Rapier - Belehrungen eines Studenten!! [Archiv] - Kampfkunst-Board

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Vollständige Version anzeigen : Rapier - Belehrungen eines Studenten!!



El Loco
30-12-2004, 23:05
Hi,

hatte gestern ein interessantes, recht einseitiges Gespräch mit nem Studenten über das Rapier und Schwerter im allgemeinen.

"Das Rapier stach nicht, es hatte keine Spitze, es schlitzte in erster Linie nur auf und war dafür konzipiert Rüstungen und Panzerhemden zu zerteilen. Im Gegensatz zum Degen hatte es keinen Glockengriff. Es war einem Schwert haushoch überlegen."

und dann so lustige Aussagen wie: "Ein Schwert hat nicht geschnitten, es hat nur Knochen gebrochen"

Ich hab´s mir angehört und mir verkniffen ihm die Wahrheit, d. h. meine Erkenntnisse, mitzuteilen. Hatte keine Lust auf Diskussionen. Er weiss es ja eh besser, obwohl er zu 95 % daneben lag...

Ausser ich liege falsch, aber das Rapier ist doch in erster Linie auf Stechen ausgelegt und wurde nie wie von ihm behauptet auf dem Schlachtfeld (auch wegen der Länge nicht möglich) genutzt...

Jörg, sag du mal was zu, bidde!! Oder jemand anders, sonst ist mein Weltbild zerstört :D

P.S.: hab nix gegen Studenten, nur mal so im Voraus...

Nahot
30-12-2004, 23:09
und dann so lustige aussagen wie: "Ein Schwert hat nicht geschnitten, es hat nur Knochen gebrochen"

also das habe ich auch öfter mal gehört und gelesen. wobei das sicher nicht auf jedes schwert, bzw. jede schwertart zutrifft.

rakki
31-12-2004, 01:01
also ich kenn sowas auch, das so titanische langschwerter eher zum zertrümmern als zum schneiden gut waren :D

MCJP
31-12-2004, 06:00
Das Schwert des Wald-Und-Wiesen Soldaten sicher. Bei den Dingern, die Adelige und Ritter mit sich führten ist schon eher Schneiden / Stechen angesagt.

Jörg B.
31-12-2004, 10:07
Thorsten, bleib cool,

jeder hat das Recht, dumm zu sterben.

Mit solchen Leuten lohnt es sich gar nicht zu reden, umdrehen und stehen lassen.

Ein Clown ohne Publikum hört schnell auf, Faxen zu machen.

El Loco
31-12-2004, 12:48
Du,

ich war ja cool. Hab jaja gesagt, mich umgedreht und bin mal kurz rausgegangen. Mir hat dieses unglaubliche Selbstvertrauen sehr imponiert :D
Na ja, so isses halt...

Zoid
31-12-2004, 13:38
Hallo allerseits,

ich treibe mich schon etwas länger "nur lesend" in diesem Forum herum, allerdings muß ich nun auch mal zu einem Thema meinen Senf dazu geben.

Rapier
Es gibt viele Definitionen zum Thema Rapier. Generell kann man ihn allerdings als eine einhändig geführte, lange, dünne "Fechtwaffe" bezeichnen, die fast keine Klinge besitzt und zwischen 1 und 1.5 KG wiegt. Sie war primär für den üngerüsteten Mann gegen Mann Kampf gedacht und wurde weder auf Schlachtfelder noch gegen gerüstete Gegner geführt.

Manche vertreten auch die Ansicht, daß Rapiere auch als Schnittwaffen geführt wurden, was meiner Meinung nach jedoch eher für schlechten Fechtstil spricht und dem Einsatz des Rapiers als Stichwaffe die Gefährlichkeit & Effektivität nimmt.

Sicherlich gab es bei der Vielfalt auch Rapiere mit einseitgen oder beidseitigen Klingen, primär war es aber eine Stichwaffe.

Eventuell hat der weise Student im Bezug auf die Fähigkeiten Rüstungen zu zerschneiden da ja etwas mit dem Katana verwechselt ...

Für weitere Informationen kann ich diesen Artikel empfehlen:
Questions and Answers About the Rapier
von John Clements
zu finden hier:
http://www.thearma.org/spotlight.htm

Lang-/Breitschwert
Bei den Schwertern liegt er gar nicht so falsch.

Der durch Breit und Langschwerter verursachte Schaden war primär Wuchtschaden und in zweiter Linie erst Schnittschaden. Es gibt einige Schwertformen, die gar keine echte Spitze hatten. Dies gilt ebenso für beidhändig geführte Schwerter.

(Im Gegensatz dazu waren Kurzschwerter in erster Linie Stichwaffen und als zweites Schnittwaffen.)

