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Vollständige Version anzeigen : Original überliefertes Karate Kata Bunkai vorhanden?



Karateman
16-07-2023, 12:18
@alle die Ahnung haben:

Gibt es für das Bunkai zu den verschiedenen Kata denn eigentlich traditionell überlieferte "original" Anwendungen oder ist das immer ein Rätzelraten, also auch schon bei den Okinawa und Japaner Karatekas? Das würde mich mal interessieren.

Ich bin ja noch Karate Anfänger mit überwiegend Shotokan erfahrung auch wenn ich in andere Richtungen mal geschnuppert habe.
Was ich mich frage ist, man macht im Karate so viele Kata und die werden auch oft so schnell und Zackig ausgeführt.
Es gibt sogar soeine Kata Show vorführung für die man Preise gewinnen kann.

Wissen die Schwarzgurte denn dann auch die ganzen Anwendungen der einzelnen Kata - Bewegungen oder Rätzeln die dann darüber nach und wissen nicht was genau gemacht wird?

Gibt es eine originale Bunkai Vorgabe für die verschiedenen Kata wie Haian/Pinan , Tekki, usw. Oder haben Meister wie Miyagi eine Bunkai für von ihm geschaffene Kata wie Tensho überliefert?

Ich gehe davon aus, dass wenn ich Karate weiter lerne ich dann irgendwann vielleicht als Schwarzgurt im detail alle Techniken vermittelt bekomme die ich in einer Kata ausführe ist das so richtig oder bleibt das ein Mysterium?

Ansonsten würde es vielleicht mehr Sinn machen wie die Kata im Taekwondo gemacht werden, ein tritt dann ein Schlag noch ein Tritt.. jeder seiht sofort was das sein soll nichts zum nachgrübeln. :D

Voll gerne für eure Antworten :-)

FireFlea
16-07-2023, 12:32
Wissen die Schwarzgurte denn dann auch die ganzen Anwendungen der einzelnen Kata - Bewegungen oder Rätzeln die dann darüber nach und wissen nicht was genau gemacht wird?

Nein, das sieht man dann in alten bunkai Videos, wenn 4 Leute um einen rumstehen und dann sowas wie manji uke gegen Angriffe von zwei Seiten rauskommt. :D


Ich gehe davon aus, dass wenn ich Karate weiter lerne ich dann irgendwann vielleicht als Schwarzgurt im detail alle Techniken vermittelt bekomme

Viel Glück

Gibukai
16-07-2023, 14:17
Hallo,

im Karate-Dō Shōtōkan-Ryū gibt es überlieferte Kumite-Formen von dessen Kompilator, G. Funakoshi (1868–1957) und z. T. von dessen Lehrer(n). Diese Kumite beruhen auf den Kata dieser Karate-Strömung, sind aber nicht mit den später entstanden Vorstellungen von/über „Bunkai“ vergleichbar. D. h. altes Kumite ist etwas anderes als neuzeitliches Bunkai.

Wenn Sie hier im Forum suchen, werden Sie viele Beiträge (auch von mir) zum Thema „Bunkai“ finden.

Grüße,

Henning Wittwer

Katamaus
16-07-2023, 15:17
In Funakoshi Gichins Karatedo Kyohan (ich würde die deutsche Übersetzung von Heiko Bittmann empfehlen) werden bei den Erläuterungen zu den Kata auch Anwendungen erklärt. Imho sollten erfahrenere Karatelehrer diese kennen, was allerdings leider nicht der Fall ist. Iain Abernethy bezieht sich auch hier und da darauf in seinen Anwendungsbeispielen.

Glaubt man Taiji Kase, gibt es jedoch nicht DAS Bunkai, d.h., es ist im Shotokan nicht festgelegt und der Schüler hat die Möglichkeit (Aufgabe) dieses (unter Aufsicht des Lehrers) für sich selber zu erarbeiten. Aber dazu kann Henning sicher mehr sagen.

Karateman
16-07-2023, 15:25
Was mich am Karate ein wenig verwirrt ist, das über das was die Kata enthallten soll spekuliert wird.

Beispiel im Judo lernt man ZB einige Würfe. Und diese tauchen dann auch in einer Judo Kata wieder auf und jeder Judoka weiß ganz genau welche Technik gerade vorgeführt wird.

Im Karate weiß man das offenbar nicht oder gibt es eine Auflösung ?

In einigen Kata tauchen ja Techniken auf, die im Kihon ZB auch garnicht geübt werden.
Oder gleiche Kata in verschiedenen Karate Arten wird anders ausgeführt. Bei höherem Stand ergeben sich andere Anwendungen ZB nahbereich und bei dem tiefen Stehen wie im Shotokan werden dann die Techniken wohl alle als long range definiert das finde ich ein wenig seltsam.

ZB eine Technik im Shotokan und Wado: Morote Uke wurde mir im Shotokan als "verstärkter" Block verkauft. Im Wado wurde mir dann erzählt, das der eine Arm blockt und der andere einen Schlag ausführt. Und im Wado werden die nicht aneinander gehalten ausgeführt sondern die Arme sind nicht verbunden. Die Wado Methode macht dann ZB für mich mehr SInn.
Da frag ich mich dann aber, ist das was der Wado Gründer lernte vielleicht das Original dieser Technik und die Shotokan Leute wissen es nicht, oder ist die Shotokan "verstärkter Block" das Original (obwohl ich das immer schon seltsam finde) und der Wado Gründer hat es abgewandelt wie er es besser fand?

??

Katamaus
16-07-2023, 15:40
Was mich am Karate ein wenig verwirrt ist, das über das was die Kata enthallten soll spekuliert wird.

Meine Deutschlehrerin hat immer gesagt „Selber denken macht schlau.“


Im Karate weiß man das offenbar nicht oder gibt es eine Auflösung ?

Wer ist „man“? Wie oben geschrieben: es ist nicht festgelegt. Aber ja, vielen ist auch vieles nicht bekannt. Der Vergleich hinkt allerdings, denn Judo ist ein System, welches (zumindest heutzutage) auf Wettkampf ausgerichtet ist. Ich kann auch Wettkampfkarate trainieren. Die, die das konsequent tun passen auch ihr „Kihon“ (wenn man das so nennen möchte) daran an. Die traditionellen Kata braucht es dann nicht mehr und sie werden ja auch heute bereits von einigen Wettkämpfern nicht mehr trainiert. Ich kenne aber auch Leute, die sich dazu ihre eigene Kata basteln.


In einigen Kata tauchen ja Techniken auf, die im Kihon ZB auch garnicht geübt werden.
Oder gleiche Kata in verschiedenen Karate Arten wird anders ausgeführt. Bei höherem Stand ergeben sich andere Anwendungen ZB nahbereich und bei dem tiefen Stehen wie im Shotokan werden dann die Techniken wohl alle als long range definiert das finde ich ein wenig seltsam.


Das hat Kase auch mal sehr gut erläutert. Hier gut zusammengefasst:
https://www.englishshotokan.net/the-influence-of-kase-sensei-on-shotokan-since-1964/
Problem auch hier: Lehrer zu finden, die das berücksichtigen.


Da frag ich mich dann aber, ist das was der Wado Gründer lernte vielleicht das Original dieser Technik und die Shotokan Leute wissen es nicht, oder ist die Shotokan "verstärkter Block" das Original (obwohl ich das immer schon seltsam finde) und der Wado Gründer hat es abgewandelt wie er es besser fand?

Der Wado-Gründer war der Einzige, den Funakoshi jemals rausgeschmissen hat. Da besteht eher die Möglichkeit, dass er sich selber was zusammengebastelt hat.

Karateman
16-07-2023, 16:11
funakoshi hat Otzuka rausgeworfen? Hat der etwas verbrochen?
Ich dachte immer der ist weiter gezogen um karate noch tiefer zu lernen, soweit ich gelesen habe hat Otzuka dann bei Kenwa Mabuni (zu dem Funakoshi auch seinen Sohn schickte und von dem Funakoshi selber noch Kata lernte) und von Motobu choki karate weiter erlernt.
Vielleicht konnte er bei Funakoshi auch einfach nichts mehr lernen weil dieser nur Kata unterrichtet hat und der Motobu mehr auf Kampf ausgerichtet? Auch gibt es Bilder wo man Mabuni in Schutzausrüstung sieht.
Die Kata im Wado sollen auch näher an den älteren Okinawa Versionen sein als die tiefergelegten Shotokan Versionen.
Aber ich kann das als Anfänger nicht so richtig beurteilen.

marasmusmeisterin
16-07-2023, 16:21
Die Kata im Wado sollen auch näher an den älteren Okinawa Versionen sein als die tiefergelegten Shotokan Versionen.
Aber ich kann das als Anfänger nicht so richtig beurteilen.

Weiß ich auch nicht. Aber mir hat man in meiner alten Wado-Ryu-Karate-Baracke immer erzählt, daß die unterschiedlichen Stände auf unterschiedliche Auffassungen zurückgehen von dem, was man im Kampf braucht. Wado steht höher, weil man sich da schneller bewegen können soll, Shotokan legt mehr Wert auf sicheren Stand. Mehr kann ich dazu nicht sagen, aber ich nehme an, daß es für die anderen Unterschiede ähnliche Erklärungen geben wird.

lifeisfight
16-07-2023, 18:38
funakoshi hat Otzuka rausgeworfen? Hat der etwas verbrochen?
Ich dachte immer der ist weiter gezogen um karate noch tiefer zu lernen, soweit ich gelesen habe hat Otzuka dann bei Kenwa Mabuni (zu dem Funakoshi auch seinen Sohn schickte und von dem Funakoshi selber noch Kata lernte) und von Motobu choki karate weiter erlernt.
Vielleicht konnte er bei Funakoshi auch einfach nichts mehr lernen weil dieser nur Kata unterrichtet hat und der Motobu mehr auf Kampf ausgerichtet? Auch gibt es Bilder wo man Mabuni in Schutzausrüstung sieht.
Die Kata im Wado sollen auch näher an den älteren Okinawa Versionen sein als die tiefergelegten Shotokan Versionen.
Aber ich kann das als Anfänger nicht so richtig beurteilen.

für einen "Anfänger" weißt du ja ganz schön vile. Jedenfalls die schon x-mal klargestellten Klischees , die kennst du alle. :)

Katamaus
16-07-2023, 19:04
für einen "Anfänger" weißt du ja ganz schön vile. Jedenfalls die schon x-mal klargestellten Klischees , die kennst du alle. :)

Jepp, roch von Anfang an etwas trollig. Schaunmerma. Bin mal raus.

Katamaus
16-07-2023, 19:07
Wado steht höher, weil man sich da schneller bewegen können soll, Shotokan legt mehr Wert auf sicheren Stand. Mehr kann ich dazu nicht sagen, aber ich nehme an, daß es für die anderen Unterschiede ähnliche Erklärungen geben wird.

Das ist imho ebenfalls ein Klischee. Gibukai hat hier schon mehrfach erläutert, dass nach Ansicht von Funakoshidie Höhe der Stände anzupassen sei. An Gegner, Situation, Distanz, Gelände, wasauchimmer…

Nick_Nick
16-07-2023, 21:27
Funakoshi sen. stand einfach viel höher als der "normale" Shotokaner nach Gigos Änderungen.

Katamaus
16-07-2023, 22:23
Funakoshi sen. stand einfach viel höher als der "normale" Shotokaner nach Gigos Änderungen.

Aha!

47938

Nick_Nick
17-07-2023, 08:26
Aha!

47938

Topp repräsentatives Beispiel :halbyeaha.

ThomasL
17-07-2023, 08:41
Katamaus: Meine Deutschlehrerin hat immer gesagt „Selber denken macht schlau.“
Die hat aber doch wohl trotzdem nicht darüber rätseln müssen welche Bedeutung deutsche Wörter haben oder wie genau sie zu schreiben sind.

Katamaus
17-07-2023, 08:47
Topp repräsentatives Beispiel :halbyeaha.

Nee, sowas nennt man Aussagen per Gegenbeispiel widerlegen. Du kannst Dir auch gerne noch Bilder von seiner Tekki selber raussuchen. Da steht er auch tief. Mal abgesehen davon, dass ich eh nicht verstanden habe, was hier der "normale" Shotokaner zu suchen hat. Wenn ich mir Wettkämpfe ansehe, kann ich nicht erkennen, dass Shotokaner tiefer stehen als andere und wie ich schon schrieb, war Funakoshi der Ansicht, man müsse die Höhe an die Situation anpassen, was bspw. im Shiai Kumite auch passiert.

Also, wann wo wie um welche Stände geht es denn jetzt hier? Reden wir von einer Trainingsform? Ja, Funakoshi hat die Jüngeren aufgefordert, tief zu stehen, um die Körpermechanik und die Art der Krafterzeugung zu schulen (s. Hennings Übersetzung des "Nyumon"). Und nun?

Katamaus
17-07-2023, 08:48
Die hat aber doch wohl trotzdem nicht darüber rätseln müssen welche Bedeutung deutsche Wörter haben oder wie genau sie zu schreiben sind.

Sie hat uns das aber im Zweifelsfall selber recherchieren lassen.

Nick_Nick
17-07-2023, 13:49
Nee, sowas nennt man Aussagen per Gegenbeispiel widerlegen.


Dein Beispiel ist grundlegend die ursprüngliche Ausführung der okinawanischen Kushanku. Aus einem sehr mobilen okinawanischen Karate. Taugt deswegen für mich nur bedingt bzw. nicht als Gegenbeispiel.


Also, wann wo wie um welche Stände geht es denn jetzt hier? Reden wir von einer Trainingsform? Ja, Funakoshi hat die Jüngeren aufgefordert, tief zu stehen, um die Körpermechanik und die Art der Krafterzeugung zu schulen (s. Hennings Übersetzung des "Nyumon"). Und nun?

Über die Entwicklung des Shotokan in den 30er/40er Jahren, insb. zu Zeiten des Einflusses von Gigo Funakoshi, und dort die übliche Grundschule. M.W. noch mehr Richtung Kraftschulung, weg von der anfänglich noch mehr betonten Mobilität aus dem okinawanischen Karate. Nichts falsch damit. Ich wollte mich im Grunde einfach der Aussage von „marasmusmeisterin“ anschließen.

Wenn du meinst, dass man im Kampf dann einfach höher steht, haben mir meine Erfahrungen (Kämpfe) mit dem „normalen“ Shotokaner (also Nicht-Wettkämpfer) etwas anderes gesagt. Mir sagen auch meine eigenen Erfahrungen aus dem Wado, dass es auch von da (bei schon höheren Ständen) nochmal ein Sprung ist, im nur schulterlangen Stand zu arbeiten. Dafür eben mit maximaler Mobilität. Wenn man also nicht explizit so trainiert, ändert man nach meiner Erfahrung in anderem Kontext gar nichts.

Katamaus
17-07-2023, 15:22
Dein Beispiel ist grundlegend die ursprüngliche Ausführung der okinawanischen Kushanku. Aus einem sehr mobilen okinawanischen Karate. Taugt deswegen für mich nur bedingt bzw. nicht als Gegenbeispiel.

Du sprachst von Funakoshi. Das auf dem Bild ist Funakoshi.


Über die Entwicklung des Shotokan in den 30er/40er Jahren, insb. zu Zeiten des Einflusses von Gigo Funakoshi, und dort die übliche Grundschule. M.W. noch mehr Richtung Kraftschulung, weg von der anfänglich noch mehr betonten Mobilität aus dem okinawanischen Karate.

Da sind wir uns einig. Das ist aber eine Frage der Didaktik und nicht der Anwendung.


Nichts falsch damit. Ich wollte mich im Grunde einfach der Aussage von „marasmusmeisterin“ anschließen.


Die Aussage von marasmusmeisterin bezieht sich aber, zumindest formal, auf die Anwendung:


daß die unterschiedlichen Stände auf unterschiedliche Auffassungen zurückgehen von dem, was man im Kampf braucht. Wado steht höher, weil man sich da schneller bewegen können soll, Shotokan legt mehr Wert auf sicheren Stand.


Dem halte ich entgegen, dass das "was man im Kampf braucht" zumindest in meiner Erlebniswelt bei allen gleich aussieht, wenn sie dann erstmal kämpfen. Egal ob Kumite Shiai, Bunkai oder SV. Was Training (bis hin zu Randori) betrifft, würde ich dem aber zustimmen.


Wenn du meinst, dass man im Kampf dann einfach höher steht, haben mir meine Erfahrungen (Kämpfe) mit dem „normalen“ Shotokaner (also Nicht-Wettkämpfer) etwas anderes gesagt. Mir sagen auch meine eigenen Erfahrungen aus dem Wado, dass es auch von da (bei schon höheren Ständen) nochmal ein Sprung ist, im nur schulterlangen Stand zu arbeiten.

Ich weiß ja nicht, mit wem Du da Erfahrungen gemacht hast. Aber wie gesagt: auf übergreifenden Lehrgängen oder Wettkämpfen wäre ich nicht in der Lage, die Unterschiede zu sehen. Und ich habe da schon ein bisschen was gesehen... Mag also im Einzelfall vorkommen. Als generelle Regel halte ich das für nicht zutreffend.


Wenn man also nicht explizit so trainiert, ändert man nach meiner Erfahrung in anderem Kontext gar nichts.

Den Satz verstehe ich nicht.

Nick_Nick
18-07-2023, 09:50
Dem halte ich entgegen, dass das "was man im Kampf braucht" zumindest in meiner Erlebniswelt bei allen gleich aussieht, wenn sie dann erstmal kämpfen. Egal ob Kumite Shiai, Bunkai oder SV. Was Training (bis hin zu Randori) betrifft, würde ich dem aber zustimmen.


:halbyeaha Sieht bei allen gleich aus, bei allen gleich unnatürlich, jedenfalls bei Bunkai/SV :).



Ich weiß ja nicht, mit wem Du da Erfahrungen gemacht hast. Aber wie gesagt: auf übergreifenden Lehrgängen oder Wettkämpfen wäre ich nicht in der Lage, die Unterschiede zu sehen. Und ich habe da schon ein bisschen was gesehen... Mag also im Einzelfall vorkommen. Als generelle Regel halte ich das für nicht zutreffend.


In der Grundschule sieht man´s (ein Shotokaner erkennt auch einen Wadoka an seinen Bewegungen), aber ansonsten betreiben wir ziemlich uniformes Karate, stimmt. Bedauerlicherweise gerade Wadoka passen sich häufig in die falsche Richtung an.



Den Satz verstehe ich nicht.

Ich meinte, dass wenn man nicht explizit übt, aus dem hohen Stand sich zu bewegen, zu schlagen etc., man das dann nicht einfach in der freieren Anwendung macht, s.o.

MGuzzi
18-07-2023, 10:31
Aha!

47938

Was genau zeigt denn das Foto? Einen "Stand"? Eine Kampfstellung? Wie heißt die denn?
Oder eine Gymnastikübung?

Katamaus
18-07-2023, 10:54
:halbyeaha Sieht bei allen gleich aus, bei allen gleich unnatürlich, jedenfalls bei Bunkai/SV :).

Mir dünkt, Du hast mit den falschen Shotokanern zu tun. Ich kenne auch genug aus anderen SR, die richtig shice sind aber die sollten nicht Grundlage der Diskussion hier sein.



In der Grundschule sieht man´s

Ja klar, hatte ich ja auch zugestimmt. Aber das ist halt Didaktik und nicht Anwendung.



Ich meinte, dass wenn man nicht explizit übt, aus dem hohen Stand sich zu bewegen, zu schlagen etc., man das dann nicht einfach in der freieren Anwendung macht, s.o.

Ah, verstanden. Keine Ahnung, das Problem hatte ich nie. S.o. ;)

Gesendet von meinem SM-S901B mit Tapatalk

Nick_Nick
18-07-2023, 11:50
Mir dünkt, Du hast mit den falschen Shotokanern zu tun. Ich kenne auch genug aus anderen SR, die richtig shice sind aber die sollten nicht Grundlage der Diskussion hier sein.


Oh, ich hatte nicht (nur) Shotokaner gemeint, und deine Aussage auch nicht so verstanden. "Wir" Wadoka bspw. sind da auch nicht anders. Und ob man selber so toll ist, na ja.

Ich meinte auch nicht, dass "die" richtig schlecht sind, sondern allgemein von Karateka bei Bunkai oder SV eigentlich sofort irgendeine Form von Kamae eingenommen wird. Und kaum einer sich in einen natürlichen Straßenstand hinstellt und seine Übung auch in der Art durchführt.

FireFlea
18-07-2023, 12:30
Was genau zeigt denn das Foto? Einen "Stand"? Eine Kampfstellung? Wie heißt die denn?
Oder eine Gymnastikübung?

Aus meiner Sicht entspricht das in etwa dem "ura gamae" aus dem Shorin Ryu. Shoshin Nagamine schreibt dazu in seinem Buch, dass man einem Angriff das Ziel entzieht, in dem man schnell nach unten droppt. Hier Nagamine Jr.:

https://alchetron.com/Takayoshi-Nagamine#takayoshi-nagamine-e886d1ba-809e-4879-a5e5-7fb5b6cb9d1-resize-750.jpeg

Hier im Kobudo:

https://karate-nord.de/wp/wp-content/uploads/2021/05/687D7440-7F2E-4AB3-AFB9-A8ED2ED7F0DA-scaled.jpeg

Kensei
18-07-2023, 12:47
@alle die Ahnung haben:

Gibt es für das Bunkai zu den verschiedenen Kata denn eigentlich traditionell überlieferte "original" Anwendungen oder ist das immer ein Rätzelraten, also auch schon bei den Okinawa und Japaner Karatekas? Das würde mich mal interessieren...

Ich verstehe Kata mittlerweile so, dass mit ihnen bestimmte Bewegungsmuster vermittelt und eingeübt werden sowie bestimmte Strategien. Z.Bsp. der schnelle Wechsel der Ebenen, hoch, mittel, tief, oder der schnelle Richtungswechsel, Vectoren für eine optimale Kraftübertragung etc. pp.

Techniken sind nach meinem Dafürhalten sekundär und austauschbar, wenn du die hinter den Bewegungen liegenden Prinzipien verstanden hast.

Katamaus
18-07-2023, 14:14
Aus meiner Sicht entspricht das in etwa dem "ura gamae" aus dem Shorin Ryu.

Ich denke, das ist eine Technik aus der Kanku Dai. Die Stelle, wo Du nach Ura Zuki nach unten abtauchst (etwa Ende 2. Drittel). Die anschließende Wendung erfolgt tief mit Gedan Uke. Wir machen das auch so, sind aber nicht so gelenkig. :rolleyes:

D.h. es handelt sich um ein Technik und nicht um eine Kamae. (Wobei man natürlich auch diese Position als Kamae einnehmen kann :D)

Katamaus
18-07-2023, 14:16
Ich meinte auch nicht, dass "die" richtig schlecht sind, sondern allgemein von Karateka bei Bunkai oder SV eigentlich sofort irgendeine Form von Kamae eingenommen wird. Und kaum einer sich in einen natürlichen Straßenstand hinstellt und seine Übung auch in der Art durchführt.

Ok, da haben wir aneinander vorbeigeredet. Aber im Grunde meine ich genau das: wenn das Leute machen, ist es schlicht und ergreifend schlecht, weil sie da was ganz Wesentliches nicht verstanden haben.

CeKaVau
18-07-2023, 14:18
Hallo Karateman,

der Thread ist inzwischen in eine etwas andere Richtung abgedriftet; ich versuche trotzdem mal Deine Fragen nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.


@alle die Ahnung haben

Darüber gibt es geteilte Meinungen, aber zu meiner Person:

Karate seit 1991 - 5. Dan Shotokan

Beurteile und entscheide selbst, was die Ausführungen Wert sind.


Gibt es für das Bunkai zu den verschiedenen Kata denn eigentlich traditionell überlieferte "original" Anwendungen oder ist das immer ein Rätzelraten, also auch schon bei den Okinawa und Japaner Karatekas?

Das sind mehrere Fragen in einer. Ich versuche das mal kurz auseinanderzudröseln. Die Darstellungen sind natürlich massiv verkürzt. Fühle Dich frei nachzufragen, wenn Dich ein Aspekt näher interessiert.

Zum Wort "Bunkai" könnte man (und es gibt Leute, die tun dies) jahrelange Debatten führen, was damit semantisch eigentlich gemeint ist. Ich nehme an, Du meinst "Anwendung"; davon gehen ich aus und darauf versuche ich einzugehen.

Um eine "original"-Anwendung zu haben, muss diese entweder extrem offensichtlich und eindeutig sein oder Du brauchst eine ununterbrochenen Übertragungslinie der Anwendung vom "Erfinder" der Kata bis zu Dir.

Das mit dem "Erfinder" der Kata ist schon mal schwierig, weil diese in allen Fällen unbekannt sind. Man kennt manchmal die Namen einiger Überträger (Wanshu, Kushanku) aber die eigentlichen Erfinder sind unbekannt. Ausnahmen sind die Neu-Kreationen vom Ende des 19. Jh. bis in die 30er und 40er Jahre des 20. Jh. als die Öffnung des Karate begann und die vollständige Japanisierung abgeschlossen war.
Ob hier vollständige Übertragungslinien vorliegen, weiß ich nicht. Es gibt Leute, die dies behaupten (und selbstverständlich wie von Zauberhand immer Teil einer dieser sind).

Die Sache mit dem "extrem offensichtlich und eindeutig" ist ebenfalls so eine Sache. So wird im Allgemeinen der Anfang der Heian Shodan (90° nach links in ZeDa mit Gedan-Barai => ein Schritt vor in ZeDa mit Oi-Zuki) mit folgender Anwendung erklärt und geübt:

1.) Man steht so in der Gegend herum; beide Arme hängen herab.
2.) Plötzlich und völlig unerwartet kickt ein Typ neben mir einen Mae-Geri (Frontkick) zu meiner Körpermitte. (Also dahin, wo meine Arme hängen.)
3.) Ich drehe mit 90° in Richtung Angreifer und blocke mit Gedan-Barai.
4.) Völlig entsetzt von meinem unglaublichen Können, setzt der Angreifer vorn ab und geht aber sofort einen Schritt zurück und wartet dort.
5.) Ich gehe einen Schritt vor und schieße ihn mit Oi-Zuki-Chudan ab.

Dies wird als Anwendung gelehrt und geübt. Ergibt das viel Sinn? Kommt drauf an.

Wenn man sein Karate als Spiel begreift (so wie Schach oder Risiko Kriegsspiele sind und nicht Krieg), ist das völlig in Ordnung.
Wenn man sein Karate als SV-Training begreift, geht das überhaupt nicht in Ordnung.


Was ich mich frage ist, man macht im Karate so viele Kata und die werden auch oft so schnell und Zackig ausgeführt.
Es gibt sogar soeine Kata Show vorführung für die man Preise gewinnen kann.

Im Wettkampf wird das gemacht, was die größten Erfolgsaussichten hat. Die Vorführung muss möglichst robotermäßig sein, möglichst hohe Beschleunigung, möglichst laute Atmung, möglichst lauter Kiai und möglichst viele Ecken und Kanten.
Dies gibt die meisten Punkte, weil dies als am dynamischsten gilt.
Dies ergibt nur Sinn, wenn man nicht drüber nachdenkt.


Gibt es eine originale Bunkai Vorgabe für die verschiedenen Kata wie Haian/Pinan , Tekki, usw. Oder haben Meister wie Miyagi eine Bunkai für von ihm geschaffene Kata wie Tensho überliefert?


Eine Vorgabe als solche gibt es nicht - und das wäre auch nicht sinnvoll.

Wenn man Karate als ziviles SV-System begreift, so sollten die Anwendung der Kata in einer realen Auseinandersetzung mit hoher Sicherheit, möglichst redundant und möglichst hoher Überlebenswahrscheinlichkeit verwendbar sein. Dies kann natürlich nur individuell erfolgen. Die SV-Techniken eines 2,10m großen Bodybuilders werden sich von denen einer 1,60 großen Frau unterscheiden.

Nichts desto Trotz gibt es in vielen Systemen Standardbunkai, die meist zwischen lustig und absurd pendeln. Ein Paradebeispiel ist der Nami-Ashi aus der Tekki-Shodan.

1.) Ich stehe breitbeinig vor einem Gegner.
2.) Der Gegner kickt mit einem Mae-Kin-Geri (geschnappter Frontkick in den Unterleib).
3.) Ich schnippse sein Angriffsbein mit meiner Fußsohle nach oben.

Kann man machen. Muss man aber nicht.

Solche Sachen sind ein guter Indikator, sich einen anderen Trainer zu suchen.


Wissen die Schwarzgurte denn dann auch die ganzen Anwendungen der einzelnen Kata - Bewegungen oder Rätzeln die dann darüber nach und wissen nicht was genau gemacht wird?

Wenn man sich Bunkai von Leuten zeigen lässt, sieht das meistens ziemlich grausam aus. (Ich bin häufiger in dieser Situation.) Woran liegt das?

Mit der umfassenden Japanisierung (sprich: mit der Erfindung des Shotokan-Karate, wie wir es heute kennen), entstand gleichzeitig etwas, was man 3k-Karate nennt:

"Karate consists of kata, kihon and kumite. And never shall they meet."

Du hast sicher schon von den drei Säulen des Karate gehört: Kata, Kihon und Kumite. Die Theorie ist, dass diese drei Säulen zusammen Dein Karate tragen. Tun sie aber nicht. Kata, Kihon und Kumite bilden weitgehend disjunkte Mengen, die wenig bis nichts miteinander zu tun haben.

Kihon sollte eigentlich die Bewegungsbasis für die Kata schaffen.
Kata sollte eigentlich die Bewegungsbasis für das Kumite (im Sinne von Anwendung/Kampf) schaffen (inklusive taktischer Hinweise und Vorgaben).
Die Anwendung am Partner verschafft mir Einblicke, die ich in Kihon und Kata einfließen lassen kann.

In der täglichen Praxis sieht das nun aber meistens so aus, dass Kihon, Kata und Kampf mal rein gar nichts miteinander zu tun haben. (Es gibt schon Leute, die das anders machen - das führt jetzt aber zu weit. Falls es Dich wirklich interessiert, kannst Du Dich zum Beispiel mit dem youtube-kanal von Andy Allen beschäftigen.)

Was hat das jetzt mit dem fehlenden Bunkai-Verständnis von Schwarzgurten zu tun? Alles.

Karate (vor vor-japanischen Sinne) ist ein ziviles SV-System, das demzufolge Techniken abdeckt, die die SV-Distanz dominieren. Das ist ziemlich nah; vielleicht so 30-50 cm und enger (bis hin zum Clinch). Jetzt stehen aber die meisten da und versuchen, Langdistanzangriffe die sie kennen (Oi-Zuki, Yoko-Geri, ...) mit Mitteln der Kata abzuwehren.

Kann das funktionieren?

Grüße
Sven

Kensei
18-07-2023, 15:44
Und ich dachte immer du bist Goju Mann :confused:

Ich finde manchmal bringt auch über den Tellerrand schauen so machen Erkenntnis. Insbesondere bei Gong Fu Stilen lassen sich gut Anwendungen "borgen".

Vor Jahren hatte ich dazu schonmal Clips von Kanishka Sharma im Karate Video Thread verlinkt;


https://www.youtube.com/watch?v=9vjtGJ1jS9k

ZEN2021
18-07-2023, 16:00
Moin!

Ich habe sehr viel zum Thema "Bunkai" während meiner aktiven Zeit im Wing Chun und Tai Ji Quan gelernt. Danach wurde mir manches im Karate klarer und auch, wie bescheuert dies letztlich (oder aber gar nicht erst) vermittelt wurde. Hier einmal der humorvoller "Fingeraufzeig" auf die Albrecht Pflüger Bücher und dessen Interpretationen. Quasi der klassische Blick über den Tellerrand. Seither erkenne ich sehr viele Parallelen in verschiedenen Kampfkünsten und Stilen, die letztlich ein identisches Prinzip aufzeigen - aber eben differenziert verpackt sind.

Man muss eben aufpassen, dass man eine Kata nicht überinterpretiert oder sich in R. Habersetzer´sche Ebenen (ich lese das Zeugs gerne) verliert. Aber ich wundere mich, dass so grundlegende Ideen (wie z.B. hinter einem Hikite) immer noch nicht direkt und normal erklärt werden können/wollen. Für mich ist zum Beispiel Naihanchi die Kata, um mehr oder minder direkt Bunkai-Anregungen, Drills und auch Ideen für die SV zu filtern. Dazu sei erwähnt, dass (und je älter ich werde, desto mehr weiß ich dies zu schätzen) es eben auch eine (zumindest für mich) gesundheitlich positive Wirkung hat, wenn ich meine Kata(s) "laufe". Damit meine ich nun nicht so abgedrehte esoterische Überinterpretationen mit Vitalpunktstimulationen usw., sondern einfach die körperliche Bewegung an sich mit Kime und Atmung. Eine Runde Naihanchi, Passai, Seienchin und am Ende noch die Sanchin...jede dreimal..naja, das ist besser, als auf der Couch hocken Chips mampfen! *g

Fachkraft
18-07-2023, 18:52
Moin!

