Können, Nervenstärke und Glück [Archiv] - Kampfkunst-Board

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roberto
19-12-2004, 12:35
Können, Nervenstärke und Glück





Ein Kampf entscheidet sich im Wesentlichen durch drei Faktoren: Können, Nervenstärke und Glück.

Das Können setzt sich seinerseits aus der Kenntnis vom modo, tempo und misura (siehe folgenden Artikel: http://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?t=23018), aus der genetischen Voraussetzung des Kämpfers und der Beharrlichkeit im Training zusammen. Können ist also eine sehr steuerbare Komponente und die Ausweitung der individuellen Fähigkeiten liegen demzufolge in der Verantwortung eines jeden selbst.

Nervenstärke ergibt sich zum einen aus der Summe der Erfahrungen, aus der Erziehung seitens der Eltern und natürlich auch aus der in Training und Praxis (Erfahrungen) gewonnen Sicherheiten. Nervenstärke ist stark abhängig von Charakter und frühen Ängsten und läßt sich nur bedingt steigern. Eine „sinnvolle“ Möglichkeit ist das Durchleben realer Situationen im Kampf oder/ und die Steigerung innerer Sicherheit (siehe zwei Absätze weiter unten).

Glück hingegen ist so gut wie nicht beeinflußbar. Durch fleißiges Üben kann das Glück etwas auf die eigene Seite gezogen werden. Plötzlich auftretende Faktoren wie stolpern, vorher aufgetretene Verletzungen etc. entziehen sich jedoch unserem Einflußbereich.

In Anbetracht dieses Wissens ist es notwendig, sich auf die beeinflußbaren Faktoren zu konzentrieren und diese auszubauen. Abgesehen von fleißigem Üben, lassen sich wichtige Aspekte wie Nervenstärke auch durch innere Sicherheit fördern.
Ein Punkt, der diese Sicherheit zu Tage bringt, ist Gewißheit. Gewißheit entsteht durch das Wegfallen sogenannter Unsicherheitsfaktoren. Diese ergeben sich in den Kampfkünsten oft dadurch, daß den Schülern vermittelt wird, ob beabsichtigt oder auch nicht, daß sie noch lange nicht am Ziel sind.

Ein System sollte deshalb nicht vielmehr als 6-12 Techniken beinhalten. Alles andere sollten mögliche Variationen dieser 6-12 Techniken sein. Des weiteren muß ein System sofort zum Punkt kommen und sich nicht allzu lange mit Vorübungen, Formen oder Drills aufhalten.
Erst wenn der Schüler den Überblick hat, Fokus vorhanden ist und das Wissen in ihm ruht, daß er alles in der Hand hat was er braucht, kann man gewisse Übungsformen wie z. B. Drills ergänzen.

Auch darf den Schülern keine falsche Sicherheit suggeriert werden. Wird seitens der Schüler die Tat-sache erkannt, daß man im Kampf trifft aber auch getroffen wird, daß kein System gegen alle Eventualitäten gewappnet ist, können diese unverkrampft und frei von falschen Vorstellungen in den Kampf gehen.

Abschließend möchte ich zum Faktor Können ein Zitat des deutschen Meisterboxers Gustav „Bubi“ Scholz anführen: „Jede Sekunde die man im Training verpaßt, bekommt man im Kampf auf den Kopf!“.




Roberto Laura
Neckarsulm, 2004-12-19
Sistema SAL

Trinculo
19-12-2004, 14:55
Hallo Roberto,

wo ordnest Du die Aggression/Aggressivität unter diesen drei Faktoren ein?
(Ich nehme mal an, sie steht in Beziehung zur Nervenstärke.)

Wie siehst Du Ihren Einfluss auf den Kampferfolg, und wie trainierst Du
ihre Nutzung oder Vermeidung?

Saluti,

Trinculo

roberto
19-12-2004, 16:26
Hallo Roberto,

wo ordnest Du die Aggression/Aggressivität unter diesen drei Faktoren ein?
(Ich nehme mal an, sie steht in Beziehung zur Nervenstärke.)

Wie siehst Du Ihren Einfluss auf den Kampferfolg, und wie trainierst Du
ihre Nutzung oder Vermeidung?

Saluti,

Trinculo

Es geht darum Aggressionen zu kanalisieren und das ist u.a. Nervenstärke. Alles was Du steuern bzw. in Zaun halten kannst ist hilfreich, auch Angst. Die einzige Möglichkeit Aggressionen zu kontrolieren, falls Du nicht von selbst dazu in der Lage bist, ist ein Psychotherapie! :-)

Ich denke, dass u. a. die Natur der Kampfkunst Aggressionen fördert oder kontrollieren hilft. Des weiteren ist es Aufgabe des Lehrers ein entsprechendes Umfeld zu gestalten und natürlich Sparring.

