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Bücherwurm
19-07-2022, 13:25
Es steht ja an verschiedenen Stellen die Frage nach dem Verhältnis zwischen "Kampf" und "Form".

Ich gehe (mittlerweile) davon aus, dass der Kampf das Konkrete, die Form das Abstrakte verkörpert, dass der Kampf das Primäre, die Form davon abgeleitet ist.

Wie sieht da denn der Stand der Erkenntnis aus?

Gast
19-07-2022, 15:01
Es steht ja an verschiedenen Stellen die Frage nach dem Verhältnis zwischen "Kampf" und "Form".

Ich gehe (mittlerweile) davon aus, dass der Kampf das Konkrete, die Form das Abstrakte verkörpert, dass der Kampf das Primäre, die Form davon abgeleitet ist.

Wie sieht da denn der Stand der Erkenntnis aus?

Ich denke da müsstest du noch ein bisschen ins Detail gehen und spezifizieren.

Sonst fühlt sich der Philosoph in mir angestachelt, vorab über die Begrifflichkeit konkret, abstrakt, Form und Substanz zu palavern.

Wenn die Frage z. B. ist, wie sich "die Taolu des Taijiquan zu dem Kampf" verhalten, dann ist das immer noch viel zu uneindeutig; zumindest wenn wir das historisch aufdröseln wollen.

Also, mehr Infos bitte! :biglaugh:

Bücherwurm
19-07-2022, 15:36
Wenn die Frage z. B. ist, wie sich "die Taolu des Taijiquan zu dem Kampf" verhalten, dann ist das immer noch viel zu uneindeutig; zumindest wenn wir das historisch aufdröseln wollen.

Also, mehr Infos bitte! :biglaugh:

Hm. Wer kam wann auf den Gedanken, einige kampftypische Bewegungen aneinanderzuhängen und sie ohne Partner zu üben? So etwa? :D

Viskando
19-07-2022, 15:52
Hm. Wer kam wann auf den Gedanken, einige kampftypische Bewegungen aneinanderzuhängen und sie ohne Partner zu üben? So etwa? :D

vermutlich einer der einfach sein training machen wollte und keinen bock auf nervige leute hatte.

der hat denen paar coole moves gezeigt und gesagt die sollen ihn die naechsten jahre nich weiter stoeren.

100 jahre spaeter. formen sind das non plus ultra und man kann so ziemlich alles reininterpretieren was man so will.

und erst die vergleiche und wettbewerbe und demonstrationen und experten die wissen was ne gute und ne schlechte form ist.

und die wissenschaftler wie pansapiens die daraus ein studium mit doktor titel machen. oder kanken der verbindung von formen und gehirnen untersucht.

ueberall formen. nur weil einer keinen bock hatte richtig zu unterrichten.

und dann soll man mit den ganzen formen zu einem formlosen zustand kommen.

formtastisch

Bücherwurm
19-07-2022, 16:13
vermutlich einer der einfach sein training machen wollte und keinen bock auf nervige leute hatte.

der hat denen paar coole moves gezeigt und gesagt die sollen ihn die naechsten jahre nich weiter stoeren.



:biglaugh:

Gast
19-07-2022, 16:41
Hm. Wer kam wann auf den Gedanken, einige kampftypische Bewegungen aneinanderzuhängen und sie ohne Partner zu üben? So etwa? :D

Ich zitiere mich mal aus dem Bücher Thread:

Interessant für uns hier: der Pyrrhiche (oder Pyrrhichios, Pyrrhike), ein Gruppen-Kriegstanz, der wohl auch zum Erlernen der grundlegenden Bewegungen für das Gefecht gedient hat.

https://en.wikipedia.org/wiki/Pyrrhichios

Hat da schon mal wer was näheres zu gelesen?
(Period?)

Und ergänzend:

Da sind wir also schon bei ca. 500 v. Chr.

Solo-Waffenübungen dürften so alt sein wie die frühen Großreiche, egal ob Sumer, Ägypten, Indien, China oder antike Welt.
Waren halt vermutlich eher drei-vier Moves, und nicht zehn, zwanzig oder mehr.

Cam67
19-07-2022, 19:30
Solo-Waffenübungen dürften so alt sein wie die frühen Großreiche, egal ob Sumer, Ägypten, Indien, China oder antike Welt.
Waren halt vermutlich eher drei-vier Moves, und nicht zehn, zwanzig oder mehr.

Das würde ich als Drill bezeichnen. Da würde ich mal hier anfragen , ab wann , also wieviel Bewegungen, Bilder , ist es bei euch kein Drill mehr , sondern eine Form ?
Oder macht ev. der Fokus DEN unterschiede.? Ist also der Fokus mehr auf die Wirkung, wie z.b. Speed, Power, Rhythmus, Verkettung , der eigenen Bewegungen oder mehr auf die Art der Ausführung in einem selber.

Gast
19-07-2022, 19:49
Das würde ich als Drill bezeichnen. Da würde ich mal hier anfragen , ab wann , also wieviel Bewegungen, Bilder , ist es bei euch kein Drill mehr , sondern eine Form ?
Oder macht ev. der Fokus DEN unterschiede.? Ist also der Fokus mehr auf die Wirkung, wie z.b. Speed, Power, Rhythmus, Verkettung , der eigenen Bewegungen oder mehr auf die Art der Ausführung in einem selber.

Das ist das was ich weiter oben meinte. Wird schwer oder unmöglich, das so pauschal zu beantworten.
Wir hatten ja bisher auch keine Einigkeit darüber, was eine Taolu z. B. genau ausmacht, bzw. macht sie für den einen dies und für den anderen jenes aus.

Deshalb auch meine Frage an Bücherwurm, ob er es konkretisieren kann.

Alephthau
19-07-2022, 20:57
Hi,

Meine momentane Erkenntnis, nach all den Jahren, ist:

Formen sind dafür gedacht, ohne Trainingspartner trainieren zu können. Jede Form transportiert eine Idee, aber man kann sich auch seine eigenen Abläufe kreieren, je nach dem, wo man gerade den Fokus setzen will beim üben.

Gruß

Alef

period
19-07-2022, 21:03
https://en.wikipedia.org/wiki/Pyrrhichios

Hat da schon mal wer was näheres zu gelesen?
(Period?)


Ich muss passen, ist nicht meine Zeit ;)

Ich denke auch, dass wir uns für die Diskussion auf eine einheitliche Terminologie einigen sollten, sonst ufert das vermutlich aus.

Ich würde unterscheiden:
- Solo-Training: Solo-Training ist ein sehr freier Begriff, der verschiedene Kategorien von Übungen mit einer mehr oder weniger konkreten kämpferische Anwendung umfasst. Dabei werden u.a. häufig Hilfsmittel eingesetzt, die einen Gegner simulieren (z.B. Sandsack, Pfahl/pell, Makiwara, Dummy...) oder auch Hilfsmittel, die primär eine bestimmte Form von Kraftanwendung am Gegner simulieren (Seil, Gummiband, chi-ishi, ishi-sashi...)
- Drill: ein Drill ist die Wiederholung einer Kampfhandlung, die aus einer bestimmten Situation entsteht und mit oder ohne Partner bzw. Hilfsmittel geübt wird. Drills sind in der Regel sehr kurz und repetitiv und umfassen eine oder zwei, selten mehr als drei Techniken in Folge. Wenn es mehrere Techniken sind, werden diese häufig aus dem gesamten Technikrepertoire frei ausgesucht und nach den Erfordernissen der Situation aneinandergereiht, sind also nicht festgeschrieben. Häufig ist auch der Ausgang nicht vordefiniert, lediglich die Intensität und Dauer ("bis zum Punkt X", "gewonnen hat man, wenn..."), es kann also bei Partnerdrills A oder B zum gültigen Resultat kommen.
- Kombination: Kombinationen sind eine Unterkategorie des Solo-Trainings, und umfassen vordefinierte - wenn auch nicht zwingend standardisierte - Aneinanderreihungen von Kampfhandlungen, die sich auch mehr oder weniger unverändert im Kampf wiederfinden können bzw. aus genau diesem Grund trainiert werden. Diese können ohne Hilfsmittel (Schattenboxen/Schattenringen) oder mit Hilfsmitteln geübt werden. WICHTIG dabei ist: die Ausführenden sind sich voll und ganz bewusst, was sie da machen, und lernen/üben Kombinationen nur, wenn sie die enthaltenen Einzeltechniken beherrschen (sie lernen also nicht die Technik in dieser Form). Auch wenn die Technikabfolge bei Kombinationen meist vorgegeben ist (z.B. im Boxen jab-jab-cross / jab-left hook - right uppercut usw.) ist häufig die Ausführung relativ frei, was die Ausgangsposition (klassische Doppeldeckung, Peek a boo, Philly Shell, Armadillo...) die konkrete Form der Angriffe, die Ziele (Kopf oder Körper), die Beinarbeit usw. angeht. Im Extremfall schaut die gleiche Kombination bei zehn Profiboxern gänzlich anders aus, wird aber in allen Fällen als "richtig" angesehen.
- Freies Schattenboxen/Schattenringen etc: eine freie, mehr oder weniger improvisierte Aneinanderreihung von Techniken und Kombinationen nach Gutdünken des Ausführenden; als Variante hätten wir "angeleitetes Schattenboxen/-Ringen" bei dem ein Trainer oder ein Audiotape die Abläufe vorgibt.
- Choreographie (in Ermangelung eines besseren Begriffes): bei der Choreographie wird eine grössere Zahl an Bewegungsabläufe aneinandergereiht einstudiert (mit oder ohne Partner), diese sind aber nicht zwingend standardisiert oder codiert; die Zuschauenden wissen häufig bis meistens nicht, welche Aktion als nächstes kommt. Choreographien können ohne weiteres selbst erarbeitet werden, und auch wenn es klassische Elemente darin geben kann - Schrittfolgen, Haltungen, Angriffe - sind diese meist nicht exklusiv gegenüber neuen Elementen oder individueller Kombination.
- Form: Formen sind komplexere, häufig mehr oder weniger stark codierte, fixierte Bewegungsabläufe (fixiert u.U. auch in Hinblick darauf, wie die Einzeltechnik auszuführen ist, wie man sich fortbewegt usw.). Im Unterschied zu den oben genannten Kategorien muss es den Ausübenden offenbar NICHT bewusst sein, was sie da gerade genau machen, und die Form kann beim Erlernen auch neue Bewegungsabläufe hinzufügen, deren Sinn sich den Ausübenden vielleicht erst wesentlich später, vielleicht nie erschliesst (siehe die umfassenden entsprechenden Debatten zu den Themen "was bedeutet Form X?" oder "üben wir da eigentlich was mit oder ohne Waffen, Schlag oder Wurf...?"). Formen können unterschiedliche Situationen codieren, die jedoch weitestgehend fiktiv sind, sich in dieser Abfolge also realiter vielleicht nie in einem Kampf wiederfinden, weil sie bestimmte Reaktionen von einem oder mehreren Gegnern mit oder ohne Waffen imaginieren. Dennoch kann die Form didaktisch sehr hilfreich sein, weil sie z.B. unterschiedliche Kombinationen aneinanderreihen und den Bewegungsfluss verbessern kann.

