Experimente [Archiv] - Kampfkunst-Board

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lamiech
07-06-2002, 14:23
Ich habe mal ein wenig mit der Yang Form gespielt.
Dabei habe ich folgendes ausprobiert:

1. schnell, explosiv wie z. B. eine Karate Kata

2. so schnell wie möglich ohne zu verkrampfen

3. so langsam wie möglich (Teil eins ca. 15 min)


Bei diesen Spielerein meine ich, folgendes bemerkt zu haben:

Bei 1. ist gut zu erkennen, dass auch die (Krankenhaus :) ) Yang Form eine Kampfform ist, man erkennt sehr schnell und gut, was für Techniken darin versteckt sind (zumindest was die offensichtlichen Geschichten angeht). Mit Chi oder so ist wohl nicht, anschließend war ich immer etwas verkrampft und durfte erst mal wieder ordentlich Daoistische Übungen etx. ... machen, um wieder was lockerer zu werden.

Die schnelle lockere Form fühlte sich kampftechnisch sehr klasse an, ohne dass mir jetzt Einzeltechniken großartig bewusst wurden. Die schnellen fließenden Bewegungen erinnern dabei schon fast an *ing *ung Mäßi8ge Kampfsequenzen und ich denke, ich werde mal meinen Lehrer fragen, ob wir nicht mal die Form in dieser Form (ein Wortspiel, wie süüüß :D ) zu zweit, dritt oder mehreren machen, wobei einer die Form schnell läuft und die anderen den (passenden) Angreifer miemen.
Hier musste ich zu Beginn auch sehr darauf achten, die Form richtig zu laufen, in dem Tempo merkt man vermutlich, dass der Ablauf dann evtl. doch noch nicht so richtig sitzt. Aber einige Male richtig flott gelaufen und es sitzt. Feinheiten bleiben natürlich erst mal auf der Strecke.

Wenn ich die Form so richtig langsam laufe, dann passieren schon ganz nette Sachen.
Zum einen fängts immer mal wieder an, in den Armen und Beinen zu kribbeln.
Hin und wieder meinte ich auch, die Arme heben sich jetzt ganz von alleine, ohne dass ich bewust irgendwas dazutat (z. B. Wecke das Chi, Dauer zwei bis drei sehr lange Atemzüge, als ob die Arme nach oben gezogen werden).
Man hat auch lange Zeit, zu analysieren, was man denn gerade so macht, dabei zeigt sich, dass manche offensichtliche Techniken, wie in der Katamäßigen Variante gelaufen noch einiges mehr beinhalten, so wird der eine oder andere primitive Block plötzlich doch zum Hebel.
Man achtet ausserdem sehr genau und pedantisch auf die Feinheiten (genaue Fußstellungen, Bezug der Hände zueinander, Gewichtverteilung etx. ...).

Mein Fazit: öfters mal spielen in allen Variationen, nach dem harten aber unbedingt wieder ganz langsam und weich.

CU
Lamiech

Bokuto
09-06-2002, 23:04
jau, die gleichen Varianten hatte ich auch schon ein paarmal durchgespielt. Allerdings konnte ich Nummer Drei (extrem langsam) nicht soviel angewinnen, da hier irgendwie "Der Faden gerissen" ist, wie die Taiji-Leute gern sagen. Das heisst, man ist sosehr mit dem Moment beschäftigt, dass das Verständnis für die Gesamtheit der Bewegung verloren geht. Aber interessant sind alle drei Erfahrungen allemal.

Gruß
Dirk

Klaus
10-06-2002, 11:48
Original geschrieben von Bokuto
Allerdings konnte ich Nummer Drei (extrem langsam) nicht soviel angewinnen, da hier irgendwie "Der Faden gerissen" ist, wie die Taiji-Leute gern sagen. Das heisst, man ist sosehr mit dem Moment beschäftigt, dass das Verständnis für die Gesamtheit der Bewegung verloren geht.

Hallo Dirk,

dem ist mitnichten so. Durch die Langsamkeit der Bewegung wird das Wollen auf natürliche Weise erleichtert, da man lange Wollen muß ohne daß irgendwas passiert. Die Leute die sich darüber beschweren daß der Faden reisst haben a) nie verstanden und können also auch nichts verlieren, oder sind so kopffixiert daß der Körper wirklich gar nichts mehr von alleine macht, und b) mit sowenig Geduld wohl auch nie die Schwelle zur Bewegung mit "Jing" überschritten (unzivilisiert würde man "Laberköppe" sagen). Die erreicht man nur durch Langsamkeit. Es ist DAS "Geheimnis" innerer Prozeduren, wenn man das hinter sich hat dann braucht man keine meterlangen Theorieabschriften mehr um "zu verstehen". Chen Fake sagte mal dazu warum er alles mögliche schnell vorführt, daß er das alles so lange so langsam gemacht hat daß es von alleine kommt, so schnell wie man möchte. Gerade Taiji-Leute die meinen man könnte das alles doch nicht SOO langsam nehme ich nicht ernst. Sobald man die mal wirklich mit innerer Kraft konfrontiert gehen die weinen oder fangen an zu diskutieren. Leider eine Erfahrung. Nix für ungut...