Wie gesagt, alles kann, wenn es entsprechend gesteuert wird, zu deinen Gunsten eingesetzt werden.

Ciao

Roberto

AMOK! Bernd
20-12-2004, 01:44
Ich wuerde sagen, der Begriff "Nervenstaerke" muss sehr sehr weit gefasst werden. Dazu muss wohl alles im mentalen Bereich, von Entschossenheit, Mut, Sicherheit, Kaltbluetigkeit, Konzentrationsfaehigeit, Beobachtungsfaehigkeit, Reaktionsfaehigkeit, Entschlussfaehigkeit, Kombinationsfaehigkeit, "Kampfuebersicht", "Herz", bis zum notwendigen "Killerinstinkt" gezaehlt werden.
Einen nicht unwesentlichen Faktor vermisse ich jedoch: physische Ueberlegenheit, Groesse, Reichweite, Masse, Kraft. Bei gleichem Koennen und passender mentaler Einstellung wird der physisch ueberlegene ziemlich sicher als Sieger hervorgehen - es sei denn es kommt ein "equalizer" ins Spiel, wie zum Besipiel ein Messer. Meine Frau (51kg, 168cm) wird waffenlos kaum je eine Chance gegen mich (112kg, 194cm) haben - deshalb trainieren wir gemeinsam den Messerkampf.

roberto
20-12-2004, 08:29
Einen nicht unwesentlichen Faktor vermisse ich jedoch: physische Ueberlegenheit, Groesse, Reichweite, Masse, Kraft. Bei gleichem Koennen und passender mentaler Einstellung wird der physisch ueberlegene ziemlich sicher als Sieger hervorgehen - es sei denn es kommt ein "equalizer" ins Spiel, wie zum Besipiel ein Messer. Meine Frau (51kg, 168cm) wird waffenlos kaum je eine Chance gegen mich (112kg, 194cm) haben - deshalb trainieren wir gemeinsam den Messerkampf.

Ich gebe Dir absolut Recht und deshalb habe ich diesen Punkt auch im Artikel gleich zu beginn erwähnt:

"Das Können setzt sich seinerseits aus der Kenntnis vom modo, tempo und misura (siehe folgenden Artikel: http://www.kampfkunst-board.info/fo...ead.php?t=23018), aus der genetischen Voraussetzung des Kämpfers und der Beharrlichkeit im Training zusammen. "

All die von Dir angesprochenen Faktoren habe ich genetische Voraussetzungen genannt. Wir meinen hier das Gleiche.


Beobachtungsfaehigkeit, Reaktionsfaehigkeit, Entschlussfaehigkeit, Kombinationsfaehigkeit, "Kampfuebersicht",

Diese Eigenschaften sind, wie im Wort bereits selbsterklärend enthalten, Fähigkeiten und damit dem Können unterzuordnen. Du hast aber Recht, sie sind sehr wichtig!

Ich habe bewusst nicht alles aufgezählt. Je mehr man aufzählt, desto mehr wird einem "vorgehalten" vergessen zu haben. Mir ging es lediglich um eine allgmeine Erklärung/ Darstellung, welche drei Hauptfaktoren kampfentscheidend sind.

Ciao

Roberto

AMOK! Bernd
20-12-2004, 09:09
Ich habe bewusst nicht alles aufgezählt. Je mehr man aufzählt, desto mehr wird einem "vorgehalten" vergessen zu haben.
Wie Recht Du damit hast!
Wenn Du ein Seminar ausschreibst, dann wirst Du wohl genau darum nie detailliert aufzaehlen, was gebracht wird - ausser einem einzigen oder sehr wenigen sehr weit gefassten Begriffen. Ansonsten werden immer Kritiker und Besserwisser auftauchen und sich das Maul darueber zerreissen, wieviel "mehr" sie selbst koennen und wieviel "mehr" in ihren eigenen Kampfkuensten beigebracht wird.