Wie seht ihr das? In Hinblick auf den Pyrrhichios würde ich sagen, dass der in eine der beiden letzten Kategorien fallen dürfte, je nachdem, ob da der Ablauf vorgeschrieben war oder nicht, ob es bestehende Abfolgen gab oder nicht (ich vermute spontan eher letzteres, aufgrund des erwähnten Wettbewerbscharakters).
Kurz noch zur Ausgangsfrage: Man kann jemandem auch ganz ohne Solotraining effektiv auf den Kopp hauen. Idealerweise kann man ihm mit (Solo-)Training effektiver auf den Kopp hauen, deswegen ist irgendwann mal wer auf die Idee gekommen. Problematischer wird es, wenn Leute, die nicht bereits effektiv auf Köppe hauen können mit Solo-Trainingsformen anfangen in der Annahme, dass sie es danach könnten, eventuell noch mit solchen, wo sie keinen blassen Dunst haben, was sie da grad machen. Da kann dann im Prinzip alles mögliche rauskommen, je nachdem, wie es gemacht und angeleitet wird.

Katamaus
19-07-2022, 21:26
Ich denke auch, dass wir uns für die Diskussion auf eine einheitliche Terminologie einigen sollten, sonst ufert das vermutlich aus.

Du glaubst echt, es gibt eine Chance, dass es das nicht tut? :ups: :rofl: ;)

Cam67
19-07-2022, 21:54
Wie seht ihr das? In Hinblick auf den Pyrrhichios würde ich sagen, dass der in eine der beiden letzten Kategorien fallen dürfte, je nachdem, ob da der Ablauf vorgeschrieben war oder nicht, ob es bestehende Abfolgen gab oder nicht (ich vermute spontan eher letzteres, aufgrund des erwähnten Wettbewerbscharakters)..

Bücherwurm fragte ja nach Historikern und damit wohl eher nach historischen Aufzeichnungen anhand derer man etwas aussagen kann.
Mit Blick auf Deine Frage , würde ich auch eher anfangs von nichtfestgelegten Abläufen ausgehen, die mehr eine erzählerische Darstellung von Ereignissen oder Erfahrungen waren . Ähnlich den Jägdtänzen oder ähnlich dem Haka , der ebenfalls eine Art Erzählung darstellt und keine festgelegten kämpferischen Muster . Kann mir aber Vorstellen , das bestimmte , "wichtige " bzw gesellschaftlich beeindruckende Ereignisse , später mit einem erzählerischen freien Rahmen aber dennoch gleichbleibenden Inhalt , weiter gegeben wurde . Inklusive der kämpferischen Abläufe . Und somit in das gesellschaftliche Gedächtniss eingeflossen sind.

Das würde aber dann ebenfalls für Büchrwurms Gedanke , "erst der konkrete Kampfablauf ,dann die Form" sprechen.




- Form: Formen sind komplexere, häufig mehr oder weniger stark codierte, fixierte Bewegungsabläufe (fixiert u.U. auch in Hinblick darauf, wie die Einzeltechnik auszuführen ist, wie man sich fortbewegt usw.). Im Unterschied zu den oben genannten Kategorien muss es den Ausübenden offenbar NICHT bewusst sein, was sie da gerade genau machen, und die Form kann beim Erlernen auch neue Bewegungsabläufe hinzufügen, deren Sinn sich den Ausübenden vielleicht erst wesentlich später, vielleicht nie erschliesst (siehe die umfassenden entsprechenden Debatten zu den Themen "was bedeutet Form X?" oder "üben wir da eigentlich was mit oder ohne Waffen, Schlag oder Wurf...?").

Ich denke mittlerweile , daß mit Formen wie wir sie heute kennen , eher grundlegende Arten sich zu bewegen konserviert wurden, entsprechend dem Vorgaben des jeweiligen Stils und weniger konkrete Anwendungen . Also eher die Biomechanik und dazu notwendige Physiologie , also Struktur . das ist mehr ein Essenztraining....... Ist doch kein Zufall , das man eine beliebiges Bild einer beliebigen Form nehmen kann und einen Zeitstop einlegt , das Bild einfriert und nun mehre unterschiedliche Anwendungen daraus interpretieren , auslegen ,kann. Einfach weil die Konstellation der Extremitäten in Bezug zum Rumpf , und dazu noch in Bezug zum gegnerischen Bewegung , es zulässt.
Ohne die dazu notwendigen Übergänge , Wege , ist es einfach nur eine dargestellte Figur und keine Anwendung , und die ursprünglich gedachte Transition selber ist allein mit der Form nicht zwingend und alleinig zu finden . Wäre es so , gäbe es die ganzen Interpretationen ohne mündliche zusätzliche Anweisungen , nicht .
Und damit hat es sich ,in meinen Augen , von dem angenommenen ursprünglich erzählerischen Charakter , weg entwickelt.

FireFlea
20-07-2022, 06:13
Ich denke mittlerweile , daß mit Formen wie wir sie heute kennen , eher grundlegende Arten sich zu bewegen konserviert wurden, entsprechend dem Vorgaben des jeweiligen Stils und weniger konkrete Anwendungen . Also eher die Biomechanik und dazu notwendige Physiologie , also Struktur . das ist mehr ein Essenztraining....... Ist doch kein Zufall , das man eine beliebiges Bild einer beliebigen Form nehmen kann und einen Zeitstop einlegt , das Bild einfriert und nun mehre unterschiedliche Anwendungen daraus interpretieren , auslegen ,kann. Einfach weil die Konstellation der Extremitäten in Bezug zum Rumpf , und dazu noch in Bezug zum gegnerischen Bewegung , es zulässt.
Ohne die dazu notwendigen Übergänge , Wege , ist es einfach nur eine dargestellte Figur und keine Anwendung , und die ursprünglich gedachte Transition selber ist allein mit der Form nicht zwingend und alleinig zu finden . Wäre es so , gäbe es die ganzen Interpretationen ohne mündliche zusätzliche Anweisungen , nicht .
Und damit hat es sich ,in meinen Augen , von dem angenommenen ursprünglich erzählerischen Charakter , weg entwickelt.

Ich glaube Henning hat bzgl. Shotokan Historie mal die Unterscheidung in 3 Typen getroffen - Kata zum Kampf, Kata zur körperlichen/gesundheitlichen Ertüchtigung und auch Kata zur Show (muss den Artikel mal finden). Von daher ist es schon einmal schwierig, EINE Ursprungsidee für Kata festzmachen.

Andreas Quast hat mal in einem Artikel (muss ich ebenfalls finden) zwischen Kata Prinzipien auf Okinawa und jap. Koryu differenziert. Die einen haben Kata eher so genutzt, wie von Dir beschrieben, die anderen eher an konkreten Anwendungen orientiert.

Gast
20-07-2022, 07:08
Ganz ehrlich, ich glaube nicht dass wir hier zu zuverlässigen Aussagen mit größerer Reichweite kommen. Dafür ist viel zu wenig bekannt und viel zu viel Spekulation. Die Zeiträume und geographischen Räume sind enorm groß und die Akteure vielfältig.