Ich habe sehr viel zum Thema "Bunkai" während meiner aktiven Zeit im Wing Chun und Tai Ji Quan gelernt. Danach wurde mir manches im Karate klarer und auch, wie bescheuert dies letztlich (oder aber gar nicht erst) vermittelt wurde. Hier einmal der humorvoller "Fingeraufzeig" auf die Albrecht Pflüger Bücher und dessen Interpretationen. Quasi der klassische Blick über den Tellerrand. Seither erkenne ich sehr viele Parallelen in verschiedenen Kampfkünsten und Stilen, die letztlich ein identisches Prinzip aufzeigen - aber eben differenziert verpackt sind.



Das trifft es sehr gut, denk ich.

Fachkraft
18-07-2023, 18:58
Hallo Karateman,

...

Karate (vor vor-japanischen Sinne) ist ein ziviles SV-System, das demzufolge Techniken abdeckt, die die SV-Distanz dominieren. Das ist ziemlich nah; vielleicht so 30-50 cm und enger (bis hin zum Clinch). Jetzt stehen aber die meisten da und versuchen, Langdistanzangriffe die sie kennen (Oi-Zuki, Yoko-Geri, ...) mit Mitteln der Kata abzuwehren.

Kann das funktionieren?

Grüße
Sven

Sehr geil! :D

Ich bezweifle zwar, dass das beim Adressaten ankommt, aber ich meine, dass das die richtige Beschreibung ist.

Katamaus
18-07-2023, 22:10
Kann man machen. Muss man aber nicht.

Solche Sachen sind ein guter Indikator, sich einen anderen Trainer zu suchen.

(…)

Was hat das jetzt mit dem fehlenden Bunkai-Verständnis von Schwarzgurten zu tun? Alles.

Nein, das hat damit zu tun, dass den meisten Trainern das Verständnis fehlt, wofür ein solches Omote Bunkai gedacht ist. Es geht dabei nicht etwa darum, eine Verteidigung gegen einen realistischen Angriff zu erlernen, sondern darum, die Techniken der Kata mit Partner zu üben. Dazu werde die Angriffe absichtlich passend gemacht.

Warum macht man das? Nun, wenn - wie ja einige hier vermuten (und ich schließe mich dem an) - es in der Kata darum geht, eine kämpferisch einsetzbare Motorik/Körpermechanik zu erarbeiten, dann kann ich nicht mit einer fortgeschrittenen Bunkai beginnen. An Deinem Beispiel der Heian Shodan: eine fortgeschrittenere Anwendung von Iain Abernethy nutzt den Gedan Barai mit der Bewegung zur Seite dazu, den Gegner nach unten zu ziehen (https://youtu.be/ylULQU-ouhU) (Ja, ich weiß, er macht sich auch über die Omote Bunkai lustig aber er muss die Leute ja auch unterhalten). Die Schüler sollen aber zunächst mal einen anständigen Gedan Barai nach links ausführen und nicht irgendwie den Arm nach links reissen. Bei Letzterem würde jeder Schüler seine ihm eigene Körpermechanik weiter anwenden und somit niemals eine neue ausbilden. Das aber ist imho der Sinn von Kata.

Wenn man nicht akzeptiert, dass die Techniken der Kata so sind, wie sie sind und sie dann auch so ausführt, dann sollte man vielleicht besser zum Krav Maga gehen. Auf jeden Fall würde man seine Zeit mit dem Üben von Kata dann nur verschwenden. Wenn man glaubt, dass die Vorangegangenen alle auf dem Holzweg waren, sollte man Ihnen besser nicht folgen. Wobei ich es jedem Trainer überlassen würde, ob er auf dieses Übungsform zurückgreift oder sie einfach weglässt. Nach meiner Erfahrung ist es durchaus hilfreich, um bestimmte Bewegungen zu erklären, die der Schüler sonst irgendwie nicht checkt. Eine Art taktile Hilfe, wenn Du so willst.

Das eigentliche Trauerspiel ist in meinen Augen nicht, dass derlei Bunkai geübt wird, sondern dass es nur sehr wenige Karateka schaffen, die Brücke von Kata zum Kämpfen zu schlagen, geschweige denn, diese zu lehren. Und dass viele den Sinn nicht verstehen und daher nicht in der Lage sind, den korrekten Kontext mitzuliefern.

Jens78
19-07-2023, 05:53
Mal wegen des letzten Beitrags von Katamaus meine (ggf naiven) Gedanken als 9. Kyu dazu ...


Nein, das hat damit zu tun, dass den meisten Trainern das Verständnis fehlt, wofür ein solches Omote Bunkai gedacht ist. Es geht dabei nicht etwa darum, eine Verteidigung gegen einen realistischen Angriff zu erlernen, sondern darum, die Techniken der Kata mit Partner zu üben. Dazu werde die Angriffe absichtlich passend gemacht.

Finde ich nen ganz wichtigen Punkt, insbesondere bei Anfängern bzw. wenig Fortgeschrittenen. Denn:


An Deinem Beispiel der Heian Shodan: eine fortgeschrittenere Anwendung von Iain Abernethy nutzt den Gedan Barai mit der Bewegung zur Seite dazu, den Gegner nach unten zu ziehen (https://youtu.be/ylULQU-ouhU) (Ja, ich weiß, er macht sich auch über die Omote Bunkai lustig aber er muss die Leute ja auch unterhalten). Die Schüler sollen aber zunächst mal einen anständigen Gedan Barai nach links ausführen und nicht irgendwie den Arm nach links reissen. Bei Letzterem würde jeder Schüler seine ihm eigene Körpermechanik weiter anwenden und somit niemals eine neue ausbilden. Das aber ist imho der Sinn von Kata.


Das ist das, was ich auch denke. Wie komplex und abstrahiert Bunkai wird, ist sicher auch vom eigenen Wissensstand abhängig.
Für mich als Anfänger ist ein Bunkai wesentlich sinnvoller, in dem bei einen Gedank Barai z.B. ein Mae-Geri geblockt wird.
Als 9. Kyu (und sicherlich auch noch bis zum wasweißich wievielten Kyu) muss Körpermechanik, Technik, Timing und Distanz ausbilden.
Später kann man dann abstrahieren auf Prinzipien reduzieren etc.


Wenn man nicht akzeptiert, dass die Techniken der Kata so sind, wie sie sind und sie dann auch so ausführt, dann sollte man vielleicht besser zum Krav Maga gehen.

Wenn es um schnelle SV-Fähigkeit geht, definitiv.



Das eigentliche Trauerspiel ist in meinen Augen nicht, dass derlei Bunkai geübt wird, sondern dass es nur sehr wenige Karateka schaffen, die Brücke von Kata zum Kämpfen zu schlagen, geschweige denn, diese zu lehren. Und dass viele den Sinn nicht verstehen und daher nicht in der Lage sind, den korrekten Kontext mitzuliefern.

Zurück zum Thema: Ich lese gerade "Karatedo Kyohan" von Funakoshi und nach meinem Verständnis ist der Ursprung und Sinn von Kata ja die Möglichkeit, Techniken in halbwegs sinnvoller Abfolge (körpermechanisch) alleine und ohne Partner üben zu können. Deshalb bin ich mir nicht mal sicher, ob es "das" Bunkai früher gegeben hat oder seit jeher vom Lehrer abhängige Interpretationen dessen, was die Anwendung sein könnte - wenn überhaupt Bunkai das Ziel der Übung war!

Meine unqualifizierte Meinung ist z.B., dass gerade die "einfachen" Kata wie die Heian Shodan/Nidan etc in erster Linie gar kein Bunkai vermitteln sollen, sondern Grundtechniken und Raumgefühl - quasi Kihon in zwei Dimensionen mit Richtungswechseln statt einfache Standübungen oder eindimensionales Bahnen laufen. Das würde die vielen Wiederholungen von Grundtechniken nämlich gut erklären. Dann werden später Teile der Kata ins Kumite gebracht usw.
Zu den späteren Kata mag ich mich nicht äußern, weil gar keinen Plan habe - aber ich denke man muss die Komplexität des Bunkai ähnlich aufbauend/zunehmend sehen wie die Komplexität der Kata.
Und klar kann man wie Iain Abernethy absolut faszinierendes Bunkai mit einer Heian Nidan machen - ich für meinen Teil glaube aber, dass das nicht der ursprüngliche Sinn gewesen ist.

FireFlea
19-07-2023, 06:13
Finde ich nen ganz wichtigen Punkt, insbesondere bei Anfängern bzw. wenig Fortgeschrittenen. Denn:
...
Das ist das, was ich auch denke. Wie komplex und abstrahiert Bunkai wird, ist sicher auch vom eigenen Wissensstand abhängig.
Für mich als Anfänger ist ein Bunkai wesentlich sinnvoller, in dem bei einen Gedank Barai z.B. ein Mae-Geri geblockt wird.
Als 9. Kyu (und sicherlich auch noch bis zum wasweißich wievielten Kyu) muss Körpermechanik, Technik, Timing und Distanz ausbilden.
Später kann man dann abstrahieren auf Prinzipien reduzieren etc.

Grundsätzlich bin ich damit fine. Und es wird auch viel übertriebenes und zu kompliziertes Zeug als bunkai verkauft. Auf der anderen Seite bleibt es bei Vielen bei Block + gyaku zuki. Sieht man an den alten JKA Kata Videos. Sieht man in vielen fortgeschrittenen Lehrgängen beim bspw. jiyu ippon Kumite. Da macht der 3.Dan das Gleiche wie als Gelbgut. Nur schneller und härter. Oft auch nicht so das Gelbe vom Ei.


Deshalb bin ich mir nicht mal sicher, ob es "das" Bunkai früher gegeben hat oder seit jeher vom Lehrer abhängige Interpretationen dessen, was die Anwendung sein könnte - wenn überhaupt Bunkai das Ziel der Übung war!

Nicht unbedingt. Gab ja auch Kata, die zur Herausbildung bzgl. körperlicher Aspekte gedacht waren.


Meine unqualifizierte Meinung ist z.B., dass gerade die "einfachen" Kata wie die Heian Shodan/Nidan etc in erster Linie gar kein Bunkai vermitteln sollen, sondern Grundtechniken und Raumgefühl - quasi Kihon in zwei Dimensionen mit Richtungswechseln statt einfache Standübungen oder eindimensionales Bahnen laufen. Das würde die vielen Wiederholungen von Grundtechniken nämlich gut erklären. Dann werden später Teile der Kata ins Kumite gebracht usw.
Zu den späteren Kata mag ich mich nicht äußern, weil gar keinen Plan habe - aber ich denke man muss die Komplexität des Bunkai ähnlich aufbauend/zunehmend sehen wie die Komplexität der Kata.
Und klar kann man wie Iain Abernethy absolut faszinierendes Bunkai mit einer Heian Nidan machen - ich für meinen Teil glaube aber, dass das nicht der ursprüngliche Sinn gewesen ist.

s. letzter Absatz. Und es ist aus meiner Sicht recht einfach. Entweder man hat jemanden, der einem auch etwas Sinnstiftendes zu einer Kata vermitteln kann (ob das jetzt Anwendungen sind oder die Herausbildung von körperlichen-/Bewegungsaspekten) oder man hat das nicht. Dabei ist aus meiner Sicht sogar relativ irrelevant, wie das mal gedacht war. Denn wenn man niemanden hat der vermitteln kann, was mal wie gedacht war, hilft das auch nicht. Einfach 20 Jahre lang ohne Lernziele Kata zu laufen und auf eine Art deus ex machina Erleuchtung zu hoffen, ist denke ich auch nicht optimal.

Jens78
19-07-2023, 06:24
Einfach 20 Jahre lang ohne Lernziele Kata zu laufen und auf eine Art deus ex machina Erleuchtung zu hoffen, ist denke ich auch nicht optimal.

Völlig d’accord. Ich denke nur, dass ggf nicht jede Kata die gleiche "Tiefe" für sinnvolles Bunkai bietet, wenn du verstehst wie ich das meine.
In die Richtung, dass komplexere Kata auch ganz andere Dinge vermitteln sollen/können als Kata mit wenigen, repetitiven Techniken.

FireFlea
19-07-2023, 06:29
Völlig d’accord. Ich denke nur, dass ggf nicht jede Kata die gleiche "Tiefe" für sinnvolles Bunkai bietet, wenn du verstehst wie ich das meine.
In die Richtung, dass komplexere Kata auch ganz andere Dinge vermitteln sollen/können als Kata mit wenigen, repetitiven Techniken.

Wenn das Lernziel "richtige Bewegung im Raum" ist, ist das doch auch was. Es geht in erster Linie darum, auch etwas aus einem Grund zu tun. Das scheint mir nicht bei jedem gegeben ;)

Und zum Thema Anwendungsmöglichkeiten von Kata mit wenigen Techniken:

https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?135849-Karate-Videos&p=3887950#post3887950

Katamaus
19-07-2023, 07:13
Einfach 20 Jahre lang ohne Lernziele Kata zu laufen und auf eine Art deus ex machina Erleuchtung zu hoffen, ist denke ich auch nicht optimal.

Man weiß nie wofür es gut ist. Ich hab‘ Kata früher nur für Wettkampf gemacht. Als dann beim Surfen der Lehrer vorführte, wie man das Segel an sich vorbeizieht, dachte ich mir „Hey, das ist doch Heian Godan, 3. Technik.“ :biglaugh::klatsch:

ThomasL
19-07-2023, 08:32
CeKaVau: 1+

Genau so habe ich es selbst erlebt. Im Shotokan– mit nur begrenztem Einblick und vor allem im Kyokushin (mit tiefem Einblick). Es mag natürlich Ausnahmen geben. Viele Diskussion hier erwecken für mich aber den Eindruck, dass dies eher die Ausnahme darstelle.

Bagua war dann für mich ein echter Augenöffner, weil plötzlich alle Komponenten zusammen passten und es klare, praxistaugliche Anwendungen zu den in „Kihon und Kata“ (heißt dort natürlich anders und letzteres wird auch auf eine andere Art und Weise durchgeführt) Bewegungen gab.

Was soll eine Bewegungsschulung sein, für die es keine Anwendung gibt? Im Judo haben wir auch viel Bewegungsschulung, aber für jede kann ich ganz konkret die Anwendung (Boden oder Stand) zeigen.

Katamaus
19-07-2023, 08:49
Was soll eine Bewegungsschulung sein, für die es keine Anwendung gibt?

Es gibt je tonnenweise Anwendungen. Wenn die halt keiner kennt oder die Lehrer unfähig sind, Übung und Anwendung gedanklich zu trennen, gibt es natürlich ein Problem. Aber vielleicht wollte man ja früher auch ganz bewusst die Leute rausfiltern, die nicht einmal in der Lage sind, eine Transferleistung zu erbringen. :D

CeKaVau
19-07-2023, 10:05
Hallo,


Nun, wenn - wie ja einige hier vermuten (und ich schließe mich dem an) - es in der Kata darum geht, eine kämpferisch einsetzbare Motorik/Körpermechanik zu erarbeiten, dann kann ich nicht mit einer fortgeschrittenen Bunkai beginnen.

Das Bunkai, dass Iain hier zeigt, kann man schwerlich als "fortgeschritten" bezeichnen. Meine Ü35-Anfänger von gestern haben das hinbekommen - zuerst ohne, dann mit Pads.


Es geht dabei nicht etwa darum, eine Verteidigung gegen einen realistischen Angriff zu erlernen, sondern darum, die Techniken der Kata mit Partner zu üben. Dazu werde die Angriffe absichtlich passend gemacht.

Das erscheint mir eine absurde Argumentation.

Um die Techniken der Kata zu üben, übe ich unrealistische Blocks gegen unrealistische Angriffe? Das ergibt in meiner schlichten Gedankenwelt nicht viel Sinn.


Die Schüler sollen aber zunächst mal einen anständigen Gedan Barai nach links ausführen und nicht irgendwie den Arm nach links reissen.

Genau dafür gibt es Kihon.


Wenn man nicht akzeptiert, dass die Techniken der Kata so sind, wie sie sind und sie dann auch so ausführt, dann sollte man vielleicht besser zum Krav Maga gehen.

Auch hier verstehe ich die Aussage nicht.

Wenn ich mich in der Anwendung der Kata nicht an das Genki halte, sondern die gezeigte Technik/Taktik dem Angreifer/Gegner und der Situation anpasse, sollte ich besser auf eine andere Kampfkunst wechseln?


Wenn man glaubt, dass die Vorangegangenen alle auf dem Holzweg waren, sollte man Ihnen besser nicht folgen.

In der Tat bin ich nicht so der unterwürfige Typ; Dinge hinterfragen liegt in meiner Natur und ich habe Spaß am basteln und herumprobieren.

Und (jetzt mal so unter uns): Ganz offensichtlich ist der absolute Großteil der gezeigten Anwendungen absolut untauglich bis hin zu lächerlich, wenn man sie aus dem Blickwinkel der Selbstverteidigung betrachtet. Das ist völlig in Ordnung, wenn man es auch nicht unter dem Blickwinkel der Selbstverteidigung übt.
Das muss man jetzt nicht als Majestätsbeleidigung auffassen.


Wobei ich es jedem Trainer überlassen würde, ob er auf dieses Übungsform zurückgreift oder sie einfach weglässt.

Das sehe ich ganz genau so. Es der große Charme von Karate, dass es in extrem breit gefächerter Form ausgeübt werden kann.


Das eigentliche Trauerspiel ist in meinen Augen nicht, dass derlei Bunkai geübt wird, sondern dass es nur sehr wenige Karateka schaffen, die Brücke von Kata zum Kämpfen zu schlagen, geschweige denn, diese zu lehren.

Woran dass wohl liegt? Vielleicht weil es von den "Vorangegangenen" nicht anders vorgelebt wird? :) :) :)

Grüße
Sven

ainuke
19-07-2023, 10:21
Ich habe das Glück, seit über 10 Jahren die Karatestilrichtung Ryu-sui ken oder auch Ryû sui Kempo Karate lernen und üben zu dürfen. Ryu-sui wurde von Takeo Narasaki (24.01.1918 - 09.11.1975) entwickelt. Ryu-sui ist ein vollständiges Kampfsystem und besteht aus der Kata Ryu-sui ho (je nach Geschwindigkeit 5-20 Minuten), den acht Qi-Gong-ähnlichen Übungen Ryu-sui Hachi Dan kin und dem Ritsu Zen.

Glücklicherweise gibt es von Takeo Narasaki drei Bücher, in denen er seine Ideen und Vorstellungen dokumentiert hat. In Band 1 wird die Kata anhand von Bildern und Beschriftungen erklärt. In Band 2 werden mögliche Anwendungen in Form von Partnerübungen erklärt. In Band 3 geht es um Vitalpunkte.

Auch wenn in den Büchern zwangsläufig einzelne Stellungen und "Techniken" abgebildet sind, so geht es dabei jedoch immer nur um Prinzipien. Und die Ausführung und Anwendung der Prinzipien wird eben anhand einzelner Beispiele gezeigt. Dass dieselbe Bewegung in vielen anderen Situationen ebenfalls angewendet werden kann, sollte einem erfahrenen Menschen dann klar sein. Aber um es zu lernen und sich zu merken, sind eben "Bilder" sehr hilfreich. Das entspricht auch in vielen asiatischen Ländern den Schriften; sie sind auch oftmals Bilder. Aber auch bei diesen Schriften geht es nicht immer genau nur um ein in eine westliche Sprache zu übersetzendes Wort. Es geht oftmals um ein Prinzip, Gefühl, Ausdruck, Absicht ...

Die Lehre und das Üben von Prinzipien (Atmung, Stand, Gewichtverlagerung, Richtung, An- und Entspannung, ...) gibt es glücklicherweise auch im Karate, allerdings muss man die richtige Schule bzw. Lehrerin/Lehrer finden. Problematisch ist, dass das Unterrichten bzw. Lernen dieser Prinzipen sehr aufwendig ist. Es geht um viele Details und häufiges, langsames Wiederholen. Wahrscheinlich hatten oder haben auch deshalb die wirklich guten Lehrerinnen und Lehrer nur wenige Schülerinnen und Schüler.

CeKaVau
19-07-2023, 10:37
Hallo,


CeKaVau: 1+

Genau so habe ich es selbst erlebt. Im Shotokan– mit nur begrenztem Einblick und vor allem im Kyokushin (mit tiefem Einblick). Es mag natürlich Ausnahmen geben. Viele Diskussion hier erwecken für mich aber den Eindruck, dass dies eher die Ausnahme darstelle.

Von Tag 1 an, wurde mir erzählt, dass Karate eine Kampfkunst sei, mit der sich gegen einen ernsthaften Angriff zur Wehr setzen kann (oder zumindest davonkommen). Und schon damals als absoluter Laie (oh Gott, ist das lange her) kamen mir die meisten Dinge, die wir geübt haben, völlig absurd vor.
Ich war aber damals noch der Meinung, dass sich das schon noch gibt, und die Dinge irgendwann einen kämpferischen Sinn ergeben.

Statt dessen sind mir aber zwei Dinge aufgefallen:

1.) Eine völlige Unkenntnis, wie eine ernsthafte Auseinandersetzung eigentlich abläuft.
2.) Eine ans Religiöse grenzende Obrigkeitshörigkeit.

Beides führt dazu, dass einfach "von oben nach unten" Dinge weitergeben werden, auch wenn sie der größte Schmarrn sind. Sobald ein verehrter Meister etwas sagt, wird sofort das Gehirn abgeschaltet.


Bagua war dann für mich ein echter Augenöffner, ...

Ich bin beim Karate geblieben, habe aber angefangen, meinen eigenen Kram zu machen und mir zusammenzusuchen, was dazu passt. Das war sicherlich nicht der effektivste Weg, aber Karate macht mir halt Spaß.


Was soll eine Bewegungsschulung sein, für die es keine Anwendung gibt?

Naja, dafür gibt es viele Möglichkeiten.

Wenn halt jemand Karate macht, weil er Katalaufen schön und ästhetisch und herausfordernd findet, ist das wunderbar und sollte gefördert werden.
Wenn halt jemand Karate macht, weil er sich gern mit anderen um Pokale kloppt, ist das wunderbar und sollte gefördert werden.
Wenn halt jemand Karate macht, weil er Vereinsleben schätzt und gern nach dem Training mit Freunden ein Bier trinken geht, ist das wunderbar und sollte gefördert werden.

Es wird halt nur schwierig, wenn Katalaufen oder Kumite als SV verkauft wird.

"Bringt eure 8-jährigen Kinder zu uns in den Karateverein. Hier lernen sie Respekt und Selbstverteidigung." **Seufz**

Grüße
Sven

Katamaus
19-07-2023, 11:02
Das Bunkai, dass Iain hier zeigt, kann man schwerlich als "fortgeschritten" bezeichnen. Meine Ü35-Anfänger von gestern haben das hinbekommen - zuerst ohne, dann mit Pads.

Mir wäre neu, dass realistische Anwendungen kompliziert sein müssen, um realistische Anwedungen zu sein. Das Gegenteil ist der Fall.


Um die Techniken der Kata zu üben, übe ich unrealistische Blocks gegen unrealistische Angriffe? Das ergibt in meiner schlichten Gedankenwelt nicht viel Sinn.


Wenn Du meinst, dass Gedan Barai eine unrealistische Abwehr ist, kannst Du gerne mal vesuchen, mir einen Maegeri reinzusemmeln. Als ich meinen Lehrer (zu seinen fitten Zeiten) mal um ein Haar im (verschärften) Randori erwischt habe, hat der mir im Reflex einen Gedan Bari aufs Schiebein genagelt, dass mir fast das Bein abgefallen ist. Und ich habe mal Fußball gespielt - ohne Schienbeinschoner.

Wenn Du das tatsächlich so siehst, verstehe ich ehrlich nicht, wieso Du Karate machst. Aus einer deiner 3 genannten Gründe?

Ein Gedan Barai kann natürlich auch noch andere Dinge, wenn die Körpermechanik mal verstanden ist. Das gibt es doch auch in anderen KK, dass eine Bewegung mehrere mögliche Anwendungen hat!? Meistens halt eine vordergründige, die nciht unrealistisch sein muss, nur weil sie vordergründig ist und mehrere versteckte, die auch dann existieren, wenn sie keiner versteht. ;)


Wenn ich mich in der Anwendung der Kata nicht an das Genki halte, sondern die gezeigte Technik/Taktik dem Angreifer/Gegner und der Situation anpasse, sollte ich besser auf eine andere Kampfkunst wechseln?

Die Kata sollte in genau der Form geübt werden, wie sie überliefert wurde, sonst ist es personalisierter Tanz. In der Anwendung kannst Du machen, was Du willst. Ich bitte, die gedankliche Trennung zwischen Übungs- und Anwendungsform zu beachten. Wenn Du aber nur üben willst, was einen direkt erkennbaren (!) Bezug zur SV hat, dann bist Du im Karate sicher falsch. (Da wärst Du bspw. auch im TCC falsch, welches ebenfalls realistische Anwendungen kennt).


In der Tat bin ich nicht so der unterwürfige Typ; Dinge hinterfragen liegt in meiner Natur und ich habe Spaß am basteln und herumprobieren.


Das bleibt Dir unbenommen und das mache ich auch. Wenn man es damit aber übertreibt, macht man aber keine Karate mehr, sondern irgendwas.


Und (jetzt mal so unter uns): Ganz offensichtlich ist der absolute Großteil der gezeigten Anwendungen absolut untauglich bis hin zu lächerlich, wenn man sie aus dem Blickwinkel der Selbstverteidigung betrachtet. Das ist völlig in Ordnung, wenn man es auch nicht unter dem Blickwinkel der Selbstverteidigung übt.
Das muss man jetzt nicht als Majestätsbeleidigung auffassen.

Auch hier nochmal. Man sollte zunächst verstehen, warum etwas gezeigt wird und in welchem Kontext. Wenn das als realistische SV präsentiert wird, gebe ich Dir recht. Aber oft ist es eben Omote Bunkai und das ist aus den o.g. Gründen eben nicht lächerlich, sondern eine (und nicht die!) didaktische Methode, um Menschen SV-tauglich(er) zu machen. Nochmal: Da geht es zunächst einmal um Erlernen von Körpermechanik.


Woran dass wohl liegt? Vielleicht weil es von den "Vorangegangenen" nicht anders vorgelebt wird? :) :) :)


Wer sind denn die Vorangegangenen? Aus meiner Sicht jedenfalls nicht irgendwelche Hansel, die sich im DKV (oder auch in der JKA) gegenseitig den 9. Dan umhängen. Gute Lehrer sind halt selten und oftmals auch nicht perfekt. Da sind dann Eigenleistung, Forschung und Transfer gefragt.

PS:
"Bringt eure 8-jährigen Kinder zu uns in den Karateverein. Hier lernen sie Respekt und Selbstverteidigung." **Seufz**
Trainierst Du keine Kinder? Wenn doch, womit wirbst DU denn?

ThomasL
19-07-2023, 13:26
Es gibt je tonnenweise Anwendungen. Wenn die halt keiner kennt oder die Lehrer unfähig sind, Übung und Anwendung gedanklich zu trennen, gibt es natürlich ein Problem. Aber vielleicht wollte man ja früher auch ganz bewusst die Leute rausfiltern, die nicht einmal in der Lage sind, eine Transferleistung zu erbringen. :D
Tonnenweise Anwendungen, und wieviele davon sinnvoll?
Nicht einmal in der Lage sind "Transferleistungen" zu erbringen klingt für mich also ob du nie in den Genuss einer geschlossenen, didaktisch sinnvollen Ausbildung gekommen bist in dem jeder Baustein von Anfang an Sinn ergibt. Ich nebenbei auch nicht, daher habe ich mich auch ziemlich schnell davon verabschiedet weiter Kata zu üben (nicht weil sie nicht sinnvoll ist, sondern weil es ohne die Vermittlung der wirklichen Inhalte schlichtweg bessere Trainingsmethoden gibt).
Die Vermittlung von Anwendungen läuft doch idealerweise parallel zur Vermittlung von Kata. D.h. wir reden von einem Training für Anfänger (erstmal). Und die sollen dann diese Transferleistungen bringen? Auf welcher Basis? Warum jedes Mal das Rad neu erfinden?
Wenn ich mir so ansehe welcher Unsinn bei der "Transferleistung" teils von Fortgeschrittenen gezeigt wird, halte ich dies doch für mehr als fraglich.

Verstehe mich bitte nicht falsch, ich glaube Dir gerne, dass Du für Dich einen guten Weg gefunden hast mit Karate effektiv zu kämpfen. Eventuell hattest Du auch das Glück tatsächlich Lehrer zu finden, die dir sinnvolle Anwendungen zu den Kata vermitteln konnten. Ich habe aber bisher nur einen einzigen persönlich getroffen der das Glück hatte Karate so zu lernen.

FireFlea
19-07-2023, 13:31
Schau mal hier in die "Okinawan Theory":

https://ryukyu-bugei.com/?p=5391

ThomasL
19-07-2023, 13:55
Von Tag 1 an, wurde mir erzählt, dass Karate eine Kampfkunst sei, mit der sich gegen einen ernsthaften Angriff zur Wehr setzen kann (oder zumindest davonkommen). Und schon damals als absoluter Laie (oh Gott, ist das lange her) kamen mir die meisten Dinge, die wir geübt haben, völlig absurd vor.
Ich war aber damals noch der Meinung, dass sich das schon noch gibt, und die Dinge irgendwann einen kämpferischen Sinn ergeben.

Bei uns (bezogen auf Kyokushin) war es von Anfang an so, dass das Kämpfen fast nichts mit Kata zu tun hatte (mit Kihon gab es schon Überschneidungen). Man hat die Kata halt - mehr schlecht als recht - geübt weil man musste und sie für irgendwelche Prüfungen benötigte (die mir auch nicht sonderlich wichtig waren). Gekämpft wurde dann anders. War für mich auch mit der Grund mich später bei anderen zu bedienen, die ein besseres Kampftraining ohne Overhead hatten (Boxen, Kickboxen, Judo...)



Hallo,
Naja, dafür gibt es viele Möglichkeiten.

Wenn halt jemand Karate macht, weil er Katalaufen schön und ästhetisch und herausfordernd findet, ist das wunderbar und sollte gefördert werden.
Wenn halt jemand Karate macht, weil er sich gern mit anderen um Pokale kloppt, ist das wunderbar und sollte gefördert werden.
Wenn halt jemand Karate macht, weil er Vereinsleben schätzt und gern nach dem Training mit Freunden ein Bier trinken geht, ist das wunderbar und sollte gefördert werden.

Es wird halt nur schwierig, wenn Katalaufen oder Kumite als SV verkauft wird.
Grüße
Sven
Das sind für mich alles valide Gründe. Meine Frage bezog sich aber auf eine "Bewegungsschulung" im Sinne einer Kampfkunst. Ich habe viel Bewegungsschulung erlebt (Bagua, Judo, BJJ....) aber jede davon ließ sich auch direkt in Anwendungen zeigen und vermitteln. Das sich später dann die feste Anwendung immer mehr auflöst und unbedeutender wird (habe ich mir sagen lassen ;-) ist ein eigenes Thema, aber hier geht es ja um Didaktik und Lernen gerade auch bevor man diese weit fortgeschrittene Niveau erreicht.

@FireFlea: Danke für den Link

Katamaus
19-07-2023, 14:01
Tonnenweise Anwendungen, und wieviele davon sinnvoll?

Viele! Vor allem aber muss man die Frage stellen: Sinnvoll wofür? Und da geht es eben nicht nur um SV.


Nicht einmal in der Lage sind "Transferleistungen" zu erbringen klingt für mich also ob du nie in den Genuss einer geschlossenen, didaktisch sinnvollen Ausbildung gekommen bist in dem jeder Baustein von Anfang an Sinn ergibt.

Nein. Leider nicht. Was nicht heißt, dass es das nicht geben kann. Im Shorin Ryu Seibukan z.B. lernen die auch diese "sinnlosen" Anwendungen. Das wird aber dann später weitergeführt zu sehr viel fortgeschritteneren Anwendungen. So würde ich mir das auch wünschen aber so ist es halt im Shotokan oft nicht (viele Mitglieder, viele Unfähige?). Da kam halt die ganze Wettkampschiene dazwischen. Aber, wie gesagt, in Funakoshis "Kyohan" werden ja bspw. Anwendungen erläutert. Die kannste jetzt natürlich auch doof finden aber da würde ich dem alten Gichin dann doch etwas mehr Kompetenz zuschreiben als Dir. Nichts für ungut.


Ich nebenbei auch nicht, daher habe ich mich auch ziemlich schnell davon verabschiedet weiter Kata zu üben (nicht weil sie nicht sinnvoll ist, sondern weil es ohne die Vermittlung der wirklichen Inhalte schlichtweg bessere Trainingsmethoden gibt).