JetLag
20-12-2004, 11:39
Ich finde die Einteilung in Können, Nervenstärke, Glück etwas unglücklich.
Warum nicht gleich beeinflussbare Faktoren und nicht beeinflussbare Faktoren, statt so ein verschwommenes Gebilde?
Davon ab ist Glück meiner Definition nach überhaupt nicht beeinflussbar. Es ist der Lauf der Dinge - ohne auf die Präferenzen eines Einzelnen Rücksicht zu nehmen -, der sich zu einem Vorteil entwickelt. ;)

Eskrima-Düsseldorf
20-12-2004, 11:55
Ich finde die Einteilung in Können, Nervenstärke, Glück etwas unglücklich.
Warum nicht gleich beeinflussbare Faktoren und nicht beeinflussbare Faktoren, statt so ein verschwommenes Gebilde?
Davon ab ist Glück meiner Definition nach überhaupt nicht beeinflussbar. Es ist der Lauf der Dinge - ohne auf die Präferenzen eines Einzelnen Rücksicht zu nehmen -, der sich zu einem Vorteil entwickelt. ;)


Du kannst Glück aber nutzen oder es lassen. Z. B. hast Du das Glück dass Dein Gegner stolpert, aber es mangelt Dir am Können, diese Lücke auszunutzen.

Du hast Dein Glück dann negativ beeinflußt indem Du es nicht genutzt hast.

Grüße

Christian

nickless
20-12-2004, 20:33
Meine Frau (51kg, 168cm) wird waffenlos kaum je eine Chance gegen mich (112kg, 194cm) haben - deshalb trainieren wir gemeinsam den Messerkampf.
Du bereitest deine Frau darauf vor dich trotz deiner koerperlichen Ueberlegenheit umzulegen? :D

Sehr interessant das ganze und weil ich kaum Ahnung von der mAterie hier habe, will ich auch garnichts gross kritiseren, finde auch nix :)
Bin nur der persoehnlichen Meinung, oder dem Glauben, dass man Glueck auch beeinflussen kann. Als gutes Karma, entsteht es durch die Reinheit des eigenen Herzens. Ein "reines Herz" erhaelt man durch all die Dinge die man richtig macht. Ich setze hier meinen Glauben vorraus, dass jeder Menschen im Grunde weiss was richtig oder falsch ist, es aber gegebenfalls ignoriert um eigenen Nutzen daraus zu ziehen. Macht man das nicht, so konnte ich feststellen, hat man oefters mal Glueck und kommt auch leichter damit zurecht kein Glueck zu haben. Probierts aus, oder lacht mich aus :p :cool:

JetLag
21-12-2004, 09:37
Du hast Dein Glück dann negativ beeinflußt indem Du es nicht genutzt hast.
:gruebel: :D
Wie auch immer. Es geht mir um Robertos Didaktik. Wenn es keinen Sinn macht, alle Punkte aufzuzählen, dann sollte man wenigstens eine selbsterklärendes Grundgerüst wählen, in das alle Punkte ergänzt werden können. Wie will man denn Nerverstärke und Können voneinander abrenzen? Schwierig.


So stell ich mir ein logisches Gerüst vor:

(begrenzt) beeinflussbare Faktoren nicht beeinflussbare Faktoren
Können, Nervenstärke, Physis etc. "Glück", Fähigkeiten des Gegners, Waffen etc.

=>beeinflusst Strategie
=>ergibt Kampferfolg

Sven K.
21-12-2004, 10:36
Moin

Hi Roberto
Da Du ja schon den ein oder anderen "Artikel" geschrieben hast, wäre es doch
nett, wenn Du die irgendwie so aufbaust das man sie auch wiederfindet.
Eventuell durchnummerieren und als "Wichtig" einordnen. Könnte ja ähnlich wie
die JKD-Artikel von Frank laufen. Nur so als Tipp. :D ;)

Trinculo
21-12-2004, 10:55
Wie will man denn Nerverstärke und Können voneinander abrenzen? Schwierig.

Natürlich hat jede Kategorisierung ihre Löcher und Grenzfälle.

(Mein Lieblingsbeispiel, von Borges: Einteilung der Tiere in
a) Tiere, die dem Kaiser gehören,
b) einbalsamierte Tiere,
c) gezähmte,
d) Milchschweine,
e) Sirenen,
f) Fabeltiere,
g) herrenlose Hunde,
h) in diese Gruppierung gehörende,
i) die sich wie Tolle gebären,
k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind,
l) und so weiter,
m) die den Wasserkrug zerbrochen haben,
n) die von weitem wie Fliegen aussehen. :D )

Der Hauptunterschied zwischen Können und Nervenstärke ist in Robertos
Artikel beschrieben: das Können lässt sich sehr stark beeinflussen, die
Nervenstärke kaum, das Glück überhaupt nicht.

Sicherlich kann man da geteilter Ansicht sein; ich tendiere zur Meinung von
Roberto. Im Laufe meiner Beschäftigung mit verschiedenen Kampfarten hat
sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass sich das "psychische Gerüst" der
Menschen nur unwesentlich beeinflussen lässt. Schüchterne bleiben
schüchtern, und Aggressive werden durch "den Geist des Budo" auch nicht
zu Meistern der Gelassenheit. Wenn sich so etwas gravierend ändert, dann
meistens durch das Alter.