Als kleiner Beitrag hier mal ein Auszug aus einem Artikel von Lin Boyuan und Zhou Peifang aus dem Jahr 2007:

HISTORISCHE ÜBERLEGUNGEN ZUR ÜBUNG VON KAMPFKUNST-FORMEN (TAOZI) IM ALTEN CHINA.

1. Einleitung
Taozi (套子) oder taolu (套路) (die Entsprechung zu 形 bzw. kata in den japanischen Kampfkünsten) ist eine der wesentlichen Übungsformen in den chinesischen Kampfkünsten geworden. Bezüglich des Terminus taozi in der Geschichte Chinas, dem Zeitpunkt seines anfänglichen Erscheinens und seiner Entfaltung hat der Autor (Lin Boyuan) zwar in seinem früheren Artikel „Forschungen zur Geburt des Begriffes taozi und seinen Veränderungen in der chinesischen Geschichte“ bereits Untersuchungen angestellt, jedoch sind die Ausführungen und Belege noch nicht zufriedenstellend. So wird darin zwar bezüglich der erstmaligen Verwendung des Fachbegriffs taozi angenommen, dass dies während der Song-Zeit (960-1279) der Fall war; aber auf was für eine Art von Kampfkunst verweist diese früheste Verwendung von taozi, und um was für konkrete Inhalte ging es dabei? Nai Deweng (耐得翁) aus der Song-Zeit hat in seinem Werk Ducheng jisheng (都城紀勝) („Ausführliche Beschreibung der Hauptstadt“) im Kapitel „Künstler und Artisten“ (瓦舎衆技) zwar Aspekte wie wu zhuo dao (舞斫刀), wu man pai (舞蛮牌) und wu jian (舞剣) aufgenommen (als eine Form der Straßenkünste), aber ob man dabei schon taozi im Sinne der Kampfkünste sprechen kann ist noch nicht klar. Weiterhin ist für den Eintritt in die Ming-Zeit ebenfalls noch detaillierte Forschung nötig hinsichtlich der Frage, wie sich der Begriff taozi darin entwickelt und verändert hat, und wodurch dies bestätigt werden kann. Die Forschung bezüglich dieser Probleme ist bislang weder in China noch in Japan vorangeschritten, weshalb der vorliegende Beitrag dies unternehmen möchte.

2. Das Konzept taozi in der Song-Zeit und seine tatsächliche Bedeutung
Das Zeichen tao (套) besitzt in der alten chinesischen Sprache mehrere Bedeutungen, aber vor allem wird es mit „wiederholen, anhäufen“ erklärt. Das heißt, wenn mehrere Dinge zusammengeführt, zu einer Sache miteinander verbunden werden, spricht man dabei von tao oder taozi. Beispiele für die Verwendung in diesem Sinne sind Begriffe wie taoqu (套曲) (eine Form der Musik, Divertimento oder Suite) taocai (套菜) (eine Kochanleitung), taobei (套杯) (Tassen von leicht unterschiedlicher Größe, die ineinander gestapelt werden können), taocan (套餐) (ein Menü), taoli (套礼) (ein Geschenkset) und andere.
In der Kampfkunst-Geschichte wird der Begriff taozi erstmals während der Südlichen Song-Zeit (1127-1279) verwendet. Zu dieser Zeit findet sich in einem Bericht das zheng jiao (争交) betreffend (ein anderer Ausdruck für Ringkampf bzw. Sumo) der Ausdruck taozi. Im Mengliang lu (夢梁録) („Traum von der früheren Hauptstadt“) von Wu Zimu (呉自牧) heißt es dazu:
„Die Ringkämpfer an den Vorführungsorten in den Straßen stammen zumeist aus den Provinzen oder ländlichen Gegenden. Die besten tun sich zusammen, werden Freunde und verdienen ihren Lebensunterhalt. Bevor es mit dem Ringkämpfen losgeht treten noch mehrere Gruppen weiblicher Kampfkünstler auf, welche taozi ausführen und die Aufmerksamkeit der Gäste damit auf sich ziehen; danach beginnen die kräftigen Ringer mit ihren Kämpfen.“
An diesem Zitat verdienen die Stellen „weibliche Kampfkünstler die taozi ausführen (女颱数対打套子)“ und „die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich ziehen“ unsere Beachtung. Demnach beschreibt das „ausführen der da-taozi (打套子)“ nicht die Vorführung einer einzelnen Darstellerin, sondern zwei Frauen führen zeigen einen (waffenlosen) Kampf, welcher zudem dazu dient, die Aufmerksamkeit der Zuschauer und Vorbeigehenden auf sich zu ziehen.
Weiterhin handelt es sich bei diesem taozi nicht um ein randori (ein freier Übungskampf, in dem beide Seiten ihre Techniken versuchen anzuwenden), sondern um eines festgelegte Abfolge der Bewegungen beider Parteien. Tatsächlich findet sich eine Entsprechung zu dieser Form des da-taozi bereits während der Nördlichen Song-Zeit (960-1126). Dabei kann man die folgenden historischen Quellen sichten.
Als in der Qing-Zeit dem Kaiser der Baojin-Turm sichtbar wurde (宝津楼), führten am Fuße des Turms verschiedene Armeen ihre Manöver aus. Im 7. Band (駕登寶津樓諸軍呈百戲) des von Meng Yuanlao (孟元老) [ca. 1090-1150] verfassten Dongjing meng hua lu (東京夢華録) berichtet er über die Art und Weise der von der Arme der Nördlichen Song in Bianjing (dem heutigen Kaifeng) ausgeführten taozi folgendes:
„Es kamen mehr als hundert Soldaten in greller Kleidung zusammen, ...“
Weiterhin heißt es:
„...“
Und es heißt zudem, zu einer Zeit habe eine Personen einen kleinen Gong (銅鑼) geschlagen, wobei er von um die hundert Leuten begleitet wurde. Es heißt:
„...“
Diesem Bericht zufolge...

Ich hatte den Artikel damals nicht weiter übersetzt. Aber ich denke es wird schon deutlich, wie schwierig es wird, da was Allgemeines rauszuarbeiten.

period
20-07-2022, 08:53
Du glaubst echt, es gibt eine Chance, dass es das nicht tut? :ups: :rofl: ;)

Warten wirs ab ;)

Katamaus
20-07-2022, 09:18
Warten wirs ab ;)

Ich hol schon mal Bier und Popcorn… :biggrinan

period
20-07-2022, 09:33
Ich hol schon mal Bier und Popcorn… :biggrinan

Igitt :D

period
20-07-2022, 09:34
Bücherwurm fragte ja nach Historikern und damit wohl eher nach historischen Aufzeichnungen anhand derer man etwas aussagen kann.
Genauer gesagt hat er Forscher und KK-Historiker gefragt, da ist meine Jobbezeichnung ziemlich nahe dran ;) Ich persönlich denke, dass historische Aufzeichnungen per se nicht ausreichen werden, weil man damit die zeitliche Abfolge bereits a priori in historische Zeit setzt, was im heutigen Europa etwa bedeutet, dass man mit den Minoern anfängt. Urk und Glork, die sich bereits sehr erfolgreich Holzkeulen und Steine um die Ohren gehauen haben, lässt man dagegen aussen vor. Wenn wir schon beim Thema sind – verschiedene Höhlenmalerei-Szenen werden als Jagdrituale interpretiert, da ist der Schritt zum simulierten Kampf auch nicht weit, wenn man mich fragt. Hüben wie drüben wäre aber stark anzunehmen, dass die Kenntnis des realen Phänomens der Simulation vorausgeht – sprich, man fängt nicht an über die Wiese zu tanzen und merkt dann zufällig, dass man dabei ja ganz toll leckere Mammuts erlegen kann (überspitzt formuliert, ich postuliere nicht, dass die menschliche Jagdgeschichte mit Mammuts angefangen hat).
Damit wären wir bei einem weiteren wichtigen Punkt: Historiker arbeiten praktisch immer mit indirekten Quellen, also mehr oder weniger tendenziösen Überresten (das gilt sogar für Zeithistoriker). Diese werden gesammelt, bewertet und im Kreis der Fachkollegen diskutiert. Bewertungen und Diskussionen können zwangsläufig nur im eigenen Referenzsystem stattfinden, nur teilweise im zeitgenössischen, das den Historikern höchstens partiell erschliessbar ist. Mit anderen Worten, es ist NICHT erforderlich, dass der Begriff «Form» mit allen jemals verwendeten Bedeutungen von «haka», «kata», «taozi» etc. übereinstimmt; diese Begriffe würde man verwenden, wenn man die entsprechenden Phänomene beschreibt, für eine globale Betrachtung wären sie als Überbegriffe sogar eher hinderlich. Und dass man etwas, was seinerzeit eine Definitionskategorie war, nicht in mehrere Kategorien aufteilen darf, sagt ja auch niemand. Allerdings muss den Kollegen, mit denen man diskutiert, klar sein, was denn jetzt der Prof. Dr. XY unter dem Begriff Z versteht.
Weil Du Haka erwähnt hast – zumindest so, wie wir das heute kennen, wären das nach den von mir aufgestellten Kategorien alles Choreographien, weil da Gruppen zeitgleich die gleichen Bewegungen tanzen – was sie nicht könnten, wenn der Ablauf nicht vorgegeben wäre.