Grüsse,
Klaus

ernst
10-06-2002, 12:09
Hallo beisammen

Schliesse mich Klaus an, und gebe zu, sich auf das Langsame einzulassen fordert einen selber VIEL mehr.

quote Bukoto
Das heisst, man ist sosehr mit dem Moment beschäftigt, dass das Verständnis für die Gesamtheit der Bewegung verloren geht.

Ich sehe das eher so:
Das heisst, man ist sosehr mit dem Moment beschäftigt, dass das Verständnis für die Gesamtheit der Bewegung nicht aufrecht erhalten werden kann, weil es noch sehr duertig ist. In der schnellen Variante kann man sich über vieles drüber schummeln.

Ernst

Bokuto
10-06-2002, 12:34
Original geschrieben von Klaus


... die Leute die sich darüber beschweren daß der Faden reisst haben a) nie verstanden und können also auch nichts verlieren, oder sind so kopffixiert daß der Körper wirklich gar nichts mehr von alleine macht, und b) mit sowenig Geduld wohl auch nie die Schwelle zur Bewegung mit "Jing" überschritten (unzivilisiert würde man "Laberköppe" sagen) ...

Klaus, nimmst Du Dir tatsächlich heraus, Yang Chengfu einen Menschen zu nennen, der Tai Ji nicht verstanden hat? Das meinst Du nicht ernst, oder? Das zehnte Prinzip des Yang-Stils lautet: Bewegung ohne Anfang und Ende - alle Bewegungen verschmelzen zu einer Einheit, als würde man einen langen Seidenfaden aus einem Kokon ziehen. Zieht man zu langsam, löst sich der Faden nicht, zieht man zu schnell, reisst er.

Wenn ich eine Form oder Elemente daraus so langsam laufe, dass sie aufhören eine Form oder Technik zu sein und anfangen, eine Momentaufnahme zu werden, dann übe ich Qi Gung aber nicht mehr Tai Ji Quan. Du hast völlig recht, wenn Du sagst, dass man an jedem Punkt einer Bewegung sich der Bewegung bewusst sein soll. Also dass es nicht nur einen Anfang und ein Ende gibt sondern unendlich viel mittendrin.

Doch auf diese Weise wird es ein herausgelöstes Üben des "Mittendrin", welches nichts mehr mit einer Kampfschulung im Sinne des Wortes zu tun hat. Was bleibt ist der gesundheitsfördernde Aspekt.

Ebenfalls nix für ungut, aber denke dran: Deine eigene Wahrheit muss noch lange nicht die Wahrheit des Anderen sein. Eine Erkenntnis macht Dich nicht zu etwas besseren.

Gruß
Dirk

@Ernst: Ich bin wirklich kein Meister, da hast Du recht. Aber nach 12 Jahren Quan Fa Training und 6 Jahren Tai Ji Quan Training glaube ich nicht, dass mein Wissen als "dürftig" einzustufen ist.

tigercrane
10-06-2002, 12:45
hi an alle

@bukuto
was sind schon wenige jahre im vergleich zu einem leben?

viele grüsse

Bokuto
10-06-2002, 12:52
Original geschrieben von tigercrane
... was sind schon wenige jahre im vergleich zu einem leben?

*lächel* Bei mir? Bisher fast das halbe Leben. Und immerhin ein Anfang!

Gruß
Dirk

tigercrane
10-06-2002, 12:54
hi bokuto

gut gekontert...:D

viele grüsse

ernst
10-06-2002, 14:05
Hallo Dirk

Ich uebte im Gegensatz zu dir nur während 42% meines Lebens Taiji, also viel weniger als du, bin allerdings schon 50 ;-).

Und Seidenfäden werden in der Praxis extrem schnell abgewickelt, habe ich in China gesehen. Ein Vergleich der sich auf die zu erreichende Qualität bezieht, nicht auf die Geschwindigkeit. Wie auch nicht, der menschliche Körper ist doch etwas bewegungskomplexer als ein wenn auch beachtliches Fädchen.
Auch nach deinen Einwänden, den Ehrenwerten Yang Chengfu wollen wir doch schlafen lassen ;-) bin ich überzeugt, dass Klaus recht hat und dass das nicht eine augenblickliche Weisheit ist, sondern etwas Grundlegendes.

