tode bzw. okinawanisches Karate... [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : tode bzw. okinawanisches Karate...



Ikken-Hissatsu
22-05-2002, 17:22
Gibt es heute noch das alte okinawanische Tode bzw. Karate überhaupt noch? In BLACKBELT war darüber mal ein Artikel,in dem behauptet wurde,daß es sich um eine ziemlich rohe,pugilistische(=boxähnliche) Kampfart gehandelt haben muß. Wenn die alten Geschichten wahr sind von den okinawanischen Bauern,die bewaffnete Samurai im Zweikampf mit bloßen Händen getötet haben,muß das doch ein unglaublich effektiver Stil geqwesen sein. Es waren auch Photos dabei von Schülern so um 1900, die vom Körperbau mit Mike Tyson vergleichbar waren. Trainiert wurde übrigen mit nacktem Oberkörper, Gürtelgrade waren unbekannt(eine japanische Erfindung des 20.Jahrhunderts) und auch die meisten Katas noch nicht erfunden. Überhaupt ging der Bericht dahin,daß Katas kaum eine Rolle spielten,weil fast nur Abhärtung trainieret wurde. Die Katas wurden später als Gesundheitsübung erfunden,als Karate in den japanischen Schulen eingeführt wurde. :gewicht:

Michael1
23-05-2002, 00:05
Das Bauern mit bloßen Händen im Zweikampf Samurai besiegten dürfte wohl ehr eine Ausnahem als die Regel gewesen sein. Samurai waren "Berufssoldaten" die von ihrer Ausrüstung, Ausbildung und Trainingsaufwand gegenüber den Bauern eindeutig im Vorteil waren. Natürlich ist es möglich das auch mal ein Samurai gegen die Landbevölkerung im Kampf unterlag, die chancen dafür dürften aber ehr gering gewesen sein.

Die Bekleidung und auch die Graduierungen sind (wenn ich mich richtig erinnere) erst unter Funakoshi entwickelt worden, dabei sind starke anleihen vom Judo zu verzeichnen. Funakoshi selbst schreibt auch das sie zu beginn u.a. auch in Judoanzügen trainiert haben.

Die Kata's sind nicht alle eine neue Erfindung, es gibt sowohl Kata's mit sehr alten Ursprüngen wobei hier im laufe der Zeit wohl veränderungen vorgenommen wurden, dh. sowohl die Form als auch ihre interpretation wurde verändert, also auch solche die erst im 20. Jh entstanden sind.

Was den Körperbau betrifft so kann ich nur vermuten das es, wie heute auch, grosse und kleine, kräftige und weniger kräftige Menschen gab. Meiner persönlichen Meinung nach ist Körperkraft für den Kampf unverzichtbar, deshalb dürften kampfstarke Karateka auch gut trainiert gewesen sein. Jeder versucht halt aus seinen körperlichen Vorraussetzungen das beste zu machen.

weudl
23-05-2002, 07:00
Bezüglich der Theorie von Karate als Bauernkunst gibt es durchaus auch andere Meinungen. Die bekannten Karatemeister aus der 2.Hälfte des 19 Jhdts gehörten jedenfalls nicht dem Bauernstand an. Ob die Karateka der Frühzeit daher Bauern waren, die sich mit bloßen Händen gegen bewaffnete Samurai verteidigt haben, lässt sich wohl heute nicht mehr wirklich sagen.

Das Training zu dieser Zeit sah auch komplett anders aus als wir das heute gewohnt sind. Der "militärische" Aspekt des Karate (Aufstellung in einer Reihe mit formellem Gruß, Kasernenhofton, etc) wurden angeblich von Kentsu Yabu auch erst vor ca 100 jahren eingeführt.

Die heute bekannten Formen der Kata gehen im wesentlichen auf Itosu und Higaonna zurück. Vor allem Itosu hatte in seinem Bestreben, karate an den Schulen ald Gymnastik einzuführen, die Kata reformiert um sie der breiten Masse vermitteln zu können. Möglicher weise wurden Kata davor nicht in derart starren Formen unterrichtet wie wir das heute kennen. Existiert haben sollen sie aber sehr wohl auch schon davor.

das Graduierungssystem und die einheitliche Bekleidung wurden von Funakoshi eingeführt (nach dem Vorbild Kanos), um Karate in Japan als japanisches Budo etablieren zu können.

wankan
23-05-2002, 07:40
Hallo,
schaut mal unter Veranstaltungen.
Habe einen Lehrgang mit Kyoshi Patrick McCarthy
eingestellt.
Es gibt wohl kaum jemanden, (außer die altem Meister selber)der über ein so fundamentales Wissen des Okinawa Karate verfügt wie er.
Er ist sozusagen ein wandelndes Kampfkunstlexikon,
und vertritt wie kaum ein anderer die traditionelle Linie.
Da er in Australien lebt, ist es äußerst selten, daß er in Europa Seminare gibt.
Auch nicht zu vergessen, Alan Dollar. Auch er ist im Okinawa Karate sehr bewandert, gibt jedoch leider grundsätzlich keine Seminare mehr.
Im übrigen ist Kyoshi McCarthy der erste gewesen, der das BUBISHI (die Bibel des Karate) übersetzt hat.
Gruß
Hans-Jürgen

Bai Long
23-05-2002, 10:53
Soweit mir bekannt war Karate oder speziell das Okinawa-Te eine rein bäuerliche Kampfart.