Ich denke mittlerweile , daß mit Formen wie wir sie heute kennen , eher grundlegende Arten sich zu bewegen konserviert wurden, entsprechend dem Vorgaben des jeweiligen Stils und weniger konkrete Anwendungen . Also eher die Biomechanik und dazu notwendige Physiologie , also Struktur . das ist mehr ein Essenztraining....... Ist doch kein Zufall , das man eine beliebiges Bild einer beliebigen Form nehmen kann und einen Zeitstop einlegt , das Bild einfriert und nun mehre unterschiedliche Anwendungen daraus interpretieren , auslegen ,kann. Einfach weil die Konstellation der Extremitäten in Bezug zum Rumpf , und dazu noch in Bezug zum gegnerischen Bewegung , es zulässt.
Ohne die dazu notwendigen Übergänge , Wege , ist es einfach nur eine dargestellte Figur und keine Anwendung , und die ursprünglich gedachte Transition selber ist allein mit der Form nicht zwingend und alleinig zu finden . Wäre es so , gäbe es die ganzen Interpretationen ohne mündliche zusätzliche Anweisungen , nicht .
Und damit hat es sich ,in meinen Augen , von dem angenommenen ursprünglich erzählerischen Charakter , weg entwickelt.
Das geht jetzt in Richtung Haarspalterei, aber man könnte auch sagen, dass jede Technik Biomechanik und Struktur zeigen sollte, ungeachtet dessen, ob sie mit oder ohne Partner ausgeführt wird. Die Argumente mit dem Einfrieren und der Mehrdeutigkeit finde ich schwierig, weil
a) ist die Struktur in diversen Stilen (etwa Silat) mit und ohne Waffe immer gleich – das wird den Trainierenden aber am ersten Tag gesagt und nicht nach 15 Jahren in einer feierlichen Teezeremonie eröffnet
b) könnte man das Spiel auch in den westlichen Disziplinen machen, die diesbezüglich aber keinen Anspruch erheben
c) würde es vermutlich auch mit verschiedensten anderen Sportaufnahmen funktionieren
Um ganz ehrlich zu sein: ich persönlich halte die entsprechenden Diskussionen für ein Anzeichen dafür, dass die «Linie gebrochen» ist. Zumindest nach meinem Verständnis müsste wenigstens den fortgeschrittenen Trainierenden beim Durchhampeln der Form sonnenklar sein, dass sie aus dieser Position A, B und C machen könnten, mit und ohne Waffe, nicht aber D, weil... Wenn ich einem Boxer oder Ringer beim Solotraining zuschaue, ist mir ja auch klar, was der da grade macht, auch wenn ich den Gegner nicht sehe und die konkreten Kombinationen noch nie vorher gelernt habe, schliesslich kenne ich ja die Techniken und Prinzipien von den Sportarten. Allenfalls kann ich mir noch vorstellen, dass die Meta-Informationen in diversen Disziplinen nie fest fixiert wurden, nachdem niemand damit gerechnet hat, dass die Trainierenden und/oder Zuschauenden irgendwann überhaupt keine Ahnung haben, wie denn welche Art von Kampf aussieht.

Gast
20-07-2022, 10:02
Ich warf das jetzt einfach noch mal so rein:

Für Kämpfen welches in Wettkämpfen stattfindet, braucht es mit Sicherheit keine Formen; siehe Judo, Karate, TKD oder auch Boxen und Ringen.
Für Kämpfen im Kontext von Banden- und Straßengewalt oder kriminellen Milieu auch nicht.
Für Kämpfen im Kontext von polizeilichen und militärischen Aktionen und Operationen auch nicht.

Sieht also mau aus.

Die Frage müsste also eher lauten, ob Formen einen eigenen, davon unabhängigen Nutzen haben, und da denke ich lautet die Antwort schon "Ja".

Da wären einmal relativ simple Dinge wie dass sie Leute zum Üben/sich bewegen motivieren; sie schulen das Gedächtnis; können als Baukasten für weitere Beschäftigung mit den Inhalten einer KK dienen; sie bieten schöne Vorführungen; kann man bestimmt noch paar Punkte finden.

Speziell die langsam ausgeführten Formen hätten zudem m M n noch den Vorteil, dass man damit ein paar körperliche Skills und gesundheitliche Qualitäten ausbilden kann, die nur durch schnelles Training m M n nicht erreicht werden können.

So in etwa in a nutshell.

period
20-07-2022, 10:32
Für Kämpfen welches in Wettkämpfen stattfindet, braucht es mit Sicherheit keine Formen; siehe Judo, Karate, TKD oder auch Boxen und Ringen.

Man braucht sie zwar nicht, aber man kann sie trotzdem haben. Judo hat traditionell Katas als Bestandteil der Graduierungen, und ich kenne auch einen deutschen Bundesligaverein im Ringen, wo bis zu 20 Techniken umfassende, intern standardisierte Technikketten solo geübt werden. Da kommt man mit dem Begriff "Kombination" schon nicht mehr wirklich aus, weil zu lang und nicht frei kombinierbare Bestandteile.

Gast
20-07-2022, 10:42
Man braucht sie zwar nicht, aber man kann sie trotzdem haben. Judo hat traditionell Katas als Bestandteil der Graduierungen, und ich kenne auch einen deutschen Bundesligaverein im Ringen, wo bis zu 20 Techniken umfassende, intern standardisierte Technikketten solo geübt werden. Da kommt man mit dem Begriff "Kombination" schon nicht mehr wirklich aus, weil zu lang und nicht frei kombinierbare Bestandteile.

Ja mei, man kann vieles haben. Aber wie du eben schreibst: man braucht sie nicht.
(Und 99% der Wettkämpfer im Judo, Karate, TKD - zumindest von denen die ich kannte auf nationalem oder darüber hinausgehenden Niveau, haben sich nicht damit beschäftigt. Zumindest nicht während ihrer Wettkampf-Zeit. Prüfungsmäßig wird das teilweise ja sogar schon ausdrücklich abgekoppelt.)

period
20-07-2022, 10:47
Ja mei, man kann vieles haben. Aber wie du eben schreibst: man braucht sie nicht.
(Und 99% der Wettkämpfer im Judo, Karate, TKD - zumindest von denen die ich kannte auf nationalem oder darüber hinausgehenden Niveau, haben sich nicht damit beschäftigt. Zumindest nicht während ihrer Wettkampf-Zeit. Prüfungsmäßig wird das teilweise ja sogar schon ausdrücklich abgekoppelt.)

Kein Einspruch von meiner Seite; ich würde aber anfügen, dass wenn es um die Frage "warum macht man das?" lohnenswert sein kann, sich anzuschauen, welcher Wert eben auch im konkreten Einzelfall dieser Praxis beigemessen wird; daher habe ich den besagten Fall erwähnt, dort wurde mir erklärt, das diene primär einer flüssigeren Verkettung von Techniken, mit Verweis auf den diesbezüglichen Mehrwert von Kombinationen, die länger sind als die üblichen 2-4 Techniken. Mein Greco-Trainer kam aus dem besagten Verein, er fand die Idee an sich gut, hat sie aber selbst nicht in der Form implementiert.

Katamaus
20-07-2022, 11:43
Und 99% der Wettkämpfer im Judo, Karate, TKD - zumindest von denen die ich kannte auf nationalem oder darüber hinausgehenden Niveau, haben sich nicht damit beschäftigt. Zumindest nicht während ihrer Wettkampf-Zeit.

Da wäre dann die interessante Anschlussfrage, warum dann z.B. die, die ich im Karate kenne und auf die das genau so zutriftt, ihren Schülern später erzählen, Kata sei das Wichtigste im Karate. :confused:

Cam67
20-07-2022, 11:58
Das geht jetzt in Richtung Haarspalterei, aber man könnte auch sagen, dass jede Technik Biomechanik und Struktur zeigen sollte, ungeachtet dessen, ob sie mit oder ohne Partner ausgeführt wird. Die Argumente mit dem Einfrieren und der Mehrdeutigkeit finde ich schwierig, weil
a) ist die Struktur in diversen Stilen (etwa Silat) mit und ohne Waffe immer gleich – das wird den Trainierenden aber am ersten Tag gesagt und nicht nach 15 Jahren in einer feierlichen Teezeremonie eröffnet
b) könnte man das Spiel auch in den westlichen Disziplinen machen, die diesbezüglich aber keinen Anspruch erheben
c) würde es vermutlich auch mit verschiedensten anderen Sportaufnahmen funktionieren
Um ganz ehrlich zu sein: ich persönlich halte die entsprechenden Diskussionen für ein Anzeichen dafür, dass die «Linie gebrochen» ist. Zumindest nach meinem Verständnis müsste wenigstens den fortgeschrittenen Trainierenden beim Durchhampeln der Form sonnenklar sein, dass sie aus dieser Position A, B und C machen könnten, mit und ohne Waffe, nicht aber D, weil... Wenn ich einem Boxer oder Ringer beim Solotraining zuschaue, ist mir ja auch klar, was der da grade macht, auch wenn ich den Gegner nicht sehe und die konkreten Kombinationen noch nie vorher gelernt habe, schliesslich kenne ich ja die Techniken und Prinzipien von den Sportarten. Allenfalls kann ich mir noch vorstellen, dass die Meta-Informationen in diversen Disziplinen nie fest fixiert wurden, nachdem niemand damit gerechnet hat, dass die Trainierenden und/oder Zuschauenden irgendwann überhaupt keine Ahnung haben, wie denn welche Art von Kampf aussieht.