Natürlich findet man sofort Leute, die felsenfest davon überzeugt sind,
sie hätten sich durch XYZ 100%ig geändert (meist gebessert ;) ), aber
in der Realität sieht es meist so aus, dass diese angeblich starke Veränderung
vom Umfeld weitaus schwächer bewertet wird ...

Genug abgeschweift!

Ossi
31-12-2004, 16:32
Du kannst Glück aber nutzen oder es lassen. Z. B. hast Du das Glück dass Dein Gegner stolpert, aber es mangelt Dir am Können, diese Lücke auszunutzen.

Du hast Dein Glück dann negativ beeinflußt indem Du es nicht genutzt hast.

Grüße

Christian



hallo,

nur aus meiner sicht (sicht eines philosophen ;) ) entsteht das, was wir glück nennen aus gelegenheit und vorbereitung....

glück = vorbereitung + gelegenheit.

wie man sie dann nutzt, ist jedem selbst überlassen...(siehe christian).

gruss
ossi

Chris
31-12-2004, 17:54
So wie du Glück definierst, kommt wohl eher der Psychologe mit dir durch :D

Darkpaperinik
31-12-2004, 23:34
Ich glaube man muss in der Tat unterscheiden, ob wir von KAMPFESglück oder LEBENSglück sprechen - hier liegt durchaus ein Unterschied vor.

Glück ist ein gesteigertes Lebensgefühl, in dem der Mensch mit seiner Lage und seinem Schicksal einig und sich dieser Einhelligkeit gefühlsmässig bewusst ist. Er glaubt,seine wesentlichen Wünsche seien erfüllt, innere Unstimmigkeiten scheinen gelöst. Dieses Lebensgefühl kann alle Stufen vom Sinnlichen bis zum Sublim-Geistigen durchlaufen.

Oder wie Aristoteles sagt: Glück ist das letzte Ziel menschlichen Handelns. Glück ist das Tätigsein der Seele im Sinne der ihr wesenhaften/ tugendmäßigen Tätigkeit. Es ist vollkommen und selbstgenügsam.

Glück im Kampf sind das "glückliche" Zusammenspiel mehrerer Faktoren die ja bereits in den oberen Postings zum Teil genannt wurden.. - und dieses Glück kann man sicherlich auch mit Erfahrung und Mut beeinflussen.

dino
01-01-2005, 19:31
Hallo Roberto!


Unsicherheitsfaktoren ergeben sich in den Kampfkünsten oft dadurch, daß den Schülern vermittelt wird, ob beabsichtigt oder auch nicht, daß sie noch lange nicht am Ziel sind.


Auch darf den Schülern keine falsche Sicherheit suggeriert werden.

Beides sehr wahr und wichtig. Und die richtige Vermittlung an den Schüler bürdet jedem Lehrer eine nicht zu unterschätzende Verantwortung auf.


Ein System sollte deshalb nicht vielmehr als 6-12 Techniken beinhalten. ......Des weiteren muß ein System sofort zum Punkt kommen und sich nicht allzu lange mit Vorübungen, Formen oder Drills aufhalten.


Erst wenn der Schüler den Überblick hat, Fokus vorhanden ist und das Wissen in ihm ruht, daß er alles in der Hand hat was er braucht, kann man gewisse Übungsformen wie z. B. Drills ergänzen.

Wenn das nur alle so sehen würden! Leider ist das nicht im Interesse vieler kommerzieller "Schulen".



Wird seitens der Schüler die Tatsache erkannt, daß man im Kampf trifft aber auch getroffen wird, daß kein System gegen alle Eventualitäten gewappnet ist, können diese unverkrampft und frei von falschen Vorstellungen in den Kampf gehen.

Leicht gesagt, aber nicht leicht getan, da es vielleicht die höchste Stufe aller Kunst ist.



Gruss

dino


P.S. Wann kommst Du denn mal wieder nach D'dorf?!

roberto
01-01-2005, 19:48
P.S. Wann kommst Du denn mal wieder nach D'dorf?!

Das hängt davon ab wann mich Don Christiano von Praun einlädt. Wenns nach mir ginge jederzeit gerne!

Ciao

Roberto

Eskrima-Düsseldorf
02-01-2005, 07:32
Da unsere Schule im Moment umzieht, kann ich schlecht fürs nächste Jahr planen und daher noch nichts genaues sagen, habe aber vor Don Roberto auf jeden Fall im Laufe des Jahres nach Düsseldorf einzuladen.

Grüße

Christian