Kannibalismus in China [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Kannibalismus in China



FireFlea
26-04-2022, 08:46
Gehört nicht im engeren Sinne hierher - ist aber ein Artikel über Hungersnöte und Kannibalismus in der chinesischen Geschichte, von daher hier imho am besten aufgehoben:

https://www.welt.de/geschichte/article204151854/Kannibalismus-in-China-Menschenfleisch-billiger-als-Hundefleisch.html

amasbaal
26-04-2022, 15:43
Interessant. danke.
hatte mit dem thema in der ethnologie (indo-pazifischer Raum, kanibalismus als teil psychologischer kriegsführung und im rahmen von ahnenverehrungsritualen) und geschichte (während mittelalterlicher belagerungen in Europa als überlebensstrategie und im rahmen des 1. kreuzzuges als psychologische kriegsführung und im fall der belagerung und erstürmuung von Ma'arat in Syrien mit sicherheit zusätzlich auch als "ernährungsgrundlage" der ausgehungerten christlichen belagerer) zu tun. letzteres ist bis heute teil der erzählungen in islamischen ländern, die den "barbarischen charakter" von christen hervorheben soll.
In DIESER form ("...entwickelte offenbar eine regelrechte kulinarische Ordnung") ist mir das noch nicht begegnet.
zeigt sich mal wieder, wie wenig china im fokus von ethnologie und geschichte hierzulande zu stehen scheint. (EDIT: zumindest schien. Nach 2000 kann sich das geändert haben. glaub ich aber nicht so recht)

OliverT
26-04-2022, 16:24
als psychologische kriegsführung
Wie genau lief das ab? Wurde verbreitet, dass die Feinde gegessen werden? Hat man die Feinde öffentlich verspeist?

Es wird übrigens auch vermutet, dass Schimpansen eine einfache Form vom rituellen Kanibalismus betreiben. Zumindest soll schon beobachtet worden sein, dass sie gezielt nur das Hirn oder andere Körperteile von getöteten Männchen gegessen haben, nachdem die Sippe übernommen wurde.

amasbaal
26-04-2022, 21:10
Wie genau lief das ab? Wurde verbreitet, dass die Feinde gegessen werden? Hat man die Feinde öffentlich verspeist?

bei wem? im indopazifischen raum (mit all den verschiedenen Ethnien und stämmen, die in teilen ein sehr unterschiedliches verhältnis zum thema hatten) oder bei mittelalterlichen europäern?

im indopazifischen raum wurde das kanibalenimage gegen die kolonialisten gezielt eingesetzt, um "terror" im kopf zu verbreiten (ganz massiv von den Maori zb.), und zwar bereits in zeiten, in denen tatsächlicher kanibalismus gar nicht mehr vorkam oder (einzelne fälle) es eher die ausnahme, als die regel war. das image kommt, wie jedes, ja nicht aus dem nichts, da es ja v.a.(!) die ahnenverehrungsvariante gab, die misinterpretiert wurde als "ernährung" und weil die ersten kolonialisten ja alles seefahrer waren, die eine eigene "geschichte des kanibalismus" hatten, bei der es um verspeisen aus hunger ging (nach schiffbruch) . tatsächlich wurden auch in einigen (!) gegenden bei einigen(!) stämmen kriegsgefangene verspeist (bestimmte teile des körpers), aber eben nicht aus "nahrungstechnischen" gründen, sondern zt. aufgrund von vorstellungen, dass man sich den mut und die intelligenz des feindlichen kriegers aneignen könnte (er wurde nicht getötet, um ihn zu essen, sondern, weil man im krieg war und man feinde eben tötet. und weitaus häufiger: um grundlage für "schreckliche erzählungen" zu liefern, die in einigen fällen zu regelrechten "mythen" in der gegend wurden. so soll es auf einer insel einen häuptling gegeben haben, der tausende (!) feinde verspeist habe. er war als "der große esser" bekannt. alle anderen inselvölker drum herum hatten natürlich dann eine heidenangst vor diesem stamm. so was wirkt. ein paar wenige fälle werden dann zu "die fressen einen auf", wenn sie einen erwischen.
dass ich mich damit beschäftigt hatte, ist nun schon 25 jahre her. deshalb kann ich leider nicht ins detail gehen. in alten ordnern und ethnologischen zeitschriften nachzusehen wäre zu aufwändig (das meiste ist im keller). hab das also aus der erinnerung wiedergegeben.
auf den kreuzzügen wurde vor Antiochia wahrscheinlich nur so getan. vor den mauern der stadt wurden für die belagerten deutlich sichtbar kessel mit wasser zum sieden gebracht und gefangene getötet, zerteilt und (ich glaube mich zu erinnern, nachgucken will ich jetzt nicht) auch gekocht. wahrscheinlich hat man es dabei belassen (es gibt aussagen, dass es doch kanibalismus gab, aber das sind eher quellen der muslimischen seite, also der belgarten, die das schauspiel geboten bekamen). Vor Ma'ara gab es "echten" kanibalismus. da wurde tatsächlich auch "gegessen", was sozusagen eine erweiterung der psychologischen kriegsführung war, denn die belagerer hatten ein echtes, massives "hungerproblem", nachdem im umfeld der stadt alles vernichtet worden war, was man zur ernährung hätte nutzen können (von den belagerten, als die kreuzfahrer im anmarsch waren). da wurde aus der "psycho-taktik" dann realität. das zuvor symbolische zum konkreten. in etwa dem gleichen zeitraum (um 1000 herum +- 100 jahre) gibt es häufiger belegte fälle, wo belagerte, nicht die belagerer) in spanien zb., um nicht zu verhungern im "großen stil" kanibalismus betrieben.