Glaub' es oder glaub' es nicht, ich habe sie trotzdem weiter geübt und das hat mir in vielen Lebensbereichen etwas gebracht. Auch in kämpferischer Hinsicht. Die Frage, ob es etwas Effektiveres gibt ist hingegen müßig, denn erstens müsste man fragen "Effektiver in Bezug auf was?", zweitens ist es spekulativ, weil die Katamaus in verschiedenen Paralleluniversen verschieden KK betreiben müsste und das 100x pro Leben um eine statistisch halbwegs gesicherte Aussage zu bekommen. Wenn es die eine alles überragende KK* gibt, warum macht dann überhaupt noch wer was anderes? Alle doof?


Die Vermittlung von Anwendungen läuft doch idealerweise parallel zur Vermittlung von Kata. D.h. wir reden von einem Training für Anfänger (erstmal). Und die sollen dann diese Transferleistungen bringen?

Nein! Wioeso auch? Niemand hat behauptet, dass sei der schnellste Weg, um kämpfen zu lernen. Die Anfänger können einfach Omote Bunkai machen. Die brauchen erstmal keinen Transfer. Auf der Stufe werden andere Dinge geschult. Das Ganze ist ein langfristig angelegtes Konzept. D.h. es zahlt sich erst später aus, Im übrigen kann ich nur zum hundertdrölfzigsten Mal darauf hinweisen, dass Shotokan keine reine SV-Schule ist.



Wenn ich mir so ansehe welcher Unsinn bei der "Transferleistung" teils von Fortgeschrittenen gezeigt wird, halte ich dies doch für mehr als fraglich.

Na und? Ich finde vermutlich hunderttausende Tai Chi-Adepten, die nicht in der Lage sind, einen vernünftigen Hebel anzubringen. Ist das deshalb alles Quatsch?

*Ich habe schon verstanden, dass man nur mit Bagua richtig kämpfen lernen kann. Reizt mich dennoch nicht. Vielleicht gerade deshalb.

Katamaus
19-07-2023, 14:10
Bei uns (bezogen auf Kyokushin) war es von Anfang an so, dass das Kämpfen fast nichts mit Kata zu tun hatte (mit Kihon gab es schon Überschneidungen). Man hat die Kata halt - mehr schlecht als recht - geübt weil man musste und sie für irgendwelche Prüfungen benötigte (die mir auch nicht sonderlich wichtig waren). Gekämpft wurde dann anders. War für mich auch mit der Grund mich später bei anderen zu bedienen, die ein besseres Kampftraining ohne Overhead hatten (Boxen, Kickboxen, Judo...)

So läuft das bei uns in den Wettkampf-Dojo ebenfalls. Ebenso bei den Kumite-Formen. Das finde ich ebenfalls bescheuert. Entweder füllt man das Ganze mit Sinn und leben oder man lässt es.


Meine Frage bezog sich aber auf eine "Bewegungsschulung" im Sinne einer Kampfkunst. Ich habe viel Bewegungsschulung erlebt (Bagua, Judo, BJJ....) aber jede davon ließ sich auch direkt in Anwendungen zeigen und vermitteln.

Schwerpunktarbeit, Beinarbeit, Hüfteinsatz,... Komm' vorbei und frag' mich. Ich behaupte, ich kann das zeigen. Nicht, dass es gut wäre aber wofür es gut ist. ;)

Katamaus
19-07-2023, 15:36
Schau mal hier in die "Okinawan Theory":

https://ryukyu-bugei.com/?p=5391

Der Andi erklärt's natürlich viel besser! :D

Nick_Nick
19-07-2023, 17:05
Was soll eine Bewegungsschulung sein, für die es keine Anwendung gibt? Im Judo haben wir auch viel Bewegungsschulung, aber für jede kann ich ganz konkret die Anwendung (Boden oder Stand) zeigen.

OT:

Gibt es bspw. in Koryu. Kann man sich vorstellen wie Pilates- oder Yogaübungen im Martial Arts-Kontext. Wäre irgendwo vergleichbar, wenn ein Karateka regelmäßig Stretchingübungen macht. Da kommt ihm die gesteigerte Beweglichkeit und Geschmeidigkeit in sämtlichen Übungen zugute, ohne dass in den Stretchingübungen eine Anwendung dahintersteckt. (Natürlich sind die Koryu-Kata inhaltlich viel komplexer).

Bzw. sind ja die Kata im Karate die Pilates-/Yoga-/Stretchingübungen im Karatekontext. Nur dass dummerweise dort noch nach Anwendungen gesucht werden muss.

Katamaus
19-07-2023, 17:09
Bzw. sind ja die Kata im Karate die Pilates-/Yoga-/Stretchingübungen im Karatekontext. Nur dass dummerweise dort noch nach Anwendungen gesucht werden muss.

Das ist doch eine arg simplifizierende und zudem auch falsche Aussage. Bevor ich mir jetzt erneut die Finger wund tippe, empfehle ich dringend den Artikel aus FireFleas Link genauer zu lesen.

CeKaVau
19-07-2023, 17:16
Hallo,


Mir wäre neu, dass realistische Anwendungen kompliziert sein müssen, um realistische Anwedungen zu sein. Das Gegenteil ist der Fall.

Das hatte ich auch nicht gesagt. Ich bezog mit auf eine Aussage von Dir:


Nun, wenn - wie ja einige hier vermuten (und ich schließe mich dem an) - es in der Kata darum geht, eine kämpferisch einsetzbare Motorik/Körpermechanik zu erarbeiten, dann kann ich nicht mit einer fortgeschrittenen Bunkai beginnen.


Wenn Du meinst, dass Gedan Barai eine unrealistische Abwehr ist, kannst Du gerne mal vesuchen, mir einen Maegeri reinzusemmeln.

Das hatte ich (ebenfalls) nicht gesagt. Ich hatte auf die Absurdität des Heian-Shodan Bunkai hingewiesen.

Kann man mit einem Gedan-Barai einen Mae-Geri abwehren? Kommt drauf an.
Kommt es in der Realität vor (und darum ging es), dass ich mit hängenden Armen herumstehe und plötzlich und unerwartet jemand von der Seite mit einen Mae-Geri-Chudan angreift. Hm.


Als ich meinen Lehrer (zu seinen fitten Zeiten) mal um ein Haar im (verschärften) Randori erwischt habe, hat der mir im Reflex einen Gedan Bari aufs Schiebein genagelt, dass mir fast das Bein abgefallen ist.

Das ist ein Beispiel aus der Welt des "consensual violence", dass mit einer realen Auseinandersetzung ("non-consensual violence") nichts zu tun hat. Falls ich mich wiederholt unklar ausgedrückt habe, hier noch einmal: Es geht und ging mir um SV-Anwendungen des Karate.
Und ich bitte um Entschuldigung für den denglischen Sprachgebrauch. Nach griffigen deutschen Worten, die diese beiden völlig verschiedenen Dinge beschreiben, suche ich noch.


Wenn Du das tatsächlich so siehst, verstehe ich ehrlich nicht, wieso Du Karate machst.

Verstehe ich nicht.


Meistens halt eine vordergründige, die nciht unrealistisch sein muss, nur weil sie vordergründig ist und mehrere versteckte, die auch dann existieren, wenn sie keiner versteht.

Ist das die berühmte Schrödinger-Anwendung?


Die Kata sollte in genau der Form geübt werden, wie sie überliefert wurde, sonst ist es personalisierter Tanz.

1.) Ich kann Kata genau so üben, wie ich es möchte. Es ist trotzdem Kata. Du kannst hier gern gatekeeping (yeah, noch mehr denglisch) betreiben, hilft aber nicht wirklich.
2.) Das Kata unveränderlich sind, ist ein Mythos. Das Wort "überliefert" ist, zumindest für Shotokan-kata, viel zu hoch gegriffen.

Irgendwo auf youtube geistern mehrere Videos aus den 70ern herum, in denen Shotokan-kata und (ahem) "Anwendungen" gezeigt werden. Ein Beispiel von mehreren:


https://www.youtube.com/watch?v=prw-ZOj5HGo

Timing, Stände, Techniken und sonstige Kleinigkeiten unterscheiden sich von den Formen von heute. Das müssen die das damals in Japan falsch gemacht haben!


Ich bitte, die gedankliche Trennung zwischen Übungs- und Anwendungsform zu beachten.

Äh, nein. Warum sollte ich? Trainingszeit ist kostbar.


Wenn Du aber nur üben willst, was einen direkt erkennbaren (!) Bezug zur SV hat, dann bist Du im Karate sicher falsch.

Ich bin im Karate falsch, wenn ich versuche, Karate konsequent praktisch anwendbar zu gestalten?


Wenn man es damit aber übertreibt, macht man aber keine Karate mehr, sondern irgendwas.

Gatekeeping.


Aber oft ist es eben Omote Bunkai und das ist aus den o.g. Gründen eben nicht lächerlich, sondern eine (und nicht die!) didaktische Methode, um Menschen SV-tauglich(er) zu machen.

Bitte, lies diesen Satz noch mal ganz genau durch. Ganz genau und ganz langsam - ich bin mir sicher, Du kommst drauf.


Gute Lehrer sind halt selten und oftmals auch nicht perfekt.

Ein Kennzeichen eines guten Lehrers ist die ständige Weiterentwicklung und Anpassung. Auch sollte der Satz: "Das weiß ich nicht." nicht verpönt sein.


Da sind dann Eigenleistung, Forschung und Transfer gefragt.

Mache ich das nicht? Und mache ich deshalb gar kein Karate und sollte besser etwas anderes machen?


Trainierst Du keine Kinder? Wenn doch, womit wirbst DU denn?

Nur, wenn ich es absolut nicht vermeiden kann. Kommt eigentlich nur vor, wenn ich in einem anderen Verein Training oder einen Lehrgang gebe.

Bei uns im Verein macht das Kindertraining ein anderer. Wir machen keine Werbung, das läuft alles über Mundpropaganda der Kinder/Jugendlichen ohne unser Zutun.

Grüße
Sven

Katamaus
19-07-2023, 17:40
Das hatte ich (ebenfalls) nicht gesagt. Ich hatte auf die Absurdität des Heian-Shodan Bunkai hingewiesen.
(…) Kommt es in der Realität vor (und darum ging es), dass ich mit hängenden Armen herumstehe und plötzlich und unerwartet jemand von der Seite mit einen Mae-Geri-Chudan angreift. Hm.


Dass das keine realistische Anwendung darstellen soll, hatte ich ja nun mehrfach erläutert.


Das ist ein Beispiel aus der Welt des "consensual violence", dass mit einer realen Auseinandersetzung ("non-consensual violence") nichts zu tun hat. Falls ich mich wiederholt unklar ausgedrückt habe, hier noch einmal: Es geht und ging mir um SV-Anwendungen des Karate.


Nun ja, Maegeris kommen auch als Angriffe in der Realität vor. Zumindest wenn man den Aussagen von Leuten glaubt, die damit beruflich zu tun haben. Und wenn der letzte Reflex, wenn jemand überrascht wird, ein Gedan Barai ist, der funktioniert, gibt es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der auch in der Realität funktioniert. Jedenfalls eher als ein Bunkai, welches komplizierter ist, als jenes, welches wir oben diskutiert hatten.


Und ich bitte um Entschuldigung für den denglischen Sprachgebrauch. Nach griffigen deutschen Worten, die diese beiden völlig verschiedenen Dinge beschreiben, suche ich noch.


Keine Sorge, ich schaffe das!

Den Rest können wir abkürzen, glaube ich. Da kommen wir eh nicht weiter. Du hattest hier ja auch verschiedentlich Videos von Dir gepostet. Das, was ich da gesehen habe, ist für mich irgendein Karate-Kickbox-Hybrid, den Du gerne Karate nennen kannst. Für mich ist es das nicht.

Und genauso sind die überlieferten Kata eben die, die überliefert wurden, so wie Andreas es in seinem Artikel beschreibt. Wenn Du sie einfach so anpasst, wie Du lustig bist, sind es eben nicht mehr diese Kata. Macht aber nix, denn Du kannst Dir natürlich gerne eigene kreieren. Hat Asai ja z.B, auch gemacht. Es sollte nur klar sein.

Also auf Denglisch: Agree to disagree.

PS: Auch wenn Du keine Werbung für Kindertraining machst, wäre es natürlich interessant zu wissen, warum Du die beschriebenen Werte ins Lächerliche ziehst. Respektvolles Verhalten zu erlernen ist also falsch? Was sollen die Kinder bei Dir lernen?

ZEN2021
19-07-2023, 18:02
Um noch einmal auf die Praxistauglichkeit einzugehen: Die Krux oder aber die Gretchenfrage liegt meiner Ansicht nach oftmals in der nicht klar definierten Zone der SV versus "kloppen" oder aber Kampfsport. Exemplarisch ziehe ich folgend einmal die Naihanchi (Tekki Shodan) heran:

Wir schauen zu Beginn (nach einer einleitenden Armbewegung) einmal nach links und dann nach rechts. Warum? Ich für meinen Teil verinnerliche damit das Prinzip der "Umsicht" und wir sind in Sachen SV im Bereich der Prävention. Da gibt es körperlich nicht viel zu üben (vielleicht den Nacken dehnen *g) - klar. Aber die "kleine Idee", der kleine Impuls dahinter, der immer wieder gesetzt wird, wenn wir die Kata praktizieren, eben umsichtig mit offenen Augen (auch profan, ich weiß) durch das Leben zu gehen und nicht blind durch die Gegend stapfend (in die eigenen Schritte zu fallen - auch so eine Sache: Wer von uns läuft normal?). Freilich lauern nicht hinter jeder Ecke etwaige Störer et al, aber es ist ja gerade dieser Grad der reduzierten Abstraktion, den ich so interessant und durchaus auch als sinnvoll empfinde, wenn wir eine Kata einmal dahingehend analysieren Dies soll übrigens nicht heißen, dass eine Kata, die eben nicht nach links und rechts schaut "schlecht" ist.

Nächster Punkt - brachiale Gewalt:
Boztepe sagte auf einem Wing Chun Lehrgang einmal sinngemäß, dass das Wing Chun für "normale" Menschen gedacht ist, die in ihrem "normalen" Leben und Tagesablauf auf einmal mit Gewalt konfrontiert werden. Abernethy geht in eine identische Richtung, wenn er sagt (also sinngemäß), dass Karate et al nicht dafür gedacht ist, dass der normale Bürger damit UFC Turniere gewinnt oder eben bewusste Konfrontationen sucht. Wenn ich nun den Sprung in die Trainingsmentalität der (leider) nicht wenigen Karate-Vereine gehe, dann erlebe ich dort sehr vieles, aber eben nicht diese differenzierte Art der Trainingsmentalität. Da werden Kihons geschrubbt, Kata "gelaufen" und irgendwie auch ein Kumite praktiziert - aber eher so Mae-Gei vs Gedan-barai Spielchen.

Was mir persönlich im "deutschen" Karate nach wie vor fehlt: Eben diese direkte Verbindung an die SV und dies gekoppelt an eine oder aber mehrere Kata. Ich habe vor einigen Monaten einmal mit meinem Sohn unsere hiesigen Vereine besucht - ich war enttäuscht, was sich da nach all den Jahren nicht getan hat. Was aber immer vorhanden war: Dieser Häuptlingskult - schlimm.

Nick_Nick
19-07-2023, 18:31
Das ist doch eine arg simplifizierende und zudem auch falsche Aussage. Bevor ich mir jetzt erneut die Finger wund tippe, empfehle ich dringend den Artikel aus FireFleas Link genauer zu lesen.

Dass Karate-Kata - auch - den Körper im Karatekontext schulen, darauf können wir uns einigen?

Ansonsten, bzgl. "Suchens" von Anwendungen in den Kata .. jepp, steht immer noch in dem Artikel (https://ryukyu-bugei.com/?p=5391):


In karate, kata only provides the external form of the technique, but not the content. In other words, the practical skills are not defined and the kata do not clearly demonstrate the relationship between external form (kata) and technique (waza).
...
The kata of karate are the theorization of principles and carry a plurality of skills with their meanings hidden behind a high level of abstraction. Each move or gesture within a kata of karate can easily be interpreted as a multitude of applied techniques.
...
By assigning fixed techniques to the gestures of kata, karate will be misconceived for something else and in consequence loses its very raison d’être


Wo ist da jetzt das Problem mit meiner Aussage?

Karateman
19-07-2023, 18:53
Wollte auch kurz was zu sagen. Ob Karate funktioniert oder nicht. Zumindest die 5 Grund block Techniken und Schläge funktionieren. Sowas kann man gut mit einem Partner in aufrechten stand üben. Ohne schritt vor und sowsowas einfach voreinander in naher Distanz. Ich denke die Karate Blöcke haben dann einen Sinn wenn man die Unterarme wie im muay Thai als Schienbeine betrachtet. Man wehrt also so hart ab das dadurch ein Effekt entsteht, gefolgt von einer Schlagtechnik. Dann macht das Sinn. Deswegen gab oder gibt es ja auch diese Unterarm haertungstechniken. Im goju ryu oder kyokushin macht man die auch warum sollte das im shotokan anders sein?

Dann hab ich noch den Gedanken das die Kata die man auf Long range Ausführt, eigentlich garkein Faustkampf sind sondern eigentlich Waffenkampf. Und nur ohne Waffen ausgeführt wurde weil Waffen damals vielleicht verboten waren.
Probiert mal die heian katas mit einem Bo auszuführen. Schön macht das ganze Sinn. Es können aber auch zwei Waffen sein wie Sau, tonfa oder kamasicheln. Würde alles funktionieren mal ausprobieren mit den heian/pinan Kata.

Karateman
19-07-2023, 18:58
Mit einer Waffe wie dem Bo macht es Sinn diese tiefen und weiten Bewegungen auszuführen. Während zb die Kata Tekki/neihanshi deutlich die Nähe Distanz zeigt und damit sich als Faustkampf Kata verdeutlicht zumindest für mich. In der Tekki sind ja gerade diese verketten kurzen armkombinationen die im Faustkampf Sinn machen. Ich glaube deswegen war die Tekki damals auch die erste und wichtigste Kata des shorin Stils. Erst später wurden dann diese pinan katas davor genommen. Aber soweit ich gelesen habe begann man im shuri Karate mit der neihanshi.

FireFlea
19-07-2023, 19:42
Wollte auch kurz was zu sagen. Ob Karate funktioniert oder nicht. Zumindest die 5 Grund block Techniken und Schläge funktionieren. Sowas kann man gut mit einem Partner in aufrechten stand üben. Ohne schritt vor und sowsowas einfach voreinander in naher Distanz. Ich denke die Karate Blöcke haben dann einen Sinn wenn man die Unterarme wie im muay Thai als Schienbeine betrachtet. Man wehrt also so hart ab das dadurch ein Effekt entsteht, gefolgt von einer Schlagtechnik. Dann macht das Sinn. Deswegen gab oder gibt es ja auch diese Unterarm haertungstechniken. Im goju ryu oder kyokushin macht man die auch warum sollte das im shotokan anders sein?

Und wieviel davon sieht man dann in der freien Bewegung? Im Kyokushin bspw. im Sparring? Eher wenig. Das was man als, wie ich es gerne nenne, einarmigen Zombie Block lernt, ist halt höchstens mal eine Option von vielen. Aber mehr lernen viele nicht.


Dann hab ich noch den Gedanken das die Kata die man auf Long range Ausführt, eigentlich garkein Faustkampf sind sondern eigentlich Waffenkampf. Und nur ohne Waffen ausgeführt wurde weil Waffen damals vielleicht verboten waren.
Probiert mal die heian katas mit einem Bo auszuführen. Schön macht das ganze Sinn. Es können aber auch zwei Waffen sein wie Sau, tonfa oder kamasicheln. Würde alles funktionieren mal ausprobieren mit den heian/pinan Kata.


Mit einer Waffe wie dem Bo macht es Sinn diese tiefen und weiten Bewegungen auszuführen. Während zb die Kata Tekki/neihanshi deutlich die Nähe Distanz zeigt und damit sich als Faustkampf Kata verdeutlicht zumindest für mich. In der Tekki sind ja gerade diese verketten kurzen armkombinationen die im Faustkampf Sinn machen. Ich glaube deswegen war die Tekki damals auch die erste und wichtigste Kata des shorin Stils. Erst später wurden dann diese pinan katas davor genommen. Aber soweit ich gelesen habe begann man im shuri Karate mit der neihanshi.

Ich würde raten die Waffen auch zu lernen, bevor man solche Verknüpfungen herstellt. Denn sonst fuchtelt man halt irgendwie mit Waffen rum, das bringt es nicht so wirklich. Und sowas wie ein Bo, also ein Stock, soll verboten gewesen sein? Wohl eher nicht. Zudem sind die Pinan Kata auch nicht besonders alt, da war ganz sicher nix mehr verboten. (Ganz abgesehen davon, dass sich die ganzen überholten Geschichten um ein Waffenverbot eben nicht auf die Kobudo Waffen, sondern auf Klingenwaffen beziehen).

Also grundsätzlich ist es nicht verkehrt, Waffen zu lernen und Gemeinsamkeiten zu suchen aber selbst irgendwie rumzufuchteln ist nicht so das gelbe vom Ei.

Karateman
19-07-2023, 20:10
ich habe eine kurze Zeit mal Kalaripayat gemacht da hat man mir den gebraucht von einem Langstock vermittelt. Der wurde zwar mit öl eingeschmiert, damit das mit dem hin und herglipschen vom Stock besser ging aber vom Prinzip her sollte das im okinawa kobudo ja ähnlich sein mit einem Stock umzugehen. Daher würde ich sagen das ich mit einem Stock nicht unbedingt nur rumfuchteln würde.
Dieses links rechts schlagen ZB wie in der Heian Yondan kann man gut als Stocktechnik nehmen wo man mit den jeweiligen Stockenden abwehrt oder pariert etc. Auch am Anfang der Heian Yonda die Bewegung mit beiden Armen hochreißen ist ne Prima Abwehr mit einem langen Stock.

Und warum sollte das denn nur ein normaler Stock gewesen sein? Das ganze würde auch mit einer Lanze also einem Stock mit Metallspitze an einem oder mehr Enden funktionieren können. Es gibt doch auch diese nette Mönchspaten Waffe mit an einem Ende ein Metallspatenartiges und am anderen Ende soeine Halbmondsichel. Wenn das ganze von Chinesen kommt vom Ursprung dann könnte ich mir auch soeine Waffe gut vorstellen und die war sicher nicht erlaubt denke ich mal.

Ja die Pinan Kata ist eine relative neuentwicklung gewesen. Aber soweit ich mich informiert habe hat Anko Itoso (glaub war der Schöpfer) die Pinan Reihe aus einer älteren Kata erschaffen oder zusammengewürfelt. Es wäre dann vielleicht interessant die ursprungskata mal genauer unter die Lupe zu nehmen und diese mit entsprechender Bewaffnung zu laufen.

Müsste nochmal im Bücherregal meine Literatur durchblättern wo ich das gelesen hatte.

FireFlea
19-07-2023, 20:45
Nimm's mir nicht übel aber Du hast einen 6.Kyu im Shotokan und mal "kurze Zeit" mit einem Stock trainiert - bevor Du irgendeine "Ursprungskata" mit einem "Mönchsspaten" trainieren willst, ist eine andere Art des Trainings vermutlich zunächst zielführender.

Karateman
19-07-2023, 20:45
In diesem Thai box Video wo die glaub ich elemente aus dem älteren Muay Boran demonstrieren, wischt deren Trainer ihren Beinangriff mit einem Unterarmblock weg.. Die gleiche Technik gibt es auch im Karate, ich weiß aber den Namen nicht mehr. Dabei steht man in kokutsu Dachi und wischt mit dem Arm einen geraden Tritt weg.
Vermutlich gibt es eine Parallele zwischen dem Muai Boran und dem Karate. Es wirkt fast so als sei vielleicht das kalaripayat der eventuelle ursprung, entwickelte sich dann über das Muay Boran hin zum Kung Fu und dann zum Karate. Nur soeine Idee.
Aber dort sieht man Techniken die ähnlich sind zum Karate. In anderen Muay Boran videos ZB über deren Stand und Armhaltung erkennt man ähnlichkeiten zum Karae kamae.
https://www.youtube.com/watch?v=Uo0XAfFUB3s

Karateman
19-07-2023, 20:50
Will hier nicht spamen, aber in dem Video sieht man sogar die anfangstechnik aus der Heian Nidan, wo man die Arme erhebt und anschließend schließt etc..
siehe 0,57min. Ist meiner bescheidenen Ansicht nach genau die gleiche Technik wie in der Heian kata nur im Muay Boran.
https://youtu.be/Uo0XAfFUB3s?t=48

Das ist doch faszinierend.
Vielleicht revidiere ich dann meine Waffenäußerung.
bin da glaub ich auf ner heißen Spur gerade. :D

FireFlea
19-07-2023, 21:00
Da hat Patrick McCarthy schon vor 12 Jahren einen Bezug hergestellt und Jesse Enkamp ein paar Jahre später ebenfalls. Wenn Du nach den Stichworten "Karate" "Siam" und den Autoren suchst, findest Du die Artikel.

MGuzzi
19-07-2023, 21:39
Das ist doch faszinierend.
Vielleicht revidiere ich dann meine Waffenäußerung.
bin da glaub ich auf ner heißen Spur gerade. :D

Du meinst, dass man mit zwei Armen und zwei Beinen in verschiedenen Kampfarten doch irgendwie immer auf die gleichen Bewegungen und Kombinationen stößt?
Finde ich völlig normal eigentlich.

Cam67
19-07-2023, 22:12
Du meinst, dass man mit zwei Armen und zwei Beinen in verschiedenen Kampfarten doch irgendwie immer auf die gleichen Bewegungen und Kombinationen stößt?
Finde ich völlig normal eigentlich.

Scheint aber irgendwie nicht normal genug zu sein , so das jemand dann einfach einen Stock nehmen kann und seine waffenlose Mechanik auf den Stock überträgt . Denn wenn er das tut , ist es plötzlich rumfuchteln ^^.

FireFlea
19-07-2023, 22:35
Scheint aber irgendwie nicht normal genug zu sein , so das jemand dann einfach einen Stock nehmen kann und seine waffenlose Mechanik auf den Stock überträgt . Denn wenn er das tut , ist es plötzlich rumfuchteln ^^.

Wenn jemand, der mal ein bisschen Karate gemacht hat "einfach einen Stock" nimmt, stelle ich mir das in etwa so vor:


https://youtu.be/7Yx1flAZOAA

Cam67
19-07-2023, 23:04
Ja ,das ist eine Variante die heraus kommen kann . Xd

Ich seh grad , da steht Budoweltmeister. Muss eine interessante Welt ein .

Katamaus
19-07-2023, 23:21
Dass Karate-Kata - auch - den Körper im Karatekontext schulen, darauf können wir uns einigen?

Auch? Ja, darauf können wir uns easy einigen.


Wo ist da jetzt das Problem mit meiner Aussage?

Du nanntest als Inhalte Pilates, Yoga und Stretching plusAnwendungen. Wenn Du das mit dem Artikel vergleichst, dem Du scheinbar auch zustimmst, fehlt da noch eine ganze Menge.

Katamaus
20-07-2023, 00:52
Du meinst, dass man mit zwei Armen und zwei Beinen in verschiedenen Kampfarten doch irgendwie immer auf die gleichen Bewegungen und Kombinationen stößt?
Finde ich völlig normal eigentlich.

Hell, yeah! :yeaha:


Scheint aber irgendwie nicht normal genug zu sein , so das jemand dann einfach einen Stock nehmen kann und seine waffenlose Mechanik auf den Stock überträgt . Denn wenn er das tut , ist es plötzlich rumfuchteln ^^.

Dafür muss man aber erst einmal eine gut ausgebildete waffenlose Mechanik beherrschen.


Wenn jemand, der mal ein bisschen Karate gemacht hat "einfach einen Stock" nimmt, stelle ich mir das in etwa so vor

Ich dachte, das wäre dann Trigondo?! :confused:

Nick_Nick
20-07-2023, 07:18
Auch?

Auch. Du musst ja in deinem Karate noch nach Anwendungen suchen :D.



Du nanntest als Inhalte Pilates, Yoga und Stretching plusAnwendungen. Wenn Du das mit dem Artikel vergleichst, dem Du scheinbar auch zustimmst, fehlt da noch eine ganze Menge.

Ich schrieb von "Pilates-/Yoga-/Stretchingübungen im Karatekontext", das diente als saloppe Beschreibung. Wie erwähnt sind die Solokata in Koryu ganz sicher nicht auch nur Stretching- und Yogaübungen.

Und warum sollte ich dem Artikel von Andreas Quast nicht zustimmen? Der ist exzellent und beschreibt sehr gut das Problem der Didaktik im Karate.

MGuzzi
20-07-2023, 07:47
.
Ich dachte, das wäre dann Trigondo?! :confused:

Schlimmer geht immmer!

Katamaus
20-07-2023, 08:04
Und warum sollte ich dem Artikel von Andreas Quast nicht zustimmen? Der ist exzellent und beschreibt sehr gut das Problem der Didaktik im Karate.

Dann sind wir uns ja einig. :beer:

Ob es allerdings ein Problem ist, weiß ich nicht. Nachdem ich mich Jahr(zehnt)e lang darüber aufgeregt habe, überlege ich mir mittlerweile, ob das Absicht war. Dann hättest Du mit der flapsigen Bemerkung sogar noch mehr recht: Das Volk wird durchbewegt und dumm gehalten; Kämpfen lernt nur der, der sich wirklich darum bemüht.

Schnubel
20-07-2023, 08:35
Wenn jemand, der mal ein bisschen Karate gemacht hat "einfach einen Stock" nimmt, stelle ich mir das in etwa so vor:


https://youtu.be/7Yx1flAZOAA

Sieht sehr schlimm aus.... wirklich schlimm.

ThomasL
20-07-2023, 09:05
Katamaus: Sinnvoll wofür? Und da geht es eben nicht nur um SV.

SV ist für mich auch zu eng gegriffen. Meiner Meinung nach sollte es bei den Anwendung um das gehen, was ursprünglich vermittelt werden sollte. Im Karate wäre dies meiner Meinung nach schlichtweg effektiv zu „kämpfen“ (der Kontext des Kampfes kann dabei unterschiedlich sein – wir reden aber sicher nicht von Sport), etwas was natürlich das „Kämpfen“ in der SV mit beinhalte (aber darüber hinaus gehen kann).


Katamaus: Aber, wie gesagt, in Funakoshis "Kyohan" werden ja bspw. Anwendungen erläutert. Die kannste jetzt natürlich auch doof finden aber da würde ich dem alten Gichin dann doch etwas mehr Kompetenz zuschreiben als Dir. Nichts für ungut.

Wo habe ich behauptet, dass ich nicht glaube, dass es effektive Anwendungen gab/gibt? Mein Eindruck ist lediglich, dass viele sich auf einen Irrweg begeben weil sie etwas suchen was in ihrer Linie irgendwann schlichtweg verloren gegangen ist.


Katamaus: Glaub' es oder glaub' es nicht, ich habe sie trotzdem weiter geübt und das hat mir in vielen Lebensbereichen etwas gebracht. Auch in kämpferischer Hinsicht. Das glaube ich voll und ganz!


Katamaus: Wenn es die eine alles überragende KK* gibt, warum macht dann überhaupt noch wer was anderes? Alle doof?Die eine alles überragende Kampfkunst gibt es nicht. Jeder hatte andere Zielsetzungen (bei weitem nicht alle Kämpfen), Voraussetzungen, Vorlieben, Möglichkeiten. Ist auch gut so. Aber hier ging es ja darum ob eine wichtige (im Kontext des Lehrgebäudes) Säule noch vorhanden ist und in Folge darauf auch warum dies wichtig wäre. Der häufigste Grund warum Leute nicht wechseln obwohl sie erkannt haben, dass das was sie machen nicht gerade das gelbe vom Ei ist, ist nebenbei schlicht und einfach Bequemlichkeit (bezieht sich NICHT auf dich).


Katamaus: Na und? Ich finde vermutlich hunderttausende Tai Chi-Adepten, die nicht in der Lage sind, einen vernünftigen Hebel anzubringen. Ist das deshalb alles Quatsch?
Wenn man Tai Chi im Sinne einer KK lernt, dann ist es natürlich quatsch. Das Problem ist doch auch hier, dass da einfach wichtiges Wissen verloren gegangen ist. Wenn man Tai Chi aus anderen Gründen (mir allen da viele gute ein) lernt ist es wurscht. Aber um den Bogen zum Thema zu bekommen, wenn ich es aus anderen Gründen lerne warum dann die Mühe machen ein fragwürdiges Bunkai „neu zu erfinden“ oder aus irgendwelchen fragwürdigen Quellen zu übernehmen.


Katamaus:
*Ich habe schon verstanden, dass man nur mit Bagua richtig kämpfen lernen kann. Reizt mich dennoch nicht. Vielleicht gerade deshalb. Das habe ich nie gesagt und ist auch nicht meine Ansicht. Irgendwie sind solche Unterstellung (wie auch oben bzgl. Gichin) sehr lässtig und völlig unnötig. Es ging hier auch nicht um Bagua als „Stil“ sondern ich habe es angeführt weil ich dort diese Lehrmethode und wie gut sie funktioniert zum ersten Mal kennengelernt habe. Es gibt andere "Stile" die ich trainiert habe mit denen man richtig kämpfen lernen kann und die komplett ohne "Formen"/Kata auskommen.