Klaus Zitat: Durch die Langsamkeit der Bewegung wird das Wollen auf natürliche Weise erleichtert, da man lange Wollen muß ohne daß irgendwas passiert.
So kann ich auch meine Erfahrung und konkrete Übungspraxis beschreiben.

Den Seidenfaden zu behalten ist schon schwer genug, und dabei ist nicht gemeint, dass man sich auf der Qi Wolke durch die Form schwebend verbunden fühlt, sondern dass konkret wahrnehmbare Körperprozesse ineinander über gehen. Verlaesst man die Geschwindkeit wo´s am besten geht, wirds wieder sehr schwierig, egal ob langsamer oder schneller. Zum echten Umlernen ist eine langsame Bewegung fürs Gehirn geeigneter, schnelle lieben die Gewohnheit.
Wenn ein Prozess nicht aufrecht erhalten werden kann, dass dann aus Taiji ploetzlich Qigong wird, das ist eine interessante Transformation, huuuuch. :warning:



Dass hier unterschiedliche Meinungen herrschen ist ja gut, und Meister sind wir eh alle nicht, oder versteckt sich wo einer ?
Ernst

Klaus
10-06-2002, 14:41
Original geschrieben von Bokuto


Klaus, nimmst Du Dir tatsächlich heraus, Yang Chengfu einen Menschen zu nennen, der Tai Ji nicht verstanden hat? Das meinst Du nicht ernst, oder? Das zehnte Prinzip des Yang-Stils lautet: Bewegung ohne Anfang und Ende - alle Bewegungen verschmelzen zu einer Einheit, als würde man einen langen Seidenfaden aus einem Kokon ziehen. Zieht man zu langsam, löst sich der Faden nicht, zieht man zu schnell, reisst er.


Nein, aber er meinte etwas anderes. Es gibt eine "angemessene" Geschwindigkeit, in der einem das Training am meisten bringt, wenn man den Punkt erreicht hat daß "es" von alleine fliesst. Diesen Punkt erreicht man in dem Stil den Yang Chengfu trainiert hat dadurch, daß man am Anfang sehr viel "qigong"-artiges und Standtraining macht. Dadurch kann er, und Leute die wie er trainiert haben, in seinem fortgeschrittenen Zustand anders trainieren. Siehe mein Beispiel von Chen Fake, der sich auch vor Leuten rechtfertigen musste warum er nicht so langsam macht wie man ihnen vorher erklärt hat. Es gibt zuviele Leute die "Yang Chengfu" sagen, aber sich meinen. Und in den Fällen die mir bekannt sind waren diese Leute einfach damit überfordert so langsam anzufangen. Es strengt nämlich ungemein an. Und rethorische Mittel der Rechtfertigung hören sich dann immer gut an, nur wenn es nicht wahr ist nützt es einem nichts. Taiji (oder interne Stile generell) ist eine Frage der körperlichen Ausbildung, wozu auch Reflexe und "sich-gehen-lassen-können" gehört. Immer mit dem Kopf zu wissen was man gerade GENAU macht ist eine Kopfgeburt. Das ist der Grabstein praktischer Fähigkeiten. In der extrem langsamen Ausführung auch zu vergessen wozu es gerade _genau_ gut ist und sich zu verlieren ohne aufzuhören, ist eine sehr wichtige Praxis. Ich mache zum Beispiel Dinge und weiß hinter nicht mal was ich gemacht habe, aber gewirkt hat es. Meditation besteht auch darin, seinem Körper und dem Geist Gelegenheit zu geben, tiefere Fähigkeiten ins Spiel bringen zu können und NICHT _IMMER_ _ALLES_ zu kontrollieren. Eine fürchterliche Vorstellung für Kontrollfetischisten.

Mal was zur Versöhnung ;). Mach mal eine Deiner ganz normalen Formen so langsam daß Du Dich fast nicht bewegst. Ich meine WIRKLICH langsam, so daß das bekannte Kribbeln einsetzt das man kennen sollte wenn man lange Taiji oder andere Formen macht, und einem gegebenenfalls komisch-warm wird. Ohne Konzentration, einfach nur langsam. Das über einen längeren Zeitraum, und der Körper wird sich spürbar ändern. Der Geist auch, und das macht einigen Zeitgenossen irgendwie Furcht.
Ich will nicht spekulieren warum das in manchen Kreisen nicht erwähnt wird, aber möglicherweise war es Absicht. Ohne diese Vorübung dauert es nämlich wirklich unheimlich lange bis sich wirklich was von der Größenordnung einstellt, daß es zum Fajing taugt. Mit anderen Worten, wenn Du es gleich schnell lernst kannst Du ein bischen, aber derjenige der es von seinem Vater so gelernt hat schmeisst Dich an die Wand und grinst. Er ist halt "besser" ;). Manche würden es Betrug nennen. Versuche es, und Du wirst es merken.

