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Vollständige Version anzeigen : kampfsport gesellschafts förderlich?



pazifist
21-08-2004, 22:47
hallo,

ich habe mich in letzter zeit für das thema kampfkunst,-sport interessiert, weil mir einige aspekte von denen ich gelesen habe gefallen haben(beweglichkeit, ängste loswerden, selbstschutz). bin deswegen auf das forum gekommen und habe drin gelesen.

nur weiß ich noch nicht so recht, ob es je das richtige für mich wäre, weil sich da doch auch einige innere konflikte auftun. ich seh das alles irgendwie skeptisch. daher wollte ich mal eure meinung und erfahrungen zu dem thema einholen.

ein grund dafür ist, dass in meiner klasse z.b. ein kickboxer war, der bei einem streit anderen gegenüber auch paar mal gedroht hat die verbale ebene zu verlassen und einem "aufs maul zu hauen". hätte er das auch gemacht, wenn er sich seines vorteils durch das kickboxen nicht bewußt wäre? ich glaube nicht.

kann kampfsport die hemmschwelle sogar eher senken?

bis jetzt kam es bei mir noch nie zu richtig schlimmen auseinandersetzungen. nur so schulhofrauferein, aber wären die so harmlos ausgegangen, wenn einer von uns richtige techniken zum schaden des gegenübers gekannt hätte?
gibt man sich da nicht auch etwas einer illusion hin mit dem argument der selbstverteidigung. ich mein schlußendlich bleibt man doch ein mensch und reagiert entsprechend. nur das ein aggressionspotential dann wesentlich gefährlicher ist. man sieht die problematik ja praktisch schon an der kampfhunddiskussion. schärferhunde sollen wesentlich öfter zubeißen als kampfhunde, aber wenn ein kampfhund mal zubeißt ist es viel verheerender für das opfer und daher steht der besitz von jenen ja so in der kritik. ist das ganze nicht auch vergleichbar mit dem waffenbesitz in den usa? jeder rechtfertigt es mit der schutzfunktion, aber die folgen kennt man ja.

wird in den vereinen viel wert darauf gelegt, dass man sich der verantwortung bewußt ist und wie gehen jugendliche mit all dem um, da sie ja noch in einer orientierungsphase sind? diese ganzen kampfhandlungen setzen sich doch auch ins unterbewußtsein. ich war ziemlich geschockt als ich das hier im forum gelesen haben:

"Woher soll ich erkennen, dass es sich bei dem Angriff um eine Ohrfeige handelt?? Und nicht etwa ein ausgeholter Handkantenschlag zur Halschlagader?
Wie schon geschrieben, hier findet keine Güterabwägung statt. Wenn es nicht anders geht (z.B. wegen enormer körperlicher Überlegenheit), ist es legal, einen Angreifer, der mich ohrfeigen will, zu töten."



trotzallem würde ich schon gern so etwas wie kung fu können, weils mir gefällt. aber das sind halt so die ängste die ich habe. ich möchte auch einem freund helfen können, falls es die situation erfodert. nur kann ich da immer so eine klare grenze ziehen, um anderen leuten nicht unnötig leid zuzufügen? der gedanke ist für mich schlimmer als der an eigene verletzungen.
ich bitte um möglichst differenzierte antworten. mir gehts nicht darum den sport ansich schlecht zu reden.

Ache
21-08-2004, 23:27
Hallo,
ich glaube das du da einen Punkt ansprichst , der sich nicht abstreiten lässt.
Eine Steigerung des Selbstvertrauens findet denke ich auf jeden Fall statt , das merke selbst ich schon und das obwohl ich erst seit 3 Monaten Kampfsport betreibe und demzufolge eigentlich gar keinen Grund habe mich selbstbewusster zu fühlen.
Was ich jedoch auch mitbekommen habe ist , das sich dieses Gefühl der überlegenheit zumindestens bei mir nicht in den Ernstfall übertragen hat.
Ich kam vor einigen wochen völlig ohne eigenes Verschulden in eine Situation wo ich von einer anderen Person angegriffen wurde und ich habe mich vor lauter Angst/schock/verwirrung gar nicht gewehrt. Zum Glück blieb es nur bei einem Faustschlag und die Polizei hat sich auch darum gekümmert.
Was ich damit sagen will ist das ich in dem Moment trotz Kampfsport kein verlangen hatte meinen gegner zu verletzen oder ähnliches , ich wollte einfach nur weg. Ich denke also das es nicht am Kampfsport liegt wie man reagiert sondern an der Person selber und wenn du wie du ausgeführt hast eine hohe Hemmschwelle in Sachen Gewalt hast wird sich diese auch nicht automatisch durch eine KK senken.
Der Kampfsport schaltet ja nicht dein Gehirn aus.
Das ist natürlich nur meine eigene Meinung und es wäre sicherlich interessant die Meinungen von einigen erfahreneren Leuten des Forums zu hören.