Hmh, ich schrieb nicht ohne Grund "entsprechend des jeweiligen Stils" . Der Stil beinhaltet halt auch seine spezifische Vorgehensweise (mehr geradlinig, mehr Kreisend, mehr tief , mehr fest und stabil , mehr Agil usw.) , Strategie , Schrittarbeit, Distanzen ,...usw.

Mit Biomechaniken waren die dazu "gewählten" Stellungen der Gelenke , Die spezifischen Körperhaltungen aber auch die unterschiedlichen Foki z.b. beim Schlagen (Fokus mehr auf Ellenbogenführung , Fokus mehr auf Schulter , Fokus mehr auf Schlüsselbein und Schulterblatt ) , Der Faustnutzung-haltung, Der Tritte (mit Hüfteindrehung oder ganz ohne) , Nutzung des Rumpfeinsatzes (ebenfalls mit oder ohne bewusste Hüftdrehung , Hüftkippung, Der Rumpfverbindung , usw. , gemeint.
Struktur wiederum ist hier weniger mit Haltung allein verbunden , als mit dem Verhältnis von Spannung zu Entspannung generell und der Qualität der Muskelnutzung . Das wiederum durch die Wahl der Gelenkstellung , also der gewählten Biomechanik , stark unterstützt wird .
Es geht mir also in erster Linie darum , weshalb konkrete Bewegungen und weshalb die konkrete ART sich zu bewegen ,GEWÄHLT wurden , die dann in die jeweilige spezifische Form einfloss.
Es ist richtig , das man im Prinzip JEDE Bewegung einfrieren kann und sie dann in eine Anwendung reininterpretieren .
Aber es wurde eben stilspezifisch nicht JEDE Bewegung gewählt.

Trainiert nun Einer "nur" eine Form mit diesem Blickpunkt ,und hält auch den Fokus auf die Schlüsselstellen , baut er sich zumindest eine stilspezifische Struktur und Bewegungsmechanik auf , was er definitiv nicht mit einer beliebigen Bewegungsaneinanderreihung hinbekommen würde.
Effektiv kämpfen wird er damit noch nicht können , wenn der ganze Rest fehlt .

So das
A) sich automatisch ergibt , aber eben wie du selber schreibst, spezifisch und nicht beliebig . Auch im Silat entsteht mit der Zeit eine eigentümliche , eine ihm zugehörige Art , sich zu bewegen.

B) Nicht nur kann sondern es WIRD auch so gemacht , nur ganz ohne Form . Ein Ringer , ein Judoka ,ein Boxer hat jeweils eine konkrete eigentümliche Art sich zu bewegen . Die Frage war aber nunmal nach Formen und Formen beinhalten nunmal konkrete GEWÄHLTE Bilder .

c) Natürlich . Und wenn du einen Ringer oder Judoka beim Solowurf oder Wurfansatztraining zuschaust kann man auch zu guten Teilen sagen welchen konkreten Wurf er gerade üben möchte , so wie du auch in einer Form den Zuki oder den Mae geri , erkennst , ABER du sieht nicht , ob und welche konkrete Konstellation er gerade vor Augen hat , bei der er diesen Wurf jetzt setzt.
Ebenso wenig siehst beim Boxer , wie bei einer Kombo sich der imaginäre Gegner zu ihm bewegt , zu ihm Steht . Ob der Boxer gerade agiert oder reagiert usw.

Cam67
20-07-2022, 12:08
Ich glaube Henning hat bzgl. Shotokan Historie mal die Unterscheidung in 3 Typen getroffen - Kata zum Kampf, Kata zur körperlichen/gesundheitlichen Ertüchtigung und auch Kata zur Show (muss den Artikel mal finden). Von daher ist es schon einmal schwierig, EINE Ursprungsidee für Kata festzmachen.

Andreas Quast hat mal in einem Artikel (muss ich ebenfalls finden) zwischen Kata Prinzipien auf Okinawa und jap. Koryu differenziert. Die einen haben Kata eher so genutzt, wie von Dir beschrieben, die anderen eher an konkreten Anwendungen orientiert.

Danke für den Hinweis . macht auch irgendwie Sinn und könnte ev. den Weg des Wegentwicklens aufzeigen .
Ich meine damit , selbst wenn ursprünglich mehre Anwendungsdrills zusammengefasst wurden und damit eine Anwendungskata entstand und dann irgendwann die Anwendungen als Wissen verloren (oder teilweise) gingen , bleibt ja noch die zugrunde liegende Wahl der Bewegungen und damit die jeweiligen Biomachaniken und die Struktur . ^^

Gast
20-07-2022, 12:16
Da wäre dann die interessante Anschlussfrage, warum dann z.B. die, die ich im Karate kenne und auf die das genau so zutriftt, ihren Schülern später erzählen, Kata sei das Wichtigste im Karate. :confused:

Keine Ahnung, vielleicht kognitive Dissonanz?

Aber im Ernst, du kennst jetzt also Heerscharen von hochrangigen Kumite-Wettkämpfern, die sagen, dass wichtigste für ihren Kumite-Wettkampf ist das Üben von Kata?

Katamaus
20-07-2022, 12:23
Aber im Ernst, du kennst jetzt also Heerscharen von hochrangigen Kumite-Wettkämpfern, die sagen, dass wichtigste für ihren Kumite-Wettkampf ist das Üben von Kata?

Nee, keine „Heerscharen“ aber ein paar durchaus prominente. :D

Und ich schrub bewusst „im Karate“ und nicht „für den Kumite-Wettkampf“. ;) :p :D

Du hattest ja auch mal irgendwann das Bild des gealterten Kämpfers angeführt, der quasi in seinen Erinnerungen schwelgt und so vor sich hin (kampf-)tanzt und so Formen entstanden sein könnten. Die Idee finde ich eigentlich recht charmant.

Gast
20-07-2022, 13:35
Und ich schrub bewusst „im Karate“ und nicht „für den Kumite-Wettkampf“. ;) :p :D


Ja, aber ich hatte eingangs ausdrücklich vom Wettkampf gesprochen ;)

Bücherwurm
20-07-2022, 13:39
Aber im Ernst, du kennst jetzt also Heerscharen von hochrangigen Kumite-Wettkämpfern, die sagen, dass wichtigste für ihren Kumite-Wettkampf ist das Üben von Kata?

Ich hab da was im Kopf: "An den Tagen vor einem Wettkampf übe ich besonders intensiv die Kata". Ein Japaner, meine ich. :D

Bücherwurm
20-07-2022, 13:41
Ich glaube Henning hat bzgl. Shotokan Historie mal die Unterscheidung in 3 Typen getroffen - Kata zum Kampf.

Wie unterschiedet die sich von der "normalen"?

Katamaus
20-07-2022, 13:44
Ja, aber ich hatte eingangs ausdrücklich vom Wettkampf gesprochen ;)Ja, aber darum ging es ja eigentlich nicht, sondern um Kampf! [emoji13][emoji6]

Gesendet von meinem SM-S901B mit Tapatalk

Gast
20-07-2022, 13:47
Ja, aber darum ging es ja eigentlich nicht, sondern um Kampf! [emoji13][emoji6]

Gesendet von meinem SM-S901B mit Tapatalk

Ich habe ja drei Arten von Kampf angeführt wo man es offensichtlich nicht braucht; du musst jetzt einfach noch eine Vierte davon abgrenzen, für die man es braucht ;)

Bücherwurm
20-07-2022, 13:50
Ich zitiere mich mal aus dem Bücher Thread:

Interessant für uns hier: der Pyrrhiche (oder Pyrrhichios, Pyrrhike), ein Gruppen-Kriegstanz, der wohl auch zum Erlernen der grundlegenden Bewegungen für das Gefecht gedient hat.

...

Da sind wir also schon bei ca. 500 v. Chr.

Solo-Waffenübungen dürften so alt sein wie die frühen Großreiche, egal ob Sumer, Ägypten, Indien, China oder antike Welt.
Waren halt vermutlich eher drei-vier Moves, und nicht zehn, zwanzig oder mehr.


Hi,

Meine momentane Erkenntnis, nach all den Jahren, ist:

Formen sind dafür gedacht, ohne Trainingspartner trainieren zu können.
Gruß

Alef


Ich warf das jetzt einfach noch mal so rein:

Für Kämpfen welches in Wettkämpfen stattfindet, braucht es mit Sicherheit keine Formen; siehe Judo, Karate, TKD oder auch Boxen und Ringen.
Für Kämpfen im Kontext von Banden- und Straßengewalt oder kriminellen Milieu auch nicht.
Für Kämpfen im Kontext von polizeilichen und militärischen Aktionen und Operationen auch nicht.

