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Vollständige Version anzeigen : Rivalität zwischen Karate-Stilen und -Schulen



Shushikan
02-02-2024, 16:30
Liebe Community,

neben meinen 20 Jahren Karatetraining bin ich im bürgerlichen Leben Wissenschaftler und forsche aktuell zur Machtstrukturen und Rivalitäten.
Ich möchte deshalb alle Karateka und solche, die Erfahrung in dem Bereich haben, fragen, ob ihr eine gewisse Rivalität zwischen Stilen/Schulen wahrnehmt. Das kann nun die Einstellung sein, dass man selbst den einzigen "richtigen" Stil praktiziert, oder dass andere Stile oder Schulen grundsätzlich ineffizient sind, oder dass eine bestimmte Schule schlecht ist, etc.
Was sind eure Wahrnehmungen dazu? Und habt ihr den Eindruck, dass es in Japan oder anderen Teilen der Welt anders ist als im deutschsprachigen Raum?

Gibukai
02-02-2024, 17:26
Hallo,

ja, es gibt de facto "gewisse Rivalitäten zwischen Stilen/Schulen".

Auch jenseits des deutschsprachigen Raums gibt es "gewisse Rivalitäten zwischen Stilen/Schulen". Diese "gewissen Rivalitäten zwischen Stilen/Schulen" wurden in der Karate-Welt z. T. "vererbt" ...

Grüße,

Henning Wittwer

Inumeg
02-02-2024, 20:39
Ich denke, du solltest deine Definition von Rivalität hier mitteilen. Denn die Antworten-Optionen 2 bis 4 lassen sich nicht mit meiner Definition zur Deckung bringen. Für mich ist Rivalität das Ringen um Resourcen (Schüler, Anerkennung, Födermittel, Hallenzeiten, whatever).
Deine Antwortoptionen zielen aber einen subjektiven Vergleich/Wertung des eigenen Karatestils in Bezug auf dessen Qualität ab. Und dabei ist selbst diese Qualifizerung noch offen für Interpretationen.

Rivalitäten im erstgenannten Sinn nehme ich im deutschen Raum nicht war, was vermutlich daran liegt, dass hier Karate in Vereinen organisiert sind und damit kein Wettbewerbsdruck durch wirtschaftliche Bedürfnisse herrscht. Dort, wo in kommerziellen Schulen trainiert wird, gibt es sicherlich einen schärferen Wettbewerb um Schüler und Anerkennung.

Eine subjektive Bewertung des eigenen Karatestils findet sicherlich immer statt.
Zuerst, als Anfänger, ohne Vergleichsmöglichkeiten wird das befeuert durch die Aussagen des Trainers und älterer Schüler.
Später, wenn man auf Lehrgänge und/oder Wettlämpfe geht, gewinnt man zunehmends ein eigenes Bild.
Dieses Bild wird mit zunehmender Erfahrung differenzierter, bis man schließlich als Lehrgangs-Referent einen guten Überblick hat, welcher Trainer/welche Schule in welchen Bereichen besser oder schlechter ist, als man selber (gemessen an entweder subjektiven Metriken oder objektiven Wettkampferfolgen).

Und natürlich gibt es so einige, die in ihrer Blase leben und weder auf Wettkämpfe noch auf stiloffene Lehrgänge gehen und auch nie einen Reality-Check gemacht haben und trotzdem glauben, sie seien die geilsten...

surviver21
02-02-2024, 23:14
Deine Antwortoptionen zielen aber einen subjektiven Vergleich/Wertung des eigenen Karatestils in Bezug auf dessen Qualität ab. Und dabei ist selbst diese Qualifizerung noch offen für Interpretationen.

...

:)

Ripley
03-02-2024, 19:17
Ich möchte deshalb alle Karateka und solche, die Erfahrung in dem Bereich haben, fragen, ob ihr eine gewisse Rivalität zwischen Stilen/Schulen wahrnehmt. Das kann nun die Einstellung sein, dass man selbst den einzigen "richtigen" Stil praktiziert, oder dass andere Stile oder Schulen grundsätzlich ineffizient sind, oder dass eine bestimmte Schule schlecht ist, etc.
Was sind eure Wahrnehmungen dazu?

Ja. Das nehme ich so wahr. Das eigene Karate ist das beste, tollste, wirkkräftigste, tödlichste ... kurz: "Meiner ist größer als deiner!"
Und mir geht dieses saudumme Gelaber echt auf die Nuss.