Katamaus: So läuft das bei uns in den Wettkampf-Dojo ebenfalls. Ebenso bei den Kumite-Formen. Das finde ich ebenfalls bescheuert. Entweder füllt man das Ganze mit Sinn und leben oder man lässt es.

Volle Zustimmung!


Katamaus: Schwerpunktarbeit, Beinarbeit, Hüfteinsatz,... Komm' vorbei und frag' mich. Ich behaupte, ich kann das zeigen. Nicht, dass es gut wäre aber wofür es gut ist.Aber genau darum ging es mir doch, es ist eine Bewegungsschulung mit konkreter Anwendung und keine für die man eben keine praktische Anwendung zeigen kann. Eventuell habe ich dich da am Anfang falsch verstannden.

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Katamaus
20-07-2023, 09:14
Das habe ich nie gesagt und ist auch nicht meine Ansicht. Irgendwie sind solche Unterstellung (wie auch oben bzgl. Gichin) sehr lässtig und völlig unnötig. Es ging hier auch nicht um Bagua als „Stil“ sondern ich habe es angeführt weil ich dort diese Lehrmethode und wie gut sie funktioniert zum ersten Mal kennengelernt habe.


Tut mir leid! Ich dachte, Du verstehst die Ironie auch ohne Smiley. Und die kleine Spitze ging auch nicht in Deine Richtung.

Ansonsten sind wir uns ja anscheinend vollkommen einig. :beer:


Es gibt andere "Stile" die ich trainiert habe mit denen man richtig kämpfen lernen kann und die komplett ohne "Formen"/Kata auskommen.

Einig. Wenn es nur ums Kämpfen geht, geht man zum (Kick-)Boxen, MT, Kyokushin*, etc. Allerdings geht es auch da erst einmal nur um das Kämpfen im jeweiligen Regelwerk.

*Wobei ich z.B. im Kyokushi eine Tensho als Struktur- oder Atemübung auch ohne Anwendung recht sinnvoll fände.

MGuzzi
20-07-2023, 09:55
Scheint aber irgendwie nicht normal genug zu sein , so das jemand dann einfach einen Stock nehmen kann und seine waffenlose Mechanik auf den Stock überträgt . Denn wenn er das tut , ist es plötzlich rumfuchteln ^^.


Wenn die waffenlose Mechanik Armgefuchtel ist, kann mit Waffen auch nicht mehr als Gefuchtel rauskommen

Cam67
20-07-2023, 10:23
Wenn die waffenlose Mechanik Armgefuchtel ist, kann mit Waffen auch nicht mehr als Gefuchtel rauskommen

Ist mir auch klar. Was mir nicht klar ist , weshalb sofort nur von Gefuchtel ausgegangen wird und sofort als Beispiel , dann Leute wie im Video oder Trigondo genommen wird ,um es zu bestätigen. Ich meine damit , keiner weiss , wie gut oder schlecht sich der TE bewegt. Das zum einen.
Die kurze Zeitspanne und der Gürtel , spielen da für mich erstmal nicht wirklich eine Rolle , weil auch , es genug leute gibt die auch nach Jahren des Trainings und vielen bunten Gürteln , eine eher Grottige Mechanik aufweisen, wie das Video deutlich zeigt , wo andere nach wenigen Wochen , um Längen körpermechanisch besser , dynamischer , präziser und v.a. verständnistiefer arbeiten. Wo genau der TE liegt , weiss keiner ^^

Dazu kommt , das hier aktuell der Blick auf Ausführung allein aus Karatesicht oder sagen wir besser aus japanischer Budosicht entsteht , aber der Kontext war doch Übertragung , unter andere auch aus anderen Stilen wie z.b. Kalarippayat .
Und wenn man sich mal Videos zu Kalarippayat anschaut , dann sieht vieles dort im vergleich zu karate eher flapsig aus. Anderer Stil , etwas andere Mechanik , dennoch z.t. gleiche Bewegungen , da es die gleichen 2 Arme und 2 beine sind .

Egal wie toll der TE nun mechanisch drauf ist oder nicht , sagt das aber nichts darüber aus , wie stark er fähig ist Bewegungen , Abläufe , Techniken zu übertragen , von Stil zu Stil , von Waffenlos zu Waffe , ob erstmal im Kopf oder tatsächlich auch physisch.

Darauf wollte ich hinaus . Jetzt ist der Text sicherlich wieder zu lang geworden , aber mit der Kurzform scheint es auch nicht zu funktionieren . ^^

MGuzzi
20-07-2023, 10:43
Anderer Stil , etwas andere Mechanik , dennoch z.t. gleiche Bewegungen , da es die gleichen 2 Arme und 2 beine sind .


Das ist es was ich meine. Wenn etwas ähnlich oder gleich aussieht, muss es noch lange nicht das Gleiche sein, oder voneinander abstammen, die Mechanik und die verwendeten Prinzipien können ja total unterschiedlich sein.
Wenn jemand einen Stock hochhebt und damit schlägt, weil man das halt so machen kann, kann er das überall auf der welt unabhängig von jedem anderen, der das auch ausprobiert hat und genauso macht, gelernt haben.
Genau wie die Abwehr- und Angriffsbewegungen die überall gleich sind.

Cam67
20-07-2023, 10:58
Das ist es was ich meine. Wenn etwas ähnlich oder gleich aussieht, muss es noch lange nicht das Gleiche sein, oder voneinander abstammen, die Mechanik und die verwendeten Prinzipien können ja total unterschiedlich sein.
Wenn jemand einen Stock hochhebt und damit schlägt, weil man das halt so machen kann, kann er das überall auf der welt unabhängig von jedem anderen, der das auch ausprobiert hat und genauso macht, gelernt haben.
Genau wie die Abwehr- und Angriffsbewegungen die überall gleich sind.

Da stimme ich dir zu. Den Unterschied selber , wird man aber nur durch den direkten Vergleich , durch das Beschäftigen mit den Unterschieden und Gemeinsamkeiten , herausfinden können. Ich finds halt gut , wenn jemand gleich zu Beginn schon die Fähigkeit hat über den Tellerrand zu blicken .
Und ja , das kann sehr nach hinten losgehen und zu totalem Mischmasch führen , was in Breite ohne starke Basis aber nicht in Tiefe endet . Kann ^^. Kann aber eben auch jemanden helfen , das eigene Zeug von Beginn an besser zu verstehen. Welches Ergebnis dann rauskommt ist dann halt wieder sehr individuell. Mich wundert halt nur , wenn immer erstmal die ungünstigere Variante als Möglichkeit ins Auge gefasst wird. (klar , Talente sind rar gesäht )

Son bissel , wie ein User hier im Forum bei Verletzungen sofort den negativern Verlauf für die weitere Kampfsportkarriere im Auge hat , und wirklich nie auch die Chance für positive Veränderungen dabei sehen kann. So als Beispiel ^^

Katamaus
20-07-2023, 10:59
sofort als Beispiel , dann Leute wie im Video oder Trigondo genommen wird ,um es zu bestätigen. Ich meine damit , keiner weiss , wie gut oder schlecht sich der TE bewegt.

Trigondo bezog sich auf eine dem Video verwandte Qualität und nicht auf den TE! Den kenne ich ja nicht.

Und ja, man kann auch parallel was mit Waffen machen, auch als Anfänger. Vermutlich ist es günstiger, wenn dann was macht, was aus einer ähnlichen Ecke kommt. Also z.B. Karate mit Kobudo. Aber da gibt es dann natürlich nicht großartig Körpermechanik zum Verwenden, sondern die würde dann parallel entwickelt. Was ich persönlich sogar hilfreich fände.

MGuzzi
20-07-2023, 11:21
Schau mal hier in die "Okinawan Theory":

https://ryukyu-bugei.com/?p=5391

Der Text ist mir zu oberflächlich, andererseits sprachlich zu aufgebläht. Einige der Aussagen stimme ich nicht zu. Die Kata im Judo sind keine im Kampf ausführbaren Techniken (von denen man sie unterscheiden muss), denn sie sind genauso artifiziell wie viele Koryu Kata, und transportieren eher Prinzipien als Anwendungen.
Zudem sind die Kata der japanischen Schulen nicht einfach Formen, die genau beschrieben und dann nachgeturnt werden können, die Geheimnisse der Anwendung werden mündlich übertragen. Mit der Kata alleine, oder deren Beschreibung lässt sich zum Teil wenig anfangen, da die Unterweisungen fehlen.
Soviel zu japanischen Kata.
Was Karate angeht, so ist das auch nicht so eindeutig, es gab Kampfstarke Karateka wie Motobu, die wenig Wert auf das Erlernen von Kata gelegt haben.
Karate Kata bieten Möglichkeiten der Bewegung an, transpoertieren Mechanik und Struktur, lehren die Stabilität bei Richtungsänderungen, etc., sind aber eben Abstrakt genug um alles zu finden was man zum Kämpfen braucht, man muss das natürlich am Partner üben. Das ist tatsächlich das Hauptproblem,, dass zu wenig am Partner anwendungsbezogen geübt wird.
Im Aikido wird dagegen fast nur am Partner geübt, aber auch hier wird die "Kata" als Technik missverstanden, was dazu führt dass sie für viele nicht nicht anwendbar sind. Es ist im Prinzip ähnlich, an jeder Stelle der Bewegung bieten sich Anwendungsmöglichkeiten an, ich sage dazu "Points of Action".
Im Karate in den Kata feste Bunkai Abläufe zu suchen halte ich für Unsinnig. Man könnte statt dessen mal versuchen was passiert wenn jemand eine Kata "läuft" und gleichzeitig hat man ein oder zwei Traininspartner die sich irgendwie dranhängen, dann kann man sehen wie es denen dabei geht, wo man wie agieren kann, und wie man das Ganze abwandeln muss damit nicht diese krampfige Bunkai-Versuche rauskommen die man immer sieht, man aber auch nicht in den Kata steckenbleibt, und nichts anderes übt als nur Kata, Kata, Kata.

Cam67
20-07-2023, 11:38
Und ja, man kann auch parallel was mit Waffen machen, auch als Anfänger. Vermutlich ist es günstiger, wenn dann was macht, was aus einer ähnlichen Ecke kommt. Also z.B. Karate mit Kobudo. Aber da gibt es dann natürlich nicht großartig Körpermechanik zum Verwenden, sondern die würde dann parallel entwickelt. Was ich persönlich sogar hilfreich fände.

Yep, wenn man mit Blick auf die tatsächlich kultivierte Mechanik betrachtet . Nennen wir es mal den "Hausstil" . Seh ich auch so.

Mit Blick auf Verständnis , finde ich das "Rumschnarchen " bei anderen Stilen sinnvoll , SOLANGE man sich ANFANGS dafür entscheidet , erstmal eine Sache gezielter sich anzueignen, also in einem System "trainingstechnisch " zu bleiben . Anfangs ....
Wenn man aber z.b. die Vitas vieler User auch hier ansieht , dann ist deutlich zu sehen , das eine Menge Leute sich in mehreren Bereichen , mal intensiver , mal weniger intensiv , mal länger , mal weniger länger , umgeschaut hat. Was ich eben auch für sinnvoll halte . Experimentierphase , Orientierungsphase ... oder später tatsächlich Entdeckungsphase , Ausbauphase

Deshalb , würde ich zu diesem Thema bei Nachfrage immer den "ÜberdenTellerRandguckBlick" unterstützen , aber mit Vorschlag , sich einem System zu unterstellen , was das physische Training und die Mechanik , angeht.

ThomasL
20-07-2023, 13:01
@Katamaus: Sorry, schlecht gepennt - gestern zu lange verausgabt - da bin ich noch unerträglicher als sonst.

Katamaus
20-07-2023, 13:33
@Katamaus: Sorry, schlecht gepennt

Ois isi, wie der Bayer sagt. :D

Katamaus
20-07-2023, 13:48
Was Karate angeht, so ist das auch nicht so eindeutig, es gab Kampfstarke Karateka wie Motobu, die wenig Wert auf das Erlernen von Kata gelegt haben.

Weswegen sein Buch "Watashi no Karate-jutsu" 70 Seiten zu Kata unbd 40 Seiten zu Kumite enthält (in der Übersetzung von A. Quast)?

Soweit mir bekannt, war er der Meinung, man brauche nicht viele Kata zu erlernen (weshalb im Motobu Ryu überweigend Naihanchi geübt wird) und es werde zu wenig Kumite geübt. Das ist aber was anderes als "wenig Wert auf das Erlernen von Kata legen".

FireFlea
20-07-2023, 16:41
Ist mir auch klar. Was mir nicht klar ist , weshalb sofort nur von Gefuchtel ausgegangen wird und sofort als Beispiel , dann Leute wie im Video oder Trigondo genommen wird ,um es zu bestätigen. Ich meine damit , keiner weiss , wie gut oder schlecht sich der TE bewegt. Das zum einen.
Die kurze Zeitspanne und der Gürtel , spielen da für mich erstmal nicht wirklich eine Rolle , weil auch , es genug leute gibt die auch nach Jahren des Trainings und vielen bunten Gürteln , eine eher Grottige Mechanik aufweisen, wie das Video deutlich zeigt , wo andere nach wenigen Wochen , um Längen körpermechanisch besser , dynamischer , präziser und v.a. verständnistiefer arbeiten. Wo genau der TE liegt , weiss keiner ^^
...

Kurz vorab - ich halte es in jedem Fall für vernünftig mit Waffen zu trainieren und Synergien zu finden.

Ich halte es aber für wenig vernünftig, dies ohne Anleitung zu tun. Ja, keiner weiß, was der TE kann - nach eigener Aussage ist er ja 6. Kyu mit längerer Pause. Dazu kommt die Art der Nachfrage ala "soll ich jetzt dies oder das trainieren, ich habe gelesen, dass Mönche... usw.". Ich vermute daher stark, die Erfahrungswerte sind begrenzt und die Wahrscheinlichkeit für Gefuchtel hoch ;)

ZEN2021
20-07-2023, 16:56
Hahaaaaaaaaaaaaa! Den kenne ich sogar persönlich - ist aber schon weit über 20 Jahre her. Probetraining in Bad Münster am Stein! Ein Prachtstück vor dem Herrn! *lach

[Detlef Korn und seine Waffkunst...]

ZEN2021
20-07-2023, 17:27
Dieses links rechts schlagen ZB wie in der Heian Yondan kann man gut als Stocktechnik nehmen wo man mit den jeweiligen Stockenden abwehrt oder pariert etc. Auch am Anfang der Heian Yonda die Bewegung mit beiden Armen hochreißen ist ne Prima Abwehr mit einem langen Stock.

Ja die Pinan Kata ist eine relative neuentwicklung gewesen. Aber soweit ich mich informiert habe hat Anko Itoso (glaub war der Schöpfer) die Pinan Reihe aus einer älteren Kata erschaffen oder zusammengewürfelt. Es wäre dann vielleicht interessant die ursprungskata mal genauer unter die Lupe zu nehmen und diese mit entsprechender Bewaffnung zu laufen.

Ich tippe einmal auf die Kanku-Dai - aber gerade bei den Heians und deren Herkunft scheiden sich wahrlich die Geister. Was die Implementierung von Waffen in eine Kata angeht: Hierzu kann ich nur dafür werben einmal (so möglich) bei den FMA reinzuschnuppern. Dort wird man sehr schnell der eigenen Täuschung enthoben, was z.B. die oben genannten Abwehr-Technik-Interpretationen angeht., gleichwohl diese auf einer ich sage mal akademischen Ebene absolut interessant sind. Lass dich da nicht demoralisieren oder dir die Freude nehmen. Bei mir selektiert letztlich die Anwendung - aber das ist eine persönliche Sache, wo man seine Schwerpunkte legt.

Nick_Nick
20-07-2023, 22:07
Ob es allerdings ein Problem ist, weiß ich nicht. Nachdem ich mich Jahr(zehnt)e lang darüber aufgeregt habe, überlege ich mir mittlerweile, ob das Absicht war. Dann hättest Du mit der flapsigen Bemerkung sogar noch mehr recht: Das Volk wird durchbewegt und dumm gehalten; Kämpfen lernt nur der, der sich wirklich darum bemüht.

Interessante Idee :halbyeaha. Was hat letztlich eine Gesellschaft davon, wenn die Jugend effizient kämpfen oder gar töten kann, ohne dass es in den Rahmen des Militärs gebunden ist.

Die Hauptmotivation des Gründers des Wado Ryu bspw. war das Übertragen aus seiner Sicht zentraler Aspekte von ihm ausgeübter Koryu Jujutsu-Schulen. Allerdings wurden bspw. Techniken mit Potenzial für schwere Veletzungen nicht übernommen. Das ging so weit, dass in Messerabwehr-Kata der Angreifer das Messer falsch herum hält, so dass natürlich die Abwehren auch nicht realistisch sind.

Also gut möglich, dass in anderen Stilrichtungen die Gründer ähnlich gedacht haben.

Das Problem bzgl. Kämpfen ist dann nur, dass man sich bemühen kann wie man will, wenn man nicht in die authentischen Systeme zurückgeht, wird man wohl keine befriedigenden Antworten finden.

Katamaus
21-07-2023, 00:14
Interessante Idee :halbyeaha. Was hat letztlich eine Gesellschaft davon, wenn die Jugend effizient kämpfen oder gar töten kann, ohne dass es in den Rahmen des Militärs gebunden ist.

Naja, wenn es Krieg gibt, landen sie früher oder später eh alle beim Militär.


Das Problem bzgl. Kämpfen ist dann nur, dass man sich bemühen kann wie man will, wenn man nicht in die authentischen Systeme zurückgeht, wird man wohl keine befriedigenden Antworten finden.

Ich glaube, da kann man auch mit entsprechender Eigenleistung Einiges erreichen. Wenn man z.B. weiß - und dafür muss man nur Funakoshi lesen -, dass das zentrale Thema des Beginns der Bassai Dai Annahme + Übernahme ist, was anderswo wohl Brücke genannt wird, dann kann man damit schon Einiges anfangen. Ich gebe Dir allerdings recht, dass das in einer authentischen Linie alles etwas einfacher ist.

CeKaVau
21-07-2023, 16:02
Hallo,


Nun ja, Maegeris kommen auch als Angriffe in der Realität vor.

Na, ich weiß nicht.

Bei meinen SV-Kursen (sowohl Teilnehmer als auch Referent) gab es da nie einen Fall, der in der Recherche aufgetaucht wäre. Ich stütze mich dabei auf einen Einsatzausbilder bei der sächsischen Polizei und auf unzählige Filmchen, die man im Internet bewundern kannä
Es gibt einen Kanal, bei dem jemand hunderte von Videos (hauptsächlich CCT und cell) analysiert und das Verhalten von Verteidiger und Angreifer bewertet. Das reicht von Einzelstreitereien, über Gruppenüberfälle bis hin zu Schusswaffen- (ist ein amerikanischer Kanal) und Messerangriffen. An einen Frontkick irgendeiner Art kann ich mich nicht erinnern. Allerdings habe ich auch nicht alle durchgeschaut - ich bin auch nur ein zart besaiteter Mitteleuropäer.
Die absolut überwiegende Mehrheit von Angriffen kamen aus der Nahdistanz (50-30cm), auch weil viele Opfer potentielle Täter viel zu nah herangelassen haben oder sich einer potentiellen Bedrohung überhaupt nicht bewusst waren. Jeff Cooper würde im Grab rotieren. Die Mehrzahl der Angriffe ist unsauber, schnell und mit Dauerfeuer.

Nur der Form halber: Ein auf zu lange Distanz ausgeführter Oi-Zuki-Chudan, sauber 3cm vor dem Bauch eingerastet und dort 5 Sekunden gehalten, damit jemand seine 3 Konter setzen kann, kam auch nicht vor. :)

Im Gegenzug kann mal ja mal nach "Karate" und "Self Defense" bei youtube recherchieren. Da findet man so Sachen wie


https://www.youtube.com/watch?v=FOp_OfSv40s

oder


https://www.youtube.com/watch?v=A2xuoK8hKc0

und


https://www.youtube.com/watch?v=4AQyPMP28aY

Ich denke, es sind deutliche Unterschiede zu erkennen. (Im Kurs zeige ich Videos von beiden Seiten, um den anwesenden Karateka etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die anwesenden Laien müssen im Übrigen nicht erst auf Linie gebracht werden.)


Du hattest hier ja auch verschiedentlich Videos von Dir gepostet. Das, was ich da gesehen habe, ist für mich irgendein Karate-Kickbox-Hybrid, den Du gerne Karate nennen kannst. Für mich ist es das nicht.

**Seufz** - dann spiele ich wohl Dark Souls falsch.

Seitdem ich keine Fernseher mehr habe (also, ich habe schon noch einen Fernseher, da hängt aber bloß noch die Playstation dran), bin ich recht häufig auf Twitch unterwegs. Verfolgt man Gaming Kanäle, fällt einem immer eine bestimmte Sorte Zuschauer auf: der Gatekeeper. Der Gatekeeper weiß genau, wie ein Spiel zu spielen ist.

"So spielt man Dark Souls nicht!!. Der Tower Knight muss gelegt werden, indem man immer wieder durch die Beine rollt und mit dem Schwert von hinten in die Fersen schlägt!!!!" Der Streamer hatte den Affront begangen, besagten Endboss aus der Distanz mit Soul Arrows zu beschießen. Oh mein Gott, wie kann man nur. So spielt man Dark Souls nicht!!!
Interessanterweise spielt es überhaupt keine Rolle, dass sowohl der Streamer als auch die (sonstigen) Zuschauer Spaß an der Sache haben. Oder dass es funktioniert hat. Oder dass das Spiel dies zulässt. Nein: So spielt man Dark Souls nicht. (Bei näherem Nachdenken: Könnte auch Demon's Souls gewesen sein.)

Gatekeeper legen fest, wie eine bestimmte Sache zu sein hat - und alle, die etwas (und sei es nur eine Kleinigkeit) anders machen, machen es logischerweise falsch. Und das muss auch klar und wiederholt verkündet werden. Bei reddit gibt es ein ganzes Subreddit dazu.

Immer wieder schön:

47947

oder

47948

Respekt: Für die ganze Welt festzulegen, was Karate ist, und wer es macht und wer nicht, ist, ..., nunja - es zeugt zumindest von Selbstbewusstsein.

Kickboxen, nach meinem Verständnis, ist ein Lang- und Mittelstrecken Wettkampfsystem. Das ist exakt dass, was ich weder praktiziere noch anstrebe. Ganz im Gegenteil: Ich versuche, Kata-Anwendungen auf Nahdistanz zu bringen.

Hier mal ein Beispiel, nicht perfekt, aber ein anderes habe ich gerade nicht. In der Heian-Shodan erfolgen drei Age-Uke hintereinander. Warum drei? Wenn man beide Seiten üben möchte, würden doch zwei reichen?

Wenn man von Zahlenmystik absieht, hat die Wiederholungsanzahl "drei" den Vorteil, dass der Übergang zwischen beiden Seiten geübt wird. Will sagen: es wird der Übergang von Age-Uke links auf Age-Uke rechts geübt, genau wieder der Übergang von Age-Uke rechts auf Age-Uke links.
Um speziell diesen Part zu üben (und ein klein wenig, weil wir auch demnächst Tekki-Shodan machen), haben wir vor ein paar Wochen folgende Kihon-Combo geübt:

Vorgleiten Age-Uke => Schritt vor Age-Uke => Mae-Ashi Ashi-Barai => Gyaku-Ura-Zuki

Die Partnerübung dazu sah so aus:

Mist - an dieser Stelle sollte ein Filmchen hin. Ich konnte es aber nicht hochladen. Mal als Einzelbilder:

47941 47942 47943 47944 47945 47946

Sieht das wirklich irgendwie wie Kickboxen aus?

Ein paar Bemerkungen:

1.) Die Angriffsdistanz ist viiieeel zu groß; der Angriff ist völlig unrealistisch. Das ist hier so, weil ich Standbilder für meine Datenbank aus dem Film ziehen wollte.
2.) Beim ersten Age-Uke müsste meine Gyaku-Hand Mefutode machen. Statt dessen baumelt sie sinnlos als passive Deckungshaltung vor dem Körper. Das wäre real irgendwas zwischen dumm und selbstmörderisch. Ist mir zu dem Zeitpunkt nicht aufgefallen - und seither war ich zu faul/hatte keine Zeit eine neue Aufnahme zu machen.

Was wohl der Tower Knight dazu sagen würde?


Wenn Du sie einfach so anpasst, wie Du lustig bist, sind es eben nicht mehr diese Kata.

Ich passe Kata nicht an. Wir kommst Du auf die Idee?

Und selbst wenn, was wäre so schlimm daran? Kata unterlagen (und unterliegen) ständig Veränderungen. (Siehe das 70er-Jahre Video vom letzten Post.)

Halt Stop - beim nochmaligen Durchlesen, ist mir hier eine Falschaussage aufgefallen: In der Tat modifiziere ich Kata hier und da leicht, das liegt an der Struktur unseres Trainings.
Ich habe einige Personen, die auf Grund von körperlichen Schäden nicht mehr alles mitmachen können. (Die guten alten Knie/Rücken/das Leben ganz allgemein.) Hier wird zum Beispiel das Abknien am Anfang der Empi oder der Wurf aus der Kanku-Dai (bei dem man ebenfalls tief runter geht) durch anderes ersetzt, was die gleiche Motorik hat. Auch mache ich selbst Sankaku-tobi-geri nur noch an guten Tagen.


Macht aber nix, denn Du kannst Dir natürlich gerne eigene kreieren.

Danke, kein Bedarf.


Auch wenn Du keine Werbung für Kindertraining machst, wäre es natürlich interessant zu wissen, warum Du die beschriebenen Werte ins Lächerliche ziehst.

Ich habe die beschrieben Werte (eigentlich war es nur einer) nichts ins Lächerliche gezogen - ich habe mich die SV-Werbeaussage mokiert.


Respektvolles Verhalten zu erlernen ist also falsch?

Kinder und Jugendliche finden bei uns im Verein eine sichere und geschützte Umgebung, in der sie in einer freundlichen Gruppe trainieren können. Für Erziehung ist das Elternhaus zuständig; wir sind ein Sportverein.


Was sollen die Kinder bei Dir lernen?

Karate.

Grüße
Sven

FireFlea
21-07-2023, 16:25
**Seufz** - dann spiele ich wohl Dark Souls falsch.


Git Gud :teufling:

Ripley
21-07-2023, 16:52
Respekt: Für die ganze Welt festzulegen, was Karate ist, und wer es macht und wer nicht, ist, ..., nunja - es zeugt zumindest von Selbstbewusstsein.


Genau DAS scheint mir aber ein weit verbreitetes Hobby speziell von Karatekas jeglicher Couleur zu sein: Der Welt zu verkünden, dass nur das eigene Karate das Echte, Wahre, Authentische ... (beliebig zu ergänzen) ist und alles andere eben nur Mist. Zumindest kein Karate. Oder wenigstens kein gutes.

Und zumindest mich stößt diese Hybris massiv ab. Ich bin jetzt sicher nicht so weit in der Karatewelt herumgekommen wie manch anderer hier, aber wo ich war, habe ich interessiert geguckt, was es da für mich mitzunehmen und abzuholen gibt. Gibt tatsächlich fast immer und fast überall was. Die Varianz ist größer als man meinen will und das keineswegs nur zwischen Stilen oder Verbänden.
Außer wenn mir einer schon beim Betreten des Dojo einen vom Pferd erzählen will, wie "Karate" geht und nur so und auf keinen Fall anders ...
Danke! Tschüss!

Das war mir ein Bedürfnis anzumerken. Jetzt dürft ihr euch inhaltlich weiter kloppen!

Katamaus
21-07-2023, 16:53
Na, ich weiß nicht.

Du weißt ja, wer im DKV die SV-Ausbildung macht. Dessen Aussage war, dass er von seinen Auszubildenden mitbekommt, dass wieder vermehrt Fußtritte als Angriffe eingesetzt würden. U.a. Mae- und Mawashi-Geri. Ich habe keinen Grund das anzuzweifeln. Kannst das ja mit ihm diskutieren, wenn er bei Euch in der Nähe ist.


Gatekeeper

Du bist ja wirklich lustig. Du warst derjenige, der festlegen wollte, was sinnvolles Bunkai ist und was nicht. Ich habe nur erläutert, warum und wie das von Dir angeführte Bunkai im Karate-Training sinnvoll eingesetzt werden kann. Ich habe noch nicht einmal gesagt, dass man das so müsse.

Des weiteren habe ich darauf hingewiesen, dasss die Kata möglichst nah an Ihrer überlieferten Form geübt werden sollte, worauf Dir ncihts Besseres einfiel als:

1.) Ich kann Kata genau so üben, wie ich es möchte. Es ist trotzdem Kata. Du kannst hier gern gatekeeping (yeah, noch mehr denglisch) betreiben, hilft aber nicht wirklich.
2.) Das Kata unveränderlich sind, ist ein Mythos. Das Wort "überliefert" ist, zumindest für Shotokan-kata, viel zu hoch gegriffen.

Das hat nichts mit Gatekeeping zu tun, sondern in der Tradition des Karate kannst Du sie eben nicht einfach so üben wie Du magst (damit meine ich natürlich nicht alternative Übungsfomen wie wir es neulich in einem anderen Faden hatten) bzw. dann ist es eben kein Karate mehr. Deswegen ist auch im traditionellen Karatedo eine Schüler-Lehrer-Beziehung erforderlich. Ich denke nicht, dass irgendwer hier so fortgeschritten ist, dass er sich anmaßen könnte, Kata abzuändern (von kleineren Details mal abgesehen). Wenn die Kata einen Gedan Barai zeigt, dann ist eben auch ein solcher auszuführen und nicht etwa ein nach unten gehende Reißbewegung. Mein Argument war dementsprechend, dass ich es für didaktisch schwierig erachte, wenn man fortgeschrittenes Bunkai mit Schülern macht, die die Grundbewegung der Kata noch nicht verinnerlicht haben.



Respekt: Für die ganze Welt festzulegen, was Karate ist, und wer es macht und wer nicht, ist, ..., nunja - es zeugt zumindest von Selbstbewusstsein.

Ich lege hier gar nichts fest. Zum einen sollte auch für den Fall, dass ich mir nicht die Mühe gemacht habe, "für mich" zu schreiben, klar sein, dass es meine Einschätzung ist. Zum anderen gibt es Fakten, z.B. das, was in A. Quast Artikel steht, das dürfte zumindest unter Experten, die sich mit Geschichte von Karate und KK befassen, weitestgehend Konsens sein. Und wenn man meint Karate zu betreiben, dann sollte man sich auch an derlei Dinge halten. Man kann sonst auch einfach Wutzliputzli nennen und machen, was man will.


Sieht das wirklich irgendwie wie Kickboxen aus?

Nö. Den kannte ich noch nicht von Dir. Die Anwendung finde ich durchaus ok.


Ein paar Bemerkungen:


Geschenkt. Es geht hier nicht um Perfektion! Das sind wir alle nicht.


Ich passe Kata nicht an. Wir kommst Du auf die Idee?
Und selbst wenn, was wäre so schlimm daran? Kata unterlagen (und unterliegen) ständig Veränderungen. (Siehe das 70er-Jahre Video vom letzten Post.)

S.o.


Halt Stop - beim nochmaligen Durchlesen, ist mir hier eine Falschaussage aufgefallen: In der Tat modifiziere ich Kata hier und da leicht, das liegt an der Struktur unseres Trainings.

Dass ich das nicht meinte, sollte klar sein. Warum also kommst Du mir damit?


Ich habe die beschrieben Werte (eigentlich war es nur einer) nichts ins Lächerliche gezogen - ich habe mich die SV-Werbeaussage mokiert.



Kinder und Jugendliche finden bei uns im Verein eine sichere und geschützte Umgebung, in der sie in einer freundlichen Gruppe trainieren können. Für Erziehung ist das Elternhaus zuständig; wir sind ein Sportverein.


Als Trainer nicht Teil der Erziehung sein zu wollen, ist naiv. Natürlcih nimmst Du in dem Moment daran teil. Insbesondere im Karate gehört das Erlernen von Etikette dazu und ist sogar sehr wichtig. Ich denke, ich muss nicht ausführen, warum. Damit lernen sie automatisch auch Respekt vor ihrem Gegenüber und wenn sie aufmerksamer werden, lernen, mehr im Hier und Jetzt zu sein oder selbstbewusster werden, ist auch in der SV schon mal ein Riesenschritt getan.

Daher ist für mich (sic!) diese Bemerkung:

"Bringt eure 8-jährigen Kinder zu uns in den Karateverein. Hier lernen sie Respekt und Selbstverteidigung." **Seufz**
respektlos gegenüber all' den Vereinen da draußen, die genau das den Kindern beibringen wollen.