Sieht also mau aus.

Die Frage müsste also eher lauten, ob Formen einen eigenen, davon unabhängigen Nutzen haben, und da denke ich lautet die Antwort schon "Ja".

Da wären einmal relativ simple Dinge wie dass sie Leute zum Üben/sich bewegen motivieren; sie schulen das Gedächtnis; können als Baukasten für weitere Beschäftigung mit den Inhalten einer KK dienen; sie bieten schöne Vorführungen; kann man bestimmt noch paar Punkte finden.

Speziell die langsam ausgeführten Formen hätten zudem m M n noch den Vorteil, dass man damit ein paar körperliche Skills und gesundheitliche Qualitäten ausbilden kann, die nur durch schnelles Training m M n nicht erreicht werden können.

So in etwa in a nutshell.

Soso, die alten Sumerer also. :D Das beugt ja schon mal der Antwort "Die Chinesen!" vor, auf die Frage: "Wer hat´s erfunden? Wer ist´s gewesen?" -

Ansonsten hab ich mal die Antworten rausgegriffen, bei denen ich auch gelandet bin. Das hat ja eine gewisse Logik, und die Erfahrung bestätigt es.

Katamaus
20-07-2022, 14:32
Ich habe ja drei Arten von Kampf angeführt wo man es offensichtlich nicht braucht; du musst jetzt einfach noch eine Vierte davon abgrenzen, für die man es braucht ;)

Ok, nach bilateraler Klärung kommen wir zu dem Schluss:
1. Man braucht keine Formen zu erlernen, um erfolgreich Gewalt ausüben zu können.
2. Man kann noch erfolgreicher Gewalt auszuüben lernen, indem man Formen übt.
3. Der Effekt ist nicht bestimm- oder nachweisbar und hängt vom Kontext der Gewaltausübung ab.

Sollte dass nicht unserem gemeinsam erlangten Verständnis entsprechen, haben wir Redebedarf. :fight: ;) :D

amasbaal
20-07-2022, 15:41
Hm. Wer kam wann auf den Gedanken, einige kampftypische Bewegungen aneinanderzuhängen und sie ohne Partner zu üben? So etwa? :D

so gesehen, ist das immer schon mit kampf vebunden - selbst schattenboxen im Box-Gym ist dann "form".
wann? vermutlich schon immer, bzw. seit der mittleren steinzeit
wer? keine ahnung. zu lange her. da gab s noch keine schrift.

Gast
20-07-2022, 15:41
Ok, nach bilateraler Klärung kommen wir zu dem Schluss:
1. Man braucht keine Formen zu erlernen, um erfolgreich Gewalt ausüben zu können.
2. Man kann noch erfolgreicher Gewalt auszuüben lernen, indem man Formen übt.
3. Der Effekt ist nicht bestimm- oder nachweisbar und hängt vom Kontext der Gewaltausübung ab.

Sollte dass nicht unserem gemeinsam erlangten Verständnis entsprechen, haben wir Redebedarf. :fight: ;) :D

Wer wäre ich, würde ich dem widersprechen :beer:

Katamaus
20-07-2022, 16:30
Wer wäre ich, würde ich dem widersprechen :beer:

:rofl: :beer:

period
20-07-2022, 17:31
Hmh, ich schrieb nicht ohne Grund "entsprechend des jeweiligen Stils" . Der Stil beinhaltet halt auch seine spezifische Vorgehensweise (mehr geradlinig, mehr Kreisend, mehr tief , mehr fest und stabil , mehr Agil usw.) , Strategie , Schrittarbeit, Distanzen ,...usw.
Mit Biomechaniken waren die dazu "gewählten" Stellungen der Gelenke , Die spezifischen Körperhaltungen aber auch die unterschiedlichen Foki z.b. beim Schlagen (Fokus mehr auf Ellenbogenführung , Fokus mehr auf Schulter , Fokus mehr auf Schlüsselbein und Schulterblatt ) , Der Faustnutzung-haltung, Der Tritte (mit Hüfteindrehung oder ganz ohne) , Nutzung des Rumpfeinsatzes (ebenfalls mit oder ohne bewusste Hüftdrehung , Hüftkippung, Der Rumpfverbindung , usw. , gemeint.
Struktur wiederum ist hier weniger mit Haltung allein verbunden , als mit dem Verhältnis von Spannung zu Entspannung generell und der Qualität der Muskelnutzung . Das wiederum durch die Wahl der Gelenkstellung , also der gewählten Biomechanik , stark unterstützt wird .
Es geht mir also in erster Linie darum, weshalb konkrete Bewegungen und weshalb die konkrete ART sich zu bewegen ,GEWÄHLT wurden , die dann in die jeweilige spezifische Form einfloss.
Es ist richtig , das man im Prinzip JEDE Bewegung einfrieren kann und sie dann in eine Anwendung reininterpretieren .
Aber es wurde eben stilspezifisch nicht JEDE Bewegung gewählt.
Trainiert nun Einer "nur" eine Form mit diesem Blickpunkt ,und hält auch den Fokus auf die Schlüsselstellen , baut er sich zumindest eine stilspezifische Struktur und Bewegungsmechanik auf , was er definitiv nicht mit einer beliebigen Bewegungsaneinanderreihung hinbekommen würde.
Effektiv kämpfen wird er damit noch nicht können , wenn der ganze Rest fehlt .
Ich bezog mich primär auf Diskussionen, die ich in diversen Formen der TCMA, im Karate oder auch im Aikido gesehen habe. Da ging es häufig um Fragen, ob denn da Techniken enthalten seien, die im Stil eben NICHT anderweitig gelehrt wurden und die man zufällig irgendwo anders (Shuai Jiao, MMA…) gesehen hatte. Also nicht explizit gelehrte Techniken; zudem wurde im gleichen Atemzug oft behauptet, das würde waffenlos eben nicht funktionieren (was etwas anderes ist als zu sagen "das kann man auch mit Waffe machen"). Die nur aufgrund der Form implementieren zu wollen, halte ich für gewagt, aber wie gesagt, ich komme ja aus der Ecke, wo primär bis nahezu ausschliesslich mit Kombinationen, nicht mit Formen gearbeitet wird.

So das
A) sich automatisch ergibt , aber eben wie du selber schreibst, spezifisch und nicht beliebig . Auch im Silat entsteht mit der Zeit eine eigentümliche , eine ihm zugehörige Art , sich zu bewegen.
Im Silat gibt es die tatsächlich, wenn auch von Schule zu Schule und Stil zu Stil z.T. stark unterschiedlich (man vergleiche z.B. Kuntau und Harimau). Die Art, sich zu bewegen, kann auch durch Formen (djurus) gelehrt werden, aber die gibt es nicht in jedem Silat-Stil.

B) Nicht nur kann sondern es WIRD auch so gemacht , nur ganz ohne Form . Ein Ringer , ein Judoka ,ein Boxer hat jeweils eine konkrete eigentümliche Art sich zu bewegen . Die Frage war aber nunmal nach Formen und Formen beinhalten nunmal konkrete GEWÄHLTE Bilder .
Im Ringen, Boxen und Judo gibt es jeweils verschiedene Formen, sich zu bewegen, je nach Schule und individuellem Stil; ein Teil davon wird durch die Schule vordefiniert, ein Teil ist individuell. Man wird zwar in einer KS vermutlich gewisse gemeinsame Nenner sehen, aber eben nicht «eine» Art zu bewegen. Aber wie immer denke ich, das ist vermutlich so wie mit Familienähnlichkeiten – Aussenstehende sehen in der Regel primär die Gemeinsamkeiten, Insider primär die Unterschiede.
Wie gesagt kenne ich auch im Ringen «Formen» mit vordefinierten Abläufen, aber das sind Einzelfälle. Was mir dagegen bisher nicht untergekommen ist, wäre dass jemand postuliert, die gezeigte Kombination wäre nur sinnvoll, wenn der Boxer zwei Faustmesser oder der Ringer eine Hellebarde in der Hand gehabt hätte.

c) Natürlich . Und wenn du einen Ringer oder Judoka beim Solowurf oder Wurfansatztraining zuschaust kann man auch zu guten Teilen sagen welchen konkreten Wurf er gerade üben möchte , so wie du auch in einer Form den Zuki oder den Mae geri , erkennst , ABER du sieht nicht , ob und welche konkrete Konstellation er gerade vor Augen hat , bei der er diesen Wurf jetzt setzt.
Ebenso wenig siehst beim Boxer , wie bei einer Kombo sich der imaginäre Gegner zu ihm bewegt , zu ihm Steht . Ob der Boxer gerade agiert oder reagiert usw.
Gerade im Ringen – als dem Stil, wo ich am tiefsten drin bin – würde ich sagen, ich kann das durchaus bis zu einem bestimmten Punkt, weil bestimmte Aktionen nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sind. Zugegebenermassen sind wir da aber schon in der Interpretationsebene, ich interpoliere z.B. anhand des gezeigten Kompetenzlevels, inwieweit jemand in der Lage ist, die Sinnhaftigkeit seiner Aktionen zu beurteilen. Aufgrund der Aktionen, dem Vorhandensein von technisch-taktischen Zwischenhandlungen (oder deren Abwesenheit) «sehe» ich durchaus auch den imaginären Gegner von dem Übenden, wenn auch nur schemenhaft. Aufgrund der gewählten Aktionen kann ich auch vermuten, wie der Ausführende sich den etwa vorstellt – gross oder klein, schnell oder kräftig, abgebeugt oder aufrecht… manches «sehe» ich nur zeitverzögert, kann also erst mit Verzögerung sagen, was die Situation vor ein paar Sekunden gewesen sein muss. Gewisse Lücken gibt es da natürlich immer, nachdem gewisse Aktionen mehrdeutig sind (der Standard-Sprawl kann z.B. einen beliebigen Beinangriff bedeuten, auch wenn es spezifische Varianten und Weiterführungen bei Single-Legs gibt – aber die machen nicht alle Ringer). Einiges davon – wenn auch nicht alles – kann ich in Richtung Sambo und Judo übertragen.
Im Boxen fällt mir das schwerer, nachdem ich nicht behaupten würde, mehr als die Grundzüge davon kapiert zu haben. Die Tendenzen sind aber auch dort da.