Ich gucke gerne von Zeit zu Zeit mal in andere Dojos rein, auch und gerade von anderen Verbänden. Jedes hat einen anderen Schwerpunkt, aus jedem kann ich mir was mitnehmen. Manchmal, selten, kann ich sogar was da lassen. Und, hey, wenn mir irgendwas nicht sooo gut gefällt, kann sogar ich auch mal meine Klappe halten. Ich empfehle das weiter.

Achso: Wer was in Japan sagt oder denkt ... keine Ahnung!

MrLX
04-02-2024, 13:10
Es ist so, wie in fast allen Lebensbereiche. Es gibt welche, die gewisse Positionen besetzen und die Geschicke lenken. Je mehr man das Trainingsgeschehen verlässt und sich die politischen Verhältnisse des jeweiligen Verbands ansieht, merkt schon starke Abgrenzungen und Ausgrenzungen. Gerade Stilrichtungen, die weniger Mitglieder vorweisen können als die "großen vier", müssen viel Kraft aufbringen und viele Fehlschläge hinnehmen. Es werden Wege versperrt und innovatives Denken unterbunden.
Es werden auch innerhalb der selben Stilrichtung gegenseitig die Augen ausgekratzt.

Aus meiner persönlichen Erfahrung: Mein Verein geht in unserem Landesverband mehrfach auf Lehrgänge. Es gibt Menschen, die begegnet man immer wieder, mit denen haben wir trainiert und viele Stunden zusammen verbracht. Als wir unsere Stilrichtung wechselten, wurden wir wie Aliens behandelt. Abschätzige Blicke, Kontaktvermeidung und üble Nachrede.

Katamaus
04-02-2024, 14:20
Ich finde mich in den Muster-Antworten nicht wieder. Ich komme schon immer mit Menschen aus anderen Stilrichtungen sehr gut klar und erlebe eher Respekt und ein Gefühl der Gemeinsamkeit. Wenn überhaupt erlebe ich Vorurteile, die sich in einem gemeinsamen Training leicht klären lassen. Animositäten wird es sicherlich geben (wäre komisch, wenn nicht), ich erlebe sie jedoch, wenn überhaupt, dann zwischen Menschen oder Vereinen, aber nicht zwischen Stilrichtungen.

FireFlea
04-02-2024, 14:51
Ich sehe weniger eine Rivalität zwischen Stilrichtungen, eher zwischen Verbänden.

Katamaus
04-02-2024, 15:31
Ich sehe weniger eine Rivalität zwischen Stilrichtungen, eher zwischen Verbänden.

Und innerhalb zumindest des einen großen deutschen Verbands deutlich mehr als gegenüber dem anderen großen. ;):D

FireFlea
04-02-2024, 15:39
Und innerhalb zumindest des einen großen deutschen Verbands deutlich mehr als gegenüber dem anderen großen. ;):D

Ich meinte eigentlich weniger innerhalb, sondern eher in der Außenwirkung. Aber ja, innerhalb des einen Verbandes eher mehr, weil der heterogener ist, der andere hat ja einen japanischen Kaiser, auf den sich alles konzentriert. :D

Gibukai
05-02-2024, 10:17
Hallo,

auch innerhalb ein und derselben Stilrichtung (Strömung) des Karate gibt es teilweise erhebliche Rivalitäten. Am einfachsten sind sie dann erkennbar, wenn ein neuer „Zweig“ („-Ha“) einer bestimmten „Strömung“ („-Ryū“) entstanden ist. Beispielhaft kann das Shitō-Ryū betrachtet werden, das eine Vielzahl von mehr oder minder bekannten Zweigen hervorbrachte, wie z. B. Tani-Ha, Kuniba-Ha, Hayashi-Ha usw.

Shitō-Ryū ist zudem ein gutes Beispiel dafür, wie „Rivalitäten“ in der Führung der Strömung ausgetragen werden, da die beiden ihn überlebenden Söhne des Kompilators K. Mabuni (1889–1952) – Ken’ei (1918–2015) und Kenzō (1927–2005) – jeweils für sich die Rolle des Kopfs der Strömung (Sōke) in Anspruch genommen und ausgefüllt haben.

Rivalitäten zwischen Stilrichtungen (Strömungen) des Karate werden meiner Erfahrung nach eher (aber nicht ausschließlich) im privaten oder halbprivaten Umfeld thematisiert, und zwar in Japan wie hierzulande. Öffentlich wird der Anschein von Toleranz oder Harmonie erweckt, hinter mehr oder weniger vorgehaltener leerer Hand aber wird kräftig ausgeteilt, vor allem verbal.