Diese Aussage gilt in einem zeitlich Begrenzten Rahmen, d.h. vor dem Aufkommen von schweren Plattenrüstungen. Nach einigen Zeitberichten hatten herkömmliche, bis dato normale Breitschwerter nicht die Fähigkeit effektiv gegen voll in Platte gerüstete Kämpfer eingesetzt werden zu können. Daher wurden die Klingen anders gewuchtet und mit einer Spitze versehen, um besser gezieht auf Schwachstellen in der Rüstung zielen zu können.

Mehr Informationen zum späteren Langschwert findet Ihr hier:
A Brief Introduction to Armoured Longsword Combat
von Matt Anderson und Shane Smith
http://www.thearma.org/essays/armoredlongsword.html

Für alle Schwertkunst interessierten hier noch ein guter Artikel zum Parrieren:
The Myth of Edge-On-Edge Parrying in Medieval Swordplay
von John Clements
http://www.thearma.org/essays/edgemyth.htm
--> sehr zu empfehlen!

So, das war's dann für's erste :)

So long
Zoid

T. Stoeppler
31-12-2004, 14:26
Zoid,

Es ist gewiss nicht einfach ein "Rapier" zu definieren... der Begriff wird für viele Schwertformen genannt.

Das Rapiersystem von Joachim Meyer z.B. nutzt sehr viele Hiebtechniken, knapp die Hälfte. Und das ist sicher kein schlechter Fechtstil.

Das Rapier ist vom Langen Schwert gar nicht so verschieden. Später wurde es mehr und mehr zur Stichwaffe und dementsprechend viel länger - George Silver gibt diesbezüglich den Italienern die Schuld. ;)

Was die Schnittfähigkeit von historischen Europäischen Schwertern anbelangt - die Dinger scheiden tadellos UND hauen ´rein. Ich würde mich von der Idee des "primären Wuchtschadens" vollkommen lösen.

Gute Schwerter waren schön spitz und scharf. Alle historischen Fechttechniken mit dem langen oder kurzen Schwert beiinhalten Stiche und Hiebe sowie Schnitte.

Desweiteren würde ich mich generell von den Meinungen und Ansichten des Herrn Clements lösen bzw mich tiefgehend mit originalen Quellen auseinandersetzten.

P.S. ansonsten kann ich mich dem Jörg nur anschliessen. Der arme student hatte so gar keine Ahnung.

Gruss, Thomas

El Loco
31-12-2004, 14:50
Hi,

genau das wollte ich hören. Clemens ist ja momentan schwer umstritten... :D

Klar tut auch ein Hieb mit dem Rapier weh, aber ein Cut-and-Thrust-Sword wie das schottische Claybeg ist eher was zum Stechen und Hauen als ein Rapier...

Zoid
31-12-2004, 15:05
Hallo Thomas,

der Entwicklung des Rapiers stimme ich Dir zu, ist halt ein schwieriges Thema. Bei einem schlanken Rapier denke ich jedoch eher an Stichwunden, vergleichbar mit Messern und Dochen.

Zum Thema Breitschwert noch mal: Schnittfähigkeit haben die sicherlich gehabt, wobei aber die "Technike" auf einem Hieb beruht & daher die Wucht primärer Schaden ist und durch die Schnittwirkung unterstütz wird, d.h. Quetsch- und Schnittschaden wodurch (ähnlich beim Hackebeil oder Machete) auch Gliedmassen abgetrennt wurden. Ich denke nicht, dass die europäischen Breitschwerter ähnlich wie ein Katana oder No-Dachi geführt wurden (ziehend), das trifft eher auf Säbel zu.

Klar ist generell mit Kurz-, Breit- und Langschwert jede Form von Hieb, Stich und Schnitt möglich. Es ist jedoch die Frage zu welchen Zweck sie sich am besten eignen. Dazu kommen noch die verschiedenen Ausführungen der Schwertformen (Breitschwerter mit vorgelagertem Schwerpunkt ohne durchgehend scharfe Klinge, schlange Langschwerter mit ausgeprägter Spitze), Zeitpunkt der Nutzung und damit Rüstungarten (bei der Entwicklung von Kette als "Ritterrüstung" zur Vollplatte hat sich da im Punkto Schwertformen auch eine Entwicklung vollzogen).

Ich bin kein Clements-Jünger, aber zumindest der Artikel Edge-On-Edge Parrying ist meiner Meinung nach inhaltlich gut. Ansonsten habe ich natürlich auch andere Quellen in Buchform.

Also, für dieses Jahr genug von mir. Guten Rutsch Euch allen und bis nächstes Jahr.
Zoid

T. Stoeppler
31-12-2004, 15:28
Zoid,

Sicher hat das Rapier mehr das Ansehen einer Stichwaffe - wobei das, wie bereits erwähnt, auf die späteren "Rapiere" zurückzuführen ist. Systeme wie z.B. Capo Ferro sind fast (oder ausschliesslich) 100% Stiche, allerdings müsste ich dafür noch einmal reingucken... aber Rapiere sind eh nicht mein Ding.

