis zum Hamon (Ausschluss; 2013), aktiv als Fürsprecherin in der Kommunikation mit den Dachverbänden involviert.

Ich verstehe durchaus, wie das japanisches Gericht hier zu seinem Urteil kommt. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass das Wissen darum, wie Koryu in der Regel funktionieren, auch in Japan Nischenwissen ist, das den meisten Japanern fehlen dürfte: Beide, Sorensen und Tachiiri, sind mit Aufgaben von Nakamura-soke betraut worden und haben sich gegenseitig dabei unterstützt. Der Erhalt des Status quo (Mitgliedschaft in den "Dachverbänden") wurde durch Sorensen gefährdet, da er nicht japanischer Staatsbürger werden wollte, was die "Dachverbände" als Voraussetzung für eine Eintragung als Vertreter einer Schule haben. Tachiiri hat bis zum Scheitern dieses Punktes alles vereinbarungsgemäß unternommen, um ihren Aufgaben nachzukommen. Erst an diesem Punkt wurde ihr von den "Dachverbänden" zugetragen, dass sie doch die Leitung übernehmen könne, was sie gezwungenermaßen gemacht hat, um den Status quo zu erhalten. So die zusammengefasste Darstellung vor Gericht. Von Seiten Tachiiri wurde stets betont, wie wichtig und entscheidend doch die "Dachverbände" sind, ist die Schule seit mehreren Jahrzehnten und entsprechend unter Leitung der verschiedenen Soke Mitglied dieser Verbände gewesen. Erst mit dem spezifischen Koryu-Wissen, dass nämlich die "Dachverbände" eben keine Weisungsbefugten Verbände sind und auch kein Regierungsorgan, sondern einfach "nur" Zusammenschlüsse verschiedener Schulen zum Zwecke der Förderung von Koryu-bujutsu und dass weiterhin der Soke/Leiter einer Schule allein den Nachfolger ernennt und dieser wiederum alleinige Entscheidungsgewalt hat, fällt diese Argumentation in sich zusammen. Letzteres ist ein Punkt, auf den Sorensen zwar hingewiesen hat, der aber, so vermute ich, aufgrund der dünnen Beweislage (keine öffentliche Ernennung) sowie seinem Nicht-Nachkommen der Verantwortung (Lesart von mir aus dem Dokument) nicht so stark gewichtet wurde.

All das macht deutlich, wie wichtig es für Koryu-ryuha ist, sich auch mit den modernen Rechtsgepflogenheiten auseinander zu setzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, die eigene Schule zu schützen: Markenrechtliche Schritte; bindende Verträge; rechtssichere Dokumente und Testamente; öffentliche Nachfolgeerklärungen sind wohl das Mindestmaß, mit dem eine Schule heutzutage arbeiten muss. Wie eine Schulenleitung dafür das Geld und die Arbeitskraft aufbringt, muss jede Schule für sich selbst klären.