Realismus, was ist das ? [Archiv] - Kampfkunst-Board

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DieKlette
13-05-2002, 14:56
Über Realismus

Liebe KKler,
wer kennt sie nicht, die ermüdende Diskussion mit seinem Sensei / Sifu über Realismus( wenn man überhaupt mit ihm reden kann ) . Mittlerweile, sollte einem bewusst werden, dass man in der KK Welt bei nur wenigen Stilen wirklich kämpfen lernt, obwohl sich vieles Kampfkunst schimpft.
Im Endeffekt erreicht stellenweise Shotokan Karate-Do nur noch die Effektivität von Tae Bo. Ähnliches lässt sich im Wu Shu, Judo, Ju Jutsu, Taekwondo etc. beobachten.
Im Shotokan und Wushu läuft man nur noch Förmchen und hat vom Kampf nicht den Hauch einer Ahnung. Im Judo hat man nur eine Distanz von 5 und kriegt in allen anderen die Hucke voll. Im Ju Jutsu macht man die wunderschönsten Hebel mit 3 mal umkreisen des Gegners, um ihn dann publikumsgerecht zu Fall zu bringen. Im Taekwondo kickt man was das Zeug hält und auf Wettkämpfen gibt es oft wenig bis gar keine Punkte für Fausttreffer. Folglich ist ein Taekwandoin gegenüber einem Grabbler oder Lowkicks betreibenden Thai-Boxer schlichtweg chancenlos. Die meisten Messerabwehrmethoden mancher Meister könnte man als fahrlässige Tötung bezeichnen und mit ihren großen Sabaki Ausweichmethoden hätten sie jeden Escrima Stock auf dem Schädel gehabt.

Und nun ?
Dann kommt etwas das könnte man die Protestbewegung nennen. Viele Leute meinen es besser machen zu wollen. Sie entwickeln und schrauben an Kampftechniken und verkaufen das Ergebnis als einzige Wahrheit. Jeder macht ab seinem 5. Schülergrad seinen eigenen Verband auf und schlachtet alles kommerziell aus. Von Budoetikette und Niveau keine Spur dank der schlampigen Umsetzung.

Schade, dass es nur noch sehr wenige Meister gibt, die wirklich einen guten Mittelweg finden und ein hohes Niveau einfordern.

Und was lernt man daraus ?

- selber denken -

Als KKler sollte man sich nicht alles vorkauen lassen. Ich habe zwar nur zu oft die Erfahrung gemacht, dass man mit vielen Authoritäten, die sich auf eine Meinung festgefahren haben nicht reden kann, trotzdem verhindert das nicht die eigene Entwicklung. Auch aus Shotokan Karate oder Taekwondo kann man sich mit ein wenig Gribs und Kampfpraxis etwas effektives zusammenbasteln. Nur diesen Ehrgeiz haben nicht gerade viele.

Schade eigentlich.

Mit Respekt

Oss

Julian

Deshi
13-05-2002, 19:24
hi,

kann mich dem nur voll und ganz anschließen.

Deshi

error404
13-05-2002, 20:05
Deine Beispiele bezüglich des TaeKwonDo Wettkampfes sind zwar korrekt nur darfst du nicht außeracht lassen was nun Kampfsport und was Kampfkunst ist und auf was man sich spezialisiert bzw. was man überhaupt im Dojang trainiert.
Mein Verein z.B. macht auch viele Demonstrationen bei bsw. Einweihungen etc. ist es jetzt aber schlecht oder kann man nun das was wir von unserem Meister im Dojang lernen als "falsch" bezeichnen ?! Ich glaub kaum. Naja aber für die Hardcorefreaks denen das KK angebot in Deutschland einfach nicht gut genug ist können ja in Shaolinkloster ;) :D :D

ciao Alex

Sephiroth
13-05-2002, 20:09
Hallo allezusammen,

Erstmal,interessantes Thema,das du hier aufgworfen hast.
Man kann dir nur Recht geben.Beim TKD wird heut meist nur nach WTF Wettkampregeln trainiert,oder nur Formen gelaufen was das Zeug hält.Wir machen zwar auch noch Faustschläge zum Kopf,was ja aber heut leider nich mehr oft trainiert wird.Heutzutage wird eben nur noch das trainiert,was sich auch verkaufen läßt.Und hartes oder realitätsbezogenes Training läßt sich eben wohl nicht mehr so verkaufen!