Begriffe wie „Dōjō-Yaburi“ (das Dōjō-Zerstören), „Inchiki-Karate“ (Mogel-Karate), „McDōjō“, „Bullshidō“ zeugen ebenfalls davon, dass es in der Karate-Welt nicht immer und überall harmonisch zugeht …

Grüße,

Henning Wittwer

Schnubel
05-02-2024, 15:31
Ich finde mich in den Muster-Antworten nicht wieder. Ich komme schon immer mit Menschen aus anderen Stilrichtungen sehr gut klar und erlebe eher Respekt und ein Gefühl der Gemeinsamkeit. Wenn überhaupt erlebe ich Vorurteile, die sich in einem gemeinsamen Training leicht klären lassen. Animositäten wird es sicherlich geben (wäre komisch, wenn nicht), ich erlebe sie jedoch, wenn überhaupt, dann zwischen Menschen oder Vereinen, aber nicht zwischen Stilrichtungen.

Das sehe ich auch so. Ich sehe eher, daß zwischen Vereine und zwischen den Menschen, meistens Lehrer, eine gewisse Rivalität besteht. In der Gesamtheit kann ich das nicht so feststellen, also zwischen den einzelnen Stilen und Schulen, da jeder seine eigenen Sachen macht. Vllt ist das so, wenn zwei verschiedene Stile innerhalb einer Stadt vertreten sind. Aber generell.... konnte ich das so noch nicht feststellen, habe aber auch nicht wirklich drauf geachtet, da ich eher mit meiner eigenen Kampfkunst beschäftigt bin

Karateman
07-02-2024, 20:48
Die allermeisten die ich damals als ich selbst noch Karate gemacht habe kennenlernte, die einen anderen Stil als Shotokan gemacht haben hatten eine nicht so gute Meinung über Shotokan.
Die die nur Shotokan kennen halten es vermutlich für gutes Karate und das ist ja dann auch für die Leute ok.
Ich habe alle 5 der Bekannten Karate Stiles kennengelernt (Shotokan, Goju, Wado, Shito, Kyokushin).
Und alle diese Stiles haben ihre Besonderheiten.
Wado hat en paar interessante "Tricks" mit ausweichen und Hebeln, Würfen und all sowas.
Shito und Goju haben auch ihre Besonderen Techniken wie Kakie, Hebel und Würfe,Abhärtung interessante Atemkatas mit Körperspannung, hat mir am besten gefallen neben Wado.
Kyokushin enthällt von allem ein bisschen was an coolen Sachen, Körperspannungskatas, Kakie, Abhärtung usw.
Nur Shotokan hat irgendwie nichts besonderes, es wirkt auf mich wie die Basisstufe ohne "speziellere" Techniken. Viele Katas deren Anwendung aber unbekannt sind. Es bleibt auf diesem Anfänger Niveu und auch der altmeister im Shotokan kann nach 40 Jahren immer noch nicht mehr als Oi Tzuki und die 3-4 Tritte und das auf lange Reichweite. Vielleicht mal ein oder zwei Anwendungstechniken grob mal irgendwann irgendwo aufgeschnappt, meist aus anderen Styles.
Denke mal das hat den Grund, weil das Shotokan den Japanern eben nur auf dieser basis Stufe gelehrt worden ist ohen das vertiefesde Verständnis, daraus wurde dann eine Art Box-Alternative mit Militärischem Drill.
Selbst dieses Basis Training das durch ständiges Wiederholen von Oi Tzuki und so ja auch Anwendbar ist, verliehrt aber dann durch die Regeln ihren Wert für SV und dergleichen.
Das ganze sollte unter Schutzausrüstung trainiert werden und auch die anderen Reichweiten genutzt werden, denn auch im Shotokan gibt es ja viel mehr Techniken als nur Oi Tzuki und Mae Geri auf langer Distanz!
Durch die Nahdistanz hätte das Shotokan die Chance wieder eine volle Kampfkunst zu werden, aber daran sind die Vereine ja leider nicht interessiert, sieht man ja am Prüfungsprogramm. Es soll auf dieser dummen langen Reichweite ausgeführt werden, wodurch der größte Teil der Katas unverstanden bleibt.
Egal nicht mehr mein Problem, hab viele Jahre an Karate verschwendet gottseidank bin ich davon los gekommen und mache jetzt Boxen, macht mehr Spaß ist durch den Kontakt viel Sinnvoller und auch als SV anwendbar. Kann ich nur jedem Empfehlen, ich ärgere mich aber im nachhinnein, das ich soo viel Zeit mit diesem sinnlosen Shotokan damals verplempert habe. Könnte kotzen wenn ich nur daran denke.
Und wie die Leute vor allem die Trainer damals echt geglaubt haben sich damit irgendwie verteidigen zu können. Durch ein paar änderungen wäre das definitiv möglich aber nicht so wie das immernoch trainiert wird!