MGuzzi
20-07-2022, 20:04
Meine momentane Erkenntnis, nach all den Jahren, ist:

Formen sind dafür gedacht, ohne Trainingspartner trainieren zu können. Jede Form transportiert eine Idee, aber man kann sich auch seine eigenen Abläufe kreieren, je nach dem, wo man gerade den Fokus setzen will beim üben.



Was höchstens auf Soloformen zutreffen kann, nicht auf Partnerformen.
Diese zu üben hat wiederum verschiedene Gründe, einmal dass man üben kann ohne sich gegenseitig umzubringen, und no h verschiedene weitere.
Bei den Soloformen sieht es ähnlich aus, es gibt nicht nur den einen Grund.

FireFlea
20-07-2022, 20:21
Wie unterschiedet die sich von der "normalen"?

Keine Ahnung

Katamaus
20-07-2022, 20:30
Wie unterschiedet die sich von der "normalen"?

Was ist die „normale“?

amasbaal
20-07-2022, 22:00
zählt gruppnringelpietz mit waffen und "tanz" im rahmen von jagd/kampf-ritualen auch dazu? müsste eigentlich.
dann wirklich: steinzeitlich (mindestens seit 50.000, wahrscheinlich seit mehr als 100.000 jahren)

wenn das nur im rahmen von formalisierten und standardisierten militärischen ausbildungen gilt, dann geht das eher in richtung jungsteinzeit.
das militärische agieren in großen verbänden (ab dann wird standardisierung richtig relevant) kann man etwa vor mehr als 10.000 jahren zeitlich verorten. angeblich (archäologische interpretation) fand der erste nachweisbare größere militärische konflikt (nich nur zwischen einzelnen sippen/jagdgruppen) vor 13.000 jahren im gebiet des heutigen Ägypten/Sudans statt (kampf um den zugang zu wasserressourcen).
"formen" (in welcher form auch immer), die sich auf "kämpfen" beziehen sind sicherlich älter als jede schrift, die sie erwähnen könnte.

kanken
20-07-2022, 22:28
Rituelle KK Tänze und Zeremonie sind wahrscheinlich dtl älter als irgendwelche „Formen“.
Alleine übte man seit alters her die Waffendrills, um sie sich zu merken, und (in den CMA) die Körperarbeit des Bogenschießens (inkl. der zugehörigen Visualisierungen), wobei da der Übergang zu rituellen Handlungen fließend ist, ähnlich der Schwerttänze.

Ansonsten muss man halt zwischen Formen unterscheiden die eine Aneinanderreihung konkreter Anwendungen sind und Formen, die Prinzipien lehren und aus denen man dann eine Vielzahl an Anwendungen kreieren kann.

Jeder Stil hat da seine Didaktik und jedes ernsthafte Mitglied eines Stils kann erklären was er wann, warum, tut.

kloeffler
20-07-2022, 23:33
In meinem Stil dient die eine zentrale Form dazu, die Prinzipien der Krafterzeugung zu üben. Die Form besteht aus einzelnen Bewegungsabläufen, die in erster Linie einzeln geübt werden sollten. Wir üben bei uns zunächst die einzelnen Bilder mit ergänzenden (Partner-)Übungen. Irgendwann hat man dann alle Bilder zusammen und hat die Form. (Mir war als Anfänger gar nicht bewusst, dass ich eine Form lerne)

Die Reihenfolge der einzelnen Segmente ist belanglos. Auf dem ersten Level geht es um die stileigene Körpermechanik ohne sich mit einem „Gegner/Partner“ beschäftigen zu müssen, dann folgt die Beschäftigung mit den „Formbewegungen“ an einem toten Gegenstand, danach mit einem Partner, der die Bewegung spiegelt und dann im freieren Kontext mit Partner.

Ohne zu wissen, was man mit den einzelnen Bildern übt, und ohne begleitende/vorbereitende (Partner-)Übungen wäre die Form ohne Sinn.

Form ist in meinen Augen wichtig für die Didaktik - ein Leitfaden eher für den Trainer, der die Inhalte gut zusammenfasst und eine didaktische Klammer ist.

Keine Ahnung, inwieweit sich unsere Methode auf andere Stile übertragen lässt.

Bücherwurm
21-07-2022, 22:26
Was ist die „normale“?

Na die, die du beim "Kata-Lehrgang" lernst und bei ner Prüfung vortanzt.

Katamaus
21-07-2022, 23:15
Na die, die du beim "Kata-Lehrgang" lernst und bei ner Prüfung vortanzt.

Ah, Du meinst die „normale Kata vom Kata-Lehrgang“ unterscheidet sich von der „Kata zum Kampf“? Gut möglich. Aber was für Unterschiede sollen das genau sein? Kannst Du Beispiele nennen?

Und was unterscheidet Deiner Ansicht nach „vormachen“ oder „vorführen“ von „vortanzen“?

Bücherwurm
22-07-2022, 00:29
Ah, Du meinst die „normale Kata vom Kata-Lehrgang“ unterscheidet sich von der „Kata zum Kampf“? Gut möglich. Aber was für Unterschiede sollen das genau sein? Kannst Du Beispiele nennen?

Und was unterscheidet Deiner Ansicht nach „vormachen“ oder „vorführen“ von „vortanzen“?

Lies nochmal. Das war ein Statement von Henning. Ich hab das auch nicht verstanden.

FireFlea
22-07-2022, 06:41
Lies nochmal. Das war ein Stetement von Henning. Ich hab das auch nicht verstanden.

Also verstanden habe ich das schon, nur ich weiß nicht auf welche Kata sich das konkret bezieht und wie die konkreten Unterschiede sind. Aber mal ein Beispiel aus neuerer Zeit - Asai hat ja zahlreiche Kata entwickelt, manche davon auch um gezielt Dinge wie lockeres Schlagen zu trainieren.


This is because Seiryu trains his infamous 'snapping techniques', with 100% focus on jujinho (soft ligament method) and joint power. This form features no kicks, and therefore provides isolation training for shoulder, elbow and wrist snap, using the joints like 'links in a chain'. The more joints used, the more impact can be made with this incredibly powerful whipping action

Später führt er noch aus, dass man um den gewünschten Trainingseffekt zu erzielen, auf bewusste Muskelkraft verzichten, den Einsatz der Gelenk-Kette beachten und relaxed sein muss. D.h. im Fall der Seiryu geht es weniger um Anwendungen oder Technikkombinationen, sondern das erreichen von bestimmten körperlichen Merkmalen bzw. einer bestimmten Ausführungsart. Asai hat zahlreiche solcher Kata entwickelt und Bertel hat auch irgendwo geschrieben, dass man laut Asai viele dieser Kata nicht mehr trainieren braucht, wenn man erreicht hat, was man damit erreichen soll.

Quelle zur Seiryu: http://andrebertel.blogspot.com/2007/07/seiryu.html?m=1

Das wäre ein Beispiel für eine Kata, die nicht für Kampfanwendungen, sondern zu Entwicklung ganz bestimmter körperlicher Merkmale geschaffen wurde.

Katamaus
22-07-2022, 07:47
Also verstanden habe ich das schon, nur ich weiß nicht auf welche Kata sich das konkret bezieht und wie die konkreten Unterschiede sind.

Danke! Wobei ich ja glaube, dass Geschwister Bücherwurm sich hier extra doof stellt.


Das wäre ein Beispiel für eine Kata, die nicht für Kampfanwendungen, sondern zu Entwicklung ganz bestimmter körperlicher Merkmale geschaffen wurde.

Da wäre natürlich die Eine-Million-Dollar-Frage, ob das auch für die uns überlieferten klassischen Kata gilt. Denn da gibt es ja nicht wenige Experten, die der Ansicht sind, dass in jenen Kata so ziemlich jede Bewegung auch eine (codierte) kämpferische Bedeutung hat und für bestimmte kämpferische Prinzipien steht (also über reine technische Pädagogik wie in den Asai-Kata hinaus).