DasHaeschen
13-05-2002, 20:22
Gutes Thema.

Ich stimme Dir voll und ganz zu.

Ich gehöre auch zu den Leuten, die seeeeehr hellhörig werden, wenn ein Spruch kommt wie "Das kommt dann später". Ich sag dann immer: "Zeigen kannst Du es ja mal, ich will es ja noch gar nicht lernen." Dann läßt sich sehr schnell merken, ob die großen Genies wirklich wissen, wie es weitergehen soll...

Daher habe ich auch schon einige Schulwechsel hinter mich gebracht, bevor ich bei meiner jetzigen gelandet bin.
Gerade für WT trifft das von Dir geschilderte Szenario besonders zu... und damit meine ich ausnahmsweise nicht diesen Riesenverband da... ;)

Ciao,
Häschen

marty
13-05-2002, 20:33
Hi,

Wer über Jahre Shotokan macht, will sich idR. nicht vor der Disco prügeln. Sondern zweimal in der Woche mit Vereinsfreunden Katas und gepflegtes Kumite betreiben.

Was man tun müßte, um eine KK realistischer zu machen, ist schon hinlänglich hier diskutiert worden. Aber es ist gar nicht der Anspruch von allen, für die fiese Straße zu trainieren. Sondern für den Spaß, die Disziplin, die Fitness, den Ausgleich, den Anspruch und so weiter und so weiter...

:)

DasHaeschen
13-05-2002, 20:40
@marty:
Einverstanden.

Aber ich war in einigen Schulen. Und wenn die zu mir gesagt hätten, dass es ihnen nur um den "Spaß, die Disziplin, die Fitness, den Ausgleich, den Anspruch und so weiter und so weiter... " ginge, wäre das alles kein Problem.

Mich nervt, dass so viele Schulen behaupten, sie würden "realistisch" trainieren und ihre KK wäre als SV gut geeignet, wenn es gar nicht stimmt!

Und über die Gefahren, wenn schlecht ausgebildete Leute Schulen aufmachen, müssen wir wohl kaum mehr diskutieren...


Ciao,
Häschen

PS: Ich prügel mich auch nicht vor einer Disse, aber ich will mich wehren können, falls ich angegriffen werde...

marty
13-05-2002, 20:50
Ja das stimmt schon. Welcher Lehrer gibt gerne zu, dass sein Zeug für's richtige Kämpfen nichts taugt?

Aber da muß man/frau sich dann eben selber informieren, z.B. hier im Board, um zu sehen, was es neben Judo, Karate und WehTeh noch gibt.

Gruss

error404
14-05-2002, 17:58
Irgendwie glaube ich das es hier im Forum so einpaar richtig harte Leute gibt ;) :D
Man liest immer "ist nicht realistisch", "das ist schwachsinn", "wann brauch ich das denn" usw. Da frag ich mich, wie realistisch wolls denn für euch sein ? Auf leben und tod, so das man gerade noch genug Blut im Körper hat um nicht Ohnmächtig zu werden, oder wie stellt ihr euch sowas vor ? Was ich mir z.B. unter realistischem Training vorstellen würde ist irgend einen aggressiven Penner von der Straße zu holen ihn nach bedarf mit Waffen auszustatten oder halt ohne, eben Mann gegen Mann, und dann seine Schüler gegen ihn kämpfen lassen... Das ist realismus und nichts anderes! Einen solch reales Szenario wie auf der Straße wird es nie und nimmer im Dojang/Dojo geben. Da könnt ihr euch so viel aufregen wie ihr wollt, aber richtiges Kämpfen lernt nur wenn man selbst richtig kämpft!

ciao Alex

DasHaeschen
14-05-2002, 18:08
Hm, die Idee mit dem Penner ist gut, müssen wir mal bei uns in der Schule ausprobieren, wir nehmen bisher immer irgendwelche Typen aus der Kneipe :D :D :D :D

Aber mal im Ernst:
Es geht ja auch nicht darum, sich ständig die Nasen einzuschlagen sondern darum, Techniken zu erlernen, die realitätsnah sind. Anstatt Leuten Dinge bei zu bringen, wie unsere Lieblingsmesserabwehr (die jetzt leider aus dem Netz genommen wurde), also Techniken, die gar nicht funktionieren KÖNNEN, und dann zu behaupten, das wäre effektive SV.