Die Entwicklung führte zum Einfallen shogunaler Truppen in Okinawa, da sie sich nicht mit Japan als Einheit sehen konnten. Dem Shogun hat es dann "endgültig gereicht", als Toyotomi Hideyoshi (ich glaube 1592 oder so) erfolgreich in Korea eingefallen ist, was Okinawa völlig am ***** vorbeiging. Daraufhin wollte auch er (der Shogun) völlige Kontrolle und lies seine Bushi in Okinawa einfallen, auf dass sie Ordnung in desen Part der Insel(n) bringen sollten. Waffenverbote schließlich führten zu Entwicklung dessen, was wir als Okinawa-Te kennen.#

Ich bitte mich zu korrigieren, falls ich falsch liege, aber die urspünglichen Stile ware den Bauern "vorbestimmt", weil die ja nichts anderes hatten...


Bai Long

Deshi
23-05-2002, 10:56
Hi ,

ob das okinawanische Karate von Bauern oder Adligen ausgeübt wurde, darüber streiten sich die Gelehrten.
Auf jeden Fall muss es sehr effektiv gewesen sein, sonst würde heute keiner mehr davon wissen :-).

Falls sich jemand näher damit befassen will, es gibt auch in Deutschland ein wandelndes KK- Lexicon.

Soke H. Köhnen, www.daigaku.de.

Deshi

WuDao
23-05-2002, 11:15
@ Wankan

>>> Habe einen Lehrgang mit Kyoshi Patrick McCarthy eingestellt.
Es gibt wohl kaum jemanden, (außer die altem Meister selber)der über ein so fundamentales Wissen des Okinawa Karate verfügt wie er.
Er ist sozusagen ein wandelndes Kampfkunstlexikon,
und vertritt wie kaum ein anderer die traditionelle Linie. <<<

Es ist schon eigenartig, dass im Zusammenhang mit Okinawa-Te immer n u r der Name Patrick McCarthy fällt.
Ich habe Kontakt zu zweien seiner Schüler, weil zufälligerweise mein Sohn bei ihnen trainiert.
Beide sind gute Lehrer.
Trotzdem wird hier in Deutschland geflissentlich darüber hinweggesehen, dass wir ebenfalls einen hervorragenden Experten des Okinawa-Te haben.
Dies ist Soke Heinz Köhnen, den du meinen Informationen zufolge ebenfalls aus früheren Zeiten kennst.
Ich kenne ihn seit nunmehr 19 Jehren und arbeite seit dieser Zeit mit ihm zusammen, obwohl ich eigentlich "Kung Fu" praktiziere.
Trotzdem habe ich von Soke Heinz Köhnen sehr viel über die Zusammenhänge der chinesischen und okinawischen Kampfkünste gelernt, Dinge, die mir leider mein Meister nicht so vermitteln konnte.
Wer Soke Heinz Köhnen etwas besser kennt, der schätzt ihn insbesondere wegen seiner "traditionellen" Sichtweise der Kampfkünste, die er mit Sicherheit ebenso deutlich vertritt wie Patrick McCarthy.

Ich finde es schade, dass man immer in der Weltgeschichte nach guten Lehrern suchen muss, die "Perlen" im eigenen Land aber nicht beachtet.
www.daigaku.de.

Goshinsatori
23-05-2002, 11:30
HI,

ich kann mich hier Deshi und WuDao nur anschliessen.....
Warum in die Ferne schweifen, wennd das GUTE ist so nah ?

wankan
23-05-2002, 11:35
Hallo WuDao,
nichts gegen Heinz, er verfügt mit absoluter Sicherheit über ein profundes Wissen, aber im Zusammenhang mit Tode und Okinawa Karate stößt man unweigerlich immer wieder auf McCarthy. Mag an seinen Publikationen liegen.
Wenn es speziell um Okinawa Karate geht ist hier in Deutschland nicht um Jörg Kuschel und Andreas Reifel herumzukommen. Sie betreiben Kenju-Ryu Karate, eine sehr alte Okinawa Schule.
Beide sind auch gespickt mit jeder Menge Wissen.
Doch um den Namen Patrick McCarthy kommt man nun mal nicht herum. Er ist nun mal einer der bekanntesten Okinawa Stilisten der Welt.
Mag natürlich auch an seiner PR liegen.
Gruß
Hans-Jürgen

mizato
17-07-2002, 14:23
Hallo wankan

ich kenne Heinz Köhnen persönlich und ich kenne auch McCarthy, doch Beide sind ´nicht miteinander vergleichbar.
McCarthy hat eine enorme PR Maschine, ist jedoch in Fachkreisen stark in Beschuss, was sein Wissen angeht.