Im übrigen findet in jedem Sportverein immer auch zwangsläufig eine Erziehung statt und es ist Aufgabe und Pflicht der ÜL, sich darüber bewusst zu werden und sich zu überlegen, wie und wohin sie lenken wollen.

Billy die Kampfkugel
21-07-2023, 16:57
Also für Wado würde ich sagen, dass pro Gürtel ein, zwei Partnerübungen mit gelehrt werden, die nahe an der Kata dran sind. Auf Lehrgängen kommen ein paar Anwendungen hinzu, wobei ich bei diesen Anwendungen meist mehr Fantasie brauche und mich frage ist es das wirklich? Letztlich ist es dann eine nette Übung.
"Original" gut zur Zeit gibt es etliche Erklärungen die auf Schwertkampf zurückgeführt werden. Lasse ich als ehemaliger Fechter so stehen, ich habe einen anderen Zugang zu dem Thema.

Katamaus
21-07-2023, 17:04
Genau DAS scheint mir aber ein weit verbreitetes Hobby speziell von Karatekas jeglicher Couleur zu sein: Der Welt zu verkünden, dass nur das eigene Karate das Echte, Wahre, Authentische ... (beliebig zu ergänzen) ist und alles andere eben nur Mist. Zumindest kein Karate. Oder wenigstens kein gutes.


Man sollte hier schon etwas genauer trennen. Zum einen ist es eben eine traditionelle KK/KS (whatever). Zum anderen ging es zunächst auch um Spezifika von Shotokan gegenüber anderen Ryuha und speziell um die Bunkai in diesem System. Da muss man dann schon sehr genau gucken, was das im Einzelfall bedeutet und wo man sich noch im System befindet und wo nicht.

Außerdem, wenn sagen wir mal Naka Sensei als technischer Direktor der JKA sagte, dieses und jenes sei Shotokan und dieses und jenes nicht und auch seine engeren Schüler das so propagieren, ist das doch vollkommen in Ordnung - auch wenn man sicherlich immer noch diskutieren könnte. Wenn hingegen irgendwelche Deppen fehlende Kompetenz durch übermäßige Überzeugung wettzumachen versuchen, eben nicht.

Ripley
21-07-2023, 17:11
Das (Shotokan oder nicht Shotokan) sagt Naka Sensei aber m.W. nicht.
Er spricht höchstens von Budo-Karate und eben Nicht-Budo-Karate. Und begründet seine Präferenz für die Budo-Variante(n) inhaltlich - mit Anwendbarkeit, nicht mit "ich weiß das, weil ich so ein toller Hecht bin". (Ist er m E. übrigens, er hat's nur nicht so nötig, das raushängen zu lassen.)

Katamaus
21-07-2023, 17:23
@Ripley: Das meinte ich aber nicht. Machen wir es doch konkret persönlich. Wenn Du die erste Bahn in der Hangetsu im Shiko Dachi machen würdest die Uke mit offener Hand, dann würde ich mir das Recht herausnehmen, Dir zu sagen, dass Du das gerne tun kannst, es aber kein Shotokan mehr ist. Und wenn es das dann doch in irgendeiner hawaianischen Seitenlinie des Shotokai gäbe, dann müsstest Du es zunächst belegen, um mich zu überzeugen, dass sei Shotokan. Und ganz vielleicht würde ich mir dann immer noch rausnehmen, zu behaupten, das sei es nicht.

Oder: mein Lehrer ist der Ansicht, die Gleichzeitigkeit von Hand und Fuß sei ein zentrales Element im Shotokan. Wenn Du dann (gesundheitliche Gründe mal außen vor) erst den Fuß absetzt und dann schlägst, würde ich Dir entgegenhalten, das sei kein richtiges Shotokan.

Ripley
21-07-2023, 17:53
Oder: mein Lehrer ist der Ansicht, die Gleichzeitigkeit von Hand und Fuß sei ein zentrales Element im Shotokan. Wenn Du dann (gesundheitliche Gründe mal außen vor) erst den Fuß absetzt und dann schlägst, würde ich Dir entgegenhalten, das sei kein richtiges Shotokan.
Jo. Detlev Krüger übt so ein Zeugs (und umgekehrt) auf seinen Lehrgängen. Macht ihn schwerer berechenbar und offenbar ganz gut.
Aber - ist dann kein Shotokan. Na denn!

Rudi
21-07-2023, 18:20
Und begründet seine Präferenz für die Budo-Variante(n) inhaltlich - mit Abwendbarkeit

Anwendbarkeit?

Ripley
21-07-2023, 18:37
Anwendbarkeit?Ja. ANwendbarkeit.
Sorry, Tipper. Wurstfinger. Ich korrigiere oben. Danke für den Hinweis!
(Habe auch mehrfach schon "Shitokan" geschrieben...)

amasbaal
21-07-2023, 18:51
"Shitokan"

:rotfltota :sport014::sport006:

Rudi
21-07-2023, 18:53
Ja. ANwendbarkeit.
Sorry, Tipper. Wurstfinger. Ich korrigiere oben. Danke für den Hinweis!
(Habe auch mehrfach schon "Shitokan" geschrieben...)

Schon wieder jemand der einen neuen Stil erfinden will. :D

Katamaus
21-07-2023, 20:35
Aber - ist dann kein Shotokan. Na denn!

Ja, Efti auch. Aber Übung ist doch nicht Norm!?!?! Du kannst auch üben, Tsuki im Handstand zu schlagen. Das ist mir doch vollkommen wurscht. Würdest Du mir jedoch sagen, das müsse so sein, dann wäre es eben kein Shotokan mehr. Oder es gibt Taktiken im Kampf, wo ich den Fuß extra reinschiebe. Oder Franz Bork, der hat auch immer so komische Bewegungsübungen gemacht aber dennoch Shotokan. Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.

Das ist doch ganz normal und überall so. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Du mich heute einfach nicht verstehen willst… Ich meine, im Shorin Ryu Seibukan drehen sie den Fuß auf dem Ballen. Wenn Du ihn dann ohne Not auf der Ferse drehst, ist es eben kein korrektes Seibukan. Im TCC habe ich gelernt, dass wenn man die Hand nicht so und so hält, dann macht man etwas Falsches, weil man das in jenem Stil so macht aber in diesem nicht. Usw. usf.

Das spezielle Problem im Shotokan ist, dass es keine allgemein anerkannte Autorität gibt, die man fragen kann und zu viele Leute behaupten, etwas zu wissen. Da halte ich mich halt an meinen Lehrer und gut ist‘s.

Fachkraft
21-07-2023, 23:07
Budo-Variante(n) - Anwendbarkeit

Über die Definition muß ich mal nachdenken.

Gibukai
22-07-2023, 09:13
Hallo,

in der Hoffnung, dass es zumindest für einige Mitleser von Interesse sein könnte, möchte einfach mal ein paar der in diesem Thema getroffenen Aussagen aufgreifen und richtigstellen.

(1) Kata wurden um 1900 herum in Okinawa ebenso wie in den 1920er bis 1940er Jahren in Japan – auch von jemandem wie G. Funakoshi (1868–1957) oder C. Motobu (1970–1944) – als „Grundlage“ ihres jeweiligen Karate erachtet, beschrieben und vermittelt. Kata bildeten also die Grundlage eines Karate-Lehrgebäudes. In so einem Lehrgebäude waren die Kata als Basisübung mit allen anderen Übungen sowie der Lehre (Theorie) verknüpft. Andersherum werden Kata seit etwa vierzig, vielleicht fünfzig Jahren in Deutschland und andernorts als isolierte Angelegenheiten missverstanden, deren Zweck im Karate nur noch vage oder gar nicht mehr bekannt ist, weswegen sie durch Un- oder Halbwissende eine Freigabe zum Interpretieren (Bunkaiisieren, Versporten) erhalten haben.

Mit anderen Worten lautet das Motto in der deutschen Karate-Welt gemeinhin: „Karate ist das, was Du daraus machst.“ Aus historischer Sicht ist dieses Motto jedoch falsch. Karate hatte das „Pech“, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg massive weltweite Verbreitung zu erfahren, und zwar in einer Welt, die vom westlichen Sport und Konsumdenken geprägt war, während zugleich viele der Verbreitenden selbst häufig nur über maue Karate-Kenntnisse verfügten.

Dieser Ist-Zustand – Kata seien frei zu interpretierende Dinger – macht es fast unmöglich, interessierten Karate-Trainierenden herkömmliches Karate und die Rolle seiner Kata entgegen der fest eingebrannten Vorurteile theoretisch und/oder praktisch zu vermitteln. Manchmal habe ich da kleinere Lichtblicke, doch diese waren und sind selten …

(2) G. Funakoshi erklärt in seinen Lehrbüchern bei seinen Ausführungen zu den Kata-Abläufen keine (!) „Anwendungen“. Er fügt in diese Ausführungen Hinweise zum „Sinn“ einzelner Bewegungen sowie zum „Gefühl“, das Lernende/Übende bei der Ausführung bestimmter Gesten entfalten sollten, ein. Seine Kata haben kämpferische Inhalte, ja, auf jeden Fall. Aber der „Sinn“ oder das „Gefühl“ entspricht nicht unmittelbar der „Anwendung“. „Anwendungen“ aus den Kata insgesamt vermittelte G. Funakoshi (wie übrigens auch C. Motobu) in eigenen Partnerübungen, die beide „Kumite“ nannten.

Wer das im „Bunkai“-Modus (d. h. mit dem Vorurteil, dass Solo-Kata bunkaiisiert würden) liest, versteht meine Aussage vermutlich nicht oder hält sie für widersprüchlich. Um sich selbst verständlicher zu machen, verglich G. Funakoshi Kata z. B. mit (physikalischen) Formeln oder Lehrbüchern. „Bunkai“ bedeutete, einen Abschnitt aus einer Formel oder einem Lehrbuch herauszulösen und diesen dann losgelöst vom Rest mit eigener Fantasie (Was ist für mich selbst real? Was kann ich mit diesen Symbolen/Worten anstellen? Was ist gerade trendy?) zu nutzen („anzuwenden“).

So funktionierte Karate-Unterricht allerdings nicht. Einem Karate-Adepten (Lehrmeister) war von vornherein klar, wie die Anwendung seines Karate im Partnertraining (Kumite) auszusehen hat. Im Kumite, das auf der Kata-Übung als Grundlage aufbaute, gab es dann von ihm Hinweise auf bestimmte Kata, wobei es allerdings nicht auf die genaue Reihenfolge von Kata-Gesten oder die genaue „Endhaltung“ einer Kata-Geste ankam, sondern es kam auf das durch die Kata-Übung verinnerlichte „Gefühl“ für bestimmte Bewegungen an. (Auch hier kann ich mir denken, dass noch ein paar Leser meinen, dass ich damit „Bunkai“ beschreibe, aber das ist nicht der Fall.)

(3) Karate-Dō Shōtōkan-Ryū verfügt über die inhärente Möglichkeit (genauer die Lehre), dass Schrittbewegungen (Stände) in ihrer Länge und Tiefe je nach Zeit, Ort, Umstand, Übungs-/Vorführpartner/Feind variabel anpassbar sind bzw. angepasst werden müssen. Technikgeschichte im Karate ist aufgrund der Quellenlage vor den 1920er Jahren kniffelig. D. h. Personen, die nur die weit verbreiteten Quellen (oder Interpretationen jener Quellen) kennen, neigen dazu, vorschnelle Urteile wie G. Funakoshi hatte (immer) kürzere/höhere Stände als Y. Funakoshi (1906–1945) als gegeben anzunehmen. Aus meiner Perspektive, die auf – Entschuldigung! – der Kenntnis von sehr viel mehr japanischen Quellen (textlich, bildlich, mündlich) beruht, ist diese Aussage problematisch. G. Funakoshi nutzte z. B. schon bevor sein Sohn als sein Lehrassistent zu arbeiten begann auch (!) vergleichsweise lange/tiefe Stände (Zenkutsu, Kiba-Dachi, Fudō-Dachi). Y. Funakoshi nutzte Anfang der 1940er Jahre auch (!) vergleichsweise kurze/hohe Stände(Zenkutsu, Kiba-Dachi, Fudō-Dachi).

Auch die dabei mitschwingende Botschaft, dass lange/tiefe Stände in Japan „entwickelt worden“ wären, ist problematisch. Anbei ein Foto, das C. Kyan 1932 bei einem Kumite zeigt, bei dem er nicht kurz/hoch steht, um seinen Tsuki auszuführen.

47949

(4) Auch die Aussage, Stände wären durch den Einfluss von Y. Funakoshi in den 1930er und 1940er Jahren „noch mehr Richtung Kraftschulung, weg von der anfänglich noch mehr betonten Mobilität aus dem okinawanischen Karate“ entwickelt worden, stimmt leider wirklich nicht, sorry! Das Gegenteil ist der Fall: Der Wert der Leibeserziehung, den G. Funakoshi seinem Karate neben zwei anderen Werten beimaß, führte dort, wo Personen vor allem an leibeserzieherischen Werten („Fitness“) interessiert waren, eher zu einer vergleichsweise statischen/staksigen Art von „Gymnastik“-Kata. Y. Funakoshi hatte daran weniger Interesse und betonte im Karate seines Vaters den kämpferischen Nutzen und damit einhergehend u. a. eben auch die Mobilität.

(5) Dass Wanshū oder Kūshankū „Überträger“ von zwei bestimmten Kata (Enpi und Kankū) seien, sind bloße Theorien, keine Tatsachen. Im Gegenteil: Es spricht einiges dafür, dass es sich dabei eher um moderne (1910er/1920er Jahre) Ausschmückungen handeln könnte.

(6) Die Aussage „Karate (vor vor-japanischen Sinne) ist ein ziviles SV-System“ ist leider auch eine moderne, in der westlichen Welt verbreitete Werbephrase, die scheinbar einleuchtend klingt, historisch aber mehr als problematisch ist. Ich habe darüber schon viel und mit entsprechenden Quellenverweisen veröffentlicht. Leute, die „moderne Selbstverteidigung“ in der Karate-Welt (viele Karateka = viele Kunden) verkaufen wollten, brachten sie vor ein paar Dekaden in Umlauf. Und gerne geschieht dieses Verkaufen dann halt als Bunkai.

(7) Die JKA als Lackmustest bei der Frage, was genau nun „Shōtōkan-Ryū“ ausmache und was nicht, ist ungünstig, weil deren technischer Pionier gerade etwas „Neues“ erschaffen wollte und erschaffen hat. Die historischen Anknüpfungen an G. Funakoshi wurden erst später wieder zu Werbezwecken betont. Auch darüber habe ich in der Vergangenheit schon sehr viel geschrieben.

Grüße,

Henning Wittwer

Katamaus
22-07-2023, 10:37
in der Hoffnung, dass es zumindest für einige Mitleser von Interesse sein könnte, möchte einfach mal ein paar der in diesem Thema getroffenen Aussagen aufgreifen und richtigstellen.

Vielen Dank!

Ich gestatte mir 2 kleine Rückfragen:


So funktionierte Karate-Unterricht allerdings nicht. Einem Karate-Adepten (Lehrmeister) war von vornherein klar, wie die Anwendung seines Karate im Partnertraining (Kumite) auszusehen hat.

Zurückgehend auf die Ursprungsfrage des TE: da die Übertragungslinie im Shotokan hier ja mindestens als unklar angesehen werden muss, nehme ich mal das oben von mir genannte Shorin Ryu Seibukan hier in Deutschland. Dort werden zu der Kata festgelegte Anwendungen mit vermittelt. (Ich kenne allerdings nur die einfachste Stufe, daher kann ich zu der wirklich zugrunde liegenden Lehrmethode nicht viel sagen aber Du vielleicht.) Diese entsprechen aber in ihrer Einfachheit den hier kritisierten „unrealistischen“ Anwendungen, weil sie im modernen Shotokan lange gezeigt wurden (s. bspw. JKA Videos mit Nakayama).

Existierten dann wiederum tiefere, komplexere (aka „realistischere“) Anwendungen, die einfach keiner mehr kennt?

Damit einhergehend wäre es interessant, zu verstehen, auf welche Art von Kumite sich das folgende bezieht:

Im Kumite, das auf der Kata-Übung als Grundlage aufbaute, gab es dann von ihm Hinweise auf bestimmte Kata, wobei es allerdings nicht auf die genaue Reihenfolge von Kata-Gesten oder die genaue „Endhaltung“ einer Kata-Geste ankam, sondern es kam auf das durch die Kata-Übung verinnerlichte „Gefühl“ für bestimmte Bewegungen an.
Im Gohon- oder Kihon-Ippon-Kumite wäre der Bezug ja noch relativ einfach herzustellen aber welche weiterführenden Arten des Kumite resp. der Anwendung der Kata soll man sich hier vorstellen?

Last but not least und für mich persönlich die alles entscheidende Frage: Wenn ich mit einer kämpferischen Aufgabe/Übung befasst bin (bspw. in einer SV-Übung) und hierzu eine Lösung aufgezeigt wird (nicht notwendig erkennbar aus dem mir bekannten Karate-Unterricht) und ich in mir ein Gefühl einstellt von „das ist doch die oder die Stelle in der oder jener Kata“, ist das dann nicht genau das, was Du da beschreibst?

(J. Kestner berichtet immer wieder von seiner Arbeit mit Fritz Nöpel, wo sie verschiedene Befreiungsgriffe und Konter durchgegangen sind und Fritz dann auf diverse Passage aus ihre Kata verwies. Und mir geht das bei solchen Dingen auch öfter so (wie oben geschrieben sogar beim Surfen))

Ok, ist vielleicht etwas wirr geraten aber eventuell verstehst Du ja, wie ich das meine.

LahotPeng
22-07-2023, 10:39
@ Gibukai

Toller Beitrag, Danke.

Gibukai
22-07-2023, 11:24
Hallo nochmal,

es geht in die Richtung, aber eher so: „Dieses Kumite hier hat einen Bezug zur Kata XY.“ Es geht also nicht zwingend darum, dass „die oder die Stelle in dieser oder jener Kata“ ganz genauso im Kumite wiedererkannt werden muss (sie kann sehr ähnlich aussehen, ja, aber muss es nicht).

Das Wort „Realismus“ im heutigen Karate betrifft aus heutiger Bunkaiisten-Sicht meistens die heutige Lebensweise in hochentwickelten Industrie-/Hochtechnologieländern.

„Realismus“ war für die Karate-Pioniere und ihre Lehrer noch etwas anders:

(1) Ihre „Feinde“ kamen aus derselben Gesellschaftsschicht, zu deren Privilegien u. a. Karate-Übung gehörte. D. h. ganz simpel, dass sie sich im Zweifelsfall (Ernstfall) durchaus auch mit „Karate-Techniken“ (z. B. Tsuki) angriffen. Für heutige Bunkaiisten ist das eine undenkbare, ja lächerliche Vorstellung.

(2) Ihre „Feinde“ setzten u. a. auch stumpfe und scharfe Waffen ein.

(3) Ihre „Feinde“ wussten genauso wie sie selbst, dass (damals) Treffer ihrer Hände und Füße durchaus tödlich ausgehen konnten, selbst bei nur einem einzigen Angriff. Von heutigen Bunkaiisten wird das gerne ausgeblendet oder verlacht, obwohl es auch heute noch dokumentierte Fälle gibt.

(4) Ausgangssituation war für sie nicht zwingend eine „Selbstverteidigungssituation“, da sie z. B. als Ordnungshüter für Ordnung zu sorgen hatten.

(5) Sie selbst wie auch ihre „Feinde“ übten ganz selbstverständlich auch mit Waffen, die zu ihrem Karate gehörten.

Ich schrieb früher schon, dass herkömmliches Karate heutzutage anachronistisch ist. Gewissermaßen eine „Koryū“, die aber nicht als solche weitergegeben wurde, sondern als Sport, der frei interpretierbar ist …

Jeder, der Karate-Dō Shōtōkan-Ryū kennt, weiß auch, was ein „Tsuki“ oder ein „Keri“ ist. Diese sollten so geübt werden, dass sie Wirkung am Gegenüber erzeugen (d. h. ihn ablenken oder – kurzfristig oder längerfristig – kampfunfähig machen). Das lehrten G. Funakoshis Lehrer, das lehrte G. Funakoshi selbst und das lehrte mein verstorbener Karate-Lehrer, der u. a. von G. Funakoshi lernte. Gleiches lehrte z. B. auch T. Kase. Für viele Leute heute scheint das zu „simpel“ zu sein, aber das gehört halt zur grundlegenden „Anwendung“ dieses Karate.

Darüber hinaus gibt es sicher auch Techniken in dieser Strömung, die nicht allen Karateka bekannt sind. Das offensichtlichste Beispiel sind die Stock-Kata des Shōtōkan-Ryū und die entsprechenden Kumibō. Aber unter den Kumite zu den unbewaffneten Kata gibt es sicher solche, die heute nicht alle kennen oder üben und die z. T. durchaus komplex sind.

In diesem Zusammenhang ist jedoch bedeutsam, dass Karate-Dō Shōtōkan-Ryū nicht einfach nur eine Ansammlung von technischen „Tricks“ ist, sondern auch Verhaltensweisen und Taktiken lehrt, die dafür sorgen sollen, dass unnötige körperliche Auseinandersetzungen von vornherein „umgangen“ werden können.

Grüße,

Henning Wittwer

lifeisfight
22-07-2023, 11:31
Existierten dann wiederum tiefere, komplexere (aka „realistischere“) Anwendungen, die einfach keiner mehr kennt?

ging zwar nicht an mich, aber ich hänge mich mal rein und sag an dieser Stelle : Nein.


Last but not least und für mich persönlich die alles entscheidende Frage: Wenn ich mit einer kämpferischen Aufgabe/Übung befasst bin (bspw. in einer SV-Übung) und hierzu eine Lösung aufgezeigt wird (nicht notwendig erkennbar aus dem mir bekannten Karate-Unterricht) und ich in mir ein Gefühl einstellt von „das ist doch die oder die Stelle in der oder jener Kata“, ist das dann nicht genau das, was Du da beschreibst?

ob das Gibukais Beschreibung entspricht weiss ich natürlich nicht . aber genau das ist auch meine Erfahrung : Man macht und tut und werkelt am Mann ( oder an der Frau / es aber geht um Kampfkunst,versteht sich) und dann kommt diese oder jene oder auch eine dritte Idee -hey, das ist doch die oder die BEwegung aus XXXXX . und selbstverständlich kann die Bewegung auch was naderes bedeuten , was Quast in dem Artikel ja auch beispielhaft zeigt .

Katamaus
22-07-2023, 11:54
es geht in die Richtung, aber eher so: „Dieses Kumite hier hat einen Bezug zur Kata XY.“ Es geht also nicht zwingend darum, dass „die oder die Stelle in dieser oder jener Kata“ ganz genauso im Kumite wiedererkannt werden muss (sie kann sehr ähnlich aussehen, ja, aber muss es nicht).

So meinte ich das. Danke für die Klarstellung!


Das lehrten G. Funakoshis Lehrer, das lehrte G. Funakoshi selbst und das lehrte mein verstorbener Karate-Lehrer, der u. a. von G. Funakoshi lernte. Gleiches lehrte z. B. auch T. Kase. Für viele Leute heute scheint das zu „simpel“ zu sein, aber das gehört halt zur grundlegenden „Anwendung“ dieses Karate.


So wird es auch bei uns gelehrt.


Das offensichtlichste Beispiel sind die Stock-Kata des Shōtōkan-Ryū und die entsprechenden Kumibō.

Ich lerne Kobudo ja in einer anderen Stilrichtung aber da ist es ebenfalls so, dass die Techniken im Kumibo in den Kata auftauchen. Und es ist auch so, dass die Angriffe im Bunkai mit Kobudo Waffen erfolgen und nicht mit Messer, Baseballschläger oder Pistole.

Katamaus
22-07-2023, 12:10
Da fällt mir noch ein schönes Beispiel ein. Zu der ersten Bewegung der Bassai Dai heißt es ja auch biswilen man ginge einfach in den Angriff hinein und blockiere ihn. Das wird auch immer gerne ins Lächerliche gezogen. Dazu findet sich aber in einem Text von Mabuni Kenwa (vgl. Bittmann, Geschichte und Lehre des Karatedo, S. 159 f.) folgendes:


Aus diesem Grund gibt es, um den Gegner zu erkennen, sogar eine Form, die als erste Technik den Hemmenden Block (sasaeuke; [hier wird die erste Technik der Bassai Dai gezeigt; Anm. Katamaus]) besitzt, und zwar für den Fall, bei dem man besonders vorsichtig sein sollte. (Vergleiche mit der Form Bassai-dai). Dies bedeutet mit den Worten von Sun-tzu ausgedrückt: 'Eine in alten Zeiten hervorragend kämpfende Person machte sich zuerst unbesiegbar und wartete dann auf die Besiegbarkeit des Feindes'. Das hat die Bedeutung, dass man zuerst eine unbesiegbare Stellung einnimmt und danach eine besiegbare Erscheinung des Feindes ausnutzt.


Scheint ja dann doch nicht ganz abwegig, diese Erklärung. :D

FireFlea
22-07-2023, 12:23
Zurückgehend auf die Ursprungsfrage des TE: da die Übertragungslinie im Shotokan hier ja mindestens als unklar angesehen werden muss, nehme ich mal das oben von mir genannte Shorin Ryu Seibukan hier in Deutschland. Dort werden zu der Kata festgelegte Anwendungen mit vermittelt. (Ich kenne allerdings nur die einfachste Stufe, daher kann ich zu der wirklich zugrunde liegenden Lehrmethode nicht viel sagen aber Du vielleicht.) Diese entsprechen aber in ihrer Einfachheit den hier kritisierten „unrealistischen“ Anwendungen, weil sie im modernen Shotokan lange gezeigt wurden (s. bspw. JKA Videos mit Nakayama).

Existierten dann wiederum tiefere, komplexere (aka „realistischere“) Anwendungen, die einfach keiner mehr kennt?


Also hier z.B. ab ca. 0:50 zeigt Measara ja "Bunkai" aus 2 Kata:

https://www.youtube.com/watch?v=bIu9zlcREfk

Das ist ja jetzt nix kompliziertes aber schon mehr, als in den Kumite Formen gezeigt wird. Generell gibt es ja mittlerweile einige fortgeschrittene Okinawa Leute, die auch komplexeres "Bunkai" zeigen. Ob das vor 100 Jahren schon so war, vermag ich nicht zu beurteilen (aus dem Goju Ryu bspw. Taira, Hokama oder Kuba). Das halte ich aber durchaus für authentisch da wenn jemand, der in einer Lineage steht und bspw. eine Lehrerlaubnis hat, eigene Entwicklungen reinbringt, nichts anderes tut, als auch andere vor ihm.

Die mir bekannten Shotokan Kumite Formen überzeugen mich nicht. Jedenfalls nicht so, wie ich sie kennengelernt habe. Auch nicht vor dem Aspekt, dass man von einem geraden tsuki oder keri ausgeht. Vor allem nicht in der Form, wie sie oft ausgeführt werden und dass nicht darauf aufgebaut wird. Aber diese Diskussion hatten wir bereits an anderer Stelle. In diesem Sinne ist mir auch egal, was authentisch ist. Ich unterrichte aber auch nicht und hätte wenn auch keinen Anspruch daran, authentisches Shotokan zu unterrichten. Wichtig ist dann aber aus meiner Sicht, dass man seine Einflüsse klar benennt und nicht ein Märchen aufbaut, dass die Shaolin Mönche vor 100.000 Jahren schon das Gleiche gemacht haben.... Daher frage ich mich öfter ob manches, was im DKV unter Shotokan firmiert, nicht besser unter dem Label SOK aufgehoben wäre.

Katamaus
22-07-2023, 12:41
Also hier z.B. ab ca. 0:50 zeigt Measara ja "Bunkai" aus 2 Kata:

Der kann aber auch mit einem langsamen Oizuki in einen starken Angriff reingehen und diesen nutzen um die Struktur des Angreifers zu brechen. Da fliegt der Angreifer komplett ab. Hat er mal gezeigt, als wir irgendwie auf Irimi kamen (Aikido macht er ja auch noch). Da frage ich mich dann immer, ob es wirklich die Anwendungen sind, die so wichtig sind und nicht eher die Qualität des Kämpfers und sein Gefühl für Raum, Timing, Struktur, etc. Ich glaube ja Letzteres.


Aber diese Diskussion hatten wir bereits an anderer Stelle.

Ja, aber da würde ich analog argumentieren. Man soll (und kann) sie nutzen, um eben jenes Gefühl für Distanz, Timing, Raum, etc. zu entwickeln. Dazu bedarf es auch keiner authentischen Linie (wobei das sehr hilfreich sein könnte), sondern in erster Linie (Achtung Wortspiel! :D) eines Lehrers, der das verstanden hat und vermitteln kann.


Daher frage ich mich öfter ob manches, was im DKV unter Shotokan firmiert, nicht besser unter dem Label SOK aufgehoben wäre.

Das sowieso!

FireFlea
22-07-2023, 12:49
Der kann aber auch mit einem langsamen Oizuki in einen starken Angriff reingehen und diesen nutzen um die Struktur des Angreifers zu brechen. Da fliegt der Angreifer komplett ab. Hat er mal gezeigt, als wir irgendwie auf Irimi kamen (Aikido macht er ja auch noch). Da frage ich mich dann immer, ob es wirklich die Anwendungen sind, die so wichtig sind und nicht eher die Qualität des Kämpfers und sein Gefühl für Raum, Timing, Struktur, etc. Ich glaube ja Letzteres.


Bin ich bei Dir aber die Frage war ja, ob es mehr gibt. Das scheint mir der Fall zu sein. ;)

Katamaus
22-07-2023, 13:00
die Frage war ja, ob es mehr gibt. Das scheint mir der Fall zu sein. ;)

Da gibt es aber sogar im nicht authentischen Shotokan noch mehr als das Maegeri-Beispiel von Sven. :p ;) :D

Karateman
22-07-2023, 13:17
Interessant wäre vielleicht auch noch einmal zu berücksichtigen was Nakayama vielleicht aus dem Karate gemacht hatte, das er von Funakoshi erlernt hat.
Immerhin heißt es ja er sei quasi der Gründer des modernen Karate nicht Funakoshi.
Und soweit ich gelesen habe, ist Nakayama nach China gereist (oder hat sich dort währned des Krieges aufgehalten) und habe Kampfkünste dort studiert. Was genau hat Nakayama dort in China erlernt was er eventuell mit ins Karate eingebracht hat?
Ist vielleicht sone Sache wie bei Jesus und Paulus, Jesus hat den Jesus Weg gelehrt seinen Jüngern, und Paulus machte daraus das Kirchentum :D

Was ich auch interessant finde sind die Videos von Naka Sensei, der sich mit anderen Kampfkunstmeistern traf um sein Karate mit dem der anderen zu vergleichen und neue Eindrücke zu erlernen. Warum tut er das, weil ja ganz offensichtlich die tieferen Aspekte die über einfache Schlag und Trittkombinationen hinnaus gehen nicht an die Japanischen Meister weitergegeben worden sind.

Oder was meint ihr dazu?
In einem Video von dem Goju ryu Meister Morio Higaonna wird ein westlicher Schüler irgendwie eingeladen bei ihm privatuntericht zu machen. Soweit aus der Doku hervorgeht vermittelt er ihm dann solche Nervendruckpunkt technken.
Das zeigt doch denke ich, das es im Karate schon vermitteltes Wissen gibt, aber dieses eben vermutlich garnicht erst nach Japan übermittelt wurde zur Masse der Leute. Sonder nur an einen kleinen Kreis auserwählter Jünger weitergegeben wurde und wird.

Vielleicht wäre es ja in der heutigen Zeit möglich, wenn die Shotokan Meister sich an die Okinawa Meister wenden ob sie die fehlenden Inhalte vermittelt bekommen können, vielleicht ist da ja möglich. Oder direkt in China zu suchen wie der Jesse Karatenerd schon angefangen hat.
Sonst bleibt doch irgendwie immer soein Fragezeichen.
Und ein 8 Dan hat dann im grund nur einen 8 Dan von einem Bruchteilswissen.
So wie der Koreanische General der das Taekwondo begründet hatte auch nur einen 1 Dan im Shotokan hatte.. und dadurch das ganze dort noch krasser verwässert wurde. :)

kanken
22-07-2023, 14:32
Ich glaube ja mittlerweile dass im Bereich Kata viele Missverständnisse entstehen, da man alle Kata über einen Kamm schert.
Eine Sanchin oder Tensho hat einen ganz anderen Ansatz als eine Naifanchi oder Bassai. Die Kata, die Itosu kreiert hat (und die dessen Schüler übernommen haben) noch einmal einen ganz anderen Ansatz als die „alten“ Kata davor.

Eine Kata kann eine Aneinanderreihung von Anwendungen sein, um diese Art der Kata zu verstehen muss man dann die jeweiligen Anwendungen dazu kennen.
Eine Kata kann grundlegende Prinzipien vermitteln wie z.B. Kreise, Ebenen oder die Nutzung bestimmter Ideen um Körper und Verstand zu trainieren.
Eine Kata kann beide o.g. Elemente verbinden.