Langschwerter aber schon. (woher hast Du überhaupt den Begriff "Breitschwert"?)

Was die Schnitte angeht - gezogene und geschobene(!) Schnitte existieren, sie werden in der Stufe vor dem Ringen eingesetzt. Allerdings sind diese konstruktionsbedingt natürlich nicht so effektiv wie die eines Katanas, aber sie erfüllen ihren Zweck. Wie gesagt, hier ist Quellenstudium nötig.

Mit einem typischen Langschwert gehen Tatamis genauso toll durch wie mit einem Katana, wobei die Kraftkomponenten etwas anders liegen.

Schlussendlich ist es natürlich egal, wie der Schaden zustande kommt, solange er ausreichend (verstümmelnd, tödlich etc) ist.


Also... Hmm.. der Edge-on-Edge Artikel ist glaube ich das Letzte, was ich von Herrn Clements als brauchbar erachten würde. Denn es ist, nach dem *aktuellen* Stand der Erkenntnisse, Unsinn.

Ohja, und Guten Rutsch!!!!

Gruss, Thomas

Jörg B.
31-12-2004, 20:19
Den Äußerungen von Thomas ist im Prinzip nichts mehr hinzuzufügen.

Well done, grashopper. :D ;)

Ach ja, Thorsten:

Clements ist nicht umstritten. Die meisten ernshaften hist. Fechter sind sich ziemlich einig, daß der Mann größtenteils Unsinn erzählt.

Es interessiert in der 'Szene' eigentlich niemand mehr, was er so schreibt, es gibt wichtigeres.

An dieser Stelle auch von mir einen

GUTEN RUTSCH! :troete:

El Loco
04-01-2005, 14:50
Hi Jörg,

bitte nenn mir doch was aktuelles, fundiertes in der Richtung womit ich mich "weiterbilden" kann :D. Lasse mich immer gern eines besseren belehren...:)
Gern auch was in Englisch...

Jörg B.
04-01-2005, 15:07
Hi!

Zu empfehlen: Oakeshott's Bücher (alle)

A.V.B. Norman: The rapier and smallsword

Müller/Kölling: Europäische Hieb- und Stichwaffen

Und noch tausend andere Sachen, die mir auf die Schnelle nicht einfallen, bin immer noch krank.

El Loco
04-01-2005, 17:25
Hi Jörg,

reicht mir schon mal vollends... :D
Wünsch ne gute Besserung... :)

Illegal Alien
10-01-2005, 22:52
Ich finde die Leute drollig die mir erzählen wollen das europäische Schwerter "primitiv" "unhandlich" "schwer" seien...
Aber wenn diese leute mir dann weismachen wollen das unsere Schwerter stumpf gewesen sind, und eben reine Hiebwaffen gewesen seien dann kann ich mich nur sehr sehr schwer im Zaume halten !

Es mag sein das zum Kampfe gegen einen Schwer gerüsteten Gegner die Schneide von wenig nutzen ist und man ihm stattdessen die Spitze in die lücken winden muss.
ABER: Nur die Wenigsten konnten sich eine solche Rüstung leisten, und sie traten in ihrer vollendung (Wie wir sie heute kennen) erst sehr spät auf.
Ein gut gerüsteter Waffenhandwerker wird vielleicht einen Brustpanzer, Helm, Beinschienen gehabt haben, aber niemals einen Vollen Harnisch (glaube ich einfach nicht).
Dann ist dann noch die frage der Epoche, zum Rapier mal eben meine Meinung: Klar gibt es Rapiere die keine Klinge haben, es gibt aber eben auch mehr als genug Beispiele für Rapiere die auch eine stattliche, breite, klinge aufweisen, und diese Rapiere kann ich respektieren, die Klingen dieser Waffen waren logischerweise Scharf, denn das ist der Sinn einer KLINGE, wenn ich stumpfes trauma hervorrufen will nehm ich nen Steitkolben oder Hammer !

In der Fechtkunst kennt man die "Drei Wunder" als da sind:
1. Der Hieb
2. Der Schnitt
3. Der Stich

Echte Schwertkunst nutzt alle drei Wunder, alles andere ist Blödsinn.

Aber ich muss mich schon wieder beruhigen hier :)

Als letztes nur: Die Leute die vor uns gelebt haben wahren keine Deppen, sie waren es die alles geschaffen haben auf das unsere Generationen aufgebaut haben. Die Menschen die z.B. die grossen Kathedralen in Handarbeit geschaffen haben liefen bestimmt nicht mit stumpfen Schwertern durch die Gegend !