Ciao,
Häschen

error404
14-05-2002, 19:15
Da hast du schon recht! Das mit den Behauptungen und der Vermarktung ist wirklich entweder nur abzocke oder dummes schöngerede. Ich bin auch für das Trainieren richtiger und effiktiver KK Techniken. Klar, ohne die Grundlagen läuft eben garnichts. Was ich nur meinte ist das es auch nicht sehr viel bringt wenn man die korrekten Techniken zwar erlernt aber dann später in sagen wir mal Notsituationen in denen man diese SV eben braucht dann sprichwörtlich wie der Ochs vorm Berg steht da man nie ein Training der ganzen Situation hatte.
Da hilft auch keine korrekt erlernte Technik :o :o ;)
Ich bin der Meinung das man seine Schüler in einer gewissenweiße auch mental auf SV Maßnahmen vorbereiten sollte.

ciao Alex

uksplinter
14-05-2002, 20:16
Besorgt euch über Paladin Press in den USA die Werke von Fairbairn, Applegate, Styers etc. und dazu die aktuellen Nahkampfhandbücher der Marines etc. Darin steht, wie wirklich Mann gegen Mann gekämpft wird.

Das Ganze hat nur zwei Haken :

1.) Viele dieser Techniken sind so gefährlich, daß sie im regulären Training nicht geübt werden können (z. B "chin jab", Kniestoß gegen Wirbelsäule etc.)

2.) Diese Techniken sind sehr simpel. Damit kannst du nichts Anspruchsvolles für den technikversessenen Kampfkünstler entwerfen. Und wovon soll der Lehrer leben ?
Komplizierte, zahlreiche und optisch effektvolle Techniken kommen den Interessen der Kampfkünstler und natürlich der Kasse des Lehrers entgegen. Schlachtfeldtechniken sind eher langweilig und abstoßend brutal. Folglich kannst du sie nur schlecht an eine zahlungskräftige, zivilisierte Klientel verkaufen.

So einfach ist das !

marty
14-05-2002, 21:24
Ich glaub ganz so einfach ist das nicht.

Um auf der Straße gegen Proll-Paule zu bestehen muß er ihn nicht gleich ins Nirvana schicken. Andererseits darf man fragen, ob ein Grüngurt im Shotokan sinnvoll darauf vorbereitet wird.

Der Frage war, ob es verantwortlich ist, SV-Interessierten ohne Überblick z.B. Karate als Mittel erster Wahl zu verkaufen. Das gilt für viele KK die SV als Premium-Argument bringen.

Interessant zu Spezialeinheiten: wie trainieren die, wenn sie das Leben des Gegners nicht ohne schweren Grund riskieren dürfen (z.B. bei der Polizei)? Bei einigen israelischen Zivil-Polizei-Einheiten wird Krav Maga mit dem Schwerpunkt auf Abhärtung trainiert: neben den Techniken werden die Jungs mit Prügel überzogen (auf Bildern sieht man mit Boxhandschuhen und Kunststoffknüppeln bewaffnete Gruppen, die auf einzelne Schüler eindreschen), um die Psyche abzuhärten. Offenbar hält man das für effektives SV-Training. Die Geschmäcker sind halt verschieden.
:)

uksplinter
15-05-2002, 04:38
Wenn das jemand mit mir versuchen sollte, muß ich ihm leider ein neues Gesicht schnitzen !;)
Abgesehen davon wirst du dich wundern, wie brutal so manche Straßenschlägerei abläuft. Als zivilisierter Mensch glaubt man, ganz plötzlich in einer anderen Welt gelandet zu sein.

DasHaeschen
15-05-2002, 08:19
Abgesehen davon wirst du dich wundern, wie brutal so manche Straßenschlägerei abläuft. Als zivilisierter Mensch glaubt man, ganz plötzlich in einer anderen Welt gelandet zu sein. Eben. Heutzutage kann man sich leider nicht mehr darauf verlassen, dass der Gegner aufhört, wenn man blutend zu Boden gegangen ist.
Ein Freund von mir hatte eine zig-fache Fraktur im Arm, weil er - am Boden liegend - sein Gesicht vor Baseballschlägern und Tritten schützen wollte... :mad:

Was lernen wir daraus: Auf den Boden darf er uns erst gar nicht kriegen!