Dazu kommt das Kata (im Karatekontext) immer auch in ein Lehrgebäude eingeordnet ist und im Rahmen dieser Didaktik und diesem Zweck gesehen werden muss. Itosu wollte Kinder für den Einsatz im großjapanischen Reich fit machen, das ist etwas anderes als Polizeikräfte zu trainieren und das ist wieder etwas anderes als Soldaten zu trainieren.

Dazu kommt dass man alles Mögliche in jede Bewegung hineininterpretieren kann, da die Bewegungsmöglichkeiten des menschlichen Körpers nun einmal beschränkt sind, ebenso dessen effektiver Einsatz in einer körperlichen Auseinandersetzung.

Wer glaubt das frühere Palastwachen im Schloss in Shuri gekämpft haben wie die Gummibärenbande auf Speed (aka hüpfende Wettkämpfer), der glaubt auch dass man Hikite braucht um „Kraft zu generieren“…

Modernes Wettkampfkarate hat sich aus den Vorgaben der JKA bzgl. des sportlichen Wettkampfs entwickelt. Natürlich trainiert das Dinge die man in einer heutigen Kampfsituation „auf der Straße“ benötigt und natürlich können gute Wettkämpfer sich da ggf. auch gut durchsetzen. Das ist aber eben nicht die Art zu kämpfen, die die Leute in früheren Zeiten im Sinn hatten als sie die alten Kata kreierten.

Als letztes muss man auch noch gucken wo die jeweiligen Kata ggf. Ihre Wurzeln hatte, bzw. von welchen KK deren Gründer beeinflusst waren. Jemand der seine Quellen in den chinesischen KK hat wird andere Dinge im Kopf haben als jemand der z.B. seinen Schwerpunkt in einer japanischen Koryu (z.B. Jigen-ryu) hat.

Jedes Dojo sollte also, in meinen Augen, ehrlich kommunizieren wo sein Stil herkommt, was man von den alten Überlieferungen noch wirklich sicher kennt und was es seinen Schülern, auf Basis welcher Kompetenz, warum vermitteln will.

Kensei
22-07-2023, 20:13
Es gibt in Japan einen sehr breiten Austausch zwischen Karate Stilrichtungen und auch anderen Kampfkünsten. Kampfkünste zählen dort als Kulturgut, das es staatlicherseits zu fördern und zu bewahren gilt. Es gibt Festivals, Museen zur Kampfkunstgeschichte und -tradition usw. usf. Nicht zu vergleichen mit europäischen Kampfkünsten bei uns.
Zumindest habe ich das auf Okinawa so erlebt.

Im IOGKF Goju-Ryu werden neben der klassischen „Trias“ des modernen Karate auch Hojo-undo, Meridiane, Atemübungen, klebende Hände/Kakie usw. vermittelt. Viele der hochgraduierten Sensei praktizieren neben dem Karate TaiChi, QiGong, White Crane oder andere GongFu Stile. Es ist nicht so, als ob die Leute nicht auf die Idee kämen, über den Tellerrand zu schauen und das dann auch ins Karate einfließen zu lassen ;)

kanken
23-07-2023, 10:19
Es geht doch gar nicht darum „über den Tellerrand zu schauen“, sondern darum wofür das eigene System gedacht war und wie es dieses Ziel erreicht, bzw. in wie weit diese Methoden heute noch bekannt sind, bzw. verstanden werden.

Über den Tellerand gucken und neues (kennen) lernen ist doch außer Frage sinnvoll und gut.

Wenn man dann aber versucht dieses „neue“ in seinem System zu finden oder zu integrieren, dann ist das etwas neues und nicht mehr das, was es mal war, da man eben nicht weiß ob es wirklich da war oder ob die Bewegung wirklich mal dafür gedacht war.

Nick_Nick
23-07-2023, 11:24
@ Gibukai

auch von mir danke für die Ausführungen. Zwei Nachfragen:

Worin äußert sich denn Yoshitaka Funakoshis erhöhter Fokus auf Mobilität und Kampftauglichkeit? Er hat doch das Karate seines Vaters geändert?

Wie sind die Partnerübungen deines Lehrers auf Youtube zu interpretieren? Sind das - eventuell von Funakoshi - entwickelte, "genormte" Kumite? Kannst du ein Beispiel sagen, wo sich eine Kumitesequenz in einer Katasequenz wiederfindet?


Da frage ich mich dann immer, ob es wirklich die Anwendungen sind, die so wichtig sind und nicht eher die Qualität des Kämpfers und sein Gefühl für Raum, Timing, Struktur, etc. Ich glaube ja Letzteres.


Ich finde es immer befremdlich, wenn nonchalant über "Anwendungen" hinweggegangen wird. Im alten japanischen Jujutsu bspw. gibt´s ganze Sets, die nur Kuzushi schulen oder Sets für nur Würfe. Eben Partnerkata. Im Karate hat man das Gefühl, die halbe Welt schaut sich die Videos von Abernethy an in der Hoffnung, etwas Brauchbares zu finden. Wie dann der Wurf oder Takedown, wenn´s denn einer ist, technisch auszuführen ist, weiß dann wieder auch keiner. Abernethy macht´s wahrscheinlich auch eher dank seiner Physis.

Aber offenbar gab´s zumindest früher im (Shotokan)-Karate auch diese Partnerkata-Didaktik.

Katamaus
23-07-2023, 11:39
Modernes Wettkampfkarate hat sich aus den Vorgaben der JKA bzgl. des sportlichen Wettkampfs entwickelt. Natürlich trainiert das Dinge die man in einer heutigen Kampfsituation „auf der Straße“ benötigt und natürlich können gute Wettkämpfer sich da ggf. auch gut durchsetzen. Das ist aber eben nicht die Art zu kämpfen, die die Leute in früheren Zeiten im Sinn hatten als sie die alten Kata kreierten.

Jepp, das ist das Hauptproblem im modernen Karate. Da laufen alle Stränge eines vormals integrierten Systems unabhängig nebeneinander und entwickeln sich in verschiedene Richtungen. Selbst wenn man Wettkampf macht, muss man sich für Kata oder Kumite entscheiden und selbst vor 30 Jahren (ich hab‘ noch Beides gemacht), waren das schon deutlich unterschiedliche Trainingsinhalte.

Andererseits nehme ich aktuell einen gewissen Willen bei manchen Beteiligten wahr, das Ganze wieder zu integrieren. Du hast natürlich recht, dass dann vermutlich etwas Neues dabei herauskommt. Es ist aber auch möglich, wenn man das noch vorhandene Wissen zusammenträgt und beachtet, einigermaßen nah‘ an das Original heranzukommen.

Des weiteren, auch bei authentischen Linien muss man immer sehen, wie diese zustandekommen. Letztlich kann auch da keiner wissen, ob es nicht vor 300 Jahren mal einen Strukturbruch gab und was da verloren gegangen sein könnte.

Summa summarum muss am Ende jeder KKler schauen, wo er sich die Informationen sucht und das gelingt dann dem Einzelnen mehr oder weniger gut. Sicher hast Du recht, dass man dabei auch andere Systeme betrachten und analysieren muss. Ich bin allerdings kein Freund davon, öfters die Systeme zu wechseln. Irgendwann sollte man lieber beim Eigenen bleiben und es sinnvoll ergänzen, denn das eindeutig beste System gibt es imho eh nicht.

Nick_Nick
23-07-2023, 12:07
Des weiteren, auch bei authentischen Linien muss man immer sehen, wie diese zustandekommen. Letztlich kann auch da keiner wissen, ob es nicht vor 300 Jahren mal einen Strukturbruch gab und was da verloren gegangen sein könnte.

Natürlich waren die Systeme auch Anpassungen unterworfen, und natürlich sind sie in heutiger Zeit anachronistisch (nichtsdestotrotz mehr als praktikabel). Aber sie hatten einen realen Kampfhintergrund und wenn du den zeitlich-kulturellen Rahmen akzeptierst, in dem die Systeme spielen, bleiben buchstäblich keine Fragen offen. Das ist einfach ein von vorn bis hinten kohärentes Ganzes, inkl. Waffen. Das macht das Üben so befriedigend, eben weil man sich im Karate genügend Fragen stellt, die keiner beantworten kann.

Den Unterschied merkst du innerhalb der ersten Übungseinheiten, deine Frage bspw. würde sich dann gar nicht mehr stellen.

Katamaus
23-07-2023, 13:45
Den Unterschied merkst du innerhalb der ersten Übungseinheiten, deine Frage bspw. würde sich dann gar nicht mehr stellen.

Nee, tue ich nicht. Meine Kobudo-Linie bspw. ist authentisch. Da machst du aber erst einmal auch viel Kihon und Kata. Ferner sind die Angriffe wieder mit Kobudo-Waffen. Das ist zwar ein geschlossenes, in sich abgestimmtes System aber die Kampfrelevanz darf doch hinterfragt werden. Selbst später, wenn andere Waffen hinzukommen. Im übrigen ist die Theorie mit den Bauernwaffen, mit denen man sich gegen Samurai mit Schwertern gewehrt hat, ja wohl auch eher ne Marketinggeschichte aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert. Da bleiben reichlich Fragen offen.

Ansonsten ist es genauso wie beim Kumite: Erst einmal sind es abgesprochene Formen von Angriff und Abwehr. Durch Steigerung von Geschwindigkeit, Rhythmus brechen, Fintieren, etc. kannst Du das dann unkooperativ steigern wenn Du willst. Aber Du bleibst immer in diesem System. Außer Du verabredest, wirklich frei zu kämpfen. Kenne aber niemanden, der das macht und wenn sieht vermutlich aus, wie bei diesen Kämpfen auf der Wiese, die hier mal immer wieder gezeigt wurden. Macht man das in den Koryu? (Überall anscheinend nicht. Ich kenne da, genauso wie im Karate, Leute, die nicht ansatzweise einen Plan davon haben, was Kampf ist.)

FireFlea
23-07-2023, 14:54
Natürlich waren die Systeme auch Anpassungen unterworfen, und natürlich sind sie in heutiger Zeit anachronistisch (nichtsdestotrotz mehr als praktikabel). Aber sie hatten einen realen Kampfhintergrund und wenn du den zeitlich-kulturellen Rahmen akzeptierst, in dem die Systeme spielen, bleiben buchstäblich keine Fragen offen. Das ist einfach ein von vorn bis hinten kohärentes Ganzes, inkl. Waffen. Das macht das Üben so befriedigend, eben weil man sich im Karate genügend Fragen stellt, die keiner beantworten kann.

Den Unterschied merkst du innerhalb der ersten Übungseinheiten, deine Frage bspw. würde sich dann gar nicht mehr stellen.

Na aber auch bei authentischen Systemen gibt es doch ebenfalls diese Diskussion um Wirksamkeit. S. was die Hokushin Itto Ryu Leute immer kritisieren. Vom Sosuishi Ryu habe ich mal ein Interview mit einem hochrangigen Lehrer gesehen der meinte er weiß nicht, welche Bedeutung oder Anwendung eine spezielle Iai Kata hatte und vielleicht hatte sie nie eine. Bei anderen koryu ist bekannt, dass Kata und Know How verloren ging, weil der Soke bspw. jung starb. Daher ist die Aussage von Katamaus:


Des weiteren, auch bei authentischen Linien muss man immer sehen, wie diese zustandekommen. Letztlich kann auch da keiner wissen, ob es nicht vor 300 Jahren mal einen Strukturbruch gab und was da verloren gegangen sein könnte.

durchaus auch für manche alte Linien zutreffend.

Gibukai
23-07-2023, 16:14
Hallo,

(1) Die Formulierung, Y. Funakoshi habe das Karate seines Vaters „geändert“, finde ich aus meiner Perspektive ungenau bzw. problematisch – mal wieder, ich weiß, sorry!

Ich würde es so formulieren, dass Y. Funakoshi im Karate seines Vaters teilweise andere Akzente setzte, also eher auf Kumite wertlegte und so bestimmte Aspekte der „Gymnastik“-Kata-Ausführungen ignorierte und stattdessen eher Kata in Anlehnung an Kumite ausübte, was u. a. die Betonung des Fudō-Dachi zur Folge hatte. Das war keine „Änderung“, die das Karate seines Vaters grundlegend verändert hätte. Immerhin war er der designierte Nachfolger seines Vaters. Leute, die G. Funakoshis Karate tatsächlich (zu stark) änderten, wurden verbannt, wie etwa H. Ōtsuka (1892–1982).

Dass es keine grundlegende Veränderung war, zeigt sich auch am Beispiel der Ten no Kata, die vielleicht die wichtigste/erste Verbesserung des Lehrgebäudes im historischen Shōtōkan (1938–1945) darstellte. Wer meine „Nyūmon“ (https://www.gibukai.de/buch-shop/karate-nyumon-funakoshi/)-Übersetzung kennt, weiß, wie unglaublich viele technische Details in den Beschreibungen dieser „einfachen“ Kata enthalten sind und viele dieser technischen Details waren nicht „neu“, sondern sie wurden im „Nyūmon“ erstmals so deutlich und so gebündelt vermittelt. Auch Aspekte, die „kampftauglicher“ machen sollen, werden mittels dieser Kata in diesem Buch angesprochen.

Beispiele für seine Betonung von Mobilität wären seine Fähigkeit, sich nicht treffen (berühren zu lassen), egal ob mit Faust („Zwei Meister“ (https://www.epubli.com/shop/funakoshi-gichin-funakoshi-yoshitaka-9783741814273), S. 63 ff.) oder mit Säbel oder Stock („Band I“ (https://www.gibukai.de/buch-shop/shōtōkan-überlieferte-texte-historische-untersuchungen-band-i/), S. 71).

Er selbst gab u. a. den Ratschlag, dass kleine Menschen „Flinkheit“ auszubilden hätten („Band III" (https://www.gibukai.de/buch-shop/shōtōkan-überlieferte-texte-historische-untersuchungen-band-iii/), S. 20 und 23).

(2) Über Youtube-Filme mit meinem Karate-Lehrer schreibe ich nur ungern, weil er selbst immer wieder betonte, dass sein Karate nicht mit den Augen und schon gar nicht via Filmaufnahmen (aber auch nicht mithilfe von Worten) verstanden werden kann. Daher fand er selbst es – meistens – auch nicht wirklich berauschend, wenn solche Filme mit ihm im Internet veröffentlicht wurden. Sie sind inhaltlich für Personen, die nicht über wenigstens ein paar Jahre Übungserfahrung in diesem Karate-Lehrgebäude mit seinen sehr spezifischen Inhalten und Zielen verfügen, nicht nachvollziehbar. Ich selbst kam zu ihm, lange bevor ich irgendwelche Bewegtbilder von ihm sah; und möglicherweise ist das auch gut so gewesen, da ich ohne unmittelbaren Kontakt mit ihm, vermutlich ebenfalls keine Ahnung gehabt hätte, was da in solcherlei Filmen wie und warum gemacht wird. Vermutlich hätte ich die Filminhalte – „schlauerweise“ – sogar als Show oder Unsinn abgetan.

Vereinfacht kann ich schreiben, dass es sich in den meisten Fällen um mitgefilmte Unterrichts- bzw. Übungsszenen handelt, bei denen oft derselbe Körpereinsatz wie in der Kata-Übung zur Geltung kommt. Ausnahmen sind Stellen, an denen er zum besseren Verständnis Vergleiche zu anderen/schlechteren Arten von Körpereinsatz spüren lässt (wie geschrieben, mit Sehen allein funktioniert das leider nicht).

Ich werde aus den obigen Gründen auch keine Beispielszenen verlinken. Allgemein kann ich aber ergänzen, dass er manchmal Kumite in der Art von G. Funakoshi spüren ließ, öfter aber Kumite in der Art von Y. Funakoshi (und dessen Übungspartnern/Schülern S. Egami [1912–1981] und T. Okuyama [1918–2006]). Viele Übungsformen hat er selbst entwickelt, um den körperlichen und geistigen Zugang zu den erforderlichen „Qualitäten“ (wieder körperlich wie geistig) zu vereinfachen. Das sind dann in Filmen besonders „komisch“ wirkende Partnerübungen, die so gar nicht nach „Karate“ aussehen.

Um nicht missverstanden zu werden: Allen Mitgliedern meiner Minigruppe kann ich (mittlerweile) eben diese Qualitäten – mit Körperkontakt – vermitteln und so selbst immer besser werden. Denn diese Qualitäten bewirken, dass Übung und Übungsfortschritt auf hohem Niveau auch mit siebzig, achtzig, ja, mit neunzig Jahren möglich ist. Und ich meine Partnerübung (Kumite). Ich habe genau das mit ihm erlebt. Und nur ihm verdanke ich dieses spezifische Wissen und Können. (Ach so: Das ist kein „Missionieren“, da unsere Minigruppe mini ist und mini bleiben wird …)

Um vielleicht mal zwei Beispiele ohne Videoschnipsel zu geben, Folgendes: Bei einer bestimmten Partnerübung mit einer mir zuvor unbekannten Person, wunderte ich mich, warum mein Tun keine Wirksamkeit am/im Körper des Angreifers entfaltet. Das sah dann von außen statisch aus, d. h. ich bewegte mich äußerlich kaum. Mein Karate-Lehrer sah das und frug mich, ob ich Jion kenne. Seine Frage nach der Kata Jion war eher rhetorischer Natur. Ich selbst begriff irgendwie sofort, worauf er hinauswollte und änderte ein Detail, was dazu führte, dass mein Gegenüber – wie von mir gewollt – in Bewegung geriet. Wer das von außen gesehen hätte, hätte keine körperliche Bewegung (also auch keinen Ablauf der Kata Jion) gesehen, da sich meine körperliche Anpassung unter meiner Haut abspielte.

In einem anderen Fall (der sich zum besseren Verständnis im Laufe der Jahre wiederholte) bestand meine Aufgabe darin, seine Handgelenke zu greifen. Von außen betrachtet bewegte sich mein Lehrer daraufhin kaum, dafür versetzte er mich in Bewegung, und zwar nacheinander in die unterschiedlichsten Richtungen. Dann meinte er: „Das war Meikyō, verstehst Du!?“ Nein, beim ersten Mal verstand ich nicht, weil er selbst sich äußerlich nicht bewegt hatte. Erst mit der Zeit begriff ich, was das alles mit der Kata Meikyō zu tun hatte. Und nun befindet sich dieses körperliche Wissen in meinem Körper, was an sich auch schon ziemlich „verrückt“ ist …

„Genormt“, um dieses Wort zu gebrauchen, ist verkürzt ausgedrückt also der technische Kern, die technische Fertigkeit (Waza), die Art und Weise, w i e Wirksamkeit erreicht wird, letztlich egal mit w a s für einer Art von Geste. Bei meinem Lehrer war im Kumite alles Waza, manchmal als „echte“ Tsuki-Bewegung erkennbar/definierbar, manchmal scheinbar (!) ohne irgendeine Handlung seinerseits, in den meisten Fällen – nicht immer, er war kein Gott – aber umwerfend wirksam … Allerdings ist dafür selbstverständlich ordentliche, längerfristige, geduldige, lernwillige, selbstkritische Übung mit entsprechenden Übungsformen (eben auch festgelegten Kata und Kumite) erforderlich.

Grüße,

Henning Wittwer

Nick_Nick
24-07-2023, 09:19
@ Gibukai

vielen Dank!

Ist - wieder - ein sehr wertvoller Beitrag, ist gespeichert. Und ich bin erstaunt, dass es auch im Shotokan eine so stringente Linie gibt, in der die Rädchen diffizil ineinandergreifen.

Dass Yoshitakas "Änderungen" in dem Sinne keine waren, war mir nicht bekannt, hat aber absolut Sinn.


Nee, tue ich nicht. Meine Kobudo-Linie bspw. ist authentisch. Da machst du aber erst einmal auch viel Kihon und Kata. Ferner sind die Angriffe wieder mit Kobudo-Waffen. Das ist zwar ein geschlossenes, in sich abgestimmtes System aber die Kampfrelevanz darf doch hinterfragt werden. Selbst später, wenn andere Waffen hinzukommen.

OK, da haben wir Verschiedenes kennengelernt. Wobei ich statt „authentisch“ eher hätte „komplett“ schreiben sollen. Dass eine Schule also alle aus ihrer Sicht möglichen Eventualitäten abdeckt. So wie es Gibukai für sein Karate beschreibt, in dem auch der Stock enthalten ist und sicher ein Ganzes mit dem waffenlosen Teil bildet. Oder Samuraischulen, in denen alle möglichen Szenarien von Auseinandersetzungen mit und ohne Waffen abgebildet werden. In kankens Bagua auch. Da ergeben sich eben keine Fragen mehr, warum etwas wie gemacht wird. Was zugegebenermaßen wenig über die Kampfausbildung aussagt.



Ansonsten ist es genauso wie beim Kumite: Erst einmal sind es abgesprochene Formen von Angriff und Abwehr. Durch Steigerung von Geschwindigkeit, Rhythmus brechen, Fintieren, etc. kannst Du das dann unkooperativ steigern wenn Du willst. Aber Du bleibst immer in diesem System. Außer Du verabredest, wirklich frei zu kämpfen. Kenne aber niemanden, der das macht und wenn sieht vermutlich aus, wie bei diesen Kämpfen auf der Wiese, die hier mal immer wieder gezeigt wurden. Macht man das in den Koryu? (Überall anscheinend nicht. Ich kenne da, genauso wie im Karate, Leute, die nicht ansatzweise einen Plan davon haben, was Kampf ist.)

In Kurzfassung: Ist m.W. auch in Koryu ein Problem, und das machen wie du sagst nicht ansatzweise alle Schulen. Aber da gibt´s hier profundere Kenner „der“ Koryu, die sich detaillierter äußern könnten.

Mich fasziniert jedenfalls "bei uns" - auch - die Didaktik, wie von Partnerkata zu realistischen Anwendungen gegangen wird, ohne die Prinzipien der (Partner)Kata zu verlassen. Ist kein Hexenwerk, aber aus dem Karate kenne zumindest ich´s eben nicht.

Nick_Nick
24-07-2023, 09:27
Na aber auch bei authentischen Systemen gibt es doch ebenfalls diese Diskussion um Wirksamkeit. S. was die Hokushin Itto Ryu Leute immer kritisieren.

Stimmt, s.o.



Vom Sosuishi Ryu habe ich mal ein Interview mit einem hochrangigen Lehrer gesehen der meinte er weiß nicht, welche Bedeutung oder Anwendung eine spezielle Iai Kata hatte und vielleicht hatte sie nie eine


Das würde ich jetzt als nicht so gravierend einstufen, wenn´s Einzelfälle sind (unklare Kata innerhalb der Schule). Und vielleicht ist´s eine Kata, die noch entschlüsselt werden muss und sein Lehrer lässt ihn noch tüfteln.



Bei anderen koryu ist bekannt, dass Kata und Know How verloren ging, weil der Soke bspw. jung starb.

Nach meinem Wissen ist die Schule in dem Moment aus Koryu-Sicht tot, wenn es keinen Menkyo Kaiden oder ähnlich mehr gibt.

CeKaVau
25-07-2023, 10:49
Hallo,


Genau DAS scheint mir aber ein weit verbreitetes Hobby speziell von Karatekas jeglicher Couleur zu sein: Der Welt zu verkünden, dass nur das eigene Karate das Echte, Wahre, Authentische ... (beliebig zu ergänzen) ist und alles andere eben nur Mist. Zumindest kein Karate. Oder wenigstens kein gutes.

Ich würde sogar noch weiter gehen und postulieren, dass es notwendig ist, Karate verschieden zu interpretieren und zu üben. Dies ergibt sich schon allein aus dem gesundheitlichen Aspekt.

Als ich für die letzte Danprüfung geübt habe, habe ich mich vor allem darauf konzentriert, korrekte tiefe Stände einzunehmen. Dies ist etwas, was bei uns im Training eigentlich nicht so stark betont wird. Das Ergebnis war, dass nach ein paar Monaten mein rechtes Knie nachgegeben hat. Ich konnte für eine ganze Weile weder liegen, noch sitzen, noch stehen, noch laufen.
Ich habe schon immer vieles anderes und gesundheitsorientierer gemacht, aber das war der letzte Schubs, um mit aller Konsequenz alles rauszuschmeißen, was schädlich ist. Und siehe da, ich war tatsächlich in der Lage, die Probleme wegzutrainieren. Ich bin jetzt wieder völlig schmerzfrei.

Ich trainiere Erwachsene; die meisten davon älter als ich - ahem, also noch alter als ich. Wir haben Leute mit Knieproblemen, Überlebende von schweren Verkehrsunfällen, Leute, deren Bauchdecke von einem Netz zusammengehalten wird, ...
Jeder von denen kann bei uns Karate üben, weil ich für jeden sein persönliches Karate zusammenbastle. Was nicht geht, wird modifiziert oder gleich durch etwas anderes ersetzt.

Es sieht natürlich etwas komisch aus - aber es ermöglicht Leuten, die sonst keinen Sport machen könnten, Karate zu erlernen. Ich kann daran nichts Negatives finden.

Es ist wieder faszinierend zu beobachten, zu welchen geistigen Fehlleistungen Menschen in der Lage sind. Ich war schon dabei, als auf einem Lehrgang der Trainer erzählt hat, wie gesund Karate sei und dass es bis ins hohe Alter betrieben werden könne. Während er selbst künstliche Hüften hat!

Auch immer wieder faszinierend: Wenn man sich in der Pause mit Leuten unterhält, und die sich die ganze Zeit aufregen und beklagen, weil der sich wieder mit dem zerstritten hat, weil der den Verband gewechselt hat, weil der seinen eigenen Laden aufgemacht hat, weil der ... - völlig unverständlich, wie können dir nur, wir machen doch alle Karate, wir können uns doch alle vertragen und miteinander klarkommen.
Eine halbe Sekunde später sehen sie meinen Patch am Ärmel und fragen mich, was das jetzt soll und warum ich den Scheiß jetzt mache :)


Ich bin jetzt sicher nicht so weit in der Karatewelt herumgekommen wie manch anderer hier, aber wo ich war, habe ich interessiert geguckt, was es da für mich mitzunehmen und abzuholen gibt.

Ich fahre auch auf viele verschiedene Lehrgänge, um zu sehen, was die da so machen und ob ich etwas übernehmen kann. Ich kann eigentlich fast überall ein paar Kleinigkeiten oder Übungen mitnehmen.


Außer wenn mir einer schon beim Betreten des Dojo einen vom Pferd erzählen will, wie "Karate" geht und nur so und auf keinen Fall anders ...

Es gibt auch überraschende Ausnahmen. Als ich vor kurzem auf Dienstreise war, habe ich in einem JKA-Dojo mit trainiert, die zwar die entsprechenden Techniken entsprechend ausgeführt haben, aber sonst ganz entspannt drauf waren. Und hinterher sind wir ein Bier (also ich eine Cola) trinken gegangen und haben uns gemütlich ausgetauscht. Hatte ich so nicht erwartet.
Die haben allerdings auch focus mitts im Training verwendet. Sie sind also schon auf dem halben Weg zu Ketzerei :)

Grüße
Sven

Fachkraft
25-07-2023, 14:02
...
Jeder von denen kann bei uns Karate üben, weil ich für jeden sein persönliches Karate zusammenbastle. Was nicht geht, wird modifiziert oder gleich durch etwas anderes ersetzt.

Grüße
Sven

Neinneinnein! Bei RICHTIGEN Karate machen ALLE auf EIN Kommando GENAU die GLEICHE Bewegung! Manchmal auch Kombination. SO geht das.

Ripley
25-07-2023, 16:22
Sven, mich stört keineswegs, wenn Leute, auch Trainer für sich und ihre Schüler ein "eigenes" Karate entwickeln, abwandeln, anatomischer, ergonomischer etc. machen.

Was mir auf die Nuss geht, ist vielmehr der Absolutheitsanspruch und die Überheblichkeit, mit dem so mancher (sorry, es sind halt meist Kerle) das eigene Gemenge dann als DAS EINZIG RICHTIGE darstellt und alles andere abtut als falsch, unauthentisch, nicht heldenhaft genug und was der Vorwürfe mehr ist.

FireFlea
25-07-2023, 16:31
Als ich für die letzte Danprüfung geübt habe, habe ich mich vor allem darauf konzentriert, korrekte tiefe Stände einzunehmen. Dies ist etwas, was bei uns im Training eigentlich nicht so stark betont wird. Das Ergebnis war, dass nach ein paar Monaten mein rechtes Knie nachgegeben hat. Ich konnte für eine ganze Weile weder liegen, noch sitzen, noch stehen, noch laufen.
Ich habe schon immer vieles anderes und gesundheitsorientierer gemacht, aber das war der letzte Schubs, um mit aller Konsequenz alles rauszuschmeißen, was schädlich ist. Und siehe da, ich war tatsächlich in der Lage, die Probleme wegzutrainieren. Ich bin jetzt wieder völlig schmerzfrei.

Ich trainiere Erwachsene; die meisten davon älter als ich - ahem, also noch alter als ich. Wir haben Leute mit Knieproblemen, Überlebende von schweren Verkehrsunfällen, Leute, deren Bauchdecke von einem Netz zusammengehalten wird, ...
Jeder von denen kann bei uns Karate üben, weil ich für jeden sein persönliches Karate zusammenbastle. Was nicht geht, wird modifiziert oder gleich durch etwas anderes ersetzt.


Und genau deswegen halte ich es für nicht so optimal, irgendwo anders Prüfung zu machen. Denn Du trainierst eigentlich was anderes, als in der Prüfung verlangt wird, zwingst Dich dann, irgendeine Norm zu erfüllen, die keinen Mehrwert für Dich hat, die Prüfer geben Dir eine Graduierung auf Basis einers Standards, nur damit Du dann wieder etwas anderes an Deine Leute unterrichtest. Die dann selbst wieder irgendwas machen müssen, was sie nicht können/wollen, wenn sie selbst vor einer Prüfung stehen. Welchen Mehrwert hat dann so eine Prüfung noch?

karate_Fan
26-07-2023, 09:29
@Gibukai Wollte mich für deine interssanten Ausführungen bedanken. War wie immer höchst interssant diese zu lesen.

CeKaVau
27-07-2023, 08:42
Hallo,


Und genau deswegen halte ich es für nicht so optimal, irgendwo anders Prüfung zu machen.

Meine Leute machen ihre Prüfungen fast alle bei mir. Allerdings sind die Prüfungen nicht ganz so, wie sie auf Lehrgängen in der Pause gemacht werden. Es gibt auch Leute von außerhalb, die immer wieder für ihre nächste Graduierung bei mir vorbei kommen. Auch das liegt an der speziellen Sven-Prüfungs-Methode. Allerdings gibt es auch Leute, die bei mir Prüfung gemacht haben, und nie wieder kommen. Das ist völlig Okay, wenn sie bei mir nicht finden, was sie suchen, ist es gut und schön, einfach weiter zu suchen.

Ich denke aber mal, Du hast eher darauf angespielt, warum ich eine Prüfung gemacht habe, obwohl ich dafür meine Motorik umstellen musste.

Zum ersten, hat mir mein Prüfer noch nie gesagt, Du musst Deine Füße mehr nach vorn drehen; ich habe schon immer Enten-Karate gemacht. Nichts desto Trotz war ein immer ein (kleinerer) Kritikpunkt.
Ich wollte meinen Prüfer überraschen (wir kennen uns schon ziemlich lange) und habe deshalb speziell auf die Fußausrichtung hintrainiert. Nicht sehr weise, aber ich habe ja auch nie behauptet, besonders clever zu sein.

Zum zweiten: Warum überhaupt Prüfung, wenn das Programm eigentlich gar nichts mehr mit dem Karate zu tun hat, wie ich es ausübe?

Die Frage habe ich in der Tat schon häufiger bekommen; die Antwort ist so einfach, dass es die meisten nur mit einem Kopfschütteln zu Kenntnis nehmen: Weil ich es so möchte.
Das ist der ganze Grund: Weil ich es so möchte. :)

Grüße
Sven

CeKaVau
27-07-2023, 14:18
Hallo,


Du weißt ja, wer im DKV die SV-Ausbildung macht.

Nope, nicht wirklich. Ich habe mal gegoogelt, und der erste Treffer war die entsprechende DKV-Seite.

Auf dem entsprechenden Werbevideo ist zu sehen, wie jemand ein Messer abwehrt, indem er, ... Naja, reden wir nicht drüber.


Kannst das ja mit ihm diskutieren, wenn er bei Euch in der Nähe ist.

Wäre mir noch nicht aufgefallen, werde aber die Augen offen halten.


Du bist ja wirklich lustig. Du warst derjenige, der festlegen wollte, was sinnvolles Bunkai ist und was nicht.

Nein, habe ich nicht. Unter Umständen meinen Post noch mal lesen.