Wenn dass jetzt nicht so wäre, wäre das natürlich ein mega Bogus. Okinawa Gate quasi. :biglaugh:

Bücherwurm
22-07-2022, 12:53
Ah, Du meinst die „normale Kata vom Kata-Lehrgang“ unterscheidet sich von der „Kata zum Kampf“? Gut möglich. Aber was für Unterschiede sollen das genau sein? Kannst Du Beispiele nennen?



Danke! Wobei ich ja glaube, dass Geschwister Bücherwurm sich hier extra doof stellt.

Wieso ich?! :ups:

Es ging um eine Aussage von H.W., nach der es spezielle Kata "für den Kampf" gibt.


Ich glaube Henning hat bzgl. Shotokan Historie mal die Unterscheidung in 3 Typen getroffen - Kata zum Kampf, Kata zur körperlichen/gesundheitlichen Ertüchtigung und auch Kata zur Show (muss den Artikel mal finden).

Es war meine Frage, worin die sich unterscheiden von "normalen". Was ich meine steht in #33.

FireFlea
22-07-2022, 13:29
Naja, in dem Sinne gibt es denke ich keine "normalen" Kata. Alles, was wir heute an überlieferten Kata haben, müsste in eine oder mehrere der drei Kategorien passen.

Katamaus
22-07-2022, 14:44
Naja, in dem Sinne gibt es denke ich keine "normalen" Kata. Alles, was wir heute an überlieferten Kata haben, müsste in eine oder mehrere der drei Kategorien passen.

Ich kenne jetzt den Text nicht aber nach allem, was ich bisher von Funakoshi gelesen habe, hätte ich vermutet, dass damit eher die verschiedenen Zwecke von Kata gemeint sind bzw. das, was anhand der Kata üben bzw. sich erarbeiten kann. Also die verschiedenen pädagogischen Dimensionen.

Wie auch immer. Wenn nicht würde mich schon arg interessieren, welche der traditionell überlieferten Kata bspw. nur der Körperertüchtigung diente und sonst nix.

@Bücherwurm: sollte ich dich falsch verstanden haben und deine Frage ist dieselbe, nur anders formuliert, dann entschuldige bitte! (Ich hatte es so verstanden, dass du da verschieden Kata siehst bzw. mindestens Unterschiede in deren Ausführung)

MGuzzi
22-07-2022, 15:26
Wie auch immer. Wenn nicht würde mich schon arg interessieren, welche der traditionell überlieferten Kata bspw. nur der Körperertüchtigung diente und sonst nix.



Die berühmte "Hampelmann"-Kata (Janpingu jakku).
Die ist sogar stilübergreifend, eignet sich also für stiloffene Prüfungen.
Wird gerne zu traditioneller Musik (von den Rōringusutōnzu) geübt.

Gast
22-07-2022, 15:33
Die berühmte "Hampelmann"-Kata (Janpingu jakku).
Die ist sogar stilübergreifend, eignet sich also für stiloffene Prüfungen.
Wird gerne zu traditioneller Musik (von den Rōringusutōnzu) geübt.:megalach::rofl::megalach:
Gott sei Dank tut Lachen nicht mehr weh.
Made my day

MGuzzi
22-07-2022, 16:48
:
Gott sei Dank tut Lachen nicht mehr weh.

Oh, täte mir leid wenn!

FireFlea
22-07-2022, 17:23
Da wäre natürlich die Eine-Million-Dollar-Frage, ob das auch für die uns überlieferten klassischen Kata gilt. Denn da gibt es ja nicht wenige Experten, die der Ansicht sind, dass in jenen Kata so ziemlich jede Bewegung auch eine (codierte) kämpferische Bedeutung hat und für bestimmte kämpferische Prinzipien steht (also über reine technische Pädagogik wie in den Asai-Kata hinaus).

Wenn dass jetzt nicht so wäre, wäre das natürlich ein mega Bogus. Okinawa Gate quasi. :biglaugh:

Das ist nicht so, Nagamine Shoshin sollte es wissen ;) Der schreibt nämlich in seinem Buch Essence of Okinawan Karate Do irgendwo am Anfang "that the significance of some movements remain unexplained and it is more or less impossible to give a complete explanation of kata movements"!

Hier auch nochmal Andreas Quast zu div. Konzepten der Kata in Japan und Okinawa:

https://ryukyu-bugei.com/?p=5391


In karate, kata only provides the external form of the technique, but not the content. In other words, the practical skills are not defined and the kata do not clearly demonstrate the relationship between external form (kata) and technique (waza).
...
By assigning fixed techniques to the gestures of kata, karate will be misconceived for something else and in consequence loses its very raison d’être. The same is true for changing the kata for specific purposes, for example a specific application, or for competitions.

Das dürfte aber auch auf manche jap. koryu zutreffen, ich kann mich an ein Interview mit einem Lehrer der Sosuishitsu Ryu erinnern, wo er gesagt hat er glaubt nicht, dass alle Kata Bewegungen eine Anwendung haben oder gehabt haben oder sowas in der Art.

Ich habe jetzt auch den Beitrag von Henning gefunden:

https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?152073-Bassai-Dai-Was-soll-geschult-werden&p=2941975#post2941975

Im Buch ist noch eine dritte Klassifizierung "rentan gata" zur Körperertüchtigung aufgeführt.

Katamaus
22-07-2022, 17:52
Das ist nicht so, Nagamine Shoshin sollte es wissen ;) Der schreibt nämlich in seinem Buch Essence of Okinawan Karate Do irgendwo am Anfang "that the significance of some movements remain unexplained and it is more or less impossible to give a complete explanation of kata movements“

Hm, da reden wir vielleicht aneinander vorbei. So wie ich das verstanden habe, ist es relativ unbestritten, dass es auch Füllbewegungen gibt, Zwichenpositionen oder Drehungen, die eher der Harmonisierung oder Abrundung der Darstellung dienen. Das heißt aber nicht, dass es ganze Kata gibt, die nur dazu dienen, deine Muskeln zu stählen und ansonsten keinen kämpferischen Hintergrund haben.


Hier auch nochmal Andreas Quast zu div. Konzepten der Kata in Japan und Okinawa:


Da lese ich eigentlich nur raus, dass die Techniken der Kata nicht eins zu eins in kämpferische Anwendungen überführt werden können. Auch wenn das früher gerne mal falsch verstanden wurde, sollte das heute weitestgehend akzeptiert sein.


er glaubt nicht, dass alle Kata Bewegungen eine Anwendung haben oder gehabt haben oder sowas in der Art.


Ja, s.o. Solange es die überwiegende Mehrheit der Techniken ist, sehe ich keinen Widerspruch. Dass da heutzutage auch gerne mal übertrieben wird in dem man in jedem Fingerzucken einen Handgelenkshebel sieht, brauchen wir nicht zu besprechen, glaube ich.


Ich habe jetzt auch den Beitrag von Henning gefunden:

https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?152073-Bassai-Dai-Was-soll-geschult-werden&p=2941975#post2941975


Dass sich da auf quasi subkutaner Ebene noch andere Dinge abspielen können, habe ich nicht bestritten. Aber äußerlich sind ew deswegen noch immer nicht verschiedene Kata und innerlich wird sich wohl nicht sinnvoll klären lassen.

Ich kann eine Kata in Zeitlupe ausführen, als meditative Übung, ich kann mit ihr abgesprochene kämpferische Anwendungen in festgelegter Reihenfolge entnehmen und mit Partnern üben (Renzoku Bunkai), als Kampfdrill oder ich kann versuchen, sie extrem schnell und dynamisch auszuführen, als Athletiktraining oder als Show.

Sind das dann 3 verschiedene Kata oder immer dieselbe für Dich?

FireFlea
22-07-2022, 20:16
Sind das dann 3 verschiedene Kata oder immer dieselbe für Dich?

Im Sinne des Textes, scheinen mir das verschiedene Kata zu sein. Bei den meisten Kata, die ich selbst trainiere, vermischt sich das sicherlich irgendwie. Wir haben auch bspw. Chinte mit Schwerpunkt Schulterbewegung trainiert. Das ist im Endeffekt auch egal, solange man ein bestimmtes Ziel mit Kata Training verfolgt und das erreicht wird.

Ich stelle mir das aber historisch auch ein wenig so vor, dass in 100 Jahren Leute die Asai Seiryu üben und da irgendwelche Anwendungen reininterpretieren (sowie heute die sog. "Practical" Leute nach dem Motto früher auf Okinawa gings nur um knallharten Kampf), obwohl bspw. bei Mark Bishop auch ein alter Lehrer erwähnt wird (Name ist mir entfallen), der irgendwas vorgehampelt hat, um Kunden anzulocken und Kräuter und chin. Medizin zu verkaufen. Und wir denken heute vermutlich die Kata enthält alle möglichen krassen Anwendungen usw.

Bücherwurm
22-07-2022, 20:36
@Bücherwurm: sollte ich dich falsch verstanden haben und deine Frage ist dieselbe, nur anders formuliert, dann entschuldige bitte! (Ich hatte es so verstanden, dass du da verschieden Kata siehst bzw. mindestens Unterschiede in deren Ausführung)

Basst scho. Kein Problem mit Missverständnissen, die wirklich welche sind.