Schöne Grüße Ache

Survive_This!
22-08-2004, 01:00
Also, ich war vor erlernen meiner Stile sehr viel ungehemmter in Bezug auf Gewalt, und seit ich bewusst damit konfrontiert werde, was alles passieren kann und was für Schmerzhafte Folgen das haben kann, bin ich viel vorsichtiger in solchen Situationen.

Aber ich glaube auch, dass ich durch die Ruhe, die mir die KKs gebracht haben, sehr viel de-eskalierender geworden bin.

Es ist doch so, dass die meisten Schlägerein nur losgehen, weil man die unerträgliche Spannung der Vor-Konflikt-Situation loswerden will.

Zwei Balzhähne keifen sich an, heissen sich alles was ihr Wortschatz hergibt und weil keiner alleine in die Disco geht muss man seine Ehre vor den Kumpels verteidigen und macht den ersten Schlag um endlich diese Ungewissheit des Vorkonflikts zu beenden.

Ich finde, jetzt, da ich WEISS, ich kann so eine Situation überstehen, bin ich viel ruhiger, erwartender, und gebe keine gutes Futter für einen Aggressor, der Provokation braucht.

Natürlich hat man Angst und macht sich Gedanken, obwohl man viele Techniken vielmals trainiert hat und im Training gut damit zurecht kommt.

Aber ich finde, man reagiert nicht mehr sehr voreilig.

Ausserdem kommt hinzu, dass man in vielen KKten, lange bevor man wirklich effektive Techniken erlernen kann, sich selbst vielmals überwinden und auch einiges einstecken muss, was mit Sicherheit einen grossen Reifungsprozess mit sich bringt.

War bei mir jedenfalls so.

kacki
22-08-2004, 04:24
Deine Zweifel sind berechtigt und angebracht.
Kinder sind sicherlich körperlich kaum in der Lage sich ernsthaft zu verletzen.
Wenn alle immer so schwach blieben wäre ja auch alles wunderbar. Dann gäbe es sicher auch keine Kampfkünste. Die Realität sieht natürlich anders aus. Und Face it Brother: Wenn der Richtige vor Dir steht nützen all die 20 angearbeiteten schwarzen Gürtel einen Dreck und deine Eier rutschen Dir in die Hose. Meist wirkt sich die andauernde Selbstforderung im Üben einer Kampfkunst aber schon recht entspannend und angstlösend aus.

Du stellst die Richtige Frage:
Wird in den Vereinen viel wert darauf gelegt, dass man sich der Verantwortung bewußt ist?
Meine Antwort lautet: Leider zu Selten.
Zu deinem Schock kann ich Dir nur das stöbern in einer Bravo empfehlen. Das sind halt ganz normale schräge Fragen.

Ob Du je in der Lage sein wirst deine Dir auferlegte Grenze einzuhalten wird Dir hier niemand beantworten können. Aber ich glaube du hast den Weg der Kampfkünste bereits eingeschlagen.
Da es eher der Lehrer ist, als der Stil, welcher dein Wesen prägt, würde ich Dir wie jedem andern auch nahe legen sich nach einem lehrenden Menschen umzusehen, bei dem du ein Gutes Gefühl hast. Wenn er oder sie Dir auch noch zeigen kann wie man sich toll bewegt und lernt sich ein wenig selbst zu schützen ist das ja vielleicht der Beginn einer lebenslangen Beziehung.