in Amin Maalouf - Der Heilige Krieg der Barbaren, Paris 1983 werden fränkische quellen zitiert:
"In Maara kochten unsere Leute die erwachsenen Heiden in Kesseln, zogen die Kinder auf die Spieße und aßen sie geröstet." (Raoul de Caen)
"Eine grausame Hungersnot überfiel das Heer vor Maara, so daß sich die Krieger gezwungen sahen, sich von den Leichnamen der Sarazenen zu ernähren." (aus einem "erklärenden" Brief an den Papst)
und besonders fies, was das verhältnis zu den muslimen in den köpfen der kreuzfahrer anbelangt:
"Nicht nur, daß die Unseren es nicht verabscheuten, die getöteten Türken und Sarazenen zu essen, sie aßen sogar die Hunde!" (Albert d'Aix)
geschehen im dezember 1096 vor und/oder nach der eroberung der stadt (vom 12.12. - 15.12.wurde nahezu die gesamte bevölkerung massakriert. Arabische Quellen nennen 100.000 getötete, aber in dieser zeit war es auf allen seiten üblich - auch heute oft noch - zahlen zwecks propaganda zu verzehnfachen. in maara lebten vor der eroberung etwa 10.000 menschen.)
kein wunder, dass es danach immer wieder in arabischen quellen hieß "Alle, die nach dem Wesen der Franken geforscht haben, mussten feststellen, dass sie Tiere sind..." oder (ein in Maara geborener Dichter): "Ich weiß nicht, ob das hier das Jagdrevier wilder Bestien ist oder mein Haus, die Statte meiner Geburt."
"

OliverT
26-04-2022, 21:39
Ging mir eigentlich um die Kreuzfahrer, aber das war ganz gut, dass ich die Frage so ungenau gestellt hatte. Danke für die interessante Antwort.:halbyeaha

General Bordeaux
27-04-2022, 06:06
Wie genau lief das ab? Wurde verbreitet, dass die Feinde gegessen werden? Hat man die Feinde öffentlich verspeist?

Es wird übrigens auch vermutet, dass Schimpansen eine einfache Form vom rituellen Kanibalismus betreiben. Zumindest soll schon beobachtet worden sein, dass sie gezielt nur das Hirn oder andere Körperteile von getöteten Männchen gegessen haben, nachdem die Sippe übernommen wurde.

Etwas in der Art hat man in der Volksrepublik China im Rahmen des Massakers von Guangxi während der Kulturrevolution mit Individuen, welche als konterrevolutionäre empfunden wurden gemacht.

amasbaal
27-04-2022, 13:59
was heißt hier
Etwas in der Art?

General Bordeaux
27-04-2022, 14:14
was heißt hier ?

Mit "etwas in der Art" habe ich gemeint, dass es nicht zwangsweise "Feinde" im klassischen Kriegssinn waren, da zu diesem Zeitpunkt der Bürgerkrieg bereits vorüber und die Volksrepublik China etabliert war. Es kommt demnach auf die Interpretation der Fragestellung an, ob man die Opfer, welche mitunter komplett neutral / unbeteiligt gewesen sein könnten, als "Feinde" klassifizieren möchte. Aus diesem Grund habe ich meinem Beispiel keinen Gültigkeitsanspruch im Kontext der Fragestellung unterstellen wollen.

amasbaal
27-04-2022, 14:20
Mit "etwas in der Art" habe ich gemeint, dass es nicht zwangsweise "Feinde" im klassischen Kriegssinn waren, da zu diesem Zeitpunkt der Bürgerkrieg bereits vorüber und die Volksrepublik China etabliert war. Es kommt demnach auf die Interpretation der Fragestellung an, ob man die Opfer, welche mitunter komplett neutral / unbeteiligt gewesen sein könnten, als "Feinde" klassifizieren möchte. Aus diesem Grund habe ich meinem Beispiel keinen Gültigkeitsanspruch im Kontext der Fragestellung unterstellen wollen.