Trotzdem, man sollte hier einfach das Wissen und Können der einzelnen Leute nehmen und daraus lernen.

WuDao
17-07-2002, 15:13
Hallo Hans-Jürgen,

>>> nichts gegen Heinz, er verfügt mit absoluter Sicherheit über ein profundes Wissen, <<<

Das ist meiner Meinung noch untertrieben.

>>> aber im Zusammenhang mit Tode und Okinawa Karate stößt man unweigerlich immer wieder auf McCarthy. Mag an seinen Publikationen liegen. <<<

Sehe ich auch so, gute PR macht halt was her.

>>> Wenn es speziell um Okinawa Karate geht ist hier in Deutschland nicht um Jörg Kuschel und Andreas Reifel herumzukommen. Sie betreiben Kenju-Ryu Karate, eine sehr alte Okinawa Schule.
Beide sind auch gespickt mit jeder Menge Wissen. <<<

Ja, da hast du recht. Ich kenne beide recht gut, denn mein Sohn ist dort Schüler.


>>> Doch um den Namen Patrick McCarthy kommt man nun mal nicht herum. Er ist nun mal einer der bekanntesten Okinawa Stilisten der Welt.
Mag natürlich auch an seiner PR liegen. <<<

Siehe oben, gute PR ...

Gruss

Martin

mizato
18-07-2002, 01:06
Ja, alles richtig, aber Soke H. Köhnen macht halt wenig PR. Ihm ist jeder willkommen, der mehr über Karate erfahren möchte, als das, was in den Büchern steht und auch mehr als das, was heute in Okinawa gelehrt wird, dies ist doch alles auch nur mehr oder weniger ein Abklatsch von allem.
Wen interessiert schon in der wettkampfbetonten Zeit die Hintergründe.
Alles kann man so oder so darstellen.

Goshinsatori
18-07-2002, 09:17
HI,

ja, die Hintergründe interessieren heute nicht mehr wirklich.
Dennoch wird von den Trainern der verschiedenen Verbände immer etwas über den Hintergrund erzählt:
Funakoshi war der Begründer des moderenen Karate-Do.
Das ist die einzige Aussage die immer kommt. (Jedenfalls im Shotokan.....)
Also man erfährt nicht wirklich etwas.

Michael Kann
18-07-2002, 13:20
Original geschrieben von Ikken-Hissatsu
Gibt es heute noch das alte okinawanische Tode bzw. Karate überhaupt noch? In BLACKBELT war darüber mal ein Artikel,in dem behauptet wurde,daß es sich um eine ziemlich rohe,pugilistische(=boxähnliche) Kampfart gehandelt haben muß. Wenn die alten Geschichten wahr sind von den okinawanischen Bauern,die bewaffnete Samurai im Zweikampf mit bloßen Händen getötet haben,muß das doch ein unglaublich effektiver Stil geqwesen sein. Es waren auch Photos dabei von Schülern so um 1900, die vom Körperbau mit Mike Tyson vergleichbar waren. Trainiert wurde übrigen mit nacktem Oberkörper, Gürtelgrade waren unbekannt(eine japanische Erfindung des 20.Jahrhunderts) und auch die meisten Katas noch nicht erfunden. Überhaupt ging der Bericht dahin,daß Katas kaum eine Rolle spielten,weil fast nur Abhärtung trainieret wurde. Die Katas wurden später als Gesundheitsübung erfunden,als Karate in den japanischen Schulen eingeführt wurde. :gewicht:

Du triffst des Pudels Kern ... leider wollen dies die wenigsten Glauben ... alte Berichte wie der von Dir zetierte (aufgefrischt in Black Belt Magazin) belegen es jedoch recht deutlich. Natürlich gab es bei den einzelnen Adelsfamilien auf den Ryokyu ebenso Lehrer für Selbstverteidigung, da es schließlich auch den Adeligen durch die Besatzer untersagt war Waffen zu tragen. Doch dürfte das ursprüngliche Tode (Tote) hauptsächlich von Bauern, Handwerkern (u.a. Fischern) praktiziert worden sein. Dafür spricht u.a. auch der dazugehörige Waffenteil Kobujutsu (Kobudo, Kobujitsu usw.). So finden sich unter den heute noch gängigen Kobudowaffen auch noch Werkzeuge die zu Waffen umfunktioniert wurden wie z.B. Padel, Dreizack, Dreschflegel usw. Dies gab es im übrigen im 30jährigen Krieg bei der hiesigen Landbevölkerung ebenfalls. Dort wurden genauso Werkzeuge zu Waffen umfunktioniert (siehe Bundschuh und ähnliche Litaratur) und die gängigen Nahkampfmethoden wie das Schwingen (Ringen) wurden in Heerlagern trainiert.