Ich habe immer betont, dass jeder seine Kata, sein Karate, seine Anwendungen, ..., so machen soll, wie er es gut und richtig findet und wie es ihm Spaß macht. Ich habe nur (und das aber immer wieder) darauf hingewiesen, dass man ganz genau wissen muss, was man da eigentlich tut. Kihon-Ippon-Kumite oder Bunkai, bei dem unrealistische Angriffe auf unrealistische Distanz abgewehrt werden, ist für sich wunderbar und nicht schädlich, wenn man darauf abfährt.
Dies als SV-Training zu üben, ist selbstmörderisch (was ebenfalls Okay ist). Dies als SV-Training zu verkaufen, ist kriminell fahrlässig.

Sieh Dir das JKA-SV-Video an, dass ich verlinkt habe. Bei 1:33 wird ein Angriff abgewehrt, der darin besteht, das Opfer in zwei Teile reißen zu wollen. Bei ca. 2:30 wird jemanden eine Pistole aus der Hand gekickt und bei ca. 3:10 wird ein Kurzschwert abgewehrt, indem sich auf den Boden geworfen wird.

Ehrlich jetzt?


Des weiteren habe ich darauf hingewiesen, dasss die Kata möglichst nah an Ihrer überlieferten Form geübt werden sollte, worauf Dir ncihts Besseres einfiel als:

...

Das hat nichts mit Gatekeeping zu tun, sondern in der Tradition des Karate kannst Du sie eben nicht einfach so üben wie Du magst (damit meine ich natürlich nicht alternative Übungsfomen wie wir es neulich in einem anderen Faden hatten) bzw. dann ist es eben kein Karate mehr.

Und genau hier scheitert es: Es gibt keine "überlieferte" Form.

Aus dem von mir verlinkten Video der Keio-Uni ist klar zu erkennen, dass die Kata (zumindest an einigen Stellen) anders ausgeführt wurden. Sie Dir den Anfang der Empi an.

Von Funakoshis "Karate Jutsu" zu seinem "Karate-Do Kyohan" sehen die gleichen Kata völlig verschieden aus. Wie kann das sein? Welche davon ist jetzt die "überlieferte Form", die "Tradition des Karate" die nicht verändert werden darf?

Sowohl Funakoshi Gichin in "Karate Jutsu" als auch Choki Motobu in "My Art and Skill of Karate" stellen Naihanchi (Shodan) vor. Beide Formen unterscheiden sich kaum; beiden Meistern war diese Kata besonders wichtig. Trotzdem unterscheiden sich die Kampf-Auffassungen beider Meister grundlegend.

Funakoshi vertritt die Auffassung, dass (sowohl in Kata, als auch Kampf) die vordere Hand zum Blocken sei, mit der hinteren wird gekontert (von Ausnahmen abgesehen). (Chapter 4.1)

Choki vertritt die Auffassung, dass beide ständig in Aktion (coupled hands; husband-and-wife hands) sein sollten, mit der vorderen Hand wird sowohl geblockt als auch unmittelbar gekontert. Er vertritt das "closest weapon - nearest target"-Konzept, wie es später von Bruce Lee popularisiert wurde. Wie das genau aussehen soll, kann in "Karate Jutsu: Kumite" von ihm nachgelesen werden.

Bei solch grundlegend verschiedenen Herangehens- und Interpretationsweisen gibt es nur eine Schlussfolgerung: die können unmöglich beide Karate gemacht haben. Richtig?

Kläre mich bitte auf, welcher der beiden, kein Karate betrieben hat. Und wie gesagt, wenn Du schon mal dabei bist: Bitte nenne und begründe die wahre und "überlieferte Form" der "Tradition des Karate".


Wenn die Kata einen Gedan Barai zeigt, dann ist eben auch ein solcher auszuführen und nicht etwa ein nach unten gehende Reißbewegung.

Bitte erläutere den motorischen Unterschied.


Daher ist für mich (sic!) diese Bemerkung:

"Bringt eure 8-jährigen Kinder zu uns in den Karateverein. Hier lernen sie Respekt und Selbstverteidigung." **Seufz**

respektlos gegenüber all' den Vereinen da draußen, die genau das den Kindern beibringen wollen.

Es ist in der Tat äußerst respektlos, Eltern und deren Kindern das Geld aus der Tasche zu leiern, indem ihnen leere SV-Versprechungen gemacht werden. Respektlos und Fahrlässig.


... und es ist Aufgabe und Pflicht der ÜL, ...

Aller Übungsleiter? Gilt das nur deutschlandweit oder gleich global?

Grüße
Sven

Ripley
29-07-2023, 14:56
Auf dem entsprechenden Werbevideo ist zu sehen, wie jemand ein Messer abwehrt, indem er, ... Naja, reden wir nicht drüber.


Zur Auflockerung hier auch eine charmante und vollkommen zuverlässige Methode:
https://www.facebook.com/reel/745764067322667?s=yWDuG2&fs=e

Offenbar brauchen wir doch die Amis, damit sie uns zeigen, wie's geht.

lifeisfight
29-07-2023, 15:35
Zur Auflockerung ..

Offenbar brauchen wir doch die Amis, damit sie uns zeigen, wie's geht.

war hier nicht auch grade jemand der einen neuen Gi suchte ? :p

kanken
30-07-2023, 10:16
Es ist aber auch möglich, wenn man das noch vorhandene Wissen zusammenträgt und beachtet, einigermaßen nah‘ an das Original heranzukommen.

Des weiteren, auch bei authentischen Linien muss man immer sehen, wie diese zustandekommen. Letztlich kann auch da keiner wissen, ob es nicht vor 300 Jahren mal einen Strukturbruch gab und was da verloren gegangen sein könnte.


Da sprichst du einen guten Punkt an. Nicht jede authentische Linie ist „intakt“. In meiner persönlichen Definition ist eine Linie dann authentisch wenn sie kämpferische Skills lehrt und praktisch umsetzen kann, die früher auch so gelehrt wurden. Die praktische Seite ist, für mich, das Entscheidende.
Wenn eine Linie in einem freien Kampf nicht bestehen kann, dann ist sie tot, egal wie „alt“ sie ist.

In den chinesischen Linien gibt es die Lehrsprüche, die die Kernelemente eines Stils beschreiben.
Jemand, der in einer solchen Linie steht, sollte diese Sprüche kennen, verstehen und umsetzen können. Sehr viele verschiedene „Stile“ haben sehr ähnliche Lehrsprüche, da die ursprünglichen Konzepte gerade in der Qing Dynastie verbreitet wurden. Seien es nun die neun (manchmal auch 10) essentiellen Anforderungen von Yue Fei oder die Schlüsselemente der 10 Methoden von Cao Jiwu, oder andere. All diese Texte (oder Varianten davon) findet man in vielen verschiedenen Richtungen, bzw. den Inhalt der Lehrsprüche.
Die blumigen Sprüche kennen viele Praktizierende, aber nur wenige können die Tiefe dieser Sprüche erklären und zeigen, was natürlich auch an der Lehrmethode liegt.

Man muss spüren was möglich ist, um eine Ahnung zu bekommen was chinesische KK beinhalten können. Ich habe das bisher nur bei zwei Leuten gespürt. Bei Paul und bei Nassems Lehrer Yu Guangde. Ich habe aber auch sehr, sehr viele Menschen getroffen die behaupten in einer authentischen Linie zu sein, die aber sehr weit weg waren auch nur ansatzweise diesen Skill zu haben.

All diesen “Stilen“ ist gemeinsam dass sie eine Methode haben um den Körper zu schulen, d.h. ihn wahrnehmen zu lernen und steuern zu lernen (was einer Umsetzung der „3 Abschnitte“ entspricht). Egal ob das nun stehen, gehen, kreisgehen, auf einer Linie gehen etc. ist. Diese Basisübungen beinhalten aber eben auch noch sehr viel mehr. Sie haben sehr, sehr viele Schichten die dem Übenden nach und nach gezeigt werden.
Diese Schichten, bzw. deren Inhalt, muss man im Kämpfen erkennen können und der Übende muss erklären können was er da macht.
Dazu gibt es dann natürlich auch verschiedene Partnerübungen, die sozusagen als „Labor“ dienen um diese Skills zu erforschen und in die Anwendung zu bringen, denn die verschiedenen Schichten der Übungen vermitteln verschiedene Prinzipien der Bewegung, der Bewegungssteuerung und des Kampfes.

Durch Lehrsprüche, bzw. Lehrwörter (sinken, entspannen, Hüfte, Schulter, streuen, drehen etc) werden diese Prinzipien erklärt. Diese Worte/Sprüche sind jedoch abstrakt und zielen auf verschiedene Ebenen und genau das macht eine chinesische Linie eben aus. Sie schult Verstand, Emotion und den Körper (im Sinne von Ausbildung spezifischer neuronaler Netze).
Nur wenn das alles ineinander greift ist FÜR MICH eine Linie authentisch. Nur dann kann sie die Ergebnisse auch im Kampf zeigen.

Man kann diese Inhalte nicht so einfach wieder herstellen, wenn sie einmal weg sind. Man muss FÜHLEN wie sich das Ergebniss anfühlt. Man muss fühlen was jedes einzelne Wort, jeder Spruch, im Körper macht. Dem des Ausübenden und dem des „Empfangenden“. Wenn da keiner ist der die körperlichen Skills hat, dann kann man das auch nicht erfahren.

Es gibt ja den schönen Begriff das man das Wissen vom Lehrer „stehlen“ muss. Das meint das der Lehrer einen diese Dinge zwar spüren lassen kann, aber man muss selber herausbekommen wie man das körperlich erreicht, dafür sind die Wörter, Sprüche und Erklärungen da. Der Lehrer gibt einem das Wissen und die körperliche Erfahrung, aber er kann einem nicht die Umsetzung geben. Man selber herausbekommen wie das theoretische zum praktischen führt. Ohne das Ziel (das Spüren des Ergebnisses) oder die Theorie (die Sprüche, Wörter und Erklärungen) wird man das jedoch nicht erreichen können.

Das heißt jetzt nicht das ein Übender deswegen nicht ein guter Kämpfer werden kann, aber ohne diese spezifische körperliche Fähigkeit ist es eben nicht eine authentische Linie (auch wenn sie evtl. noch so, warum auch immer, genannt wird). Ein, zwei Generationen später können die Leute dann evtl. auch nicht mehr kämpfen und dann hat man den Salat…

Am Ende des Tages muss man damit in einem freien Kampf bestehen können, wenn man das nicht lernt, dann ist es Etikettenschwindel. Es heißt ja KAMPFkunst, also muss man lernen zu kämpfen.

Jeder Stammbaum, jede „historische Linie“ sind nur Namen auf dem Papier und praktisch absolut uninteressant. Es ist intellektuell befriedigend zu verstehen wer da vorher was und warum geübt hat, aber es hat absolut null praktischen Wert.

Das, was zählt, ist was man selber im Kampf kann und was der Lehrer kann und einem bereit ist beizubringen. Die Methode ist alt und authentisch und sie ist intakt wenn sie den Skill weitergeben kann und man selber damit in freien Kämpfen bestehen kann.

Es ist doch nichts verwerfliches daran zu sagen wir machen Karate, aber eben nicht „authentisch“ wie auf Okinawa, sondern neu und für die Anforderungen der heutigen Zeit. Kein erfundenes oder „importiertes“ Bunkai als Krücke, sondern das, was man selber für nützlich befunden hat und was man selber im freien Kampf zeigen kann.

karate_Fan
31-07-2023, 08:44
Das sind wie immer sehr interessante Ausführungen Kanken. Vielen Dank dafür.


Denke ja auch das man immer vorsichtig sein sollte wenn etwas on Original angepriesen wird. Kann verstehen, dass es sehr verlockend ist nach einer KK zu suchen die möglichst in Takt überliefert wurde. Man sollte allerdings dabei nie den Faktor Mensch außer Acht lassen. Ebenso wenig die Zeiten.

Beim Thema original überlieferte Kata muss man sich ja erst mal fragen von welchen Karate wir genau sprechen.

Karate sein Gesicht/Image ja oft verändert.

Es war mal eine Selbstverteidigungskunst für den okinawischen Adel der unter SV wohl was ganz anderes verstand als die heutigen modernen SV Menschen. Dann hat man Karate in eine Kunst für die Leibeserziehen der japanischen Jugend verwandelt. Und dann wurde daraus ein Wett Kampf Sport.

Ich frage mich ja ob es überhaupt möglich ist da wirklich was intakt zu überliefern wo sich doch der Hauptzweck des Karate immer stark gewandelt hat.

Jede Auslegung des Karate hat völlig andere Ziele und es würde mich wundern wenn man bestimmte Kata nicht verändert hätte um diese Ziele besser zu erreichen???

FireFlea
31-07-2023, 09:59
Möglich ist das natürlich, s. koryu. Dort gibt es natürlich auch mal Anpassungen, in der Regel ist aber nur ein kleiner Personenkreis bzw. nur der Lineage-Halter berechtigt, diese vorzunehmen.

ZEN2021
31-07-2023, 10:15
Die Faszination Kata ist nach wie vor ungebrochen. Gleichwohl man sich sehr schnell in Tagträume verlieren kann. Wer die Werke von R. Habersetzer oder auch W. Lind gelesen hat, der weiß, was ich damit meine und ich nehme mich da nicht raus. Auch ich habe Jahre(!) damit zugebracht in den "überlieferten" Formen tiefgehende Botschaften zu entdecken. Ich möchte diese Zeit nicht missen, aber es ist wie immer die Intention, die letztlich den roten Faden gibt. Bei mir war und ist es nach wie vor die SV und wie schon weiter oben beschrieben: Das ist ein weites Feld. In meinen nunmehr 46 Lenzen hatte ich (Maschallah!) noch keine gefährliche Situation für Leib und Leben - weder für mich noch für meine Familie. Die wenigen verbalen Konfrontationen habe ich irgendwo auch selbst verschuldet, weil zu vorlaut gewesen - aber es wurde nie körperlich. So gesehen kann ich nicht sagen, ob denn irgendwas aus meinem "Repertoire" funktioniert hätte. Vielleicht will ich es auch gar nicht wissen.

Am Ende noch ein persönlicher Impuls:
Brachial-reale Gewalt können sich meiner Ansicht nach nur sehr wenige Menschen vorstellen - vor allem die damit verbundenen psychologischen und auch juristischen Konsequenzen. Präventiv und de-eskalierend kann schon sehr viel abgefangen werden - hier liegt für mich nach wie vor ein Schwerpunkt jedweder SV; auch wenn damit wenig Ego poliert wird. Jedoch erscheint mir die brachiale körperliche Auseinandersetzung mit einem aggressiven Menschen, der Schmerz oder gar Schlimmeres zufügen möchte eine ganz andere Ebene zu sein und ich wäre damit höchstwahrscheinlich (auch nach all den Jahrzehnten) schlichtweg überfordert. Ob nun Karate, Wing Chun, Krav Mag et al - und bei allen "Stressdrills" (ja, ich habe diese Seminare auch gemacht) - irgendwie sollte sich der Normalbürger im Klaren darüber sein, dass wir als Zivilisten (die eben nicht beruflich mit Gewalt konfrontiert werden und damit umgehen müssen) ein Limit haben, über das es eben meist nicht hinausgeht.


Zurück zur Kata: Selbst wenn die "Linie" intakt ist, sagt dies (wie schon oben mehrfach erwähnt) nichts darüber aus, inwieweit die dortigen Inhalte überhaupt tauglich sind - falls sie denn entsprechend überliefert - meinetwegen auch angepasst - und gescheit vermittelt wurden/werden. Und selbst wenn sie für den "Stilgründer" tauglich waren - naja, für Hans und Erna müssen sie dies noch lange nicht sein. Da sind so viele unwägbare Komponenten im Spiel - jeder muss für sich seinen individuellen Weg finden und es ist nach wie vor ein Graus, wie viel Mist/Müll auch heute noch in den Vereinen verballhornt wird und man sich als "greenhorn" erst einmal durch diesen Müll arbeiten muss, um eine kleine Idee zu haben, um was es eigentlich geht.

ainuke
31-07-2023, 11:50
...
Zurück zur Kata: Selbst wenn die "Linie" intakt ist, sagt dies (wie schon oben mehrfach erwähnt) nichts darüber aus, inwieweit die dortigen Inhalte überhaupt tauglich sind - falls sie denn entsprechend überliefert - meinetwegen auch angepasst - und gescheit vermittelt wurden/werden. Und selbst wenn sie für den "Stilgründer" tauglich waren - naja, für Hans und Erna müssen sie dies noch lange nicht sein. Da sind so viele unwägbare Komponenten im Spiel - jeder muss für sich seinen individuellen Weg finden ...

Wahrscheinlich steht aus aus diesem Grund im ersten Buch über die Stilrichtung Ryu-sui ken u.a. folgender Satz:

"専門家にとって挙法は自分のものであって改変は止むを得ないと思う。時代に佐右され、門弟指導上からの改変 もある訳であって,全然別のように見えるが、やはり師から得たものが基礎となっている。土台があってこそ納 得のゆく建築が出来るのである"

Mit Übersetzungsprogramm DeepL (www.DeepL.com/Translator, kostenlose Version) übersetzt kommt das dabei heraus:

"Für Spezialisten ist die Methode ihre eigene, und Änderungen sind unvermeidlich. Die Methoden sind durch die Zeit beeinflusst worden, und es gab auch Änderungen im Unterricht der Schüler, und obwohl sie völlig unterschiedlich erscheinen, basiert die Grundlage immer noch auf dem, was man vom Meister gelernt hat. Nur wenn eine Grundlage vorhanden ist, kann eine zufrieden stellende Architektur entstehen."

Das klingt so, als ginge es um bestimmte Prinzipien, aber die Ausführung der Kata dürfte durchaus individuell angepasst werden.

lifeisfight
31-07-2023, 12:04
https://www.youtube.com/watch?v=GL14IyQbvbM

karate_Fan
01-08-2023, 19:09
Möglich ist das natürlich, s. koryu. Dort gibt es natürlich auch mal Anpassungen, in der Regel ist aber nur ein kleiner Personenkreis bzw. nur der Lineage-Halter berechtigt, diese vorzunehmen.

Ja das stimmt natürlich. In einem recht kontrollierten Umfeld wie in einer Koryu ist das mit der Wissenserhaltung etwas leichter als mit Main Stream Karate was ja viel weiiter verbreitet ist.


Das Koryu thema bringt aber auf einen interssanten Gedanken. Vielleicht sind ja im Motobu udundi die Kata noch weitgehend in originaler Form enthalten?

Katamaus
01-08-2023, 22:54
Das klingt so, als ginge es um bestimmte Prinzipien, aber die Ausführung der Kata dürfte durchaus individuell angepasst werden.

Das finde ich ziemlich offensichtlich. Die alles entscheidende Frage ist, wer das darf. Ich würde meinen, nicht Kreti und Pleti.

Katamaus
01-08-2023, 23:04
es würde mich wundern wenn man bestimmte Kata nicht verändert hätte um diese Ziele besser zu erreichen???

Wenn man sich die Naihanchi von Motobu Choki in seinem Buch anschaut, kommt man zum gegenteiligen Schluss.

Überhaupt: Welche Kata sollte denn heutzutage dem Ziel Wettkampfsport besonders zuträglich sein? Oder meinst Du kleine Abwandlungen, damit es schicker aussieht? Die gab es natürlich.

Katamaus
01-08-2023, 23:27
@kanken: zunächst einmal beides sehr gute Posts, die ich fast komplett so unterschreiben kann.


Man muss spüren was möglich ist, um eine Ahnung zu bekommen was chinesische KK beinhalten können. Ich habe das bisher nur bei zwei Leuten gespürt. Bei Paul und bei Nassems Lehrer Yu Guangde. Ich habe aber auch sehr, sehr viele Menschen getroffen die behaupten in einer authentischen Linie zu sein, die aber sehr weit weg waren auch nur ansatzweise diesen Skill zu haben.

Vollkommen einig, vor allem was den zweiten Punkt betrifft. Zum ersten Punkt fielen mir ein oder zwei andere ein (die beiden Genannten habe ich nicht erlebt aber ich denke, ich weiß, was Du meinst.


Man kann diese Inhalte nicht so einfach wieder herstellen, wenn sie einmal weg sind. Man muss FÜHLEN wie sich das Ergebniss anfühlt. Man muss fühlen was jedes einzelne Wort, jeder Spruch, im Körper macht. Dem des Ausübenden und dem des „Empfangenden“. Wenn da keiner ist der die körperlichen Skills hat, dann kann man das auch nicht erfahren.


Nicht einfach so. Richtig! Aber Du benennst ja auch den Empfangenden als sehr wichtiges Element. Und da ist es eben sowohl möglich, dass der geniale Lehrer bei seinem Schüler auf unfruchtbaren Boden stösst, als auch dass das kämpferische Genie sich das (er)neu(t) erarbeitet.


Man selber herausbekommen wie das theoretische zum praktischen führt. Ohne das Ziel (das Spüren des Ergebnisses) oder die Theorie (die Sprüche, Wörter und Erklärungen) wird man das jedoch nicht erreichen können.


Nicht, dass ich glaube, dazu fähig zu sein aber warum sollte das nicht gehen? Dann gäbe es ja keine Stilgründer bzw. keinen „Urknall“.


Das heißt jetzt nicht das ein Übender deswegen nicht ein guter Kämpfer werden kann, aber ohne diese spezifische körperliche Fähigkeit ist es eben nicht eine authentische Linie (auch wenn sie evtl. noch so, warum auch immer, genannt wird). Ein, zwei Generationen später können die Leute dann evtl. auch nicht mehr kämpfen und dann hat man den Salat…


Genau so gut können aber auch neue Linien entstehen.


Es ist doch nichts verwerfliches daran zu sagen wir machen Karate, aber eben nicht „authentisch“ wie auf Okinawa, sondern neu und für die Anforderungen der heutigen Zeit.


Natürlich nicht. Wobei ja durchaus diskutabel ist, was da wie authentisch ist auf Okinawa.


[Kein erfundenes oder „importiertes“ Bunkai als Krücke, sondern das, was man selber für nützlich befunden hat und was man selber im freien Kampf zeigen kann.

Was wiederum bedeutet, dass man das, was das Üben von Kata einen gelehrt hat, auch ohne Anweisung eines Lehrers aus einer authentischen Linie, in eine Anwendung mit hineinbringt und dass das sogar ziemlich gut funktioniert. Es hängt eben, wie Du ja auch sagst, sehr stark vom eigenen Einfühlungsvermögen ab, ob man abstrakte Bewegungsprinzipien erspüren kann oder nicht.

Katamaus
01-08-2023, 23:49
Nein, habe ich nicht. Unter Umständen meinen Post noch mal lesen.

Brauche ich nicht. Das:

Dies wird als Anwendung gelehrt und geübt. Ergibt das viel Sinn? Kommt drauf an.

Wenn man sein Karate als Spiel begreift (so wie Schach oder Risiko Kriegsspiele sind und nicht Krieg), ist das völlig in Ordnung.
Wenn man sein Karate als SV-Training begreift, geht das überhaupt nicht in Ordnung.


blendet die von mir gelieferte Erklärung, warum so etwas geübt wird, vollkommen aus. Da Du die jedoch wiederholt ignorierst, können wir den Teil hier abbrechen.


Ich habe immer betont, dass jeder seine Kata, sein Karate, seine Anwendungen, ..., so machen soll, wie er es gut und richtig findet und wie es ihm Spaß macht.

Diese Auffassung teile ich explizit nicht. Wenn jeder macht, was er will und was ihm Spaß macht, dann führt das in den Wald und hat mit der traditionellen Überlieferung in KK/KS (ich erinnere erneut an Shu Ha Ri) mal so gar nichts zu tun.


Ich habe nur (und das aber immer wieder) darauf hingewiesen, dass man ganz genau wissen muss, was man da eigentlich tut. Kihon-Ippon-Kumite oder Bunkai, bei dem unrealistische Angriffe auf unrealistische Distanz abgewehrt werden, ist für sich wunderbar und nicht schädlich, wenn man darauf abfährt.


Wie wäre es, wenn ich Dich mit Oizuki aus einer von mir frei gewählten Distanz angriffe? Fändest Du das unrealistisch? Oder könnten wir uns darauf einigen, dass es einfach viele Menschen in der Karatewelt gibt, die keine Ahnung haben, was eine realistische Distanz ist.


Sieh Dir das JKA-SV-Video an, dass ich verlinkt habe.

Nö. JKA interessiert mich nicht.


Und genau hier scheitert es: Es gibt keine "überlieferte" Form.

Nun ja, die Kata, die ich gelernt habe, habe ich auch bei Kase so gesehen und er hat sie bei Funakoshi Gigo so gelernt. Was also soll hier nicht überliefert worden sein? Wo ist deiner Meinung nach der Bruch?


Von Funakoshis "Karate Jutsu" zu seinem "Karate-Do Kyohan" sehen die gleichen Kata völlig verschieden aus. Wie kann das sein? Welche davon ist jetzt die "überlieferte Form", die "Tradition des Karate" die nicht verändert werden darf?


Quod licet Iovi, non licet bovi.


Bei solch grundlegend verschiedenen Herangehens- und Interpretationsweisen gibt es nur eine Schlussfolgerung: die können unmöglich beide Karate gemacht haben. Richtig?


Ich lasse das mal für Henning. Kases epische Ausführungen zu Hente lassen mich allerdings zu einem anderen Schluss bzgl. Funakoshis Auffassung von der Aufgabe der annehmenden Hand kommen.


Es ist in der Tat äußerst respektlos, Eltern und deren Kindern das Geld aus der Tasche zu leiern, indem ihnen leere SV-Versprechungen gemacht werden. Respektlos und Fahrlässig.

Nun, ich kenne Kinder, die sich mit Karate verteidigt haben. Ich finde es respektlos und überheblich, wie DU pauschal irgendwelchen Vereinen, die Du gar nicht kennst, die Kompetenz absprichst, Kindern so etwas beizubringen.

kanken
02-08-2023, 09:24
Nicht einfach so. Richtig! Aber Du benennst ja auch den Empfangenden als sehr wichtiges Element. Und da ist es eben sowohl möglich, dass der geniale Lehrer bei seinem Schüler auf unfruchtbaren Boden stösst, als auch dass das kämpferische Genie sich das (er)neu(t) erarbeitet.

Nicht, dass ich glaube, dazu fähig zu sein aber warum sollte das nicht gehen? Dann gäbe es ja keine Stilgründer bzw. keinen „Urknall“.

Genau so gut können aber auch neue Linien entstehen.


Die drei Punkte beziehen sich, in meinen Augen, alle auf den selben Punkt.

In den CMA sind die KK dadurch entstanden, dass sich im Laufe der Zeit das Verständnis für Bewegung, Bewegungssteuerung und die Anwendung davon im Kampf immer ausgefeilter wurden. All das war natürlich angepasst an die Bedürfnisse der Zeit in der ein Übender gelebt hat.

Ein „Stil“ ist in China niemals festgelegt, sondern entwickelt sich mit jeder Generation weiter (jedenfalls so, wie ich es kennengelernt habe). Die Leute (ab einem gewissen Erfahrungslevel und mit Erlaubnis des Lehrers) tauschen sich aus, gucken wie sie die Prinzipien an die Erfordernisse anpassen, werden subtiler und besser.

Auf die Dinge, die ich lerne, kann man nicht in einem Leben alleine kommen. Vieles kommt aus dem Umgang mit Waffen und funktioniert ohne eben auch sehr gut. Darauf kommt man aber ohne die Waffe eben nicht. Auch die Didaktik ist (im Idealfall) immer weiter ausgefeilt worden und eben auch an die Bedürfnisse der jeweiligen Zeit und Übenden angepasst worden.

Ich habe in meinen 30 Jahren Kampfkunst schon sehr viele, seht gute Kämpfer kennengelernt (auf internationalem Niveau, Polizei, Militär, Milieu etc.) aber keiner hatte die Bewegungsqualität von Paul.
Bewegungsqualität alleine sagt aber erst einmal gar nichts aus über die Gewaltkompetenz die man hat, denn zum Kämpfen gehört immer das Umfeld, der Zweck und die Regeln.
Aber neben Intent ist Bewegungsqualität einer der wichtigsten Faktoren, die man aktiv trainieren kann und genau da sind die authentischen Linien stark. Klar, die Konzepte der Bewegung im Raum, der Ebenen, der Winkel etc. sind auch wichtig, aber erst in Kombination mit der Bewegungsqualität und dem Intent kommen sie richtig zur Geltung.
Die Art der verwendeten Waffen kann das Spiel jedoch massiv beeinflussen und natürlich der Zweck der Gewaltausübung bzw. die geltenden Regeln.

Ein Athlet der heutigen Zeit hat natürlich auch eine gute (oder herausragende) Bewegungsqualität, einen guten Intent, einen Gameplan etc. aber halt in seinem Setting. Frühere Kampfkünstler (in China) waren halt oft eine Art Polizei (Yamen Runner), arbeiteten für Milizen, Geiheimbünde, das Militär und hatten damit eben einen anderen Hintergrund mit was und für was sie arbeiteten. Daher entwickelten sie andere Bewegungsideen als heutige Sportler (eben auf dem Umgang mit Waffen basierend) und verfeinerten diese Art des Trainings über Jahrzehnte oder teils über Jahrhunderte. Dabei geht es gar nicht um einen konkreten „Stil“ der so alt sein muss, sondern eben über die Überlieferung dieser Qualitäten und der Art des Trainings vom Lehrer auf den Schüler.

Schon immer haben die Leute das trainiert was funktioniert und was sie beeindruckt hat. Das Leute 2 oder 3 „Stile“ trainiert haben, bevor sie bei einem Lehrer „hängengeblieben“ sind war durchaus normal und auch dass dieser Lehrer evtl. etwas eigenes „kreiert“ hat.
Klar der 08/15 Soldat, oder Trainierende, hat komplexere Sachen natürlich nicht gezeigt bekommen, warum auch? Aber wer länger dabei war, Talent, Interesse und Loyalität zeigte, der wurde auch unterrichtet, zumal wenn man sein eigenes Leben ihm anvertrauen musste.

Auch heute können so natürlich neue „Stile“ entstehen und gute Kampfkünstler, mit guter Bewegungsqualität, können Richtung mit außerordentlichen Effekten „begründen“ (gerade im BJJ geschieht das ja gerade). Wie damals kann man das heute natürlich alles physiologisch erklären.

In meinen Augen haben intakte „authentische“ Linien da einfach einen sehr langen Entwicklungs- und Erfahrungsvorsprung von dem man heute sehr profitieren kann. Glücklicherweise ist Austausch bei richtig guten Leuten ja eher die Regel als die Ausnahme.

MGuzzi
02-08-2023, 09:33
.
Nicht, dass ich glaube, dazu fähig zu sein aber warum sollte das nicht gehen? Dann gäbe es ja keine Stilgründer bzw. keinen „Urknall“.


Es gab nie einen Urknall.
Kampfkunst- oder Stilgründer haben doch nie etwas aus dem Nichts heraus erfunden, sondern dass was es gab verarbeitet und daraus eine für sie passende Variante geschaffen, die manchmal auch eine Verbesserung oder Anpassung enthalten konnte.
So was kann man nicht mal eben neu erfinden, das sind Entwicklungen über einen langen Zeitraum, die verschiedenen Einflüssen unterliegen.

Katamaus
02-08-2023, 10:55
Die drei Punkte beziehen sich, in meinen Augen, alle auf den selben Punkt.

Im Prinzip, ja. Ich hatte Dich schon verstanden und das

In meinen Augen haben intakte „authentische“ Linien da einfach einen sehr langen Entwicklungs- und Erfahrungsvorsprung von dem man heute sehr profitieren kann.
ist unbestritten.


Es gab nie einen Urknall.

Bitte Kontext beachten. Es ging darum, ob man ohne entsprechende Zielvorstellung etwas erreichen kann. Die kommt aber nicht einfach so vom Himmel, sondern irgendwer hat begonnen, die zu entwickeln. Natürlich ist es mit selbiger leichter.

Insgesamt lässt sich wohl festhalten, dass die Grenzen hier fließend sind. Zwischen einer kaputten Übertragungslinie mit untalentierten Schülern und einer authentischen Linie mit einem genialen Meisterschüler liegt eben ein weites Feld. Dementsprechend ist eben auch denkbar, dass ein unbegabter Schüler in einer authentischen Linie eine größere Wurst ist als ein mega Begabter in einer Kaputten.

MGuzzi
02-08-2023, 13:18
Bitte Kontext beachten. Es ging darum, ob man ohne entsprechende Zielvorstellung etwas erreichen kann. Die kommt aber nicht einfach so vom Himmel, sondern irgendwer hat begonnen, die zu entwickeln. Natürlich ist es mit selbiger leichter.