öffentliche verspeisung während der kulturrevolution...
wann? wo? wer?
ich frage, weil ich das eigentlich gehört haben müsste. wo kann man das nachlesen?

General Bordeaux
27-04-2022, 14:38
öffentliche verspeisung während der kulturrevolution...
wann? wo? wer?
ich frage, weil ich das eigentlich gehört haben müsste. wo kann man das nachlesen?
Hauptsächlich in den späten 1960'er Jahren im Landkreis Wuxuan in der Provinz Guangxi von Mitgliedern der kommunistischen Partei.

Es gibt dazu doch sogar einen deutschen Wikipedia Artikel, in dem verschiedene Quellen bzgl. Zeugen und Forscher aufgelistet werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Guangxi

amasbaal
27-04-2022, 22:44
Hauptsächlich in den späten 1960'er Jahren im Landkreis Wuxuan in der Provinz Guangxi von Mitgliedern der kommunistischen Partei.

Es gibt dazu doch sogar einen deutschen Wikipedia Artikel, in dem verschiedene Quellen bzgl. Zeugen und Forscher aufgelistet werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Guangxi

:ups:

Pansapiens
28-04-2022, 04:33
letzteres ist bis heute teil der erzählungen in islamischen ländern, die den "barbarischen charakter" von christen hervorheben soll.)

So wie die Erzählungen über die kinderfressenden oder kinderbluttrinkenden Juden?

Pansapiens
28-04-2022, 04:46
letzteres ist bis heute teil der erzählungen in islamischen ländern, die den "barbarischen charakter" von christen hervorheben soll.)

So wie die Erzählungen über die kinderfressenden oder kinderbluttrinkenden Juden in allen möglichen Ländern?
Gab es solche Erzählungen nicht auch aus dem Kosovokrieg?




und besonders fies, was das verhältnis zu den muslimen in den köpfen der kreuzfahrer anbelangt:
"Nicht nur, daß die Unseren es nicht verabscheuten, die getöteten Türken und Sarazenen zu essen, sie aßen sogar die Hunde!" (Albert d'Aix)


Wenn nun jemand schriebe: "Nicht nur, dass die Unseren es nicht verabscheuten, die getöteten Rinder zu essen, sie aßen sogar die Kakerlaken", was sagte das zu seinem Verhältnis zu den Rindern aus?

General Bordeaux
28-04-2022, 05:51
:ups:

Ich finde es schon interessant, dass du offenbar noch nicht davon gehört hattest. Das Guangxi-Massaker inkl. Kannibalismus ist eigentlich einer der bekannteren Vorfälle der Kulturrevolution, verglichen mit ... keine Ahnung ... dem Daoxian-Massaker oder dem Shaoyang-Massaker.

amasbaal
28-04-2022, 11:18
wie gesagt: china war kein thema

big X
28-04-2022, 13:04
So wie die Erzählungen über die kinderfressenden oder kinderbluttrinkenden Juden in allen möglichen Ländern?
Gab es solche Erzählungen nicht auch aus dem Kosovokrieg?

im kosovo-krieg gibt es wohl hinweise darauf, dass uck-angehörige muslime für den organhandel ausgeweidet haben. dies war der NATO bekannt, hat aber keinen interessiert, weil die ja die "guten" waren.
es hat immerhin dazu geführt, dass der IStGH (oder ein der anderen internationalen gerichtshöfe) ermittlungen aufgenommen hat.
was daraus geworden ist, weiss ich nicht. habe davon schon länger nix mehr gehört.

Der Alchemist
28-04-2022, 13:13
dass uck-angehörige muslime für den organhandel ausgeweidet haben

ein nicht unerheblicher teil der albaner/kosovaren (uck) ist muslimisch, ihre gegner, die serben sind in der regel serbisch-orthodox...
ist das ein übertragungsfehler?

big X
28-04-2022, 20:54
ist ja alles nur ein paar klicks (https://de.wikipedia.org/wiki/Organhandel_im_Kosovo) entfernt.
korrektur meiner vorherigen aussage: die opfer waren wohl hauptsächlich serben und roma.

Der Alchemist
30-04-2022, 22:30
danke für die info. thaci hatte ja schon immer nen miesen ruf, aber das ausmaß war mir nicht bekannt. speziell das die eigene leute "entsorgt" hatten. die kosovaren, die ich kennenlernte, waren untereinander immer sehr einig, egal welche beziehungen sie zueinander hatten.