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roberto
14-12-2004, 08:23
Vom Durchführen eines Seminars – Teil 1





Es ist in meinen Augen ein Imperativ bei der Ausführung eines Seminars oder eines Themenabends keine Outline zur Hilfe zu ziehen! Die schriftliche Vorgabe/ der rote Faden hilft zwar sich nicht allzu sehr zu verzetteln, jedoch bindet sie/ er auch stark und „kastriert“ in gewisser Form die Spontaneität und den individuellen Charakter/ die Note des Referenten.

Es ist EHER empfehlenswert sich für einen Anfangspunkt/ Thema/ Argument zu entscheiden und von dort aus den Unterricht progressiv zu gestalten.

Fehler, Lücken oder gar die Vergeßlichkeit des Referenten, ich beziehe mich hier zum Beispiel auf ein Vorkommen bei einem eigenen Seminar im Rahmen des Nikolaus-Budo-Lehrganges 2004, sind kein Beinbruch und können statt dessen, z.B. durch Selbstironie, der Auflockerung dienen.

Sollte während des Seminars das Thema sich tendenziös in eine andere Richtung verschieben, hat der Referent die Möglichkeit sich der Entwicklung anzupassen oder auch nicht. Dieser Entscheidungs-schritt ist sehr wichtig!
Im Grunde ist ein Seminar nichts weiter als eine Börse. Durch Fragen der Teilnehmer wird der Kurs festgelegt. Plötzlich auftretende Gegebenheiten (z.B. ein Teilnehmer macht bei der Ausführung einer Übung einen strategisch sehr großen Fehler der unbedingt angesprochen werden muß, aber nicht be-dacht wurde) entsprechen neuen Märkten. An der Börse muß von Käufern und Verkäufern schnell auf Veränderungen reagiert werden, bei eine Seminar ist das nicht anders.

Ich gehe sondern soweit, daß ich es auch als möglichen Fehler betrachte sich im voraus Gedanken über die auf dem Seminar anzusprechende Thematik zu machen. Gebe ich Seminare entspricht meine Vorbereitung gleich Null.

Im Alter von 12 Jahren, begann ich zu tauchen und 1990 entschloß ich mich, diesen Sport professio-nell zu erlernen und Tauchlehrer zu werden. Mein erster Lehrer auf diesem Weg war Albert Krüger aus Heidelberg, er lehrte mich, daß ein Tauchlehrer überall und jederzeit, ob gesund, krank, nüchtern oder im Delirium, Rede und Antwort geben muß. Das war für mich seine wichtigste Lektion. Unsere Vorbereitung findet also in den Trainingsräumen und theoretisch in uns selbst (meditative Analyse), durch lesen und in Gesprächen statt.

An einen festgelegten Plan festhalten zu wollen bedeutet diesen Plan, und damit auch die Teilnehmer zu verlieren. Schon in Dao Te Ching steht: „Was Du festhalten willst, wirst Du verlieren!“.

Wie läßt sich aber Spontaneität erlernen, wie entwickelt man diese Fähigkeit? Über die Jahre hinweg, soviel sei gesagt, entsteht sie bei vielen Referenten von selbst. Es gibt jedoch Möglichkeiten diese <<Spontaneität>> gezielt jemanden beizubringen:


1)Der künftige Lehrer sollte zuerst vermehrt als Partner für Demonstrationen herangezogen werden. Dadurch gewöhnt er sich daran vor Publikum, wenn auch nur in einer passiven Rolle, zu agieren.

2)Mit der Zeit wechselt man die Rollen. Nicht mehr „ich“ führe die Technik vor, sondern erkläre diese während der Assistent sie vorführt (diese Phase sollte einige Zeit in Anspruch nehmen).

3)Parallel zu Punkt 2) schickt man den angehenden Lehrer zum Korrigieren durch die Reihen und läßt ihm dort auch genügend Spielraum.

4)Danach beginnt die schwierigere Phase. An dieser Stelle übergibt man dem Assistenten immer wieder kleine Einheiten. Es ist wichtig, daß dies ohne Ankündigung geschieht und somit auch nicht feststeht um welches Thema es sich handelt (es dürfen natürlich keine Bereiche verlangt werden, die der angehende Referent noch nicht oder nur ungenügend kennt). Das ist wie beim Radfahren lernen. Irgendwann läßt man das Fahrrad los und das Kind fährt immer längere Ab-schnitte alleine. Man kündigt das Loslassen aber nicht an. Das würde Ängste im Kind hervorrufen und es würde wahrscheinlich stürzen.

5)Kann der Assistent einen Abschnitt allein unterrichten, kann er auch zwei oder ein ganzes Seminar geben. Ab hier unterstützt man ihn vermehrt bei der Eröffnung/ Eröffnungsrede und übernimmt immer wieder mal selbst kleine Abschnitte. Diese geben ihm/ ihr Zeit, kurz zu entspannen aber auch die Möglichkeit aufzupassen und sich Feinheiten beim seinem Lehrer abzuschauen.


Ab jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der angehende Lehrer zutraut Seminare gänzlich allein durchzuführen und dabei seinen eigenen Stil entwickelt.

Abschließend mahne ich davor den künftigen Lehrer öffentlich zu kritisieren. Das untergräbt seine Kompetenz vor den Teilnehmern, verunsichert ihn und erweckt Ängste, die ihn künftig bei jedem Auf-tritt begleiten werden. Jede (konstruktive) Kritik sollte im Anschluß der Einheiten und vor allem ` unter vier Augen ´ von statten gehen.

Weiterhin müssen die Teilnehmer immer davon ausgehen, daß es sich beim Assistenten um eine nahe-zu gleichwertig kompetente Person handelt. Mehr als der Name des Assistenten und der Hinweis, daß dieser bei Fragen ebenfalls zur Verfügung steht sollte nicht erwähnt werden.

In diesem Sinne, vertraut der Macht! ;-)



Roberto Laura
Sistema SAL – Germania Neckarsulm, 14.12.2004