SQ
10-06-2002, 21:43
ich denke, das yang-taichi war nie zum kämpfen da......

ernst
11-06-2002, 08:12
Shaolin Quan ich denke, das yang-taichi war nie zum kämpfen da......

Als Moderator bist du ziemlich ahnungslos:warning:
ernst

Bokuto
11-06-2002, 08:49
Hi Ernst,
ganz Deiner Meinung: ich finde Yang-Tai Ji vermittelt durchaus auch Technik und Gefühl für den Kampf. Vor allem bildet es eine hervorragende Ergänzung zu "dynamischen" Kampfkünsten, da es viel Basis vermittelt (ich schrieb an anderer Stelle mal: Das Quan Fa ist für mich der Baum aber das Tai Ji Quan ist die Wurzel dieses Baumes).

Hi Klaus,
ich habs erneut ausgetestet und finde mich in meiner Meinung wieder bestätigt: Das extrem langsame, energiegeladene Üben (das warme Kribbeln) entspricht eher einer Qi Gung-Übung ("Stehen wie Baum" zum Beispiel). Der Muskeltonus verändert sich, der Körper wird gelassener, der Geist freier, Blockaden und Verspannungen lassen nach. Das ist natürlich ein allgemein positiver Effekt und meditationsartige Übungen machen eine Kampfkunst erst vollständig (traurig, welcher Kämpfer das nicht versteht). Aber in meiner kämpferischen Qualität bringt mich diese Übung definitiv nicht weiter.

Happy Zeitlupentraining!
Dirk

ernst
11-06-2002, 11:10
Hi Dirk

Was mir immer sehr gut gefallen hat, ist eine total langsame Chen Form, aus der dann ein paar wenige fa jins raus sausen wie der Blitz aus der Wolke, und vorher und nachher der Körper wieder "ganz" ruhig ist. (haett ich gern ;-))

In diesem Sinne bin ich fuer diese Diskussion sehr dankbar, bin im Langsamen immer noch zu schnell und im Schnellen immer noch zu langsam ;-)

Zu wissen was im Augenbick funktioniert oder nicht, ist Routine,
ein freier Geist ist ein gänzlich andere Sache.
Beim Stehen entsteht vorderhand mal kein freier Geist, sondern entweder ein Daemmerzustand, Marke Einlullkaefig, oder man fühlt sich super, Marke goldener Kaefig. Diese psychologische Situation, sich auf Unbekanntes einzulassen, ist nicht so leicht an zu nehmen.

Trainiert wird nicht happy und nicht Zeitlupe, sondern es gibt bei gesteigerter Wahrnehmungsfähigkeit ohnehin genug wahr zu nehmen und zu tun und zu lassen. Am Anfang kann das ziemlich fad sein, gähn.
Die Entspannung ist nur die Hälfte der Geschichte, der Labberkucken Körper und Geist muss auch wieder Struktur bekommen, eine neue bessere hoffentlich.

Zum Abschluss eine Geschichte, die ich gehört habe:
Sun Lutang, berühmter Xingyi, Bagua und Taijimeister hat seine paar Hundert Schüler 4 Jahre lang täglich 7-8 Stunden "nur" stehen lassen, mit Pausen versteht sich. Nach vier Jahren warens nur noch 7 oder so, die wurden alle sehr berühmt.
Ob man Stehen als Qigong, oder neigong oder Teil des Taiji bezeichnet ist nur von oberflächlicher Bedeutung, dass es konkret die Kampf skills entwickelt ist durch alle inneren Stile unbestritten.

Ob man so üben will, ist natürlich jedem selber überlassen.
Ernst

Klaus
11-06-2002, 12:38
Neben diesen psychomotorischen Effekten die man sofort merkt, ergibt dieses komische Kribbeln auch mit längerem Üben (also Wochen, oder Monate) eine SCHEISSKRAFT. Wenn Dich _das_ kämpferisch nicht weiterbringt...

Wie gesagt, keiner muß sowas üben.

derKünstler
12-06-2002, 00:47
Hallo Klaus!
Ich weiß genau, wovon du schreibst...... Wir üben nämlich haargenau so! Und was ich höchst erstaunlich finde:
Mich wundert gar nicht, dass man im wing chun von solchen Dingen nichts versteht, aber dass hier echt ernstzunehmende "innere" Stilisten kein Gespür für diese Art der Langsamkeit entwickeln können (und zwar sehr wohl auch in kämpferischer Hinsicht), überrascht mich über alle Maßen,.... und bestätigt mich einmal mehr. Aber wie du schon schreibst: Das MUSS ja keiner so üben!

Liebe Grüße, derKünstler