Komplizierte, zahlreiche und optisch effektvolle Techniken kommen den Interessen der Kampfkünstler und natürlich der Kasse des Lehrers entgegen. Mein Si-Fu kann da ein paar ganz tolle (so einen Kick mit Dreh um die eigene Achse auf den Kopf etc.). Aber er weigert sich, die uns beizubringen, weil er meint, dann könnten wir sie vielleicht mal "im Ernstfall" ausprobieren und ganz fürchterlich verkloppt werden....


Ciao,
Häschen

Dr. Ralf
15-05-2002, 09:25
Original geschrieben von marty
Ich glaub ganz so einfach ist das nicht.

Um auf der Straße gegen Proll-Paule zu bestehen muß er ihn nicht gleich ins Nirvana schicken. Andererseits darf man fragen, ob ein Grüngurt im Shotokan sinnvoll darauf vorbereitet wird.

Der Frage war, ob es verantwortlich ist, SV-Interessierten ohne Überblick z.B. Karate als Mittel erster Wahl zu verkaufen. Das gilt für viele KK die SV als Premium-Argument bringen.

Interessant zu Spezialeinheiten: wie trainieren die, wenn sie das Leben des Gegners nicht ohne schweren Grund riskieren dürfen (z.B. bei der Polizei)? Bei einigen israelischen Zivil-Polizei-Einheiten wird Krav Maga mit dem Schwerpunkt auf Abhärtung trainiert: neben den Techniken werden die Jungs mit Prügel überzogen (auf Bildern sieht man mit Boxhandschuhen und Kunststoffknüppeln bewaffnete Gruppen, die auf einzelne Schüler eindreschen), um die Psyche abzuhärten. Offenbar hält man das für effektives SV-Training. Die Geschmäcker sind halt verschieden.
:)
Tja Marty,
die Leute in Israel haben was die SV in wirklich gefährlichen Situationen angeht ein bisschen mehr realistische Erfahrung als wir hier. Von daher solltest du dir wirklich überlegen warum die so trainieren. Oder anders gefragt, weshalb behauptet Mc Young in seinen Büchern, dass die traditionell ausgebildeten Kampfkünstler bevorzugtes Kanonenfutter für Straßenschläger sind. Ich denke von den Typen, die in Israel ausgebildet wurden kann man das nicht sagen. Dort hat man nämlich erkannt, dass die mentale Abhärtung für das Überleben auf der Straße zig mal wichtiger ist, als wunderschöne geniale und ach so realistische Techniken jahrelang steril in der Halle zu üben. Wie stark die Leute in diesen Drills rangenommen werden hängt übrigens von der Ausbildungsstufe und dem späteren Einsatzzweck, sowie den persönlichen Fähigkeiten des Auszubildenden ab. Im KMM in Deutschland werden übrigens ähnliche Drills absolviert, wobei allerdings die Kunststoffschläger gepolstert sind und die Stärke der Schläge auf den Schüler angepasst wird. Wir machen u.a. solche Übungen um Leuten die nötige mentale Stärke zu verschaffen, eine SV Situation zu überstehen. Sie sollen lernen sich zu wehren, obwohl alles gegen sie spricht und obwohl sie von Schlägen getroffen werden, frei nach dem Motto: Solange ich noch stehe schlage ich, egal was passiert. Wer dieses Feeling mal verinnerlicht hat, hat in einer bedrohlichen Situation zig mal bessere Überlebenschancen als jemand, der 100 geniale Schlagkombinationen der absolut überlegenen Kampfkunst erlernt hat.
Gruß Ralf

DasHaeschen
15-05-2002, 09:54
.
Wer dieses Feeling mal verinnerlicht hat, hat in einer bedrohlichen Situation zig mal bessere Überlebenschancen als jemand, der 100 geniale Schlagkombinationen der absolut überlegenen Kampfkunst erlernt hat. ... aber die besten Chancen hat jemand, der beides drauf hat.
Bei uns kämpfen auch regelmäßig "unterlegene" Schüler gegen höhere und zwar richtig, keine abgesprochenen Übungen (wenn mit Stöcken, dann selbstverständlich ungepolstert). Damit man lernt, sich auch dann noch zuwehren, wenn man eigentlich keine Chance hat...
Besser ein gebrochenes Nasenbein als ein gebrochenes Genick...

Ciao,
Häschen