Duke
22-08-2004, 07:28
ICh habe festegestellt das es so eine sagen wir mal Arroganzkurve gibt.
Die Schüler machen 3, 4 , 5 den Sport und denken sie könenn sich was weis ich erlauben.
Mit den Monaten / Jahren senkt sich das aber , weil sie wissen was sie wirklich können und nicht jeden auf den Kopp hauen müssen der ihn blöde kommt.
Gruss

sumbrada
22-08-2004, 10:07
Schwer zu beantworten die Frage, wenn auch sehr interessant.
Es gibt wohl eine Menge Leute, die durch Kampfkunst ruhiger geworden sind. Boxen wird ja auch häufig in sozial schwierigen Gegenden eingesetzt um Leute von der Strasse zu holen und um deren Aggressionen abzubauen. Es hat da bestimmt eine gute Wirkung. Allerdings lässt sich diskutieren, ob man das nicht auch mit anderen Sportarten erreichen könnte und es da nicht nur um den Sport/Aktivität an sich geht und es primär gar nichts mit KK zu tun hat. Ich kenne genauso Fälle, dass sich Schläger/sozial Geschädigte eine KK suchten und von ihrer Assozialität nicht viel ablegten. Es liegt da an der Fähigkeit des Lehrers, was vernünftiges draus zu machen.

Ob man durch KK, wenn auch unbewusst, mehr in brenzlige Situationen kommt, da man zu selbstbewusst ist, glaube ich nicht wirklich.
Schläger suchen sich vor allem, die, die schwächer sind. Wenn jemand Selbstbewusstsein ausstrahlt, wird er seltener in Schlägereien verwickelt.
Dann gibt es Leute, die einfach Zoffmagneten sind und können tun können,was sie wollen, sie werden von Idioten immer wieder als Ziel ausgemacht werden. Ob die dann eher losschlagen, kann ich in meinem Fall verneinen. ;)

pazifist
22-08-2004, 20:43
danke für eure antworten.
euren erfahrungen nach zu urteilen scheint die person doch der ausschlaggebende faktor zu sein.

das:

"seit ich bewusst damit konfrontiert werde, was alles passieren kann und was für Schmerzhafte Folgen das haben kann, bin ich viel vorsichtiger in solchen Situationen."

stell ich mir eigentlich auch bei mir so vor.

eine abschließende frage habe ich noch in bezug auf die stilrichtung.

"Da es eher der Lehrer ist, als der Stil, welcher dein Wesen prägt, würde ich Dir wie jedem andern auch nahe legen sich nach einem lehrenden Menschen umzusehen, bei dem du ein Gutes Gefühl hast."

gibt es nicht dennoch stile, bei denen die maxime vom möglichst verantwortungsbewussten umgang mit dem erlernten, ausgeprägter ist als bei anderen?

z.b habe ich mir vorgestellt, dass dies beim shaolin kung fu so sein könnte, weil die ursprünge doch im buddhismus liegen oder kann man dazu keine pauschalaussage machen?

MfG

sumbrada
22-08-2004, 22:11
Zu der Frage gibt es hier was hier (http://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?t=14199&page=1&highlight=schl%E4ger), oder auch hier (http://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?t=12232&page=1&highlight=schl%E4ger) oder vielleicht auch hier (http://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?t=10254&page=3&pp=15&highlight=schl%E4ger)
Die Suchfunktion bringt bestimmt noch mehr zutage.

K4in
25-08-2004, 07:51
gibt es nicht dennoch stile, bei denen die maxime vom möglichst verantwortungsbewussten umgang mit dem erlernten, ausgeprägter ist als bei anderen?

z.b habe ich mir vorgestellt, dass dies beim shaolin kung fu so sein könnte, weil die ursprünge doch im buddhismus liegen oder kann man dazu keine pauschalaussage machen?



Grübel... Da könntest du recht haben, allerdings ist diese KK wirklich ziemlich hart, wenns nötig wird. Ich denke, es sind wohl eher die weichen Künste, welche dich Passiver werden lassen. (Aikido, Judo, vielleicht noch JiuJitsu oder Tai Chi)

Musst du Guhgeln.. :D

Franz
25-08-2004, 08:03
würde dir auch eher zu einem weniger losstürmenden Kampfsport raten.
Aikido dürfte deine Bedürfnisse am ehesten treffen, da hier zB auch nicht mehr am Boden nachgeschlagen wird sondern nur der aktuelle Angriff abgewehrt wird und gut is'
auf Schlagen wird verzichtet es ist eine Mischung aus weiterführen, werfen, hebeln.