Was bedeutet "Zielvorstellung"?
Es ging doch darum ob man ohne entsprechende Übertragung das Gleiche erreichen kann, wie ohne, sozusagen aus sich selbst heraus. Du meintest, es wäre möglich wie in einem Urknall etwas aus sich heraus zu entwickeln, und das wäre gleichzusetzen mit der Gründung eines Stils, bzw. einer Kampfkunst. So verstehe ich das jedenfalls. Wenn das nicht zutrifft, was sonst meinst du damit?

kanken
02-08-2023, 14:42
Wenn man Urknall auf einen „Stil“ anwenden will, dann gab es das natürlich. Die Leute, die so etwas seriös getan haben, habe das jedoch nicht „aus dem Nichts“ getan, sondern haben andere Kampfkünste gelernt und „Ihrer“ Kampfkunst einen Namen gegeben.
Diese anderen Kampfkünste haben jedoch ebenfalls eine Geschichte und wenn der „Gründer“ dort tief genug „eingeweiht“ war, dann hat er dieses Wissen eben neu auf seine Bedürfnisse und seine Zeit angewandt.
Seine Skills hat er jedoch weil er eben vorher anderes Zeug trainiert hat.

Das jemand, der nie eine Kampfkunst gelernt hat und nur Autodidakt ist, plötzlich aus dem Nichts etwas Gescheites auf dem Niveau seriöser KK gründet habe ich noch nie gesehen.

Kensei
02-08-2023, 15:47
Ich auch nicht.
Die Art und Weise mit Waffen zu kämpfen hat sich parallel mit der Nutzung von Werkzeugen entwickelt. Über Jahrtausende. Ich wüsste nicht, wie und wo da anthropologisch eine Art "Urknall" herkommen sollte. Das waren einfach lange, mühevolle Wege von "trial and error".

ZEN2021
02-08-2023, 17:53
"Trial and error" finde ich eine äußerst treffende Beschreibung dazu. Um einmal den Bogen zurück zu Kata/Bunkai zu schlagen: Ich tue mir nach wie vor sehr schwer damit, dass "weise alte Meister" am Werk waren, eine Kata entwickelten (u.a. natürlich auf eine exakte Balance von Yin und Yang achtend - genau darauf schauten, welche Meridiane bei welcher Technik aktiviert werden) und ihr Wissen natürlich nur an die auserwählten Super-Duper-Meisterschüler weiter vermittelten. Sorry - ne.

Ziehen wir die Passai vs Naihanchi heran: Es fällt direkt auf, dass die Naihanchi symmetrisch ist - wir arbeiten zur einen und dann "exakt" zur anderen Seite. Die Passai ist das nicht. Böse Zungen würden sagen, dass die Passai eine mitunter eine reine Aneiananderreihung von Techniken ist, die taktische Prinzipien für die SV enthalten. Klar! Jedoch muss ich die erst einmal mühevoll herausarbeiten. Die Zeit habe ich aber nicht! Jetzt nehme ich die Naihanchi als ein derartiges "codiertes Komplettpaket" (War das nicht die Intention einer Kata?) und stelle fest: Hier geht es von der ersten "Technik"/"Idee" an direkt zur Sache!

Konkreter Vergleich:

a) Passai "öffnet" mit einem "Gruß aus dem alten China" und geht in eine mit unter mannigfaltig zu interpretierenden Offensive mit Knie direkt nach vorne in den zB klassischen "Handgelenkskipphebel" (jetzt bitte nicht in Details verlieren). Das ist ok - absolut ok. Ich ramme mein Knie in einen Störer und wenn ich am Arm gepackt werde. Das funzt absolut.

b) Naihanchi eröffnet mit einer Bewegung, die dem gekreuzten Tan-Sao aus dem Wing Chun oder aber den Wuji-Hands aus dem Tai Ji Quan erschreckend ähnlich ist. Intention: Es kommt was auf mich zu und ich habe komplett gepennt im Sinne der Prävention: Was tun? Ellenbogen hoch und die Rübe schützen! Macht Sinn, funktioniert und schützt mich relativ hoher Wahrscheinlichkeit erst einmal vor einem direkten KO. Es ist vor allem Wurscht, WIE die Bombe einschlägt - damit haben wir auch diese ewigen Spielereien aus dem Weg geräumt im Sinne von "wenn, dann". Im Sparring (Boxhandschuhe an und druff) kann die Intensität hierbei extrem erhöht werden - es funktioniert, unabhängig von Alter und Geschlecht (ok, die Oma gegen das 20jährige Kalb...*augenverdreh - ihr wisst, wie ich das meine). Auf diese Art und Weise "liest" sich die Naihanchi wie ein Buch, dass regelrecht abgearbeitet werden kann - eben immer die SV für den Normalbürger im Blick. Es geht nicht darum in einem UFC Turnier zu bestehen. Bei der Passai habe ich unter diesem Gesichtspunkt meine Schwierigkeiten. Das geht ja schon los, welche Passai/Bassai-Variante wir nehmen und lernen. Wenn du nur die Shotokan Variante lernst, weil eben nur solch ein Verein vor Ort - dann wird es sehr herausfordernd an der Kata entlang den Sprung zur SV zu bekommen.


Warum nun die Kata? Naja, die Kata ist in diesem Fall ein Gedächtnisprotokoll - ein Spickzettel, der immer wieder und wieder diese Ideen in dein Gehirn hämmert - aber natürlich muss das Zeugs auch gedrillt werden, was ich aber (nach Jahren mit diversen Übungsgruppen) mittlerweile (je nach Anwender/in) als eine Art "Auto fahren" sehe. Wenn das einmal sitzt, wenn die Message einmal verstanden, dann ist das auch durchaus abrufbar. Aber(!) damit füllst du natürlich keine deutsche Vereinskultur, gekoppelt an Senseis-Sempais-Häuptlinge, Klopperegoisten, gemeinsame Grillabende *kotz und diese elende Gürtelhierarchie *würg! Dazu braucht es auch keine Anzüge!


Ihr merkt, dass dies einen gänzlich anderen didaktischen Aufbau des Trainings mit sich bringt - wertneutral zu lesen. Klar ist die Aufteilung irgendwie Kata, Kihon und Kumite - aber eben unter ganz anderen Gesichtspunkten: Die Kata liefert die abstrakte Idee - Kihon drillt die Idee im körperlichen Sinne und im Kumite wird getestet/geschliffen, bis der Reflex bzw. die Mauer (im obigen Fall exemplarisch die Ellenbogenmauer) steht und zwar auch unter eben nicht "netten" Bedingungen wie zum Beispiel die weiche Matte - da geht es auf die Straße vor der Halle auf den Betonboden oder da stehen auf einmal Stühle im Weg. laute Musik im Hintergrund, Stresspegel hoch drei - oder du sitzt im Auto, liegst auf der Couch und und und.

Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Ist das denn noch Karate? Oder bin ich da in irgendwie in der z.B. Krav-Maga-Ecke gelandet und bediene mich aus Karate-Elementen? Moment! Wenn das doch Elemente des Karate sind - warum dann Krav-Maga? Hä?! Sehr verwirrend das Ganze...*g

Katamaus
02-08-2023, 19:56
Es ging doch darum ob man ohne entsprechende Übertragung das Gleiche erreichen kann, wie ohne, sozusagen aus sich selbst heraus.

Nein, kankens Aussage war, das man eine bestimmte Qualität nicht ohne die zugrundeliegende Theorie und die entsprechenden Bilder erreichen kann. Irgendwer muss aber mal damit angefangen haben, Bilder zu vermitteln, denn diese Bilder fallen ja nicht vom Himmel.


Die Leute, die so etwas seriös getan haben, habe das jedoch nicht „aus dem Nichts“ getan, sondern haben andere Kampfkünste gelernt und „Ihrer“ Kampfkunst einen Namen gegeben.

Das ist aber nicht plötzlich aus dem Nichts gekommen. Am Anfang war aber nichts und dann war es eben ein Prozess an dem verschiedene Menschen beteiligt waren und, wie Du ja richtig schreibst, sich über die Zeit etwas entwickelt hat. S.o.


Das jemand, der nie eine Kampfkunst gelernt hat und nur Autodidakt ist, plötzlich aus dem Nichts etwas Gescheites auf dem Niveau seriöser KK gründet habe ich noch nie gesehen.

Das meine ich auch nicht. Hier geht es aber um Bunkai im Karate. Selbst wenn die Linie nicht authentisch und zudem noch unterbrochen ist, ist aber auch irgendwas noch da. Das ist micht nichts. S.u.


Sorry - ne.

Einig!


a) Passai "öffnet" mit einem "Gruß aus dem alten China" und geht in eine mit unter mannigfaltig zu interpretierenden Offensive mit Knie direkt nach vorne in den zB klassischen "Handgelenkskipphebel" (jetzt bitte nicht in Details verlieren). Das ist ok - absolut ok. Ich ramme mein Knie in einen Störer und wenn ich am Arm gepackt werde. Das funzt absolut.

So. Geht sogar noch einfacher. Die Interpretation von Mabuni hatte ich ja bereits erwähnt.


Bei der Passai habe ich unter diesem Gesichtspunkt meine Schwierigkeiten. Das geht ja schon los, welche Passai/Bassai-Variante wir nehmen und lernen. Wenn du nur die Shotokan Variante lernst, weil eben nur solch ein Verein vor Ort - dann wird es sehr herausfordernd an der Kata entlang den Sprung zur SV zu bekommen.

Ich nicht. Funakoshi spricht im „Kyohan“ davon, dass das beherrschende Thema des Beginns der Passai Annahme und Übernahme ist. Im Goju Ryu (Viele Grüße. Russ Smith) oder im Taijiquan spricht man da wohl von „Brücke“ (im Shotokan evtl. auch, da ist es mir aber unter dem Begriff noch nicht begegnet). Etwas was wir aber in der SV auch machen und auch als Bunkai geübt werden kann (macht Abernethy bspw. auch). Das mag dann zwar formal Reengineering sein aber wenn ich das mit Boxhandschuhen unkooperativ übe, dann schult das kämpferische Kompetenz. Und das mag dann durchaus mal die Intention der Kata gewesen sein - auch wenn das in meinem Umfeld niemand weiß.


Spätestens jetzt stellt sich die Frage: Ist das denn noch Karate? Oder bin ich da in irgendwie in der z.B. Krav-Maga-Ecke gelandet und bediene mich aus Karate-Elementen? Moment! Wenn das doch Elemente des Karate sind - warum dann Krav-Maga? Hä?! Sehr verwirrend das Ganze...*g

Ist das eigentlich wichtig? Vielleicht ist das ja genau das, was die Altvorderen vermitteln wollten? Und wenn nicht, es aber Leute befähigt, sich zu verteidigen, interessiert es dann überhaupt noch wen, was die Altvorderen wollten (außer ein paar Historikern)?

lifeisfight
02-08-2023, 20:32
"Trial and error" finde ich eine äußerst treffende Beschreibung dazu. Um einmal den Bogen zurück zu Kata/Bunkai zu schlagen: Ich tue mir nach wie vor sehr schwer damit, dass "weise alte Meister" am Werk waren, eine Kata entwickelten (u.a. natürlich auf eine exakte Balance von Yin und Yang achtend - genau darauf schauten, welche Meridiane bei welcher Technik aktiviert werden) und ihr Wissen natürlich nur an die auserwählten Super-Duper-Meisterschüler weiter vermittelten. Sorry - ne.

Ziehen wir die Passai vs Naihanchi heran: Es fällt direkt auf, dass die Naihanchi symmetrisch ist - wir arbeiten zur einen und dann "exakt" zur anderen Seite. Die Passai ist das nicht. Böse Zungen würden sagen, dass die Passai eine mitunter eine reine Aneiananderreihung von Techniken ist, die taktische Prinzipien für die SV enthalten. Klar! Jedoch muss ich die erst einmal mühevoll herausarbeiten. Die Zeit habe ich aber nicht! Jetzt nehme ich die Naihanchi als ein derartiges "codiertes Komplettpaket" (War das nicht die Intention einer Kata?) und stelle fest: Hier geht es von der ersten "Technik"/"Idee" an direkt zur Sache!

Konkreter Vergleich:

a) Passai "öffnet" mit einem "Gruß aus dem alten China" und geht in eine mit unter mannigfaltig zu interpretierenden Offensive mit Knie direkt nach vorne in den zB klassischen "Handgelenkskipphebel" (jetzt bitte nicht in Details verlieren). Das ist ok - absolut ok. Ich ramme mein Knie in einen Störer und wenn ich am Arm gepackt werde. Das funzt absolut.

b) Naihanchi eröffnet mit einer Bewegung, die dem gekreuzten Tan-Sao aus dem Wing Chun oder aber den Wuji-Hands aus dem Tai Ji Quan erschreckend ähnlich ist. Intention: Es kommt was auf mich zu und ich habe komplett gepennt im Sinne der Prävention: Was tun? Ellenbogen hoch und die Rübe schützen! Macht Sinn, funktioniert und schützt mich relativ hoher Wahrscheinlichkeit erst einmal vor einem direkten KO. Es ist vor allem Wurscht, WIE die Bombe einschlägt - damit haben wir auch diese ewigen Spielereien aus dem Weg geräumt im Sinne von "wenn, dann". Im Sparring (Boxhandschuhe an und druff) kann die Intensität hierbei extrem erhöht werden - es funktioniert, unabhängig von Alter und Geschlecht (ok, die Oma gegen das 20jährige Kalb...*augenverdreh - ihr wisst, wie ich das meine). Auf diese Art und Weise "liest" sich die Naihanchi wie ein Buch, dass regelrecht abgearbeitet werden kann - eben immer die SV für den Normalbürger im Blick. Es geht nicht darum in einem UFC Turnier zu bestehen. Bei der Passai habe ich unter diesem Gesichtspunkt meine Schwierigkeiten. Das geht ja schon los, welche Passai/Bassai-Variante wir nehmen und lernen. Wenn du nur die Shotokan Variante lernst, weil eben nur solch ein Verein vor Ort - dann wird es sehr herausfordernd an der Kata entlang den Sprung zur SV zu bekommen.


Warum nun die Kata? Naja, die Kata ist in diesem Fall ein Gedächtnisprotokoll - ein Spickzettel, der immer wieder und wieder diese Ideen in dein Gehirn hämmert - aber natürlich muss das Zeugs auch gedrillt werden, was ich aber (nach Jahren mit diversen Übungsgruppen) mittlerweile (je nach Anwender/in) als eine Art "Auto fahren" sehe. Wenn das einmal sitzt, wenn die Message einmal verstanden, dann ist das auch durchaus abrufbar. Aber(!) damit füllst du natürlich keine deutsche Vereinskultur, gekoppelt an Senseis-Sempais-Häuptlinge, Klopperegoisten, gemeinsame Grillabende *kotz und diese elende Gürtelhierarchie *würg! Dazu braucht es auch keine Anzüge!


Ihr merkt, dass dies einen gänzlich anderen didaktischen Aufbau des Trainings mit sich bringt - wertneutral zu lesen. Klar ist die Aufteilung irgendwie Kata, Kihon und Kumite - aber eben unter ganz anderen Gesichtspunkten: Die Kata liefert die abstrakte Idee - Kihon drillt die Idee im körperlichen Sinne und im Kumite wird getestet/geschliffen, bis der Reflex bzw. die Mauer (im obigen Fall exemplarisch die Ellenbogenmauer) steht und zwar auch unter eben nicht "netten" Bedingungen wie zum Beispiel die weiche Matte - da geht es auf die Straße vor der Halle auf den Betonboden oder da stehen auf einmal Stühle im Weg. laute Musik im Hintergrund, Stresspegel hoch drei - oder du sitzt im Auto, liegst auf der Couch und und und. [/QUOTE]

oder auf irgendeinen Feldewwg. Weitgehend einverstanden.


Oder bin ich da in irgendwie in der z.B. Krav-Maga-Ecke gelandet und bediene mich aus Karate-Elementen? Moment! Wenn das doch Elemente des Karate sind - warum dann Krav-Maga?

WEil das Kind n Namen braucht. :D

Tyrdal
03-08-2023, 08:27
Das ist aber nicht plötzlich aus dem Nichts gekommen. Am Anfang war aber nichts und dann war es eben ein Prozess an dem verschiedene Menschen beteiligt waren und, wie Du ja richtig schreibst, sich über die Zeit etwas entwickelt hat. S.o.Nein, es gab nie ein Nichts. Der Mensch hat schon immer gejagt und seine Vorläufer auch. Das heißt es gab schon Methoden zum Beutemachen und Kämpfen bevor der Homo Sapiens überhaupt das Sapiens erreicht hatte.

MGuzzi
03-08-2023, 09:06
Nein, kankens Aussage war, das man eine bestimmte Qualität nicht ohne die zugrundeliegende Theorie und die entsprechenden Bilder erreichen kann. Irgendwer muss aber mal damit angefangen haben, Bilder zu vermitteln, denn diese Bilder fallen ja nicht vom Himmel.


Bilder und Vorstellungen entwickeln sich genauso, über langen Zeiträume. Sie sind von einer bestimmten Umgebung, einer Denkweise und Kultur geprägt.
Jeder, der ein bisschen Erfahrung im Unterrichten hat, weiß, dass man mit Bildern aus dem Lebensumfeld eines Schülers mehr erreicht, als mit irgendwelchen Absrakten Bldern aus dem alten China, deren Bedeutung er nicht kennt (z.B. dieser bestimmte Vogel, der auf eine eigenartige Art mit dem Kopf nickt, der aber nur in einer bestimmten Region in den Dörfern des gelben Gebirges vorkommt) oder irgendwelche blumigen Rewendungen, die keiner mehr versteht.
Ich versuche meistens Bilder zu verwenden die der Schüler nachvollziehen kann, z.B, wenn jemand Motorrad fährt oder ein bestimmtes Handwerk ausübt, und spezische Bewgungen schon verinnerlicht sind.
Das war halt schon immer so, kam aber eben auch nicht aus dem Nichts, sondern hat sich entwickelt, und jemand der einen Stil gründete hat das halt systematisiert und eine Didaktik draus gebastelt (was eben ein Merkmal einer Schule ist), der nächste hat es dann weiterentwickelt, oder angepasst, weil die Waffen oder andere Dinge aus dem Lebensumfeld verändert wurden, u.s.w., und vieleicht eine neue Schule oder Richtung gegrründet.

Katamaus
03-08-2023, 09:11
Nein, es gab nie ein Nichts. Der Mensch hat schon immer gejagt und seine Vorläufer auch. Das heißt es gab schon Methoden zum Beutemachen und Kämpfen bevor der Homo Sapiens überhaupt das Sapiens erreicht hatte.

Daher ja meine Bemerkung mit dem Urknall. Aber wo kam es her? Wie gesagt, es ging ja um diesen Abschnitt:


Man kann diese Inhalte nicht so einfach wieder herstellen, wenn sie einmal weg sind. Man muss FÜHLEN wie sich das Ergebniss anfühlt. Man muss fühlen was jedes einzelne Wort, jeder Spruch, im Körper macht. Dem des Ausübenden und dem des „Empfangenden“. Wenn da keiner ist der die körperlichen Skills hat, dann kann man das auch nicht erfahren.

Sicher kann man da noch von einer authentischen Linie sprechen, wenn der eine Neandertaler dem anderen zeigt, wie man mit nem Kurzspeer ein Karnickel erlegt aber irgendwer muss schon mal von alleine auf die Idee gekommen sein, das zu tun. :D

ZEN2021
03-08-2023, 09:23
@Katamaus

[Funakoshi spricht im „Kyohan“ davon, dass das beherrschende Thema des Beginns der Passai Annahme und Übernahme ist. Im Goju Ryu (Viele Grüße. Russ Smith) oder im Taijiquan spricht man da wohl von „Brücke“. [...] Und das mag dann durchaus mal die Intention der Kata gewesen sein - auch wenn das in meinem Umfeld niemand weiß.]

Moin! Im Wing Chun wird in diesem Kontext auch vom "Brückenarm" gesprochen. Wie du so schön schreibst: "In meinem Umfeld!" - ich transferiere dies einmal auf die Metaebene: Hier kann doch nach all den Jahren etwas nicht stimmen? Mittlerweile sollte doch auch im "Karate-Hasenzüchter-Verein-Hergenfeld" angekommen sein, dass in einer Kata Konzepte/Intentionen drin stecken. Also dieses "blinde" Folgen ohne jedwede Mündigkeit macht mich in diesem Kontext (auch anderswo) immer wieder fuchsig.

@lifeisfight
[WEil das Kind n Namen braucht.]

Ich habe einen: "Karate für SV" :o)

Katamaus
03-08-2023, 09:51
Moin! Im Wing Chun wird in diesem Kontext auch vom "Brückenarm" gesprochen. Wie du so schön schreibst: "In meinem Umfeld!" - ich transferiere dies einmal auf die Metaebene: Hier kann doch nach all den Jahren etwas nicht stimmen?


Wieso? Ich sprach ja davon, dass ich den Begriff so nicht kenne. Das Prinzip ist eher ein alter Hut. Mindestens wer in den 90ern auf den doch sehr populären Kase-Lehrgängen war, der sollte das mitbekommen haben.


Mittlerweile sollte doch auch im "Karate-Hasenzüchter-Verein-Hergenfeld" angekommen sein, dass in einer Kata Konzepte/Intentionen drin stecken. Also dieses "blinde" Folgen ohne jedwede Mündigkeit macht mich in diesem Kontext (auch anderswo) immer wieder fuchsig.


Wie Du ja auch anklingen lässt, ist das wohl eher kein Karate-spezifisches Problem.

Ansonsten kam in den letzten 30 Jahren auch so Einiges zurück, was vielleicht nicht verloren aber mindestens vergessen war. Dank Leuten wie Henning, Heiko Bittmann, Andreas Quast & Co. hat sich der Zugang zu originalen Quellen deutlich verbessert. Dazu kommt YouTube mit Leuten wie Jesse Enkamp (auch wenn ich kein Fan von ihm bin). Ich denke, es gibt da zumindest im Karate eine große Sehnsucht, verloren gegangenes Wissen zu restaurieren. Siehe zuletzt auch das Wirken von Naka Sensei.

Warum sollte das auch nicht möglich sein? Wir hatten es ja gerade, dass es regen Austausch schon immer gab und immer wieder Dinge, Stile und Linien entstanden (und vergangen sind). Warum also soll es in der Community (mit den heutigen Möglichkeiten) nicht machbar sein? Damit ist dann aber auch die Definition von etwas was authentisch ist, von eher akademischem Interesse, denn irgendwann ist es das dann halt jeder oder eben nicht mehr.

Insgesamt kommt mir in der ganzen Diskussion auch die Rolle des Schülers als Individuum zu kurz. Jemand der offenen ist, lernbereit, neugierig/wissbegierig, sich Austausch, forscht (innen und außen), etc. etc. Dem wird es auch möglich sein, kämpferische Kompetenz zu entwickeln. Jemand, bei dem das nicht der Fall ist, nicht. Der/die wird halt durchbewegt und tut was für die Motorik und gegen die Plauze. Auch ok. Es kann natürlich auch ein(e) Jede(r) nach dem Heiligen Gral suchen, wenn er/sie meint, dass der existiert. Kann ja auch Spaß machen.

ZEN2021
03-08-2023, 12:29
Jep, wir bewegen uns hier durchaus auf einem "akademischen" Boden und Papier ist bekanntlich geduldig. Von daher muss am Ende jede/r seine individuellen Erfahrungen machen und sich irgendwie durch dieses Gestrüpp an Impulsen (die im Grunde fast schon wieder zu viel des Guten sind) winden. Die finale "Probe" wird hoffentlich keiner von uns je erleben müssen.

Schnubel
03-08-2023, 15:23
Insgesamt kommt mir in der ganzen Diskussion auch die Rolle des Schülers als Individuum zu kurz. Jemand der offenen ist, lernbereit, neugierig/wissbegierig, sich Austausch, forscht (innen und außen), etc. etc. Dem wird es auch möglich sein, kämpferische Kompetenz zu entwickeln. Jemand, bei dem das nicht der Fall ist, nicht. Der/die wird halt durchbewegt und tut was für die Motorik und gegen die Plauze. Auch ok. Es kann natürlich auch ein(e) Jede(r) nach dem Heiligen Gral suchen, wenn er/sie meint, dass der existiert. Kann ja auch Spaß machen.[/QUOTE]

Kann ich nicht unterschreiben, nur wenn man zumindest die akademische Betrachtung der Kampfkünste erforscht, ein guter Kämpfer wird. Gut, manche Techniken mögen sich darauf erklären, aber letztlich ist es wichtig, das ganze auch motorisch umzusetzen. Ich kenne einen Typen, der ist scharf auf Titel, Gürtel, aber auch theoretischem Fachwissen, sagt aber im gleichen Zug, daß er die Kampfkünste nicht aus SV-Zwecken ausübt. Wozu mache ich das denn sonst? Er sagt, er macht eine Wegschulung und sucht seinen Weg durch die Kampfkünste. Aber wenn ich doch friedfertig bin, gegen Gewalt und Handgreiflichkeiten und gegen Zufügen von Verletzungen, warum suche ich genau in was meinen Weg, wenn diese Aspekte in den Kampfkünsten enthalten sind und sogar vordergründig sind.
Egal was ich betreibe, ist es für mich nicht wichtig, die Hintergründe genau zu kennen, bzw. den geschichtlichen Aspekt. Gut das Interesse kommt von alleine, aber ich kann doch diese Dinge ausüben, ohne daß ich einen akademischen Hype daraus mache.

Schnubel
03-08-2023, 15:24
@Katamaus

Katamaus: Insgesamt kommt mir in der ganzen Diskussion auch die Rolle des Schülers als Individuum zu kurz. Jemand der offenen ist, lernbereit, neugierig/wissbegierig, sich Austausch, forscht (innen und außen), etc. etc. Dem wird es auch möglich sein, kämpferische Kompetenz zu entwickeln. Jemand, bei dem das nicht der Fall ist, nicht. Der/die wird halt durchbewegt und tut was für die Motorik und gegen die Plauze. Auch ok. Es kann natürlich auch ein(e) Jede(r) nach dem Heiligen Gral suchen, wenn er/sie meint, dass der existiert. Kann ja auch Spaß machen.[/QUOTE][/I]

Kann ich nicht unterschreiben, nur wenn man zumindest die akademische Betrachtung der Kampfkünste erforscht, ein guter Kämpfer wird. Gut, manche Techniken mögen sich darauf erklären, aber letztlich ist es wichtig, das ganze auch motorisch umzusetzen. Ich kenne einen Typen, der ist scharf auf Titel, Gürtel, aber auch theoretischem Fachwissen, sagt aber im gleichen Zug, daß er die Kampfkünste nicht aus SV-Zwecken ausübt. Wozu mache ich das denn sonst? Er sagt, er macht eine Wegschulung und sucht seinen Weg durch die Kampfkünste. Aber wenn ich doch friedfertig bin, gegen Gewalt und Handgreiflichkeiten und gegen Zufügen von Verletzungen, warum suche ich genau in was meinen Weg, wenn diese Aspekte in den Kampfkünsten enthalten sind und sogar vordergründig sind.
Egal was ich betreibe, ist es für mich nicht wichtig, die Hintergründe genau zu kennen, bzw. den geschichtlichen Aspekt. Gut das Interesse kommt von alleine, aber ich kann doch diese Dinge ausüben, ohne daß ich einen akademischen Hype daraus mache.[/QUOTE]

Katamaus
03-08-2023, 16:14
@Schnubel: ehrlich gesagt, habe ich nicht verstanden, was Du mir sagen willst.

ZEN2021
03-08-2023, 19:46
Egal was ich betreibe, ist es für mich nicht wichtig, die Hintergründe genau zu kennen, bzw. den geschichtlichen Aspekt. Gut das Interesse kommt von alleine, aber ich kann doch diese Dinge ausüben, ohne daß ich einen akademischen Hype daraus mache.

Ich bin da inhaltlich bei dir und verweise erneut auf dieses typisch deutsche "auf den Grund gehen", bis wahrlich die Ursuppe (der "Urknall" *g) wuchert und auch die letzte Amöbe ins Licht gezerrt wird - ich bin da by the way auch nicht frei von. Salopp formuliert sind das meist diejenigen Anwender (Trainierenden), die sich absolut überschätzen und am Ende z.B. von einem "billigen" Chap KO gehen, weil sie vor lauter Uchi-Ude-Uke nicht mehr klar sehen. Es ist leider so.

Was zeichnet denn einen "guten" Kämpfer aus? Ehre? Historische Kenntnisse? Liebevolle Güte? Nö! Er hat letztlich im Gegensatz zum Normalbürger (wozu ich mich absolut zähle) ein Maß an martialischer Grundstringenz an sich. Das ist schwer zu formulieren - bitte nagelt mich nicht auf diesem Begriff fest und ich meine das auch nicht negativ. Ich ziehe da einmal exemplarisch diesen ganz speziellen Menschentypen heran, der in Kriegszeiten zum "Helden" wird, weil er diese ganz spezielle Art hat, die dem Normalbürger meist fehlt. Ich glaube, damit wird es deutlicher.

Für mich als (!)Normalbürger war/ist eine gewisse Systematik und auch Didaktik in Sachen SV absolut notwendig, weil ich eben diese angeborene "etwas" nicht in mir trage und auch nicht in dieser Intensität "lernen" kann, was ein andere Mensch schon hat. Hier verweise ich gerne auf diese typischen "Spasskämpfchen" im Training oder das samstägliche "Kampftraining", was letztlich reine Egopolitur bestimmter Sorten waren. Ich war hierbei stets der Punching-Ball-Depp - das dies nix, aber auch gar nix mit SV-Kompetenz zu tun hatte - diesen Prozesse musst du aber erst einmal durchlaufen.

Und wie vorhin schön formuliert: Warum gehe ich denn in einen Karate-Verein? Naja, damit ich mich eben lerne zu verteidigen - aber damit öffnet sich wieder ein weites Feld...

Tyrdal
04-08-2023, 11:23
Daher ja meine Bemerkung mit dem Urknall. Aber wo kam es her? Von dem Moment in dem der erste Einzeller einen anderen Einzeller verspeist hat. Da fings an.

Katamaus
04-08-2023, 13:08
Von dem Moment in dem der erste Einzeller einen anderen Einzeller verspeist hat. Da fings an.Ok, das heisst dann, wenn mein Lehrer einem auf die Fresse haut, mir zeigt, wie man einem auf die Fresse haut und ich dann einem auf die Fresse haue, dann ist das eine authentische Linie. Darauf wollte ich hinaus. Danke! :D

Gesendet von meinem SM-S901B mit Tapatalk

ZEN2021
04-08-2023, 17:52
Ok, das heisst dann, wenn mein Lehrer einem auf die Fresse haut, mir zeigt, wie man einem auf die Fresse haut und ich dann einem auf die Fresse haue, dann ist das eine authentische Linie. Darauf wollte ich hinaus. Danke! :D

Gesendet von meinem SM-S901B mit Tapatalk

Naja, zumindest hat diese Linie offensichtlich überlebt und ist irgendwo/irgendwie tauglich...:gruebel:

lifeisfight
04-08-2023, 19:09
Naja, zumindest hat diese Linie offensichtlich überlebt und ist irgendwo/irgendwie tauglich...:gruebel:

ich bin nicht so drin in der Diskussion aber das Kriterium funktioniert doch nicht , wenn Kampfkunst gar nicht wirklich benötigt wird in der zivilisierten Gesellschgaft .oder?

Katamaus
04-08-2023, 21:11
ich bin nicht so drin in der Diskussion aber das Kriterium funktioniert doch nicht , wenn Kampfkunst gar nicht wirklich benötigt wird in der zivilisierten Gesellschgaft .oder?

Das ist ja unser aller Hauptproblem: etwas zu üben für eine Situation, die man nicht üben kann.

ZEN2021
05-08-2023, 08:26
ich bin nicht so drin in der Diskussion aber das Kriterium funktioniert doch nicht , wenn Kampfkunst gar nicht wirklich benötigt wird in der zivilisierten Gesellschgaft .oder?

Kampfkunst schon im Sinne von Schulung von Körper und Zeit, also eher die ganzheitliche Variante. SV ist eine anderen Sache mit klaren Schnittmengen zur Kampfkunst. Aber ich finde einen Gedanken sehr interessant: Zivilisierte Gesellschaft, basierend auf einer Verfassung/Grundgesetz - bräuchte das im Grunde nicht, also für den Normalbürger, der sich an die Regeln des Miteinanders hält.

Katamaus
05-08-2023, 10:37
Zivilisierte Gesellschaft, basierend auf einer Verfassung/Grundgesetz - bräuchte das im Grunde nicht, also für den Normalbürger, der sich an die Regeln des Miteinanders hält.

Ich werde ja das Gefühl nicht los, dass genau das die Vision von Funakoshi war. Denn dann ist eine Konzentration auf Schulung von Geist, Koordination und Physis nur folgerichtig. Wenn man denn an den erzieherischen Einfluss von KK auf das Individuum glauben möchte.

ZEN2021
05-08-2023, 12:51
Du, ich war vor einer halben Stunde in einer großem Handelskette einkaufen - im Nahkontakt mit so manchen Mitmenschen verlierst du den Glauben an solch Visionen...aber wo setzen wir denn da die "Schulung" an? Wenn die Familien es nicht mehr bringen, dann muss der Staat ran und das sehe ich kritisch.