FireFlea
07-02-2024, 21:55
Ich habe alle 5 der Bekannten Karate Stiles kennengelernt (Shotokan, Goju, Wado, Shito, Kyokushin).
Und alle diese Stiles haben ihre Besonderheiten.


Vor einem halben Jahr hast Du noch gar nichts gekannt und jetzt alle Stile und deren Besonderheiten. Just sayin... :cool:

ThomasL
08-02-2024, 06:49
Popkorn

Katamaus
08-02-2024, 08:08
Vor einem halben Jahr hast Du noch gar nichts gekannt und jetzt alle Stile und deren Besonderheiten. Just sayin... :cool:

gnihihi

Dastin
09-02-2024, 22:40
Mir sind verbände und Stile egal. Jedes hat was für sich und es kommt auch immer darauf an, was man machen will und woran man spaß hat.

Aber habe natürlich schon mit bekommen, dass bestimmte Dinge gerne mal belächelt wird.

El Presidente
21-02-2024, 20:48
Und innerhalb zumindest des einen großen deutschen Verbands deutlich mehr als gegenüber dem anderen großen. ;):D

Das kann ich nicht bestätigen. Mittlerweile trainieren viele wieder zusammen, haben 2 Mitgliedschaften und die Lehrgänge sind auch offen. Hier oben im Norden ist das mittlerweile sehr entspannt und auch gut so.

Das Konkurrenzdenken kenne ich von den wenigen „Inhabern“ die von ihrem Laden leben müssen. Da wurde viel schlecht gemacht und abgeworben….mittlerweile trainieren wir in vielen Vereinen gemeinsam. Der Austausch ist echt gut….

Hier oben wird jetzt eher in Stilrichtungen gepusht, aber nicht weil es anderes Karate ist, sondern es geht um Mitgliedzahlen und dementsprechend Stärke der Stilrichtung „koshinkan“. Da wird mit Lizenzen und Graduierungen rumgeschleudert, das ist unglaublich. Die ursprüngliche Stilrichtungen ist dabei egal…..
Cheers!

Katamaus
22-02-2024, 00:52
Das kann ich nicht bestätigen. Mittlerweile trainieren viele wieder zusammen, haben 2 Mitgliedschaften und die Lehrgänge sind auch offen. Hier oben im Norden ist das mittlerweile sehr entspannt und auch gut so.

Ich hab doch gar nichts anderes geschrieben. :confused: Ich sage ja gerade, dass innerhalb des einen Verbandes viel eher Beef ist. Was Du im folgenden ja auch beschreibst.

MrLX
16-03-2024, 23:06
Das kann ich nicht bestätigen. Mittlerweile trainieren viele wieder zusammen, haben 2 Mitgliedschaften und die Lehrgänge sind auch offen. Hier oben im Norden ist das mittlerweile sehr entspannt und auch gut so.

Das Konkurrenzdenken kenne ich von den wenigen „Inhabern“ die von ihrem Laden leben müssen. Da wurde viel schlecht gemacht und abgeworben….mittlerweile trainieren wir in vielen Vereinen gemeinsam. Der Austausch ist echt gut….

Hier oben wird jetzt eher in Stilrichtungen gepusht, aber nicht weil es anderes Karate ist, sondern es geht um Mitgliedzahlen und dementsprechend Stärke der Stilrichtung „koshinkan“. Da wird mit Lizenzen und Graduierungen rumgeschleudert, das ist unglaublich. Die ursprüngliche Stilrichtungen ist dabei egal…..
Cheers!

Genau solche Aussagen führen tatsächlich zum Streit. Ich möchte nur zu bedenken geben, dass es klare Vorgaben gibt, die zu erfüllen sind, wenn eine Lizenz erworben oder eine Graduierung erreicht wird. Das wird überprüft und mit dem Bundesstilrichtungsreferent kommuniziert. Es erfolgt eine Überprüfung und so weiter. Also eigentlich ganz so wie es sein sollte.