Michael Kann
18-07-2002, 13:31
Original geschrieben von Michael1
Das Bauern mit bloßen Händen im Zweikampf Samurai besiegten dürfte wohl ehr eine Ausnahem als die Regel gewesen sein. Samurai waren "Berufssoldaten" die von ihrer Ausrüstung, Ausbildung und Trainingsaufwand gegenüber den Bauern eindeutig im Vorteil waren. Natürlich ist es möglich das auch mal ein Samurai gegen die Landbevölkerung im Kampf unterlag, die chancen dafür dürften aber ehr gering gewesen sein.

Der Titel war im übrigen nicht Samurai sondern Bushi, Samurai beschreibt einen Stadtpolizisten im feudalen Japan. Und Du hast sicherlich Recht, es war für einen waffenlosen Bauern wohl schlecht umsetzbar gegen einen ausgebildeten Ritter anzutreten. In der Mehrzahl handelte es sich hier vermutlich um Horden von abtrünigen Bushi, den s.g. Ronin die sich in Gruppen organisierten und über Dörfer herfielen. Du kannst davon ausgehen das die Bauern oder Fischer sich zu dieser Zeit ebenfalls in Gruppen gegen diese Übergriffe gestellt haben und dabei so nehme ich an keinesfalls unbewaffnet waren. Fischer arbeiteten immer schon mit Netzen, Dreizack, Padeln usw. und Bauern mit Dreschflegeln, Stöcken usw. Ich glaube das selbst ein ausgebildeter Bushi gegen eine Horde bösartiger Bauern oder Fischer schon größte Probleme gehabt haben dürfte ... was meinst Du?

Die Bekleidung und auch die Graduierungen sind (wenn ich mich richtig erinnere) erst unter Funakoshi entwickelt worden, dabei sind starke anleihen vom Judo zu verzeichnen. Funakoshi selbst schreibt auch das sie zu beginn u.a. auch in Judoanzügen trainiert haben.

Dies läßt sich relativ leicht erklären, da Funakoshi in Kano einen Freund und Mentor gefunden hat war der Austausch von Informationen, Tipps und Ratschlägen gang und gäbe. Dabei wird ebenfalls oft vergessen, das dass von Kano geschaffene Kano Jiu Jitsu dem Karate Jutsu von Funakoshi sehr ähnlich war. Ich hoffe, es glaubt keiner mehr die Mähr vom Shotokan Begründer Funakoshi.

Die Kata's sind nicht alle eine neue Erfindung, es gibt sowohl Kata's mit sehr alten Ursprüngen wobei hier im laufe der Zeit wohl veränderungen vorgenommen wurden, dh. sowohl die Form als auch ihre interpretation wurde verändert, also auch solche die erst im 20. Jh entstanden sind.

Richtig ... dazu sei angemerkt, dass die meisten Katas eine Kreation jüngeren Ursprungs sind. Es gab vermutlich nur eine sehr geringe Zahl an Basisübungen aus denen neuere Formen abgeleitet wurden.

Was den Körperbau betrifft so kann ich nur vermuten das es, wie heute auch, grosse und kleine, kräftige und weniger kräftige Menschen gab. Meiner persönlichen Meinung nach ist Körperkraft für den Kampf unverzichtbar, deshalb dürften kampfstarke Karateka auch gut trainiert gewesen sein. Jeder versucht halt aus seinen körperlichen Vorraussetzungen das beste zu machen.

Sehe ich genauso!

Gruß
Mike

CeKaVau
18-07-2002, 16:13
Hallo,

ich denke nicht, daß Kara- (oder To- oder Okinawa- oder wie auch immer) te von Bauern entwickelt oder benutzt worden ist. Immerhin haben die von früh bis spät auf dem Feld herumgestanden - wann sollen die trainiert haben. Mit ab und zu mal ein bißchen Kata oder Makiwara wird man da kaum viel erreicht haben.

Ich denke mal eher, daß das Kobudo von Bauern/Fischern abstammt. Da werden ja eh Geräte benutzt, die sie den ganzen Tag in der Hand haben und auch nicht auffallen, wenn man damit unterwegs ist.
Den Adligen und Gebildeten dürfte es unwohl aufgestoßen sein, ein profanes Arbeitsgerät in der Hand halten zu müssen.

Tschüssi
Ike